Gott denkt dieses Ganze

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10. Religion – Kapitel 08. Trinität
10. Religion – Kapitel 08.
non in unius singularitate personae, sed in unius trinitate substantiae: Trinität
(1) Die Dreifaltigkeit Gottes kann durch die natürliche Vernunft nicht erkannt werden, lehrt
der Hl. Thomas von Aquin. Der Mensch kann nämlich mittels seiner Vernunft nur über die
Geschöpfe (d. h. über die empirische Welt) zu Gott als deren Ursache gelangen. 1 Die Trinität
wird erst zugänglich in Jesus Christus, bei dessen Taufe im Jordan der Heilige Geist in Taubengestalt herabkam und die Stimme Gott Vaters vom Himmel her spricht: Tu es filius meus
dilectus, in te complacui mihi (Lc 3, 22). Die Dreifaltigkeit ist auf diese Weise aus dem Inneren Gottes durch ihn selbst geoffenbart. Im Johannesevangelium sind es gleich zu Beginn
Gott und sein ewig bei ihm weilendes Wort (verbum, logos), die zusammen Gott ausmachen.
Wort und Geist Gottes sind bereits im Alten Testament bezeugt: Verbo Domini caeli firmati
sunt; et spiritu oris eius omnis virtus eorum. ... Quoniam ipse dixit, et facta sunt (Ps 32, 6 und
9). Die Trinität hat einerseits durchaus einen Anhaltspunkt in der Schöpfung: Das Geschaffene ist nicht Gott und hat doch seinen Ursprung in ihm. So ist Gott in dem Geschaffenen nicht
so präsent wie er in und für sich selber präsent ist, aber er muss doch darin irgendwie präsent
sein – woher hätte sonst das Nichtgöttliche Sein und Existenz? Damit lässt sich aus der Tatsache der Schöpfung auf eine innere Differenz in Gott selbst schließen. Wenn Gott immer nur
und immer im selben Sinn Er-Selbst wäre, dann gäbe es keine nicht-göttlichen, endlichen
geschaffenen Wesen. Dieser in der Geschöpflichkeit implizierte philosophisch erkennbare
Sachverhalt, die Selbstoffenbarung der Gottheit bei der Taufe Jesu, sowie die Aussagen Jesu
Christi (docete ... baptizantes ... in nomine Patris et Filii et Spiritus sancti [Mt 28, 19]), und
dann die mündliche Predigt der Apostel werden von deren Nachfolgern unter der Leitung des
Heiligen Geistes weiter überliefert und in ihrem Inhalt näher expliziert in den Lehrdokumenten der Konzilien. Philosophie, Heilige Schrift und verbindliche Lehrüberlieferung der Kirche bilden zusammen einen Horizont, innerhalb dessen die menschliche Vernunft versuchen
kann, weitere Überlegungen anzustellen, welche die Rede von den drei göttlichen Personen
möglicherweise plausibler macht. Dass hier eine volle oder auch nur eine besonders große
Plausibilität zu erreichen sein könne, wird man nicht erwarten, da es sich um den inneren
Selbstvollzug des göttlichen Seins handelt, der unserem Erleben unzugänglich ist.
(2) Wir haben Gottes Wesen als die untrennbare Einheit des reinen „Dass“ und der Fülle aller
„Was“ bestimmen können. Das sind drei Momente im Wesen Gottes: das „Dass“, die „Was“
und die Einheit beider. Es wäre nun ein großer Irrtum, die Trinität einfach mit einer solchen
Dreiheit von Bestimmungen, die ich sie in Gott entwickelt habe, ineins zu setzen. Es ist keineswegs so, als wäre Gott Vater das reine „Dass“, Gott Sohn die Fülle der „Was“ und Gott
Heiliger Geist die Einheit oder das Ganze dieser beiden. Vielmehr ist jede der göttlichen
Personen alle drei Bestimmungen: Gott ist die Macht über das Dass-Was-Ganze (das ist
seine eine Substanz) jedoch in drei verschiedenen Relationen (das sind seine drei Personen).2
Zusatz: Schelling hat die göttlichen Personen nicht mit den inneren Bestimmungen der göttlichen Aktivität –
mit der Dreiheit der grenzenlosen, begrenzenden und maßhaltenden Aktivität, die er „Potenzen“ nennt (10.2, §
36 Zusatz) – identifiziert. Die Potenzen sind ihm vielmehr die Di consentes3 (M I, 292f; vgl. 318), die immer
nur zusammen bestehen. Der Geist ist die Einheit der Potenzen (O I, 241ff), und Gottes Dreipersönlichkeit sind
für Schelling drei Weisen des Geistes: der an sich seiende Geist, der für sich selbst seiende Geist und der bei
sich seiende Geist, die zusammen den absoluten Geist bilden (O I, 251-256). Hegel hat im Unterschied zu
1
Sth I, 32, 1
2
Fälschlich identifiziert die Personen mit den Potenzen Kasper 1965: „die Potenzen ..., die ... dann als die göttlichen Personen erscheinen“ (355). – Zur Trinität vgl. auch Huber 2003, 181-191.
3
Schelling kommentiert: „von con-sum wie praesens von prae-sum“ (M I, 293)
1
10. Religion – Kapitel 08. Trinität
Schelling die drei göttlichen Personen eher als Momente einer Person aufgefasst, denn als drei Personen. 4
I. Gott Vater
(3) Gott Vater schaut und will sich selbst – den „Herrn des Seyns“ – als das Dass-WasGanze als die aus freier Neigung (Liebe) errichtete Differenziertheit der axiologisch optimal
qualifizierten (d. h. als „Reich der Zwecke“ gebauten) Welt. Er schaut sich in seiner Ganzheit
als „Herr des Seyns“, als freie Verfügungsmacht über das Ganze. Die Gesamtschau dieser
Welt geht ihm als ewige Idee auf, geht als ewige Idee in ihm hervor (10.6, § 11). Diese
Selbsterfassung Gottes ist der Hervorgang des Sohnes, des Wortes, das Gott sich als
quandam emanationem intellectus5 zuspricht: „Der Vater spricht sich in einem verbum mentis selbst aus. Er erkennt im ausgesagten Wort sich selbst und damit alles Erkennbare auch
der geschaffenen Welt“6, oder wie es bei Thomas heißt: Deus enim, cognoscendo se, cognoscit omnem creaturam. ... Sed quia Deus uno actu et se et omnia intelligit, unicum Verbum
eius est expressivum non solum Patris, sed etiam creaturarum7.
Zusatz 1 – Sein und Wissen: Sein kann nicht bedeuten, sozusagen geradenwegs und direkt, einfach zu sein.
Sein schließt immer so etwas wie Wissen von sich sein. Sein ist ja, wie wir jetzt schon öfter gesehen haben,
notwendigerweise immer Etwas-Bestimmtes-Sein. Bestimmtes zu sein bedeutet aber, eine stabile Identität zu
besitzen, wenigstens für eine gewisse (noch so kurze) Zeitspanne. Während dieser Zeitspanne muss die Bestimmtheit präsent sein und für den weiteren Verlauf (für die Zukunft) präsent gehalten werden, weil sonst das
Geschehen nicht stabil, sondern bloß zufällig wäre und die Bestimmtheit in regellosem, ungerichtetem Wirbel
verschwinden würde. Damit wird hier aber etwas präsent gehalten, was noch gar nicht präsent ist, sondern noch
zukünftig: wenn ein bestimmtes Areal des Teilchenwirbels zum Zeitpunkt t 1 A ist, dann ist es in t1 noch zukünftig, dass das betreffende Areal des Teilchenwirbels auch in t 2 noch A sein wird. Diese Präsenthaltung des Nichtpräsenten geschieht durch Wissen. Sein/Etwas muss wissen, was es im nächsten Augenblick zu sein hat. Wenn
Gott ist als der intentional wollende „Herr des Seyns“, dann muss er von sich und seinen Intentionen wissen, er
muss sich selbst in seiner Ganzheit wissensanalog gegeben sein, damit er stabil Er-Selbst bleiben kann. Er muss
die gesamte Zukunft präsent haben, die nach und nach sich als Sein gegenwärtig macht, wenn er der „Herr des
Seyns“ ist und nicht bloß eine partikulare Macht (10.5, §§ 12-15) oder blinder Teilchenwirbel.
Zusatz 2 – Zukunft, Geschichte und Philosophie: Zukunft ist nicht nur Verlängerung der Vergangenheit, ist
nicht nur der in der Vergangenheit implizierte Sinnhorizont, sondern der unendlich weite Sinn- und Geschehenshorizont, der alles das, was wir aus der Vergangenheit erkennen können, übersteigt, weil er der Raum der
Möglichkeiten ist, aus dem heraus der Vergangenheit die Fortführung sich entwickelt. Dieser Horizont der Zukunft ist von der Vergangenheit her gesehen nur das Leere, von dem wir aber freilich wissen, dass es verborgene
Fülle ist. Aber eben dadurch ist Zukunft zukünftig, dass sie nicht bloß das aus der Vergangenheit Extrapolierte
ist. Sinn und Sein – alles Sein, insofern es etwas Bestimmtes ist, ist eine Manifestation oder Gestaltung von Sinn
– Sinn und Sein sind nicht ganz und nur in der Vergangenheit gegeben, sodass man nur die Vergangenheit genügend weitgehend und tief explizieren müsste, um die gesamte Zukunft auch schon erfasst zu haben. Zukunft
kann immer Unerwartetes und nicht Vorhersagbares bringen. Es gibt historische Emergenz, also Situationen, in
denen man unvermutet einer Gesamtkonstellation der historisch gewachsenen Dinge gegenübersteht, die aus der
Vergangenheit dieser Dinge nicht ableitbar ist, Situationen, in denen das historische Umfeld sich als ganzes
gewandelt hat. Geschichtshandelnde kommen nie nur aus der Vergangenheit her, sondern leben immer auch
schon in der Zukunft: in dem, was sie planen, was ihnen ihre Ahnung und die Gewissheit ihrer Kraft verheißt.
Das zeigt: Sinn ist immer auch schon in der Zukunft zuhause und schickt sich von dorther der Gegenwart zu
und verbleibt dieser als erinnerte Vergangenheit: „der wahre Gott ist der, der seyn wird“ (Schelling M I, 171).
Dazu muss Gott aber wissen oder (weil sein Wissen das, was wir von uns selbst als Wissen kennen, sicher weit
übersteigt) wissensanalog präsent haben, was er sein kann und was er sein will.
Dass und wie Gott (von der durch ihn bestimmten Zukunft her) über dem Sein waltet, wird in Antizipationen
4
Huber 1984, 91-105, besonders 94-97
5
Sth I, 34, 2
6
Müller 2001, 452
7
Sth I, 34, 3
2
10. Religion – Kapitel 08. Trinität
ausgesagt durch Offenbarung, Theologie und Philosophie (allgemeine Antizipation: Gott herrscht vernünftig, d.
h. in der Welt muss sich alles ontologisch und naturphilosophisch als vernunftbestimmt denken lassen oder
sogar dazu nötigen, so gedacht zu werden, sogar noch das Unvernünftige und Böse muss eine vernünftige Wurzel haben; und Gott herrscht erlösend, er verheißt, der werde den Erlöser schicken, aus der Jungfrau usw., wie
es die Messiasverheißungen alle besagen, und dass er leiden, sterben, auferstehen, zum Himmel auffahren, dann
den Hl. Geist senden werde, dass dann Kümmernisse auftreten werden, er dann aber wiederkomme, zu richten
die Lebenden und die Toten).8 Auf diese künftige Erfahrung der ganzen Weltgeschichte geht die „positive Philosophie“ zu (O I, 130f), und deshalb ist ihr Beweis nie abgeschlossen und sie selbst immer nur Philo-sophie,
niemals abgeschlossene Weisheit: es „öffnet sich der Blick in eine Zukunft, die auch nichts anderes seyn wird
als der fortgehende Beweis der Existenz der über dem Seyn waltenden Macht, dessen, was nicht mehr bloß das
Seyende ist, mit dem sich die negative Philosophie beschäftigte, sondern das Ueberseyende“ (O I, 132). Weil es
die Wahrheit sein soll, was die positive Philosophie erkennt, weil es die Wahrheit sein soll, dass Gott als allwaltende Macht herrscht, muss „die Gottheit nicht in das Bewußtseyn einzelner, sondern in das Bewußtseyn der
Menschheit“ eingehen, „und so sehen wir wohl, daß jener Erweis ein durch die gesammte Wirklichkeit und
durch die ganze Zeit des Menschengeschlechts hindurchgehender ist, der insofern nicht ein abgeschlossener,
sondern ein immer fortgehender ist, und ebenso in die Zukunft unseres Geschlechts hinausreicht, als in die Vergangenheit desselben zurückgeht. In diesem Sinne vorzüglich auch ist die positive Philosophie geschichtliche
Philosophie“ (M I, 571).
II. Gott Sohn
1. Authentische Repräsentation
(4) Gott Sohn ist das Wort des Vaters, also das, was er in seiner Gesamtschau erschaut: Gott
Er-Selbst als das „Dass“ der ganzen (axiologisch strukturierten) Fülle aller „Was“. Dieses
Wort, das Selbstbild das der Vater von sich schaut, ist notwendigerweise selber wiederum
wirkliche eigene Person, falls Gott (im Unterschied zu uns) in der Lage ist, in seiner Schau
oder in seinem Denken die Dinge (einschließlich seiner selbst) wirklich als sie selbst, d. h. in
ihrer Eigenwirklichkeit oder authentisch präsent zu haben, d. h. nicht bloß als Abbilder und
Gedankenrepräsentationen. Falls Gott in der Lage ist und die Macht hat, die irdischen und
himmlischen Dinge (einschließlich seiner selbst) sich tatsächlich als sie selbst, also authentisch zu repräsentieren und nicht nur ihre Repräsentationen vor sich zu haben – falls Gott
dazu in der Lage ist, dann ist seine Selbsterfassung wirklich Selbsterfassung und sein „Bild“
von sich steht ihm als eigenes göttliches Aktivitätszentrum gegenüber, als eigene Person. Nur
wenn das Bild sich anders entscheiden kann als das Abgebildete sich entschieden hat,
bildet es wirklich die Freiheit ab. Ansonsten folgt es nur unfrei dem nach, was das Abgebildete entschieden hat, und bringt so nicht die Freiheit des Abgebildeten zur Darstellung,
sondern nur deren Resultat.
Zusatz 1: „Das Absolute wird sich daher ... nicht in einem bloß idealen Bilde von sich selbst objektiv, sondern
in einem Gegenbilde, das zugleich es selbst, ein wahrhaft anderes Absolutes ist“ 9. Der Grund dafür ist: „Das
Gegenbild, als ein Absolutes, das mit dem ersten alle Eigenschaften gemein hat, wäre nicht wahrhaft in sich
selbst und absolut, könnte es nicht sich in seiner Selbstheit ergreifen, um als das andere Absolute wahrhaft zu
seyn“10. Wäre das Bild des Absoluten bloß ein Bild, hätte es eben nicht alle Eigenschaften (Selbstsein und
Selbstwollen) des Abgebildeten an sich.
Zusatz 2: Im Vertrauen auf die Kraft Gottes zur authentischen Repräsentation heißt es im Offertorium des Requiems von den Seelen der Verstorbenen: libera eas de ore leonis, ne absorbeat eas tartarus, ne cadant in obscurum: sed signifer sanctus Michael repraesentet eas in lucem sanctam. Quam olim Abrahae promisisti et semi8
Als Artikulation und Bewährung solcher hypothetisch formulierter Antizipationen versteht Wolfhart Pannenberg die Religionsgeschichte.
9
Schelling 1804, 620
10
Schelling 1804, 625
3
10. Religion – Kapitel 08. Trinität
ni ejus.11
Aber woher wissen wir, ob Gott diese Kraft tatsächlich hat? Die Offenbarung sagt uns, Gott schaffe alles
durch sein Wort und seine Weisheit (§ 1 und 10.7, § 7 Zusatz), und Christus verheißt uns, dass wir bei Gott
leben werden. In diesen Selbstaussagen Gottes ist die Macht zu authentischer Repräsentation impliziert. Zur
Einsichtigmachung der Glaubwürdigkeit dieser Offenbarungsbehauptung kann (unabhängig von einem Erweis
der Glaubwürdigkeit Christi [10.3 – Einleitung, §§ 3f12]) auf unsere naturphilosophische Einsicht verwiesen
werden, dass alle Dinge, ihre Wirklichkeit als stabile Identität einer immateriellen, intelligenzanalog intentional
wirkenden Aktivität verdanken. Die Dinge sind nur wirklich, weil und insoweit sie gedacht sind. Jedoch denken
die Dinge sich nicht selber aus. Ihr Denken über sich (bei denen die bewusst denken können) geht ihrer Existenz
nicht vorher (da wir von uns selber wissen, dass unser intelligibel gebautes Sein nicht Produkt unserer eigenen
Intelligenz ist, kann es – wegen des gemeinsamen evolutiven Ursprungs zwischen uns und den anderen Dingen
– auch bei den Dingen, die nicht bewusst selber denken können, nicht deren eigene intelligenzanaloge Aktivität
sein, der sie ihre stabile Identität ursprünglich verdanken). Wenn die Dinge wirklich nur sind, insoweit sie gedacht sind, dieses Denken aber nicht ihr eigenes Denken ist, dann muss das Denken da liegen, wo ihr Sein
seinen Ursprung hat: im Urgrund, im ursprünglichen Seinswillen, im Willen des „Herrn des Seyns“, also in
Gott.
(5) Der „Herr des Seyns“ verdoppelt sich damit jedoch nicht substantiell. Die Aktivität – das
Wollen und (innergöttliche) Setzen der ganzen Fülle der „Was“ ist in beiden identisch: Vater
und Sohn wollen dasselbe. Aber sie wollen es als zwei Willenssubjekte: Das Gewollte wird
nicht nur (vom ersten Subjekt, von der ersten Person) gewollt, sondern es will sich (als zweite
Person) auch von sich selbst her. Gottes Wille zu sich ist der Wille zum Sich-selbstwollenden, und so ist alles, was Gottes Wille schaut (und damit in sich wirklich setzt), selberwollendes Subjekt. Das Ganze, was Gott als Subjekt (als erste Person, als Vater) will, ist als
Ganzes Subjekt (als zweite Person, als Sohn) und ist in jedem Einzelnen Subjekt: jedes einzelne Wesen vom Atom über den Granit, die Rose und den Löwen bis zum Menschen ist auf
sich selbst und seine eigene stabile Identität aus, die es durch sich selbst (nicht als Marionette
und von außen ferngesteuert) will und vollzieht – sei dieses Wollen bewusst oder unbewusst
(bei uns ist es beides: wir atmen und pumpen das Blut unbewusst, aber wir gehen bewusst
zum Arzt, wenn wir krank sind; daher wissen wir, dass es tatsächlich auch unbewussten Willen gibt).
2. Göttliche Immanenz und weltliche Ökonomie
(6) Der folgende Satz des Hl. Thomas von Aquin gibt die Formel für das Geschehen authentischer Repräsentation in Gott: in Deo idem est intelligere et esse13. Was Gott erkennt, ist in
ihm auch immer schon wirklich, und was in Gott wirklich ist, erkennt er auch immer schon.
Intus legere bedeutet im Inneren der Sache lesen, also eine Sache als das schauen, denken
oder erfassen, was sie ist. Nun kann man eine jede Sache in unterschiedlicher Seinsdichte
erkennen bzw. schauen. Damit meine ich, dass man ein Ding bloß in der Vorstellung, d. h. als
mögliches oder passiv wirkliches Ding schauen kann, oder als unsichtbar aktiv wirkliches
Ding, oder als sichtbar aktiv wirkliches Ding (10.2, § 2) – je nach dem, wie man will. Auch
Gott muss in der Lage sein, eine jede Sache in diesen unterschiedlichen Seinsdichten zu
schauen. Wenn Gott diese Differenz zwischen Möglichkeit und sichtbarer wie unsichtbarer
Wirklichkeit nicht machen könnte, gäbe es sie im Sein nicht, da Gott ja der Urgrund es Seins
ist und im Sein nichts sein kann, was nicht zuvor in ihm ist. Offenbar gibt es jene Differenz
aber tatsächlich, da wir selbst sie benützen. Ist sie aber in unserem Sein wirksam, dann ist sie
in der Quelle des Seins selbst wirksam, aus der alles Sein kommt. Ergo verfügt Gott über
11
Vgl. Huber 1993, 160f
12
Außerdem Huber 2004-a, § 26 Zusatz
13
Sth I, 27, 2; vgl. I, 14, 4
4
10. Religion – Kapitel 08. Trinität
die Fähigkeit, eine jede Sache in unterschiedlicher Seinsdichte zu schauen bzw. zu denken bzw. zu erkennen. Je nach dem, in welcher Dichte Gott die Seinskraft (das „Dass“) in
eine Möglichkeit (in ein „Was“) einschießen lässt, kommt eine bloß vorgestellte oder eine
aktiv wirkliche Sache heraus (dieses „Einschießen“ der Seinskraft ist das Schauen Gottes,
sein Schauen ist Teilhabegebung an der Seinskraft: idem est intelligere et esse). Was Gott wie
schaut, bildet die aktiv wirkliche Welt. Dieser Prozess in Gott (der in ewiger Gleichzeitigkeit
abläuft) hat vier zu unterscheidende (aber immer gleichzeitige) Stadien:
[a]
Der Raum der Möglichkeiten ist das Träumen Gottes, wo ihn dasjenige in ihm selbst,
was nicht Er-Selbst ist – nämlich die ganze Fülle des Seins in seinen Gestaltungen
(10.6, § 5), die Gott nicht willkürlich fingiert, sondern die Gott gemäß ihrer eigenen
Wirklichkeit (secundum suam speciem [Gen 1, 11 passim]) erschaut –, entsprechend
der autarken eigenen Wirklichkeit dieser Mächte und Gewalten mit immanenter Notwendigkeit bestürmt und in ihm wogt. Gottes Vorstellungen sind dabei natürlich weitaus lebendiger, intensiver und inhaltsreicher als die unseren, da er nicht bloß Bilder
von den wesentlichen Grundzügen sieht, sondern alle Züge einer Sache sich vor Augen zu stellen vermag. So wie bei uns im Traum die Dinge zwar vorgestellt sind, aber
weitaus realer sich darbieten als in der gewöhnlichen Vorstellung. Außerdem schaut
Gott nicht nur den gegenwärtigen Zustand der Dinge und ihre nächste Umgebung (wie
wir im Traum), sondern ihre gesamte Wirklichkeit bis in’s Einzelnste und (räumlich
wie zeitlich) Fernste gleichzeitig.
[b]
Gott ist der „Herr des Seyns“ dadurch, dass er sich diesem Traum und seiner immanenten Notwendigkeit (10.4, § 10-a) nicht einfach überlässt, sondern in ein Sinnen
über diese autarken Mächte und Gewalten eintritt: sinnend mustert er den Raum der
Möglichkeiten gemäß den axiologischen Kriterien des Wahren, Guten, Schönen und
gewinn daraus ein Wissen von derjenigen Kombination der Möglichkeiten, welche
den mundus archetypus, also die axiologisch optimal als „Reich der Zwecke“ gebaute
Welt bildet.
[c]
Diese Welt wählt Gott nun aus allen möglichen aus als diejenige, zu welcher er aus
freier Liebe hingezogen ist. Indem er diese Welt als die von ihm bevorzugte auswählt,
ist er Walten des Wissens (im Sinne des genitivus obiectivus), weil er durch die
Auswahl über sein Wissen, über seine Wissensbestände „waltet“.
[d]
Durch eben diesen Auswahlakt seines bestimmenden Willens ermächtigt Gott das
Wissen vom mundus archetypus zum Walten über den Raum der Möglichkeiten (der
autarken Mächte), d. h. er setzt sich und seiner ewigen Schau des Raums der Möglichkeiten (der autarken Mächte) den mundus archetypus dauerhaft und ewig als
oberstes Ziel und Endzweck und lässt ihn so ewige gottimmanente Wirklichkeit sein.
Dies ist Walten des Wissens (im Sinne des genitivus subiectivus), weil es ein Walten
oder Herrschen des Wissens ist.
(7) Der mundus archetypus ist die in gleichzeitiger und allräumlicher Präsenz von Gott in
ihrer Gesamtheit geschaute Welt mit allen ihren Wesen, Kräften und Prozessen in allen Einzelheiten. Gott schaut diese Welt als das, was sie ist, als diese wirkliche, sichtbare Welt, wie
wir sie kennen (aber eben in ewiger Gleichzeitigkeit). Er schaut sie nicht bloß als Vorstellungsbild, sondern als das, was sie wirklich ist: Gott schaut die Welt in authentischer Repräsentation, d. h. sie ist ihm nicht bloß als gespensterhaftes und lebloses Bild, sondern in ihrer
vollständigen Wirklichkeit, sozusagen in Fleisch und Blut präsent (aber eben in ewiger
5
10. Religion – Kapitel 08. Trinität
Gleichzeitigkeit, nicht wie uns als Abfolge von Fragmenten und Ausschnitten). Gott schaut
die Welt in ihrer ganzen Seinsdichte. Dies ist die Schau in der Immanenz Gottes, d. h. die
Welt wird in Gott geschaut, also so, dass sie zugleich aus der Perspektive eines jeden Wesens
und damit aus der Perspektive ihres Gesamtzusammenhangs von Gott erlebt wird (das göttliche Schauen ist, vermöge seiner Macht zu authentischer Repräsentation, lebendiges, echtes
Erleben) (10.6, §§ 9f und 10.7, §§ 1-5).
Zusatz 1: Ich habe gesagt (im §), dass die Möglichkeiten in Gottes ewiger Schau in all ihren Bewegungen und
Äußerungen präsent sind. In der Zeit ist ein Löwe nicht in einem Augenblick alles, was er sein und tun kann,
und noch weniger ist er alles das, was im Löwesein überhaupt als Möglichkeit eingeschlossen ist. Die lange
Naturgeschichte der Löwen erst bringt dies an den Tag und zur Darstellung: „jedes Ding ist zeitlich, welches die
vollkommene Möglichkeit seines Seyns nicht in sich selbst, sondern in einem andern hat“ 14. Als Geschöpf, d. h.
außerhalb der ewigen göttlichen Gesamtschau, erlebt und vollzieht ein Wesen immer nur einen zeitlichen und
räumlichen Ausschnitt seiner (in Gottes ewiger Schau immer präsent bleibenden) Wirklichkeit.
Zusatz 2: Der mundus archetypuns – also das ewige Bild, der ewige Zustand der geschaffenen zeitlichen Welt –
umfasst die creatura angelica, die creatura mundana und die creatura humana.15 Die Engel (10.9, § 10 mit
Zusatz) bilden innerhalb des gesamten mundus archetypus die Sphäre des Himmels, die Erde bildet die Sphäre
der Welt und wir alle die Sphäre des Menschen.
(8) Wird die Welt dagegen aus der Perspektive eines einzelnen Wesens erlebt, dem die Perspektiven der anderen und die Gesamtperspektive Gottes nicht in eigenem Erleben nachvollziehbar sind (das ist so, wie wir die Welt erleben) – wird die Welt geschöpflich erlebt (nicht
aus der Perspektive der Gesamtschau Gottes, sondern aus der Perspektive der Vergessenheit
des Ganzen zugunsten des bestimmten Ausschnitts). So wie die Welt hier erlebt wird, heißt
sie mundus sensibilis. Bei dieser perspektivisch verkürzten und hinsichtlich ihrer Gesamtheit
opaken Schau, die für das geschöpfliche Erleben kennzeichnend ist, handelt es sich um das
Erleben der Welt in ökonomischer Weise – d. h. in der Weise der empirischen Welt (oikonomia ist der Haushalt; die ökonomische Trinität ist in der Theologie die sich im Welthandeln
Gottes bekundende Trinität; das ökonomische Erleben der Trinität ist die Sache, nicht wie sie
der „Hausherr“ – Gott – von sich selber her sieht, sondern der „Haushalt“, also das, was er
nach außen als seine Äußerung zeigt).
(9) Die zweite göttliche Person setzt das Ganze der göttlichen Schau als eigenwirkliche und
selbstwollende Person. Das Ganze aber ist die Kommunikation aller Einzelwesen. Jedes dieser Einzelwesen ist ein Inhalt der ewigen göttlichen Selbstschau des Raums der Möglichkeiten mit all den in ihm enthaltenen autarken Einzelwesen. So ist jedes Einzelwesen ein eigenwirkliches und selbstwollendes Aktivitätszentrum, zwischen welchem und den übrigen einzelnen Aktivitätszentren, sowie mit dem obersten, die universale Regie führenden Zentrum –
mit dem Sohne Gottes – ebendeswegen ein kommunikativer Umgang waltet (10.5, §§ 1823), weil das Ganze ebenso wie die Einzelnen je und jedes für sich selbstständige Subjekte,
Personen, mithin selbstwollende Regieinstanzen bilden, die sich freilich in ihrer Durchsetzungskraft, Integrationsweisheit und der Sittlichkeit ihrer Intentionen, zum Teil erheblich,
unterscheiden. Der Sohn Gottes ist die oberste regieführende Instanz innerhalb des „Reichs
der Zwecke“ (auf welches ja der Wille des „Herrn des Seyns“ geht [§§ 3 und 6-b, sowie
10.6, § 11 und 10.5, §§ 12-15]), und daher ist der Sohn Gottes der Deus Optimus Maximus.
Jupiter ist der noch nicht ganz offenbare Christus.
Zusatz: In einem kommunikativen Verhältnis zu stehen, bedeutet, zu wissen, dass die anderen Wesen ebenfalls
14
Schelling 1804, 631
15
Denzinger / Schönmetzer, Nr. 800
6
10. Religion – Kapitel 08. Trinität
Zwecke haben und verfolgen, und nicht bloß starre Seinsblöcke sind, denen jeder Weltzustand für gleich gut gilt
wie jeder beliebige andere. Sich kommunikativ zu verhalten bedeutet, seine eigenen Zwecke nicht ohne Rücksicht auf die Zwecke anderer zu realisieren (von lateinisch communico, etwas gemeinsam machen).
Über den kommunikativen Bau der Welt als eines Zusammenwirkens von lauter einzelnen, unterschiedlich
intensiv und ausgedehnt mächtigen Wesen, die aufeinander wohlwollenden oder übelgesinnten Einfluss ausüben, hat sich Goethe folgendermaßen geäußert, wie Eckermann berichtet: „Zu dem Schluß von Goethes Novelle
wird im Grunde nichts weiter verlangt als die Empfindung, daß der Mensch von höheren Wesen nicht ganz
verlassen sei, daß sie ihn vielmehr im Auge haben, an ihm teilnehmen und in der Not ihm helfend zur Seite sind.
Dieser Glaube ist etwas so Natürliches, daß er zum Menschen gehört, daß er einen Bestandteil seines Wesens
ausmacht und, als Fundament aller Religion, allen Völkern angeboren ist. ... er weicht aber auch der höchsten
Kultur nicht, so daß wir ihn unter den Griechen noch groß in Plato sehen ... In Goethes Novelle ist dieses behütende Unsichtbare unter der Form des Ewigen und der Engel gedacht, die einst in der Grube, unter grimmigen
Löwen, den Propheten bewahrten, und die hier, in der Nähe eines ähnlichen Ungeheuers, ein gutes Kind schützend umgeben“16.
3. Satan
(10) Gott bleibt in seinem selbstwollenden Gewollten – der Vater bleibt im Sohn – bei sich
selbst. Weil aber das Gewollte (der Sohn) selber will, hat es die Freiheit, anders zu wollen als
der ursprünglich Wille (der Vater). Der göttliche Wille würde sich so im Gewollten verlieren.
Das Gewollte würde nicht so wollen, wie es der ursprünglich Wollende gewollt hat und so
den ursprünglichen Willen aufheben, zerstören. Gott ist notwendig die Einheit des reinen
„Dass“ und des universalen Reiches aller „Was“, und das ist es, was Gott will: sich selbst als
das Dass-Was-Ganze, d. h. als axiologisch optimal gebautes „Reich der Zwecke“. Wenn
Gott im Eigenwollen des Vaters sich als diesen ewigen Sohn wollen würde, im Eigenwollen
dieses Sohnes aber nicht, dann würde Gott seinen eigenen Willen verneinen, es wäre keine
Einheit und Liebe zwischen dem Willen des ursprünglich Wollenden und dem Eigenwollen
des Gewollten. Der wollende Gott bliebe im Gewollten nicht bei sich, sondern verlöre sich
darin selbst. Diese Möglichkeit wird vom Sohn in seinem freien Wollen nicht realisiert. Sie
wird aber im Fall der Geschöpfe – im Abfall des Satans und im Sündenfall des Urelternpaares – realisiert. Im Geschöpf ist die Sphäre der göttlich ewigen Gesamtschau von Hause aus
verlassen, dennoch aber ist Geschöpflichkeit als solche noch kein Sündenfall, weil das Geschöpf in seinem endlichen Fürsichsein doch kommunikativ offen ist für die göttliche Gesamtschau und die Freiheit hat, ihr eingeordnet bleiben zu wollen.
Zusatz 1: Schelling neigt dazu, den Status der Endlichkeit als solcher schon als „Abfall von dem Absoluten“
anzusehen: „Das Absolute ist das einzige Reale, die endlichen Dinge dagegen sind nicht real; ihr Grund kann
daher nicht in einer Mittheilung von Realität an sie oder an ihr Substrat, welche Mittheilung vom Absoluten
ausgegangen wäre, er kann nur in einer Entfernung, in einem Abfall von dem Absoluten liegen“ 17. Das Absolute
teilt den endlichen Dingen keine Realität mit, die über diejenige hinausginge, die sie in der ewigen Schau Gottes
haben (§ 6), vielmehr besitzen sie als endliche Wesen weniger Realität, weil die göttliche Gesamtschau alles
Realen ihrem Erleben nicht mehr unmittelbar präsent ist. Aber die ihnen, sozusagen, verbleibende Realität ist
ihrerseits natürlich Sein von göttlichem Ursprung (10.7, §§ 1 und 2-b), und insofern keineswegs ein Nichts oder
nicht-Reales. Die endlichen Dinge „fallen ab“ vom Absoluten, was die Dignität ihres Seins betrifft, nicht was
dessen Ursprung betrifft. Dieser „Abfall“ ist aber nicht notwendig und nicht gleichzeitig auch ein moralischer
Abfall, sondern nur ein ontologischer. In der Schöpfung wird das Endliche für sich, ohne gegen Gott sich zu
stellen. Adam ist Geschöpf vor dem Abfall, nicht durch den Abfall.
Zusatz 2: Goethe versteht den Satan als vierte Person der Gottheit, gleichzeitig aber auch als Geschöpf: „so
erschufen sie ein viertes“. Dieses Vierte (10.9, § 7) ist den drei göttlichen Personen gegenüber kein „völlig
Gleiches“, steht also durchaus außerhalb der immanenten Ewigkeit Gottes. Obgleich Goethe sich bei diesen
Vorstellungen auf die neuplatonischen Emanationsvorstellungen beruft, scheint er doch Gott eine eigene imma16
Eckermann über ein Tischgespräch Goethes am Dienstag, den 15. März 1831 (Eckermann o. J. 493)
17
Schelling 1804, 624
7
10. Religion – Kapitel 08. Trinität
nente Existenz in seiner ewigen Ganzheit und Gesamtschau zuzugestehen und ihn also nicht nur pantheistisch
mit dem Prozess des Hervorbringens distanzlos zu identifizieren (10.5, § 25).18
III. Gott Heiliger Geist
(11) Der Heilige Geist ist die Einheit des Wollens von Vater und Sohn. Dass Vater und Sohn
beide dasselbe wollen, ist ihre wechselseitige Liebe. Das lebendige Wollen des Vaters will
zwar dasselbe wie auch das lebendige Wollen des Sohnes, aber dies beides sind doch verschiedene Vollzüge. So wie wenn ich dasselbe will wie meine Frau, es doch zwei verschiedene Willensakte sind, einmal der ihrige, dann der meinige. Hier ist zweimal ein erlebter Willensakt, und die Selbigkeit des Wollens liegt zwar im Inhalt, nicht aber im Willensakt. Hier
sind zwei unterschiedlich erlebte Wollensvollzüge. Wirklich dasselbe wollen, würden zwei
Subjekte nur dann, wenn jede zugleich an ihrer eigenen und an der Stelle der anderen Person das Wollen vollziehen und erleben würde. Da Gott Vater und Gott Sohn beide ewig sind,
nehmen sie immer zugleich ihre eigene und die Stelle des anderen ein (10.7, § 3). Sie sind
daher je an ihrer eigenen Stelle und gleichzeitig an der Stelle, an welcher sie ihre Einheit
nicht aus ihren zwei verschiedenen Perspektiven erleben, sondern aus der (für uns unvorstellbaren) Perspektive, in welcher jeder auf genau dieselbe Weise – also so als wären sie nur ein
Subjekt – genau dasselbe Bild von ihrer jeweiligen Einheit mit dem anderen besitzen. Dieses
Bild ist das Bild der Einheit der selbstwollenden göttlichen Personen, deren Göttlichkeit gerade in der Macht zur authentischen Repräsentation besteht. Und so ist das Bild der (ich wiederhole: für uns unvorstellbaren) einpersönlichen (wie eine Person erleben sie sich) Einheit
beider nicht nur ein Bild dieser einpersönlichen Einheit, sondern eine authentische Repräsentation derselben – also eine eigene, dritte, göttliche Person.
Zusatz: In jeder kommunikativen Einheit mit anderen Menschen – z. B. und vor allem in der Liebe – setzen wir
voraus, dass die erlebte und artikulierte Einigkeit keine Fiktion, sondern echte Wirklichkeit ist. Dennoch ist die
Einheit niemals eine als solche erlebte, sondern eine getrennt erlebte (von mir und vom anderen). Wir erleben
etwas, das wir in unserem gegenwärtigen Erleben gar nicht finden. Dass unser Erleben uns dennoch nicht
täuscht, setzt voraus, dass irgendwo die von uns gegenwärtig nicht zu erlebende Einheit tatsächlich besteht und
erlebt werden kann – eben in einer Sphäre ewigen Zusammenfalls aller Perspektiven. Ohne eine Sphäre in der
Wirklichkeit, wie die eben zu beschreiben versuchte göttliche Dreifaltigkeit wäre irdische kommunikative Einheit – also auch die irdische Liebe – nichts Authentisches.
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Goethe X, 385, vgl. 385-388 (Dichtung und Wahrheit, Zweiter Teil, Achtes Buch)
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