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A USBILDUNG UND B ERATUNG
1. NOVEMBER 2008
LANDPOST
Wiederkäuer als Überträger von Zoonosen
Escherichia coli verursachen Durchfall
Bestimmte Erreger sind in der Lage,
sowohl beimTier als auch beim Menschen Erkrankungen zu verursachen. Diese Erkrankungen werden
als Zoonosen bezeichnet. ZoonoseErreger sind an verschiedene Wirte
angepasst, diese müssen jedoch
nicht zwangsläufig erkranken. So
können Tiere diese Erreger in sich
tragen und ausscheiden, ohne erkennbare Krankheitszeichen zu zeigen.
Zu den bakteriellen Zoonose-Erregern zählen so bekannte Arten wie
Salmonellen beim Geflügel und anderen landwirtschaftlichen Nutztieren oder der Erreger des Rotlaufs
beim Schwein, Erysipelothrix rhusiopathiae. Im öffentlichen Bewusstsein weniger präsent ist ein anderer
Erreger, das Bakterium Escherichia
coli (E. coli). Genauer handelt es
sich nur um bestimmte Untergruppen
dieser Art, die in der Lage sind,
schwere Krankheitsbilder beim Menschen zu verursachen. Diese pathogenen, das heißt krankmachenden
Stämme unterscheiden sich durch
verschiedene Eigenschaften von den
harmlosen Varianten, die bei jedem
Tier und auch dem Menschen in größeren Mengen in der Darmflora vorkommen. In der Trinkwasser- und Lebensmittelhygiene gilt E. coli deshalb als wichtiger Indikator fäkaler
Verunreinigungen und deutet auf hygienische Mängel hin.
Die E. coli Stämme, die als Zoonose-Erreger bei Mensch und Tier zu
Erkrankungen führen können, werden als Pathovare bezeichnet. Wie
bei den meisten Zoonose-Erregern
gilt auch für diese E. coli-Stämme,
dass vor allem die so genannten Risikogruppen von der Infektion gefährdet sind. Zu Risikogruppen sind
ältere Menschen, Kleinkinder unter
fünf Jahren, Schwangere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem zu rechnen. Eine Schwächung
des Immunsystems kann beispielweise durch HIV-Infektionen, Chemotherapie bei Tumorerkrankungen
oder durch Cortikosteroid-Therapie
verursacht werden.
E. coli sind gramnegative stäbchenförmige Bakterien. Je nach
Stamm sind sie durch bestimmte
krankmachende Eigenschaften, die
Virulenzfaktoren, charakterisiert.
Einige Pathovare sind in der Lage,
Shigatoxine zu produzieren. Diese
Stämme werden als shigatoxinogene
E. coli (STEC) bezeichnet.
Krankheitsbedeutung
wächst
Shigatoxin (Stx), auch Shiga-likeToxin (SLT) oder Verotoxin (VT) genannt, ist ein starkes Zellgift, das neben dem Botulinum-Toxin und bestimmten Mykotoxinen als eines der
potentesten natürlichen Toxine gilt.
Meist führen STEC beim Menschen
zu einer harmlosen Magen-DarmEntzündung mit Durchfall, Bauchkrämpfen und Erbrechen. Als Folgen
können aber auch blutige Durchfälle
und, bei Kindern im Vorschulalter,
das hämorhagisch-urämische Syndrom (HUS) mit Blut- und Nierenschädigungen diagnostiziert werden.
Bei Erwachsenen tritt gelegentlich
als Komplikation die ThrombotischThrombozytopenische
Purpura
(TTP) auf, deren Bild dem HUS ähnelt, aber eine zusätzliche Beteiligung der Haut und des Nervensystems aufweist. Diese schweren
Krankheitsverläufe lassen sich vor
allem bei den bereits erwähnten Risikogruppen
beobachten.
Der
Mensch infiziert sich durch kontaminierte Lebensmittel oder durch Kontakte zwischen Mensch bzw. Tier und
Mensch. Die Infektionsdosis für
STEC liegt mit 100 Keimen sehr
niedrig. Seit ihrer Erstbeschreibung
im Jahre 1983 haben durch STEC
verursachte Erkrankungen weltweit
an Bedeutung gewonnen. Wegen ihrer hohen Infektiosität und als möglicher Verursacher lebensbedrohlicher Erkrankungen sind STEC von
erheblicher gesundheitlicher Bedeutung. Infektionen des Menschen mit
STEC unterliegen gemäß §7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) der
Meldepflicht für Ausscheider und Erkrankte. Bei Tieren wird dem zunehmenden Risiko durch die neue europäische Zoonosen-Richtlinie vom 17.
November 2003 Rechnung getragen.
E. coli liebt es warm
Escherichia coli zählt zur Familie
der Enterobacteriaceae, zu der auch
weitere wichtige Durchfallerreger
wie Salmonellen und Shigellen gehören. Als Teil der physiologischen
Darmflora des hinteren Dünndarms
und des Dickdarms bei Mensch und
Tier kommt E. coli in Konzentrationen von 105 bis 106 Keimen pro
Gramm Kot vor. Die optimalen Vermehrungsbedingungen findet E. coli
im Temperaturbereich von 8 bis 37 °C
bei einem minimalen pH-Wert von
5,0. Die Einteilung verschiedener
Stämme erfolgt bislang meist mittels
Serologie in unterschiedliche Serotypen aufgrund verschiedener Oberflächen- (O-), Kapsel- (K-) und Geißel(H-) Antigene. Aus dieser Antigenvielzahl ergeben sich über 10.000 Kombinationsmöglichkeiten. Zu den in Mitteleuropa am häufigsten von erkrankten Menschen isolierten pathogenen
Serotypen zählen O103, O157 und
O26. Vor der Weiterentwicklung der
Labordiagnostik wurden alle O157 als
hochpathogen eingestuft, unter dem
Begriff der enterohämorrhagischen
Escherichia coli (EHEC) zusammengefasst und die Begriffe STEC und
EHEC gleichbedeutend verwendet.
Mittlerweile werden nur noch STEC,
die beim Menschen blutigen Durchfall
beziehungsweise sogar HUS auslösen,
als EHEC bezeichnet.
Träger der pathogenen STEC ist
zumeist der Hauswiederkäuer und
hier in besonderem Maße das Rind.
Erkrankungen bei Wiederkäuern treten abhängig vom Immunstatus und
vom Alter hauptsächlich bei Jungtieren in Form von Durchfällen auf.
Meist sind die Tiere aber symptomlose Träger, die keinerlei Krankheitsanzeichen erkennen lassen.
„Hamburger“ sind
ideales Habitat
Die Aufklärung der Infektionswege spielt wegen der großen humanmedizinischen Bedeutung bei STECInfektionen eine wichtige Rolle.
STEC-Infektionen des Menschen
wurden mittlerweile weltweit nachgewiesen, vor allem jedoch in Ländern mit hoch entwickelter Landwirtschaft. Dabei wurden vielfältige
Übertragungswege auf den Menschen ermittelt, wie beispielsweise
primär oder sekundär kontaminierte
Lebensmittel, sowie fäkal-orale
Übertragung. Nach wie vor wird rohen bzw. nicht ausreichend erhitzten
Lebensmitteln tierischen Ursprungs,
die von Wiederkäuern stammen, das
höchste Gefährdungspotenzial zugeschrieben. Insbesondere „Hamburger“ stellen aufgrund ihrer hohen
Oberfläche,
des
freigesetzten
Fleischsaftes und der Schädigung
mechanischer Schutzbarrieren (zum
Beispiel Faszien) ein ideales Habitat
für Mikroorganismen dar. Sie sind in
den 80er Jahren in Nordamerika als
häufigste Ursache von STEC-Infektionen ermittelt worden. Vor allem
Stämme des Serotyps O157:H7 waren am Infektionsgeschehen beteiligt. In den folgenden Jahren zeigte
sich, dass auch fermentierte Fleischerzeugnisse wie Salami oder Trockenfleisch Infektionen verursachen
können. Als weitere Lebensmittel
tierischen Ursprungs wurden Milch
und Milchprodukte, insbesondere
Rohmilch und daraus hergestellte
Erzeugnisse, als Ursache für Infektionen festgestellt. Auch bei Wildwiederkäuern wie dem Reh sind
STEC
nachgewiesen
worden.
Menschliche Erkrankungen aufgrund
kontaminierten Wildfleisches sind
bereits vorgekommen.
Infektion durch Tierkontakt
Ein Teil der Infektionen ist auf direkten Kontakt zu Tieren zurückzuführen. Dabei wurden sowohl Nutztiere als auch Heimtiere als Infektionsquelle ermittelt. Des weiteren
sind Übertragungen durch sekundär
kontaminierte Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs, durch kontaminiertes Wasser sowie direkte Übertragungen von Mensch zu Mensch beschrieben. In Deutschland liegt nach
Angaben des Robert-Koch-Instituts
der Anteil menschlicher STEC-Infektionen an den gemeldeten, durch
Lebensmittel übertragbaren bakteriellen gastrointestinalen Infektionen im Jahre 2006 bei etwa einem
Prozent, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Die möglichen Infektionsquellen für den Menschen sind in Abbildung 1 dargestellt.
Escherichia coli in
Milchviehbetrieben in SH
In einer am Institut für Tierzucht
und Tierhaltung durchgeführten Studie soll der STEC-Status in schleswig-holsteinischen Milchviehbetrieben erfasst und das Risiko für den
Verbraucher abgeschätzt werden.
Die Untersuchung erfolgt auf sechs
Sorgentelefon
für landwirtschaftliche Familien
mittwochs 8.00 bis 12.00 Uhr
(04 31) 55 77 94 50
[email protected]
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LANDPOST
landwirtschaftlichen Betrieben mit
Milchviehhaltung in verschiedenen
Regionen Schleswig-Holsteins. Die
Betriebe sind so gewählt, dass sie
sich hinsichtlich des Haltungs- und
Fütterungsmanagements, der allgemeinen Betriebsstruktur und den
Leistungskennzahlen unterscheiden.
Diese Daten wurden bereits im Rahmen eines vorherigen Projektes detailliert erfasst.
Die Herdengröße liegt zwischen
50 und 115 Tieren (durchschnittlich
79 Tiere). Die Anzahl der beprobten
Tiere, die notwendig ist, um bei der
Auswertung eine statistisch signifikante Aussage treffen zu können,
wurde statistisch berechnet. Je nach
Betriebsgröße werden zwischen 21
und 24 Tiere zur Probennahme herangezogen.
Die Auswahl der Probentiere wird
mittels einer nach Laktationsnummer geschichteten zufälligen Auswahl durchgeführt. Die Schichtung
erfolgte in drei Gruppen. In der ersten Gruppe befinden sich die Tiere,
die zum Zeitpunkt der Auswahl in der
ersten Laktation waren. Die zweite
Gruppe wird aus den Tieren gebildet,
die sich zu diesem Zeitpunkt in zweiter oder dritter Laktation befanden,
während der dritten Gruppe die älteren Tiere zugeordnet sind. Diese vor
der ersten Probennahme ausgewählten Tiere werden über einen Zeitraum von zwölf Monaten beprobt.
Die STEC-Ausscheidung über dem
Kot wird mittels monatlichen Monitoring von Kotprobentupfern untersucht.
Die Labordiagnostik der Kotproben erfolgt nach Aufarbeitung mittels PCR. Die Selektion der entsprechenden positiven Isolate findet per
Koloniehybridisierung mit Digoxigenin-markierten Sonden statt. Eine
weitere Subtypisierung wird in Hinblick auf eventuell vorhandene Gene
für EHEC-Hämolysin, Intimin, Katalase-Peroxidase und Serinprotease
ebenfalls per Koloniehybridisierung
durchgeführt. Parallel dazu werden
vorhandene Antibiotikaresistenzen
geprüft.
Versuchsverlauf
Die Probennahme begann im Februar 2007 und wird über den Zeitraum von 12 Monaten bis Januar
2008 fortgeführt. In diesem Zeitraum erfolgen eine Erfassung der
Einzeltier- und Herdenprävalenz sowie die Anlage einer Stammsammlung aus den isolierten Kolonien.
Bisherige Herdenprävalenzen liegen zwischen 0 und 67 Prozent, wobei von Februar bis April tendenziell
1. NOVEMBER 2008
Abbildung 1: Mögliche Übertragungswege von STEC
Wiederkäuer
andere Nutztiere
Geflügel
Wildtiere
Haustiere
Gülle
Kot
Fleisch
Milch
Obst
Gemüse
Mensch
Oberflächen-,
Trinkwasser
Umwelt
Mensch
niedrigere Prävalenzen vorlagen (0
bis 36 Prozent), während im Mai eine steigende Tendenz erkennbar ist,
die im Oktober ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Im November sind
leicht rückläufige Prävalenzen festzustellen. Abbildung 2 zeigt die Prävalenzen in der Gesamtzahl der Proben im jahreszeitlichen Verlauf.
Dieser jahreszeitliche Ausscheidungspeak wird in mehreren Studien
bestätigt. Als Ursache dieses Peaks
gibt es bisher nur Erklärungsansätze.
So werden die Futterumstellung im
Frühjahr oder die ungenügende Ablagerung der Gülle und die folgende
Ausbringung auf Weidegrünland als
mögliche Ursachen in Erwägung gezogen. Die starke Schwankungsbreite der Herdenprävalenzen ist durch
eine unterbrochene, aber wiederholte Ausscheidung zu erklären. Auf
Einzeltierebene haben nach bisherigen Ergebnissen Tiere kurz nach der
Kalbung ein tendenziell höheres Risiko, STEC auszuscheiden, dies gilt
ebenso für Kühe, die kurz zuvor trocken gestellt wurden. Diese Ergebnisse stimmen mit anderen Studien
überein, wobei als mögliche Ursachen verminderte Immunität, Rati-
toxine auf hoch mobilen Genelementen kodiert sind, können apathogene
Stämme durch Aufnahme dieser Gene ebenfalls zur Toxinproduktion befähigt und pathogen werden, so dass
eine STEC-Freiheit in Tierbeständen
nicht zu erreichen ist. Durch gute Hygienemaßnahmen und regelmäßige
Kontrollen, wie sie bei Rohmilch abgebenden Betrieben bereits der Fall
sind, lässt sich zumindest jedoch das
Risiko hoher Prävalenzen minimieren. Sorgfältige Lebensmittelhygiene und ausreichende Erhitzung aller
tierischen Lebensmittel stellen bisher die wirksamste Prävention humaner STEC-Infektionen dar.
onsveränderungen und Stress vermutet werden.
Resistenzen beachten
Hygiene und Kontrolle
sind wichtig
Unter veterinärmedizinischen Aspekten spielen weniger STEC, sondern E. coli allgemein bei der Ausprägung bestimmter Krankheitsbilder wie der Coli-Septikämie oder
den Coli-Durchfällen eine große Rolle. Auch hier wirkt gutes Hygienemanagement prophylaktisch. Kommerzielle oder bestandsspezifische Vakzine haben sich bei E. Coli-Infektionen bewährt. Sie bieten ein gutes
Werkzeug zur Reduktion des Vorkommens. Sowohl aus human- als auch
aus veterinärmedizinischer Sicht ist
zu beachten, dass E. coli natürliche
Resistenzen gegen bestimmte Antibiotika erworben haben, so dass einer
angedachten Antibiotikabehandlung
sinnvollerweise Resistogramme vorangestellt werden sollten. Die Entwicklung moderner labordiagnostischer Methoden trägt zur Aufklärung
der STEC-Vielfalt und -Dynamik bei
und sollte weiter verbessert werden.
Zur Erweiterung des Wissens um diesen Zoonose-Erreger ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen betroffenen Fachrichtungen wie der Veterinär- und Humanmedizin, der Epidemiologie, der Tierhaltung, der Labordiagnostik sowie
der Lebensmittelproduktion unbedingt erforderlich.
Aus Sicht des Verbraucherschutzes
werden STEC wegen der möglichen
schwerwiegenden Folgen für die
menschliche Gesundheit völlig zu
Recht als äußerst wichtige ZoonoseErreger wahrgenommen. Gerade vor
dem Hintergrund einer zunehmenden Zahl empfänglicher Personen
durch den gestiegenen und noch immer steigenden Altersdurchschnitt
sowie durch immun supprimierte Patientengruppen, ist das Risiko durch
bestimmte E. coli-Stämme nicht zu
unterschätzen. Lebensbedrohliche
Krankheitsgeschehen sind bei diesen
Risikogruppen möglich. Wiederkäuer und deren Produkte sind als
Hauptinfektionsquelle des Menschen
anzusehen. Aufgrund der weiten Verbreitung von E. coli als Darmbewohner und der einfachen Übertragung
von Pathogenitätsfaktoren durch
Gentransfer sind STEC-freie Bestände nicht realisierbar. Da die Shiga-
Abbildung 2: STEC-Prävalenz in der Gesamtzahl der Proben
(n=1.492) im Jahresverlauf
Dr. Nicole Kemper
Institut für Tierzucht
und Tierhaltung
Christian Albrecht Universität
zu Kiel
Tel.: 0431-880-4533
[email protected]
Andrea Menrath
Institut für Tierzucht und
Tierhaltung
Christian Albrecht Universität
zu Kiel
Tel.: 0431-880-4535
[email protected]
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