Aus der Medizinischen Universitätsklinik der Albert

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Aus der Medizinischen Universitätsklinik
Abteilung Innere Medizin II
Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie und Infektiologie
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
Substitution von Thyroxin im Vergleich zu einer Kombination von
Trijodthyronin und Thyroxin bei Patienten mit sekundärer
Hypothyreose – eine randomisierte, kontrollierte crossover Studie
(Kurztitel: 4T-Studie)
INAUGURAL-DISSERTATION
zur Erlangung des Medizinischen Doktorgrades
der Medizinischen Fakultät
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
Vorgelegt
von
geboren in
2006
Björn Klawitter
Mutlangen
2
Dekan
1. Gutachter
2. Gutachter
Jahr der Promotion
Prof. Dr. med. Christoph Peters
Prof. Dr. med. Felix Beuschlein
Prof. Dr. med. Karl Otfried Schwab
2006
3
Krankheit verabsäumt jeden Dienst,
Zu dem Gesundheit ist verpflichtet. Wir sind nicht wir,
Wenn die Natur im Druck die Seele zwingt
Zu leiden mit dem Körper.
Infirmity doth still neglect all office
Whereto our health is bound; we are not ourselves
When nature, being oppress’d, commands the mind
To suffer with the body.
König Lear
Shakespeare, King Lear II, 4
4
INHALTSVERZEICHNIS
1
EINLEITUNG
6
1.1
Überblick
6
1.2
Physiologie der Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse
7
1.3
Hypophysenvorderlappeninsuffizienz und sekundäre Hypothyreose
9
1.4
Hinführung zur Fragestellung
12
1.5
Fragestellung
13
2
STUDIENDESIGN, MATERIAL UND METHODEN
14
2.1
Studiendesign
14
2.2
Probanden
14
2.3
Studienplan
16
2.4
Studienmedikation
17
2.5
Untersuchte Parameter und Endpunkte
18
2.6
Auswertung und Statistik
23
3
ERGEBNISSE
24
3.1
Patienten
24
3.2
Schilddrüsenwerte
26
3.3
Sicherheitsparameter, Nebenwirkungen und Adverse Events
32
3.4
Achillessehnenreflexzeiten (ART)
34
3.5
Zulewski-Score
37
3.6
Muskelstoffwechsel
38
3.7
Lipide
40
3.8
Einfluss von Wachstumshormon
46
5
3.9
Einfluss des Ausmaßes der Dosiserhöhung auf die Zielparameter
47
4
DISKUSSION
48
5
ZUSAMMENFASSUNG
59
6
ABKÜRZUNGEN
60
7
TABELLEN UND ABBILDUNGEN
62
8
LITERATURVERZEICHNIS
63
9
DANKSAGUNG
72
10
LEBENSLAUF
73
6
1 Einleitung
1.1
Überblick
Eine regelrechte Schilddrüsenfunktion ist essentiell für Wohlbefinden und kognitive
Leistungsfähigkeit. Bereits eine geringe Unterfunktion (subklinische Hypothyreose) führt zu
eingeschränkter Lebensqualität und ungünstigen Stoffwechselwerten. Im Gegensatz zur
primären Hypothyreose ist die optimale Substitutionsdosis bei sekundärer (zentraler)
Hypothyreose schwieriger zu definieren, da das TSH (Thyreoidea Stimulierendes Hormon)
durch
die
Schädigung
der
übergeordneten
Hypothalamus-Hypophyseneinheit
zur
Dosistitrierung nicht herangezogen werden kann und ein optimaler Zielwert für die peripheren
Hormonwerte Trijodthyronin (fT3) und Thyroxin (fT4) bisher nicht definiert werden konnte.
Bei Patienten mit sekundärer Hypothyreose fehlen somit Möglichkeiten, die biologische
Wirksamkeit der Schildrüsenhormone objektiv zu messen. Da die Substitutionsdosis bei
sekundärer Hypothyreose unter Routinebedingungen in einer vorangegangenen Studie
deutlich unter der Richtdosis bei primärer Hypothyreose lag, ist eine Untersubstitution bei
diesen Patienten anzunehmen [33]. Darüber hinaus bestehen Hinweise, dass bei sekundärer
Hypothyreose die periphere Konversion von Thyroxin zum biologisch aktiven T3
beeinträchtigt ist.
Wir führten daher eine Studie durch, die zum Ziel hatte, eine optimale Substitutionsmenge
und
Zusammensetzung
Hypothyreose zu ermitteln.
von
Schilddrüsenhormonen
bei
Patienten
mit
sekundärer
7
1.2
Physiologie der Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse
1.2.1 Regulation, Feedbackmechanismus
Die Schilddrüsenfunktion unterliegt, ebenso wie die Funktion der übrigen endokrinen Organe,
der Steuerung durch einen Regelmechanismus, dessen übergeordnete Steuerorgane der
Hypophysenvorderlappen (HVL; Adenohypophyse) und der Hypothalamus darstellen.
Hypothalamische Nervenzellen sezernieren spezifische stimulierende und inhibierende
Hormone, die über die Portalgefäße des Hypophysenstiels die Adenohypophyse erreichen.
Hierdurch wird die Ausschüttung der trophischen Hormone des Hypophysenvorderlappens
reguliert: Thyreoidea stimulierendes Hormon (TSH), Adrenocorticotropes Hormon (ACTH),
Luteinisierendes
Hormon
(LH),
Follikel-stimulierendes
Wachstumshormon (GH).
Abbildung 1: Hypophysenachsen (aus: Lippincott, Williams & Wilkens, 2004)
Hormon
(FSH)
und
8
Die aufgrund der Stimulation durch trophische Hormone sezernierten Effektorhormone
wiederum wirken neben ihrer eigentlichen peripheren Hormonwirkung hemmend auf
Hypothalamus und Hypophyse im Sinne eines negativen Feedback-Mechanismus. Damit wird
der hormonelle Regelkreis geschlossen und physiologischerweise ein Gleichgewicht erreicht,
das eine adäquate Funktion des betreffenden endokrinen Systems garantiert.
Für die in dieser Arbeit zu besprechende thyreotrope Hormonachse stellt sich der Regelkreis
wie folgt dar: hypothalamisches Thyreotropin-releasing Hormon (TRH) stimuliert die
hypophysäre Produktion und Ausschüttung von TSH, welches wiederum die Synthese und
Freisetzung von L-Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) durch die Schilddrüse bewirkt. Die
freigesetzten Schilddrüsenhormone hemmen durch negatives Feedback die TRH- und TSHFreisetzung.
1.2.2 Produktion, Freisetzung und periphere Wirkung von Schilddrüsenhormonen
Die Thyreozyten synthetisieren zunächst Thyreoglobulin (TG), ein hochmolekulares
Glykoprotein,
welches
zahlreiche
Tyrosinreste
enthält.
Diese
werden
in
den
Schilddrüsenfollikeln iodiert, über Etherbrücken verbunden und schließlich nach Pinozytose
und Proteolyse des TG als Schilddrüsenhormone T3 und T4 freigesetzt. Das Signal zur
Freisetzung wird vermittelt durch die Bindung von TSH an transmembranären heptahelikalen
TSH-Rezeptoren, die über die Kopplung an ein GS-Protein die Adenylatzyklase und damit die
Produktion von zyklischem Adenosinmonophosphat (cAMP) stimulieren.
Die gesunde Schilddrüse bildet täglich etwa 100 µg T4 und 10 µg T3. Der überwiegende
Anteil des zirkulierenden T3 entsteht extrathyroidal durch Dejodierung von T4. Biologisch
um eine Mehrfaches wirksamer ist T3, dessen Konzentration gewebespezifisch reguliert wird.
Im Plasma werden T3 und T4 zu über 99% an Plasmaproteine gebunden transportiert,
insbesondere an das hochspezifische Thyroxin bindende Globulin (TBG) sowie weniger
spezifisch an verschiedene Albumine. Biologisch wirksam ist nur der geringe Anteil an freiem
Thyroxin (fT4) und freiem Trijodthyronin (fT3).
Die Wirkung der Schilddrüsenhormone wird über nukleäre Schildrüsenrezeptoren (TR)
vermittelt. Diese binden unter dem Einfluss von T3 oder T4 an die Promoterregionen
spezifischer DNA-Sequenzen, welche als thyroid responsive elements (TRE) bezeichnet
werden, und hemmen oder stimulieren hierdurch die Transkription von Zielgenen. Dies gilt
insbesondere für die Synthese der membrangebundenen Na/K-ATPase, welche durch
Schilddrüsenhormone stimuliert wird. Schilddrüsenhormone üben damit einen wesentlichen
stimulierenden Einfluss auf den Sauerstoffverbrauch und den Grundumsatz des Organismus
9
aus. Daneben beeinflussen sie das Körperwachstum, neuronale Differenzierungsvorgänge
sowie die Aktivität zahlreicher Enzymsysteme wie z.B. des Kohlenhydrat- und
Cholesterinstoffwechsels.
1.3
Hypophysenvorderlappeninsuffizienz und sekundäre Hypothyreose
1.3.1 Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (HVL-Insuffizienz)
Eine HVL-Insuffizienz ist definiert durch den partiellen oder kompletten Verlust der HVLFunktion. Die Ursachen einer HVL-Insuffizienz liegen in der Schädigung der Hypophyse
oder übergeordneter hypothalamischer Zentren. Am häufigsten sind neben entzündlichen und
traumatisch bedingten Schäden Druckatrophien der Hypophyse durch Tumoren innerhalb der
engen Sella Turcica. Die Inzidenz symptomatischer Hypophysentumore beträgt etwa
3-5/100.000/Jahr. Sie sind meist gutartig und entstammen überwiegend dem Gewebe des
Hypophysenvorderlappens [90]. Die primäre Behandlung erfolgt in Abhängigkeit von Art und
Ausdehnung des Tumors operativ, medikamentös oder strahlentherapeutisch, wobei häufig
auch kombinierte Behandlungsformen zur Anwendung kommen.
Abbildung 2: MRT-Bilder eines Hypophysenadenoms (Quelle: Internet, Google Bilder)
Durch die Erkrankung selbst, aber auch durch die Behandlung kommt es bei einem Teil der
Patienten zu einer partiellen oder kompletten Hypophyseninsuffizienz. Dies erfordert dann
eine meist lebenslange, individuell angepasste hormonelle Ersatztherapie.
10
Diagnoseweisend für den Ausfall einzelner Hormonachsen ist die Kombination von
klinischen Symptomen und basalen Laborparametern, ergänzt durch den Nachweis fehlender
Hormonanstiege in Stimulationstests der Hypophysenfunktion [88]. Hierdurch kann die
Funktion
der
corticotropen
(Hypophyse-Nebennieren),
gonadotropen
(Hypophyse-
Keimdrüsen) und somatotropen (Wachstumshormon-Sekretion) Achse beurteilt und damit die
Notwendigkeit einer Behandlung eingeschätzt werden.
1.3.2 Diagnostik der sekundären Hypothyreose
Eine Abschätzung der Funktionsfähigkeit der thyreotropen Achse ist dadurch erschwert, dass
die TSH-Spiegel bei sekundärer Hypothyreose erhöht, normal oder erniedrigt sein können.
Zudem ist auch eine verminderte biologische Aktivität des sezernierten TSH bei Patienten mit
HVL-Insuffizienz beschrieben [10, 67, 71]. Darüberhinaus ist die Bestimmung der peripheren
Schilddrüsenhormone fT3 und fT4 aufgrund des breiten Referenzbereiches ungeeignet, eine
Mangelsituation frühzeitig zu erkennen. Erst eine ausgeprägte Unterfunktion wird an
peripheren Schilddrüsenwerten unterhalb des Normbereiches manifest [2, 30]. Auch der
TRH-Stimulationstest verfügt bei der sekundären Hypothyreose, im Gegensatz zu primären
Funktionsstörungen, nur über eine unzureichende Sensitivität [7, 70, 71].
Primäre Hypothyreose
Sekundäre Hypothyreose
TSH
T3, T4
Abbildung 3: Schematische Darstellung der Primären und Sekundären Hypothyreose
11
1.3.3 Klinik der sekundären Hypothyreose
Das
klinische
Bild
der
sekundären
Hypothyreose
ähnelt
dem
der
primären
Schilddrüsenunterfunktion. Es ist gekennzeichnet durch Symptome wie Gewichtszunahme,
Obstipation,
Kälteintoleranz,
Hauttrockenheit,
Heiserkeit,
Libidoverlust,
Erschöpfungsneigung und Leistungsminderung, wobei die Ausprägung der Symptome
oftmals dezenter ist als bei der primären Hypothyreose.
Bei Patienten mit manifester sekundärer Hypothyreose finden sich zahlreiche Veränderungen
bestimmter Laborparameter des Muskel-, Knochen-, Leber- und Fettstoffwechsels sowie der
Kognition und der Befindlichkeit. Diese sind prinzipiell durch eine adäquate Behandlung mit
Schilddrüsenhormonen reversibel [46, 59].
1.3.4 Therapie der sekundären Hypothyreose
Die Standardsubstitution bei primärer und sekundärer Hypothyreose erfolgt mit reinem T4.
Dieser synthetisch hergestellte Wirkstoff ist seit 1958 erhältlich. Zuvor wurden bereits seit
dem späten 19. Jahrhundert erfolgreich Präparate verabreicht, die aus getrockneten
Schweineschilddrüsen gewonnen wurden und neben T4 auch T3 enthielten. Zusätzlich
wurden in den 1960er und 1970er Jahren synthetische Kombinationspräparate aus T4 und T3
entwickelt, die bis heute kommerziell erhältlich sind [28].
Die Dosierung der Thyroxinmedikation bei Patienten mit sekundärer Hypothyreose richtet
sich im wesentlichen nach der klinischen Einschätzung des behandelnden Arztes und kann
nicht anhand eines Laborparameters wie TSH oder anderer Messwerte titriert werden [46].
Erschwerend kommt hinzu, dass die periphere Bildung von T3 aus T4 durch Dejodinasen
vermutlich eingeschränkt ist, da diese auch von TSH aktiviert werden [11]. Zudem wird die
Interpretation der Laborparameter dadurch erschwert, dass ein gleichzeitig bestehender
Wachstumshormonmangel zu einer verminderten peripheren Konversion von fT4 zu fT3 und
damit zu noch normalen, scheinbar adäquaten fT4-Werten bei tatsächlich hypothyreoter
Stoffwechselsituation führen kann [38, 46].
Vermutlich
aufgrund
dieser
Schwierigkeiten
lässt
sich
beobachten,
dass
die
Standardsubstitution mit dem Schilddrüsenhormon L-Thyroxin (T4) nicht bei allen Patienten
eine Linderung der oft diffusen und schwer einzuordnenden Befindlichkeitsstörungen und
Erschöpfungszustände bewirkt, die offensichtlich durch die Erkrankung entstanden sind.
12
1.4
Bei
Hinführung zur Fragestellung
Patienten
mit
Hypophysenvorderlappeninsuffizienz,
deren
periphere
Schilddrüsenhormone im unteren Drittel des Referenzbereiches liegen, führt die Substitution
mit L-Thyroxin nach klinischer Erfahrung zu einer Verbesserung der subjektiven
Befindlichkeit. Kinder mit einer Hypophysenerkrankung zeigen bereits bei „niedrig
normalen“ peripheren Hormonwerten (fT4) eine schwerwiegende Wachstumsretardierung, die
durch Substitution in den oberen Normbereich vollständig zu beheben ist [72]. Auffällig ist
außerdem, dass bei "euthyreoten" Patienten mit Hypophysenerkrankungen die peripheren
Schilddrüsenhormonwerte innerhalb des Referenzbereiches signifikant niedriger liegen als bei
gesunden Personen [2, 72]. Diese Ergebnisse erhärten den Verdacht, dass bei Patienten mit
Hypophysenvorderlappeninsuffizienz ein Mangel an Schilddrüsenhormonen bestehen kann,
ohne dass dieser biochemisch sicher erfassbar ist.
In einer kürzlich von uns durchgeführten Querschnittstudie zeigten Patienten mit sekundärer
Hypothyreose gegenüber gesunden Probanden eine verlängerte Achillessehnenreflexzeit, ein
ungünstigeres Lipidprofil und einen höheren Grad der subjektiven Erschöpfungsneigung.
Diese veränderten Parameter können als Zeichen einer mangelnden Substitution von
Schilddrüsenhormon gewertet werden [33]. Die T4-Substitutionsdosis betrug bei diesen
Patienten durchschnittlich 1,1 µg/kg Körpergewicht (KG). Diese Menge erscheint eher
niedrig, da Patienten mit primärer Hypothyreose durchschnittlich mit einer Dosis von 1,6
µg/kg KG behandelt werden [45]. Bei einer Subgruppenanalyse wiesen Patienten mit höheren
fT4 Werten tendenziell günstigere Lipidwerte auf, was als Hinweis für eine Untersubstitution
zumindest eines Teils der Patienten interpretiert werden kann [33].
Das Krankheitsbild der primären Hypothyreose ist in den letzten Jahrzehnten intensiv
beforscht worden. Es konnte gezeigt werden, dass bereits eine latente („subklinische“)
primäre Hypothyreose Auswirkungen auf die Befindlichkeit und die Blutfettwerte hat [57, 59,
83]. Die (primäre) latente Schilddrüsenunterfunktion manifestiert sich laborchemisch klar
anhand eines erhöhten TSH bei noch normalem fT4. Die Untersuchungen der primären
Schilddrüsenerkrankungen ergaben, dass eine Reihe von Laborwerten, kognitiven Funktionen
und die subjektive Befindlichkeit sowie die Muskeleigenreflexe bereits frühzeitig im
Krankheitsverlauf verändert sind [57, 83]. Diese Parameter sind somit Zeichen eines Mangels
an biologisch aktivem Schilddrüsenhormon.
13
Des Weiteren wurde für Patienten mit primärer Hypothyreose ausführlich untersucht, ob die
zusätzliche Gabe von T3 in physiologischem Verhältnis einen Benefit gegenüber der reinen
T4-Therapie bewirkt.
Während einige Studien eine bessere Befindlichkeit, ein günstigeres Lipidprofil und eine
Verkürzung der Achillessehnenreflexzeit insbesondere bei Patienten mit supprimiertem TSH
nachweisen konnten [4, 15], ließen sich die günstigen Effekte einer zusätzlichen Behandlung
mit T3 in anderen randomisierten Interventionsstudien nicht belegen [22, 78]. Für die T4Monotherapie von Patienten mit primärer Hypothyreose ist die erforderliche optimale Dosis
(1,6 µg/kg Körpergewicht) bekannt [45].
Es liegen aber bisher keine systematischen Untersuchungen vor, ob Patienten mit sekundärer
Hypothyreose von dieser optimierten Dosis oder einer Kombinationsbehandlung mit T3 + T4
profitieren.
1.5
Fragestellung
Im Rahmen dieser Dissertation soll folgende Fragestellung beantwortet werden:
Führt eine Behandlung von Patienten mit sekundärer Hypothyreose
(a) mit einer optimierten Dosis von T4 (1,6 µg/kg KG)
oder
(b) mit einer Kombinationstherapie aus T3 + T4 (im Verhältnis 1:10, Gesamtdosis
ebenfalls 1,6 µg/kgKG)
gegenüber der etablierten Thyroxinsubstitution (durchschnittlich 1,02 µg/kg KG) zu einer
Verminderung klinischer Hypothyreosesymptome und zu einer Verbesserung des Lipid- und
Muskelstoffwechsels, gemessen anhand des Lipidprofils (Gesamtcholesterin, HDLCholesterin, LDL-Cholesterin, VLDL-Cholesterin, Triglyceride), der Kreatinkinase (CK) im
Serum und der Achillessehnenreflexzeit (ART)?
14
2 Studiendesign, Material und Methoden
2.1 Studiendesign
Die 4T-Studie („Thyroxin versus Trijodthyronin plus Thyroxin bei Patienten mit sekundärer
Hypothyreose“) ist eine prospektive klinische Interventionsstudie, die geplant und
durchgeführt wurde als randomisierte, Placebo-kontrollierte, doppelblinde crossover-Studie.
Hypophyseninsuffiziente Patienten mit bereits in Behandlung befindlicher sekundärer
Hypothyreose erhielten für jeweils fünf Wochen L-Thyroxin (T4) in ihrer bisherigen
Dosierung, T4 in einer erhöhten („optimierten“) Dosierung und eine Kombination aus T4 und
Triiodthyronin (T3).
Ziel der Studie war die Überprüfung der in der Einleitung formulierten Hypothese (vgl.
Abschnitt 1.3). Bei Patienten mit sekundärer Hypothyreose sollte der Einfluss der Behandlung
mit einer erhöhten T4-Dosis oder einer Kombinationstherapie aus T3 und T4 auf die
folgenden Endpunkte im Vergleich zur bisherigen Behandlung untersucht werden.
Es wurden primäre (Kognition und Befindlichkeit) und sekundäre (Laborwerte und
Achillessehnenreflexzeit)
Endpunkte
definiert,
wobei
die
vorliegende
Dissertation
ausschließlich die Ergebnisse der sekundären Endpunkte darstellt und analysiert.
2.2 Probanden
Aufgenommen wurden 32 Patienten beiderlei Geschlechts zwischen 18 und 75 Jahren mit
Hypophyseninsuffizienz unter Beteiligung der thyreotropen Achse. Bezüglich der Ätiologie
der Hypophyseninsuffizienz wurden keine Einschränkungen vorgenommen. Um einen
vergleichbaren Insuffizienzgrad zu gewährleisten, wurde der Ausfall von mindestens zwei
weiteren Hypophysenachsen neben der thyreotropen gefordert. Des Weiteren wurden nur
Patienten aufgenommen, deren letzter therapeutischer Eingriff in der Hypophysenregion
mindestens 6 Monate zurücklag und die seit mindestens 3 Monaten eine unveränderte T4Dosis einnahmen. Tabelle 1 zeigt die Einschlusskriterien in der Übersicht.
15
Tabelle 1: Einschlusskriterien
Hypophyseninsuffizienz unter Einschluss der thyreotropen und mindestens zwei weiterer
Hypophysenachsen (somatotrop, gonadotrop, corticotrop)
Alter 18 bis 75 Jahre
BMI 20 – 39,9 kg/m2
Intervall vom mindestens 6 Monaten nach Hypophysenoperation oder Bestrahlung
Einnahme von L-Thyroxin (T4) in stabiler Dosierung seit mindestens 3 Monaten
Nicht eingeschlossen wurden Patienten mit schweren Begleiterkrankungen, Patienten mit
primären Schilddrüsenerkrankungen, Schwangere, Raucher sowie Patienten, deren T4-Dosis
bereits ≥ 1,6µg/kg KG betrug (vgl. Tabelle 2).
Tabelle 2: Ausschlusskriterien
Thyroxindosis ≥ 1.6 µg/kg KG
Rauchen
schwere kardiale oder respiratorische Erkrankung
Knotenstruma (Schilddrüsenvolumen > 40 ml; isolierter Knoten > 2,5 cm Ø)
Epileptische Erkrankung
Zerebrovaskuläre Insuffizienz
Schwangerschaft
Teilnahme an einer anderen Studie innerhalb der letzten zwei Monate
Alle Patienten wurden vor Studieneinschluss ärztlicherseits ausführlich über Aufbau, Ablauf
und Ziel der Studie informiert sowie über potentielle Nebenwirkungen aufgeklärt. Nach
mindestens 24-stündiger Bedenkzeit wurde von allen Studienteilnehmern eine schriftliche
Einverständniserklärung eingeholt.
Die Genehmigung der Ethik-Komission der Medizinischen Fakultät der Albert-LudwigsUniversität
wurde
mit
Votum
(Forschungsvorhaben 326/03).
vom
9.1.2004
vor
Beginn
der
Studie
erteilt
16
2.3 Studienplan
Alle Studienteilnehmer absolvierten im Rahmen der Studie vier Visiten im Abstand von
jeweils fünf Wochen in der Endokrinologischen Ambulanz. In den fünfwöchigen
Studienphasen zwischen den Visiten nahmen die Patienten anstelle ihrer üblichen
Schilddrüsenpräparate die Studienmedikation ein (vgl. Abschnitt 2.4).
2.3.1 Phasen
Nach Aufnahme bei Visite 1 wurden die Patienten durch die Klinikumsapotheke randomisiert
und einem Therapieprotokoll zugeteilt. Die Reihenfolge der drei Therapiephasen war
Patienten und Untersuchern (Ärzten, Doktorand) nicht bekannt.
In Phase P (placebo) erhielten die Patienten für die Dauer von fünf Wochen eine
Studienmedikation, deren Thyroxindosis ihrem bisherigen Präparat entsprach.
In Phase T (thyroxine) erhielten die Patienten für die Dauer von fünf Wochen eine
Studienmedikation, die Thyroxin in einer erhöhten Dosis von 1,6µg/kg KG enthielt.
In Phase C (combination) erhielten die Patienten für die Dauer von fünf Wochen eine
Studienmedikation, die eine Kombination aus T3 und T4 in einem Verhältnis von 1:10
enthielt, wobei die Gesamtdosis an Schilddrüsenhormonen wiederum 1,6µg/kg KG betrug
(0,16 µg T3/kg KG + 1,44 µg T4/kg KG).
Um einen carry-over Effekt zwischen den Phasen zu vermeiden, wurden alle 6 möglichen
Kombinationen für die Abfolge der drei Phasen angewendet: PTC, PCT, TPC, TCP, CPT,
CTP. Die Patienten bildeten somit ihre eigene Kontrollgruppe im Sinne einer CrossoverStudie, wobei die doppelte Verblindung während des gesamten Studienverlaufs gewährleistet
war. Abbildung 4 zeigt ein mögliches Ablaufschema mit der Phasen-Abfolge PTC.
Woche 0
Visite 1
Woche 5
P
Visite 2
bisherige T4
Dosis
Abb. 4: Schema des Studienablaufes
Woche 10
T
T4: 1,6
µg/kg KG
Visite 3
Woche 15
C
T3: 0,16 +
T4: 1,44
µg/kg KG
Visite 4
17
2.3.2
Visite 1
Vor Studieneinschluss wurde eine klinische Untersuchung inklusive Bestimmung von
Gewicht, Herzfrequenz und Blutdruck, ein Ruhe-EKG und eine Blutentnahme durchgeführt.
Zum
Zwecke
des
Ausschlusses
primärer
Schilddrüsenerkankungen
erfolgte
eine
Schilddrüsen-Sonographie. Die Studienmedikation für die erste Phase wurde ausgehändigt, so
dass die Patienten nach Vorliegen der Laborergebnisse mit der Einnahme der
Studienmedikation beginnen konnten.
2.3.3
Visiten 2-4
Jeweils nach Ablauf einer Studienphase erfolgte in den Visiten 2-4 die Datenerhebung. Neben
der Kontrolle der Sicherheitsparameter (klinische Untersuchung, EKG, Labor) wurden ARTMessungen und Tests zur Kognition durchgeführt, Fragebögen zur Befindlichkeit ausgefüllt
und eine Blutprobe zur Bestimmung der biochemischen Zielgrößen entnommen. Notwendige
Voraussetzung für eine valide Bestimmung der Blutfette war, die Patienten nüchtern
einzubestellen; eine Ausnahme stellte die Studienmedikation dar, die zwei Stunden vor der
Blutentnahme eingenommen wurde.
2.4 Studienmedikation
Die Patienten erhielten während der Studie Schilddrüsenpräparate, die durch die Apotheke
des Universitätsklinikums zubereitet wurden. Grundlage hierfür waren die kommerziell
erhältlichen Präparate L-Thyroxin Henning® (für T4) und Thybon® 100 (für T3), aus denen
für jeden Patienten die genauen gewichtsbezogenen Dosierungen gemäß den Kriterien der
Studienphasen hergestellt wurden (Phase P: individuell etablierte Dosierung; Phase T: 1,6 µg
T4/kg KG; Phase C: 1,44 µg T4/kg KG + 0.16 µg T3/kg KG). Die Studienkapseln enthielten
außer der entsprechenden Menge Schilddrüsenhormon Gelatine und Fructose, hatten alle
dasselbe Aussehen und wurden den Patienten jeweils zu Beginn einer Studienphase
ausgegeben.
18
2.5 Untersuchte Parameter und Endpunkte
2.5.1
Klinische Sicherheitsparameter, Überwachung von Nebenwirkungen
Als Sicherheitparameter wurden bei jeder Visite eine klinische Untersuchung mit Messung
von Gewicht, Herzfrequenz und Blutdruck, ein Ruhe-EKG sowie Labormessungen
durchgeführt. Zusätzlich wurden alle Patienten angehalten, eventuelle Nebenwirkungen zu
berichten.
Insbesondere
wurde
bei
jeder
Visite
explizit
nach
den
häufigsten
Hyperthyreosesymptomen (Schwitzen, Palpitationen, Schlafstörungen, Unruhe, Reizbarkeit,
Nervosität, Zittern, Durchfall, vermehrter Appetit und Durst) gefragt.
2.5.2
Laboruntersuchungen
Alle Labormessungen erfolgten im Hormon- und Zentrallabor des Universitätsklinikums.
Folgende Geräte mit den zugehörigen Assays wurden eingesetzt: Roche E 170
(Schilddrüsenparameter, mittels turbidimetrischer Immunoassays), Roche Modular (CK,
Myoglobin, GOT) und REP (Helena Laboratories; Lipidelektrophorese).
2.5.2.1
Biochemische Sicherheitsparameter
Es wurden folgende Sicherheitsparameter bestimmt: Blutbild, Kreatinin, Natrium, Kalium,
Phosphat, Alanin-Aminotransferase (ALT = GPT), γ-Glutamyl-Transpeptidase (γGT) und
Alkalische Phosphatase (AP).
2.5.2.2
Schilddrüsenparameter
Die Bestimmung der Schilddrüsenhormonwerte umfasste Thyreoidea stimulierendes Hormon
(TSH), freies Trijodthyronin (fT3), freies Thyroxin (fT4), Gesamt-T3 (gT3), Gesamt-T4
(gT4) und Thyreoglobulin (TG).
2.5.2.3
Zielparameter
Als Zielparameter (sekundäre Endpunkte) wurden untersucht: Kreatinkinase (CK),
Myoglobin, Aspartat-Aminotransferase (AST=GOT) und Lipidelektrophorese, beinhaltend
Triglyceride (Trig), Gesamt-Cholesterin (TC), Low-density-Lipoprotein (LDL), Very-lowdensity-Lipoprotein (VLDL), High-density-Lipoprotein (HDL) und die Fraktionen von βLipoprotein (βLP), prä-β-Lipoprotein (pβLP) und α-Lipoprotein (aLP).
19
2.5.3
Bestimmung der Achillessehnenreflexzeit (ART)
Aufgrund der Korrelation von Reflexzeit und Schilddrüsenstatus stellte die Beobachtung der
Muskeleigenreflexe
in
der
Vergangenheit
ein
wichtiges
„Standbein“
der
Schilddrüsendiagnostik dar (langsame Muskeleigenreflexe sprechen für Hypothyreose,
normale für Euthyreose und schnelle für Hyperthyreose), bevor genaue laborchemische
Bestimmungen der Schilddrüsenhormonspiegel, insbesondere des TSH, verfügbar waren.
Die Messung der ART bei den Studienpatienten erfolgte mit dem modifizierten Nachbau
einer Messapparatur, die im Kantonsspital Basel ebenfalls zu Studienzwecken eingesetzt
wird. Der Unterschenkel der Probanden wird auf eine Halterung aufgelegt, die ein entspanntes
Stehen sowie freie Beweglichkeit im Sprunggelenk ermöglicht, anschließend wird der Fuß
des Probanden mit dem Arm eines Winkelmessers verbunden (Abbildung 5).
Abbildung 5: Gerät zur Messung der Achillessehnenreflexzeit
Durch Beklopfen der Achillessehne mit einem Reflexhammer, an dessen Kopf ein
Kontaktschalter angebracht ist, wird gleichzeitig der Reflex ausgelöst und die Messung
gestartet. Das Gerät zeichnet hierbei die Auslenkung des Fußes gegenüber der Zeit auf
(Abbildung 6), gemessen wird das Intervall zwischen der maximalen Beugung durch die
Muskelkontraktion und dem Erreichen des halbmaximalen Werts der abfallenden Kurve
während der Relaxation (halbmaximale Relaxationszeit).
20
Abbildung 6: Reflexkurve (Abszisse: Zeit in sec; Ordinate: Winkelstellung des Sprunggelenks in Grad)
Bei jeder Visite wurden Mittelwerte aus je drei Einzelmessungen an beiden Füßen gebildet.
Vor Verwendung in der Studie wurden für die Messapparatur Normwerte ermittelt. Hierzu
wurden die ART-Werte von 104 gesunden Probanden beiderlei Geschlechts (keine
Schilddrüsenerkrankung, keine Neuropathie, 12 Einzelmessungen, je 6 an beiden Füßen) im
Alter zwischen 18 und 75 Jahren aufgezeichnet und statistisch ausgewertet.
2.5.4
Zulewski Score
Bei jeder Visite erfolgte eine Einschätzung der Hypothyreose-Symptomatik der Patienten
anhand des klinischen Score nach Zulewski [94]. Dieser quantifiziert die Beschwerden von
Patienten mit Hypothyreose und dient als Instrument zur klinischen Beurteilung des
Schilddrüsenstatus. Der Untersucher hat hierbei zu überprüfen, wie viele von 12 definierten
Symptomen und körperlichen Zeichen der Hypothyreose vorliegen (siehe Tabelle 3). Das
Vorhandensein der insgesamt 7 Symptome wird vom Untersucher erfragt, die 5 körperlichen
Zeichen werden durch Untersuchung festgestellt. Für jedes vorhandene Symptom bzw.
Zeichen wird ein Punkt vergeben. So entsteht durch Aufsummieren der Punkte, verbunden
mit einer Alterskorrektur, ein Score von maximal 12 Punkten, der den Schweregrad der
klinischen Symptomatik widerspiegelt. Euthyreose wird angezeigt durch einen Punktwert von
0-2 (negativer prädiktiver Wert für den Ausschluss einer Hypothyreose 94,2%), ein
intermediärer Bereich durch 3-5 Punkte und Hypothyreose durch >5 Punkte (positiver
prädiktiver Wert für Hypothyreose 96,9%) [94].
21
Tabelle 3: Punktevergabe anhand von Symptomen und Zeichen der Hypothyreose
Symptome
Beurteilungskriterium
Vorhanden
Nicht
vorhanden
Vermindertes Schwitzen
In einem warmen Raum, an einem heißen Tag
1
0
Heiserkeit
Sprechstimme, Singstimme
1
0
Parästhesien
Subjektive Empfindung
1
0
Trockene Haut
Spontan bemerkte, behandlungsbedürftige
1
0
Trockenheit
Verstopfungsneigung
Stuhlgepflogenheiten, Verwendung eines Laxans
1
0
Hörminderung
Progredienter Hörverlust
1
0
Gewichtszunahme
Dokumentierte Zunahme, Enge der Kleidung
1
0
Langsame Bewegungen
Patient beim Entkleiden beobachten
1
0
Verzögerter
Halbmaximale Relaxationszeit des Reflexes,
1
0
Achillessehnenreflex
Verlängerung um >1 SD zum Normwert
Rauhe Haut
Untersuchung der Hände, Unterarme und
1
0
Körperliche Zeichen
Ellenbögen
Periorbitale Aufgedunsenheit
Kontur der Wangenknochen sollte verstrichen sein
1
0
Kalte Haut
Vergleich der Temperatur der Hände mit
1
0
12
0
Untersucher
Summe der beobachteten
Symptome und Zeichen
Zur klinischen Beurteilung wird bei Frauen unter 55 J. zur Summe ein Punkt addiert.
Hypothyreot, mehr als 5 Punkte; euthyreot, weniger als 3 Punkte; intermediär, 3–5 Punkte.
2.5.5
Untersuchungen zu Kognition und Befindlichkeit
Die zu den primären Endpunkten, Kognition und Befindlichkeit der Patienten, erhobenen
Daten werden von Frau Edith Meiser in ihrer Dissertation analysiert und dargestellt, die
verwendeten Tests sollen daher im folgenden nur kurz erwähnt werden.
Als Kognitive Tests kamen zum Einsatz: die Untertests „Alertness“ und „Arbeitsgedächtnis“
der „Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP)“, eines computergestützten Verfahrens
aus dem Bereich der Neuropsychologie, sowie die Subskala „direct and reverse digit span“
aus der Wechsler Memory Scale (WMS), anhand derer mnestische Funktionen quantifiziert
werden können.
22
Zur Beurteilung der Befindlichkeit wurden Fragebögen eingesetzt, die von den Patienten bzw.
ihren Angehörigen teils im Rahmen der Visiten, teils zu Hause ausgefüllt wurden. Es waren
dies im einzelnen: der Gießener Beschwerdebogen (GBB), die Symptomcheckliste SCL-90-R,
der
SF-36
Fragebogen
zum
Gesundheitszustand,
Skalen
zur
Einschätzung
des
Alltagsverhaltens durch nahe Angehörige sowie visuelle Analogskalen zur Erfassung hypound hyperthyreosetypischer Beschwerden.
2.5.6
Überblick über den Studienablauf
Zur Veranschaulichung des Studienablaufes ist in Tabelle 4 im Überblick dargestellt, welche
der oben beschriebenen Vorgänge, Tests und Untersuchungen bei den einzelnen Visiten
durchgeführt wurden.
Tabelle 4: Überblick über den Studienablauf
Visite 1
Visite 2
Visite 3
Visite 4
Woche
0
5
10
15
Einverständniserklärung
X
Randomisierung
X
Schilddrüsensonographie
X
Ruhe-EKG
X
X
X
X
Blutentnahme
X1
X
X
X
Gewicht, Herzfrequenz, Blutdruck
X
X
X
X
Neue Studienmedikation
X
X
X
Achillessehnenreflexzeit
X
X
X
Test zu Kognition und Befindlichkeit
X
X
X
1
lediglich Bestimmung der Sicherheitsparameter zum Studieneinschluss (Blutbild, Kreatinin, Na+, K+, Ca2+,
Posphat, GPT, γGT, AP)
23
2.6 Auswertung und Statistik
Für die Auswertung der Zielgrößen wurde ein Signifikanzniveau von 0,05 festgelegt.
Aufgrund
des
Crossover-Designs
erfolgten
die
statistischen
Untersuchungen
mit
Testverfahren für verbundene Gruppen. Die in dieser Arbeit behandelten Zielparameter
liefern allesamt metrische Ergebnisse. Nach Prüfung der Verteilung wurde daher bei
Vorliegen einer Normalverteilung der gepaarte t-Test nach Student, bei Nicht-Vorliegen einer
Normalverteilung der Wilcoxon-Rang-Test zur Anwendung gebracht. Die Auswertung der
Normwerte für die ART-Messapparatur sowie der Vergleich der ermittelten Normwerte mit
den Werten der Patienten erfolgten mittels ANOVA-Test. Für die Untersuchung auf
Korrelationen zwischen verschiedenen Parametern wurden Regressionsanalysen verwendet,
ebenso für die Überprüfung der ART-Werte auf Altersabhängigkeit. Alle Ergebnisse (mit
Ausnahme der Einzelwertverteilungen von CK und LDL) sind als Mittelwerte mit den
zugehörigen Standardabweichungen dargestellt.
Sämtliche Signifikanztestungen wurden mithilfe des Programmes StatView 5.0 (SAS Institute
Inc.) erstellt.
Die Auswahl der Testverfahren sowie die Durchführung und kritische Überprüfung der
Berechnungen erfolgte mit beratender Unterstützung von Herrn Dipl.-Stat. Manfred
Olschewski, Institut für Medizinische Biometrie und Medizinische Informatik der AlbertLudwigs-Universität Freiburg.
Für die graphische Darstellung kamen neben StatView die Programme Microsoft Excel 2002
und Microsoft PowerPoint 2002 zum Einsatz.
24
3 Ergebnisse
3.1 Patienten
Von 36 gescreenten Patienten wurden 32 nach den definierten Ein- und Ausschlusskriterien in
die Studie aufgenommen. Von diesen 32 Patienten brachen 3 Personen das Studienprotokoll
vorzeitig ab (in zwei Fällen aus persönlichen Gründen, in einem Fall aufgrund von subjektiver
Hyperthyreosesymptomatik in Phase T, ohne dass dies laborchemisch bestätigt werden
konnte; vgl. Abschnitt 3.3.2). In 2 Fällen wurde während einer Therapiephase von den
Patienten versehentlich eine überhöhte T4-Dosis eingenommen: ein Patient erhielt bereits vor
Studienbeginn und somit auch in Phase P eine Dosis von 1,6 µg/kg KG, ein weiterer Patient
nahm in Phase T die Studientablette zusätzlich zu seiner früheren Medikation ein. Dies führte
klinisch zu keinen relevanten Beschwerden; um eine Verfälschung der Ergebnisse zu
vermeiden, wurden die betreffenden Phasen aber nicht in die Auswertung einbezogen, ohne
dass die Patienten für die beiden verbleibenden Phasen ausgeschlossen werden mussten.
Die 8 weiblichen und 21 männlichen Patienten, die die Studie komplett durchliefen, waren zu
Beginn der Untersuchung durchschnittlich 51,5 ± 13,6 Jahre alt mit einem BMI von 29 ± 3,6
kg/m² (Körpergewicht: 84,6 ± 15,9 kg). Die durchschnittliche eingenommene T4-Dosis vor
Aufnahme in die Studie (bzw. in Phase P) betrug 85,5 ± 23,3 µg, woraus sich eine
gewichtsbezogene Dosis von 1,02 ± 0,24 µg/kg KG ergibt; es lag allerdings keine
normalverteilte Streuung um den Mittelwert vor (siehe Abbildung 7).
8
Mittelwert 1,02 ± 0,24 µg/kg KG
Anzahl Patienten
7
6
5
4
3
2
1
0
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1
1,1
T4 (µg/kg KG)
Abbildung 7: L-Thyroxin-Dosisverteilung der Studienpatienten
1,2
1,3
25
Die Anzahl der ausgefallenen Hypophysenachsen lag im Mittel bei 3,55 ± 0,5, wobei 12
Patienten eine Störung in 3 Achsen aufwiesen und 16 Patienten als komplett HVL-insuffizient
diagnostiziert waren. Tabelle 5 zeigt die Charakteristika der Studienpatienten im Überblick.
Tabelle 5: Patientencharakteristika
Alter
Gewicht (kg) BMI (kg/m²)
T4 (µg)
T4 (µg/kg) HVL-Achsen
Gesamt
51,5 ± 13,6
84,6 ± 15,9
29 ± 3,6
85,5 ± 23,3 1,02 ± 0,24
3,55 ± 0,5
♀
49,3 ± 16,7
76,9 ± 8,4
29,9 ± 1,8
81,3 ± 17,7 1,06 ± 0,19
3,5 ± 0,5
♂
52,3 ± 12,6
87,5 ± 17,2
28,7 ± 4,1
89 ± 26,1
1,01 ± 0,26
3,6 ± 0,5
Wie in Tabelle 6 dargestellt, erhielten 7 Patienten Wachstumshormon, 19 Männer
Testosteron- und 6 Frauen Östrogenpräparate, 22 Patienten Hydrocortison und 8 Patienten
Desmopressin (Substitution des Mangels an Antidiuretischem Hormon (ADH)).
Tabelle 6: Substituierte Hypophysenachsen der Studienpatienten
Substitution
GH*
Anzahl ♀ (in %)
2 (25)
Anzahl ♂ (in %)
5 (24)
Anzahl ges. (in %)
7 (24)
Testosteron
Östrogen
Cortison
DDAVP*
6 (75)
5 (63)
4 (50)
17 (81)
4 (19)
22 (76)
8 (28)
19 (91)
* GH: Wachstumshormon; DDAVP: Desmopressin (bei zusätzlicher HHL-Insuffizienz)
Ursächlich
lag
der
Hypophyseninsuffizienz
bei
26
Patienten
ein
Tumor
im
Hypophysenbereich (21 Patienten mit Z.n. OP, 3 mit OP + Radiatio und 2 Nicht-operierte
Raumforderungen), bei 3 Patienten andere Ursachen (idiopathisch bzw. Z.n. Einblutung)
zugrunde.
26
3.2 Schilddrüsenwerte
Die Bestimmung der Schilddrüsen-Laborwerte erfolgte insgesamt nach Abschluss der Studie
aus Serumproben, die unmittelbar im Anschuss an die jeweiligen Visiten eingefroren worden
waren. Dieses Vorgehen diente der Verhinderung einer möglichen frühzeitigen Entblindung
durch Nachvollziehen der Entwicklung der Schilddrüsenwerte sowie der Minderung von
Messfehlern.
3.2.1
Überblick
Einen Überblick über die Entwicklung der gemessenen Parameter fT3, fT4, TG, gT3, gT4 und
TSH während der drei Therapiephasen P, T und C gibt Abbildung 8 auf der folgenden Seite.
Erwartungsgemäß zeigten sich Anstiege der Parameter, die durch die Substitutionstherapie
zugeführt wurden (fT3, fT4, gT3, gT4), während die endogenen Parameter (TSH, TG)
supprimiert erschienen. Signifikanzen ergaben sich für alle Werte (außer TG) zwischen den
Phasen P und T sowie P und C, außerdem zwischen T und C für die beiden T3-Werte. Im
Folgenden werden die einzelnen Parameter ausführlich besprochen.
27
*
†
14
30
12
25
P
*
T
6
C
P
T
15
C
10
4
2
5
0
0
fT3
fT4
* signifikant vs. P
† signifikant vs. T
*
†
4,5
160
4
P
*
T
C
1,5
nmol/l
nmol/l
*
120
3
2
*
140
3,5
2,5
*
20
p m o l/l
p m o l/l
10
8
*
100
P
80
T
60
C
1
40
0,5
20
0
0
gT4
gT3
30
1
0,9
25
0,8
*
0,7
P
15
T
µU/l
ng/ml
20
C
10
0,6
P
0,5
T
0,4
C
0,3
0,2
5
0,1
0
*
*
0
TG
Abbildung 8: Übersichtsdiagramm Schilddrüsenparameter
TSH
28
3.2.2
Freies T4 (fT4)
Zwischen den Phasen P (15,9 ± 3,6 pmol/l) und T (22,2 ± 3,2 pmol/l) bzw. C (22,8 ± 3,0
pmol/l) bestand ein hochsignifikanter Anstieg (p<0,0001). Keine Unterschiede ließen sich
zwischen T und C nachweisen. Die Patienten platzierten sich somit in P im unteren, in den
Phasen T und C im oberen Drittel des Normbereiches (13-23 pmol/l, siehe Abbildung 9). Die
Analyse der Einzelwerte zeigte jedoch, dass 6 Patienten (21,4%) in Phase P Werte unterhalb
der unteren Normgrenze aufwiesen, während in den Phasen T und C kein Patient Werte unter
der Norm zeigte. In diesen Phasen lagen 10 (in T) bzw. 14 (in C) Patienten geringfügig
oberhalb der Normgrenze (Maximalwerte: 27 pmol/l in T und 27,9 pmol/l in C), wobei zu
beachten ist, dass sämtliche gemessenen Werte Spitzenwerte darstellen, da sie zwei Stunden
nach Einnahme der letzten Dosis gemessen wurden. Trotz der relativ langen T4-Halbwertszeit
von etwa sieben Tagen können etwas geringere Tagesmittelwerte angenommen werden (siehe
Abschnitt 3.2.6).
fT4
30
25
fT4 (pmol/l)
20
15
10
5
0
P
T
Phase
Abbildung 9: fT4-Serumspiegel im Studienverlauf
C
Referenzbereich 13-23 pmol/l
29
3.2.3
Freies T3 (fT3)
Zwischen allen Phasen (von P nach T, P nach C und T nach C) zeigten sich hochsignifikante
Anstiege der fT3-Werte (p<0,0001). Dabei stieg der Mittelwert aller Patienten von 4,8 ± 0,9
pmol/l in P auf 5,7 ± 1,1 pmol/l in T und 10,6 ± 2,4 pmol/l in C (siehe Abbildung 10). Bei
einem vorgegebenen Referenzbereich von 3,9-6,7 pmol/l sind die Patienten somit
laborchemisch in Phase C als hyperthyreot zu betrachten, wohingegen in den Phasen P und T
Werte im unteren bzw. mittleren Drittel des Normbereichs erreicht wurden. Auch hier zeigte
die Analyse der Einzelwerte, dass 6 Patienten in Phase P Werte unterhalb der unteren
Normgrenze aufwiesen (Diese waren allerdings nicht identisch mit den 6 Patienten, deren fT4
unter Norm lag, siehe Abschnitt 3.2.2). In den Phasen T und C gab es keine Patienten mit
Werten unter Norm, dafür lagen 3 Patienten in Phase T leicht und 28 Patienten in Phase C
zum Teil deutlich oberhalb der oberen Normgrenze; in Abschnitt 3.2.6 wird die
Pharmakokinetik von fT3 und fT4 dargestellt.
fT3
14
12
fT3 (pmol/l)
10
8
6
4
2
0
P
T
Phase
C
Referenzbereich 3,9-6,7 pmol/l
Abbildung 10: fT3-Serumspiegel im Studienverlauf
3.2.4
Gesamt-T3 (gT3), Gesamt-T4 (gT4)
Die Veränderungen der Serumkonzentrationen von gT3 und gT4 wurden analog zu denen bei
den freien Schilddrüsenhormonen beobachtet (siehe Abb. 7).
30
3.2.5
Thyreoidea Stimulierendes Hormon (TSH), Thyreoglobulin (TG)
Anders als bei den vorherigen Parametern wurden bei TSH und TG durch die Erhöhung der
Substitutionsdosis während der Studie Abfälle erwartet, da die endogene Produktion der
Schilddrüse durch die exogene Zufuhr von Hormonen supprimiert wird. Die gemessenen
Werte bestätigten diese Erwartung. Die in Phase P gemessenen Serumspiegel von TSH lagen
signifikant höher als die in T und P gemessenen (p<0,01), für TG ergab sich ein ähnliches
Bild, wobei eine Signifikanz nur zwischen P und C nachgewiesen werden konnte (p = 0,028).
Für beide Parameter ergaben sich keine Signifikanzen zwischen T und C.
3.2.6
Untersuchung zur Kinetik des substituierten Schilddrüsenhormons
Da die gemessenen Parameter Einzelwerte darstellen, die zudem kurze Zeit nach Einnahme
der Studienmedikation erhoben wurden, führten wir zur Abschätzung der Serumspiegel im
Tagesverlauf eine Kinetikstudie durch. Hierfür wurde 8 Studienpatienten in einer getrennten
Zusatzstudie für einen Zeitraum von 7 Tagen erneut ein Kombinationspräparat mit 1,44 µg T4
+ 0.16 µg T3/kg KG verabreicht (die verabreichte Menge an Schilddrüsenhormon entsprach
also derjenigen in Phase C der eigentlichen Studie). Anschließend wurden die fT3- und fT4Spiegel im Verlauf eines Tages mehrfach bestimmt, beginnend mit einer Messung zum
Zeitpunkt 0 (direkt vor Einnahme der Tagesdosis, somit 24 Stunden nach Einnahme der
letzten Dosis), im folgenden stündlich bis 8 Stunden nach Einnahme der Tablette.
Die hierbei gewonnen „Tagesprofile“ für Serum-fT3 und -fT4 sind in Abbildung 11
dargestellt. Es zeigte sich, ausgehend vom Basalwert zum Zeitpunkt 0, für beide Parameter
ein deutlicher Anstieg, der zum Zeitpunkt t = 2h sein Maximum erreichte, um anschließend
relativ zügig wieder abzufallen, so dass bereits zum Zeitpunkt t = 8h der Basalwert fast
wieder erreicht war. In Konkordanz mit der deutlich kürzeren Halbwertszeit von T3 im
Vergleich zu T4 war der beschriebene Anstieg und Abfall der Serumkonzentrationen beim
fT3 ausgeprägter als beim fT4. So erreichten die fT3-Spiegel einen Anstieg um 61% von 6,5
± 1,0 pmol/l (t = 0) auf 10,5 ± 1,7 pmol/l (t = 2) und fielen bis zum Zeitpunkt t = 8 ab auf 7,2
± 0,9 pmol/l (10,5% über Basalwert). Der fT4-Anstieg fiel moderater aus, es wurde ebenfalls
zum Zeitpunkt t=2 ein Maximum erreicht, das jedoch nur 17,6% über dem Basalwert lag
(20,1 ± 2,3 pmol/l vs. 17,1 ± 2,1 pmol/l), zum Zeitpunkt t = 8 lag die Serumkonzentration mit
18,3 ± 2,2 pmol/l noch 6,7 % über dem Basalwert.
31
25
20
fT3
15
pmol/l
fT4
fT3: obere
Referenzgrenze
fT4: obere
Referenzgrenze
10
5
0
t=0 t=1 t=2 t=3 t=4 t=5 t=6 t=7 t=8
Messzeitpunkt (h)
Abbildung 11: Kinetik der Serumspiegel von fT3 und fT4 nach Einnahme der Studienmedikation
Aus der Fläche unter der Kurve der Diagramme lassen sich 24-Stunden-Durchschnittswerte
näherungsweise errechnen, es ergeben sich mittlere Tageskonzentrationen von 18,07 ± 2,19
pmol/l für fT4 und 7,36 ± 1,04 pmol/l für fT3 (siehe Abbildung 12).
Tagesdurchschnittswerte
25
18,07
pmol/l
20
15
10
7,36
5
0
fT3
fT4
Abbildung 12: 24-h-Mittelwerte für fT3/fT4
32
3.3 Sicherheitsparameter, Nebenwirkungen und Adverse Events
3.3.1
Sicherheitsparameter
Einige Vitalwerte (Herzfrequenz, Blutdruck, Gewicht bzw. BMI) sowie die EKGAufzeichnung dienten als Sicherheitsparameter, um unerwünschte und potentiell schädliche
Nebenwirkungen auszuschließen (Tabelle 7).
Tabelle 7: Vitalwerte
BMI (kg/m²)
Gewicht (kg)
HF (min-1)
RR sys (mm Hg)
RR dia (mm HG)
P
29,6 ± 3,7
85,9 ± 16
63 ± 10
126 ± 12
80 ± 7
T
29,0 ± 3,7*
84,3 ± 16*
64 ± 9
128 ± 12
82 ± 5
C
28,9 ± 3,5*
84,3 ± 16*
66 ± 10
125 ± 11
81 ± 6
* signifikant vs. P
Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Ruhe-EKG zu, da bei Patienten mit Hyperthyreose
eine
erhöhte
Inzidenz
von
tachykarden
Herzrhythmusstörungen,
insbesondere
Vorhofflimmern, besteht. Es wurden jedoch keinerlei EKG-Veränderungen beobachtet.
Die gemessenen Herzfrequenzen zeigten ebenso wie die Blutdruckwerte keine signifikanten
Änderungen zwischen den Phasen. Im Gewichtsverlauf ergab sich hingegen eine signifikante
(p<0,03) Abnahme des Körpergewichts um 1,52 kg zwischen Phase P und T bzw. 1,59 kg
zwischen Phase P und C. Abbildung 13 veranschaulicht dies anhand der BMI-Werte.
BMI
35
*
*
T
C
30
BMI (kg/m²)
25
20
15
10
5
0
P
Phase
Abbildung 13: Body Mass Index (BMI) im Studienverlauf
33
3.3.2
Adverse Events (AE)
9 Fälle wurden als adverse events aufgenommen (5 in Phase P, 3 in T und 1 in C), in 3 der
Fälle kam es zum vorzeitigen Abbruch der Studie durch die Patienten.
4 Patienten berichteten über typische Hyperthyreosesymptome (Unruhe, Nervosität,
Schlafstörungen etc.), wobei 3 der Fälle in Phase P auftraten und von den Patienten toleriert
wurden, während eine Patientin in Phase T die Studie abbrach.
In 2 Fällen wurde das Auftreten eines erythematösen Hautausschlags im Kopfbereich
angegeben,
was
insofern
von
Interesse
war,
als
dies
vor
kurzem
von
der
Arzneimittelkommission in die Liste der anerkannten Nebenwirkungen bei Einnahme von
Schilddrüsenhormonpräparaten aufgenommen wurde. Allerdings konnte der Ausschlag bei
einem Patienten im Rahmen der nächsten Visite nicht mehr dokumentiert werden, bei dem
andern Patienten ergab sich im Rahmen der dermatologischen Abklärung der Verdacht auf
einen Befall mit Demodex-Milben als Ursache, so dass ein Zusammenhang mit der
Schilddrüsenmedikation unsicher scheint.
2 Patienten beendeten ihre Teilnahme auf eigenen Wunsch vorzeitig, ohne dass ihre
Beschwerden (Blutzuckerentgleisung, schlechtes Allgemeinbefinden) einen Zusammenhang
mit der Studienmedikation vermuten ließen.
Es traten zwei Fälle von deutlicher Erhöhung der Kreatinkinase (bis 380 U/l, Referenzbereich
<174 U/l) bzw. ein Fall von erhöhten Transaminasen (GPT bis 168 U/l, Referenzbereich <35
U/l) trat auf, deren weitere Abklärung ergebnislos blieb. In beiden Fällen normalisierten sich
die Werte bis zur folgenden Visite.
3.3.3
Nebenwirkungen
Die Zahl der beobachteten Nebenwirkungen blieb gering. Mit Ausnahme der bereits
besprochenen AE erfolgten alle Nennungen erst auf gezieltes Nachfragen. Insgesamt
berichteten in Phase C 5 Patienten über vermehrtes Schwitzen vs. 4 Patienten in T und 1
Patient in P.
Es wurden 6 Fälle von vereinzelt (teilweise unter Belastung) auftretenden Palpitationen
berichtet, davon 3 in Phase P und 3 in Phase C, so dass keine Häufung in einer bestimmten
Phase zu verzeichnen ist.
Weitere berichtete Nebenwirkungen wie Unruhe (2 Nennungen in P vs. 1 in T vs. 4 in C),
Erschöpfungsneigung (4 vs. 3 vs. 1), Kopfschmerzen (1 vs. 1 vs. 0) und Schlafstörungen (3
vs. 0 vs. 0) sind eher dem Bereich der Befindlichkeit zuzuordnen und werden daher im
Folgenden nicht ausführlich diskutiert.
34
3.4 Achillessehnenreflexzeiten (ART)
3.4.1
Normwerte für ART-Messapparatur
Die Bestimmung der ART-Normwerte für die verwendete Messapparatur war notwendig, um
nicht nur die Veränderung der ART im Verlauf der Studie zu bewerten, sondern die
gemessenen Zeiten auch zu den Referenzzeiten Gesunder in Beziehung setzen zu können.
Da eine Altersabhängigkeit der ART postuliert wurde, erfolgte die Auswahl der 104
Probanden beiderlei Geschlechts in 5 gleich großen Altersgruppen (n = 20-22/Gruppe), wobei
diese wie folgt definiert wurden: Gruppe 1: Probanden zwischen 20 und 30 Jahren, Gruppe 2:
31-40 Jahre, Gruppe 3: 41-50 Jahre, Gruppe 4: 51-60 Jahre, Gruppe 5: 61-75 Jahre.
Es zeigten sich keinerlei signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Als
Gesamtmittel für die ART bei gesunden Probanden wurde ein Wert von 345 ± 47 ms
berechnet bei einem Altersdurchschnitt der Probanden von 44,4 ± 14,4 Jahren. Die
Auswertung der ART-Mittelwerte der einzelnen Altersgruppen mit dem ANOVA-Test zeigt
signifikante Unterschiede zwischen den Altersgruppen 1 und 3, 1 und 4, 1 und 5 sowie 2 und
4 (Abbildung 14). Eine Überprüfung mittels Regressionsanalyse ergibt jedoch einen R-Wert
von nur 0,36 (bzw. R² = 0,13), so dass eine deutliche Altersabhängigkeit nicht nachgewiesen
werden kann. Eine Altersabhängigkeit in den ersten 5 Lebensjahrzehnten kann vermutet
werden, ab dem vollendeten 50. Lebensjahr scheint jedoch keine weitere altersbedingte
Verlangsamung der ART mehr zu erfolgen.
Diese Ergebnisse stehen in Übereinstimmung mit früheren Untersuchungen, die zum einen
ähnliche Werte im Bereich 300 – 350 ms für die halbmaximale ART gesunder Testpersonen
[63, 64, 65], zum anderen gleichfalls etwas kürzere Reflexzeiten bei Personen unter 50 Jahren
gemessen hatten [64].
35
Normwerte ART
450
400
350
ART (ms)
300
250
200
150
100
50
0
20-30
31-40
41-50
51-60
61-75
Altersgruppe (Jahre)
Abbildung 14: Normwerte Achillessehnenreflexzeit (ART) nach Altersgruppen
3.4.2
Gemessene Werte der Studienpatienten
Aufgrund des physiologischen Zusammenhanges zwischen Reflexzeit und Schilddrüsenstatus
wurde für die Phasen T und C eine schnellere ART erwartet als in Phase P. Dies bestätigte
sich auch in den Messungen, allerdings wurde nur zwischen Phase P und C Signifikanzniveau
erreicht (p<0,001).
Zum Vergleich der Patienten-ART mit dem Normwert wurde angesichts der möglichen
Altersabhängigkeit der ART als Referenz ein „gematchter“ Mittelwert herangezogen, in den
die Mittelwerte der verschiedenen Altersgruppen anteilig entsprechend der Altersverteilung
der Patienten eingingen. Dadurch errechnete sich ein „gematchter“ Referenzwert von 351 ±
48 ms. Im Vergleich zu diesem zeigt sich eine signifikante Verlangsamung der ART für Phase
P und T (p<0,001), wohingegen die ART in Phase C nur leicht über dem Normwert liegt und
mit p = 0,08 kein Signifikanzniveau erreicht wird (siehe Abbildung 15).
36
ART
†
†
450
*
400
ART (ms)
350
300
ART
250
200
50
P
T
C
Norm
0
*signifikant vs. P
150
100
Norm
P
T
†
C
ART (ms)
389 ± 41†
384 ± 39†
366 ± 41*
351 ± 48
signifikant vs. Norm
Phase
Abbildung 15: Achillessehnenreflexzeit (ART) im Studienverlauf vs. Normwert gesunder Probanden
Auch die Analyse der Einzelwerte veranschaulicht dies: die Anzahl der Patienten, deren ART
außerhalb von zwei Standardabweichungen (SD) nach oben lag (≥ 447 ms), verringerte sich
von 4 Patienten (in Phase P) auf 3 (in T) bzw. 0 (in C). Gleichzeitig wiesen in keiner Phase
Patienten Reflexzeiten auf, die mehr als zwei SD schneller waren als der Normwert; zwei
Patienten lagen in Phase C im Bereich zwischen einer und zwei SD (Tabelle 8).
Tabelle 8: Streuung der Achillessehnenreflexzeiten (ART)
Anzahl Patienten mit ART in
P
T
C
Normbereich ± 1 SD
17
15
19
> Norm +1 SD
6
8
7
> Norm +2 SD
4
3
0
< Norm -1 SD
0
0
2
< Norm -2 SD
0
0
0
37
3.5 Zulewski-Score
Der Score nach Zulewski erlaubt eine Quantifizierung klinischer Hypothyreose-Symptome,
wobei der Score umso größer ist, je ausgeprägter die Hypothyreose-Symptomatik ausfällt. Es
wurde daher erwartet, dass zwischen Phase P und T bzw. C eine Abnahme des Scores erreicht
würde.
Der Mittelwert der Scores in Phase P lag bei 3,6 ± 1,8 und fiel damit in den Bereich, der von
Zulewski als intermediär zwischen hypo- und euthyreot definiert wurde [94]. Die Mittelwerte
in den Phasen T (2,9 ± 1,6) und C (2,6 ± 1,2) lagen signifikant niedriger (p = 0,02 für T vs. P
bzw. p = 0,002 für C vs. P) und platzierten sich damit knapp im definitionsgemäß als
euthyreot geltenden Bereich (siehe Abbildung 16).
Zulewski
hypothyreot
6
*
5
*
intermediär
Score
4
3
euthyreot
2
1
0
P
T
C
Phase
Zulewski Score
Abbildung 16: Zulewski Scores (<3 euthyreot; 3-5 intermediär; >5 hypothyreot)
Auch hier kann die Analyse der Einzelwerte zur Veranschaulichung der
P
3,6 ± 1,8
T
2,9 ± 1,6*
C
2,6 ± 1,2*
* signifikant vs. P
Entwicklungen dienen. So reduzierte sich die Zahl derer, die mit einem
Score von >5 als hypothyreot zu bewerten sind, von 5 Patienten in Phase P auf 3 in T und 0 in
38
C. Die Anzahl der Intermediären (Score 3-5) veränderte sich nur leicht (14 in P, 12 in T und
15 in C). Wiederum eine deutliche Entwicklung zeigte sich bei den Patienten, die mit einem
Score von <3 in den als euthyreot definierten Bereich fielen: hier stieg die Anzahl von 8 in P
auf 11 in T und 13 in C. Somit verließen 5 Patienten (18,5%) von Phase P nach C den als
pathologisch definierten Bereich, während sich gleichzeitig 5 Patienten aus dem
intermediären in den als physiologisch definierten Bereich verbesserten.
3.6 Muskelstoffwechsel
Ein Zusammenhang zwischen Hypothyreose und erhöhten Werten von Kreatinkinase (CK),
Myoglobin und Aspartat-Aminotransferase (AST = GOT) konnte in Studien nachgewiesen
werden
[6,
83].
Diese
Parameter
wurden
daher
als
Zielgrößen
peripherer
Schilddrüsenhormonwirkung aufgenommen. Für Myoglobin und AST zeigten sich keine
Veränderungen zwischen den Phasen, die Parameter befanden sich in allen Phasen im
mittleren Referenzbereich (Tabelle 9). Die gemessenen CK-Werte (160 ± 88 U/l in P; 125 ±
67 U/l in T; 110 ± 50 U/l in C) waren jedoch zwischen allen Phasen signifikant
unterschiedlich (p<0,001 für T und C vs. P; p<0,05 für C vs. T).
Tabelle 9: Laborparameter zum Muskelstoffwechsel während der Therapiephasen
Myoglobin (ng/l)
AST (U/l)
CK gesamt (U/l)
CK ♂ (U/l)
CK ♀ (U/l)
P
49 ± 25
33 ± 11
160 ± 88
179 ± 95
114 ± 41
T
44 ± 15
30 ± 11
125 ± 67*
139 ± 71
89 ± 39
C
44 ± 18
32 ± 11
110 ± 50*
117 ± 55
78 ± 42
Da für die CK geschlechterspezifische Referenzbereiche existieren, wurden diese beim
Vergleich mit der Obergrenze des Referenzbereichs getrennt berücksichtigt. Aufgrund der
nun deutlich kleineren Fallzahl lässt sich hierfür zwar keine Signifikanz nachweisen, dennoch
zeigt Abbildung 17 folgenden Trend: während sich die Frauen in allen Phasen im
Referenzbereich bewegten, überschritt der Mittelwert bei den Männern in Phase P die
Obergrenze (174 U/l). In den Phasen T und C blieben die Mittelwerte im physiologischen
Bereich.
39
CK (Frauen)
CK (Männer)
Referenzbereich <140 U/l
180
Referenzbereich <174 U/l
300
160
250
140
CK (U/l)
CK (U/l)
120
100
80
60
40
200
150
100
50
20
0
0
P
T
P
C
T
C
Phase
Phase
Abbildung 17: Verlauf der Serum-CK-Werte zwischen den Studienphasen
Die Einzelwertanalyse verdeutlicht diesen Trend weiter:
Standen in Phase P (n = 20) 10 männlichen Patienten mit pathologisch erhöhten CK-Werten
ebenso viele mit Werten im Referenzbereich gegenüber, so verschob sich das Verhältnis in
Phase T (n = 20; 5 vs. 15) und C (n = 21; 3 vs. 18) zugunsten derer, die innerhalb des
Referenzbereiches blieben (Abbildung 18).
Einzelwertverteilung CK (Männer)
450
400
350
CK (U/l)
300
Einzelwerte
250
Mittelwert
Normgrenze
200
150
100
50
0
P
T
Phasen
Abbildung 18: Einzelwerte CK (Männer)
C
40
Es verließen somit 5 Patienten (25%) von P nach T bzw. 7 Patienten (33%) von P nach C den
pathologischen Bereich.
Um eine kardiale Ursache (trotz unauffälligen EKG-Befundes) sicher auszuschließen, wurde
bei einigen Patienten mit besonders hohen CK-Werten das myokardiale Isoenzym (CK-MB)
sowie Troponin T bestimmt. Es zeigten sich keinerlei Auffälligkeiten.
3.7 Lipide
3.7.1
Überblick
Ein Erklärungsansatz für die erhöhte Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen bei Patienten
mit primärer Hypothyreose [34] besteht darin, dass bei diesen Patienten ein ungünstiges
Lipidprofil vorliegt, dessen Rolle in der Pathogenese von kardiovaskulären Erkrankungen
bekannt ist und das daher als wichtiger Risikofaktor zu betrachten ist [87]. Eine ungünstige
Beeinflussung des Lipidprofils ist bereits bei Patienten mit subklinischer Hypothyreose
nachweisbar. Insofern galt der Untersuchung der Blutfette bei den Studienpatienten
besonderes
Augenmerk.
Es
wurde
erwartet,
dass
die
Blutfette
durch
die
Therapieintensivierung in den Phase T und C günstig beeinflusst würden, wobei als
Referenzwerte die aktuellen Klassifikationen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und
des National Cholesterol Education Program verwendet wurden [51, 87].
Tabelle 10 zeigt die gemessenen Werte und Signifikanzen für Gesamtcholesterin (TC),
Triglyceride (Trig), LDL-, VLDL- und HDL-Cholesterin.
Tabelle 10: Gemessene Lipide im Überblick
TC (mg/dl)
Trig (mg/dl)
LDL (mg/dl)
VLDL (mg/dl)
HDL (mg/dl)
P
226 ± 40
187 ± 123
135 ± 36
40 ± 23
52 ± 14
T
204 ± 36*
184 ± 127
116 ± 27*
41 ± 25
C
†
194 ± 35*
*signifikant vs. P
168 ± 116*
†
signifikant vs. T
114 ± 30*
35 ± 21*
47 ± 16*
†
45 ± 15*
41
3.7.2
Triglyceride (Trig)
Die Triglyceride im Serum verringerten sich kaum von Phase P nach T, jedoch signifikant
nach C im Vergleich zu P. In allen Phasen bewegten sich die Werte dabei im grenzwertig
erhöhten Bereich, durch die Verringerung in C wurde nicht der Normalbereich erreicht
(Abbildung 19).
Triglyceride
300
mg/dl
250
hoch (>200)
200
borderline (150-200)
150
normal (<150)
100
50
0
P
T
C
Phase
Abbildung 19: Triglyceride (Trig) im Studienverlauf
Der Unterschied zwischen den Phasen T und C verfehlte zwar Signifikanzniveau (p = 0,14),
ein Trend lässt sich aus der Analyse der Einzelwerte dennoch ableiten: Während 9 Patienten
in Phase T im erhöhten Bereich lagen (versus 15 im Normalbereich), betrug dieses Verhältnis
in der Kombinationsphase 7 zu 17 Patienten (bei 4 bzw. 5 Patienten im borderline Bereich in
T bzw. C).
42
3.7.3
Gesamtcholesterin (TC)
Beim Gesamtcholesterin wurde durch die Therapie ein Abfall der Serumkonzentrationen
bewirkt, der zwischen allen Phasen Signifikanzniveau erreichte (p<0,0001 für T vs. P bzw. C
vs. P und p<0,01 für T vs. C). In Bezug auf die Referenzbereiche ergab sich ein
Ausgangspunkt im als „grenzwertig erhöht“ definierten Bereich in Phase P. Phase T blieb
trotz des signifikanten Abfalls im gleichen Bereich, in Phase C wurde jedoch durch das
weitere Absinken unter 200 mg/dl der Zielbereich erreicht (Abbildung 20).
Gesamtcholesterin (TC)
300
erhöht (>240)
250
borderline (200-240)
mg/dl
200
Zielbereich (<200)
150
100
50
0
P
T
C
Phase
Abbildung 20: Gesamtcholesterin (TC) im Studienverlauf
Betrachtet man die Verteilung der Einzelwerte über die Phasen hinweg, so lässt sich
feststellen, dass die Anzahl derer, die erhöhte Werte über 240 mg/dl aufwiesen, von 9
Patienten in Phase P auf 3 bzw. 4 in T bzw. C abnahm. Gleichzeitig stieg die Anzahl derer,
die im Zielbereich <200 mg/dl lagen, von 6 Patienten in P auf 11 in T und 16 in C an.
43
3.7.4
Low-Density-Lipoprotein (LDL)
Das LDL-Cholesterin stellt unter den Blutfetten den bedeutendsten kardiovaskulären
Risikofaktor dar [87], seine Untersuchung war daher von besonderem Interesse.
Es zeigte sich eine signifikante Abnahme von P nach T und C, wobei ein Unterschied
zwischen den beiden letztgenannten Phasen nicht nachgewiesen werden konnte.
Die Betrachtung der Einzelwerte verdeutlicht auch hier die Ergebnisse der Signifikanztestung
dahingehend, dass erkennbar wird, wie die Anzahl der Patienten, die im erhöhten Bereich
(>160 mg/dl) zu liegen kamen, von 7 Personen in Phase P auf eine Person in T bzw. 2 in C
abnahm (Abbildung 21).
LDL-Cholesterin
250
Einzelwerte
Mittelwert
200
LDL (mg/dl)
erhöht (>160)
150
borderline (130-160)
gut (100-130)
100
optimal (<100)
50
0
P
T
C
Phase
Abbildung 21: Verteilung der LDL-Einzelwerte im Studienverlauf und Bezug zu definierten Grenzwerten
44
Zum anderen legt die Einzelwertanalyse auch den Trend einer Veränderung zwischen den
Phasen T und C dar, der sich in der Signifikanztestung nicht widerspiegelt. Teilt man die
gemessenen Werte der Patienten den verschiedenen Referenzbereichen zu, so erhält man
folgendes Bild (Tabelle 11):
Tabelle 11: Verteilung LDL
Anzahl in Phase
erhöht (>160 mg/dl)
borderline (130-159 mg/dl)
gut (100-129 mg/dl)
optimal (<100 mg/dl)
P
7
9
7
5
T
1
9
11
7
C
2
5
14
8
Fasst man nun weiter die Bereiche „erhöht“ und „borderline“ sowie „gut“ und „optimal“
zusammen, ergibt sich ein Verhältnis von 10 Patienten mit (grenzwertig oder deutlich)
erhöhten Werten vs. 18 Patienten mit „guten“ Werten in Phase T, das sich in Phase C noch
einmal zugunsten der „guten“ Werte verschob: hier lagen 7 Patienten „erhöht“ vs. 22
Patienten „gut“, so dass als Trend eine Abnahme des LDL von T nach C beobachtet werden
konnte.
3.7.5
Berechnung der Differenzen zur Risikoeinschätzung
Eine Verbesserung des Lipidprofils im Serum ist mit einer Reduktion des kardiovaskulären
Risikos und der Mortalität verknüpft [87, 92]. Die in der Diskussion besprochene
Quantifizierung der in Phase T und C erreichten Risikoreduktion erfolgt anhand des
Ausmaßes der Senkung der Parameter zwischen den Phasen. Tabelle 12 zeigt
dementsprechend die quantitativen Veränderungen für Geamtcholesterin und LDLCholesterin in Milligramm pro Deziliter bzw. in Prozent.
Tabelle 12: Lipidreduktion zwischen den Phasen
Reduktion im Vergleich
Gesamtcholesterin
LDL
in mg/dl
in %
in mg/dl
in %
T vs. P
22,5
9,9
18,6
13,8
C vs. P
32
14,1
20,7
15,3
C vs. T
9,5
4,7
2,1
1,8
45
3.7.6
High-Density-Lipoprotein (HDL)
Hierbei muss konstatiert werden, dass sich der lipidsenkende Effekt des Schilddrüsenhormons
nicht selektiv auf die mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko verbundenen Blutfette
beschränkte, sondern auch das kardioprotektiv wirksame HDL-Cholesterin [21] betraf. Diese
signifikante Absenkung des HDL von Phase P nach T bzw. C führte jedoch nicht zu Werten
im niedrigen und somit risikobehafteten Bereich (Abbildung 22).
HDL-Cholesterin
70
hoch (>60)
60
mg/dl
50
40
niedrig (<40)
30
20
10
0
P
T
C
Phase
Abbildung 22: HDL im Studienverlauf
3.7.7
Weitere Blutfette (VLDL, Lipoprotein-Fraktionen, LDL/HDL-Quotient)
Beim Very-Low-Density-Lipoprotein (VLDL) zeigten sich gleichsinnige Änderungen wie für
LDL und HDL beschrieben, wobei nur zwischen Phase T und C Signifikanzniveau erreicht
wurde (siehe Tab. 11).
Die Fraktionen von α-Lipoprotein, prä-β-Lipoprotein und β-Lipoprotein sowie der Quotient
aus LDL und HDL wurden ebenfalls auf Unterschiede zwischen den Phasen untersucht. Es
konnten jedoch keinerlei Signifikanzen gefunden werden.
46
3.8 Einfluss von Wachstumshormon
Von den 29 Studienpatienten erhielten 7 langfristig zur Behandlung einer Defizienz der
somatotropen Hypophysenachse eine Substitution mit Wachstumshormon. Da dieses zum
einen die periphere Konversion von T4 zu T3 begünstigen, zum anderen Einfluss auf die
Cholesterine im Serum nehmen kann, untersuchten wir in einer Subgruppenanalyse, ob
diesbezüglich Unterschiede bestanden zwischen den Patienten, die aufgrund einer
diagnostizierten Insuffizienz der somatotropen Achse Wachstumshormon einnahmen (n = 7)
und denen, die keiner Substitution mit Wachstumshormon bedurften (n = 22). Es zeigten sich
keine unterschiedlichen fT4-, TC- und LDL-Spiegel. Sowohl insgesamt als auch zwischen
den einzelnen Phasen waren die Werte der somatotrop substitutierten und nicht-substitutierten
Patienten vergleichbar (Abbildung 23).
300
25
250
20
15
mg/dl
pmol/l
200
10
150
100
5
50
0
0
fT4 -GH
fT4 +GH
TC -GH
TC +GH
LDL -GH
LDL +GH
Abbildung 23: Einfluss von Wachstumshormon (+GH = substituiert; -GH = nicht substituiert) auf freies
Thyroxin (fT4), Gesamt- (TC) und LDL-Cholesterin (LDL)
47
3.9 Einfluss des Ausmaßes der Dosiserhöhung auf die Zielparameter
Gemäß den Vorgaben des Studienprotokolls wurde die Dosis an Schilddrüsenhormon auf 1,6
µg/kg KG (nur T4 in Phase T und Kombination aus 1,44 µg T4 + 0,16 µg T3/kg KG in Phase
C) erhöht. Aufgrund der heterogenen Verteilung der gewichtsbezogenen T4-Dosierungen der
Patienten vor Studienbeginn (siehe Abb. 6) ergaben sich Dosiserhöhungen zwischen 0,3 und
1,1 µg/kg KG, wobei die durchschnittliche Erhöhung 0,58 ± 0,24 µg/kg KG betrug.
Aus dieser breiten Streuung ergab sich die Fragestellung nach einer möglichen Korrelation
zwischen dem Ausmaß der Dosiserhöhung und den Änderungen der Zielparameter. Zu
diesem Zweck wurden Regressionsanalysen durchgeführt, bei denen die Änderungen der
Zielparameter in Abhängigkeit von der Dosiserhöhung untersucht wurden. Es konnten jedoch
keinerlei positive Korrelationen zwischen den Änderungen in Schilddrüsenhormondosis und
Zielparametern nachgewiesen werden.
48
4 Diskussion
Ziel dieser Dissertation war es, folgende Fragestellung zu bearbeiten: Profitieren Patienten
mit sekundärer Hypothreose von einer intensivierten Substitutionstherapie mit einer
gewichtsbezogenen Thyroxin-Dosis (1,6 µg/kg KG) bzw. von einer Kombinationstherapie aus
T4 und T3 im Verhältnis 10:1 im Vergleich zur einer Standardtherapie, die nach klinischen
und laborchemischen Parametern der peripheren Schilddrüsenhormone etabliert worden war?
Dies geschah vor dem Hintergrund der widersprüchlichen Ergebnisse kürzlich veröffentlichter
Studien zur primären Hypothyreose, von denen einige günstige Auswirkungen einer T3/T4Kombinationsbehandlung auf Befindlichkeit und Fettstoffwechsel suggerierten [4, 15, 25, 75],
andere dies jedoch nicht nachweisen konnten [22, 78, 81, 93], sowie der Untersuchungen von
Escobar-Morreale et al., der zeigen konnte, dass bei thyreoidektomierten Ratten nur durch
Substitution einer Kombinationspräparates von T3 und T4 in allen Geweben eine euthyreote
Stoffwechsellage erreicht werden kann [26, 27]. Die Besonderheit unserer im Vergleich zu
früheren Interventionsstudien bestand darin, dass ausschließlich Patienten mit sekundärer
Hypothyreose untersucht wurden, also Patienten mit intaktem Endorgan Schilddrüse aber
defekter hypophysärer bzw. hypothalamischer Steuerung.
Als Endpunkte dienten Parameter der biologischen Aktivität von Schilddrüsenhormonen wie
die im Rahmen der Studie gewonnenen laborchemischen Daten, die gemessenen
Achillessehnenreflexzeiten
und
die
erzielten
Zulewski-Scores.
Die
umfassenden
psychometrischen Tests, die die Studie ebenso beinhaltete, werden von Frau E. Meiser in
einer getrennten Dissertation diskutiert.
Um zu beurteilen, welches Regime eine physiologische Schilddrüsenhormonsubstitution
sicherstellen kann, liegt es nahe, in einem ersten Schritt die gemessenen Serumspiegel an
Schilddrüsenhormon zu betrachten. Wie in der Einleitung ausgeführt, können hierfür anders
als bei primär hypothyreoten Patienten nicht die TSH-Spiegel herangezogen werden, da
gezeigt wurde, dass Patienten mit sekundärer Hypothyreose niedrige, normale oder (trotz des
effektiven Mangels an Schilddrüsenhormon) sogar erhöhte TSH-Spiegel aufweisen können
[29]. Diese Beobachtung wird auf eine verminderte biologische Aktivität des oft noch
produzierten, jedoch mangel- oder fehlerhaft glykosylierten TSH zurückgeführt [9, 10, 49, 60,
49
67]. Zudem wurde gezeigt, dass die TSH-Freisetzung Gesunder nicht konstant, sondern
pulsatil erfolgt, wobei ein frühmorgendlicher TSH-Anstieg bzw. das Ausbleiben desselben
bedeutsamer für die Entstehung einer sekundären Hypothyreose ist als die in vielen Fällen
durchaus im Normbereich liegenden TSH-Serumspiegel [71].
Bei der Analyse der Serumspiegel der peripheren Schilddrüsenhormone fT3 und fT4 wird
deutlich, dass diese in Phase P im unteren Drittel des Normbereiches liegen. Dies kann
insofern als Untersubstitution gewertet werden, als die periphere Konversion von T4 zum
biologisch wirksamen T3 durch TSH-abhängige Dejodinasen bei hypophyseninsuffizienten
Patienten gestört ist [11]. In den Phasen T und C liegen die Serumspiegel an fT4 im oberen
Drittel des Normbereichs, was ein optimales Substitutionsniveau suggeriert. Anders beim fT3:
hier liegen die Werte in Phase T im mittleren Drittel, in Phase C jedoch weit oberhalb der
Obergrenze des Referenzbereiches. Die Ursachen hierfür und die sich ergebenden
Konsequenzen bedürfen der weiteren Betrachtung.
Zur Erklärung der erreichten supraphysiologischen fT3-Spiegel muss zum einen die
Pharmakokinetik von T3-Präparaten beachtet werden. Die Entnahme der Blutproben erfolgte
jeweils zwei Stunden nach Einnahme der letzten Dosis an Schilddrüsenhormon mit dem Ziel
die Spitzenspiegel zu messen, da eine unphysiologisch schnelle Pharmakokinetik des
verfügbaren T3 Präparates anhand der Literatur anzunehmen war [48, 85]. Hierauf basierend
postulierten wir, dass zu diesem Zeitpunkt ein fT3-Peak vorliegen müsse. Die zur Bestätigung
dieser These durchgeführte T3-Kinetikstudie konnte dies nachdrücklich belegen. Zum
Zeitpunkt t = 2h lagen die gemessenen fT3-Werte um 61% über dem Basalwert und fielen
bereits innerhalb von 6 Stunden wieder auf Werte ab, die nur knapp über den basalen
Spiegeln lagen. Aus der area under the curve (AUC) kann für fT3 ein näherungsweiser 24Stunden-Durchschnittswert abgeschätzt werden, der um 27,6% niedriger als die gemessenen
Werte zum Zeitpunkt t = 2h und damit nur minimal oberhalb des Referenzbereichs liegt. Dies
steht in Einklang mit den Ergebnissen von Siegmund et al., die ebenfalls in einer
Untersuchung zur Pharmakokinetik von T3/T4-Kombinationspräparaten Spitzenwerte von
fT3 im Serum zwei Stunden nach Tabletteneinnahme nachweisen konnten [81].
Zum zweiten steht zu beachten, dass bei gleicher Wirkqualität die Wirkstärke (entsprechend
der biologischen Aktivität) von T3 um den Faktor 3-5 höher einzuschätzen ist als die von T4
[3, 28, 55]. Beim Vergleich zwischen einer T4-Monotherapie und einer T3/T4-
50
Kombinationstherapie kann diesem Umstand Rechnung getragen werden, indem die T4-Dosis
im Kombinationsarm stärker reduziert als gleichzeitig T3 hinzugefügt wird. In verschiedenen
Interventionsstudien bei Patienten mit primärer Hypothyreose zeigte sich, dass ein Ersatz von
je 5 µg T4 durch 1 µg T3 (entsprechend einem Verhältnis der biologischen Aktivität von 1:5)
zu einem TSH-Anstieg führt, was als Zeichen eines niedrigeren Substitutionsniveaus in der
Kombinationsphase gewertet werden kann [25, 75, 93]. Keine TSH-Veränderung wurde in
Studien beobachtet, im Rahmen derer für jedes µg T3 zwischen 2,7 und 4 µg T4 abzogen
wurden [15, 22, 78]. Eine TSH-Suppression zeigte sich in Studien, in denen weniger als 2 µg
T4 für jedes µg T3 weggelassen wurden [4, 25, 81] sowie bei Appelhof in dem Studienarm,
dessen Patienten 1 µg T3 pro 3,3 µg T4 erhielten [4]. Geht man also davon aus, dass anhand
der TSH-Antwort des substituierten Patienten mit primärer Hypothyreose die Wirkstärke von
Mono- und Kombinationstherapie verglichen werden kann, so bleibt festzuhalten, dass bei der
Kombinationstherapie für jedes hinzugefügte µg T3 der T4-Anteil um etwa 3 µg T4 gesenkt
werden muss, um ein Präparat gleichbleibender Wirkstärke zu erhalten.
In
unserer
Studie
wurde
jedoch
eine
streng
körpergewichtsbezogene
Dosis
an
Schilddrüsenhormon verabreicht, die sich in beiden Phasen quantitativ an der als optimal
geltenden T4-Substitutionsdosis für primäre Hypothyreose orientierte [31]. Berücksichtigt
man zusätzlich die höhere biologische Potenz des T3, so ergibt sich letztlich eine höhere „T4äquivalente“ Gesamtdosis in C, was einen weiteren Erklärungsansatz für den Anstieg der fT3Konzentrationen von T nach C (bei konstanten fT4-Konzentrationen) bietet.
Bemerkenswerterweise zeigt die sorgfältige Analyse der Nebenwirkungen, adverse events
und erhobenen Sicherheitsparameter keinerlei Hinweise darauf, dass in der biochemisch
übersubstituierten Phase C Fälle von klinisch nachweisbarer Hyperthyreosis factitia
verursacht worden wären. Die Nennungen von Hyperthyreosesymptomen wie Unruhe,
Nervosität, Schlafstörungen, vermehrtes Schwitzen und Palpitationen waren insgesamt selten
und auf alle drei Studienphasen verteilt, ohne dass Häufungen in Phase C (oder T) zu
beobachten gewesen wären. Nur eines von 9 adverse events wurde in Phase C aufgenommen,
und der einzige Fall, in dem Hyperthyreosesymptome zum Studienabbruch führten, ereignete
sich in Phase T. Die Sicherheitsparameter wie Herzfrequenz als empfindlicher Indikator für
eine Schilddrüsenüberfunktion [14], Blutdruck und Ruhe-EKG blieben zwischen den Phasen
unverändert, insbesondere traten kein Vorhofflimmern oder andere Herzrhythmusstörungen
51
auf, wie sie im Zusammenhang mit Schilddrüsenüberfunktion gesehen werden können [5, 77].
Einzig der Gewichts- bzw. BMI-Verlauf ergab eine signifikante Reduktion in den Phasen T
und C versus Phase P, was zwar als Zeichen gesteigerten Stoffwechsels im Rahmen der höher
dosierten Therapie, aber nicht zwangsläufig als Hyperthyreosezeichen interpretiert werden
kann, zumal sich wiederum keine Unterschiede zwischen den Phasen T und C finden.
Es bleibt daher unklar, inwieweit die gemessene Übersubstitution in Phase C ein rein
laborchemischer Befund ist oder klinische Relevanz besitzt. Nichtsdestoweniger scheint es
wenig ratsam, eine wie auch immer geartete Übersubstitution langfristig anzustreben, da
gezeigt wurde, dass eine hyperthyreote Stoffwechsellage langfristig mit einem erhöhten
kardiovaskulären Risiko und gesteigerter Mortalität einhergeht [12, 66].
Ein möglicher Lösungsansatz für die Problematik der ungünstigen Pharmakokinetik von T3Präparaten könnte darin bestehen, die Tagesdosis an Schilddrüsenhormon in mehrere
Einzeldosen aufzuteilen. Sawka, Appelhof und Clyde führten Studien durch, im Rahmen
derer Patienten jeweils morgens und abends T3/T4-Kombinationspräparate einnahmen [4, 22,
78]. Die hierbei gemessenen Serumkonzentrationen an fT3 respektive gT3 lagen allesamt
innerhalb der Referenzbereiche, es wurde jedoch kein besonderes Augenmerk auf die
Pharmakokinetik gerichtet. Bei Clyde et al erfolgte die Blutentnahme ca. 1 Stunde nach
Einnahme der Morgendosis an Schilddrüsenhormon, also zu einem Zeitpunkt, an dem die
maximalen T3-Konzentrationen noch nicht erreicht sind. In den beiden anderen Arbeiten
finden sich keine genauen Angaben zum Abnahmezeitpunkt.
Ebenfalls denkbar wäre es, Kombinationspräparate mit einem verzögert zur Freisetzung
kommenden T3-Anteil zu verwenden. Hennemann untersuchte in einer Studie ein selbst
hergestelltes slow release T3-Präparat und konnte damit eine verbesserte Substitution
erreichen sowie fT3-Gipfel verhindern [35]. Leider ist ein solches slow release T3-Präparat
kommerziell nicht erhältlich und stellt daher derzeit keine realistische Option in der
Standardtherapie von Patienten mit sekundärer Hypothyreose dar.
In Übereinstimmung mit dem bisher Diskutierten zeigt die Auswertung der Zulewski-Scores
der Patienten signifikant niedrigere („euthyreote“) Werte in den Phasen T bzw. C verglichen
mit Phase P („grenzwertig hypothyreot“), jedoch keine Unterschiede zwischen T und C. Dies
52
kann als weiterer Beleg dafür gewertet werden, dass in Phase P eine Untersubstitution vorlag,
die in T und C behoben wurde. Allerdings muss zweierlei beachtet werden: zum einen fallen
die in P erzielten Scores nicht in den eindeutig als hypothyreot, sondern in den als
„intermediär“ bezeichneten Bereich, so dass in P bezüglich des Zulewski-Scores keine
eindeutige Untersubsitution vorlag. Zum Zweiten wurde der Score ausschließlich als
Instrument
zur
Hypothreose-Diagnostik
entworfen
[94],
eine
eventuelle
Schilddrüsenüberfunktion wird hierdurch nicht standardisiert erfasst. Ein „euthyreoter“
Zulewski-Score
ist
demnach
nicht
geeignet,
eine
Hyperthyreose
auszuschließen.
Bemerkenswerterweise zeigt die Analyse der Einzelwerte, dass in C kein Patient als
hypothyreot beurteilt wurde, während 5 Patienten in P einen Score > 5 Punkten erreichten.
Somit scheint eine Subgruppe von Patienten mit sekundärer Hypothyreose speziell von der
Kombinationstherapie zu profitieren.
In bemerkenswertem Gegensatz zur laborchemisch adäquat erscheinenden Substitution in
Phase T bzw. Übersubstitution in C stehen die gemessenen Achillessehnenreflexzeiten. Geht
man davon aus, dass die Stichprobengröße (n=104, mit jeweils >6 Einzelwerten pro Proband)
für die Ermittlung des Normwertes gesunder Probanden adäquat dafür war, einen validen
Wert zu erhalten, und anerkennt man darüber hinaus, dass die ART eng mit dem
Schilddrüsenstatus korreliert [42, 47, 61, 63, 64, 65], so wäre gemäß dem bisher Diskutierten
zu erwarten, dass die Studienpatienten in Phase P leicht verlangsamte, in Phase T in etwa
normale und in C möglicherweise beschleunigte ART-Werte aufweisen. Es zeigt sich auch
tatsächlich eine deutliche, im Vergleich C vs. P Signifikanzniveau erreichende Veränderung
dahingehend, dass die ART von P nach T nach C abnimmt. Der Vergleich mit dem Normwert
hingegen birgt eine Überraschung: Nicht nur in der als untersubstituiert postulierten Phase P,
sondern auch in T zeigen die Patienten signifikant langsamere ART als gesunde Probanden,
und selbst in der mutmaßlich übersubstituierten Phase C haben deutlich mehr Patienten eine
verlangsamte als eine beschleunigte ART. Die Suche nach einer Erklärung hierfür lässt
mehrere Möglichkeiten zu: entweder muss erstens eine der oben genannten Voraussetzungen
(valider Normwert, enge Korrelation zwischen ART und Schilddrüsenstatus) verworfen
werden oder zweitens ist die pharmakologische Hormonsubstitution zumindest bezüglich
ihrer Beeinflussung der Muskeleigenreflexzeiten nicht adäquat, um die biologischen
Eigenschaften und Wirkungen der physiologischen Hormonsekretion Gesunder exakt zu
simulieren. Schließlich könnte drittens der Zeitraum der jeweiligen Studienphasen zu kurz
53
gewählt sein, als dass strukturelle Veränderungen des Reflexapparates unter dem Einfluss des
Schilddrüsenhormons in vollem Ausmaß zur Geltung kommen. Dies insbesondere in
Anbetracht der Erfahrung von Siegmund et al., dass sich zumindest für TSH erst nach 12
Therapiewochen ein „steady state“ einzustellen scheint [81].
Die verlängerte ART bei Patienten mit Hypothyreose kann verstanden werden als Ausdruck
einer Störung des Muskelmetabolismus [58] bzw. des strukturellen Muskelaufbaus [41].
Diese schlägt sich bei etwa einem Drittel der Patienten in einer Erhöhung der
Serumkreatinkinase nieder [6] und ist bei adäquater Substitutionstherapie rückläufig [36].
Analog hierzu wiesen in Phase P unserer Studie 42,8% der Patienten erhöhte CK-Werte auf,
in T 21,4% und in C nur noch 14,3%. Gleichzeitig nehmen die CK-Durchschnittswerte
signifikant ab, was als weiteres Indiz für eine in P bestehende und in T, eindeutiger noch in C
behobene Untersubstitution gewertet werden kann. Bemerkenswerterweise scheint also der
Muskelmetabolismus, ausgedrückt durch die Serum-CK-Spiegel, schneller oder empfindlicher
auf eine adäquate Schilddrüsensubstitution zu reagieren als die sich in der ART
widerspiegelnde Muskelfunktion. Beide erhobenen Parameter lassen jedoch die Interpretation
zu, dass die Patienten in Phase P unter-, in Phase T bereits besser und in C schließlich adäquat
substituiert sind, wobei insbesondere in Zusammenschau mit der ART-Verkürzung der
Benefit der Kombinationstherapie im Vergleich zur optimierten T4-Monotherapie
bemerkenswert ist.
Das Krankheitsbild der primären Hypothyreose ist in einer Vielzahl großer epidemiologischer
Querschnittsstudien ausführlich untersucht worden, welche nicht nur die hohe Prävalenz einer
subklinischen Hypothyreose (SH) in der Bevölkerung zeigen [16, 76, 91], sondern zudem
nachweisen konnten, dass die primäre SH einen unabhängigen Risikofaktor für eine erhöhte
Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen [34, 39, 44, 62] und für eine erhöhte Mortalität
darstellt [37, 57].
Ähnliche Untersuchungen für Patienten mit sekundärer Hypothyreose lassen sich in der
Literatur bislang nicht finden, was zum einen die Notwendigkeit unterstreicht, diesbezüglich
weitere Studien durchzuführen. Zum anderen folgt daraus, dass die weitere Diskussion
unserer Studie und der Vergleich mit den Ergebnissen anderer Arbeitsgruppen stets in dem
Bewusstsein erfolgen muss, dass der primären und der sekundären Hypothyreose
54
unterschiedliche Krankheitsmechanismen zugrunde liegen, was eine direkte Vergleichbarkeit
der Ergebnisse erschwert. Es erscheint uns dennoch sinnvoll, diese Vergleiche zu bemühen,
da letztlich unabhängig von der Art der Entstehung einer Hypothyreose immer der Mangel an
Schilddrüsenhormon den entscheidenden pathophysiologischen Mechanismus darstellt.
Die negativen Einflüsse der primären SH auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität
der Patienten werden auf Veränderungen im Lipidstoffwechsel zurückgeführt, die zu einem
ungünstigen Lipidprofil mit erhöhter LDL-Fraktion [1, 40, 83], erhöhtem Gesamtcholesterin
[17, 40], erhöhten Triglyceriden [44, 54] und einem erhöhten Quotienten aus
Gesamtcholesterin bzw. LDL und HDL (TC/HDL bzw. LDL/HDL ratio) [54, 69] führen
können, wobei Einschränkungen insofern bestehen, als die Ergebnisse der verschiedenen
Studien untereinander nur teilweise konsistent sind und in keiner Studie Erhöhungen für alle
untersuchten Parameter des Fettstoffwechsels nachgewiesen werden konnten. Für manche
Autoren bestehen erhebliche Zweifel an der Qualität der zur Verfügung stehenden Evidenz
[84], andere sehen die Zusammenhänge als erwiesen an [24], wobei Einigkeit darüber besteht,
dass Patienten mit TSH-Werten über 10 bzw. 12 mU/l hohe LDL-Cholesterin-Spiegel
aufweisen [13, 83, 84]. Einen plausiblen pathophysiologischen Erklärungsansatz für den
Zusammenhang zwischen Schilddrüsenstatus und LDL-Cholesterin bieten Arbeiten, die einen
stimulierenden Einfluss von Schilddrüsenhormon, insbesondere des T3, auf die PromoterRegion des LDL-Rezeptors zeigen konnten [8, 74, 82]. Der Rezeptor wird somit bei
Hypothyreose vermindert, bei Hyperthyreose vermehrt exprimiert, was letztlich erhöhte bzw.
erniedrigte LDL-Serumkonzentrationen zur Folge hat.
Bezüglich der HDL-Fraktion bei SH liegen widersprüchliche Ergebnisse vor: Althaus und
Caron beschreiben erniedrigte HDL-Konzentrationen [1, 19], Lisch et al. fanden hingegen
ebenso wie Tan et al. erhöhte HDL-Spiegel [53, 86] bei Patienten mit primärer SH. Letztere
Funde
lassen
sich
wiederum
pathophysiologisch
dahingehend
erklären,
dass
Schilddrüsenhormon die Aktivität der hepatischen Lipase und damit den HDL-Abbau
stimuliert [86]. Das Ausbleiben dieser Aktivierung bei SH ließe demnach die HDL-Spiegel
steigen.
Als weitere möglicherweise auf das kardiovaskuläre Risiko von Patienten mit SH
einflussnehmende Faktoren werden ein erhöhter diastolischer Blutdruck, in jüngster Zeit auch
55
„nicht-klassische“ kardiovaskuläre Risikofaktoren wie CRP [13, 50], Homocystein oder eine
gestörte Endothelfunktion diskutiert.
Basierend auf diesen Daten, die einen ungünstigen Einfluss der SH auf das kardiovaskuläre
Risikoprofil der Patienten belegen, wurde in zahlreichen Interventionsstudien untersucht, ob
sich durch die Substitution mit Schilddrüsenhormon ein Benefit erreichen lässt. Während in
einigen Studien keine Verbesserungen des Lipidprofils gesehen wurden [23, 43], zeigten als
erste Meier et al. eine Verminderung des LDL-Cholesterins unter Substitutionsbehandlung bei
Patienten mit SH und errechneten daraus eine geschätzte Reduktion der kardiovaskulären
Mortalität von 9-31% [57]. Weiterhin fanden die Arbeitsgruppen um Caraccio, Canturk und
Serter gleichfalls signifikante Verringerungen der LDL- und Gesamtcholesterinspiegel [17,
18, 80] bzw. des TC/HDL- Quotienten [80].
In diesen Gesamtzusammenhang lässt sich unsere Studie einordnen. Die Reduktion von P
nach T bzw. C entspricht für LDL (13,8% bzw. 15,3%) und Gesamtcholesterin (9,9% bzw.
14,1%) quantitativ in etwa den Ergebnissen im Substitutionsarm bei Serter (14,7% für LDL,
10,5 % für Gesamtcholesterin), wobei im Gegensatz zu seinen Resultaten durch das
gleichzeitige Absinken des HDL der TC/HDL- und LDL/HDL-Quotient konstant bleibt.
Berechnet man basierend auf den Ergebnissen der Seven Countries Study [92] die sich aus der
Verringerung des Gesamtcholesterin ergebende geschätzte Risikoreduktion, so ergibt sich für
unsere Studie eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität bzw. Gesamtmortalität von
13,5% bzw. 19,1% in Phase T und 19,2% bzw. 27,2% in Phase C. Ähnliche Berechnungen
anhand des LDL analog Meier et al [57] ergeben eine Reduktion der kardiovaskulären
Mortalität um 24,8% in Phase T und 27,6% in C.
Nicht unerwähnt bleiben sollte die Tatsache, dass die Aussagekraft sowohl unserer als auch
anderer Interventionsstudien bezüglich dieser Mortalitätsreduktion einigen Einschränkungen
unterliegt.
Zum
einen
wurde
mit
relativ
kleinen
Patientenzahlen
und
kurzen
Behandlungszeiträumen gearbeitet (mit n = 697 größte Patientenzahl bei Saravanan [75], mit
t = 15 Wochen längster Beobachtungszeitraum bei Appelhof [4]), vor allem aber wurden in
keiner
Interventionsstudie
Mortalitäten
direkt
untersucht.
Endpunkte
waren
stets
Surrogatparameter wie die Lipidveränderungen, so dass Auswirkungen auf die Mortalität nur
indirekt errechnet werden konnten. Der Zusammenhang zwischen Blutfetten und
56
kardiovaskulärer Mortalität ist jedoch direkt und ausreichend belegt [92], so dass wir davon
ausgehen, dass unsere Ergebnisse zumindest qualitativ und mit leichten Einschränkungen
auch quantitativ durchaus als valide zu betrachten sind.
Inwieweit
allerdings
eine
(laborchemische)
Übersubstitution
während
der
Kombinationstherapie längerfristig durch arrhythmogene Effekte einen ungünstigen Einfluss
auf die kardiovaskuläre Mortalität mit sich bringen könnte, bleibt unklar.
Bezüglich des Lipidprofils und der Achillessehnenreflexzeiten werten wir die ähnlichen
Ergebnisse der Interventionsstudien bei Patienten mit primärer subklinischer Hypothyreose
und unserer eigenen Studie als Bestätigung unserer Hypothese, dass die Substitution in Phase
P suboptimal und verbesserungswürdig ist bzw. dass die Stoffwechsellage in P als subklinisch
hypothyreot beurteilt werden muss.
Weniger eindeutig ist die Aussage über einen Benefit der Kombinationstherapie im Vergleich
zur hochdosierten Monotherapie. Zweifellos wird zumindest in Bezug auf das
Gesamtcholesterin eine weitere signifikante kardiovaskuläre Risikoreduktion von geschätzten
8% von T nach C erreicht bei einer gleichzeitigen nicht signifikanten Verringerung des LDLCholesterins um 2,1 mg/dl (entsprechend einer geschätzten kardiovaskulären Risikoreduktion
von 2,8%). Dabei muss jedoch wie schon zuvor kritisch erörtert werden, ob die zusätzlichen
Effekte der Kombinationstherapie Hinweis auf eine Übersubstitution geben. Anders als für
die Hypothyreose gibt es für die Hyperthyreose nur wenige systematische Untersuchungen
zum Einfluss auf das Lipidprofil. Rassoul und Lisch fanden erniedrigte Werte für LDL ebenso
wie für HDL2 [53, 69], dies wurde in einer neueren Untersuchung von Tan et al. bestätigt, der
zusätzlich eine signifikante Reduktion des Gesamtcholesterin beschrieb [86]. Insofern erfüllen
unsere Studienpatienten die „Kriterien“ einer Überfunktion bzw. -Substitution zumindest
nicht vollständig, da sich zwischen T und C ein signifikanter Unterschied zwar für das
Gesamtcholesterin, nicht aber für die LDL- und HDL-Fraktionen nachweisen lässt. Es bleibt
somit unklar, ob und in welchem Ausmaß die gemessenen erhöhten fT3-Spiegel Ausdruck
einer Übersubstitution sind.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse von Franklyn et al., der in
einer prospektiven Studie an 105 subklinisch hypothyreoten Frauen zeigen konnte, dass eine
Verbesserung des Lipidprofils und eine Angleichung an die Werte gesunder Kontrollen durch
Langzeitgabe von Schilddrüsenhormon nur dann erreicht wird, wenn suppressive T4-Dosen
57
verabreicht wurden, nicht aber bei einer TSH-gesteuerten Substitution mit TSH im
Normbereich als Zielwert [32]. Dies kann als Hinweis auf eine Störung des hypophysären
Regelkreises durch das extern zugeführte Schilddrüsenhormon gewertet werden, welche eine
verminderte TSH-Sekretion der Hypophyse bewirkt, ohne dass in allen peripheren
Erfolgsorganen (z.B. der Leber) eine euthyreote Stoffwechsellage erreicht worden wäre.
Infolgedessen müsste eine adäquate Substitution höher dosiert werden als anhand der
resultierenden TSH-Spiegel zu vermuten wäre. In Einklang hierzu stehen die Ergebnisse von
Tigas et al, der zeigen konnte, dass es bei Patienten nach Radioablation der Schilddrüse zu
einer deutlichen Gewichtszunahme kommt, wenn die postablative Substitution auf TSHSpiegel im Referenzbereich zielt, wohingegen TSH-suppressive Substitutionsdosen mit keiner
Gewichtszunahme verbunden sind [89]. Die in unserer Studie beobachtete Gewichts- bzw.
BMI-Reduktion in Phase T und C im Vergleich zu P kann analog hierzu also möglicherweise
als Ausdruck des Erreichens eines adäquaten Substitutionsniveaus interpretiert werden, zumal
keine weitere Gewichtsabnahme zwischen T und C erfolgt. Vor dem Hintergrund dieser
Beobachtungen erscheint die mögliche Übersubstitution in Phase C unserer Studie weniger
problematisch als anhand der fT3-Konzentrationen auf den ersten Blick zu befürchten wäre.
Bezüglich der Gewichtsreduktion gilt es zu beachten, dass diese ihrerseits Einfluss auf die
Blutfette nimmt. In der PROCAM-Studie konnte gezeigt werden, dass eine Gewichtszunahme
mit einer gleichsinnigen Änderung von Triglyceriden, TC und LDL sowie einer Senkung des
HDL einhergeht [79]. Umgekehrt geht eine Gewichtsabnahme mit einer Reduktion von TC,
LDL und Triglyceriden sowie einem HDL-Anstieg einher [20, 51, 68, 87]. Die im Rahmen
unserer Studie erreichte Gewichtsreduktion ist jedoch quantitativ nicht ausreichend, um die
beobachteten Lipidveränderungen zu erklären, zumal ein HDL-Anstieg vollständig fehlt. Es
bleibt somit festzuhalten, dass die Verbesserung des Lipidprofils zum überwiegenden Teil als
spezifische Hormonwirkung zu werten ist und nicht als Sekundärfolge des durch einen
erhöhten Metabolismus bedingten Gewichtsverlustes.
Ein letzter besonderer Aspekt ergibt sich aus der Tatsache, dass die 4T-Studie als erste Arbeit
gezielt Patienten mit sekundärer Hypothyreose untersucht. Anders als bei primär
Hypothyreoten
muss
hier
auch
der
negative
Einfluss
von
Defekten
anderer
Hypophysenachsen in die Überlegungen mit einbezogen werden. Dies gilt insbesondere für
die somatotrope Achse, da Wachstumshormon auf die periphere Konversion von T4 zu T3
Einfluss nimmt [38]. Es kann somit die Serumspiegel an Schilddrüsenhormon dahingehend
58
beeinflussen, dass bei Wachstumshormonmangel durch verminderte Konversion falsch hohe
fT4-Spiegel vorgetäuscht werden [46]. Des Weiteren konnten Rosen und Tomlinson für
hypophyseninsuffiziente Patienten eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität ebenso wie
Gesamtmortalität nachweisen, wobei Wachstumshormonmangel als ein einflussnehmender
Faktor identifiziert wurde [73, 90]. Lind et al identifizierten als mögliches Bindeglied
zwischen Hormonmangel und Mortalität das LDL-Cholesterin durch den Nachweis eines
reduzierenden Effekts von Wachstumshormon auf die Plasma-LDL-Spiegel von Gesunden
und Hypophyseninsuffizienten [52]. Eine Metaanalyse der vorliegenden Literatur bestätigte,
dass die Substitutionstherapie mit GH zu einer Abnahme an Gesamtcholesterin und LDL und
damit wahrscheinlich der kardiovaskulären Mortalität führt [56]. In der Subgruppenanalyse
unserer Studie weisen jedoch zum einen die Patienten, die mit GH substitutiert werden, in
keiner Phase niedrigere TC-, LDL- oder fT4-Spiegel auf, zum anderen bleibt die GHSubstitution zwischen den Studienphasen unverändert, so dass wir davon ausgehen können,
dass die beobachteten Veränderungen der Blutfette weitgehend unabhängig von der Funktion
der
somatotropen
Hypophysenachse
durch
die
Veränderungen
der
Schilddrüsenhormonsubstitution bewirkt wurden. Wenngleich wir keine Mortalitäten, sondern
die Blutfette und somit das postulierte Bindeglied zwischen Hormonmangel und Mortalität
untersucht haben, erscheint es daher durchaus plausibel, dass die beschriebene
Mortalitätserhöhung bei Hypophyseninsuffizienten zumindest auch in Zusammenhang mit
einer Defizienz der thyreotropen Achse gesehen und bei adäquater Substitution derselben
reduziert werden kann.
59
5 Zusammenfassung
Patienten mit sekundärer Hypothyreose bedürfen der Substitution von Schilddrüsenhormon,
um eine euthyreote Stoffwechsellage zu erreichen. Mangels adäquater laborchemischer
Indikatoren muss die Substitionsdosis aus Erfahrungswerten und dem klinischen Befund
abgeleitet werden. Wir untersuchten daher in einer randomisierten, doppelt verblindeten
cross-over-Studie an 29 Patienten mit sekundärer Hypothyreose drei verschiedene
Substitutionsregime auf ihre Auswirkungen bezüglich der Blutfette und anderer
Laborparameter, der Muskeleigenreflexe und klinischer Hypothyreose-Zeichen.
Dabei konnten wir feststellen, dass die untersuchten Patienten in Phase P (bisherige T4-Dosis)
Zeichen einer Untersubstitution aufwiesen: Serum-Konzentrationen von fT3 und fT4 im
unteren Referenzbereich, einen erhöhten Punktwert auf dem Hypothyreose-Score nach
Zulewski, eine deutliche Verlangsamung der Achillessehnenreflexzeiten (ART), erhöhte
Kreatinkinase und ein ungünstiges Lipidprofil im Serum.
In Phase T, deren Substitutionsdosis mit 1,6 µg/kg KG L-Thyroxin der für primär
Hypothyreote optimalen entsprach, zeigten die Patienten fT3- und fT4-Spiegel im oberen
Referenzbereich, einen verbesserten Zulewski-Score und niedrigere Kreatinkinase sowie eine
Annäherung der ART an die Werte gesunder Testpersonen. In der Lipidelektrophorese konnte
eine deutliche Reduktion von LDL und Gesamtcholesterin erzielt werden, die mit einer
Senkung des kardiovaskulären Risikos einhergeht. .
In der Kombinationsphase C wurden 1,6 µg/kg KG eines Mischpräparates aus T3 und T4 in
physiologischem Verhältnis (1:10) verabreicht, dessen biologische Wirksamkeit höher ist als
die des T4-Monopräparates in T. Dies führte zu einer weiteren Abnahme der Kreatinkinase
und des Gesamtcholesterins sowie einer Normalisierung der ART. Dabei wurden jedoch
Serum-fT3-Spiegel gemessen, die deutlich oberhalb des Referenzbereichs lagen, was trotz
fehlender klinischer Zeichen ein gewisses Maß an Übersubstitution impliziert und daher nicht
erstrebenswert sein kann. Möglicherweise könnten durch eine leichte Dosisreduktion,
Verteilung auf mehrere Einzeldosen oder die Gabe eines T3-Retardpräparates die positiven
Effekte der Kombinationstherapie bewirkt werden, ohne dabei überhöhte fT3-Spiegel zu
produzieren. Dies bedarf jedoch der Überprüfung in einer weiteren randomisierten Studie.
Weitere Untersuchungen sind nötig, um die Frage nach dem optimalen Substitutionsregime
für Patienten mit sekundärer Hypothyreose definitiv zu beantworten. Zum gegenwärtigen
Zeitpunkt scheint die Gabe von L-Thyroxin in einer Dosierung von 1,6 µg/kg KG die
bestmögliche Lösung darzustellen.
60
6 Abkürzungen
ACTH
Adrenocorticotropes Hormon
AE
adverse event
aLP
α-Lipoprotein
ALT = GPT
Alanin-Aminotransferase
AP
Alkalische Phosphatase
ART
Achillessehnenreflexzeit
AST = GOT
Aspartat-Aminotransferase
AUC
area under the curve
BMI
body mass index
βLP
β-Lipoprotein
cAMP
zyklisches Adenosinmonophosphat
CK
Kreatinkinase
CK-MB
kardiales Isoenzym der Kreatinkinase
DDAVP
Desmopressin
DNA
Desoxyribonukleinsäure
EKG
Elektrokardiogramm
FSH
Follikel stimulierendes Hormon
fT3
freies Trijodthyronin im Serum
fT4
freies Thyroxin im Serum
GH
Wachstumshormon (growth hormone)
gT3
Gesamt-Trijodthyronin im Serum
gT4
Gesamt-Thyroxin im Serum
γGT
γ-Glutamyl-Transpeptidase
HDL
high density Lipoprotein
HF
Herzfrequenz
61
HHL
Hypophysenhinterlappen = Neurohypophyse
HVL
Hypophysenvoderlappen = Adenohypophyse
KG
Körpergewicht
LDL
low density Lipoprotein
LH
Luteinisierendes Hormon
MRT
Magnetresonanztomographie
Myo
Myoglobin
OP
Operation
pβLP
prä-β-Lipoprotein
RR dia
diastolischer Blutdruck
RR sys
systolischer Blutdruck
SD
Standardabweichung (standard deviation)
SH
subklinische Hypothyreose
T3
Trijodthyronin
T4
L-Thyroxin
TBG
Thyroxin bindendes Globulin
TC
Gesamtcholesterin (total cholesterol)
TG
Thyreoglobulin
TRH
Thyreotropin releasing Faktor
Trig
Triglyceride
TSH
Thyreoidea stimulierendes Hormon
VLDL
very low density Lipoprotein
Z.n.
Zustand nach
62
7 Tabellen und Abbildungen
Tabelle 1: Einschlusskriterien
Tabelle 2: Ausschlusskriterien
Tabelle 3: Zulewski-Symptome
Tabelle 4: Studienablauf
Tabelle 5: Patientencharakteristika
Tabelle 6: Substitutierte Hypophysenachsen
Tabelle 7: Vitalwerte
Tabelle 8: Streuung der ART-Werte
Tabelle 9: Muskelstoffwechsel
Tabelle 10: Lipide
Tabelle 11: Verteilung LDL
Tabelle 12: Lipidreduktion zwischen den Phasen
Abbildung 1: Hypophysenachsen
Abbildung 2: Hypophysenadenom (MRT)
Abbildung 3: Primäre/sekundäre Hypothyreose
Abbildung 4: Schema des Studienablaufes
Abbildung 5: Gerät zur Messung der ART
Abbildung 6: Reflexkurve
Abbildung 7: T4-Dosisverteilung
Abbildung 8: Übersicht Schilddrüsenparameter
Abbildung 9: fT4
Abbildung 10: fT3
Abbildung 11: Verlauf der Serumkonzentrationen fT3/fT4
Abbildung 12: 24-h-Mittelwerte fT3/fT4
Abbildung 13: BMI
Abbildung 14: Normwerte ART
Abbildung 15: ART
Abbildung 16: Zulewski
Abbildung 17: CK
Abbildung 18: Einzelwerte CK
Abbildung 19: Triglyceride
Abbildung 20: Gesamtcholesterin
Abbildung 21: LDL-Cholesterin
Abbildung 22: HDL-Cholesterin
Abbildung 23: Einfluss von Wachstumshormon
63
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72
9 Danksagung
Viele Personen haben dazu beigetragen, dass ich diese Arbeit beginnen,
durchkämpfen und fertigstellen konnte.
Dafür möchte ich von Herzen danken:
Dr. Marc Slawik für Erreichbarkeit, Aufmunterung, Kritik, Hilfe, Freundschaft und dafür,
dass Du der beste Betreuer warst, den man sich wünschen kann. Danke Marc!!!
Prof. Dr. Martin Reincke für die Überlassung des Themas, Prof. Dr. Felix Beuschlein für die
lückenlose Übernahme nach Prof. Reinckes Weggang und für die große Unterstützung seither.
Prof. Dr. Karl Otfried Schwab für die freundliche Übernahme des Ko-Referats.
Dr. Katrin Borm, Dr. Marcus Schories, Dr. Oliver Zwermann für all ihre Betreuung und Hilfe.
Edith Meiser für die gute Zusammenarbeit wider alle Rückschläge und Schwierigkeiten.
Marlies Eichler, Elsbeth Peper, Jasmin Ménard, Nicole Rombach, Simone Hohler, Andreas
Rynk, Uwe Bochnig und Timm Stahl für die Hilfe bei der Patientenbetreuung und im Labor.
Clara Martinez dafür, dass sie der gute Geist der Abteilung ist und immer ein offenes Ohr für
die Sorgen und Probleme aller hat.
PD Dr. Markus Nauck, Dr. Armin Buchwald, Dr. Alexandra Göbel und Dr. Beate Lubrich für
die unkomplizierte Zusammenarbeit mit Zentrallabor und Klinikapotheke.
Herrn Dipl.-Statistiker Manfred Olschewski für die statistische Beratung.
Meinen Eltern und Geschwistern für ihre stetige und bedingungslose Unterstützung.
Meinen Freunden für die tolle Zeit, die wir zusammen verbringen.
Zwei Dritteln der Draufsten dafür, dass Ihr Zwei Drittel der Draufsten seid.
Katharina dafür, dass Du für mich da bist und Dein Leben in Freud und Leid mit mir teilst.
73
10 Lebenslauf
Persönliche Daten
Name:
Björn Henning Klawitter, geboren am 06.09.1979 in Mutlangen
Eltern:
Dr. Annekarin Klawitter, geb. Czybulka; Amtsärztin
Dr. Hartmann Klawitter; Allgemeinarzt
Schul- und Hochschulausbildung
1986 - 89:
1989 - 98:
ab 10/99:
08/2001:
03/2003:
03/2005:
04/2006
3.5.2006
Grundschule in Hofen und Wasseralfingen
Kopernikusgymnasium Wasseralfingen, Abitur
Medizinstudium an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Ärztliche Vorprüfung
Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
Zweiter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
Dritter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung
Approbation als Arzt
Praktisches Jahr
04/2005 – 07/2005
08/2005 – 11/2005
11/2005 – 02/2006
Innere Medizin (Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New
York, USA; St.Michael’s Hospital, Toronto, Kanada)
Chirurgie (GF Jooste Hospital, Cape Town, Südafrika)
Pädiatrie (Kinderklinik Freiburg)
Famulaturen
11/2001 - 12/2001
09/2002
03/2003 - 04/2003
08/2003
03/2004
07/2004 - 08/2004
Anästhesie (St.Josef’s-Krankenhaus Freiburg)
Innere Medizin (Loretto-Krankenhaus Freiburg)
Chirurgie (Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien)
Innere Medizin (Universitätsklinikum Freiburg)
Pädiatrie (Tobago Regional Hospital, Tobago)
Tropenmedizin & Chirurgie (Ojele Memorial Hospital, Migori,
Kenya)
Stipendien und Zusatzausbildung
Stipendiat der Stifung der Deutschen Wirtschaft (sdw)
Stipendiat beim Online-Stipendium von e-fellows.net
Ausbildung zum Rettungsassistent
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