„Mach`s wie Gott, werde Mensch!“ Jesus von

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Manuskript
Bayern2Radio - radioWissen
„Mach’s wie Gott, werde Mensch!“
Jesus von Nazareth und das Christentum
Autor: Christian Feldmann
Redaktion: Bernhard Kastner
SPRECHER:
An einem Frühlingsnachmittag des Jahres 30 unserer Zeitrechnung starb auf dem Hügel
Golgota vor den Stadttoren von Jerusalem ein junger Jude namens Jeschua einen
entsetzlichen Tod. Jeschua, ein Wanderrabbi aus Galiläa, der mit seinen Worten
bezauberte und angeblich Wunder tun konnte. Die in Jerusalem herrschende
Priesterclique hatte ihn beschuldigt, die religiöse und politische Ordnung umstürzen zu
wollen, und die römische Besatzungsmacht verurteilte ihn wie erwartet zur Kreuzigung –
die Todesstrafe für Aufrührer. Unter seinem Kreuz harrten nur seine Mutter und ein paar
tollkühne Weggefährtinnen aus, seine Freunde waren alle davongelaufen.
SPRECHERIN:
Doch es dauerte nur wenige Tage, und Jeschuas Anhängerschar hatte alle Feigheit
verloren. Vielleicht auch den Verstand. Denn seine Freunde – Fischer, Schaffhirten, kleine
Handwerker – liefen glücklich durch die Dörfer und Städte und erzählten überall, Jeschua
sei nicht tot, er sei nicht im Grab geblieben, sie hätten mit ihm gesprochen und gegessen
und ihn zu Gott zurückkehren sehen. Und nun sei nichts auf der Welt mehr, wie es vorher
gewesen sei. Kein Mensch müsse mehr Angst haben, Jeschua bringe jedem, der sich auf
ihn einlasse, Gottes unverbrüchliche Freundschaft und ewiges Glück.
SPRECHER:
Eine verrückte Gewissheit hatte über Nacht alle trostlose Verzweiflung weggeblasen. Und
dieser Zustand hielt an: Aus einem Häuflein einfacher Landbewohner, die nicht lesen und
schreiben konnten, entwickelte sich trotz erbitterter Verfolgungen durch die politischen
Mächte eine spirituelle und soziale Bewegung, die in den folgenden Jahrhunderten das
römische Weltreich von innen her umwälzte. Am Ende war aus einer radikalen jüdischen
Splittergruppe, die keiner ernst nahm, eine Weltreligion geworden: das Christentum – die
heute stärkste Religion mit zwei Milliarden Anhängern, einem Drittel der
Weltbevölkerung.
SPRECHERIN:
Und die ganze Zeit redeten sie von Jesus – wie sie Jeschua mittlerweile in der Sprache
der Römer nannten -, beteten sie zu Jesus, sangen sie Jesuslieder. In den Kirchen, die
sie ihm errichteten, las man einen alten Hymnus vor, den Paulus – auch ein Apostel,
obwohl er Jesus nicht mehr gekannt hatte – in seinen Briefen überliefert hat:
1. ZITATOR:
Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte
sich, wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines
Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
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Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle
Namen, damit alle ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt:
„Jesus Christus ist der Herr“.
SPRECHERIN:
Jesus Christus, Chrestós – das ist nun wieder griechisch und bedeutet „der Gesalbte“;
die Übersetzung des hebräischen Begriffs „Messias“. Der von Gott Gesandte, der den
Menschen Erlösung und der Welt den Frieden bringt. Immer wieder Jesus.
SPRECHER:
Das Christentum ist anders als alle anderen Religionen. Wer wissen will, was die Juden
glauben, muss die hebräische Bibel aufschlagen, sie enthält die Wegweisung Gottes. Wer
sich für das Bekenntnis der Muslime interessiert, findet die Antwort im Koran, Gottes
endgültiger Offenbarung. Wer das Christentum entdecken will, braucht zunächst einmal
keine heiligen Schriften zu lesen, keine Riten nachzuvollziehen, kein Lehrgebäude zu
studieren. Er muss nur Jesus begegnen – dann versteht er alles.
SPRECHERIN:
Aber Jeschua war doch nur ein ganz normaler Jude, ein vorbildlicher gewiss, ein Rabbi
wie andere auch, der durch das Land zog und die Königsherrschaft Gottes verkündete?!
Was historisch gesichert erscheint, ist nicht viel, und die Quellen widersprechen sich in
den Details: Geboren wurde er um das Jahr 7, vielleicht auch im Jahr 4 vor unserer
Zeitrechnung, vermutlich in Nazareth und nicht in Bethlehem, wie die Evangelien
behaupten. Seine Eltern hießen Josef, ein kleiner Dorfhandwerker, und Mirjam, lateinisch
Maria. Jeschua dürfte den Beruf seines Vaters gelernt haben. Sein Leben vollzog sich im
Verborgenen, bis er mit etwa dreißig Jahren durch die Dörfer Galiläas zu wandern
begann.
SPRECHER:
Der Wanderrabbi Jesus überzeugte durch Frömmigkeit, Redetalent und Heilungsgabe. Er
sammelte Jünger und – was als Provokation galt – Jüngerinnen um sich; er warb für
einen neuen, geschwisterlichen Umgang der Menschen miteinander, eine vertrauensvolle
Beziehung zu einem barmherzigen Gott und eine gerechte, friedliche Welt.
SPRECHERIN:
Er wandte sich in auffallender Weise den Armen und Ausgestoßenen zu. Seine Anhänger
waren vorwiegend Außenseiter oder Angehörige der unteren Schichten.
Die politischen und religiösen Führungskreise Jerusalems befürchteten Aufruhr, warfen
Jesus ein übersteigertes Selbstbewusstsein vor, setzten ihn gefangen und brachten den
römischen Statthalter Pontius Pilatus dazu, ihn hinzurichten.
SPRECHER:
Das Leben eines scheinbar ganz normalen Gläubigen, der die Treue Gottes verkündete
und seine Gebote, und der am Kreuz endete wie andere Juden auch, die den Römern zu
eigenwillig und freiheitsdurstig erschienen. Offenbar dachte er nicht im Traum daran,
eine neue Religion zu gründen. Stattdessen hat er die schon vorhandene jüdische auf den
Punkt gebracht, gereinigt, verlebendigt, radikalisiert. Er hat die prophetische Tradition
erneuert und das jüdische Gottesverhältnis mit neuer Wärme erfüllt, ja mit Feuer.
SPRECHERIN:
Nicht einmal die zentrale Weisung „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“
stammt von Jesus, wie viele meinen. Sie steht im „Gesetz des Mose“. Dennoch verkündet
sie Jesus mit Recht als ein „neues Gebot“, weil er auch die Fremden und Gemiedenen,
die Andersgläubigen und die Feinde so geliebt wissen will, nicht nur die Volks- und
Glaubensgenossen.
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SPRECHER:
Intensiv wie keiner vor ihm verbindet er Gottes- und Nächstenliebe – so radikal, dass der
Umgang mit den „geringsten Brüdern“ zum Maßstab für das Verhältnis zu Gott wird. An
die Stelle der Schlacht- und Brandopfer, mit denen man auf einer früheren Stufe der
Religion Gottes Bedürfnisse befriedigen wollte, setzt Jesus das Mahl als Zeichen
geschwisterlicher Gemeinschaft der Menschen untereinander und mit Gott. So vollendet
und verändert der Jude Jesus den Weg, den die Menschen bisher zu Gott gegangen sind.
SPRECHERIN:
Doch das ist nicht alles. Um es mit einem unerhörten Satz zu sagen: Er ist dieser Weg.
SPRECHER:
Er ist der Weg zu Gott für die Menschen – glauben zumindest die Christen. Wie es der
Evangelist Johannes etwa siebzig Jahre nach Jesu Tod in einer schon ziemlich
theologischen, aber auch sehr poetischen Sprache formuliert hat:
2. ZITATOR:
Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. – Ich bin das Licht der Welt.
SPRECHERIN:
Er, das Abbild Gottes, sein „Sohn“, wie die Theologen später etwas missverständlich
sagen werden, bringt den Himmel auf die Erde und Gott in diese Welt. In Jesus, glauben
die Christen, ist Gott ein Mensch geworden, sichtbar, berührbar, einer von uns. In Jesus
bekommt Gott für uns ein Gesicht. Ein menschliches Gesicht.
SPRECHER:
Gott – das ist die christliche Botschaft – ist nicht in seinem fernen Himmel geblieben. Er
ist ein Mensch geworden, ein schwacher, verwundbarer Mensch. Eine Revolution in der
Religionsgeschichte, was da an Weihnachten gefeiert wird – mit sehr konkreten Folgen
für die Würde des Menschen, für den Respekt vor jedem Leben und für die Zuwendung
zu den Schwachen und Missbrauchten. Der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo
Boff erläutert, was damit gemeint ist:
1. ZITATOR:
Jetzt erahnen wir es: Menschsein muss etwas Großes bedeuten, da Gott einer von uns
hat sein wollen. So sind wir alle Geschwister Christi [...], wahrhaftig, der Mensch ist eine
sakrale Wirklichkeit. Wer sie schändet, der schändet den Sohn Gottes selbst. Durch
dieses Kind sagt Gott definitiv zur Welt und zum Menschen: „Ich liebe dich!“ [...] In der
Nacht strahlte ein Licht auf, das nie wieder erlöschen wird. Gott sprach zu unserer
Einsamkeit, unseren Tränen, unserer Trostlosigkeit, unseren Schwächen: „Ich liebe dich!“
Es lohnt sich, Mensch zu sein. Gott wollte einer sein.
SPRECHERIN:
Jesus ist anders als die übrigen Religionsstifter in der Menschheitsgeschichte. Zum einen
erhebt er den unerhörten Anspruch, Gott zu repräsentieren, Gottes Nähe zu verkörpern.
Als Gottes Sohn, als Teil der Gottheit hat er sich wohl kaum verstanden, das dürfte
spätere theologische Reflexion sein und hätte auch jeder jüdischen Frömmigkeitshaltung
widersprochen. Aber dass Gott in ihm der Welt greifbar nahe gekommen war, das war
ihm schon bewusst.
SPRECHER:
Zum andern lebt dieser Jesus ein einzigartiges Verhältnis zu Gott vor, unbefangen, intim,
und er lädt alle Menschen dazu ein, ebenso vertrauensvoll und herzlich mit ihm
umzugehen. „Abba“ nennt er ihn mit einem hebräischen Kosenamen: guter Vater, Papa.
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SPRECHERIN:
In den Evangelien verstreut finden sich eine Menge hintergründiger, nicht selten
provozierender Geschichten, die diese neue Beziehung zwischen Mensch und Gott
illustrieren. Ein leidenschaftlich liebender Gott wird da sichtbar, der alle bisher geltenden
religiösen und moralischen Maßstäbe über den Haufen wirft.
SPRECHER:
Zum Beispiel die Szene mit der Hure beim Gastmahl im Haus eines Schriftgelehrten:
Jesus lässt sich von der stadtbekannten Sünderin die Füße waschen – damals eine
beliebte Geste der Zuneigung. Die anderen Gäste finden es natürlich unmöglich, dass
sich Jesus einem gefallenen Menschen allein auf so ein liebevolles Signal hin zuwendet,
ohne etwa zuvor eine nachprüfbare Änderung seines schlechten Lebenswandels zu
fordern. Aber Jesus spricht die Frau einfach frei. Seine Begründung ist eine Ohrfeige für
all die anständigen Leute ringsum:
1. ZITATOR:
Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie so viel Liebe gezeigt hat.
SPRECHERIN:
Oder das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg: Diejenigen, die nur eine Stunde
gearbeitet haben, bekommen am Ende genau so viel Lohn wie die viel früher
Angeworbenen, die den ganzen Tag und in der Mittagshitze geschuftet haben. Als sich
einer beschwert, erwidert der Weinbergbesitzer ziemlich autoritär:
1. ZITATOR:
Bist du neidisch, weil ich gütig bin?
SPRECHERIN:
Nach der Logik der Geschichte ist es natürlich Gott, der so redet. Ein unbändig guter
Gott, der aus lauter Liebe auf alle Vorleistungen verzichtet.
SPRECHER:
Dieser Jesus stört. Er stellt die geltenden Normen und Selbstverständlichkeiten in Frage,
er erklärt Gesetze für übertretbar, wenn sie nicht dem Menschen dienen, er zieht Huren
und Gauner den frommen Heuchlern vor und entlarvt die aufgeblasenen Herren der Welt
als lächerliche Zwerge.
SPRECHERIN:
Obwohl sie ihm dann schließlich das Genick gebrochen haben, die Machthaber in Tempel
und Palast. Nach menschlichen Maßstäben betrachtet, ist Jesus gescheitert. Er hat das
Schicksal erlitten, das die Welt für kompromisslos und unvernünftig Liebende bereithält.
Am Kreuz ging es nicht darum, so sagen die Theologen, einen beleidigten Rachegott
durch ein grausames Menschenopfer zufrieden zu stellen. Der gekreuzigte Rabbi Jesus
hat für seine Liebe mit seinem Leben bezahlt. Man muss Christ sein, um zu glauben, dass
die Henker nicht das letzte Wort hatten, dass der Gekreuzigte lebt. Man braucht nicht
Christ zu sein, um zu sehen, dass so ein Sterben aus Liebe verwandelnde Kraft hat.
SPRECHER:
Aus dem Blick auf dieses Sterben am Kreuz und dann aus dem Glauben an die
Auferstehung hat das aufblühende Christentum eine unwahrscheinliche Kraft bezogen.
Ob Jesus wirklich eine Kirche gründen wollte, eine religiöse Institution mit festen
Strukturen, ist höchst umstritten. Die Gemeinden, die seine Botschaft am Leben hielten,
haben sich erst allmählich die Organisation gegeben, die die christlichen Kirchen bis
heute prägt, mit einer straffen Führung und einem genau festgelegten Lehrgerüst. Ganz
am Anfang gab es keinen Papst und keine Beichte, die Gottesdienste wurden in
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Privathäusern gefeiert, manche Gemeinden wurden von Frauen geleitet, und es war unter
Christen üblich, kategorisch den Kriegsdienst zu verweigern.
SPRECHERIN:
Vieles hat sich entwickelt und auch gewandelt im Lauf von zwei Jahrtausenden
Kirchengeschichte. Doch einige zentrale Elemente waren von Anfang an unverzichtbar
und sie sind es auch heute noch, wenn man wissen will, was Christentum bedeutet:
SPRECHER:
Die Taufe.
SPRECHERIN:
Das Gebet.
SPRECHER:
Das Kreuz.
SPRECHERIN:
Die Eucharistie.
SPRECHER:
Die Ethik von Verantwortung, Solidarität und Liebe.
SPRECHERIN:
Und als Basis von allem, als tragender Grund und Wurzel und Quelle, immer wieder die
Bindung an Jesus, an die Person, in der Gott berührbar wird.
SPRECHER:
Die Taufe. Ursprünglich wurde jeder, der Christ werden wollte, in einem Fluss oder einem
großen Wasserbecken kräftig untergetaucht, heute gießt man behutsam ein wenig
Wasser über den Kopf des Täuflings. Der Symbolgehalt ist derselbe: Der alte Mensch
stirbt, wird abgewaschen, aus dem Wasser steigt ein neuer Mensch empor, der sein
Leben auf Christus baut. So ein Reinigungsbad war und ist in vielen orientalischen
Religionen üblich; einzigartig am Christentum ist die Vorstellung des Sterbens und
Auferstehens mit Jesus Christus.
SPRECHERIN:
Das Gebet. Das vielleicht regelmäßige, vielleicht spontane, auf jeden Fall nicht zu seltene
Gespräch mit Gott, der als Gegenüber erlebt wird, als Partner, ansprechbar, bereit zum
Zuhören, nicht irgendwo unerreichbar über den Wolken thronend. Das Gebet schafft eine
Beziehung. Christen beten traditionell am Morgen, am Abend und vor dem Essen. Sie
verfügen über ein zentrales Gebet, das ihnen Jesus selbst hinterlassen hat:
2. ZITATOR:
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille
geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
SPRECHERIN:
Das ist der erste Teil. Respektvolle Anrede Gottes und zugleich Ausdruck des Vertrauens.
Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch wird klar gestellt. Daran anschließend die
Bitten um das, was der Mensch am dringendsten braucht: Brot, Freiheit, Barmherzigkeit,
Vergebung, Erlösung.
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2. ZITATOR:
Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben
unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem
Bösen.
SPRECHER:
Das Kreuz. Der Verbrechergalgen, an dem Jesus gestorben ist, ist zum Zeichen der
Liebe, der Hingabe, der Erlösung geworden. Christen machen das Zeichen des Kreuzes,
sie „schlagen“ das Kreuz, wie es heißt, um sich an Jesus Christus zu erinnern und um
einander zu segnen. In derselben Haltung der Liebe, die der Gekreuzigte bewiesen hat.
SPRECHERIN:
Die Eucharistie, „Danksagung“, wie das griechische Wort heißt. Bei den Protestanten ist
das Wort „Abendmahl“ gebräuchlicher. Dabei empfangen die Christen Brot und Wein, zur
Erinnerung an den Tod Jesu am Kreuz und als Zeichen der Gemeinschaft und Versöhnung
untereinander. Aber es ist mehr als eine reine Erinnerung: Christen glauben, dass diese
Feier das Leben, Sterben und Auferstehen Jesu gegenwärtig setzt, dass Brot und Wein
ihn selbst verkörpern.
SPRECHER:
Die Ethik. Die Verantwortung für andere. Die Solidarität mit allen Lebewesen. Liebe statt
Gewalt. Barmherzigkeit.
SPRECHERIN:
Es ist das Charakteristikum, an dem man nach Auskunft der Heiligen Schrift die Christen
erkennen soll. Und tatsächlich haben sie mit ihrer Ethik der Welt ihren Stempel
aufgeprägt, trotz aller Sünden der Geschichte. Heinrich Böll, ein unerbittlich kritischer
Christ, gestand einmal:
2. ZITATOR:
Selbst die allerschlechteste christliche Welt würde ich der besten heidnischen vorziehen,
weil es in der christlichen Welt Raum gibt für die, denen keine heidnische Welt je Raum
gab: für Krüppel und Kranke, Alte und Schwache, und mehr noch als Raum gab es für
sie: Liebe für die, die der heidnischen wie der gottlosen Welt nutzlos erschienen und
erscheinen.
SPRECHER:
„Mach´s wie Gott, werde Mensch!“ – so lautet seit den ersten christlichen Jahrhunderten
die Kurzformel für eine solche ethische Haltung. Gemeint ist: Wie Gott seinen
schützenden Himmel verlassen hat, um in Jesus Mensch zu werden und das elende Leben
der Armen und Ausgestoßenen zu teilen, so müssen sich auch jene verhalten, die sich
nach ihm Christen nennen. Ihnen gilt die Zusage der so genannten „Bergpredigt“, die der
Evangelist Matthäus aus der ältesten Jesus-Überlieferung komponiert hat:
1. ZITATOR:
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die Frieden stiften;
denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
Zitatnachweis:
Leonardo Boff: Mensch geworden. Das Evangelium von Weihnachten. Freiburg (Herder)
1986, 20 f, 40 f, 55
Heinrich Böll in: Karlheinz Deschner (Hrsg.): Was halten Sie vom Christentum? München
(Paul List) 1957
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