Elektrisches Feld Faszinierende bunte Leuchterscheinungen ­gehen von einer kleinen Kugel zu einer Glas­hülle, vergleichbar mit ungefährlichen Blitzen. Berührt man die Glaswand mit der Hand, so verändern sich die Leuchtsträhnen und es entsteht eine Leucht­erscheinung zu der berührten Stelle. In dieser einen Leuchterscheinung steckt bereits sehr viel Physik: Eine zentrale Elektrode erzeugt eine ­starke Wechselspannung mit hoher Frequenz. Um die kleine Kugel herum wird so ein elektrisches Feld ­erzeugt, in dem sich Elektronen und andere geladene Teilchen bewegen. Dieses elektrische Feld können wir schon mit einer ­Berührung der Glaswand verändern. Ladung und Strom Stromstärken können wir aufgrund der magnetischen oder auch Wärmewirkungen des elektrischen Stroms messen. Messgeräte für die Stromstärke heißen auch Amperemeter. Im Folgenden überlegen wir, wie wir mithilfe der Stromstärkemessungen auch fließende Ladungen bestimmen können. 1. Strom ist fließende Ladung Die Ladung Δ Q, die sich in dem Zylinder mit der Länge υ · Δ t befindet, wird in der Zeit Δ t den rot gezeichneten Querschnitt durch­ setzen. Man definiert als Stromstärke I = Δ Q/Δ t. B 1 Den Transport von elektrischen Ladungen durch einen Stoff oder im Vakuum nennt man Strom. Der Quotient aus der durch einen Leiter­ querschnitt fließenden Ladung Q und der dazu benötigten Zeit t ist die Stromstärke I. Man definiert I = Q/t. Bei dieser Rechnung tragen nur die Elektronen zum Strom bei, die in der Zeit t z. B. die rechte Stirnfläche des Zylinders in ‹ B 1 durchsetzen. Zum Messen braucht man Einheiten. Man verwendet die Einheit 1 Ampere der Stromstärke I als zusätzliche Basiseinheit. Bei der Stromstärke 1 A tritt pro Sekunde die Ladung 1 C durch den Leiter­ querschnitt. Die gesetzliche Definition des Ampere geht von den magnetischen Wirkungen des Stroms aus. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Elektronen zu zählen, die pro Sekunde durch den Leiterquerschnitt gehen. Dies wäre aber sehr mühsam. 2. Ladungsmessung a) Ladungsmessung bei konstantem I: In Δ t = 3 s fließt Strom der Stärke 2 A, also die Ladung Δ Q = 2 A · 3 s = 6 As = 6 C. b) I nicht konstant, Annäherung durch Rechtecke: Q = 1,4 A · 1 s + 0,8 A · 1 s + 0,4 A · 1 s = 2,6 A · 1 s = 2,6 C. B 2 Mittelwertbildung: Fließt in jeweils 0,3 s die Ladung Q = 0,1 s · 3 A = 0,3 C, dann ist die mittlere Stromstärke I = 0,3 C/0,3 s = 1 A. Diese wird von einem Drehspulinstrument als zeitlicher Mittelwert angezeigt. V 1 10 Elektrisches Feld Ladung und Strom Wie wir Stromstärken messen, wissen wir, z. B. mit Drehspulinstru­ menten oder Digitalmultimetern. Unser Ziel ist es jetzt auch Ladun­ gen zu bestimmen. Ist die Stromstärke I konstant, dann wird in der Zeit Δ t = t 2 − t 1 die Ladung Δ Q = I Δ t = I (t 2 − t 1) durch einen Quer­ schnitt transportiert. In einem t-I-Diagramm entspricht diese Ladung dem Flächeninhalt eines Rechtecks ‹ B 2 a . Ist die Stromstärke ver­ änderlich, so unterteilen wir den Verlauf des Stroms in Abschnitte Δ t, in denen die Stromstärke näherungsweise als konstant ange­ sehen werden kann ‹ B 2 b . Die Summe dieser Rechtecksflächen gibt dann einen Näherungswert für die geflossene Ladung. Erzeugt man mit einem Netzgerät einen Strom, dessen t-I-Diagramm aus periodisch sich wiederholenden Rechtecken besteht ‹ V 1 , so zeigt ein Drehspulinstrument durch seine Trägheit den zeitlichen Mittelwert an. Wir haben im Text zu ‹ V 1 die mittlere Stromstärke berechnet. Nun wollen wir eine Messmethode für Ladungen kennen lernen. Dazu lassen wir in ‹ V 2 ein Kügelchen mit leitender Oberfläche zwischen zwei parallelen, entgegengesetzt geladenen Platten pen­ deln. Die Platten dieses sogenannten Plattenkondensators sind mit einem Netzgerät verbunden. Wenn das Kügelchen an der rechten, negativ geladenen Platte mit Elektronen aufgeladen wurde, trägt es die Ladung −q zur linken Platte. Wir hören, dass es ebenso schnell von dort nach rechts wieder zurückpendelt. Dabei trägt es die gleich große positive Ladung +q als Elektronenmangel. Die linke Platte entzog ihm nämlich die Ladung −2 q in Form von Elektronen. Die rechte gibt ihm wieder −2 q zurück und ändert so seine Ladung von +q in −q. Mit einem Drehspulinstrument kann man die kleinen Stromstärken in der Zuleitung nicht messen. Wir verwenden dazu einen elektrischen Messverstärker. Damit können wir Ströme bis hinunter zu etwa 1 p A = 1 ∙ 10 −12 A messen. Daraus berechnen wir nun die Ladung: Während das Kügelchen pendelt, zeigt der Messverstärker mit einem konstanten Ausschlag die mittlere Stromstärke 12 nA. In 1 s fließen also Q = 12 nC durch einen beliebigen Leitungs-Querschnitt. Berührt das Kügelchen die rechte Platte 3-mal in 1 s, so nimmt es dort ins­ gesamt die Ladung 3 · 2 q = 12 nC auf und gibt sie links wieder ab. Die Ladung des Kügelchens ist also q = 2 nC. Wir können auch die Ladung q des Kügelchens direkt messen. Dazu schalten wir den Messverstärker auf Ladungsmessung um und legen den Kondensator direkt an die Spannungsquelle. Das Kügelchen la­ den wir an der negativ geladenen Platte auf und holen es aus dem Kondensator. Dann entladen wir es am Messverstärker, den wir aus dem Stromkreis genommen haben. Wir finden q = 2 nC, der gemes­ sene und berechnete Wert stimmen überein. 3. Es gibt negative und positive Ladungen Träger der negativen Ladung sind Elektronen in der Atomhülle. Protonen, die Träger positiver Ladung, sitzen im Atomkern. Die Ladung eines Elektrons und eines Protons ist dem Betrag nach genau gleich. Atome, die gleich viele Elektronen und Protonen enthalten, sind elektrisch neutral. Negativ geladene Körper haben einen Elektronenüberschuss, positiv geladene Körper einen Elektronenmangel. Alle in der Natur messbaren Ladungen sind ganzzahlige Vielfache einer kleinsten Ladung, der Elementarladung: Zwischen den Platten liegt die Spannung 6 kV, der Plattenabstand beträgt 10 cm, das Kügelchen hat einen Radius von 1,75 cm und schlägt pro Sekunde dreimal an die rechte Platte. Die mittlere Stromstärke I beträgt 12 nA. Aus I und der Zahl der Hin- und Her­ läufe können wir die Ladung des Kügelchens berechnen. V 2 e = 1,602176487 · 10 −19 C; q Elektron = −e, q Proton = +e. Kleinere Ladungen hat man bei freien Teilchen in der Natur bis heu­ te nicht gefunden. 6,2415065 ∙ 10 18Protonen tragen die Ladung 1 C. B 3 Schematische Darstellung eines Leiters B 4 Ladungsnachweis mit einem Elektroskop In Metallen sind auch im stromlosen Zustand Elektronen frei beweglich; sie bewegen sich vollkommen ungeordnet. Eine Stromquelle treibt sie in Richtung Pluspol ‹ B 3 . In Isolatoren dagegen sind alle Elektronen fest an ihre Atome gebunden. 4. Kraftwirkungen von Ladungen Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab, ungleichnamige Ladungen ziehen sich an. Aufgrund der Kraftwirkungen kann man mit einem Elektroskop ‹ B 4 Ladungen nachweisen. Bringt man entgegengesetzte Ladungen in gleichen Mengen zusammen, so üben sie nach außen hin keine Wirkungen aus. Sie neutra­ lisieren sich, bleiben aber bestehen. Wegen dieser Bilanz merken wir im Allgemeinen nicht, dass alle Körper Ladungen enthalten. Ein Netzgerät liefert einen recht­ eckförmigen periodischen Strom­ver­ lauf nach ‹ V 1 mit der Frequenz 50 Hz. Während 0,005 s beträgt die Stromstärke 100 mA, während der restlichen Periodendauer ist I = 0. Bestimmen Sie die Stromstärke, die ein Drehspulinstrument anzeigt. A 2 Beim Entladen eines Konden­ sators messen wir die Stromstärke I A 1 nach folgender Tabelle: t in s I in mA 0 6,0 2 3 a) Bestimmen Sie in ‹ V 2 die Durchschnittsgeschwindigkeit der Pendelkugel für die Hin oder Herbe­ wegung. b) Das Fadenpendel hat ohne Kondensator eine größere Periodendauer T. Erklären Sie dies. (T lässt sich hier nicht errechnen). c) Geben Sie Faktoren an, welche die Zeit für die Bewegung zwischen den Platten beeinflussen. A 3 4 1,5 9 0,1 Zeichnen Sie ein t-I-Schaubild und bestimmen daran die Ladung, die in 9 s geflossen ist. Bestimmen Sie die mittlere Stromstärke in dem Zeit­ intervall zwischen 0 s und 9 s. Ladung und Strom Elektrisches Feld 11 Faradays Feldidee 1. Das elektrische Feld strukturiert den Raum um Ladungen Positive und negative Ladungen ziehen sich gegenseitig an. Ob dabei auch etwas im Zwischenraum geschieht, sehen wir mit unseren Augen nicht. Bringen wir aber geladene Wattestücke dorthin, mit der Probeladung q, so fliegen diese von einer Kugel zur anderen, auf gekrümmten Linien, elektrische Feldlinien genannt ‹ V 1 . Den sie erfüllenden Raum um Ladungen nennt man elektrisches Feld. Mit einem Hochspannungsnetzgerät wer­ den zwei Kugeln entgegengesetzt aufgeladen. Im Umfeld ihrer Ladungen ±Q fliegen Watteflocken auf gekrümmten Bahnen hin und her. Bei +Q erhalten die Flocken kleine positive, bei −Q kleine negative Probeladungen q. V 1 Grießkörner in Rizinusöl: Durch das elek­ trische Feld werden in den Körnern Ladungen verschoben. Die entgegengesetzten Ladungen benachbarter Körner ziehen diese zu Ketten längs der Feldlinien zusammen. V 2 Dort erfahren eingebrachte Probeladungen Feldkräfte, und zwar tan­ gential zur jeweiligen Feldlinie. Diese Linien geben dem Feld eine Struktur. Wir erkennen sie besonders gut an Grießkörnern, die wir nach ‹ V 2 in ein Feld bringen ‹ B 2 a , c . Nahe bei den felderzeugenden Ladungen liegen die Feldlinien dichter, dort sind die Feld­ kräfte größer. Feldlinien erlauben so, das Feld genauer zu beschrei­ ben: Das Feld ist an Stellen größerer Feldliniendichte stärker, da die Probeladungen dort größere Kräfte erfahren, schneller fliegen. Nun stammen die Ladungen der Wattestücke in ‹ V 1 von den feld­ erzeugenden Ladungen +Q und −Q. Wir folgern daraus: Kräfte, die an Ladungen angreifen, sind Feldkräfte, d. h. sie sind von einem Feld übertragen. Diese Feldvorstellungen entwickelte Faraday 1830. Er verwies darauf, dass es der Raum zwischen Ladungen ist, der die Feldkräfte vermittelt, die diese aufeinander ausüben. Ladungen wir­ ken nicht unvermittelt über den Raum hinweg, gemäß dem Satz: „Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab“. Die Kraftübertragung braucht sogar eine gewisse Zeit, wie sich spä­ ter zeigte. Nimmt man z. B. die eine Ladung weg, so entfällt die Kraft an der andern erst nach (sehr kurzer) Verzögerung; die Änderung wird mit Lichtgeschwindigkeit übertragen, was Radiowellen bestä­ti­ gen. Wir sehen: Das Feld ist Vermittler der Kräfte zwischen Ladun­ gen, kurz gesagt: Ladung ↔ Feld ↔ Ladung. Zeichnet man Feldlinienbilder, so gibt man mit Pfeilen die Richtung der Feldkraft auf eine positive Probeladung an. Beim radialen Feld ‹ B 2 c gehen die Feldlinien von der positiv geladenen Scheibe stern­ förmig zum Ring mit negativen Ladungen. Zwischen zwei paral­ lelen, geladenen Kondensatorplatten verlaufen die Feldlinien senk­ recht zu den Platten und zueinander parallel ‹ B 2 d . Es ist ein homogenes Feld. Am Rand biegen sich die Feldlinien nach außen. Im Feld zwischen den geladenen Ablenk­ platten einer braunschen Röhre fliegen Elek­ tronen nach links. Sie werden entgegen der Richtung der Feldlinien (rot) zur positiv gela­ denen Platte beschleunigt. B 1 B 2 12 Auch im materiefreien Raum einer braunschen Röhre können wir ein elektrisches Feld nachweisen ‹ B 1 . Die geladenen Ablenk­ platten erzeugen ein homogenes Feld. In ihm erfahren Elektronen, sozusagen als Probeladungen, Kräfte und werden abgelenkt ‹ . a) und b) Feld zwischen zwei entgegengesetzt geladenen Kugeln, c) radiales Feld, d) homogenes Feld Elektrisches Feld Faradays Feldidee Merksatz Ladungen sind von elektrischen Feldern umgeben. In ihnen erfahren ruhende wie bewegte Probeladungen Feldkräfte tangential zu den elektrischen Feldlinien. Positive Ladungen erfahren Kräfte in Richn tung der Feldlinien, negative ihnen entgegen. 2. Felder verschieben Ladungen In all unseren Bildern enden Feldlinien auf Metalloberflächen senkrecht. Muss das immer so sein? In ‹ B 3 ist eine Feldlinie schräg zur Ladung Leiteroberfläche gezeichnet. Die__dort sitzende bewegliche __› › erfährt die schräg liegende Kraft F 1 . Ihre Komponente F p tangential zur Oberfläche verschiebt die Ladung. Solche Verschiebungen hören __› erst dann auf, wenn der Wert F p = 0 ist. Dann aber stehen alle die Feldlinien senkrecht zur Oberfläche, so wie die Feldlinie (3) in ‹ B 3 . Man nennt diesen Vorgang Influenz. Enden Feldlinien senkrecht auf Leiter­ oberflächen, so besteht ein Gleichgewicht. B 3 Im Innern eines Metallrings ‹ B 4 liegen die Grießkörner ohne Struktur. Feldkräfte haben negative Influenzladungen −Q auf die linke Ringseite gezogen. An ihnen enden die von links kommenden Feldlinien senkrecht. Rechts auf dem Ring sitzen die zugehörigen positiven Influenzladungen +Q. Von ihnen laufen andere Feldlinien nach rechts. Das Innere des Rings ist also feldfrei. Allgemein gilt: Das Innere eines Leiters, der in einem elektrischen Feld liegt, ist feldfrei, solange kein Strom fließt. Auto- und Flugzeug­ hüllen aus Metall sind solche Faraday -Käfige. Sie schützen durch ihre feldfreien Räume die Insassen vor Blitzen. Im Experiment konnten wir die Feldlinien durch Grießkörner in Ri­ zinusöl veranschaulichen. Dies geht für kompliziertere Anordnun­ gen oder für das elektrische Feld in Leitern nicht. Es gibt jedoch grundlegende Gleichungen, die den Verlauf des elektrischen Feldes und der Feldlinien beschreiben. Mit modernen mathematischen Methoden kann man damit für komplexere Fälle das elektrische Feld berechnen und in Bildern visualisieren. B 4 Das Innere des Rings ist feldfrei a) ‹ B 5 a zeigt einen Plattenkondensator, der mit einer Quelle verbunden ist. Das elektrische Feld wird mit Feldlinien dargestellt, Pfeile zeigen die Kraft auf eine positive Probeladung. Die Feldlinien enden senkrecht auf den Leiteroberflächen, es fließt kein Strom. Die Farbe des Feldes zeigt seine Stärke. In ‹ B 5 b ist der Verlauf der Feldlinien in einem Stromkreis mit Widerstand berechnet. Die Linien verlaufen vom Plus- zum Minus­ pol, teils im Leiter, teils im umgebenden Feld. Die Feldlinien enden nicht mehr exakt senkrecht auf den Leiteroberflächen wie in ‹ B 5 a . Ihre Längskomponente treibt den Strom im Leiter an. Die Ladungen fließen entlang der Feldlinien (natürlich nur im Leiter), da sie ent­ __› lang diesen eine antreibende Kraft F erfahren. b) Merksatz In Leitern können Feldkräfte Ladungen trennen und so auf der Ober­ fläche Influenzladungen bilden. Die Ladungen werden so lange ver­ schoben bis die Feldlinien auf der Leiteroberfläche senkrecht enden und an den Feldlinienenden Ladungen sitzen. Im Innern stromfüh­ render Leiter besteht dagegen ein Feld, das die Ladungen bewegt.n An der linken Quelle liegt a) eine Kon­ densator, b) ein Widerstand. Elektrische Feld­ linien (rot) mit steigenden Feldstärken von Dunkel- über Hellblau und Grün bis Gelb. B 5 Faradays Feldidee Elektrisches Feld 13