Marcel Schuster Prof. Köhler Funktionentheorie I Schuster, Marcel: Prof. Köhler Funktionentheorie I Alle Rechte vorbehalten. © 2005 Marcel Schuster Tag des Druckes: 22. September 2005 III Inhaltsverzeichnis 1 Differenzierbarkeit im Komplexen 1 2 Logarithmus-Funktionen 5 3 Der Cauchysche Integralsatz für sternförmige Gebiete 9 4 Hauptsätze über holomorphe Funktionen 15 5 Werteverhalten und Abbildungseigenschaften holomorpher Funktionen 19 6 Harmonische Funktionen 23 7 Isolierte Singularitäten und meromorphe Funktionen 27 8 Der globale Cauchysche Integralsatz 31 9 Der Residuensatz 35 10 Auswertung von Integralen mit der Residuenmethode 10.1 I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 41 41 42 43 43 11 Die Riemannsche Sphäre und Riemannsche Flächen 45 12 Automorphismengruppen 49 Index 57 1 Kapitel 1 Differenzierbarkeit im Komplexen Für z = x + iy, c = a + ib in C mit x, y, a, b ∈ R wird z + c = (x + a) + i(y + b) und zc = (xa − yb) + i(xb + ya) gesetzt. Hiermit wird C ein Körper. Invers zu z = x + iy 6= 0 ist z−1 = 1z = zz̄z̄ = xx−iy 2 +y2 . Der Abstand von z und c wird durch d(z, c) = |z − c| definiert. (Hier Bild fehlen tut) In Polarkoordinaten ist z = |z| · (cos ϕ + i sin ϕ) mit ϕ ∈ R, 0 ≤ ϕ < 2π und c = |c|(cos ψ + i sin ψ) mit ψ ∈ R, 0 ≤ ψ < 2π. Damit wird zc = |z| · |c|(cos(ϕ + ψ) + i sin(ϕ + ψ)). (Hier Bild fehlen tut) Es sei z 6= 0. Jedes ϕ ∈ R mit z = |z|(cos ϕ +i sin ϕ) heißt ein Argument von z, und man schreibt ϕ = arg(z). Wird 0 ≤ ϕ < 2π verlangt, so ist ϕ eindeutig bestimmt, und ϕ = Arg(z) heißt der Hauptwert des Arguments von z. Definition. Auf einer Menge D j C, D 6= 0/ sei eine Funktion f : D → C gegeben. Diese heißt in einem Punkt z0 ∈ D stetig, falls zu jedem ε > 0 ein δ > 0 existiert, so dass für alle z ∈ D mit |z − z0 | < δ die Ungleichung | f (z) − f (z0 )| < ε gilt. Man nennt f stetig, falls f in jedem Punkt z0 ∈ D stetig ist. Notationen. Für z0 ∈ C und ε > 0 heißt Uε (z0 ) = {z ∈ C | |z − z0 | < ε} die offene ε-Umgebung oder offene Kreisscheibe vom Radius ε um z0 . Eine Menge U j C heißt eine Umgebung von z0 , falls es ein ε > 0 mit Uε (z0 ) j U gibt. Eine Menge D j C heißt offen, falls zu jedem z0 ∈ D ein ε > 0 existiert mit Uε (z0 ) j D. Für z0 ∈ C und ε > 0 heißt Bε (z0 ) = {z ∈ C | |z − z0 | ≤ ε} die kompakte Kreisscheibe vom Radius ε um z0 . Bemerkung. Die Bijektion C ↔ R2 ergibt für jedes D j C eine Bijektion D ↔ D̃ j R2 , D̃ = {(x, y) ∈ R2 | x + iy ∈ D}. Jeder Funktion f : D → C entspricht hierbei eine reelle Abbildung (u, v) : D̃ → R2 , wobei f (x + iy) = u(x, y) + iv(x, y). Man nennt u = R( f ) den Realteil von f und v = I( f ) den Imaginärteil von f . (Hier Bild fehlen tut) Bemerkung. Eine Funktion f ist genau dann stetig in z0 = x0 + iy0 , wenn u = R( f ) und v = I( f ) beide stetig in (x0 , y0 ) sind. Beispiele stetiger Funktionen sind die Polynome f (z) = a0 + a1 z + · · · + an zn mit n ∈ N0 und a0 , . . . , an ∈ C. Satz 1.1 (Potenzreihen). Es seien z0 ∈ C und eine Folge a0 , a1 , a2 , . . . von Zahlen an ∈ C gegeben. Zu der n Potenzreihe ∑∞ n=0 an (z − z0 ) gibt es dann ein R ∈ [0,∞] so, dass folgende Aussagen gelten: 1. Für jedes z ∈ C mit |z − z0 | > R ist die Potenzreihe divergent. 2. Für jedes z ∈ UR (z0 ) ist die Potenzreihe konvergent. (Dabei ist U∞ (z0 ) = C,U0 (z0 ) = 0/ zu setzen.). n 3. Auf jeder komplexen Teilmenge von UR (z0 ) ist die Reihe ∑∞ n=0 |an | · |z − z0 | gleichmäßig konvergent. n 4. Im Fall R > 0 wird durch f (z) = ∑∞ n=0 an (z − z0 ) eine stetige Funktion f : UR (z0 ) → C definiert. p an 5. Es gilt R = 1/ lim supn→∞ n |an |. Falls alle an 6= 0 sind, dann ist R = limn→∞ an+1 , sofern dieser Grenzwert existiert. 2 Kapitel 1. Differenzierbarkeit im Komplexen Man nennt R den Konvergenzradius und UR (z0 ) den Konvergenzkreis der Potenzreihe. n Beweis. Wie im Reellen, Vergleichskriterien und Vergleich mit der geometrischen Reihe, ∑∞ n=0 z = |z| < 1. 1 1−z für Definition. Es sei D j C, D 6= 0, / D offen. Eine Funktion f : D → C heißt analytisch, falls zu jedem z0 ∈ D n ein r > 0 und eine auf Ur (z0 ) j D gültige Potenzreihendarstellung f (z) = ∑∞ n=0 an (z − z0 ) existieren. 1 n Beispiel. Durch exp(z) = ∑∞ n=0 n! z wird eine stetige Funktion exp : C → C definiert. (Satz 1(5) liefert R = limn~∞ ∑∞ n=0 (−1)n (2n)! Für 1 n! 1 (n+1)! = ∞). Sie heißt die Exponentialfunktion. Analoges gilt für Cosinus und Sinus; cos(z) = n (−1) 2n+1 sin(z) = ∑∞ n=0 (2n+1)! · z · z2n , alle z, w ∈ C gilt zk wn−k zn ∞ wn ∞ n = exp(z) · exp(w) = ∑∞ n=0 n! · ∑n=0 n! = ∑n=0 ∑k=0 k! · (n−k)! 1 n n! k n−k = ∞ ∑∞ ∑n=0 n!1 · (z + w)n = exp(z + w) n=0 n! ∑k=0 k!(n−k)! z w n (z−z0 ) für alle Ist z0 ∈ C, so folgt exp(z) = exp(z0 + (z − z0 )) = exp(z0 ) · exp(z − z0 ) = exp(z0 ) · ∑∞ n=0 n! z ∈ C. Daher ist exp analytisch auf C. Wäre exp(z0 ) = 0 für ein z0 ∈ C, dann für alle z ∈ C. Es ist aber exp(x) ≥ 1 > 0 für alle reellen x ≥ 0. Somit folgt exp(z) 6= 0 für alle z ∈ C. Somit ist exp : C → C× = C\ {0} ein Homomorphismus der additiven Gruppe (C, +) in die multiplikative Gruppe (C× , ·). Man definiert die 1 n z Eulersche Zahl e = exp(1) = ∑∞ n=0 n! . Induktiv zeigt man exp(n) = e für alle n ∈ Z. Man schreibt e = exp(z) für alle z ∈ C. (−1)n in ∞ n 2n+1 = cos(z) + i sin(z). Mit −z statt z folgt e−iz = Für alle z ∈ C gilt eiz = ∑∞ n=0 n! · z + i ∑n=0 (2n+1)! · z cos(−z) + i sin(−z) = cos(z) − i sin(z). Es folgt cos(z) = 21 (eiz + e−iz ) und sin(z) = 2i1 (eiz − eiz ). Für alle z, w ∈ C erhält man sin(z) cos(z) + cos(z) sin(w) = 4i1 ((eiz − e−iz)(eiw + e−iw ) + (eiz + e−iz )(eiw − e−iw )) = 1 iz iw −iz e−iw ) = 1 (e i(z+w) − e −i(z+w) ) = sin(z + w). Ebenso folgt: sin2 (z) + cos2 (z) = 1 (−(eiz − 4i (2e e − 2e 2i 4 −iz 2 iz e ) + (e + e−iz )2 ) = 41 · 4eiz e−iz = 1 für alle z ∈ C. p √ Für y ∈ R folgt |eiy | = | cos(y) + i sin(y)| = cos2 y + sin2 y = 1 = 1. Die Exponentialfunktion bildet die z imaginäre Achse in die Einheitskreislinie C× 1 = {w ∈ C | |w| = 1} ab. Mit x = Re(z), y = Im(z) folgt |e | = x+iy x iy x z Re(z) |e | = |e e | = e . Für alle z ∈ C ist also |e | = e . Reelle Differenzierbarkeit. Es sei D j C, D offen, D 6= 0/ und f : D → C gegeben. Dieser entspricht eine Funktion (u, v) = (Re( f ), I( f )) : D̃ → R2 . C⊇ D x y f C x y −→ Man nennt f(u,v) reell differenzierbar im Punkt z0 ∈ D, falls (u, v) = f˜ im Punkt (x0 , y0 ) = (R(z0 ), I(z0 )) R2 ⊇ D̃ −→ R2 differenzierbar ist. Das bedeutet: Es gibt eine lineare Abbbildung L : R2 → R2 , so dass für alle (X,Y ) in einer Umgebung von (0,0) ∈ R2 eine Gleichung f˜(x0 + X, y0 + Y ) − f˜(x0 , y0 ) = L(X,Y ) + õ(X,Y ) besteht, worin õ(X,Y ) õ eine Funktion mit der Eigenschaft limX→0,Y →0 |(X,Y )| = 0 ist. Äquivalent hiermit ist, dass u : D̃ → R und v : D̃ → R beide in differenzierbar sind. Die Matrix von L bezüglich der Standardbasis des R2 ist (x0 , y0 ) du du (x ,y ) (x ,y ) ux uy dx 0 0 dy 0 0 dv (x ,y ) dv vx vy (x0 , y0 ) = dx 0 0 dy (x0 ,y0 ) Für f lautet die Bedingung f (z0 + X + iY ) − f (z0 ) = (ux X + uyY ) + i(vx X + vyY ) + o(X + iY ), wobei o eine Funktion mit der Eigenschaft limZ→0 o(Z) |Z| = 0 ist. Man nennt f reell differenzierbar auf D, wenn f in jedem Punkt z0 ∈ D reell differenzierbar ist. Differenzierbarkeit. Wie bisher seien D, f , z0 gegeben. Man nennt f differenzierbar im Punkt z0 , falls es eine lineare Abbildung l : C → C gibt, so dass für alle Z in einer Umgebung von 0 in C eine Gleichung f (zo + Z) − f (z0 ) = l(Z) + o(Z) besteht, worin o eine Funktion mit limZ→0 o(Z) Z = 0 ist. Es ist l(Z) = c · Z mit f (z0 ) 0 einer Zahl c ∈ C, und man nennt c = f (z0 ) die Ableitung von f im Punkt z0 . Es gilt limZ→0 f (z0 +Z)− = Z c·Z+o(Z) 0 limZ→0 = c = f (z0 ). Z Wenn f differenzierbar in z0 ist, dann ist f in z0 reell differenzierbar mit uvxx uvyy = ab −b a . Denn mit a = R(c), b = I(c) ist nämlich c · Z = (a + ib)(X + iY ) = (aX − bY ) + i(aY + bX). Es gilt ux = vy , uy = −vx . 3 Nun sei f reell differenzierbar in z0 , und es sei ux = vy , uy = −vx im Punkt z0 . Aus ˜f (x0 + X, y0 +Y ) − f (x0 , y0 ) = ux uy · X + õ(X,Y ) folgt dann f (z0 + Z) − f (z0 ) = cZ + o(Z) mit c = vx vy Y ux + iuy . Satz 1.2 (Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen). Es sei D j C offen, D 6= 0. / Eine Funktion f : D → C ist genau dann differenzierbar in z0 , wenn sie dort reell differenzierbar ist und die CauchyRiemannschen Differentialgleichungen ux = vy , uy = −vx im Punkt z0 gelten, wobei u = R( f ) und v = I( f ) ist. Holomorphie. Es sei D j offen, D 6= 0. / Eine Funktion f : D → C heißt im Punkt z0 ∈ D holomorph, falls es eine Umgebung U von z0 in D gibt, so dass f in jedem Punkt von U differenzierbar ist. Man nennt f holomorph, wenn f in jedem z0 ∈ D holomorph ist. Beispiel. Es sei f (z) = |z|2 = zz̄ = x2 + y2 mit x = R(z), y = I(z). Hierfür ist vx = vy = 0 und ux = 2x, uy = 2y. Die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen sind nur in z0 = 0 erfüllt. Also ist f nur im Punkt z0 = 0 differenzierbar und nirgends holomorph. Beispiel. Jedes Polynom f (z) = a0 + a1 z + · · · + an zn ist holomorph auf C. Satz 1.3 (Rechenregeln). Es seien U und V offen in C, U 6= 0, / V 6= 0. / Die Funktionen f1 : U → C, f2 : U → C und f : U → V seien im Punkt z0 ∈ U differenzierbar, und g : V → C sei im Punkt f (z0 ) differenzierbar. Dann gilt: 1. f1 + f2 ist in z0 differenzierbar mit ( f1 + f2 )0 (z0 ) = f10 (z0 ) + f20 (z0 ) 2. Für jedes c ∈ C ist c f1 differenzierbar (c f1 )0 (z0 ) = c · f10 (z0 ). 3. Produktregel f1 f2 ist differenzierbar in z0 mit ( f1 f2 )0 (z0 ) = f1 (z0 ) f20 (z0 ) + f10 (z0 ) f2 (z0 ) 0 f 0 (z ) f (z )− f (z ) f 0 (z ) 4. Quotientenregel. Für f2 (z0 ) 6= 0 ist ff12 differenzierbar mit ff21 (z0 ) = 1 0 2 0f (z)21 0 2 0 . 2 5. Kettenregel. g ◦ f ist in z0 differenzierbar mit (g ◦ f )0 (z0 ) = g0 ( f (z0 )) · f 0 (z0 ). Beweis. Wie im Reellen. Wirtinger-Kalkül. Mit den früheren Bezeichnungen definiert man fx = ∂f ∂x = ux + ivx und fy = ∂f ∂y = uy + ivy . 1 2 (Z + Z̄) + f y · Es wird dann (ux X + vyY ) + i(vx X + vyY ) = (ux + ivx )X + (uy + ivy )Y = fx · X + fy · Y = fx · ∂f ∂f 1 1 1 1 1 2i (Z − Z̄) = 2 ( f x −i f y )·Z + 2 ( f x +i f y )Z̄. Man nennt ∂ z = 2 ( f x −i f y ) und ∂ z̄ = 2 ( f x +i f y ) die Wirtingerschen Ableitungen von f . Man berechnet ∂∂ z̄f = 21 (ux − vy ) + 2i (uy + vx ) Satz 1.4. Es sei D j C, z0 ∈ D. Eine Funktion f : D → C ist genau dann reell-differenzierbar in z0 , wenn es komplexe Zahlen α = ∂∂ zf (z0 ) und β = ∂z̄f (z0 ) gilt, so dass für alle Z in einer Umgebung 0 in C eine Gleichung f (z0 + Z) = f (z0 ) + αZ + β Z + o(Z) mit limZ→0 o(Z) Z = 0 besteht. Die Funktion f ist genau dann ∂f differenzierbar in z0 . wenn hierzu β = ∂ z̄ (z0 ) = 0 ist. In diesem Fall gilt f 0 (z0 ) = ∂∂ zf (z0 ). Konforme Abbildungen 1.1. Es sei n ∈ N. Eine lineare Abbildung L : Rn → Rn heißt eigentlich orthogonal oder eine Drehung, falls L alle Skalarprodukte invariant läßt und det(L) > 0 ist. Man nennt L eine Streckung, falls L(X) = cX mit einem c > 0 für alle X ist. Produkte aus Drehungen mit Streckungen heißen Drehstreckungen oder Ähnlichkeitstransformationen. Die Matrizen M von Drehstreckungen sind durch M T = c · M −1 mit c > 0, det(M) > 0, gekennzeichnet. Es sei D j Rn offen, a ∈ D, und f : D → Rn sei differenzierbar im Punkt a. Das heißt es gibt eine lineare Abbildung D f (a) = d fa des Rn in sich, das Differential (oder die Ableitung von f in a), so dass für alle X in einer Umgebung von 0 im Rn eine Gleichung f (aX) = f (a) + D f (a)(X) + o(X) mit limX→0 o(x) |X| = 0 besteht. Man nennt f : D → Rn lokal konform, falls f in jedem Punkt a ∈ D differenzierbar und D f (a) eine Drehstreckung ist. 21.10.02 4 Kapitel 1. Differenzierbarkeit im Komplexen (Hier Bild fehlen tut) Nun sei D j C offen und z0 ∈ D. Man nennt f : D →C lokal konform, wenn f als Abbildung einer ux uy 2 Teilmenge des R lokal konform ist. Für die Jacobi-Matrix ovx vy von f in z0 bedeutet dies ux = vy , uy = −vx , u2x + u2y > 0. Satz 1.5. Es sei D j C offen und nicht leer. Eine Abbildung f : D → C ist genau dann lokal konform, wenn f holomorph ist und f 0 (z0 ) 6= 0 für alle z0 ∈ D ist. Definition. Es sei D j C offen, D 6= 0. / Man nennt f : D → C lokal biholomorph, wenn f holomorph ist und jeder Punkt z0 ∈ D eine Umgebung U besitzt, die durch f bijektiv auf eine Umgebung V von f (z0 ) abgebildet wird, wobei auch ( f |U )−1 holomorph ist. Man nennt f : D → W j C biholomorph oder schlicht, falls f bijektiv ist und f und f −1 : W → D holomorph sind. Bemerkung. Jede lokal konforme Abbildung ist lokal biholomorph. Beweis. Für jedes a ∈ D ist D f (a) eine Drehstreckung, insbesondere also regulär. Nach dem Satz über lokale Umkehrbarkeit (Analysis II/III) gibt es also eine Umgebung U von a die durch f bijektiv auf eine Umgebung V von b = f (a) abgebildet wird, wobei g = ( f |U )−1 in b differenzierbar ist mit Dg(b) = (D f (a))−1 . Mit D f (a) ist auch das Inverse Dg(b) eine Drehstreckung. 1 n 0 Beispiel. Die Entwickung exp(z) = exp(z0 ) · ∑∞ n=0 n! · (z − z0 ) zeigt die Existenz von exp (z0 ) = 1 n−1 = exp(z ). Wegen exp(z ) 6= 0 für alle z ∈ C ist 0) lim;Z→z0 exp(z)−exp(z = limZ→z0 exp(z0 ) · ∑∞ 0 0 0 n=1 n! (z − z0 ) z−z0 daher exp lokal konform auf C. n Satz 1.6. Die Potenzreihe ∑∞ n=0 an z besitze einen Konvergenzradius R > 0, und es sei f die Grenzfunktion. Dann ist f auf der offenen Kreisscheibe U = UR (0) unendlich oft differenzierbar mit der Ableitung f 0 (z) = n−1 . Insbesondere ist f holomorph auf U. Jede analytische Funktion auf einer offenen Menge D j C ∑∞ n=1 nan z ist holomorph auf D. √ n−1 ebenfalls Beweis. Aus limn→∞ n n + 1 = 1 und der Hadamardschen Formel folgt, dass g(z) = ∑∞ n=1 nan z den Konvergenzradius R hat. Es sei w ∈ D. Man wählt ein r mit |w| < r < R. Für alle z ∈ Ur (0) mit z 6= w folgt: n ∞ ∞ z − wn f (z) − f (w) − g(w) = ∑ an − nwn−1 = ∑ an (zn−1 + zn−2 w + zn−3 w2 + · · · + zwn−2 + wn−1 − nwn−1 ) = (z − w) z−w z−w n=2 n=2 Der Grenzwert für z → w ist 0. Damit ist die Existenz von f 0 (w) = limz→w f (z)− f (w) z−w = g(w) bewiesen. Folgerung. Wenn f in z0 analytisch ist, dann ist die Potenzreihe von f um z0 die Taylorreihe von f in z0 . (Identitätssatz für Potenzreihen). Definition. Eine Menge D j C heißt ein Gebiet, falls D offen, D 6= 0/ und D zusammenhängend ist. Satz 1.7. Es sei D j C ein Gebiet und f : D → C sei holomorph, und f 0 sei konstant 0. Dann ist f konstant. Beweis. Es sei u = R( f ), v = I( f ). Es gilt f 0 = ux − iuy = vy + ivx (Cauchy-RiemannscheDifferentialgleichungen). Wegen f 0 = 0 folgt ux = uy = vx = vy = 0 auf D. Somit hat jeder Punkt w ∈ D eine Kreisumgebung U = Uε (w) j D, auf der f konstant ist. (Denn es ist u(z) − u(w) = hgrad u(ξ ), w − zi = 0 für ein ξ auf der Strecke von w nach z). Da D zusammenhängend ist, ist f konstant auf D. Bemerkung. Es sei D j Rn offen, D 6= 0. / Eine Funktion f : D → R heißt harmonisch, falls f zweimal stetig 2 2 differenzierbar ist und ∆ f = 0 gilt, wobei ∆ f = ∂∂ x2f + · · · + ∂∂ x2f der Laplace-Operator ist. 1 n Nun sei D j C offen, D 6= 0, / f : D → C holomorph, u = R( f ), v = I( f ). Falls u und v zweimal stetig differenzierbar sind, dann folgt ∆u = uxx + uyy = (ux )x + (uy )y = (vy )x + (−vx )y = vyx + vxy = 0 und ebenso ∆v = 0. In §4 wird gezeigt: Realteile und Imaginärteile holomorpher Funktionen sind harmonische Funktionen. 5 Kapitel 2 Logarithmus-Funktionen (−1)n+1 n (−1)n+1 Definitionen. Die Potenzreihen λ (z) = ∑∞ · z und Log(z) = ∑∞ · (z − 1)n haben Konn=1 n=1 n n vergenzradius 1. Nach §1, Satz 6 ist also λ holomorph auf D1 = U1 (0) und Log ist holomorph auf n+1 zn−1 = ∞ (−1)n zn = 1 . 23.10 U1 (1) = {z ∈ C | |z − 1| < 1}. Man berechnet λ 0 (z) = ∑∞ ∑n=0 n=1 (−1) 1+z 1 0 Für |z − 1| < 1 folgt Log (z) = z . Man setzt g(z) = z · exp(− Log(z)) für z ∈ U1 (1). Es gilt g0 (z) = exp(− Log(z)) + z · exp(− Log(z)) · − 1z = 0. Also (§1, Satz 6) ist g konstant. Wegen g(1) = exp(−0) = 1 ist g konstant 1. Es folgt exp(− Log(z)) = 1z , exp(Log(z)) = z auf U1 (1). Definition. Es sei D j C ein Gebiet. Eine Funktion l : D → C heißt eine Logarithmusfunktion auf D, falls l holomorph ist und exp(l(z)) = z für alle z ∈ D gilt. Ist a ∈ D, b = l(a), so schreibt man b = log a und nennt b einen Logarithmus der Zahl a. Bemerkung. Jeder Punkt b ∈ U1 (1) wird von exp als Wert angenommen. Setzt man nämlich a = Log(b), so folgt exp(a) = exp(Log(b)) = b. (−1)n+1 Satz 2.1. Durch Log(z) = ∑∞ (z − 1)n wird eine Logarithmusfunktion auf der Kreisscheibe |z − 1| < n=1 n 1 definiert. Auf dem reellen Intervall 0 < x < 2 ist Log(x) der bekannte reelle Logartihmus von x (Hier Bild fehlen tut) Satz 2.2. Die Exponentialfunktion nimmt jede komplexe Zahl ungleich 0 als Wert an. Der Homomorphismus exp : (C+) → C× ist surjektiv. × Beweis. Man setzt A = {exp(z) gilt Gezeigt wurde U1 (1) j A. Für a ∈ C |wz ∈ C}. a ·U1 (1) = {az | |z − 1| < 1} = w | a − 1 < 1 = {w | |w − a| < |a|} = U|a| (a). Falls a = exp(b) für ein b ∈ C und z ∈ U1 (1), z = exp(w) ist, dann folgt a · z = eb · ew = eb+w ∈ A. Es folgt: Für a ∈ A ist auch U|a| (a) j A. Somit ist A offen. Ferner ist A eine Untergruppe von C× . Für das Komplement B = C× \ A folgt B · A j B. Also ist auch B offen. Weil C× zusammenhängend und A 6= 0/ ist, folgt B = 0. / Also ist A = C× . (Hier Bild fehlen tut) Definition und Satz 2.3 (Die Zahl π). Es gibt (genau) eine Zahl π > 0 mit folgenden Eigenschaften: 1. Es ist ez = 1 genau dann, wenn z = 2πin mit n ∈ Z ist. 2. Die Exponentialfunktion ist periodisch. Ihre sämtlichen Perioden sind die Zahlen 2πin mit n ∈ Z. 3. Die Exponentialfunktion bildet den Streifen S = {x + iy | x ∈ R, −π < y ≤ π} bijektiv auf C× ab. Sie bildet den offenen Streifen D = {x + iy | x ∈ R − π < y < π} biholomorph auf die geschlitzte Ebene W = C \ {t ∈ R | t ≤ 0} ab. Die Umkehrfunktion Log = (exp |D )−1 : W → D ist holomorph und heißt der Hauptzweig des Logarithmus auf W . Beweis. Es sei K = {z ∈ C | ez = 1} (der Kern des Homomorphismus exp : C → C× ). Nach Satz 2 gibt es ein a ∈ C mit ea = −1. Es ist a 6= 0 wegen e0 = 1 6= −1. Es ist aber e2a = (ea )2 = (−1)2 = 1. Also ist 2a ∈ K, 6 Kapitel 2. Logarithmus-Funktionen K 6= {0}. Es gilt exp0 (x) = exp(x) > 0 für x ∈ R, und daher ist exp auf R streng monoton steigend und größer 0. Es folgt K ∩ R = {0}. Aus §1 ist |ez | = e R(z) bekannt. Es folgt R(a) = 0 für alle a ∈ K. Somit gilt K j iR. Da exp überall lokal konform ist, gibt es eine Umgebung U von 0 mit K ∩U = {0}. Folglich gibt es ein kleinstes y0 > 0 mit iy0 ∈ K. Definition: π = 21 y0 Es folgt nun 2πin ∈ K für alle n ∈ Z, also 2πiZ j K. Wäre 2πit ∈ K für ein t ∈ / Z, so ist t = n + r mit n ∈ Z, 0 < r < 1, un es folgt e2πir = 1, 2πir ∈ K, im Widerspruch zur Minimalität von y0 . Also ist K = 2πZ, das heißt ez = 1 genau dann, wenn z = 2πin mit n ∈ Z. Für alle z ∈ C und n ∈ Z folgt ez+2πin = ez · e2πin = ez . Also ist exp periodisch, und ihre Perioden sind die Zahlen 2πin mit n ∈ N. Es gilt ez = ew genau dann, wenn z − w eine Periode 2πin ist. (Hier Bild fehlen tut) Auf dem Horizontalstreifen S = {x + iy | x ∈ R − π < y ≤ π}. ist exp folglich injektiv, aber auf keiner echten Obermenge von S ist exp injektiv. Das Gebiet D = {x + iy | x ∈ R, −π < y < π} wird von exp biholomorph abgebildet. Es gilt exp(S) = exp(C) = C× . Was ist das Bild der Randgeraden I(z) = π? Es gilt eiπ 6= 1, eiπ 2 = e2πi = 1, folglich eiπ = −1. Also ist x+iπ x e | x ∈ R > = {−e | x ∈ R} = {t ∈ R | t > 0}. Somit bildet expt das Gebiet D biholomorph auf die geschlitzte Ebene C \ {t ∈ R | t ≤ 0} ab. Folgerungen. Zu jedem z ∈ C× gibt es (viele) w ∈ C mit ew = z. Wegen |ew | = e R(w) erhalt man mit t = Iw die Formel z = e R(w) · eit = |z|(cost + i sint) mit t ∈ R. Man nennt t ein Argument von z. Man kann −π < t ≤ π wählen (Satz 3), und dann heißt t = Arg(z) der Hauptwert des Arguments von z. Für z ∈ W folgt Log(z) = log |z| + i Arg(z) , wobei log |z| = Log(|z|) der bekannte reelle Logarithmus ist. Sind z = |z|eit , v = |v|eis die Darstellungen von z, v ∈ C× in Polarkoordinaten, so folgt z · v = |z| · |v| · e i(t+s) . Also ist Arg(z) + Arg(v) = arg(zv) ein Argument von zv. Weiter folgt Log(zv) = Log(z) + Log(v) + 2πin mit n ∈ {0,1, −1}. Satz 2.4. 1. Die sämtlichen Nullstellen von sin(z) auf C sind die Zahlen kπ mit k ∈ Z. 2. Der Sinus ist periodisch. Die sämtlichen Perioden sind 2kπ mit k ∈ Z. 3. Der Sinus nimmt jeden Wert bereits auf dem Streifen S = x + iy | y ∈ R, − π2 ≤ x ≤ π2 an. 4. Der Sinus bildet den offenen Streifen D = x + iy | y ∈ R, − π2 < x < π2 biholomorph auf die zweifach geschlitze Ebene C \ {t ∈ R | |t| ≥ 1} ab. Beweis. Es gilt sin(z) = 0 ⇔ 1 iz −iz ) = 0 2i (e − e ⇔ eiz = e−iz ⇔ e2iz = 1 ⇔ z ∈ πZ. Damit ist (1) gezeigt. Für alle z ∈ C und k ∈ Z ist sin(z + 2kπ) = des Sinus. Dann ist Satz 3 1 iz+2πik − e −(iz2πik) ) 2i (e = sin(z). Es sei α ∈ C eine Periode sin(z) = sin(z + α) = sin(z) cos(α) + cos(z) sin(α) − sin(z) = sin(−z + α) = − sin(z) cos(α) + cos(z) sin(α) cos(z) sin(α) =0 Es folgt: für alle z ∈ C. Also folgt sin(α) = 0, cos(α) = 1. Also folgt α ∈ πZ, sin(z) cos(α) = sin(z) und wegen cos(kπ) = 12 (ekπi + e−kπi ) = (−1)k sogar α ∈ 2πZ. Damit ist (2) bewiesen. Man schreibt sin g ◦ f mit f (z) = eiz ; g(v) = 2i1 (v − 1v ). Es sei w ∈ C. Die Gleichung g(v) = w ist äquivalent zu v2 − 2iwv − 1 = 0. Diese Gleichung hat eine Lösung v 6= 0 in C. Zu v gibt es nach Satz 2 ein z ∈ C mit f (z) = v. Es folgt sin(z) = w. Teil (4): Es sei S = {x + iy | y ∈ R, − π2 ≤ x ≤ π2 }. Wegen (2) und (3) nimmt sin jeden komplexen Wert bereits in −π < R(z) ≤ π an. (Hier Bild fehlen tut) Falls π2 < R(z) ≤ π ist, dann ist sin(z) = − sin(−z) = sin(−z + π) und 0 ≤ R(−z + π) < π2 , also −z + π ∈ S. Falls −π ≤ R(z) < − π2 ist, dann ist sin(z) = sin(−z − π) und − π2 ≤ R(−z − π) < 0, also −z − π ∈ S. i Teil (5): Es sei D = {x + iy | y ∈ R, − π < x < π }. Für alle z, w ∈ C gilt 2 · sin z−w · cos z+w = 1 (e 2 (z−w) − i i i e − 2 (z−w) )(e 2 (z+w) + e 2 (z+w) ) = 2 2 1 iz −iw − eiw − e−iz ) = sin(z) − sin(w). (e + e 2i 2 2 2i Die Gleichung sin(z) = sin(w) 7 z+w ist folglich äquivalent zu sin z−w 2 = 0 oder cos 2 = 0; also wegen (1) äquivalent zu w = z + 2kπ oder w = −z + π + 2kπ mit k ∈ Z. Nun sei z, w ∈ S. Aus w = z + 2kπ folgt dann w = z. Aus w = −z + π + 2kπ folgt w = −z + π, also z, w ∈ / D. Somit ist der Sinus auf D injektiv. Die Bilder der Randgeraden sind {sin π2 + iy | y ∈ R} = {cos(iy) | y ∈ R} = { 12 (ey + e−y ) | y ∈ R} = {t ∈ R | t ≥ 1} sowie {sin − π2 + iy | y ∈ R} = π {− sin 2 + iy | y ∈ R} = {t ∈ R | t ≤ −1}. Für z ∈ D ist sin0 (z) = cos(z) 6= 0. Daher wird D durch den Sinus bijektiv und biholomorph auf die zweifach geschlitzte Ebene C \ {t ∈ R | t 2 > 1} abgebildet. Definition. Die holomorphe Umkehrfunktion (sin |D )−1 = Arc sin heißt der Hauptzweig des Arcus Sinus auf C \ {t ∈ R | t 2 ≥ 1}. 9 Kapitel 3 Der Cauchysche Integralsatz für sternförmige Gebiete Ein "reeller" Integralsatz. Es sei D j R2 offen, D 6= 0, / und F : D → R2 sei stetig differenzierbar. Es sei A ein stückweise glatt berandeter Bereich in D. D A Dann gilt die Greensche (Gaußsche, Stokessche) Formel Z Z ∂A (F1 (x, y)dx + F2 (x, y)dy) = A ∂ F2 ∂ F1 − ∂x ∂y dxdy Für eine Pfaffsche Form ω = F1 dx + F2 dy wird die Ableitung dω gemäß dem Cartanschen Kalkül erklärt durch ∂ F1 ∂ F1 ∂ F1 ∂ F2 dω = (dF1 ) ∧ dx + (dF2 ) ∧ dy = dx + dy ∧ dx + · · · = − dx ∧ dy + dx ∧ dy ∂x ∂y ∂y ∂x ∂ F2 ∂ F1 − dx ∧ dy = ∂x ∂y Die Greensche Formel lautet dann Z Z ω= ∂A dω A Spezielle Pfaffsche Formen auf R2 ∼ = C sind dz = dx + idy, dz̄ = dx − idy. Wegen dx = 12 (dz + dz̄), 1 dy = 2i (dz−dz̄) lässt sich jede Pfaffsche Form ω = F1 dx+F2 dy in die Form ω = 21 (F1 −iF2 )dz+ 12 (F1 +i f2 )dz̄ bringen. Eine stetig reell-differenzierbare Funktion f : D → C hat die Ableitung d f = ∂∂ xf dx + ∂∂ yf dy = ∂f ∂f ∂f ∂f 1 ∂f 1 ∂f 2 ∂ x − i ∂ y dz + 2 ∂ x + i ∂ y dz̄ = ∂ z dz + ∂ z̄ dz̄. Nun sei f holomorph, also ∂f ∂ z̄ = 0. Dann gilt d f (z) = Z Z f (z)dz = ∂A Z d( f (z)dz) = A ∂f ∂ z (z)dz = f 0 (z)dz. Die Greensche Formel wird zu d f (z) ∧ dz = A Z f 0 (z)dz ∧ dz = 0 A wegen dz ∧ dz = 0. Cauchyscher Integralsatz in der Greenschen Version. Es sei A ein stückweise glatt berandeter Bereich in einer offenen Menge D j C, es sei ∂ A der Randzyklus von A, und es sei f : D → C eine holomorphe Funktion. Dann ist Z f (z)dz = 0. ∂A 10 Kapitel 3. Der Cauchysche Integralsatz für sternförmige Gebiete Definitionen, Bemerkungen. 1. Auf einem kompakten Intervall [a, b] sei f : [a, b] → C stückweise stetig mit u = R( f ), v = I( f ). Dann definiert man Z b Z b f (t)dt = a Z b u(t)dt + i a Z b v(t)dt f (t)dt = − und a a Z b f (t)dt a Eigenschaften dieses Integrals sind: • Rc Rb a f (t)dt = a f (t)dt + c f (t)dt, Rb Rb a λ · f (t)dt = λ · a f (t)dt Rb Rb Rb a ( f + g)(t)dt = a f (t)dt + a g(t)dt • Rb • • Rb f (t)dt = a Rb a f (t)dt • Der Hauptsatz der Infinitesimalrechung bleibt gültig: Es sei F = U + iV mit differenzierbaren Funktionen U,V : [a, b] → R, und es sei U 0 = u, V 0 = v, also F 0 (t) = f (t). Dann gilt Z b f (t) = F(b) − F(a). a • Für beliebige f : [a, b] → C gilt | Rb a f (t)dt| ≤ Rb a | f (t)|dt. Beweis. Für ab f (t)dt = 0 ist die Aussage trivial. Sei also ab f (t)dt 6= 0, und es sei s ein Argument R von ab f (t)dt. Dann folgt: Zb Z b Z b Z b Z b −is −is −is e f (t)dt = R(e−is f (t))dt | f (t)dt| = e f (t)dt = R e f (t)dt = R R R a a ≤ Z b a a |e−is f (t)|dt = Z b a a | f (t)|dt. a 2. Es sei D j C und [a, b] ein kompaktes Intervall (in R). Eine stetige Abbildung γ : [a, b] → D heißt ein Weg in D mit Anfangspunkt γ(α) und Endpunkt γ(b). Die Bildmenge γ([a, b]) j D heißt die Spur des Weges γ und wird mit Spur(γ) bezeichnet. c(a) c(b) PSfrag replacements γ (a) γ (b) Man nennt γ einen Integrationsweg, falls γ stückweise stetig differenzierbar ist. Ein Integrationsweg heißt stückweise glatt, falls γ(t) 6= 0 für alle t, wo die Ableitung γ 0 (t) existiert. Ein Weg γ : [a, b] → C heißt ein geschlossener Weg, falls γ(a) = γ(b) ist. Man nennt γ einfach geschlossen, falls γ(a) = γ(b) ist und γ auf a ≤ t < b injektiv ist. Ein Integrationsweg γ : [a, b] → D mit γ1 = R(γ), γ2 = I(γ) hat die Länge Z b L(γ) = a 1 (γ10 (t)2 + γ20 (t)2 ) 2 dt = Z b |γ 0 (t)|dt. a 3. Es sei γ : [a, b] → D ein Integrationsweg und f : D → C eine Funktion. Das Kurvenintegral von f längs γ wird durch Z Z b f (z)dz = f γ(t) γ 0 (t)dt γ definiert. a 11 Eine Parametertransformation ist eine streng monotone, stückweise stetig differenzierbare Funktion ϕ : [a, b] → [α, β ] eines kompakten Intervalls auf ein anderes Intervall mit ϕ 0 (t) 6= 0 für alle t. Es ist dann auch ϕ −1 : [α, β ] → [a, b] eine Parametertransformation. Zwei Wege γ : [a, b] → D und Γ : [α, β ] → D heißen äquivalent, falls γ = Γ ◦ ϕ mit einer Parametertransformation ϕ : [a, b] → [α, β ] ist. Die Äquivalenzklassen von Integrationswegen heißen Kurven. Es sei f : D → C stetig und γ, Γ seien äquivalente Integrationswege, γ = Γ ◦ ϕ wie zuvor. Dann ist Z b Z f (z)dz = Z b 0 f (γ(t))γ (t)dt = a γ 0 0 f (Γ(ϕ(t)))(Γ (ϕ(t))) · ϕ (t)dt = a Z β f (Γ(u))Γ0 (u)du α Z = f (z)dz Γ Das Kurvenintegral ist also unabhängig von der Wahl der Parametrisierung der Kurve. 4. Für einen Weg γ : [a, b] → C wird der entgegengesetzte Weg −γ : [a, b] → C durch (−γ)(t) = γ(a+b−t) erklärt. Für stetige f : D → C, D k Spur(γ) berechnet man Z f (z)dz = − −γ Z f (z)dz γ Beispiel. Es sei γ(t) = e2πit , 0 ≤ t ≤ 1, und f (z) = zn mit n ∈ Z für z ∈ C \ {0}. Dann ist Z Z f (z)dz = γ Für n = −1 wird zn dz = γ zn dz = e2πint · 2πi · e2πit dt = 2πi Z 1 0 γ e2πi(n+1)t dt 0 R1 R dz γ z = 2πi 0 dt = 2πi. 1 2πi(n+1)t 2πi(n+1) · e 1 2πi(n+1)t 1 |0 = 0. n+1 e Für n 6= −1 ist R Z 1 eine Stammfunktion des Integranden, und es folgt Das Ergebnis ist Z zn dz = |z|=1 2πi 0 für n = −1, sonst. Satz 3.1. Für jeden Integrationsweg γ : [a, b] → C und jede stetige Funktion f : D → C mit Spur(γ) j D gilt: Z | f (z)dz | ≤ L(γ) · sup{| f (z)| : z ∈ Spur(γ)} Beweis. Es sei M = sup{| f (z)| : z ∈ Spur(γ)}. Dann ist Z | Z b f (z)dz | = | f (γ(t)) · γ 0 (t)dt | ≤ a γ Z b | f (γ(t))| · |γ 0 (t)|dt ≤ M · a Z b |γ 0 (t)|dt = M · L(γ). a Definitionen, Bemerkungen. Es sei D j C offen, D 6= 0. / Pfaffsche Formen ω auf D lassen sich in der Form ω = Pdx + Qdy oder ω = Adz + Bdz̄ schreiben, wobei A, B, P, Q : D → C stetige Funktionen mit P = A + B, Q = i(A − B), A = 21 (P − iQ), B = 12 (P + iQ) sind. Das Kurvenintegral von f längs eines Integrationsweges γ : [a, b] → D wird durch Z b Z ω= γ für a ω ◦γ = Z b a Z b A(γ(t))γ 0 (t) + B(γ(t)) γ 0 (t) dt = (P(γ(t))x0 (t) + Q(γ(t))y0 (t))dt a definiert, wobei x(t) = R(γ(t)), y = I(γ(t)) ist. Im Fall B = 0 ist die Definition konsistent mit der früheren γ f (z)dz. Analog zu Satz 1 findet man R Z | γ ω | ≤ L(γ) · sup{|A(z)| + |B(z)| : z ∈ Spur(γ)}. 12 Kapitel 3. Der Cauchysche Integralsatz für sternförmige Gebiete Eine Pfaffsche Form ω heißt exakt, falls es eine reell-differenzierbare Funktion F : D → C gibt mit ω = dF = ∂∂Fz · dz + ∂∂Fz̄ dz̄. Jedes solche F heißt eine Stammfunktion von ω oder ein Potential des Vektorfeldes (P, Q). Es gilt dF = ∂∂Fx dx + ∂∂Fy dy. Die äußere Ableitung von ω ist dω = ∂Q ∂P ∂B ∂A − dx ∧ dy = − dz ∧ dz̄, ∂x ∂y ∂z ∂ z̄ falls P, Q, A, B reell differenzierbar sind. Man nennt ω geschlossen, falls dω = 0 ist. Jede exakte Pfaffsche Form ist geschlossen. Satz 3.2. Es sei ω = f dz + gdz̄ eine stetige Differentialform auf einem Gebiet D j C. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: a. Für jeden geschlossenen Integrationsweg γ in D ist b. Für irgendeinen Integrationsweg γ in D ist R γ R γ ω = 0. ω nur von Anfangs- und Endpunkt von γ abhängig. c. Die Differentialform ω ist exakt. Sind diese Aussagen erfüllt, dann erhält man eine Stammfunktion F von ω in der Form Z F(z) = ω, γ(z0 ,z) worin z0 ∈ D fest gewählt und γ(z0 , z) irgendein Integrationsweg in D mit Anfangspunkt z0 und Endpunkt z ist. Wenn F irgendeine Stammfunktion von ω und γ irgendein Integrationsweg in D mit Anfangspunkt z1 und Endpunkt z2 ist, dann gilt Z ω = F(z2 ) − F(z1 ). γ Beweis. I. Es sei (a) gültig. Es seien γ1 : [a, b] → D, γ2 : [α, β ] → D Integrationswege mit γ1 (a) = γ2 (α) und γR1 (b) =Rγ2 (β ). RDann ist γ R= γ1 + R(−γ2 ) ein geschlossener Integrationsweg in D. Wegen (a) folgt also γ ω = γ1 ω − γ2 ω, also γ1 ω = γ2 ω. Also gilt (b). Aus (b) folgt ebenso leicht (a). II. Es sei (c) erfüllt, ω = dF. Es sei γ : [a, b] → D ein Integrationsweg von γ(a) = z1 nach γ(b) = z2 . Mit x(t) = R γ(t) , y = I γ(t) folgt: Z Z b ∂F ∂F ∂F ∂F dx + dy = γ(t) x0 (t) + γ(t) y0 (t) dt ∂x ∂y ∂x ∂y γ γ a Z b = (F ◦ γ)0 (t)dt = (F ◦ γ)|ba = F γ(b) − F γ(t) = F(z2 ) − F(z1 ) γ Z Z ω= dF = a Wie in §1, Satz 7 sieht man, dass die Differenz von je zwei Stammfunktionen von ω konstant ist. Somit gilt (b). III. Es sei (b) gültig. Man definiert F(z) = R γ(z0 ,z) ω wie im Satz. Wegen (b) ist damit F : D → C wohl- definiert. Es sei ω = Pdx + Qdy, und es sei z ∈ D gegeben. Man muss zeigen. PSfrag replacements z z0 ∂F ∂ x (z) = P(z), ∂F ∂ y (z) = Q(z) 13 Man wählt für γ(z0 , z) einen Weg in D, dessen Parametrisierung ein "Endstück" γ(t) = t + iy mit x − ε ≤ t ≤ x hat, wobei x = R(z), y = I(z), ε > 0 ist. Damit folgt ∂F ∂ Rx (z) = P(t + iy)dt = P(x + iy) = P(z). ∂x ∂ x x−ε Bei passender anderer Wahl von γ(z0 , z) folgt ebenso ∂∂Fx (z) = Q(z). 04.11.02 R Satz 3.3. Es sei f : D → C eine stetige Funktion auf einem Gebiet D j C. Genau dann gilt γ f (z)dz = 0 für jeden geschlossenen Integrationsweg γ in D, wenn f die Ableitung einer holomorphen Funktion F : D → C ist. Beispiel. Für jedes Polynom f (z) und jeden geschlossenen Integrationsweg γ in C gilt R γ f (z)dz = 0. Definition. Eine Menge D j C heißt konvex, wenn für beliebige z, w ∈ D auch die Verbindungsstrecke S(z, w) : t 7→ (1 − t)z + tw, 0 ≤ t ≤ 1, von z nach w vollständig in D verläuft. Man nennt D j C sternförmig, falls es ein z0 ∈ D gibt, so dass für jedes w ∈ D die Verbindungsstrecke S(z0 , w) in D liegt. Jedes solche z0Rheißt ein Sternpunkt von D. Ist ω eine stetige Differentialform auf D und R liegt S(z, w) in D, so schreibt man S(z,w) ω = zw ω. Es seien a, b, c ∈ C. Das Dreieck ∆ = ∆(a, b, c) mit den Ecken a, b, c ist die konvexe Hülle von {a, b, c}, das heißt die kleinste konvexe Menge ∆ mit {a, b, c} j ∆. Der Randzyklus ∂ ∆ von ∆ ist der geschlossene Integrationsweg ∂ ∆ = S(a, b) + S(b, c) + S(c, a). Satz 3.4 (Cauchyscher Integralsatz für Dreiecke). Es sei D j C ein Gebiet und ∆ ⊂ D ein Dreieck mit den Ecken a, b, c. Es sei z0 ∈ D und f : D → C eine stetige Funktion, die auf D \ {z0 } holomorph ist. Dann gilt Z ∂∆ f (z)dz = 0. Beweis. Zunächst sei z0 ∈ / ∆. Es seien a0 = 21 (b + c), b0 = 12 (c + a), c0 = 12 (a + b) die Seitenmitten von ∆ Hiermit erhält man vier kongruente Teildreiecke ∆1 , . . . ∆4 vonR ∆. R 1 Für ein Teildreieck, etwa ∆ , folgt | ∂ ∆1 f (z)dz| ≥ 41 | ∂ ∆ f (z)dz|. Iteration ergibt eine Folge ∆0 = R ∆, ∆1 , ∆2 , ∆3 , . . . von Dreiecken mit ∆n ⊂ ∆n−1 , L(∂ ∆n ) = 12 (∂ ∆n−1 ) = 2−n L(∂ ∆) und | ∂ ∆n f (z)dz| ≥ R 1 R −n · | ∂ ∆ f (z)dz |. 4 | ∂ ∆n−1 f (z)dz| ≥ 4 Da ∆ kompakt ist, schrumpfen die ∆n auf einen Punkt w0 ∈ ∆: Zu jeder Umgebung U von w0 in D gibt es ein n0 mit ∆n j U für alle n ≥ n0 . Wegen z0 ∈ ∆ ist f holomorph in w0 . Zu jedem ε > 0 gibt es also eine Umgebung U von w0 in D mit | f (z) − f (w0 ) − f 0 (w0 )(z − w0 )| ≤ ε · |z − w| für alle z ∈ U. Nach Satz 3 gilt R 0 γ ( f (w0 ) + f (w0 )(z − w0 ))dz = 0 für jeden geschlossenen Integrationsweg γ in D. Für n ≥ n0 folgt: Z | ∂∆ f (z)dz | = 4n | ≤ Z Z ∂ ∆n f (z)dz| = 4n · | ∂ ∆n ( f (z) − f (w0 ) − f 0 (w0 )(z − w0 ))dz | Satz 1 ≤ 4n · L(∂ ∆n ) · sup | f (z) − f (w0 ) − f 0 (w0 )(z − w0 )| : z ∈ ∆n ≤ 4n · L(∂ ∆n ) · ε · sup{|z − w0 | | z ∈ ∆n } ≤ 4n · ε · (L(∂ ∆n ))2 = ε · L(∆)2 Dies gilt für ε > 0. Also folgt R ∂∆ f (z)dz = 0. 14 Kapitel 3. Der Cauchysche Integralsatz für sternförmige Gebiete Nun sei z0 ∈ ∆. Nach Zerlegung von ∆ darf man annehmen, dass z0 ein Eckpunkt von ∆ ist. Wegen der Stetigkeit von f in z0 gibt es eine Umgebung U von z0 und ein M > 0 mit | f (z)| < M für alle z ∈ U. Man zerlegt ∆ in ein Teildreieck ∆1 ⊂ U mit Ecke z0 und zwei Teildreiecke, welche z0 nicht enthalten. R 1 so wählen, dass L(∂ ∆1 ) < ε . Es folgt | f Zu gegebenem ε > 0 kann man ∆ 1 ∂ ∆ (z)dz| < ε, also auch M R R R | ∂ ∆ f (z)dz| = | ∂ ∆1 f (z)dz| < ε. Somit folgt ∂ ∆ f (z)dz = 0. Satz 3.5 (Cauchyscher Integralsatz für sternförmige Gebiete). Es sei D j C ein sternförmiges Gebiet. Es sei f : D → C eine stetige Funktion, die auf D mit eventueller Ausnahme eines Punktes holomorph ist. Dann gilt Z f (z)dz = 0 γ für jeden geschlossenen Integrationsweg γ in D. Beweis. Es sei a ∈ D ein Sternpunkt von D. Durch F(z) = S(a,z) f (ζ )dζ = az f (ζ )dζ wird eine Funktion F : D → C definiert. Nach Satz 4 kann man S(a, z) in einer Umgebung von z so abändern, dass der neue Weg horizontal bzw. vertikal im Punkt z endet. Wie in Satz 2 folgt daher, dass F eine Stammfunktion von f ist. Mit Satz 3 folgt also die Behauptung. R R Beispiel. Für n ∈ Z ist f (z) = zn holomorph auf D = C \ {0}, und D ist nicht sternförmig. Tatsächlich ist R R dz n |z|=1 z = 2πi 6= 0. Aber für n ≤ −2 ist |z|=1 z dz = 0. Definitionen, Bemerkungen. Es sei D j C ein Gebiet. Eine formale Summe von Integrationswegen in D ist eine Abbilung γ 7→ γn , die jedem Integrationsweg γ eine Zahl nγ ∈ Z zuordnet, wobei nγ 6= 0 nur für höchstens endlich viele γ ist. Man notiert eine solche Abbildung als ∑γ nγ · γ oder auch als γ1 + · · · + γN worin jedes γ mit nγ 6= 0 entsprechend der Zahl nγ wiederholt wird (gegebenenfalls mit Minuszeichen). Für formale Summen γ 7→ nγ und γ 7→ mγ wird die Summe durch γnγ + mγ definiert. Es ist also ∑γ nγ · γ + ∑γ mγ · γ = ∑γ (nγ + mγ ) · γ. Mit dieser Addition wird die Menge(?) aller formalen Summe zu einer abelschen Gruppe. Sie heißt die von den Integrationswegen in D erzeugte freie abelsche Gruppe. Für eine stetige Differentialform ω auf D und eine formale Summe ∑γ nγ · γ = γ1 + · · · + γN wird N Z ω= γ1 +···+γn ∑ Z j=1 γi ω = ∑ nγ · γ Z ω γ definiert. Dieses Integral bleibt bei folgenden Operationen ungeändert: a. Umparametrisierung eines Weges. b. Hinzufügen oder Weglassen von Paaren γ, −γ von entgegengesetzt durchlaufenen Wegen. c. Vertauschung von Summanden in γ1 + · · · + γN . d. Zerlegen eines Weges in Teilwege, oder Zusammenfügen von γ j + γk zu einem einzigen Weg, falls der Endpunkt von γ j gleich dem Anfangspunkt von γk ist. Zwei formale Summen heißen äquivalent, falls sie durch endlich viele der Operationen (a),(b),(c),(d) auseinander hervorgehen. Die Äquivalenzklassen von formalen Summen heißen Ketten in D. Das Integral von Differentialformen längs Ketten ist wohldefiniert. Die Summe von Ketten wird über repräsentierende formale Summen definiert. Dadurch erhält man eine abelsche Gruppe, die Kettengruppe von D. Eine Kette Γ in D heißt ein Zyklus, falls für eine repräsentierende Summe γ1 + · · · + γN von Γ jeder Punkt von D ebenso oft Anfangspunkt wie Endpunkt von Wegen γk ist. Die Zyklen bilden eine Untergruppe der Kettengruppe von D. 15 Kapitel 4 Hauptsätze über holomorphe Funktionen Satz 4.1 (Cauchysche Integralformel für sternförmige Gebiete). Es sei D j C ein sternförmiges Gebiet und f : D → C eine holomorphe Funktion. Für jeden geschlossenen Integrationsweg γ in D und jeden Punkt z0 ∈ D mit z0 ∈ / Spur(γ) gilt Z Z dζ 1 f (ζ ) 1 · = · dζ . f (z0 ) · 2πi γ ζ − z0 2πi γ ζ − z0 ( f (ζ )− f (z0 ) ζ −z0 f 0 (z0 ) für ζ 6= z0 , Dann ist g auf D stetig und auf für ζ = z0 . R D \ {z0 } holomorph. Aus §3, Satz 5 folgt also γ g(ζ )dζ = 0. Wegen z0 ∈ / Spur γ folgt Z Z Z f (z0 ) f (ζ ) dζ f (ζ ) − dζ = dζ − f (z0 ) · . 0= ζ − z0 γ ζ − z0 γ ζ − z0 γ ζ − z0 Beweis. Man definiert g : D → C durch g(ζ ) = Beispiel. Bekannt ist net dζ |ζ −z0 |=r ζ −z0 R = 2πi, speziell dζ |ζ |=r ζ R = 2πi. Nun sei z0 ∈ C und r > |z0 |. Man berech- dζ |ζ −z0 |=r ζ . R Man verwendet die Stammfunktion Log(ζ ) von ζ1 auf C \ {t ∈ R | t ≤ 0}. Es sei t < 0 der Schnittpunkt von |ζ − z0 | = r mit der negativen Halbachse. Dann folgt Z |ζ −z0 |=r dζ = lim (Log(z) − Log(w)) = (log |t| + iπ) − (log |t| − iπ) = 2πi ζ I(z)>0,z→t I(w)<0,w→t Satz 4.2 (Cauchysche Integralformel für Kreisscheiben). Es sei f : D → C eine holomorphe Funktion auf einem Gebiet D j C. Es sei a ∈ D, r > 0 und es sei Br (a) = {z ∈ C : |z − a| ≤ r} j D. Für jeden Punkt z0 mit |z0 − a| < r gilt dann Z 1 f (ζ ) dζ . f (z0 ) = 2πi |ζ −a|=r ζ − z0 Satz 4.3 (Entwicklungslemma). Auf einem kompakten Intervall I = [a, b] seien eine integrierbare Funktion R ϕ(t) ϕ : I → C und eine stückweise stetige Funktion ψ : I → C gegeben. Man definiert f (z) = ab ψ(t)−z dt für z im Inneren von C \ ψ(I). Dann ist f eine analytische Funktion. Die Potenzreihenentwicklung von f um einen Punkt z0 konvergiert auf der größten im Definitionsbereich enthaltenen Kreisscheibe um z0 gegen f (z). Die Ableitungen von f sind Z b ϕ(t) f (n) (z) = n! · dt n+1 a (ψ(t) − z) für alle n ≥ 0. 16 Kapitel 4. Hauptsätze über holomorphe Funktionen Beweis. Es sei ein z0 im Inneren von D \ ψ(I) gegeben. Für ein r > 0 ist auch Ur (z0 ) im Inneren von D \ ψ(I) enthalten. Es sei w ∈ Ur (z0 ). Dann ist Z b b 1 ϕ(t) ϕ(t) · dt = w−z0 dt = a ψ(t) − z0 + z0 − w a ψ(t) − z0 1 − ψ(t)−z 0 ∞ Z b ϕ(t) =∑ dt · (w − z0 )n . n+1 (ψ(t) − z ) a 0 n=0 Z Z b f (w) = a ∞ (w − z0 )n dt n+1 n=0 (ψ(t) − z0 ) ϕ(t) · ∑ n Damit ist eine Entwicklung f (w) = ∑∞ n=0 an (w − z0 ) für w ∈ Ur (z0 ) gefunden. Diese ist nach §1, Satz 6 (n) gleich der Taylorentwicklung. Damit folgt die Formel f (z0 ) = n!an = · · · . Satz 4.4. Es sei D j C offen, D 6= 0, / f : D → C holomorph. Dann ist f analytisch. Ist a ∈ D, r > 0 und Br (a) = {z ∈ C : |z − a| ≤ r} j D, dann hat f die Ableitungen f (n) n! (z) = 2πi Z |ζ −a|=r f (ζ ) dζ (ζ − z)n+1 n für alle |z − a| < r und alle n ≥ 0. Die Potenzreihenentwicklung von f um a lautet f (z) = ∑∞ n=0 an (z − a) f (ζ ) 1 R mit an = 2πi |ζ −a|<r ζ −a)n+1 dζ . Sie ist in der größten in D enthaltenen offenen Kreisscheibe um a gültig. ( 1 Beweis. Für z ∈ Ur (a) gilt nach Satz 2 die Formel f (z) = 2πi auf ist Satz 3 anwendbar. Damit folgen die Behauptungen. f (ζ ) |ζ −a|=r ζ −z dζ R = R 1 f (a+re2πit ) 0 a+re2πit −z · re2πit dt. Hier- Satz 4.5. Der Realteil und der Imaginärteil einer holomorphen Funktion sind harmonische Funktionen. Satz 4.6. Es sei z0 ∈ D j C, D offen, f : D → C sei stetig und auf D \ {z0 } holomorph. Dann ist f auf D holomorph. R Beweis. Es sei U j D eine offene Kreisscheibe um z0 . Nach §3, Satz 5 gilt γ f (ζ )dζ = 0 für jeden geschlossenen Integrationsweg γ in U. Also hat f nach §3, Satz 3 eine Stammfunktion F auf U. Nach Satz 4 ist F unendlich oft differenzierbar. Also ist f = F 0 holomorph auf U, also auf D. Satz 4.7 (Riemannscher Hebbarkeitssatz). Es sei z0 ∈ D j C, D offen, f : D \ {z0 } → C sei holomorph. Für eine geeignete Umgebung von z0 in D sei f auf U \ {z0 } beschränkt. Dann gibt es (genau) eine holomorphe Funktion f˜ : D → C mit f˜(z) = f (z) für alle z ∈ D \ {z0 }. Beweis. Man setzt g(z0 ) = 0, g(z) = (z − z0 ) f (z) für z ∈ D \ {z0 }. Dann ist auf D \ {z0 }. Aus Satz 6 folgt also die Holomorphie von g auf D. Also ist (z − z0 ) f˜(z), wobei f˜ eine in z0 stetige Funktion ist. Nach Definition von g ist f˜ auf D \ {z0 } holomorph. Nach Satz 6 ist also f˜ auch in z0 holomorph. Beispiel. 1. Es sei f (z) = z ez −1 . g stetig auf D und holomorph g(z) = g(z0 ) + (z − z0 ) f˜(z) = f˜(z) = f (z) für z 6= z0 . Also ist Dann ist f auf C \ 2πiZ holomorph. Wegen limz→0 f (z) = 1 z −e0 limz→0 e z−0 = 1 exp0 (0) = 1 ist f in z = 0 stetig ergänzbar, und danach ist f auch in 0 holomorph. Aus Satz 4 folgt, dass f um 0 in eine Potenzreihe mit Konvergenzradius 2π entwickelbar ist. Man schreibt diese in der Form z ∞ Bn n ez −1 = ∑n=0 n! · z , und die hierdurch definierten Zahlen Bn heißen die Bernoullischen Zahlen. 2. Die Funktion g(z) = exp − z12 ist auf C \ {0} holomorph. Durch g(0) = 0 und Restriktion auf R erhält man eine Funktion R → R, die in 0 unendlich oft differenzierbar ist. Für z = iy, y ∈ R, y → 0 ist g(iy) = exp y12 → ∞. Also ist g in 0 nicht stetig ergänzbar. Satz 4.8 (Satz von Morera). Es sei f : D → C, und für jeden geschlossenen Integrationsweg γ in D sei R R f (z)dz = 0. Dann ist f holomorph auf D. Es genügt vorauszusetzen, dass f γ ∂ ∆ (z)dz = 0 für alle Dreiecke ∆ j D gilt. 17 Beweis. Aus der Voraussetzung und §3, Satz 3 folgt, dass f eine holomorphe Stammfunktion auf D besitzt. Nach Satz 4 ist also f selber holomorph. ag replacements z z0 Setzt man nur ∂ ∆ f (z)dz = 0 für alle ∆ ⊂ D voraus, so zeigt §3, Satz 5, dass f in einer Kreisumgebung eines gegebenen z0 ∈ D eine Stammfunktion besitzt. Aus Satz 4 folgt dann ebenfalls, dass f in z0 holomorph ist. R Satz 4.9 (Cauchysche Ungleichungen). Es sei f : D → C eine holomorphe Funktion, z0 ∈ D, r > 0, Br (z0 ) ⊂ D. Für alle δ mit 0 < δ ≤ r und alle z mit |z − z0 | ≤ r − δ und alle n ≥ 0 gilt dann | f (n) (z)| = n!rδ −(n+1) · sup{| f (ζ )| : |ζ − z0 | = r}. n Für die Koeffizienten in der Taylorentwicklung f (z) = ∑∞ n=0 an (z − z0 ) gilt |an | ≤ 1 · sup{| f (ζ )| : |ζ − z0 | = r}. rn ag replacements z0 δ r−δ f (ζ ) |ζ −z0 |=r| (ζ −z0 )n+1 dζ . Für |z−z0 | ≤ r −δ und |ζ −z0 | = r gilt |ζ −z| ≥ 1 n! 2π · 2πr · δ n+1 · sup{| f (ζ )| | |ζ − z0 | = r}. Für δ = r und z = z0 folgt n! Beweis. Nach Satz 4 gilt f (n) (z) = 2πi R δ . Mit §3, Satz 1 folgt | f (n) (z)| ≤ |an | = n!1 | f (n) (z0 )| ≤ r1n · sup{| f (ζ )| | |ζ − z0 | = r}. Definition. Eine auf C holomorphe Funktion heißt eine ganze Funktion (entire function). Satz 4.10 (Satz von Liouville). Jede beschränkte ganze Funktion ist konstant. Beweis. Es sei f : C → C holomorph, und mit einem M > 0 sei | f (z)| ≤ M für alle z ∈ C. Nach Satz 4 besteht n eine für alle z ∈ C gültige Entwicklung f (z) = ∑∞ n=0 an z . In Satz 9 kann man r > 0 beliebig wählen. Es folgt 1 |an | ≤ rn · M für alle n0 ∈ N0 und alle r > 0. Für r → ∞ erhält man an = 0 für alle n ≥ 1. Also ist f (z) = a0 konstant. Satz 4.11. Es sei f eine ganze Funktion. Mit gewissen M > 0, R > 0 und K > 0 sei | f (z)| ≤ M · |z|k für alle z ∈ C mit |z| ≥ R. Dann ist f ein Polynom mit einem Grad ≤ K. n Beweis. Wie zuvor sei f (z) = ∑∞ n=0 an z . Für r ≥ R folgt |an | ≤ an = 0 für alle n > K. 1 rn · M · rk = M · rk−n . Für r → ∞ ergibt sich Hilfssatz 4.1 (Wachstumslemma für Polynome). Es sei f (z) = a0 + a1 z + · · · + an zn mit n ≥ 1, an 6= 0. Dann gibt es ein R > 0, so dass für alle z mit |z| ≥ R die Ungleichungen 1 · |an | · |z|n ≤ | f (z)| ≤ 2 · |an | · |z|n 2 gelten. Es gilt lim|z|→∞ |z|k | f (z)| = 0 für k = 0,1, . . . , n − 1. Beweis. Man setzt r(z) = |a0 |+|a1 z|+· · ·+|an−1 zn−1 |. Dann gilt |an zn | −r(z) ≤ | f (z)| ≤ |an zn |+r(z) für alle z ∈ C. Ist |z| ≥ 1, so gilt |z|k ≤ |z|nn−1 fürok = 0,. . . , n−1, und es folgt r(z) ≤M ·|z|n−1 mit · ·+ M = |a0 |+|a1 |+· 2M n | − r(z) ≥ |a | − M |z|n ≥ |a | − M |z|n ≥ |an−1 |. Nun sei |z| ≥ R = max 1, |a , es folgt | f (z)| ≥ |a z n n n R |z| n| 1 n 2 |an ||z| und ebenso | f (z)| ≤ 2|an ||z|n . 18 Kapitel 4. Hauptsätze über holomorphe Funktionen Satz 4.12 (Fundamentalsatz der Algebra, Nullstellensatz für Polynome). Jedes nicht-konstante Polynom mit Koeffizienten in C besitzt wenigstens eine Nullstelle in C. Beweis. Es sei f (z) = a0 + a1 z + · · · + an zn mit n ≥ 1, an 6= 0. Wäre die Behauptung falsch, dann ist f 1(z) eine ganze Funktion, die nach dem Hilfssatz beschränkt ist. Nun ergibt der Satz von Liouville einen Widerspruch. Beispiel. Die Nullstellen von zn − 1 sind e2πik/n mit k ∈ {0,1, . . . n − 1}. Definition. Eine Folge ( fn )n von Funktionen fn : D → C heißt lokal gleichmäßig konvergent auf D, falls zu jedem z0 ∈ D eine Umgebung U von z0 existiert, so dass die Folge auf U ∩ D gleichmässig konvergiert. Eine Folge ( fn )n von Funktionen heißt kompakt gleichmäßig konvergent, falls die Folge für jede kompakte Menge K auf K ∩ D gleichmäßig konvergiert. Beide Eigenschaften sind äquivalent. Eine Reihe ∑n fn heißt normal konvergent, falls die Reihe ∑n | fn | lokal gleichmäßig konvergent ist. Nach §1, Satz 1 sind Potenzreihen in ihrem (offenen) Konvergenzkreis normal konvergent. Satz 4.13 (Konvergenzsatz von Weierstraß). Es sei D j C offen, D 6= 0/ und ( fn )n sei eine Folge von holomorphen Funktionen fn : D → C, die auf D lokal gleichmäßig konvergiert. Dann ist die Grenzfunktion f = limn→∞ fn holomorph auf D, und die Folge der Ableitungen fn0 konvergiert lokal gleichmäßig auf D gegen die Ableitung f 0 der Grenzfunktion. Beweis. Nach einem bekannten Satz von Cauchy ist fR= limn→∞ fn stetig auf D. Es sei z0 ∈ D. Es gibt eine Kreisscheibe U um z0 mit U j D. Nach §3, Satz 5 gilt γ fn (z)dz = 0 für alle n und alle Integrationswege γ in U. Auf der kompakten Menge Spur(γ) konvergiert ( fn )n gleichmäßig gegen f . Für jedes γ folgt also Z Z f (z)dz = γ Z lim fn (z)dz = lim γ n→∞ n→∞ γ fn (z)dz = lim 0 = 0. n→∞ Aus dem Satz von Morera folgt somit, dass f auf U holomorph ist. Für r > 0 ist Br (z0 ) ⊂ D, und man wähle U = Ur/2 (z0 ). Man wendet Satz 9 mit δ = 2r an. Es folgt | fn0 (z) − f 0 (z)| = |( fn − f )0 (z)| ≤ 4r · sup{| fn (ζ ) − f (ζ )| : |ζ − z0 | = r} für alle z ∈ U. Auf der kompakten Menge |ζ − z0 | = r strebt | fn (ζ ) − f (ζ )| für n → ∞ gleichmäßig gegen 0. Damit folgt limn→∞ fn0 (z) = f 0 (z) gleichmäßig auf U. −s ist für alle s > 1 konvergent, für reelle s ≤ 1 divergent. Für jedes n ∈ N Beispiel. Die Reihe ζ (s) = ∑∞ n=1 n −s −s log(n) ist s 7→ n = e eine ganze Funktion. Es gilt |n−s | = e R(−s log n) = e − log nR(s) = n −R(s) . Für jedes δ > 0 −(1+δ ) eine konvergente Majorante für und alle s ∈ C mit R(s) ≥ 1 + δ folgt |n−s | ≤ n −(1+δ ) . Somit ist ∑∞ n=1 n ∞ ∞ −s −s ∑n=1 n . Aus Satz 13 folgt also, dass durch ζ (s) = ∑n=1 n eine holomorphe Funktion auf der Halbebene {s ∈ C | R(s) > 1} definiert ist. Diese Funktion heißt die Riemannsche Zetafunktion. −s heißen Dirichletsche Reihen. (1837) Reihen der Gestalt ∑∞ n=1 an n 19 Kapitel 5 Werteverhalten und Abbildungseigenschaften holomorpher Funktionen Satz 5.1. Es sei f : D → C eine analytische Funktion auf einem Gebiet D j C. Für ein z0 ∈ D und alle n ≥ 0 sei f (n) (z0 ) = 0. Dann ist f konstant 0. (n) (z) = 0 für alle n ≥ 0}. Es gilt Beweis. Es sei Vn = {z ∈ D | f (n) (z) = 0} und V = ∞ n=0 Vn = {z ∈ D | f (n) −1 z0 ∈ V , also V 6= 0. / Als Urbild V = ( f ) (0) der abgeschlossenen {0} unter der stetigen Funktion f (n) ist Vn abgeschlossen in D. Also ist auch V abgeschlossen in D. Es sei w ∈ V . Die Potenzreihenentwicklung von f um w ist gleich der Taylorentwicklung, also identisch 0. Also gibt es eine Umgebung U von w in D, auf der f konstant 0 ist. Es folgt U j V . Also ist V offen. Weil D zusammenhängend ist, folgt V = D. T Definition. Es sei D j C ein Gebiet, f : D → C holomorph und f nicht konstant. Zu jedem a ∈ D gibt es dann nach Satz 1 eine ganze Zahl k ≥ 0 mit f (n) (a) = 0 für 0 ≤ n < k und f (k) (a) 6= 0. Man nennt k = w( f , a) die Ordnung von f im Punkt a. Für k > 0 heißt a eine Nullstelle von der Ordnung oder Vielfachheit k der Funktion f . Ist f (a) = c, so heißt a eine c-Stelle der Vielfachheit w( f − c, a). Definition. Es sei T ein topologischer Raum. Eine Teilmenge N j T heißt isoliert in T oder diskret in T , falls es zu jedem a ∈ T eine (offene) Umgebung U von a (in T ) gibt, so dass U ∩ N nur aus endlich vielen Punkten besteht. Bemerkung. Jede Teilmenge Y j T wird zu einem topologischen Raum, wenn man als offene Mengen in Y die Durchschnitte Y ∩U von Y mit den offenen Mengen U in T deklariert. Die hierdurch gegebene Topologie auf Y heißt Spurtopologe oder Relativtopologie. Beispiel. Es sei N = m + ni | m ∈ Z, n ∈ N . Dann ist N nicht isoliert in C. Aber als Teilmenge von {z ∈ C | I(z) > 0} ist N isoliert. (Hier Bild fehlen tut) Satz 5.2. Es sei D j C ein Gebiet, f : D → C holomorph, f nicht konstant 0. Dann ist die Menge der Nullstellen von f in D isoliert in D. Beweis. Es sei a ∈ D. Mit k = w( f , a) besteht nach Satz 1 eine Darstellung f (z) = (z − a)k · g(z), wobei g : D → C holomorph und g(a) 6= 0 ist. Weil g stetig ist, gibt es eine Umgebung U von a in D mit g(z) 6= 0 für alle z ∈ U. Für N = {z ∈ D | f (z) = 0} folgt N ∩U = {a} oder N ∩U = 0. / Also ist N isoliert in D. Beispiel. Die Funktion f (z) = sin 1z ist holomorph auf D = C \ {0}. Ihre Nullstellenmenge ist N = 1 kπ | k ∈ Z, k 6= 0 . Sie ist isoliert in D. Sie ist nicht isoliert in C. 20 Kapitel 5. Werteverhalten und Abbildungseigenschaften holomorpher Funktionen Satz 5.3 (Identitätssatz für holomorphe Funktionen). Es seien f und g holomorph auf einem Gebiet D j C. Dann sind äquivalent: 0Die Menge {z ∈ D | f (z) = g(z)} hat einen Häufungspunkt in D. Es gibt ein a ∈ D mit f (n) (a) = g(n) (a) für alle n ≥ 0. Es gilt f = g. 3. Beweis. Aus (c) folgt trivialerweise (a) und (b). Die Umkehrungen ergeben sich aus Satz 1 und Satz 2, ange2. 1. wandt auf die Funktion f − g. Definition. Für eine offene Menge D 6= 0/ in C bzeichne O(D) die Menge aller holomorphen Funktionen f : D → C. Sie ist ein kommutativer Ring mit 1 (bezüglich ( f + g)(z) = f (z) + g(z), ( f g)(z) = f (z)g(z)). 1 für z ∈ U Falls D = U ∪ V mit offenen U 6= 0/ und V 6= 0/ und U ∩ V = 0, / dann sind durch f (z) = , 0 für z ∈ V 0 für z ∈ U g(z) = Elemente f 6= 0, g 6= 0 in O(D) gegeben, für die f g = 0 ist. 1 für z ∈ V Ein kommutativer Ring mit 1 heißt ein Integritätsring, falls aus f , g ∈ R, f 6= 0, g 6= 0 stets auch f g 6= 0 folgt. Aus Satz 3 folgt: Satz 5.4. Für jedes Gebiet D j C ist O(D) ein Integritätsring. Definitionen. Ein topologischer Raum T heißt zusammenhängend (zshgd), wenn aus T = U ∪V mit offenen U und V und mit U ∩ V = 0/ stets folgt, dass U = 0/ oder V = 0/ ist. Man nennt T wegezusammenhängend, falls es zu beliebigen a, b ∈ T ein Weg, das heißt eine stetige Funktion γ : [0,1] → T existiert mit γ(0) = a, γ(1) = b. Satz. Jeder wegezusammenhängende topologische Raum ist zusammenhängend. (Hier Bild fehlen tut) Es gibt zusammenhängende topologische Räume, sind. Ein Beispiel ist wegezusammenhängend die nicht T = U ∪V ; U = {(0,y) ∈ R2 | −1 ≤ y ≤ 1}, V = x, sin 1x | 0 < x ≤ 1 . (Hier Bild fehlen tut) Hilfssatz 5.1 (Existenz von Nullstellen). Es sei D j C ein Gebiet, f : D → C holomorph, a ∈ D, r > 0 und Br (a) ⊂ D. Es sei | f (a)| < min{| f (z)| | |z − a| = r}. Dann besitzt f eine Nullstelle in Ur (a). Beweis. Vorausgesetzt wird | f (a)| < min{| f (z)| | |z − a| = r}. Angenommen, es wäre f (z) 6= 0 für alle z mit |z − a| ≤ r. Dann gibt es eine offene Menge U mit Br (a) ⊂ U und f (z) 6= 0 für alle z ∈ U. Dann ist g = 1f 1 holomorph auf U. Aus §4, Satz 9 (Cauchysche Ungleichungen) folgt | f (a)| = |g(a)| ≤ max{|g(z)| | |z − a| = r} = 1 min{| f (z)|||z−a|=r} < 1 | f (a)| , ein Widerspruch. Satz 5.5 (Satz von der Gebietstreue). Es sei D j C ein Gebiet und f : D → C holomorph. Wenn f nicht konstant ist, dann ist f (D) ebenfalls ein Gebiet. Beweis. Wegen D 6= 0/ ist auch f (D) 6= 0. / Weil f stetig und zusammenhängend ist, ist auch f (D) zusammenhängend. Zu zeigen bleibt, dass D offen ist. Es sei ein c = f (a) ∈ f (D) gegeben. Man darf c = 0 annehmen. (Sonst ersetzt man f (z) durch f (z) − c). Wenn f nicht konstant ist, dann gibt es nach dem Identitätssatz (Satz 3) eine Kreisscheibe B = Br (a) ⊂ D, auf deren Rand f keine Nullstelle hat. Dann ist δ = 12 · min{| f (z)| | |z − a| = r} > 0. Behauptet wird nun U := Uδ (0) j f (D). Dazu sei w ∈ U gegeben. Für alle z ∈ rd(B) gilt dann | f (z) − w| ≥ | f (z)| − |w| ≥ 2δ − δ = δ > |w|. Für jedes w ∈ U gilt also min{| f (z) − w| | |z − a| = r} > w. Aus dem Hilfssatz (angewandt auf z 7→ f (z) − w) folgt also, dass f jeden Wert w ∈ U auf Br (a) annimmt. Damit ist U j f (D) nachgewiesen. Also ist f (D) offen. Satz 5.6 (Maximumprinzip für holomorphe Funktionen). Es sei D j C ein Gebiet und f : D → C holomorph. Dann gilt 1. Wenn | f | ein lokales Maximum in D hat, dann ist f konstant. 2. Wenn D beschränkt ist und wenn f auf der abgeschlossenen Hülle von D definiert und holomorph ist, dann wird das Maximum von | f | in einem Randpunkt von D angenommen. 21 Beweis. Man setze voraus, dass | f | in einem Punkt z0 ∈ U ein lokales Maximum hat. Dann gibt es eine offene Umgebung U von z0 , so dass f (z0 ) kein innerer Punkt von f (U) ist. Nach Satz 5 ist dann f auf U konstant. Nach Satz 3 ist also f (auf D) konstant. Damit ist (1) gezeigt. (Hier Bild fehlen tut) Behauptung (2) ist eine Folgerung Satz 5.7 (Lemma von Schwarz). Es sei f eine holomorphe Funktion auf D1 = {z ∈ C | |z| < 1}. Es sei f (0) = 0 und | f (z)| ≤ 1 für alle z ∈ D1 . Dann gilt: 1. Es ist | f 0 (0)| ≤ 1 und | f (z)| ≤ |z| für alle z ∈ D1 . 2. Falls | f 0 (0)| = 1 oder | f (z0 )| = |z0 | für ein z0 6= 0 in D1 gilt, dann ist f eine Drehung: Es gibt ein c ∈ C mit |c| = 1 und f (z) = cz für alle z ∈ D1 . Beweis. Die Taylorentwicklung von f um 0 stellt f in D1 dar und hat die Gestalt f (z) = a1 z + a2 z2 + · · · = zg(z), worin g : D1 → C holomorph ist und g(0) = a1 = f 0 (0) ist. Es sei 0 < r < 1. Für alle z mit |z| = r gilt (z)| nach den Voraussetzungen |g(z)| = | f|z| < 1r . Aus Satz 6 folgt |g(z)| ≤ 1r für alle z mit |z| ≤ r. Für alle z ∈ D1 folgt |g(z)| ≤ inf0<r<1 1r = 1. Also folgt | f 0 (0)| = |g(0)| < 1 und | f (z)| = |zg(z)| < |z| für alle z ∈ D1 . Aus den Voraussetzungen in (2) folgt |g(z0 )| = 1 für ein z0 ∈ D1 . Somit hat |g| in z0 ein Maximum. Nach Satz 6 ist also g konstant, g(z) = c mit |c| = |g(z0 )| = 1. Es folgt f (z) = zg(z) = cz für alle z ∈ D1 . Satz 5.8 (Lokale Wurzelfunktionen). Es sei f : D → C holomorph auf einer offenen Menge D 6= 0. / Im Punkt z0 ∈ D habe f eine k-fache Nullstelle mit k ≥ 1. Dann gibt es eine offene Umgebung U von z0 in D und eine holomorphe Funktion h : U → C mit einer einfachen Nullstelle in z0 , die h(z)k = f (z) für alle z ∈ U erfüllt. Man nennt h eine holomorphe k-te Wurzel aus f auf U. Beweis. Man darf z0 = 0 annehmen. (Sonst wird f (z + z0 ) anstelle von f (z) betrachtet). Die Entwicklung von f um 0 lautet f (z) = ak zk + ak+1 zk+1 + · · · mit ak 6= 0. Man darf ak = 1 annehmen. (Ist nämlich h̃ eine holomorphe k-te Wurzel aus f˜ = a1 · f , so wähle ein c ∈ C mit ck = ak , und dann ist h = ch̃ eine holomorphe kk n te Wurzel aus f ). Somit ist f (z) = zk + ak+1 zk+1 + · · · = zk (1 + g(z)) mit g(z) = ∑∞ n=1 ak+n z . Eine holomorphe k k-te Wurzel aus z ist z. Man benötigt eine holomorphe k-te Wurzel aus 1+g(z). In einer Umgebung von w = 1 ist w 7→ wk konform. Es gibt also offene Umgebungen V1 ,V2 von 1, so dass V1 durch w 7→ wk biholomorph auf V2 abgebildet wird. Es sei ϕ : V2 → V1 die holomorphe Umkehrfunktion von w 7→ wk . Dann ist h(z) = z · ϕ(1 + g(z)) holomorph für z ∈ U. Wegen ϕ(1 + g(0)) = ϕ(1) = 1 hat h nur eine einfache Nullstelle in z = 0. Für alle z ∈ U gilt h(z)k = zk (ϕ(1 + g(z)))k = zk · (1 + g(z)) = f (z). (Hier Bild fehlen tut) Beispiel. Die Funktion f (z) = z2 (z − 1) hat eine holomorphe Quadratwurzel h in einer Umgebung U von 0. Es gilt 1 6= U. Sonst wäre 1 = w( f ,1) = 2w(h,1) gerade. Satz 5.9. Es sei f : D → C holomorph auf einer offenen Menge, und in z0 ∈ D habe f eine k-fache Nullstelle mit k ≥ 1. Dann gibt es ein ε1 > 0 und zu jedem ε mit 0 < ε < ε1 eine offene Umgebung Vε von z0 in D mit folgenden Eigenschaften: Die Funktion f bildet Vε auf die Kreisscheibe Uε (0) = {w ∈ C | |w| < ε} ab. Auf Vε nimmt f jeden Wert w mit 0 < |w| < ε an genau k Stellen an. Der Wert 0 wird in Vε nur im Punkt z0 angenommen. (Hier Bild fehlen tut) Beweis. Für den Spezialfall f (z) = zk (und z0 = 0) sind die Behauptungen klar. Bei allgemeinem f gibt es nach Satz 8 eine holomorphe Funktion h auf einer Umgebung von 0 mit hk = f . Nach §1, Satz 5 gibt es Umgebungen U und V von 0, so dass h : U → V holomorph ist. Es sei g = h−1 . Für ein ε1 > 0 gilt √ √ {ζ ∈ C | |ζ | < k ε1 } j V . Es sei 0 < ε < ε1 . Man setzt Vε = g({ζ ∈ C | |ζ | < k ε1 }). (Hier Bild fehlen tut) Damit folgen die Behauptungen. 25.11.02 22 Kapitel 5. Werteverhalten und Abbildungseigenschaften holomorpher Funktionen Notiz. Aus Satz 9 folgt Satz 5. Definition. Eine auf C holomorphe Funktion, die kein Polynom ist, heißt eine ganze transzendente Funktion. Beispiel. Die Exponentialfunktion ist eine ganze transzendente Funktion. Für jede kompakte Menge K ⊂ C gilt exp(C \ K) = C \ {0}. Satz 5.10. Es sei f eine ganze transzendente Funktion. Zu jedem w ∈ C gibt es dann eine Folge z1 , z2 , z3 , . . . in C mit limn→∞ |zn | = ∞ und limn→∞ f (zn ) = w. Für jedes R > 0 ist das Bild f ({z ∈ C | |z| > R}) dicht in C. Beweis. Man nimmt an, es sei f eine ganze Funktion, die nicht die Eigenschaft im Satz hat. Dann gibt es ein w0 ∈ C, ein ε > 0 und R > 0, so dass | f (z) − wo | ≥ ε für alle z ∈ C mit |z| ≥ R gilt. Man darf annehmen, dass f nicht konstant ist. Nach Satz 3 (Identitätssatz) hat f auf BR (0) nur endlich viele w0 -Stellen a1 , . . . as . Die Vielfachheiten seien k1 , . . . ks . Durch f (z) − w0 = (z − a1 )k1 · . . . · (z − as )ks wird nach §4, Satz 6 eine ganze Funktion g definiert. Sie hat keine Nullstellen. Also ist auch g1 eine ganze Funktion. Mit einer Konstanten M > 0 und mit n = k1 + · · · + ks gilt |(z − a1 )k−1 · . . . · (z − as )ks | ≤ M · |z|n für alle z mit |z| ≥ 1. Man darf 1 |(z−a1 )k1 ·. . . ·(z−as )ks | M·|z|n R > 1 annehmen. Für alle z ∈ C mit |z| ≥ R folgt dann g(z) ≤ ε . Aus §4, Satz 11 = | f (z)−w0 | (Liouville) folgt somit, dass und f ein Polynom. 1 g(z) ein Polynom ohne Nullstellen, also eine Konstante ist. Also ist g konstant Satz 5.11. Es sei f eine ganze Funktion. Mit gewissen N ≥ 0,M > 0, R > 0 sei | f (z)| ≥ M · |z|N für alle z mit |z| ≥ R. Dann ist f ein Polynom mit grad( f ) ≥ N. Beweis. Für alle z mit |z| ≥ max{R,1} gilt | f (z)| ≥ M. Also liegt 0 nicht in der abgeschlossenen Hülle der Wertemenge f (C \ K), wobei K = B max{ R,1 ( 0 ) .AusSatz10 f olgtalso, dass f einPolynomist.DasWachstumslemma(§4)ergibt grad( f ) ≥ N. 23 Kapitel 6 Harmonische Funktionen Problem 6.1. Gibt es zu jeder harmonischen Funktion u : D → R auf einem Gebiet D j C eine holomorphe Funktion f : D → C mit u = R( f )? Es ist dann f = u + iv mit einer harmonischen Funktion v : D → R. Man nennt v harmonisch konjugiert zu u. Ist v bis auf eine (reelle) Konstante eindeutig bestimmt? Bemerkung. Es seien v1 , v2 harmonisch konjugierte zu u auf D. Dann ist f = (u +iv1 )−(u +iv2 ) = i(v1 −v2 ) holomorph auf D mit R( f ) = 0. Aus den Cauchy-Riemannschen-Differentialgleichungen folgt also, dass v1 − v2 konstant ist. Beispiel. Die Funktion u(z) = log |z| ist auf C \ {0} harmonisch. Denn für jedes z0 6= 0 ist u(z) auf U|z0 | (z0 ) der Realteil einer Logarithmusfunktion. Harmonisch konjugiert zu u ist also ein Zweig des Arguments von z auf U|z0 | (z0 ). Auf C \ {0} gibt es keine harmonisch konjugierte Funktion zu u. Satz 6.1 (Lokale Existenz). Es sei D j C eine offene Kreisscheibe. Zu jeder harmonischen Funktion u auf D gibt es dann eine harmonisch konjugierte Funktion v auf D. Beweis. Man darf D = UR (0), 0 < R ≤ ∞ annehmen. Für z ∈ D, x = R(z), y = I(z) wird v(z) = − 0x uy (s)ds + Ry 0 ux (x + it)dt definiert. Hiermit ist v : D → R wohldefiniert. Für das Paar (u, v) weist man dieR CauchyRiemannschen-Differentialgleichungen nach: Es ist vy (z) = ux (x+iy) = ux (z) und vx (z) = −uy (x)+ 0y uxx (x+ Ry it)dt = −uy (x) − 0 uyy (x + it)dt = −uy (x) − (uy (x + iy) − uy (x)) = −uy (z). R Satz 6.2. Es sei u : D → R eine harmonische Funktion auf einer offenen Menge D j R2 . Dann ist u reellanalytisch. Beweis. Satz 1 und §4, Satz 4. Definition. Eine stetige Funktion u : D → R auf einer offenen Menge D j R2 hat die Mittelwerteigenschaft, falls für jedes a ∈ D und jedes r > 0 mit Br (a) ⊂ D die Formel u(a) = 1 2π Z 2π u(a + reit )dt 0 gilt. Satz 6.3. Harmonische Funktionen haben die Mittelwerteigenschaft. Beweis. Es sei D j C offen und u : D → R harmonisch. Ist a ∈ D und Br (a) ⊂ D, so gibt es nach Satz 1 eine zu u harmonisch konjugierte Funktion v auf einer Kreisscheibe Ur+ε (a) für ein ε > 0. Für f = u + iv f (z) 1 R 1 R 2π it ergibt die Cauchysche Integralformel (§4, Satz 2): f (a) = 2πi |z−a|=r z−a dz = 2π 0 f (a + re )dt. Es folgt u(a) = R( f (a)) = 1 R 2π it 2π 0 u(a + re )dt. Satz 6.4 (Maximum- und Minimumprinzip). Es sei D j C ein Gebiet und u : D → R eine stetige Funktion mit der Mittelwerteigenschaft. Dann gilt: 1. Wenn es ein a ∈ D gibt mit u(z) ≤ u(a) für alle z ∈ D, dann ist u konstant. 24 Kapitel 6. Harmonische Funktionen 2. Wenn es ein a ∈ D gibt mit u(z) ≥ u(a) für alle z ∈ D, dann ist u konstant. Beweis. Für ein a ∈ D und alle z ∈ D sei u(z) ≤ u(a). Man setzt A = {z ∈ D | u(z) = u(a)}. Aus der Stetigkeit von u folgt, dass A abgeschlossen in D und somit D \ A offen ist. Es sei z0 ∈ A. Für ein r > 0 gilt Br (z0 ) ⊂ D. Man nimmt an, für ein w ∈ Ur (z0 ) wäre w ∈ / A. Dann folgt u(w) < u(a) = u(z0 ). Aus der Stetigkeit von u folgt 1 R 2π it u(z) < u(a) für alle z in einer Umgebung Uε (w). Für ρ = |z0 − w| > 0 folgt u(z0 ) = 2π 0 u(z0 + ρe )dt < u(z0 ), ein Widerspruch. Damit ist Ur (a) j A gezeigt. (Hier Bild fehlen tut) Also ist A offen. Weil D zusammenhängend ist, folgt A = D. Damit ist (1) bewiesen. Mit −u anstelle von u folgt (2). Satz 6.5. Es sei D j C ein beschränktes Gebiet. Es sei u : D → R eine stetige Funktion mit der Mittelwerteigenschaft, und u sei zu einer stetigen Funktion auf der abgeschlossenen Hülle K fortsetzbar. Wenn u(z) = 0 für alle z ∈ rd(D) ist, dann ist u = 0 auf D. Beweis. Man nimmt u 6= 0 an. Man darf u(z0 ) > 0 für ein z0 ∈ D annehmen. Auf der kompakten Menge K hat u ein Maximum, der Maximalwert ist positiv, und die Werte auf dem Rand sind 0. Das Maximum wird also im Inneren von D angenommen. Das ergibt einen Widerspruch zu Satz 4. Satz 50 6.1. Es sei D ⊂ C ein beschränktes Gebiet, und es sei eine stetige Funktion h : rd(D) → R gegeben. Dann gibt es höchstens eine stetige Funktion u : K → R auf der abgeschlossenen Hülle K von D, die auf D die Mittelwerteigenschaft hat und u(z) = h(z) für alle z ∈ rd(D) erfüllt. Dirichletsches Problem. Existiert ein solches u? Der Poissonsche Kern. Es sei ζ , z ∈ C, |ζ | = R > 0, |z| = r. Die Funktion PR (ζ , z) = Reiθ , 1 2π · R2 −|z|2 |ζ −z|2 heißt reit mit θ ,t ∈ R. Dann folgt Pr (ζ , z) = +z 1 1 1 1 . = 2π · = 2π · R ζζ −z 2π · R2 −2R·r·cos(θ −t)+r2 . Ferner gilt PR (ζ , z) = 2π · −1 +z Falls r < R ist, dann folgt hieraus die Reihenentwicklung ζζ −z = = 1 + ζz 1 − ζz n n r n z z 1 1 + ζz · ∑∞ = 1 + 2 ∑∞ = 1 + 2 ∑∞ · e in(t−θ ) , also PR (ζ , z) = 2π · n=0 ζ n=1 ζ n=1 R |n| n r r 1 1 ∞ 1 + 2 ∑∞ cos(n(t − θ )). Speziell also PR (R, z) = 2π · n=1 R cos(n(t − θ )) = 2π · ∑n=−∞ R |n| |n| r 1 r ∞ ∞ int cos(nt) = 2π · ∑n=−∞ R e . ∑n=−∞ R der Poissonsche Kern zum Radius R. Man schreibt ζ = z= ζ ζ¯ −zz̄ (ζ −z)(ζ¯ −z) R2 −r2 R(ζ +z)(ζ¯ −z̄)) ζ −z)(ζ¯ −z̄) Die Poissonsche Integralformel 6.1. Es sei D j C eine Gebiet, R > 0, BR (0) ⊂ D und f : D → C holomorph. Für z ∈ UR (0) gilt nach §4, Satz 2: Z Z Z ζ¯ f (ζ 1 f (ζ ) 1 1 2π R2 f (ζ f (z) = dζ = dζ = dθ 2πi |ζ |=R ζ − z 2πi |ζ |=R ζ ζ¯ − ζ¯ z 2π 0 R2 − ζ¯ z [mit ζ = Reiθ ]. Man kann f ersetzen durch ζ 7→ f (ζ ) R2 −ζ ζ¯ (bei festem z ∈ UR (0)), denn diese ist holomorph in 2 R2 f (ζ ) (ζ ) 1 R 2π 1 R 2π R f (ζ ) dθ = 2π einer Umgebung von BR (0). Folglich gilt R2f−|z| 2 = 2π 0 0 |R2 −ζ¯ z|2 dθ , also f (z) = (R2 −ζ¯ z)(R2 −ζ z̄) R2 (R2 −|z|2 ) R2 −|z|2 1 R 2π 1 R 2π 2π 0 f (ζ ) · |R2 −ζ¯ z|2 dθ = 2π · 0 f (ζ ) · Z 2π f (z) = 0 |ζ −z|2 dθ , f (ζ )PR (ζ , z)dθ für |z| < R, wobei ζ = Reiθ Satz 6.6. Der Poissonsche Kern hat folgende Eigenschaften: 1. Für beliebige ζ , r mit 0 ≤ r < R = |ζ | gilt it −π PR (ζ , re )dt Rπ =1 2. Die Werte von PR sind positiv. Mit z = reit ist PR (R, z) als Funktion von t gerade und 2π-periodisch. 25 3. Für 0 < δ < |t| ≤ π gilt PR (R, reit ) < PR (R, reiδ ). 4. Für jedes δ > 0 gilt in δ ≤ |t| ≤ π gleichmäßig bezüglich t die Aussage limr→R− PR (R, reit ) = 0. Rπ 1 Rπ r |n| r |n| R π 1 ∞ Beweis. Es gilt −π PR (ζ , reit )dt = 2π cos(n(t − θ ))dt = 2π ∑∞ n=−∞ R −π ∑n=−∞ R −π cos(n(t − 0 θ ))dt = rr = 1. (Hier Bild fehlen tut) Damit ist (1) bewiesen. Die Behauptungen (2) folgen direkt aus der Definition. R2 −r2 1 · R2 −2Rr . Es gilt h0 (t) = Es sei 0 < δ < |t| ≤ π. Man setzt h(t) = PR (R, reit ) = 2π cost+r2 −(R2 −r2 )2Rr sint 2π·(R2 −2Rr cost+r2 )2 < 0. Also ist h(t) für 0 ≤ t ≤ π streng monoton fallend. Damit folgt (3). Bei festem δ , 0 < δ < 2π gilt limr→R− (R2 − 2Rr cos δ + r2 ) = 2R2 (1 − cos δ ) 6= 0. Hieraus und aus (3) folgt (4). Satz 6.7 (Lösung des Dirichletschen Problems für Kreisscheiben). Es sei D die offene und B = B1 (0) die kompakte Einheitskreisscheibe. Es sei h : rd(D1 ) → R eine stetige Funktion. Dann gibt es genau eine stetige Funktion u : B → R, die auf D harmonisch ist und u(z) = h(z) für alle z ∈ rd(D1 ) erfüllt. Es gilt Z π u(z) = P(re i(t−θ ) )h(eiθ )dθ −π für z = reit , r < 1,t ∈ R mit P(z) = P1 (1,z). Beweis. Die Eindeutigkeit von u ist aus Satz 5’ bekannt. Man definiert u(z) = h(z) für z ∈ rd(D1 ), und für z ∈ D1 werde u(z) durch die Formel im Satz definiert. Für z = reit ∈ D1 folgt dann ! Z Z π iθ 1 π 1 1 + re i(t−θ ) e +z iθ iθ · h(e )dθ = R(g(z)) u(z) = h(e )dθ = R · R 2π −π 2π −π eiθ − z 1 − re i(t−θ ) iθ 1 π e +z iθ mit g(z) = 2π −π eiθ −z h(e )dt. Der Integrand ist in eine Potenzreihe nach z entwickelbar, und die Reihe ist gliedweise integrierbar. Also ist g analytisch und zu u = R(g) harmonisch auf D. Zu zeigen bleibt, dass u auch auf rd(D1 ) stetig ist. Es genügt die Stetigkeit im Punkt z = 1 zu beweisen. (Mit h̃(eit ) = h(e i(θ +s) )) statt h(eiθ ) und ũ(z) = u(zeis ) statt u(z) folgt die Stetigkeit im Punkt eis ∈ rd(D1 ).) Man setzt M = sup{|h(z)| | z = rd(D1 )}. Es sei ε > 0. Weil h stetig ist, gibt es ein δ > 0 mit |u(eiθ ) − u(1)| = |h(eiθ ) − h(1)| < ε3 für ε −δ < θ < δ . Aus Satz 6(4) folgt: Es gbit ein ρ, 0 < ρ < 1, mit P(reiθ ) < 6π(M+1) für alle r, θ mit ρ < r und δ < |θ | ≤ π. Mit Satz 6(1) folgt R u(reit )−u(1) = Z π P(re i(t−θ ) )(h(eiθ )−h(1))dθ = −π Z δ P(re i(t−θ ) )(h(eiθ )−h(1))dθ + −δ Z −δ P(re i(t−θ ) )(h(eiθ )−h(1))dθ + −π (Hier Bild fehlen tut) also ε ε ·2· · 2M · 2π < ε. 3 6π(M + 1) 02.12.02 Satz 6.8. Es sei D j C ein Gebiet und u : D → R eine stetige Funktion mit der Mittelwerteigenschaft. Dann ist u harmonisch. Beweis. Es sei a ∈ D. Für ein R > 0 ist B = BR (a) ⊂ D. Nach Satz 7 gibt es eine stetige Funktion v : B → R, die auf U = UR (a) harmonisch ist und die v(z) = u(z) für alle z ∈ rd(B) erfüllt. Dann ist u − v auf rd(B) konstant 0, und u − v hat in U die Mittelwerteigenschaft. Aus Satz 5 folgt somit u − v = 0 auf B. Also ist u = v harmonisch in U. P(r δ , |u(reit ) − u(1)| ≤ Z π 27 Kapitel 7 Isolierte Singularitäten und meromorphe Funktionen Definition. Es sei z0 ∈ U j C, U offen und f : U \ {z0 } → C sei holomorph. Dann heißt z0 eine isolierte Singularität von f . Falls es eine holomorphe Funktion g : U → C gibt, wofür g(z) = f (z) für alle z ∈ U, z 6= z0 erfüllt ist, dann heißt z0 eine hebbare Singularität von f . Satz 7.1 (Riemannscher Hebbarkeitssatz). Es sei z0 ∈ U j C, U offen und f : U \ {z0 } → C holomorph. Dann sind folgende Aussagen äquivalent: 1. Die Singularität z0 von f ist hebbar. 2. Es gibt eine Umgebung V von z0 in U, so dass f auf V \ {z0 } beschränkt ist. 3. Es gilt limz→z0 (z − z0 ) f (z) = 0. Beweis.Nach §4, Satz 7 gilt (b) =⇒ (a). Offenbar gilt (a) =⇒ (b) und (a) =⇒ (c). Es sei (c) erfüllt. Man setze (z − z0 ) f (z) für z ∈ U, z 6= z0 g(z) = Nach Voraussetzung ist g auf U \ {z0 } holomorph und in z0 stetig. 0 für z = z0 Nach §4, Satz 6 ist also g auf U holomorph. Nach §4, Satz 4 hat g um z0 eine Potenzreihenentwicklung mit konstantem Glied 0. Daher wird f durch die Festsetzung f (z0 ) = g0 (z0 ) zu einer auf U holomorphen Funktion fortgesetzt. Also gilt (a). Definition. Es sei z0 eine isolierte Singularität einer Funktion f . Falls limz→z0 | f (z)| = ∞ ist, dann heißt z0 eine Polstelle oder ein Pol von f . Die Polstellen und die hebbaren Singularitäten von f heißen außerwesentliche Singularitäten von f . Isolierte Singularitäten, die weder hebbar noch Pole sind, heißen wesentliche Singularitäten. Definition und Satz 7.2. Eine isolierte Singularität z0 von f ist genau dann außerwesentlich, falls es ein m ∈ Z gibt, so dass (z − z0 )m f (z) eine hebbare Singularität in z0 hat. Genau dann ist z0 eine Polstelle von f , wenn es ein kleinstes m mit dieser Eigenschaft gibt und m > 0 ist. In diesem Fall heißt z0 eine Polstelle der Ordnung m von f , die Zahl m heißt die Polordnung von f in z0 , und w( f , z0 ) = −m heißt die Ordnung von f in z0 . Beweis. Man darf z0 = 0 annehmen. 1. F"ur ein m ∈ Z sei 0 eine hebbare Singularität von zm f (z). Falls dies für jedes m ∈ Z gilt, dann ist f nach §5, Satz 1 in einer Umgebung von 0 konstant 0, und dann ist 0 eine hebbare Singularität von f . Anderenfalls gibt es ein kleinstes m wofür zm f (z) eine hebbare Singularität in 0 hat (und diese sei mit m bezeichnet). Im Fall m ≤ 0 hat f selber eine hebbare Singularität in 0. Es sei nun m > 0. Die Entwicklung von zm f (z) um 0 ist dann zm f (z) = a0 + a1 z + a2 z2 + · · · mit a0 6= 0 (wegen der Minimalität von m). In f (z) = z1m (a0 + a1 z + · · · ) ist daher der zweite Faktor in einer punktierten Umgebung V \ {0} von 0 von 0 weg beschränkt (das heißt ∃δ > 0∀z ∈ V \ {0} : |a0 + a1 z + · · · | ≥ δ ). Wegen m > 0 folgt also limz→0 | f (z)| = ∞. Also hat f in 0 eine Polstelle. 28 Kapitel 7. Isolierte Singularitäten und meromorphe Funktionen 2. Es sei 0 eine außerwesentliche Singularität von f . Falls die Singularität hebbar ist, dann leistet m = 0 das Gewünschte. Nun sei 0 eine Polstelle von f . Für g = 1f folgt dann limz→0 g(z) = 0. Die Singularität von g wird also durch die Festsetzung g(0) = 0 behoben. Da g nicht konstant 0 ist, besteht um 0 eine Entwicklung g(z) = am zm + am+1 zm+1 + · · · mit am 6= 0. Also ist g(z) = zm h(z), worin h in 0 holomorph 1 eine hebbare Singularität in 0. und h(0) 6= 0 ist. Also hat zm f (z) = h(z) Bemerkung. Es sei w( f , z0 ) = −m < 0. Für ein r > 0 besteht dann eine für 0 < |z − z0 | < r gültige Entwickn lung f (z) = ∑∞ n=−m cn · (z − z0 ) mit c−m 6= 0. Dies ist eine Beispiel einer Laurent-Reihe. Satz 7.3 (Satz von Casorati und Weierstraß). Es sei z0 eine isolierte Singularität einer Funktion f . Genau dann ist z0 eine wesentliche Singularität von f , wenn f in jeder genügend kleinen Umgebung von z0 jedem komplexen Wert beliebig nahe kommt, das heißt falls für jedes genügend kleine ε > 0 das Bild { f (z) | z ∈ C, 0 < |z − z0 | < ε} dicht in C ist. Beispiel. exp 1z , exp z12 , . . . , sin 1z in z0 =. Beweis. I. Es sei z0 eine außerwesentliche Singularität. Für z → z0 strebt dann f (z) gegen einen Wert w0 ∈ C oder betragsmäßig gegen ∞. Für alle genügend kleinen ε > 0 ist daher das Bild { f (z) | 0 < |z − z0 | < ε} nicht dicht in C. II. Für ein ε > 0 sei das Bild { f (z) | 0 < |z − z0 | < ε} nicht dicht in C. Für ein w0 ∈ C und ein δ > 0 1 gilt dann Uδ (w0 ) ∩ { f (z) | 0 < |z − z0 | < ε} = 0. / Folglich ist h(z) = f (z)−w auf {z | 0 < |z − z0 | < ε} 0 holomorph und in einer punktierten Umgebung von z0 beschränkt. Nach Satz 1 hat also h in z0 eine 1 hebbare Singularität. Also hat f (z) = w0 + h(z) in z0 eine außerwesentliche Singularität. n Definition. Es sei z0 ∈ C und für jedes n ∈ Z sei ein an ∈ C gegeben. Dann heißt ∑∞ n=−∞ an · (z − z0 ) eine ∞ ∞ n −n Laurent-Reihe. Diese heißt konvergent in z, falls ∑n=0 an (z − z0 ) und ∑n=+1 a−n (z − z0 ) beide konvergieren. Analog wird absolute, gleichmäßige, lokal gleichmäßige, normale Konvergenz erklärt. n Bemerkungen. Der Konvergenzradius der Potenzreihe ∑∞ n=0 an w sei R ∈ [0,∞] und der Konvergenzradius 1 ∞ n n der Potenzreihe ∑n=1 a−n w sei r ∈ [0,∞]. Dann konvergiert die Laurent-Reihe ∑∞ n=−∞ an (z − z0 ) für r < |z − z0 | < R. Im Fall r ≥ R gibt es also keine offene Menge, auf der die Laurent-Reihe konvergiert. Für r < R definiert die Laurent-Reihe eine holomorphe Funktion auf dem Kreisringgebiet D = {z ∈ C | r < |z − z0 | < R}. (Hier Bild fehlen tut) n Satz 7.4. Es sei eine Laurent-Reihe ∑∞ −∞ an (z − z0 ) gegeben. Es sei R der Konvergenzradius der Potenzreihe 1 ∞ n n ∑n=0 an z , es sei r der Konvergenzradius der Potenzreihe ∑∞ n=1 a−n z . Dann gilt: 1. Wenn r ≥ R ist, dann gibt es keine offene Menge ungleich der Leermenge, auf die Laurent-Reihe punktweise konvergiert. 2. Es sei r < R. Dann ist die Laurent-Reihe auf dem Kreisringgebiet D = {z ∈ C | r < |z − z0 | < R} normal konvergent. In jedem Punkt außerhalb der abgeschlossenen Hülle von D ist die Reihe divergent. Durch n f (z) = ∑∞ n=−∞ an (z−z0 ) wird eine holomorphe Funktion f auf D definiert. Wählt man ρ mit r < ρ < R, 1 R so gilt an = 2πi |ζ −z0 |=ρ ζ −zf (ζ))n+1 dζ für alle n ∈ Z ( 0 Beweis. Nur noch die Formel für an ist zu beweisen. Man darf z0 = 0 annehmen. Es sei r < ρ < R. Auf |ζ | = ρ ist die Reihe gleichmäßig konvergent. Gliedweise Integration ergibt 1 2πi Z |ζ |=ρ f (ζ )ζ −(n+1) dζ = 1 2πi Z ∞ ∑ |ζ |=ρ k=−∞ ak ζ k−(n+1) dζ = ∞ ∑ k=−∞ ak · 1 2πi Z |ζ |=ρ ζ k−(n+1) dζ = an 29 Satz 7.5. Es sei f eine holomorphe Funktion auf einem Kreisringgebiet D = {z ∈ C | r < |z − z0 | < R} mit n 0 ≤ r < R ≤ ∞. Dann besitzt f eine Entwicklung f (z) = ∑∞ n=−∞ an (z − z0 ) , die auf D normal konvergiert. Für an gilt die Formel in Satz 4. Im Fall r = 0 hat f in z0 genau dann eine wesentliche Singularität, wenn an 6= 0 für unendlich viele n < 0 gilt. f (z) Beweis. Man darf z0 = 0 annehmen. Es sei z ∈ D gegeben. Man definiert g : D → C durch g(ζ ) = f (ζζ)− für −z ζ 6= z, und durch g(z) = f 0 (z). Nach Satz 1 ist g holomorph auf D. Man wähle r1 , r2 mit r < r1 < |z| < r2 < R. Die Integrationswege γ und Γ seien durch |ζ | = r1 und |ζ | = r2 festgelegt, also γ(t) = r1 eit , Γ(t) = r2 eit , 0 ≤ t ≤ 2π. R R (Hier Bild fehlen tut) Dann gilt γ g(ζ )dζ = Γ g(ζ )dζ Beweis. Man fügt endlich viele radiale Strecken in D ein, die zweimal und in entgegengesetzten Richtungen durchlaufen wrden, und die das Gebiet in sternförmige Teilgebiete zerlegen. Dann wird Γ − γ = γ1 + ·R· · + γN mit geschlossenen Wegen γn , auf Rdie §3, Satz R5 (Cauchyscher Integralsatz) anwendbar ist. Es R folgt Γ−γ g(ζ )dζ = ∑Nν=1 γν g(ζ )dζ = 0, also γ g(ζ )dζ = Γ g(ζ )dζ . Es gilt R γ g(ζ )dζ = R f (ζ ) γ ζ −z dζ − f (z) R dζ γ ζ −z = R f (ζ ) γ ζ −z dζ (nach §3, Satz 5). Es folgt 2πit n+1 R1 R r1 e 1 R 1 R f (ζ ) ∞ 2πit ) · r1 e2πit dt = − 1 f (r e2πit ) · g(ζ )dζ = dζ = f (r e dt = ∑ 1 1 2πit n=0 0 0 2πi γ 2πi γ ζ −z z R r1 eR −z R 1 1 2πit )(r e2πit )n dt z−n = − ∞ n−1 dζ · z−n . Ebenso folgt 1 − ∑∞ ∑n=1 2πi 1 n=1 0 f (r1 e γ f (ζ )ζ 2πi Γ g(ζ )dζ = R R R R 2πit f (ζ ) dζ 1 r2 e 1 1 1 ∞ −(n+1) n 2πit 2πi Γ ζ −z ) · r e2πit −z dt − f (z) = ∑n=0 2πi · Γ 2πi Γ ζ −z = 0 f (r2 e 2 −1 1 R f (ζ ) ∞ n f (z) = ∑n=0 an z + ∑n=−∞ an zn mit an = 2πi Γ ζ n+1 dζ f"ur n ≥ 0 dζ − f (z) · f (ζ )ζ dζ · z − 1 R f (ζ ) 2πi γ ζ n+1 dζ f (z). Somit folgt und an = für n < 0. In beiden Fällen kann über |ζ | = ρ mit beliebigem ρ, r < ρ < R, integriert werden. Die Zusatzbehauptung für r = 0 folgt aus Satz 2. −∞ n n Definition. Man schreibt f = f1 + f2 mit f1 (z) = ∑∞ n=0 an (z − z0 ) , f 2 (z) = ∑n=−1 an (z − z0 ) . Darin heißt f 1 der Nebenteil, f2 der Hauptteil von f . Dabei ist f1 auf |z| < R holomorph, und f2 ist auf |z| > r1 holomorph. Beispiel. Es sei f (z) = In |z| < 1 ist der Hauptteil 0, der Nebenteil f und die Entwicklung ist f (z) = n −2(n+1) . Also ist der · z12 = ∑∞ n=0 (−1) z z 1 1 1 1 − z+i = 2i · z+i + 41 · 1+1z+i = Hauptteil f , der Nebenteil 0. In 0 < |z−i| < 2 ist die Entwicklung f (z) = 2i1 z−i 2i 1 1 1 i n 1 1 ∞ · (z − i)n . Der Hauptteil ist 2i1 · z−i , der Nebenteil ist − 2i1 · z+i . 2i · z−i + 4 · ∑n=0 2 1 1+z2 = n 2n ∑∞ n=0 (−1) z . 1 . z2 +1 In |z| > 1 ist die Entwicklung f (z) = 1 1+ 12 Definition. Es sei D ⊂ C offen, D 6= 0. / Eine meromorphe Funktion auf D ist eine auf einer Menge D \ P( f ) holomorphe Funktion, wobei die Menge P( f ) isoliert in D ist und die Punkte von P( f ) außerwesentliche Singularitäten von f sind. 1 | k ∈ Z}) holomorph, und sie ist auf Diese Funktion ist auf C \ ({0} ∪ { kπ 1 C× = C \ {0} meromorph. Die Menge Pf = kπ | k ∈ Z ist isoliert in C× , aber nicht isoliert in C. Beispiel. Es sei f (z) = 1 . sin( 1z ) Definition. Es sei z0 eine Polstelle einer meromorphen Funktion f . Dann gilt limz→z0 | f (z)| = ∞. Man definiert nun f (z0 ) = ∞. Dabei sei ∞ ∈ / C, man setzt¯ C = C ∪{∞}, und man macht¯ C insolcherWeisezueinemtopologischenRaum, dass f imPunkt z 0 stetig ist. Dazu wird eine Menge U j¯ C offengenannt, wennentweder U j C und U offen in C ist, oder wenn U =¯ C \K mit einer kompakten Menge K ⊂ C ist. Definition (Neufassung). Eine meromorphe Funktion auf einer offenen Menge D 6= 0/ in C ist eine stetige Funktion f : D →¯ C , wo f r P ( f ) = f −1 (∞) = {z ∈ D | f (z) = ∞} eine isolierte Menge in D ist, und wobei f auf D \ P( f ) holomorph ist. Bemerkung. Der topologische Raum¯ C istkompakt. 09.12.02 30 Kapitel 7. Isolierte Singularitäten und meromorphe Funktionen Beweis. Die Hausdorffsche Trennungseigenschaft gilt für C, und sie ist dann für¯ C leichtzuveri f izieren.Essei ( U i )i∈I eine Familie von offenen Mengen in¯ S C mit C = i∈I Ui . Es gibt ein i0 ∈ I mit ∞ ∈ Uio . Das Komplement K = {¯ \ Ui0 ist kompakt in C, und K wird von (Ui ) i∈I\{i0 } überdeckt. Nach dem Satz von Heine-Borel gibt es endlich viele i1 , . . . , in ∈ I \ {i0 } mit K ⊂ Ui1 ∪ . . . ∪UiN . Es folgt¯ C = U i0 ∪Ui1 ∪ . . . ∪UiN . Man nennt¯ C diekompaktifizierte Ebene, dieabgeschlossene Ebene, dieEin-Punkt-Kompaktifizierung, dieZahlenkugel, dieRiemannsche Za P 1 C. Definition. Für eine offene Menge D 6= 0/ in C bezeichne M(D) die Menge aller auf D meromorphen Funktionen. Für f , g ∈ M(D) ist P( f ) ∪ P(g) eine isolierte Menge in D, die Funktionen f + g, f − g und f g sind holomorph auf D \ (P( f ) ∪ P(g)), und sie sind stetig auf D. Diese Funktionen gehören daher zu M(D). Damit ist M(D) ein kommutativer Ring mit Eins. Satz 7.6. Es sei D j C ein Gebiet. Dann ist M(D) ein Körper. Beweis. Es sei f ∈ M(D), f 6= 0. Nach §5, Satz 3 (Identitätssatz) ist die Nullstellenmenge N( f ) isoliert in D \ P( f ). Wegen der Isoliertheit von P( f ) in D und wegen limz→z0 f (z) = ∞ für z0 ∈ P( f ) folgt, dass N( f ) sogar isoliert in D ist. Die Funktion 1f ist holomorph auf D \ N( f ), und sie ist stetig auf D. Daher folgt 1 f ∈ M(D). o n Bemerkung. Im Körper M(D) ist der Quotientkörper gf | f , g ∈ O(D), g 6= 0 des Ringes O(D) der holomorphen Funktionen auf D enthalten. In §14 wird gezeigt, dass hierin stets Gleichheit besteht. Bemerkung. Es sei D j C ein Gebiet. Mit W (D) werde die Menge der Funktionen f bezeichnet, die auf einer Menge D \ I( f ) holomorph sind, wobei I( f ) eine in D isolierte Menge ist. Dann ist W (D) ein Integritätsring. Aber W (D) ist kein Körper. Beispiel: f (z) = sin 1z gehört zu W (C). Aber z0 = 0 ist keine isolierte Singularität von 1f . Daher ist 1f ∈ / W (C), obwohl 1f ∈ W (C× ) ist. Definition. Es sei D j C ein Gebiet, und für ein R > 0 sei {z ∈ C | |z| > R} j D. Dann ist D ∪ {∞} ein Gebiet in¯ C , dasheit D ∪{∞} ist offen in¯ C , nichtleer, und D ∪{∞} ist zusammenhängend. Ist f : D → C holomorph, dann heißt ∞ eine isolierte Singularität von f . Diese werden genauso klassifiziert wie isolierte Singularitäten in C. Der Typ der Singula rität ∞ von z 7→ f (z) ist gleich dem Typ der Singularität 0 von z 7→ f 1z . Die Menge (D ∪ {∞}) aller stetigen Funktionen f : D ∪ {∞} →¯ C , diebisau f Polstellenholomorphsind, isteinKrper. Bemerkung. Alle rationalen Funktionen C). p q mit Polynomen p, q und q 6= gehören zu M(¯ Satz 7.7. Der Körper der meromorphen Funktionen auf¯ C istgleichderMengeallerrationalenFunktionen p(z) q(z) mit Polynomen p und q, wobei q 6= 0 ist. Jede auf¯ C holomorpheFunktionistkonstant. Beweis. Es sei f meromorph auf¯ C , und f seinichtkonstant.Danngibtesein R > 0 , sodass f au f C \BR (0) holomorph ist. Auf der kompakten Kreisscheibe BR (0) hat f nur endlich viele Polstellen. Es sei h(z) die Summe aller Hauptteile von f in den Polstellen von f in BR (0). Dann ist h(z) eine rationale Funktion. Die Differenz g = f − h ist holomorph auf C. Weil g in ∞ eine außerwesentliche Singularität hat, gibt es ein n ∈ N0 mit limz→0 zn · g 1z = 0, also mit limz→∞ z−n g(z) = 0. Mit einem M > 0 gilt also |g(z)| < M · |z|n für alle z ∈ C \ BR (0). Nach §4, Satz 11 (Liouville) ist also g ein Polynom mit grad(g) ≤ n. Folglich ist f = g + h eine rationale Funktion. 31 Kapitel 8 Der globale Cauchysche Integralsatz R Probleme. Es sei D j ein Gebiet. Welche Zyklen γ in D haben die Eigenschaft, dass γ f (z)dz = 0 für alle holomorphen Funktionen f : D → C gilt? Welche Gebiete D haben die Eigenschaft, dass dies für alle Zyklen R γ in D gilt? Man sollte mit einem Studium der Integrale γ ζdζ beginnen. −z 0 1 R dζ 1 R b γ (t ) Bemerkung (Analysis in R2 ). Man untersucht 2πi γ ζ −z = 2πi a γ(t)−z dt für irgendeinen Integrationsweg γ : [a, b] → C mit z ∈ / Spur(γ). Zur Vereinfachung sei z 6= 0 ∈ / Spur(γ). Mit x(t) = R(γ(t)), y(t) = I(γ(t)) wird Z Z b 0 Z b 0 Z b 0 1 1 dζ 1 1 xy0 − x0 y γ (t) γ(t) (x + iy0 )(x − iy) xx + yy0 dt = = dt = +i 2 dt 2πi ζ 2πi a |γ(t)|2 2πi a x2 + y2 2πi a x2 + y2 x + y2 Z b Z p 1 1 b xy0 − x0 y d = (log x2 + y2 )dt + dt 2πi a dt 2π a x2 + y2 Z b |γ(b)| 1 1 y(t) · log + dt. = arctan |γ(a)| 2πi 2π x(t) a Dabei ist arctan Rb y(t) x(t) = arg(γ(t)). Wenn γ ein geschlossener Weg ist, so folgt 1 R dζ 2πi γ ζ = 1 2π · Rb arg(γ(t))dt. Dabei ist a arg(γ(t))dt der gesamte Zuwachs des Arguments arg(γ(t)) längs des geschlos1 R dζ senen Wegs γ, somit also ein ganzzahliges Vielfaches von 2π. Es folgt 2πi γ ζ = n ∈ Z. a Achtung: 11.12.02 xy0 −x0 y (t) = dtd (arctan xy (t)) = dtd (arg γ(t))! x2 +y2 Definition. Es sei γ ein geschlossener Integrationsweg in C und z ∈ C, z ∈ / Spur(γ). Dann heißt n(γ, z) = 1 2πi Z dξ ξ −z die Umlaufzahl oder die Windungszahl oder der Index von γ bezüglich z. Es sei Γ ein Zyklus in C mit einer Darstellung Γ = γ1 + · · · + γr . Dann setzt man n(Γ, z) = 1 2πi r dξ 1 =∑ 2πi Γ ξ −z τ=1 Z Z γτ dξ . ξ −z Satz 8.1 (Satz über die Umlaufzahl). Es sei γ ein geschlossener Integrationsweg in C. Dann gilt: 1. Für alle z ∈ C mit z ∈ / Spur(γ) ist n(γ, z) eine ganze Zahl. 2. Die auf C \ Spur(γ) definierte Funktion n 7→ n(γ, z) ist auf jeder Zusammenhangskomponente von C \ Spur(γ) konstant. 3. Es gibt genau eine unbeschränkte Zusammenhangskomponente von C \ Spur(γ), und auf dieser ist n(γ, z) = 0. 32 Kapitel 8. Der globale Cauchysche Integralsatz Beweis. Es sei t 7→ γ(t), a ≤ t ≤ b eine stückweise stetig differenzierbare Parametrisierung. Für z ∈ C \ R t γ 0 (s) Spur(γ) setzt man g(t) = a γ(s)−z ds. Dann ist g : [a, b] → C stetig und stückweise stetig differenzierbar. Es γ 0 (t ) gilt g0 (t) = γ(t)−z in den den Punkten mit Differenzierbarkeit, g(a) = 0 und g(b) = 2πi · n(γ, z). Man setzt G(t) = e −g(t) (γ(t) − z). Auch G ist stetig und stückweise stetig differenzierbar, und es ist G0 (t) = e −g(t) · (−g0 (t) · (γ(t) − z) + γ 0 (t)) = 0 in allen Punkten der Differenzierbarkeit. Also ist G lokal konstant. Wegen der Stetigkeit ist also G konstant. Also gilt 0 6= γ(a) − z = G(a) = G(b) = e −2πin(γ,z) · (γ(a) − z), folglich e −2πi·n(γ,z) = 1. Mit §1, Satz 3 folgt n(γ, z) ∈ Z. Zu (2): Es wird gezeigt, dass z 7→ n(γ, z) stetig auf C \ Spur(γ) ist. Aus §4, Satz 3 folgt sogar, dass 1 R dξ z 7→ n(γ, z) = 2πi γ ξ −z analytisch ist. Zu jedem z ∈ C \ Spur(γ) gibt es daher eine Umgebung U von z in C \ Spur(γ) mit |n(γ, z) − n(γ, w)| < 1 für alle w ∈ U. Es seien z1 , z2 Punkte in der gleichen Zusammenhangskomponente von C \ Spur(γ). Dann gibt es einen Weg in C \ Spur(γ) von z1 nach z2 . Dieser wird nach Heine-Borel von endlich vielen offenen Mengen überdeckt, auf denen n(γ, z) jeweils konstant ist. Daher folgt n(γ, z1 ) = n(γ, z2 ). Zu (3): Da Spur(γ) kompakt ist, gibt es ein R > 0 mit {z ∈ C : |z| > R} j C \ Spur(γ). Weil {z ∈ C : |z| > R} zusammenhängend ist, gibt es nur (und genau) eine unbeschränkte Zusammenhangskomponente von C \ Spur(γ). Wählt man R > 0 genügend groß, dann gilt 0 γ (t) 2π γ(t) − z < b − a für alle z mit |z| > R und alle t ∈ [a, b]. Für alle z mit |z| > R folgt dann Z b 0 1 γ (t) 1 2π |n(γ, z)| ≤ · dt < (b − a) · = 1, 2π a γ(t) − z 2π b−a wegen n(γ, z) ∈ Z also n(γ, z) = 0. Definition. Es sei D j C ein Gebiet. Ein geschlossener Integrationsweg γ in D (oder ein Zyklus Γ in D) heißt nullhomolog in D, falls n(γ, z) = 0 (bzw. n(Γ, z) = 0) für alle z ∈ C \ D gilt. Zwei Zyklen Γ1 und Γ2 heißen homolog in D falls die Differenz Γ1 − Γ2 nullhomolog in D ist. Vermutung. Die nullhomologen Zyklen Γ in D sind genau diejenigen, wofür (CIS) 1 R f (ξ n(Γ, z) · f (z) = 2πi Γ ξ −z dξ für alle holomorphen Funktionen f auf D erfüllt ist. Beweisidee. Man bringt (CIF) in die Gestalt 1 R f (ξ )− f (z) dξ 2πi Γ ξ −z R Γ f (z)dz = 0 und (CIF) = 0 für alle z ∈ C \ Spur(Γ). Man untersucht 1 R f (ξ − f (z) dξ . 2πi Γ ξ −z z 7→ Diese Funktion strebt gegen 0 für z 7→ ∞. Man setzt sie zu einer ganzen Funktion fort. Diese ist folglich nach dem Satz von Liouville konstant 0. Satz 8.2 (Integrale mit holomorphen Parametern). Es sei A j C, A 6= 0, / D j C, D 6= 0, / D offen und g : A × D → C eine stetige Funktion. Für jedes w ∈ A sei z 7→ g(w, z) holomorph auf D mit der Ableitung h(w, z) = ∂∂z g(w, z). Dann gilt: 1. Die Funktion h : A × D → C ist stetig. R 2. Ist γ ein Integrationsweg in A, dann wird durch G(z) = γ g(w, z)dw eine holomorphe Funktion G : R dn 0 D → C definiert. Ihre Ableitungen sind G(n) (z) = γ dz n g(w, z)dw für n ≥ 0, und speziell ist G (z) = R γ h(w, z)dw. Beweis. I. Es sei (w0 , z0 ) ∈ A × D. Für ein r > 0 gilt B2r (z0 ) ⊂ D. Für die Kreislinie Γ(t) = z0 + re2πit , 0 ≤ t ≤ 1 gilt dann: Zu jedem ε > 0 gibt es ein δ > 0, so dass für alle w ∈ Bδ (w0 ) ∩ A und alle z ∈ Spur(Γ) die Abschätzung |g(w, z) − g(w0 , z)| ≤ ε gilt. 33 Beweis. Falls Bρ (w0 ) j A für ein ρ > 0 gilt, dann ist g auf der kompakten Menge Bρ × Spur(Γ) gleichmäßig stetig, und dann ist die Behauptung klar. Allgemein sei ein ε > 0 gegeben. Zu jedem a ∈ Spur(Γ) gibt es ein δa > 0, so dass für alle (w, z) ∈ A × D mit |w − w0 | < δa und |z − a| < δa die Abschätzung |g(w, z) − g(w0 , z0 | < 21 ε gilt. Die Kreislinie Γ wird von endlich vielen Kreisscheiben Uδa (a) überdeckt. Es sei δ > 0 das Minimum der auftretenden δa . Nun seien w ∈ Bε (w0 ) ∩ A und z ∈ Spur(Γ) gegeben. Es sei z0 der (ein) zu z nächstgelegener Mittelpunkt einer der überdeckenden Kreisscheiben. Es folgt |z − z0 | ≤ δz0 und |g(w, z) − g(w0 , z)| ≤ |g(w, z) − g(w0 , z0 )| + |g(w0 , z0 ) − g(w0 , z)| < ε2 + ε2 = ε. II. Es sei (w0 , z0 ) ∈ A × D, und r und Γ seien wie zuvor erklärt. Zu ε > 0 sei δ > 0 wie in Teil I gewählt. Man kann §4, Satz 1 (lokale CIF) auf die Ableitungen der Funktionen z 7→ g(w, z) und z 7→ g(w0 , z) auf einer Umgebung von B2r (z0 ) anwenden. Für beliebige w ∈ Bδ (w0 ) ∩ A und z ∈ Br (z0 ) folgt daher |h(w, z) − h(w0 , z0 )| ≤ |h(w, z) − h(wo , z)| + |h(w0 , z) − h(w0 , z0 )| 1 Z g(w, ξ ) − g(w0 , ξ ) dξ + |h(w0 , z) − h(w0 , z)| = 2πi Γ (ξ − z)2 1 ε ε ≤ · 2πr 2 + | · · · | = + |h(w0 , z) − h(w0 , z0 )|. 2π r r Als Ableitung von z 7→ g(w0 , z)| ist z 7→ h(w0 , z) stetig. Für genügend kleines |z−z0 | folgt also |h(w, z)− h(w0 , z)| < 2εr . Somit ist h stetig in jedem Punkt (w0 , z0 ) (als Funktion von 2 Variablen). 16.12.02 III. Es sei z0 ∈ D. Für ein r > 0 mit Br (z0 ) ⊂ D. Für alle z ∈ Br (0) folgt: Z Z G(z0 + z) − G(z0 ) − z h(w, z0 )dw = (g(w, z0 + z) − g(w, z0 ) − zh(w, z0 )) dw γ γ ≤ L(γ) · sup {|g(w, z0 + z) − g(w, z0 ) − zh(w, z0 )| : w ∈ Spur(γ)} . Die Strecke Sz0 ,z+z0 von z0 nach z0 + z verläuft in Br (z0 ) ⊂ D. Es folgt Z z +z Z z +z 0 0 (h(w, ζ ) − h(w, z0 )) dζ |g(w, z0 + z) − g(w, z0 ) − zh(w, z0 )| = h(w, ζ )dζ − zh(w, z0 ) = z0 z0 ≤ |z| · sup |h(w, ζ ) − h(w, z0 )| : ζ ∈ Sz0 ,z0 +z . Damit folgt Z G(z0 + z) − G(z0 ) − z h(w, z0 )dw ≤ |z| · L(γ) · sup |h(w, ζ ) − h(w, z0 )| : w ∈ Spur(γ), ζ ∈ Sz ,z +z 0 0 γ ≤ |z| · L(γ) · sup {|h(w, ζ ) − h(w, z0 )| : w ∈ Spur(γ), ζ ∈ Br (z0 )} . Auf der kompakten Menge Spur(γ) × Br (z0 ) ist die stetige Funktion h gleichmäßig stetig. Zu jedem ε > 0 gibt es also ein δ > 0, so dass für alle w ∈ Spur(γ) und alleRζ ∈ Bδ (z0 ) die Ungleichung |h(w, ζ )− h(w, z0 )| < ε gilt. Für alle z ∈ Uδ (0) folgt G(z0 + z) − G(z0 ) − z γ h(w, z0 )dw ≤ |z|·L(γ)·ε. Der Faktor bei |z| auf der rechten Seite strebt gegen 0 für z → 0. Daher folgt die Differenzierbarkeit von G im Punkt R z0 , sowie G0 (z0 ) = γ h(w, z0 )dw. Das gilt für jedes z0 ∈ D. Die Voraussetzungen an g sind damit für h reproduziert. Induktiv folgt die Behauptung für die höheren Ableitungen G(n) (z). Satz 8.3 (Globaler Cauchyscher Integralsatz und Integralformel). Es sei D j C ein Gebiet und γ ein nullhomologer Zyklus in D. Für jede holomorphe Funktion f : D → C und jeden Punkt z ∈ D \ Spur(γ) gilt dann Z Z k! f (ζ ) (k) f (ζ )dζ = 0 und n(γ, z) · f (z) = dζ für k = 0,1,2, . . . 2πi γ (ζ − z)k+1 γ f (ζ )− f (z) 1 Beweis. Zuerst wird die Cauchysche Integralformel für k = 0 bewiesen. Zu zeigen ist 2πi dζ = γ ζ −z ( f (ζ )− f (z) für ζ 6= z ζ −z 0 für alle z ∈ D \ Spur(γ). Man setzt g(ζ , z) = . Für jedes ζ ∈ D ist z 7→ g(ζ , z) f 0 (ζ ) für ζ = z R 34 Kapitel 8. Der globale Cauchysche Integralsatz holomorph auf D (§4, Satz 6). Die Stetigkeit von g in Punkten (ζ0 , z0 ) mit ζ0 6= z0 ist klar. Es sei ζ0 ∈ D und ε > 0. Für ein r > 0 ist Ur (ζ0 ) j D und | f 0 (ζ ) − f 0 (ζ0 )| < ε für alle ζ ∈ Ur (ζ0 ). Für alle ζ ∈ Ur (ζ0 ) ζ und alle z ∈ Ur (ζ0 ) mit ζ 6= z folgt |g(ζ , z) − g(ζ0 , ζ0 )| = ζ R−z ( f 0 (w) − f 0 (ζ0 ))dw < ε. Folglich ist g stetig z R in (ζ0 , ζ0 ). Aus Satz 2 folgt daher, dass G(z) γ g(ζ z)dζ eine holomorphe Funktion auf D ist. Für z ∈ D mit n(γ, z) = 0 folgt G(z) = R f (ζ )− f (z) ζ −z R ) G(z) = γ ζf (ζ dζ −z γ R dζ R f (ζ ) 0 γ ζ −z dζ − f (z) γ ζ −z = γ ζ −z dζ . Man setzt nun D = {z ∈ C | z ∈ D0 . Dann ist die neue Definition von G(z) für z ∈ D0 ∩ D konsistent dζ = R f (ζ ) n(γ, z) = 0} und für mit der alten. Nach §4, Satz 3 ist G auch auf D0 holomorph. Da γ nullhomolog in D ist, folgt D ∪ D0 = C. Somit ist G eine ganze Funktion. Nach Satz 1 enthält D0 die unbeschränkte Zusammenhangskomponente von C \ Spur(γ). Für alle genügend großen R > 0 gilt daher Spur(γ) ⊂ UR (0), und für alle z ∈ C \ UR (0) gilt R ) G(z) = γ ζf (ζ dζ . Für alle z ∈ C mit |z| ≥ 2R folgt |G(z)| ≤ L(γ) · R1 · sup{| f (ζ )| | ζ ∈ Spur(γ)}. Da Spur(γ) −z kompakt ist, folgt G(z) → 0 für z → ∞. Aus dem Satz von Liouville folgt daher, dass G konstant 0 ist. Damit 1 R f (ζ )− f (z) ist 2πi dζ = 0 für alle f und alle z ∈ D \ Spur(γ) bewiesen. γ ζ −z Hieraus und aus §4, Satz 3 folgt die Cauchysche Integralformel für beliebige k ≥ 0, da z 7→ n(γ, z) lokal konstant ist. Anwendung der Cauchyschen Integralformel auf z 7→ f (z) und z 7→ z f (z) ergibt nun für w ∈ C \ Spur(γ): 1 2πi Z f (z)dz = γ 1 2πi Z γ (z − w) f (z) 1 dz − w · z−w 2πi Z γ f (z) = n(γ, w) · w f (w) − wn(γ, w) f (w) = 0. z−w Bemerkungen. Die Beweisanordnung stammt von J.D. Dixon (1971). Zwei Ketten γ1 und γ2 in D heißen homolog in D,Rfalls die Kette γ1 − γ2 ein Zyklus ist und nullhomolog R in D ist. Wenn dies der Fall ist, dann gilt γ1 f (z)dz = γ2 f (z)dz für alle holomorphen f : D → C. Definitionen. Ein Gebiet D j C heißt einfach zusammenhängend, falls jeder Zyklus in D nullhomolog in D ist, das heißt falls n(γ, z) = 0 für jeden Zyklus γ in D und jedes z ∈ C \ D gilt. Satz 8.4. Es sei D ein einfach zusammenhängendes Gebiet in C. Für jede holomorphe Funktion f : D → C und jeden Zyklus γ in D gilt dann Z f (z)dz = 0. γ Beweis. Definition und Satz 3. Satz 8.5 (Satz über den Logarithmus). Es sei D j C ein einfach zusammenhängendes Gebiet, und f : D → C sei holomorph und nullstellenfrei. Dann gibt es eine holomorphe Funktion g : D → C mit f (z) = e g(z) für alle z ∈ D. Jedes solche g heißt ein Zweig des Logarithmus von f . R f 0 (z) Beweis. Nach §4, Satz 4 ist f 0 holomorph. Auch f 0 / f ist holomorph auf D. Aus Satz 4 folgt γ f (z) dz = 0 für jeden geschlossenen Integrationsweg γ in D. Nach §3, Satz 2 besitzt f 0 / f also eine holomorphe Stammfunktion F auf D. Für alle z ∈ D folgt f 0 (z) d −F(z) −F(z) 0 f (z) = e · f (z) − f (z) · f (z) = 0. dz e Also ist e −F(z) · f (z) = c eine Konstante ungleich Null. Für ein a ∈ C ist c = ea . Dann folgt f (z) = e a+F(z) , und g(z) = a + F(z) leistet das Gewünschte. Bemerkungen. Auf f (z) = z und D = C ist Satz 5 nicht anwendbar, auf f (z) = z und D = C \ {0} ebenfalls nicht. Auf f (z) = z und D = C \ {t ∈ R | t ≤ 0} ist Satz 5 anwendbar, ebenso auf f (z) = z und D = {z ∈ C | I(z) > 0}. 35 Kapitel 9 Der Residuensatz 08.01.03 Der RCauchysche Integralsatz (CIS) besagt: Ist f holomorph auf D und γ ein nullhomologer Zyklus in D, dann gilt γ f (z) dz = 0. Neue Situation: Sei jetzt D ein Gebiet, A ⊂ D isoliert in D, f : D \ A → C holomorph und γ ein Zyklus in D \ A, wobei γ nullhomolog in D ist. ag replacements D Satz 9.1. Es sei f : D → C holomorph auf D = {z ∈ C : r < |z − z0 | < R} mit z0 ∈ C und 0 ≤ r < R ≤ ∞, und n es sei f (z) = ∑∞ n=−∞ an (z − z0 ) für z ∈ D. Für jeden geschlossenen Integrationsweg γ in D gilt dann 1 2πi Z f (z) dz = n(γ, z0 ) · a−1 γ Für jedes ρ mit r < ρ < R gilt 1 2πi Z |z−z0 |=ρ f (z) dz = a−1 a −1 Beweis. Die Funktion g(z) = f (z) − z−z = ∑n∈Z,n6=−1 an (z − z0 )n hat auf D die Stammfunktion 0 an n+1 G(z) = ∑n∈Z,n6=−1 n+1 · (z − z0 ) . Nach §3, Satz 2 gilt also Z Z f (z) dz = γ Z g(z) dz + γ γ a−1 dz = z − z0 Z γ a−1 dz = 2πi · a−1 n(γ, z0 ). z − z0 Definition. Es sei z0 eine isolierte Singularität einer Funktion f . Für 0 < |z − z0 | < R mit einem R > 0 besteht n dann eine Laurent-Entwicklung f (z) = ∑∞ n=−∞ an (z − z0 ) . Man nennt a−1 das Residuum von f in z0 . Es wird mit Res( f , z0 ); Resz=z0 f (z) oder Res( f (z), z0 ) bezeichnet. Nach Satz 1 gilt Res( f , z0 ) = 1 2πi Z f (z) dz |z=z0 |=ρ für jedes ρ mit 0 < ρ < R. Achtung. In Satz 1 ist a−1 im allgemeinen nicht das Residuum von f in z0 . Beispiel: f (z) = z0 = 0 für 1 < |z| < 2 oder |z| > 2. 1 z(z−1)(z−2) mit 36 Kapitel 9. Der Residuensatz Satz 9.2 (Residuensatz). Es sei D j C ein Gebiet, A ⊂ D, A isoliert in D, f : D \ A → C holomorph. Es sei γ ein geschlossener Integrationsweg in D \ A, und γ sei nullhomolog in D. Dann gilt n(γ, a) 6= 0 nur für endlich viele a ∈ A, und es ist 1 2πi Z f (z) dz = γ ∑ n(γ, a) · Res( f , a) a∈A Beweis. Die Menge Hγ = {z ∈ C \ Spur(γ) | n(γ, z) = 0} ist nach §8, Satz 1 offen, und sie enthält die unbeschränkte Zusammenhangskomponente von C \ Spur(γ). Sfrag replacements A Daher ist C \ Hγ = Spur(γ) ∪ {z ∈ C | n(γ, z) 6= 0} abgeschlossen und beschränkt, also kompakt. Weil γ nullhomolog in D ist, gilt C \ Hγ ⊂ D. Folglich ist Aγ := A ∩ (C \ Hγ ) = {a ∈ A | n(γ, a) 6= 0} endlich. Denn anderenfalls hätte A in der kompakten Menge C \ Hγ einen Häufungspunkt, der zu A und D gehört, und A wäre nicht isoliert in D. Für jedes a ∈ A bezeichne ha den Hauptteil der Laurent-Entwicklung von f in 0 < |z − a| < Ra mit geeigneten Ra > 0. Nach §7 ist ha (z) auf C \ {a} holomorph. Ferner hat f − ha eine hebbare Singularität in a. Daher kann g = f − ∑a∈Aγ ha zu einer holomorphen Funktion auf D̃ = (D \ A) ∪ Aγ = D \ (A \ Aγ ) fortgesetzt werden. Für alle a ∈ A \ Aγ gilt n(γ, a) = 0, und daher ist γ sogar nullhomolog in D̃. Aus §8, Satz R 3 (Cauchyscher Integralsatz) folgt also γ g(z)dz = 0. Also folgt 1 2πi Z γ 1 f (z)dz = 2πi = ! Z g(z) + γ ∑ ha (z) ∑ dz = a∈Aγ a∈Aγ 1 2πi Z ha (z)dz γ Satz 1 mit = r=0,R=∞ ∑ n(γ, a) Res(ha , a) a∈Aγ ∑ n(γ, a) Res( f , a) a∈A Satz 9.3 (Berechnung von Residuen). Es seien f und g meromorphe Funktionen auf einem Gebiet D j C. Für a ∈ D gilt dann 1. Wenn w( f , a) ≥ −1 ist, das heißt wenn f in a holomorph ist oder einen Pol erster Ordnung hat, dann gilt Res( f , a) = limz→a (z − a) f (z). 2. Wenn w( f , a) ≥ 0 und w(g, a) = 1 ist, dann gilt Res gf , a = gf0(a) (a) . 3. Wenn f nicht konstant 0 ist, dann gilt Res f0 f ,a = w( f , a). n Beweis. Zu (1): Ist w( f , a) ≥ −1, so ist f (z) = ∑∞ n=−1 an (z − a) in 0 < |z − a| < R, und es folgt Res( f , a) = a−1 = limz→a (z − a) f (z). Zu (2): Es sei w( f , a) ≥ 0, w(g, a) = 1. Dann ist w gf , a = w( f , a) − w(g, a) ≥ −1 und aus (1) folgt f (z) f (z) Res gf , a = limz→a (z − a) · g(z) = limz→a g(z)/(z−a) = gf0(a) (a) . 37 Zu (3): Es ist f (z) = (z − a) w( f ,a) · h(z), worin h im Punkt a holomorph mit h(a) 6= 0 ist. Es folgt 0 h0 (z) f 0 (z) w( f ,a) + h(z) . Dabei ist hh holomorph f (z)= z−a 0 f ,a) Res ff , a = Resz=a w(z−a = w( f , a). Beispiele. in a, und daher folgt sin z in z = 0: Es ist z2 ·(z2 −2) 1 sin z f (z) = limz→0 z · z21−2 = 1 · −2 1. Betrachte f (z) = Res( f ,0) = limz→0 z · 2. Es gilt Res sin1 z , kπ = 1 sin0 (kπ ) = − 21 . 1 cos(kπ) = (−1)k für k ∈ Z. sin0 (z) Außerdem ist Res(cotg(z), kπ) = Res sin(z) , kπ = w(sin(z), kπ) = 1. = 3. Die Funktion f (z) = exp z + 1z hat in z = 0 eine wesentliche Singularität, Satz 3 ist nicht anwendbar. 2 3 Es gilt f (z) = 1 + z + 1z + 2!1 z + 1z + 3!1 z + 1z + · · · , und der Koeffizient a−1 bei 1z ist 1 1 1 1 Res( f ,0) = a−1 = 1 + 3!1 · 31 + 5!1 52 + 7!1 73 + · · · = 1 + 1!2! + 2!3! + 3!4! + · · · = ∑∞ n=0 n!(n+1)! . Folglich ist Z Z 1 ∞ 1 2πit −2πit 1 1 ∑ n!(n + 1)! = Res( f ,0) = 2πi |z|=1 ez+ z dz = 0 ee +e · e2πit dt n=0 Z 1 = e 2 cos(2πt) (cos(2πt) + i sin(2πt)) dt = 0 Z 1 e 2 cos(2πt) · cos(2πt) dt. 0 13.01.03 Definition. Ein Zyklus γ in C heißt der positiv orientierte Rand einer kompakten Menge K ⊂ C, falls Spur(γ) = rd(K) die Randmenge von K ist und n(γ, z) = 1 0 für z ∈ K \ rd(K) gilt. für z ∈ /K Man schreibt dann γ = ∂ K. Satz 9.4 (Argumentprinzip, Nullstellen und Polstellen zählendes Integral). Es sei D j C ein Gebiet, F : D → C holomorph f : D → C meromorph und nicht konstant. Der Zyklus γ in D sei nullhomolog in D, und auf Spur(γ) habe f weder Nullstellen noch Polstellen. Dann gilt 1 2πi Z f 0 (z) dz = ∑ n(γ, a) · F(a) · w( f , a). f (z) a∈D F(z) · γ Falls γ = ∂ K der positiv orientierte Rand einer kompakten Menge K ⊂ D ist, dann gilt 1 2πi und 1 2πi Z Z ∂K f 0 (z) dz = ∑ a · w( f , a) f (z) a∈K z· ∂K f 0 (z) dz = ∑ w( f , a) = NK − PK , f (z) a∈K worin NK und PK die mit ihren Vielfachheiten gezählten Anzahlen der Nullstellen und Polstellen von f sind. Beweis. Aus Satz 2 und Satz 3(3) folgt f 0 (z) 1 R F(z) dz = n(γ, a) · Res F· ∑ a∈D γ 2πi f (z) f0 f ,a = ∑a∈D n(γ, a) · F(a) · w( f , a). Satz 9.5 (Satz von Rouché). Es sei D j C ein Gebiet und γ = ∂ K sei der positiv orientierte Rand einer kompakten Menge K ⊂ D. Es seien f und g meromorphe Funktionen auf D, die auf rd(K) weder Nullstellen noch Polstellen haben. Es sei | f (z) − g(z)| < |g(z)| für alle z ∈ rd(K). Dann gilt ∑a∈D w( f , a) = ∑a∈K w(g, a). Wenn f und g beide holomorph sind, dann haben f und g unter Berücksichtigung der Vielfachheiten gleich viele Nullstellen in K. 38 Kapitel 9. Der Residuensatz Erster Beweis. Für die meromorphe Funktion h = f g erfüllt |h(z) − 1| < 1 für alle z ∈ rd(K). Der Zyklus h ◦ γ verläuft also in U1 (1). Also liegt 0 in der unbeschränkten Komponente von C \ Spur(h ◦ γ). Es folgt Z Z 0 Z 0 dw h (z) f 1 1 1 g0 0 = n(h ◦ γ) = = dz = − (z) dz 2πi h◦γ w 2πi γ h(z) 2πi γ f g Z 0 Z 0 1 f (z) 1 g (z) = dz − dz 2π γ f (z) 2πi γ g(z) = ∑ w( f , a) − ∑ w(g, a). a∈K a∈K Zweiter Beweis. Für 0 ≤ λ ≤ 1 sei hλ = g+λ ( f −g). Wegen | f −g| < |g| auf rd(K) hat kein hλ eine Nullstelle h0λ (z) 1 R oder eine Polstelle auf rd(K). Die Integrale 2πi ∂ K hλ (z) dz sind also wohldefiniert, ganzzahlig (nach Satz 4), und sie hängen stetig von λ ab, und sie sind folglich unabhängig von λ . Es folgt 1 ∑ w( f , a) = 2πi a∈K Z γ h01 (z) 1 dz = h1 (z) 2πi Z γ h00 (z) dz = ∑ w(g, a). h0 (z) a∈K Beispiel. 1. Es sei f (z) = a0 + a1 z + · · · + an zn mit an 6= 0 ein Polynom vom Grad n. Man vergleicht f mit g(z) = zn . Nach dem Wachstumslemma in §4 gibt es ein R > 0 mit | f (z) − an g(z)| = |a0 + a1 z + · · · an−1 zn−1 | < |an g(z)|. für alle z mit |z| = R. Aus Satz 5 folgt also, dass f (z) in |z| < R mit Vielfachheiten genau n Nullstellen hat. 2. Es sei f (z) = z7 − 6z6 + 3z5 + 1. Man vergleicht f (z) auf |z| = 1 mit g(z) = −6z6 . Dort gilt | f (z) − g(z)| = |z7 + 3z5 + 1| ≤ |z|7 + 3|z|5 + 1 = 5 < 6 = |g(z)|. Nach Satz 5 hat f also (mit Vielfachheiten) genau 6 Nullstelllen in |z| < 1 und genau eine einfache Nullstelle in |z| > 1. Für |z| = r mit r = 0,65 < 1 gilt | f (z) − 1| ≤ r7 + 6r6 + 3r5 = r5 (r2 + 6r + 3) < 1. Daher hat f in |z| < 0,65 keine Nullstellen und in 0,65 < |z| < 1 genau 6 Nullstellen. Satz 9.6. Es sei D j C ein Gebiet, und γ = ∂ K der positiv orientierte Rand einer kompakten Menge K ⊂ D. Die Funktion ϕ : D → C sei holomorph und nicht konstant. Für alle z0 ∈ C \ ϕ(rd(K)) gilt n(ϕ ◦ γ, z0 ) = ∑ w(ϕ − z0 , a). a∈K Die Umlaufzahl des Bildzyklus ϕ ◦ γ bezüglich z0 ist gleich der Summe der mit ihren Vielfachheiten gezählten z0 -Stellen der Funktion ϕ in K. Falls ϕ injektiv ist, dann gilt: 1 für z0 ∈ ϕ(K \ rd(K)), n(ϕ ◦ γ, z0 ) = 0 für z0 ∈ / ϕ(K). Beweis. Es ist n(ϕ ◦ γ, z0 ) = 1 R dz 2πi ϕ◦γ z−z0 = ϕ 0 (w) 1 R γ 2πi ϕ(w)−z0 dw = ∑a∈K w(ϕ − z0 , a). Satz 4 39 Bemerkung (Transformation von Residuen). Es seien U und V Gebiete in C, ϕ : V → U biholomorph, f : U → C meromorph mit einer Polstelle z0 . Es sei w0 = ϕ −1 (z0 ). Gilt dann Res( f ◦ ϕ, w0 ) = Res( f , z0 )??? Es sei γ(t) = w0 + reit , 0 < t < 2π, eine Kreislinie um w0 , in deren Inneren keine Polstelle von f ◦ ϕ außer w0 liegt. Weil ϕ bijektiv ist, gilt n(ϕ ◦ γ, z0R) = n(γ, w0 ) = 1 nach Satz 6. Mit Satz 2 folgt 1 R 1 Res( f , z0 ) = Res( f , z0 ) · n(ϕ ◦ γ, z0 ) = 2πi f (z) dz = ( f ◦ ϕ)(w)ϕ 0 (w) dw = Res(( f ◦ ϕ) · ϕ 0 , w). ϕ◦γ 2πi γ Es gilt also Res( f , z0 ) = Res(( f ◦ ϕ) · ϕ 0 , ϕ −1 (z0 )). Das Differential ω(z) = f (z) dz transformiert sich gemäß (ω ◦ ϕ)(w) = f (ϕ(w)) · ϕ 0 (w) dw. Man sollte Res( f , z0 ) = Res(ω, z0 ) besser als Residuum des Differentials ω in z0 auffassen. Dann wird Res(ω, z0 ) = Res(ω ◦ ϕ, ϕ −1 (z0 )). 41 Kapitel 10 Auswertung von Integralen mit der Residuenmethode 10.1 I Es sei IR = R 2π 0 R(cost, sint)dt, wobei R(X,Y ) = (x, y) ∈ R2 Q(x, y) 6= 0 für alle Mit dem Residuensatz folgt mit x2 + y2 = 1. Mit P(X,Y ) Q(X,Y ) z = eit mit Polynomen P, Q in zwei Variablen ist. Es sei wird R(cost, sint)dt = R 21 z + 1z , 2i1 z − 1z dz iz . Satz 10.1. Es sei R = QP mit Polynomen P und Q in zwei Variablen, und es sei Q(x, y) 6= 0 für alle (x, y) ∈ R2 mit x2 + y2 = 1. Dann gilt Z 2π R(cost, sint) dt = 2π 0 mit f (z) = 1z · R 1 2 f (z) = · Res( f , a) z + 1z , 2i1 z − 1z . Beispiel. Für c > 0 soll I = 1 z ∑ |a|<1 1 z 1 1 z− 1 2 c+( 2i ( z )) π 1 R 2π π dt dt 2 0 c+sin2 t berechnet werden. Es gilt I = 4 0 c+sin2 t = 2 · ∑|a|<1 Res( f , a) 1 z = −4 · 4 . Die Nullstellen des Nenners sind 2 z −4(c+ 12 )z2 +1 − z4 +c+ 12 − 12 R mit = · 4z q p z1,2 = ± 2c + 1 + (2c + 1)2 − 1 und q p z3,4 = ± 2c + 1 − (2c + 1)2 − 1 . Es folgt π π z3 z4 I = (Res( f , z3 ) + Res( f , z4 )) = − · 4 · + 2 2 (z3 − z1 )(z3 − z2 )(z3 − z4 ) (z4 − z1 )(z4 − z2 )(z4 − z3 ) z3 z3 1 = −2π − = −2π · 2 2 (z3 − z1 )(z3 + z1 ) · 2z3 (−z3 − z1 )(−z3 + z1 ) · (−2z3 ) z3 − z1 π π =p = p . 2 c(c + 1) (2c + 1)2 + 1 10.2 II +∞ Es sei I = −∞ R(x) dx, wobei R = QP mit P, Q in einer Variablen mit Q(x) 6= 0 für alle x ∈ R und n = grad(Q) ≥ r +γ . 2 + grad(P) = 2 + m ist. Für r > 0 sei γr (t) = reit , 0 ≤ t ≤ π sowie Γr = S−r r R ag replacements γr −r 0 r -r 0 r 42 Kapitel 10. Auswertung von Integralen mit der Residuenmethode Für genügend großes r liegen alle in Iz > 0 gelegenen Polstellen von R im Inneren von Γr , und es folgt Z lim r→∞ Γr R(z)dz = 2πi ∑ Res(R(z), a). I(a)>0 Es ist R(z) = zm−n · g(z), wobei limz→∞ g(z) = c für ein c ∈ C, c 6=0 ist. Mit gewissen M > 0, r0 > 0 gilt R dann |g(z)| ≤ M für alle z ∈ C mit |z| ≥ r0 . Für r ≥ r0 folgt γr R(z)dz ≤ πr · rm−n M = πM · r −(n−m−1) → 0 für r → ∞. Satz 10.2. Es sei R = QP mit Polynomen P und Q in einer Variablen. Es sei Q(x) 6= 0 für alle x ∈ R und grad(Q) ≥ 2 + grad(P). Dann gilt Z ∞ ∑ R(x) dx = 2πi −∞ Res(R(z), a). I(a)>0 Bemerkung. Es ist ∑a∈C Res(R(z), a) = 0. 10.3 III Mit R(x) wie in Satz 2 und λ ≥ 0 kann man analog auch Es folgt Z ∞ R(x)eiλ x dx = 2πi −∞ R∞ iλ x dx −∞ R(x)e ∑ berechnen. Es ist |eiλ z | = e −λ ·I(z) . Res(R(z)eiλ z , a), I(a)>0 und im Fall R(R) j R folgt Z ∞ ∑ R(x) cos(λ x) dx = R 2πi −∞ und ! Res(R(z)eiλ z , a) I(a)>0 Z ∞ R(x) sin(λ x) dx = I 2πi −∞ ∑ ! iλ z Res(R(z)e , a) Ia>0 Der Fall λ > 0 wird durch λ x auf den Fall λ = 1 reduziert. Nun wird nur noch grad(Q) ≥ 1 + grad(P) verlangt. Es sei Γ(r1 , r2 , T ) der positiv orientierte Rand des Rechtecks mit den Ecken −r1 , r2 , r2 + iT, −r1 + iT mit r1 > 0, r2 > 0, T > 0. -r1+iT r2+iT Sfrag replacements −r1 r2 r2 + iT −r1 + iT -r1 r2 ≤ M · |z|m−n für |z| ≥ r0 . Für r1 ≥ r0 , r2 ≥ r0 folgt R M > 0, r0 > 0, so dass |R(z)| R Es gibt Konstanten R T −t r2 +iT R −r1 T M M iz i(r +it) iz dz ≤ R(z)e dz ≤ 0 |r +it| · |e 2 | dt ≤ r2 · 0 e dt ≤ M → 0 für r → ∞ und R(z)e r2 2 −r1 +iT r2 2 → 0 für r1 → ∞. R 1 +iT iz dz ≤ Für T ≥ r0 ist r−r R(z)e +iT 2 0 für r1 → ∞, r2 → ∞. Damit folgt: M r1 M T · e−T (r2 + r1 ) Wählt man T = r1 + r2 , so strebt dieser Term gegen Satz 10.3. Es sei R = QP mit Polynomen P und Q in einer Variablen. Es sei Q(x) 6= 0 für alle x ∈ R und grad(Q) ≥ 1 + grad(P). Dann gilt: Z ∞ −∞ R(x)eix dx = 2πi ∑ I(a)>0 Res(R(z)eiz , a) ag replacements 10.4. IV ∞ x sin x x Beispiel. Für a ∈ R, a 6= 0 ist 0∞ xx2sin dx = 21 −∞ dx = I +a2 x2 +a2 iz −|a| i·i|a| |a|e = π · 2|a| = π2 · e −|a| . I πi Res z2ze+a2 , i|a| = I πi · i|a|·e 2i|a| R 2πi 2 · ∑I(c)>0 Res zeiz ,c z2 +a2 = R ∞ sin x π 0 x dx = 2 bekannt. Aus der reellen Analysis ist 10.4 R IV Jetzt sei R = QP mit grad(Q) ≥ 1 + grad(P) und Q(z) habe auf R höchstens Nullstellen erster Ordnung, und R∞ jede solche sei von der Form kπ, k ∈ Z. Dann wird −∞ R(x) sin(x) dx berechnet. Zur Vereinfachung wird angenommen, dass 0 die einzige Nullstelle von Q auf R ist. Es sei c = Res(R(z)eiz , 0). Dann gilt eiz R(z) = c z + g(z), wobei g(z) in einer Umgebung von 0 holomorph ist. Ist δ > 0 genügend klein, dann ist g(z) auf |z| ≤ δ holomorph. iT −δ 0 +δ −r1 r2 γδ = γ Es folgt Z lim δ →0 γ R(z)eiz dz = πic + lim Z δ →0 γ g(z) dz = πic. Wie in III folgt nun Z ∞ CHW Z R(x)eix dx := lim δ →0 −∞ = 2πi −δ R(x)eix dx + −∞ Z ∞ R(x)eix dx δ ! 1 iz iz Res R(z)e , 0 + ∑ Res R(z)e , a . 2 I(a)>0 ∞ Dieser Grenzwert heißt der Cauchysche Hauptwert von −∞ R(x)eix dx. Unter den gegebenen Voraussetzungen hat R(z) sin(z) eine hebbare Singularität in z = 0. Falls zudem R(R) j R ∪ {∞} gilt, so folgt ! Z ∞ 1 sin(x)dx = I 2πi Res R(z)eiz ,0 + ∑ Res R(z)eiz , a 2 −∞ I(a)>0 R Beispiel. 10.5 R ∞ sin(x) −∞ x iz dx = I 2πi · 21 Res ez ,0 = I 2πi · 12 · 1 = π. V Zu berechnen ist 0∞ x−α R(x) dx wobei R = QP mit Polynomen P und Q in einer Variablen ist und 0 < α < 1 gilt. Die Funktion z−α = e −α·log(z) ist in keiner Umgebung von 0 als holomorphe Funktion erklärt. R Satz 10.4. Es sei 0 < α < 1 und R = QP mit Polynomen P und Q in einer Variablen, wobei deg(Q) ≥ 1+deg(P) und Q(x) 6= 0 für alle reellen x ≥ 0 sei. Dann gilt Z ∞ 0 x−α R(x) dx = 2πi 1 − e−2πiα ∑ Res z−α R(α), a . a∈C Dabei ist z−α = e −α log(z) , und log sei der durch log(−1) = πi festgelegte Zweig des Logarithmus auf D = C \ {x ∈ R | x ≥ 0}. 43 44 Sfrag replacements Kapitel 10. Auswertung von Integralen mit der Residuenmethode Beweis. Mit geeigneten r0 > 0 und M > 0 gilt |R(z)| ≤ M |z| für alle z mit |z| ≥ r0 . Weil R ∞ −(α+1) dx und 1 x R 1 −α dx konvergieren, folgt die Konvergenz des Integrals im Satz. 0 x γ4 γ2 δ γ1 γ3 R R Es sei Γ = γ1 +γ2 +γ3 +γ4 wie in der Skizze. Es sei f (z) = z−α R(z) für z ∈ D. Für R ≥ r0 gilt γ2 f (z) dz ≤ −α M −α → 0 für R → ∞. Für ein δ > 0 und m > 0 gilt |R(z)| ≤ m für |z| ≤ δ . Für 0 < δ < δ 2πR·R 0 0 0 R · R = 2πMR folgt γ4 f (z) dz ≤ 2πδ · δ −α · m = 2πm · δ 1−α → 0 für δ → 0. Ist δ > 0 genügend klein und R > 0 genügend groß, dann liegen alle Pole von f im Inneren von Γ, und es folgt # " Z Γ f (z) dz = ∑ Res( f (z), a) · 2πi. a∈C Es gilt Z ∞ Z f (z) dz = limδ →0 R→∞ γ1 x−α R(x) dx 0 Auf γ3 gilt limε>0,ε→0 log(x − iε) = 2πi + limε>0,ε→0 log(x + iε). Daher folgt limδ →0,R→∞ R R − limδ →0,R→∞ γ1 e −α(2πi+log x) R(x) dx = e−2πiα 0∞ x−α R(x) dx. Man erhält 2πi ∑ Res( f (z), a) = (1 − e−2πiα ) · a∈C Z ∞ x−α R(x) dx. 0 Beispiel. Für 0 < α < 1 gilt −α Z ∞ 2πi z 2πi 2i · e−πiα −α −α 1 dx = · Res , −1 = · (−1) = π · x 1+x 1 − e−2πiα 1+z 1 − e−2πiα 1 − e−2πiα 0 2i π = π · πiα = . e −Re−πiα sin(πα) π 1 In Kapitel 16 kann sin(πz) = 0∞ t −α 1+t dt für 0 < R(z) < 1 bewiesen werden. R γ3 f (x) dx = 45 Kapitel 11 Die Riemannsche Sphäre und Riemannsche Flächen Ein Beispiel eines Homöomorphismus ϕ : C → D1 ist ϕ(z) = z 1+|z| . Satz 11.1. Der topologische Raum¯ C isthomomorphzurEinheitssphre S 2 = {p = (x, y, u) ∈ R3 | x2 + y2 + u2 = 1} in R3 . Zwei Homöomorphismen σ : S2 →¯ C und σ ∗ : S2 →¯ x−iy ∗ C sindgegebendurch σ (x, y, u) = x+iy 1−u für u 6= 1,σ (0,0,1) = ∞, und σ (x, y, u) = 1+u für u 6= −1, σ ∗ (0,0, −1) = ∞. Mit der Festsetzung 01 = ∞, ∞1 = 0 gilt σ ∗ (p) = σ 1(p) für alle p ∈ S2 sowie σ ∗ (σ −1 (z)) = 1z für alle z ∈ C \ {0}. Man nennt σ und σ ∗ die stereographische Projektion vom Nordpol bzw. Südpol. (Hier Bild fehlen tut) Beweis. Durch (x, y,0) 7→ x + iy wird die (x, y)-Ebene in R3 mit C identifiziert. Es sei PN = (0,0,1), PS = (0,0, −1). Es sei p ∈ S2 , p = (x, y, u) 6= PN gegeben. Dann sei g die Gerade durch p und Pn , und z = σ (p) sei der Schnittpunkt von g mit C. Es ist g = {PN + t · (p − PN ) | t ∈ R} = {(tx,ty,1 + t(u − 1)) | t ∈ R}. 1 ∗ Somit ist z durch 1 + t(u − 1) = 0 festgelegt. Also ist t = 1−u und σ (p) = tx + ity = x+iy 1−u . Ebenso sei σ (p) für p 6= PS das konjugiert Komplexe des Schnittpunkts der Geraden durch PS und p mit der Ebene C. Man ∗ findet σ ∗ (p) = x−iy 1−u . Die Formeln zeigen, dass σ auf S \ {PN } und σ \ {PS } stetig sind. Für p 6= PN gilt 2 2 2 x +y 1−u 1+u = 1−u) 2 = 1−u → ∞ für u → 1. Also gilt lim p~ PN σ (p) = ∞ = σ (PN ), und somit ist σ auch (1−u)2 ( ∗ im Punkt PN stetig. Ebenso ist σ in PS stetig. Es sei z = x + iy ∈ C gegeben. Dann sei p = (x, y, u) der Schnittpunkt der Geraden durch PN und (x1 , y1 ,0) mit der Sphäre S2 . Es ist p = ((1 − u)x1 , (1 − u)y1 , u) mit 1 = |p|2 = (1 − u)2 · (x12 + y21 ) + u2 = (1 − u)2 · |z1 |2 + u2 . Mit u = 1−λ wird 1 = λ 2 |z1 |2 +(1−λ )2 , also 0 = λ 2 (1+|z1 |2 )−2λ . Wegen λ 6= 0 folgt λ = 2/(1+|z1 |2 ) und σ (p) = z1 für p = (λ R(z1 ), λ I(z1 ), 1 − λ ), λ = 1+|z2 |2 . Somit ist σ surjektiv, und die Umkehrabbildung |σ (p)|2 = 1 2 −1 stetig auf¯ ist σ −1 (p) = σ −1 (x, y, u) = (λ R(z), λ I(z), 1 − λ ) mit λ = 1+|z| 2 . Somit ist σ C. 0 0 0 Die Funktion u 7→ 1+u 1−u ist für −1 ≤ u < 1 streng monoton steigend. Aus σ (x, y, u) = σ (x , y , u ) folgt 1+u 0 x+iy 1+u 2 0 0 0 2 0 0 1−u = |σ (x, y, u)| = |σ (x , y , u )| = 1−u0 , also u = u . Die Formel σ (x, y, u) = 1−u zeigt sodann x = x , y = y0 . Also ist σ injektiv. x−iy x2 +y2 Schließlich folgt σ (p)σ ∗ (p) = x+iy 1−u · 1+u = 1−u2 = 1. Bemerkung. Für z1 , z2 ∈ {¯ heißt d(z1 , z2 ) = |σ −1 (z1 ) − σ −1 (z2 )| der chordale Abstand von z1 und z2 . Mit λ j = 1 1+|z j |2 so d(z1 , z2 ) = folgt d(z1 , z2 )2 = |(λ1 x1 , λ1 y1 , 1 − λ1 ) − (λ2 x2 , λ2 y2 , 1 − λ2 )|2 = · · · = 2|z1 −z2 | q (1+|z1 |2 )(1+|z2 |2 ) . 4|z1 −z2 |2 (1+|z1 |2 )(1+|z2 |2 ) , al- 46 Kapitel 11. Die Riemannsche Sphäre und Riemannsche Flächen 22.01.03 Satz 11.2. Es sei D j C offen, D 6= 0. / Dann sind äquivalent: 1. D ist ein Gebiet und einfach zusammenhängend 2. D und¯ C \D sind zusammenhängend Beweis. I. Es sei (b) gültig. (Hier Bild fehlen tut) Es sei γ ein geschlossener Integrationsweg in D. Dann ist Spur(γ) ⊂ D, also¯ C \D ⊂¯ C \ Spur(γ). Weil¯ C zusammenhngendist, ist C \D in einer Zusammenhangskomponente von C \ Spur(γ) enthalten, und diese ist die unbeschränkte Zusammenhangskomponente (wegen ∞ ∈¯ C \D). Hieraus und aus §8, Satz 1(3) folgt n(γ, z) = 0 für alle z ∈ C \ D. Nach Definition ist also D einfach zusammenhängend. Also gilt (a). II. Es sei D zusammenhängend, aber (b) sei nicht gültig. Dann hat¯ C \D eine disjunkte Zerlegung in Teile A und B, die (in¯ C \D) sowohl offen wie auch abgeschlossen und beide 6= 0/ sind. Wegen ∞ in¯ C \D darf man ∞ ∈ B annehmen. Weil¯ C \D abgeschlossen in¯ C ist, sind A und B auchin C abgeschlossen, undin C sind A und B nichto f f en.Wegen ∞ ∈ B ist A ⊂ C, und A ist beschränkt. Also ist A kompakt. Folglich gilt δ = inf{|z − w| | z ∈ A, w ∈ B} > 0. (Hier Bild fehlen tut) Es sei 0 < ε < √δ2 . In C legt ein Netz von achsenparallelen Quadraten Q der Seitenlänge ε zugrunde. Man setzt γ = ∑ Q ∂ Q. Wenn Q ∩ A 6= 0, / dann folgt (nach Wahl von ε), dass Q ∩ B = 0. / Es ist dann (nach Q∩A6=0/ Entfernen von Paaren entgegengesetzt durchlaufener Strecken) Spur(γ) j C \ (A ∪ B) = C \ (¯ C \D) = D. Es gilt (notfalls nach einer kleinen Verschiebung des Quadratennetzes) einen Punkt a ∈ A, der im Inneren eines Quadrates Q1 des Netzes mit Q1 ∩ A 6= 0/ liegt. (Hier Bild fehlen tut) Es gilt n(∂ Q1 , a) = 1 und n(∂ Q, a) = 0 für alle Q 6= Q1 . Damit folgt n(γ, a) = ∑Q∩A6=0/ n(∂ Q, a) = 1. Also ist D nicht einfach zusammenhängend und (a) ist nicht gültig. Definitionen, Bemerkungen. Mit den Notationen aus Satz 1 sei U = S2 \ {PN }, U ∗ = S2 \ {PS }, und σ |U und σ ∗ |U ∗ seien wieder mit σ und σ ∗ bezeichnet. Dann sind σ : U → C und σ : U ∗ → C Homöomorphismen, und es gilt σ ∗ (σ −1 (z)) = 1z = σ (σ ∗ −1 (z)) für alle z 6= 0 in C. Daher sind σ ∗ ◦ σ −1 : σ (U ∩ U ∗ ) → σ ∗ (U ∩ U ∗ ) und σ ◦ σ ∗ −1 : σ ∗ (U ∩U ∗ ) → σ (U ∩U ∗ ) biholomorphe Abbildungen. Die Paare (U, σ ) und (U ∗ , σ ∗ ) heißen Karten von S2 , und A = {(U, σ ), (U ∗ , σ ∗ )} heißt ein Atlas von S2 oder ein komplexer Atlas. Das Paar (S2 , A) aus der Sphäre S2 und ihrem Atlas A heißt die Riemannsche Sphäre oder Riemannsche Zahlenkugel. Es sei / D offen. Eine Funktion f : D → C heißt holomorph, falls zu jedem p0 ∈ D eine Karte (U0 , σ0 ) ∈ D j S2 , D 6= 0, A existiert, so dass p0 ∈ U0 und f ◦ σ0−1 : σ0 (U0 ∩ D) → C holomorph ist. (Hier Bild fehlen tut) Diese Bedingung ist unabhängig von der Wahl der Karte mit p0 ∈ U0 , weil die Kartenwechsel biholomorph sind. Analog wird erklärt, was meromorphe Funktionen f : D→¯ C sind.Fr g = f ◦σ −1 und g∗ = g ◦ σ ∗ −1 gilt g∗ (z) = g 1z . Es sei D j S2 offen, D 6= 0/ und f : D →¯ C meromorph.Essei p 0 ∈ D und p0 ∈ U0 , (U0 , σ0 ) ∈ A. 47 (Hier Bild fehlen tut) Die Ordnung von f in p0 , bezeichnet mit w( f , p0 ) ist die Ordnung der Funktion f ◦ σ −1 im Punkt σ0 (p0 ) ∈ C, w( f , p0 ) := w( f ◦ σ0−1 , σ0 (p0 )). Dies ist unabhängig von der Wahl von U0 , weil die Ableitung eines biholomorphen Kartenwechsels nirgends 0 ist. Ist ∞ ∈ D j¯ C und f : D →¯ C meromorph, dannist w ( f ( z ) , ∞) = w f 1z ,0 . Definition, Bemerkungen 11.1. Es sei D j S2 ein Gebiet und f : D →¯ C meromorphund g = f ◦σ −1 die zugehörige meromorphe Funktion auf σ (D) ⊂¯ C .Essei g ∗ = f ◦ σ ∗ −1 . Falls p ∈ U ∗ ∩U = S2 \ {PN , PS } sind Res(g, σ (p)) und Res(g∗ , σ ∗ (p) im allge∗ −1 ) · meinen verschieden voneinander. Die Formel = Res((g ◦ σ ◦ σ am Ende von §9 ergibt Res(g, z =σ (p)) −1 0 1 1 1 1 ∗ ∗ −1 ∗ ∗ ∗ ∗ (σ ◦ σ ) , σ · σ (z)) = Res(g (z) · − z2 , z0 = σ (p)) = Res − z2 · g z , z0 . Ist also ∞ ∈ D j¯ C und f : D →¯ C meromorph, dannmussman Res( f (z), ∞) = Res − z12 · f 1z , 0 ) 1 1 n definieren. Für eine r > 0 besteht eine Entwicklung f (z) = ∑∞ n=−∞ an z für |z| > r. Dann folgt − z2 · f z = −n−2 für |z| < 1 . Es folgt − ∑∞ n=−∞ an z r Res( f , ∞) = Res − ∑ an z−n−2 , 0 = −a − 1 Es gilt Res( f (z), ∞) = Res − z12 · f 1 z 1 R , 0 = − 2πi |z|=ε 1 z2 f 1 z dz, falls ε > 0 genügend klein ist. Es wird über den Kreis t 7→ ε ≤ t ≤ 1, integriert. Die Substitution z 7→ w = 1z führt diesen Kreis in 1 R 1 R Γ := t 7→ ε1 · e−2πit , 0 ≤ t ≤ 1, über. Es folgt Res( f (z), ∞) = 2πi Γ f (w)dw = − 2πi |z|= ε1 f (w)dw (Hier Bild fehlen tut) · e2πit , 0 Satz 11.3. Für jede meromorphe Funktion f :¯ C →¯ C gilt ∑a∈¯ C Res( f , a) = 0. Definitionen,Bemerkungen 11.1. Es sei n ∈ N, und R sei ein zusammenhängender Hausdorff-Raum. Es sei A = (Uι , σι )ι∈ ? eine Familie von Paaren (Uι , σι ) aus offenen Mengen Uι j R und Abbildungen σι : Uι → Rn mit folgenden Eigenschaften: 1. Es gilt R = S ι∈ ? Uι . 2. Jedes σι ist ein Homöomorphismus von Uι auf die Menge σι j Rn . Dann heißt das Paar (RA) oder auch R selber, eine n-dimensionale reelle Mannigfaltigkeit. Die Paare (Uι ; σι ) heißen Karten, die Familie A heißt ein Atlas der Mannigfaltigkeit. (Hier Bild fehlen tut) Falls ι, κ ∈ ? und Uι ∩ Uκ 6= 0/ ist, dann sind die Kartenwechsel σκ ◦ σι−1 : σι (Uι ∩ Uκ ) → σκ (Uι ∩ Uκ ) und σι ◦ σκ−1 : σκ (Uι ∩Uκ ) → σι (Uι ∩Uκ ) Hom"oomorphismen. Falls alle Kartenwechsel unendlich oft differenzierbar sind, dann heißt (R, A) eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Nun sei n = 2, und R2 mit C identifiziert. Falls alle Kartenwechsel holomorph sind, dann heißt (R, A) eine Riemannsche Fläche und A heißt ein komplexer Atlas oder eine analytische Struktur auf R. Beispiele. Die Riemannsche Sphäre S2 mit den stereographischen Projektionen. Für jedes Gebiet D j C ist D mit idD : D → D als einziger Karte eine Riemannsche Fläche. Definitionen, Bemerkungen. Es seien (R1 , A1 ) und (R2 , A2 ) Riemannsche Flächen. Eine Abbildung f : R1 → R2 heißt eine holomorphe Abbildung, falls zu jedem p ∈ R1 Karten (U1 , σ1 ) in A1 und (V1 , τ1 ) in A2 existieren mit p ∈ U1 , f (U1 ) j V1 , 1 , so dass die Funktion τ1 ◦ f ◦ σ1−1 : σ1 (U1 ) → τ1 (V1 ) holomorph ist. Diese 1 To be filled out 27.01.03 48 Kapitel 11. Die Riemannsche Sphäre und Riemannsche Flächen Bedingung ist unabhängig von der Wahl der Karten (U1 , σ1 ), (V1 , τ1 ), weil die Kartenwechsel biholomorph sind. (Hier Bild fehlen tut) Eine holomorphe Funktion auf R1 ist eine holomorphe Abbildung f : R1 → C. Eine meromorphe Funktion auf R1 ist eine holomorphe Abbildung f : R1 →¯ C , dienichtkonstant ∞ ist. Zwei Riemannsche Flächen (RA1 ) und (R2 ; , A2 ) heißen gleich, wenn alle Kartenwechsel von Karten von A1 mit Karten A2 holomorph sind. Zwei Riemannsche Flächen (R1 , A1 ) und (R2 , A2 ) heißen konform äquivalent, falls es eine biholomorphe Abbildung f : R1 → R2 gibt. Ein Automorphismus oder ein konformer Automorphismus einer Riemannschen Fläche (R; A) ist eine biholomorphe Abbildung ϕ : R → R. Diese bilden bezüglich der Komposition von Abbildungen eine Gruppe, die Automorphismengruppe von R, bezeichnet mit Aut(R). Eine holomorphe (meromorphe) Differentialform ersten Grades auf einer Riemannschen Fläche (R, A) ist eine Familie (Fι )ι∈ ? = ω von holomorphen (meromorphen) Funktionen Fι : σι (Uι ) → C (¯ C )mitder f olgendenEigenscha f t : Ist U ι ∩Uκ 6= 0, / und ist τικ = σι ◦ σκ−1 der Kartenwechsel, dann gilt 0 Fκ = (Fι ◦ τικ ) · τικ . Nun sei f : R → C ( f : R →¯ C )eineholomorphe(meromorphe)Funktionau f R .Dannist d f = ( ( f ◦σι−1 )0 )ι∈ ? eine Differentialform. Sie heißt das totale Differential von f . Es sei ω = (Fι )ι∈ ? eine meromorphe Differentialform auf (R, A). Für p ∈ ℘ und p ∈ Uι heißt Res(ω, p) = Res(Fι , σι (p)) das Residuum von ω im Punkt p. Beispiel (Der Logarithmus und seine Riemannsche Fläche). Es sei D = C \ {0}, R = D × Z. Für (z0 , k) ∈ R wird eine Menge B(z0 , k) = {Uε (z0 , k) | 0 < ε < |z0 |} von Umgebungen Uε (z0 , k) von (z0 , k) wie folgt: Uε (z0 , k) = {(z, k) | |z − z0 | < ε}, falls R(z0 ) ≥ 0, Uε (z0 , k) = {(z, k) | |z − z0 | < ε, I(z) ≥ 0} ∪ {(z, k + 1) | |z − z0 | < ε, I(z) < 0}, falls R(z0 ) < 0, I(z0 ) ≥ 0, Uε (z0 , k) = {(z, k) | |z − z0 | < ε, I(z) < 0}cup{(z, k + 1) | |z − z0 | < ε, I(z) ≥ 0}, falls R(z0 ) < 0, I(z0 ) < 0. Hierdurch wird R ein zusammenhängender HausdorffRaum. Für jedes (z0 , k) ∈ R und 0 < ε < |z0 | ist die Projektionsabbildung p : Uε (z0 , k) → C, p(z, k) = z ein Homöomorphismus von Uε (z0 , k) auf Uε (z0 ) ⊂ C. Alle Kartenwechsel sind identische Abbildungen, also holomorph. Ist also A die Familie aller Karten (Uε (z0 , k), p), so ist (R, A) eine Riemannsche Fläche. Der Logarithmus log : R → C wird definiert durch log(z, k) = log |z| + i Arg(z) + 2πik mit −π ≤ Arg(z) ≤ π. Für jede Karte (Uε (z0 , k), p) liefert die Restriktion von log auf Uε (z0 , k) einen holomorphen Zweig des Logarithmus auf Uε (z0 ). Somit ist log : R → C eine holomorphe Funktion. Man berechnet exp((log(z, k)) = exp(log |z| + i Arg(z) + 2πi) = |z|e i Arg(z) = z, also exp ◦ log = p auf R. Man stellt fest, dass log : R → C surjektiv und injektiv ist. Somit ist (R, A) konform äquivalent zu C. 49 Kapitel 12 Automorphismengruppen Bemerkungen. Reguläre lineare Abbildungen L : C2→ C2 werden mitden Matrizen L ∈ GL2 (C) iden a b z1 az1 + bz2 tifiziert. Für L = ∈ GL2 (C) wird L = geschrieben. Man defininert J : c d z2 cz1 + dz2 C2 \ {0,0} →¯ a b z1 in GL2 (C) wird l = J ◦ L ◦ J −1 :¯ C durch = zz21 . Für L = c c z2 C →¯ C de f iniert.Esist l ( z ) = a z + b cz+d . Diese Abbildungen l heißen gebrochen lineare Transformationen oder Möbius-Transformationen. Die Menge der Möbius-Transformationen, mit der Komposition von Abbildungen, ist eine Gruppe. Sie wird (hier) mit Λ bezeichnet. Invers zu l ist die zur Matrix d −b 1 −1 L = ad−bc gehörige Transformation l −1 . Die Komposition von Möbius-Transformationen −c a entspricht der Multiplikation in GL2 (C). Es gilt l ∈ Aut(¯ C ) f ralle l ∈ Λ, also Λ ⊂ Aut(¯ C). Satz 12.1 (Automorphismen der Kreisscheibe). Es sei D1 = {z ∈ C | |z| < 1}. Für die Automorphismengruppe Aut(D1 ) von D1 gilt: 1. Jedes g ∈ Aut(D1 ) mit g(0) = 0 hat die Gestalt g(z) = ζ · z mit ζ ∈ C× 1 = {ζ ∈ C | |ζ | = 1}. 2. Man erhält alle g ∈ Aut(D1 ) in der Gestalt g(z) = az+b b̄z+ā mit a, b ∈ C und aā − bb̄ = 1. 3. Die Gruppe Aut(D1 ) operiert transitiv auf D1 : Zu beliebigen z, w ∈ D1 gibt es ein g ∈ Aut(D1 ) mit g(z) = w. 4. Für alle g ∈ Aut(D1 ) und alle z ∈ D1 gilt: |g0 (z)| 1 = 2 1 − |g(z)| 1 − |z|2 5. Ist f : D1 → D1 holomorph, dann gilt entweder f ∈ Aut(D1 ), oder es gilt | f 0 (z)| 1 < 1 − | f (z)|2 1 − |z|2 Beweis. I. Für jedes ζ ∈ C× 1 gehört z 7→ ζ · z zu Aut(D1 ), mit dem Fixpunkt 0. Nun sei g ∈ Aut(D1 ) und g(0) = 0. Dann sei h = g−1 ∈ Aut(D1 ). Nach dem Lemma von Schwarz (§5, Satz 7) gilt |g0 (0)| ≤ 1, |h0 (0)| ≤ 1. Aus id = h ◦ g folgt 1 = (h ◦ g)0 (0) = h0 (g(0)) · g0 (0) = h0 (0)g0 (0), also 1 = |h0 (0)||g0 (0)|, somit also |g0 (0)| = |h0 (0)| = 1. Nochmalige Anwendung des Lemmas von Schwarz ergibt g(z) = ζ · z mit einem ζ ∈ C× 1 . Damit ist (1) bewiesen. 50 Kapitel 12. Automorphismengruppen az+b . Dann ist g auf der kompakten Kreisscheibe b̄z+ā |az+b| B1 (0) holomorph. Falls |z| = 1 ist, dann gilt |g(z)| = b̄z+ā = |a+bz̄| = 1. Somit bidet g den Rand von D1 | | |b̄z+ā| in sich ab. Aus dem Maximumprinzip folgt nun g(D1 ) ⊂ D1 . Da g eine Inverse (nämlich h(z) = −āz−b ) b̄z+ā besitzt, folgt g(D1 ) = D1 , g ∈ Aut(D1 ). II. Es seien a, b ∈ C und aā − bb̄ = 1. Man setze g(z) = Nun sei ein g ∈ Aut(D1 ) gegeben. Man setzt z0 = g(0), a = √ 1 , 1−z0 z̄0 b = āz0 . Dann folgt aā − bb̄ = 0 −b̄ aā(1 − z0 z̄0 ) = 1. Setzt man also h(z) = −āz−b , so ist h ∈ Aut(D1 ) und h(z0 ) = −āzb̄z+ = 0. Also ist b̄z+ā ā h◦g ∈ Aut(D1 ) und h◦g(0) = 0. Gemäß (1) ist also h◦g(z) = ζ z mit ζ ∈ C× . Es folgt g(z) = h−1 (ζ z) = 1 2 aζ z+b b̄ζ z+ā z+b η̄ 2 = aη = aηz+b , wobei ein η ∈ C× 1 mit η = ζ gewählt werde. Somit hat g die behauptete b̄η 2 z+ā b̄ηz+āη̄ Gestalt, und (2) ist bewiesen. III. Es seien z, w ∈ D1 gegeben. Der Beweis von (2) ergab die Existenz von g, h ∈ Aut(D1 ) mit g(z) = 0 und h(w) = 0. Für ϕ = h−1 ◦ g ∈ Aut(D1 ) folgt ϕ(z) = w. Damit ist (3) bewiesen. IV. Es sei g ∈ Aut(D1 ), g(z) = |g0 (z)| 1−|g(z)|2 = az+b b̄z+ā mit aā − bb̄ = 1. Dann folgt g0 (z) = |b̄z+ā|2 1 · = |b̄z+ā|2 |b̄z+ā|2 −|az+b|2 1 zz̄(bb̄−aā)+z̄(bā−āb)+z(b̄a−ab̄)+(aā−bb̄) a(b̄z+ā)−b̄(az+b) (b̄z+ā)2 = 1 . 1−|z|2 = 1 (b̄z+ā)2 und Damit ist (4) gezeigt. V. Es sei f : D1 → D1 holomorph. Ist f konstant, dann gilt die Ungleichung. Sei also f nicht konstant. Es sei w ∈ D1 . Gemäß (3) existieren g, h ∈ Aut(D1 ) mit h(0) = w und g( f (w)) = 0. Dann ist F = g ◦ f ◦ h holomorph, F(D1 ) j D1 und F(0) = 0. Aus dem Lemma von Schwarz folgt also |F 0 (0)| ≤ 1. Mittels (4) folgt 1 ≥ |F 0 (0)| = |g0 ( f (h(0)))| · | f 0 (h(0))| · |h0 (0)| = |g0 ( f (w))| · | f 0 (w)| · |h0 (0)| = 1−|g( f (w))|2 1−| f (w)|2 · 1−| f (w)|2 | f 0 (w)| · (1 − |h(0)|2 ) = 1−| f1(w)|2 · | f 0 (w)| · (1 − |w|2 ), also | f 0 (w)| ≤ 1−|w|2 . Dies gilt für alle w ∈ D1 . Falls für ein w Gleichheit besteht, dann folgt |F 0 (0)| = 1 für das zugehörige F, und nach Lemma von −1 ◦ F ◦ h−1 ∈ Aut(D ), Schwarz folgt F ∈ Aut(D1 ) und F(z) = ζ z mit ζ ∈ C× 1 1 . Dann folgt auch f = g und (5) ist bewiesen. Bemerkungen. Es sei D j C ein Gebiet, z0 ∈ D. Dann ist (z0 ) = (z0 ) = {g ∈ Aut(D) | g(z0 ) = z0 } eine Untergruppe vonAut(D), die Fixgruppe, die Standgruppe, der Stabilisator von z0 in Aut(D). a b Durch G = ( )|a, b ∈ C, aā − bb̄ = 1 ist eine Untergruppe von 2 (C) gegeben. Die zugehörigen b̄ ā Möbius-Transformationen bilden die Gruppe Aut(D1 ). Zu welchen Matrizen gehört die identische Transformation? Es ist az+b = z für alle z ⇔ b̄z2 + (ā − a)z − b = 0 für alle z ⇔ b = 0,a = ā ⇔ b = 0,a = ±1. Somit b̄z+ā 1 0 ist Aut(D1 ) isomorph zur Faktorgruppe G /{±( ) . 0 1 Satz 12.2. Die sämtlichen Automorphismen der Ebene C sind die affinen Abbildungen z 7→ az + b mit a, b ∈ C und a 6= 0. Beweis. Alle genannten z 7→ az + b gehören zu Aut(C). Es sei f ∈ Aut(C). Dann ist f eine ganze Funktion, und g(z) = f 1z hat in 0 eine isolierte Singularität. Diese ist ein Pol von höchstens erster Ordnung ( f injektiv, Casorati-Weierstraß). Also ist f ein Polynom vom Grad 1. Defintion 12.1. Es sei n ∈ N, und V sei ein (n + 1)-dimensionaler C-Vektorraum. Der n-dimensionale komplexe projektive Raum, bezeichnet mit Pn (C), ist die Menge der eindimensionalen Teilvektorräume von V . Nach der Wahl einer Basis wird V mit Cn+1 identifiziert, und es wird Pn (C) = {C · ζ | ζ ∈ Cn+1 , ζ 6= 0}. Es gilt C · ζ = C · ζ 0 genau dann, wenn ζ 0 = λ · ζ mit λ ∈ C, λ 6= 0. Ist ζ = (z0 , z1 , . . . , zn )T , so heißen 51 z0 , z1 , . . . , zn homogene Koordinaten des Punktes C · ζ ∈ Pn (C). Man nennt P = P1 (C) die (komplexe) proz1 2 jektive Gerade. Es ist P = {C · ζ | ζ ∈ C , ζ 6= 0}, C · ζ = {λ ζ | λ ∈ C}, mit ζ = ∈ C2 , ζ 6= 0. Es z 2 0 z1 z1 z0 gilt C · =C genau dann, wenn z01 = zz12 gilt (in¯ 0 z2 z2 2 C ).Mannennt z = z 1 z2 ∈¯ z1 z1 C dieinhomogene KoordinatedesPunktes C · ∈ P. Durch j C · = zz12 ist eine Bijektion z2 z2 j : P →¯ C gegeben. a b Ein Basiswechsel in V (dimC V = 2) wird durch eine Multiplikation mit einer Matrix L = ∈ c c GL2 (C) ausgedrückt. In inhomogenen Koordinaten drückt sich L als Möbius-Transformation l :¯ C →¯ z1 C , l ( z ) = a z + b cz+d aus. Auf P induziert L eine Bijektion (Permutation) L̃ : P → P, L̃ C = C· z2 z1 az1 + bz2 L = C· . Die Abbildungen L̃ heißen Möbius-Transformationen von P. Sie bilden eine z2 cz1 + dz2 Gruppe, bezeichnet mit Λ̃. Durch L 7→ L̃ ist ein sujektiver Gruppenhomomorphsimus GL2 (C)→ Λ̃ gegeben. Es 1 0 gilt L̃ = id ⇔ az1 +bz2 = λ z1 , cz1 +dz2 = λ z2 mitλ ∈ C, λ 6= 0 ⇔ b = c = 0,a = d ⇔ L = λ · . Somit 0 1 1 0 1 0 ∼ GL2 (C)/ C× · 1 0 ∼2 (C/ ± ist Λ̃ = . Man nennt GL2 (C)/ C× · = = 0 1 0 1 01 1 P GL2 (C) die projektive lineare Gruppe (vom Grad 2) über C. Es gilt auch L̃ = idP ⇔ l = id¯ C .Somitistauch ∼ = Λ = {Möbius-Transformationen von¯ C}. (Hier Bild fehlen tut) ∗ ∗ Durch θ = j−1 ◦ σ ist eine Bijektion θ : S2 → Pgegeben. Der Atlas A= {(U, σ ), (U ,σ )} wird mittels z1 θ nach P übertragen. Man setzt also V = θ (U) = C · ζ ∈ P | ζ = ∈ C2 , z2 6= 0 , V ∗ = θ (U ∗ ) = z2 z1 C·ζ ∈ P | ζ = ∈ C2 , z1 6= 0 , τ = j|V , τ ∗ = σ ∗ ◦ σ −1 ◦ j|V ∗ . Der Atlas {(V, τ), (V ∗ , τ ∗ )} macht P z2 zu einer Riemannschen Fläche. Es bestehen die Inklusionen Λ j Aut(¯ C ) , j Aut(P), θ −1 Λ̃θ = σ −1 Λσ j Aut(S2 ). Satz 12.3. Jeder konforme Automorphismus der Riemannschen Zahlenkugel ist eine Möbius-Transformation. Es gilt Aut(¯ C ) = Λ, Aut(P) = Λ̃ und Aut(S2 ) = σ −1 Λσ = θ −1 Λ̃θ . Beweis. Es sei f ∈ Aut(¯ C ) gegeben.Essei z 0 = f (∞). Es gibt ein l ∈ Λ mit l(z0 ) = ∞. Denn für z0 = ∞ wähle man l = id, und für 0 −1 z0 6= ∞ sei l die zur Matrix L = gehörige Transformation. Dann hat g = l ◦ f ∈ Aut(¯ 1 −z0 C ) denFixpunkt ∞. Folglich ist g|C ∈ Aut(C). Nach Satz 2 ist also g(z) = az + b mit a, b ∈ C, a 6= 0. Somit ist g ∈ Λ und f = l −1 ◦ g ∈ Λ. Satz 12.4. Jede von der Identität verschiedene Möbius-Transformation hat mindestens einen und höchstens zwei Fixpunkte. a b 1 0 Beweis. Es sei L = ∈ GL2 (C), L kein Vielfaches von , und es sei l(z) = az+b cz+d . Genau c d 0 1 dann ist ∞ Fixpunkt von l, wenn c = 0 ist. In diesem Fall sind weitere Fixpunkte durch dz = az + b gekennzeichnet. Es gibt also keinen (genau einen) weiteren Fixpunkt, falls a = d (a 6= d) ist. Nun sei ∞ kein Fixpunkt, also c 6= 0. Die Fixpunkte sind dann durch cz2 + (d − a)z − b = 0 gekennzeichnet. Es gibt also entweder einen oder zwei Fixpunkte. 52 Kapitel 12. Automorphismengruppen Satz und Definition 12.5. Es seien z0 , z1 , z∞ drei verschiedene Punkte in¯ C .DannexistiertgenaueineMbius − Trans f ormation z 7→ Dv(z, z0 , z1 , z∞ ), die z0 nach 0, z1 nach 1 und z∞ z−z0 −z0 nach ∞ abbildet. Es gilt Dv(z, z0 , z1 , z∞ ) = z−z : zz11−z . Für alle z ∈¯ ∞ ∞ C undalleMbius −Trans f ormationen l gilt D v ( l ( z ) , l ( z 0 ), l(z1 ), l(z∞ )) = DV (z, z0 , z1 , z∞ ). Man nennt Dv(z, z0 , z1 , z∞ ) das Doppelverhältnis der Punkte z, z0 , z1 , z∞ (in dieser Reihenfolge). Das Doppelverhältnis ist invariant gegenüber Möbius-Transformationen. Beweis. Es seien l1 , l2 ∈ Λ mit l1 (z0 ) = l2 (z0 ) = 0, l1 (z1 ) = l2 (z1 ) = 1, l1 (z∞ ) = l2 (z∞ ) = ∞ gegeben. Dann hat l2−1 ◦ l1 ∈ Λ drei Fixpunkte z0 , z1 , z∞ , und aus Satz 4 folgt l2 = l1 . Man definiere Dv(z, z0 , z1 , z∞ ) durch die Formel im Satz. Dann ist z 7→ Dv(z, z0 , z1 , z∞ ) eine MöbiusTransformation, die z0 nach 0, z1 nach 1, z∞ nach ∞ abbildet. Es sei l ∈ Λ gegeben. Durch l1 (z) = Dv(l(z), l(z0 ), l(z1 ), l(z∞ )) ist dann eine Möbius-Transformation l1 gegeben, die z0 nach 0, z1 nach 1, z∞ nach ∞ abbildet. Wegen der Eindeutigkeit folgt l1 (z) = Dv(z, z0 , z1 , z∞ ). Satz 12.6. Die Gruppe Λ = Aut(¯ C ) operiertscharf transitivau f C : Sind z 0 , z1 , z∞ und w0 , w1 , w∞ zwei Tripel von jeweils drei verschiedenen Punkten, dann gibt es genau eine Möbius-Transformation l von¯ C mit l ( z 0 ) = w0 , l(z1 ) = w1 und l(z∞ ) = w∞ . Definitionen, Bemerkungen. Ein Kreis in S2 = {p = (x, y, u) ∈ R3 | x2 +y2 +u2 = 1} ist der Durchschnitt von S2 mit einer Ebene im R3 , sofern dieser Durchschnitt weder leer noch einpunktig ist. Ebenen in R2 werden durch Gleichungen ax + by + cu = d beschrieben mit a, b, c, d ∈ R, (a, b, c) 6= (0,0,0), wobei man a2 + b2 + c2 = 1 und d ≥ 0 annehmen darf. Der Durchschnitt der Ebene mit S2 ist nach dieser Normierung genau dann ein Kreis in S2 , wenn d < 1 ist. Kreise in S2 werden also beschrieben durch Gleichungen ax + by + cu = d mit a2 + b2 + c2 = 1, 0 ≤ d < 1. Ein Kreis in¯ C istentwedereineKreisliniein C oderdieVereinigungsmengeeinerGeradenin C mitdemPunkt ∞, also entweder von der Form {z ∈ C | |z − z0 | = r} mit z0 ∈ C, r > 0, oder von der Form {∞} ∪ {z0t + z1 | t ∈ R} mit z0 , z1 ∈ C, z0 6= 0. Letztere ("Geraden mit ∞") sind auch von der Form {∞} ∪ {z ∈ C | a · R(z) + b · I(z) + c = 0} mit a, b, c ∈ R, (a, b) 6= (0,0) oder auch {∞} ∪ {z ∈ C | αz + ᾱ z̄ + c = 0} mit α ∈ C, α 6= 0, c ∈ R. Satz 12.7. Die stereographische Projektion σ : S2 →¯ C lie f erteineBi jektionderMengederKreisein S 2 auf die Menge der Kreise in¯ C. 2 I. Aus §11 ist σ −1 (z) = (λ x, λ y,1 − λ ) mit λ = 1+|z| bekannt, also σ −1 (z) = 2 z+z̄ z−z̄ 1−|z|2 3 2 2 2 2 , −i 1+|z| 2 , 1+|z|2 . Es sei K = {(x, y, u) ∈ R | ax + by + cu = d} in S , mit a + b + c = 1, 1+|z|2 0 ≤ d < 1, gegeben. Für z ∈¯ Beweis. 2 1−|z| z+z̄ z−z̄ C giltdann : z ∈ σ (K) ⇔ σ −1 (z) ∈ K ⇔ a · 1+|z| 2 − bi 1+|z|2 − c · 1+|z|2 = d ⇔ (c − d) · zz̄ + (a − bi) · z + (a + bi) · z̄ − (c + d) = 0(12.1). Im Fall c = d folgt α := a − bi 6= 0, und somit ist σ (k) eine Gerade inklusive dem Punkt ∞. Nun sei c 6= d. 2 c+d c2 −d 2 +a2 +b2 c+d 2 + |z0 |2 mit z0 = − a+bi Dann folgt z ∈ σ (K) ⇔ |z − z0 |2 = c−d = 1−d >0 c−d . Wegen c−d + |z0 | = (c−d)2 (c−d)2 ist also σ (K) eine Kreislinie in C. Jede Gerade in C mit dem Punkt ∞ wird durch eine Gleichung (12.1) mit c = d und (a, b) 6= (0,0) beschrieben, wobei a2 + b2 + c2 = 1 und c ≥ 0 angenommen werden darf. Diese Gerade ist somit σ -Bild eines Kreises in S2 . Eine Kreisgleichung |z − z0 |2 = r2 hat die Gestalt zz̄ − z̄0 z − z0 z̄ − (r2 − z0 z̄0 ) = 0. Diese ist von der Form (12.1) mit a = −R(z0 ), b = −I(z0 ), c − d = 1,, c + d = r2 − z0 z̄0 . Es folgt d 2 − c2 = (d − c)(d + c) = z0 z̄0 − r2 < z0 z̄0 = a2 + b2 , also 0 ≤ d 2 ≤ a2 + b2 + c2 . Daher ist die Kreislinie das σ -Bild von S2 ∩ K, einem Kreis mit Gleichung ax + by + cu = d in S2 . 53 Definitionen, Bemerkungen. (Hier Bild fehlen tut) Ein Kreis in P ist das Urbild j−1 (K) eines Kreises K in¯ C .WielautenKreisgleichungenin P ?EinKreismiteinerGleichung αz + ᾱ z̄ + c = 0, α ∈ C× , c ∈ R, hat als Urbilddie Lösungsmenge von αz1 z̄2 + ᾱ z̄1 z2 + cz2 z̄2 = 0. Somit ist j−1 (K) = {C · ζ ∈ P | ζ T H ζ¯ = 0} 0 α mit H = . Die Matrix erfüllt H T = H̄, das heißt sie ist hermitesch, und es ist det(H) = −α ᾱ < ᾱ c 0. Eine Kreislinie K in C mit einer Gleichung zz̄ − z̄0 z − z0 z̄ − (r2 − z0 z̄0 ) = 0 hat als Urbild j−1 (K) die Lösungsmenge von z1 z̄1 − z̄0 z1 z̄2 − z0 z̄1 z2 − (r2 − z0 z̄0 ) · z2 z̄2 = 0. Somit ist j−1 (K) = {C · ζ ∈ P | ζ T H ζ¯ = 0} 1 −z̄0 mit H = . Auch hier ist H hermitesch und det(H) = −r2 < 0. −z0 z0 z̄0 − r2 Nun sei H eine zweireihige hermitesche Matrix mit det(H) < 0. Die Punktmenge K−1H = {C · ζ ∈ P | ζ H ζ¯ = 0} bleibt ungeändert, wenn man H mit λ ∈ R \ {0} skalar multipliziert. Wenn der linke obere Eintrag von H nicht 0 ist, so darf man ihn also zu 1 normieren. Folglich ist dann K−1H = j−1 (K) mit einer Kreislinie K in C. Hat H links oben den Eintrag 0, so folgt K−1H = j−1 (K), wobei K eine Gerade in C inklusive dem Punkt ∞ ist. Satz 12.8. Die Kreise in P sind die Punktmengen der Gestalt {C · ζ ∈ P | ζ T H ζ¯ = 0}, wobei H eine beliebige zweireihige hermitesche Matrix mit negativer Determinante ist. Satz 12.9. Jede Möbius-Transformation bildet Kreise auf Kreise ab. Beweis. (im Modell P). Es sei ein K−1H = {Cζ ∈ P | ζ T H ζ¯ = 0} gegeben, H T = H̄, det(H) < 0. Es sei L̃ eine Möbius-Transformation von P, L̃(C · ζ ) = CLζ , L ∈ GL2 (C). Dann folgt L̃(K−1 ) = {L̃(Cζ ) | ζ T H ζ¯ = 0} = {C · Lζ | ζ T H ζ¯ = 0} = {Cw | (L−1 w)T H(L̄− 1w) = 0} = {Cζ | ζ T (L−1 )T H L̄− 1ζ¯ = 0} = {Cζ | ζ T Aζ¯ = 0} T mit A = (L−1 )T H L̄− 1. Dann gilt AT = (L̄− 1) H T L−1 = Ā und det(A) = | det(L)|−2 · det(H) < 0. Nach Satz 8 ist somit L̃(K−1 ) ein Kreis in P. Satz 12.10. Es seien vier Punkte in¯ C gegeben, daruntermindestensdreiverschiedene.DiesePunkteliegengenaudannau f einemKreisin , wennihrDoppelverhltnisreelloder ∞ ist. C Beweis. Wegen Satz 5 und Satz 9 darf man annehmen, dass 0,1, ∞ bei den gegebenen Punkten sind. Wegen Dv(z,0,1, ∞) = z ist dann klar: Das Doppelverhältnis ist reell (oder ∞) ⇔ z,0,1, ∞ liegen auf einem Kreis. Satz 12.11. Die obere Halbebene H = {z ∈ C | I(z) > 0} hat die Automorphismengruppe Aut(H) = 1 0 ∼ l | l(z) = az+b cz+d mit a, b, c, d ∈ R, ad − bc = 1 = SL_2(R)/ ± 0 1 z+i Beweis. Durch l0 (z) = iz+1 wird D1 biholomorph auf H abgebildet. (Berechne l0 (−i), l0 (1), l0 (i), l0 (0)). Somit folgt Aut(H) = l0 ◦ Aut(D1 ) ◦ l0−1 . Rechnen + Satz 1! 55 57 Index Default ε-Umgebung ∂ K 37 einfach zusammenhängend 34 Ein-Punkt-Kompaktifizierung 30 entire function 17 Entwicklungslemma 15 exakt 11 Existenz von Nullstellen 20 1 A abgeschlossene Ebene 30 Ableitung 3 – äußere 11 Algebra – Fundamentalsatz 17 analytisch 2 analytische Struktur 47 äquivalent 10 – formale Summen 14 Argument 1, 6 – Hauptwert 1 Argumentprinzip 37 Atlas 46 f. äußere Ableitung 11 außerwesentliche Singularitäten Automorphismengruppe 48 Automorphismus 47 F Fixgruppe 50 formale Summe 14 formale Summen – äquivalent 14 Fundamentalsatz der Algebra Funktion – analytisch 2 – meromorph 29 – stetig 1 G ganze Funktion 17 Gebiet 4 – einfach zusammenhängend 34 – sternförmig 13 Gebietstreue 20 gebrochen lineare Transformationen geschlossen 11 geschlossener Weg 10 27 B Bernoulli Zahlen biholomorph 4 17 16 C Cauchysche Hauptwert 43 Cauchysche Integralformel 33 Cauchysche Integralformel (sternförmiges Gebiet) Cauchysche Integralsatz 35 Cauchyscher Integralsatz 33 Cauchysche Ungleichungen 17 CIS 35 D Differential 3 Differentialform – geschlossen 11 Differentialform ersten Grades 48 differenzierbare Mannigfaltigkeit 47 Dirichletsche Reihen 18 diskret 19 Doppelverhältnis 51 Drehung 3 E eigentlich orthogonal 3 einfach geschlossen 10 H 15 harmonisch konjugiert 23 Hauptteil 29 Hauptwert des Arguments 1, 6 Hauptzweig des Arcus Sinus 7 Hauptzweig des Logarithmus 5 hebbare Singularität 27 holomorph 46 holomorphe Abbildung 47 holomorphe Funktion 47 homogene Koordinaten 50 homolog 32, 34 I Identitätssatz 19 Index 31 inhomogene Koordinate Integralformel – Cauchysche 15 Integrationsweg 10 – nullhomolog 32 Integrationswege 51 49 58 Kapitel 12. Index – formale Summe 14 isoliert 19 isolierte Singularität 27 K Karte 46 Kartenwechsel 47 Kette 14 Ketten – homolog 34 Kettengruppe 14 kompakte Kreisscheibe 1 kompaktifizierte Ebene 30 komplexe projektive Gerade 30 komplexer Atlas 46 f. konform äquivalent 47 konformer Automorphismus 47 Konvergenz – kompakt gleichmäßige 18 – lokal gleichmäßige 18 – normale 18 Konvergenzkreis 1 Konvergenzradius 1 Konvergenzsatz von Weierstraß 18 konvex 13 Kreis 52 Kurven 10 Kurvenintegral 10 L Laplace-Operator 4 Laurent-Reihe 28 Liouville – Satz von 17 Logarithmus 5, 48 – Hauptzweig 5 – Zweig 34 Logarithmusfunktion 5 lokal biholomorph 4 lokale Wurzelfunktion 21 lokal konform 3 M Maximumprinzip 20 meromorphe Funktion 29, 47 Mittelwerteigenschaft 23 Möbius-Transformationen 49, 51 Morera 16 N Nebenteil 29 nullhomolog 32 Nullstellen – Existenz 20 Nullstellensatz 17 O offene Kreisscheibe Ordnung 19 1 P Parametertransformation 10 Poissonsche Kern 24 Pol 27 Polordnung 27 Polstelle 27 Polynome 1 – Nullstellensatz 17 – Wachstumslemma 17 positiv orientierte Rand 37 Potential 11 projektive Gerade 50 projektive lineare Gruppe 51 R Rand – positiv orientiert 37 Randzyklus 13 Raum – wegezusammenhängend 20 – zusammenhängend 20 reelle Mannigfaltigkeit 47 Reihe – Dirichletsche 18 Relativtopologie 19 Residuen – Berechnung 36 Residuensatz 36 Residuum 35 – Transformation 38 Riemannsche Fläche 47 Riemannscher Hebbarkeitssatz 16 Riemannsche Sphäre 30, 46 Riemannsche Zahlenkugel 30, 46 Riemannsche Zetafunktion 18 Rouche – Satz von 37 S Satz – Residuensatz 36 Satz über den Logarithmus 34 Satz von der Gebietstreue 20 Satz von Liouville 17 Satz von Morera 16 Satz von Rouché 37 scharf transitiv 52 schlicht 4 Schwarz – Lemma von 21 Singularität – außerwesentlich 27 – wesentlich 27 Spur 10 Spurtopologe 19 Stabilisator 50 Stammfunktion 11 Standgruppe 50 stereographische Projektion 45 59 sternförmig 13 stetig 1 Streckung 3 T totale Differential 48 Transformation von Residuen U Umgebung 1 Umlaufzahl 31 V Verbindungsstrecke Vielfachheit 19 13 W Wachstumslemma 17 Weg 10 – entgegengesetzter 11 Wege – äquivalent 10 wegezusammenhängend 20 Weierstraß – Konvergenzsatz 18 wesentliche Singularitäten 27 Windungszahl 31 Wurzel 21 Z Zahlenkugel 30 Zetafunktion – Riemannsche 18 zshgd 20 zusammenhängend 20 Zweig des Logarithmus 34 Zyklen – homolog 32 Zyklus 14 – nullhomolog 32 38