6. Physik der Atomkerne 6.1 Allgemeine Eigenschaften - Radius r ≈ A1/ 3 ⋅1.2 ⋅10−15 m (Giancoli) - positiv geladen, enthält Protonen und Neutronen - Protonenzahl Z (Ordnungszahl, Kernladungszahl) = Element - Neutronenzahl N = Isotop - Massenzahl A=Z+N - magnetisches Moment - z.T. instabil: Elementumwandlung bei radioaktivem Zerfall - Kernfusion und Kernspaltung möglich, z.T. mit hohem Energiegewinn 1 1 H 12 6 C 235 92 U 2 1 H 13 6 C 238 92 3 1 H 14 6 U A Z Element C Atomare Masseneinheit: 1 u = 1.66 ⋅10−27 kg = 931.5MeV / c 2 = 1 mC 12 (Giancoli) 6.2 Bindungsenergie vgl. Massendefekt (weiter oben) Kernkräfte „starke“ Wechselwirkung (anziehend, kurzreichweitig) Coulomb-Wechselwirkung (abstoßend, langreichweitig) „schwache“ Wechselwirkung (vgl. Beta-Zerfall) 6.3 Kernmodelle 6.3.1 Tröpfchenmodell Carl-Friedrich v. Weizsäcker (1912- ) 6.3.2 Schalenmodell Magische Zahlen für Z und N: 2, 8, 20, 28, 50, 82, 126 Beispiele für doppelt magische Kerne: 4 2 He 16 8 O 40 20 Ca 48 20 Ca 208 82 Pb 6.4 Radioaktivität Alpha: Beta: Gamma: Helium-Kerne Elektronen / Positronen + Neutrino Photon 6.4.1 Alpha-Zerfall z.B. 226 88 Ra → (Giancoli) 222 86 Rn + 24 He 6.4.2 Beta-Zerfall n → p + e− +ν z.B. 14 6 C → 147 N + e − + ν p → n + e+ + v Elektroneneinfang (K-Einfang) z.B. 74 Be + e − → 73 Li +ν Brief von Wolfgang Pauli 3.12.1930 Liebe radioaktive Damen und Herren, wie der Überbringer dieser Zeilen, den ich huldvollst anzuhören bitte, Ihnen des näheren auseinandersetzen wird, bin ich ... auf einen verzweifelten Ausweg verfallen, um den ’Wechselsatz’ der Statistik und den Energiesatz zu retten. Nämlich die Möglichkeit, es könnten elektrisch neutrale Teilchen, die ich Neutronen nennen will, in dem Kern existieren...Das kontinuierliche β-Spektrum wäre dann verständlich unter der Annahme, dass beim β-Zerfall mit dem Elektron jeweils noch ein Neutron emittiert wird, derart, dass die Summe der Energien von Neutron und Elektron konstant ist. Ich traue mich vorläufig aber nicht, etwas über diese Idee zu publizieren, und wende mich erst vertrauensvoll an Euch, liebe Radioaktive, mit der Frage, wie es um den experimentellen Nachweis eines solchen Neutrons stände, wenn dieses ein ebensolches oder etwa 10mal größeres Durchdringungsvermögen besitzen würde wie ein γ-Strahl. Ich gebe zu, dass mein Ausweg vielleicht von vornherein wenig wahrscheinlich erscheinen mag, ... Aber nur wer wagt, gewinnt ... Also, liebe Radioaktive, prüfet und richtet. – Leider kann ich nicht persönlich in Tübingen erscheinen, da ich infolge eines in der Nacht vom 6. zum 7. Dez. in Zürich stattfindenden Balles hier unabkömmlich bin. - Mit vielen Grüßen ... Euer untertänigster Diener 6.4.3 Gamma-Zerfall z.B. 137 55 * − Cs → 137 56 Ba + e + ν 137 56 Ba * → 137 56 Ba + γ (662 keV) (Giancoli) Radioaktiver Zerfall Drei Präparate: (1) Americium-241 sendet Alphateilchen der Energie 5.64 MeV aus und zerfällt in Neptunium-237. Die Reichweite der Teilchen in Luft beträgt wenige cm, sie werden auch durch ein Blatt Papier gestoppt. (2) Strontium-90 zerfällt in Yttrium-90 unter Aussendung eines Elektrons und eines (nicht nachweisbaren) Antineutrinos. Das Spektrum der Elektronen ist daher kontinuierlich (max. 0.55 MeV). Die Elektronen sind durchdringender als Alphateilchen. Ein Meter Luft oder einige mm Aluminium schwächen sie aber deutlich ab. (3) Cäsium-137 zerfällt in einen angeregten Zustand von Barium-137, das ein Gamma-Quant der Energie 662 keV aussendet. Erst mehrere cm Blei schwächen die Gammastrahlung merklich ab. einige cm Abstand .... Geiger-Müller-Zählrohr (Geigerzähler): Ionisierende Teilchen – wie sie beim radioaktiven Zerfall auftreten – ionisieren das Gas (z.B. Argon) im Zählrohr. Die Hochspannung zwischen dem Anodendraht und der Hülle beschleunigt die freien Elektronen, die weitere Gasatome ionisieren. So entseht ein gut messbarer Strompuls. Es gibt zwei Arbeitsbereiche: Proportionalbereich: bei mäßiger Spannung ist der Strompuls ungefähr proportional zur Energie der einfallenden Teilchen. Zählbereich: bei höherer Spannung ist der Puls von der Teilchenenergie unabhängig, kleiner Abstand α-Präparat knatter, knatter ... 6.4.4 Radioaktives Zerfallsgesetz dN = −λ ⋅ N dt dN = −λ ⋅ N ⋅ dt N (t ) ∫ N0 t dN = − ∫ λ ⋅ N ⋅ dt 0 ln N (t ) − ln N 0 = −λ ⋅ t ln N (t ) = −λ ⋅ t N0 N (t ) = e − λ ⋅t N0 N (t ) = N 0 ⋅ e − λ ⋅t z.B. Radiocarbon-Methode 14 7 N + n → 146 C + p 14 6 C → 147 N + e − + ν Halbwertszeit T1/ 2 =5730 a = 1.81 ⋅1011s λ= ln 2 0.693 = =3.83 ⋅10−12 s −1 11 T1/ 2 1.81 ⋅10 s (Giancoli) 6.5 Kernspaltung Tröpfchenmodell Kettenreaktion 235 92 U+n→ 235 92 U* → N1 + N 2 + x ⋅ n + ca. 200 MeV (Giancoli) Kernfusionsreaktoren Enrico Fermi (1901-1954) Erster Kernreaktor (Chicago 1942) Naturreaktoren (Oklo, Gabun) (Giancoli) 6.6 Kernfusion z.B. Sonne (Proton-Proton-Zyklus) p + p → d + e+ +ν (0.42 MeV) p + d → 23 He + γ (5.49 MeV) He + 23 He → 24 He + p + p (12.9 MeV) 3 2 (Giancoli) ITER (Cadarache/Frankreich ca. 2016, 10 Billionen Euro) 7. Elementarteilchen 7.1 Das Standardmodell: Teilchen γ − W+ W Z Antiteilchen Antiteilchen g Elementarteilchen: Zusammengesetzte Hadronen: Quarks: up, charm, top down, strange, bottom Leptonen: Elektron, Myon, Tauon Elektron-, Myon-, Tau-Neutrino Bosonen: Photon, W-Bosonen, Z-Boson, Gluon Higgs-Boson Baryonen: 3 Quarks z.B. Proton uud Neutron udd Mesonen: Quark-Antiquark z.B. Pionen 7.2 Das Standardmodell: Kräfte γ 7.2.1 Elektromagnetische Wechselwirkung 7.2.2 Schwache Wechselwirkung u − W+ W Z d 7.2.3 Starke Wechselwirkung g g g g g g g g 7.2.4 Gravitation Gravitation 18. Jh Elektrizität Magnetismus 19. Jh Elektromagnetische Wechselwirkung 1. Hälfte des 20.Jh 1940er 1970er heute & morgen Allgemeine Relativitätstheorie Starke WW Schwache WW Quantenelektrodynamik Elektroschwache Wechselwirkung Quantenchromodynamik Große vereinheitlichte Theorie (GUT) Quantengravitation (Strings, Loops, etc) 7.3 Das Standardmodell: Erhaltungssätze und Symmetrien Energie Impuls Drehimpuls Baryonenzahl B Leptonenzahl L Parität P (Physik ist identisch, wenn man alle Raumkoordinaten umdreht) Ladungskonjugation C (Physik ist identisch, wenn man das Ladungsvorzeichen umdreht) Zeitumkehr T (Physik ist identisch, wenn man die Zeitrichtung umdreht) CP CPT 7.4 Teilchenbeschleuniger 7.4.1 Allgemeines Hochenergetische Teilchen aus - radioaktiven Präparaten - kosmischer Strahlung - Teilchenbeschleunigern Beschleunigte Teilchen e− e+ p p A n+ Z Teilchenstrahlen e− e+ p p A n+ Z Elektromagnetische Kräfte Beschleunigen ? F = q⋅E ( F = q⋅ v ×B Fokussieren ? F = q⋅E ( F = q⋅ v ×B ) ) I I n γ μ± ν 7.4.2 Kreisbeschleuniger (und Speicherringe) a) b) ~ c) ~ ~ 7.4.3 Linearbeschleuniger (Linacs) a) b) c) d) Nachteil: Strahl wird nur einmal verwendet Vorteile: kleinerer Strahl kürzere Pulse keine Synchrotronstrahlung (LEP: 16 MW) 7.4.4 Exotische Beschleunigungsverfahren Laser-Plasma-Beschleunigung: 1 GeV Elektronen nach 3.3 cm (W. Leemans, Nature Physics 2 (2006), S. 696) vgl. SLAC-Linearbeschleuniger: 1 GeV Elektronen nach 50 m ! Laser-Leistung 0.5 J 0.5 J = = 1013 W = 10 TW −15 50 fs 50 ⋅10 s siehe auch: C. Joshi, Teilchenbeschleunigung mit Plasmawellen, Spektrum der Wissenschaft, August 2006. 7.5 Detektoren der Teilchenphysik z.B. CMS und ATLAS beim LHC (CERN) 7.5 Neutrinos νe νμ ντ - haben Neutrinos Masse? z.B. Endpunkt des β-Spektrums - Solares Neutrinodefizit? erwarteter Fluss ~ 1015 Neutrinos m 2s Super-Kamiokande (Japan) KamLAND-Detektor (Japan): Neutrinos aus 53 Kernkraftwerken Neutrino-Oszillationen ν e →ν μ →ν e … mν ≠ 0 Das Neutrino-Teleskop IceCube This material is based upon work supported by the National Science Foundation under Grant Nos. OPP-9980474 (AMANDA) and OPP-0236449 (IceCube), University of Wisconsin-Madison. 7.6 Astroteilchenphysik - Neutrinos - Kosmische Strahlung (bis 1020 eV !) - Kosmische Gammastrahlung - Dunkle Materie X-ray binary LS 5039 (The H.E.S.S. project) Viktor Hess (1883-1964) 8. Astrophysik und Kosmologie Merkur Venus Erde Mars Jupiter Saturn Uranus Neptun Pluto gr. Halbachse in AE 0.387 0.723 1.000 (ca. 150 Mio. km) 1.524 5.204 9.582 19.20 30.04 39.24 Sternentwicklung (Giancoli) 8.1 Der Urknall 8.1.1 Das Olberssche Paradoxon Wilhelm Olbers (1758-1840) r 8.1.2 Kosmische Hintergrundstrahlung (Giancoli) (R. Wilson und A. Penzias) 8.1.3 Expansion des Universums v ≈ H0 ⋅ D H 0 = 73 km/s Mpc (?) ⎡⎣1 pc = 3.1⋅1016 m ⎤⎦ (Giancoli) Edwin Hubble (1899-1953) 8.1.4 Dunkle Materie Rotation von Galaxien (aus Wikipedia, A. Gueth, 2005) Gravitationslinsen Spickzettel Kerne/Teilchen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) Atomkerne Radius r ≈ A1/ 3 ⋅1.2 ⋅10−15 m Nomenklatur Sonnensystem: Sonne+ Planeten (Erde-Sonne 150 Mio km) Sterne:leben mehrere Milliarden Jahre, schwere leben kürzer Endzustände: weiße Zwerge, Neutronensterne, schw. Löcher... Tröpfchenmodell erklärt Bindungsenergie Schalenmodell: magische Zahlen (2,,8,20,...) Radioaktivität, Zerfallsgesetz Anwendung: Radiocarbon (14C)-Datierung N (t ) = N (0) ⋅ exp ( −λ ⋅ t ) = N (0) ⋅ exp ( −0.69 ⋅ t / T1/ 2 ) α-Strahlung: Heliumkerne, feste Energie (~MeV) β-Strahlung: Elektronen oder e+, variable Energie γ-Strahlung: hochenergetische Photonen Kernspaltung z.B. 235U (ca. 200 MeV) Kernfusion z.B. d + t Standardmodell der Elementarteilchen Teilchen: 3 Quark-Familien (z.B. u,d) 3 geladene Leptonen (z.B. Elektron) 3 Neutrinos Bosonen (Photon, W, Z, Gluonen, Higgs) Kräfte: elektromagnetisch (vermittelt das Photon) starke Wechselwirkung (Gluonen) schwache Wechselwirkung (Z,W) Gravitation Symmetrien und Erhaltunsgsätze Detektoren für Teilchen - aus Beschleunigern und Speicherringen - Weltraum (Neutrinos, Gammas, kosm. Strahlung) Neutrino-Oszillationen: Neutrinos haben Masse Urknall (vor ca. 14 Milliarden Jahren) Indizien: Nachthimmel dunkel (Olberssches Paradoxon) kosmische (2.7 K) Hintergrundstrahlung Expansion des Universums (Hubblesches Gesetz)