Logik Gabriele Kern-Isberner LS 1 – Information Engineering TU Dortmund Wintersemester 2014/15 WS 2014/15 G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 1 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Übersicht Prädikatenlogik 8. Strukturen & Syntax 9. Modellierung und Normalformen 10. Erfüllbarkeit: Grundresolution 11. Prädikatenlogische Resolution 12. Logische Programmierung und Prolog 13. Weitere Ergebnisse G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 87 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Teil C C – Prädikatenlogik (PL) Kapitel 10: Erfüllbarkeit: Grundresolution G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 88 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Übersicht Kapitel 10 10.1 Einleitung 10.2 Herbrand-Strukturen 10.3 Grundresolution G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 89 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Einleitung Übersicht Kapitel 10 10.1 Einleitung 10.2 Herbrand-Strukturen 10.3 Grundresolution G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 90 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Einleitung Folgern: Grundbegriffe (1/2) Das semantische Folgern ist für die Prädikatenlogik analog zur Aussagenlogik definiert: Definition 10.11 (PL-Folgerung, |=) • Seien Φ eine Menge von PL-Formeln und ψ eine PL-Formel • Φ |= ψ gdw. jede zu Φ ∪ {ψ} passende Interpretation, die Modell von Φ ist, auch Modell von ψ ist • Wir sagen auch: ψ folgt aus Φ G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 91 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Einleitung Folgern: Grundbegriffe (2/2) Der Zusammenhang zwischen Folgern und Unerfüllbarkeit ist in der Prädikatenlogik auch genauso wie in der Aussagenlogik: Proposition 10.7 Seien Φ eine Menge von PL-Formeln und ψ eine PL-Formel. Dann gilt: Φ |= ψ gdw. Φ ∪ {¬ψ} ist unerfüllbar G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 92 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Einleitung Mathematik und prädikatenlogische Erfüllbarkeit Die Mathematik lässt sich in der Prädikatenlogik formalisieren. Mathematische Sätze sind dann zumeist von der Art Φ |= ϕ, wobei Φ eine Menge von Axiomen ist und ϕ ein „mathematisches Theorem“. Beispiel • Die Gruppentheorie beschäftigt sich mit Strukturen mit einer Verknüpfung ◦ und einem ausgezeichneten Einselement e • Eine Gruppe G = (U G , ◦G , eG ) besteht aus – einer Menge U G – einer binären Verknüpfung ◦G auf U G (hier in Infixnotation geschrieben), und – einem neutralen Element eG ∈ U G und erfüllt die folgenden Axiome: (G1) ∀x,y,z (x ◦ y) ◦ z = x ◦ (y ◦ z) (G2) ∀x e ◦ x = x (G3) ∀x ∃y x ◦ y = e G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik (Assoziativität) (neutrales Element) (inverses Element) WS 2014/15 93 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Einleitung Mathematik und prädikatenlogische Erfüllbarkeit (Forts.) Beispiel (Forts.) • Ein einfaches Theorem ist nun, dass es in einer Gruppe für je zwei Elemente a, b immer ein Element c gibt mit a ◦ c = b • Die Aussage, dass dies ein gültiges Theorem ist, ist gleichbedeutend mit der Aussage {(G1), (G2), (G3)} |= ∀x ∀y ∃z x ◦ z = y • Diese Aussage ist äquivalent dazu, dass {(G1), (G2), (G3), ¬∀x ∀y ∃z x ◦ z = y} unerfüllbar ist • Das Theorem gilt also gerade dann, wenn es keine passende Struktur gibt, in der die Axiome gelten, aber nicht die zusätzliche Formel Erfüllbarkeitstests für die Prädikatenlogik können also im Prinzip als Basis für automatische Theorem-Beweiser dienen G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 94 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Einleitung Wissensbasierte Systeme und PL-Erfüllbarkeit (1/3) In wissensbasierten Systemen wird Wissen – oft in der Form von Fakten und Regeln – in der Wissensbasis gespeichert, aus der dann neues Wissen gefolgert (inferiert) werden kann. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 95 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Einleitung Wissensbasierte Systeme und PL-Erfüllbarkeit (2/3) Beispiel • Beispiel-Fakten: parent(bob,alfred). parent(dave,bob). parent(frank,dave). • Beispiel-Regeln: (wobei “: −” einen Pfeil “←” symbolisiert) ancestor(X,Y) :- parent(X,Y). ancestor(X,Y) :- parent(X,Z),ancestor(Z,Y). • Die Regel ancestor(X,Y) :- parent(X,Y) entspricht der PL-Formel ∀x∀y(P (x, y) → A(x, y)) (mit A ≡ ancestor, P ≡ parent) • Die Regel ancestor(X,Y) :- parent(X,Z), ancestor(Z,Y) entspricht der PL-Formel ∀x ∀y [∃z (P (x, z) ∧ A(z, y)) → A(x, y)] G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 96 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Einleitung Wissensbasierte Systeme und PL-Erfüllbarkeit (3/3) Wir können nicht annehmen, dass die Wissensbasis vollständig ist und alle Fakten enthält. Deshalb interessiert uns, ob das Faktum ancestor(frank,alfred) unabhängig von weiteren Fakten gefolgert werden kann. Wir wollen also wissen, ob ancestor(frank,alfred) in allen Modellen der Formelmenge gilt, die sich aus den gegebenen Fakten und den Schlussregeln ergibt. Dazu müssen wir also die Erfüllbarkeit der folgenden Menge testen: {P (bob, alfred), P (dave, bob), P (frank, dave), ∀x ∀y (P (x, y) → A(x, y)), ∀x ∀y [∃z (P (x, z) ∧ A(z, y)) → A(x, y)], ¬A(frank, alfred)} G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 97 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Einleitung Erfüllbarkeit von PL-Formeln: Vorüberlegungen • In der Aussagenlogik ist Erfüllbarkeit konzeptionell sehr einfach zu testen – Es genügt, alle passenden Wahrheitsbelegungen auszuprobieren – Das sind zwar „exponentiell viele“, aber zumindest ist garantiert, dass das Verfahren anhält – (und außerdem kennen wir noch zwei andere Verfahren) • Bei der Modallogik war a priori nicht klar, dass es genügt, begrenzt viele „Modellkandidaten“ zu testen – Wir haben aber gesehen, dass es reicht, baumförmige Kripkestrukturen einer bestimmten Maximaltiefe zu testen – Außerdem ist der Tableaukalkül ein Verfahren, das garantiert terminiert – Insgesamt ist die Komplexität von ML-SAT aber wohl größer als die von AL-SAT G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 98 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Einleitung Erfüllbarkeit von PL-Formeln • In der Prädikatenlogik ist die Lage noch komplizierter – Wo sollen wir für eine erfüllbare Formel nach Modellen suchen? (1) Was könnte die Grundmenge sein? (2) Wie sollen die Funktionen und Konstanten gewählt werden? (3) Wie sollen die Relationen gewählt werden? • Wir werden sehen: – Schlechte Nachricht: es kann sein, dass es für eine PL-Formel nur Modelle mit unendlich großer Grundmenge gibt – Gute Nachricht: (1) und (2) lassen sich trotzdem überraschend einfach beantworten – Schlechte Nachricht: (3) ist wirklich eine harte Nuss... G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 99 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Einleitung Erfüllbarkeit von PL-Formeln: unendliche Modelle Wir betrachten zunächst die erste schlechte Nachricht: Prädikatenlogische Formeln können Modelle mit unendlicher Grundmenge erzwingen. Beispiel • Sei ϕ = ∀x ¬P (x, x) ∧ ∀y P (y, f (y))∧ ∀u ∀v ∀w (P (u, v) ∧ P (v, w) → P (u, w)) • ϕ hat das Modell A = (N, P A , f A ): – P A (n, m) ⇔def n < m, für alle n, m ∈ N – f A (n) = n + 1, für alle n ∈ N mit unendlicher Grundmenge Proposition 10.8 Die Formel ϕ aus dem Beispiel hat kein Modell mit endlicher Grundmenge. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 100 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Einleitung Unendliche Modelle: Beweis Beweisskizze • Wir nehmen an: B = (U, P B , f B ) ist ein endliches Modell für ϕ • Wir schreiben (ausnahmsweise!) – f statt f B , P statt P B – f 2 (a) statt f (f (a)) (analog f i (a)) • Sei a ∈ U beliebig • Wir betrachten die Folge a, f (a), f 2 (a), f 3 (a), . . . • Da U endlich ist, können die unendlich vielen Folgenglieder nicht alle verschieden sein • Also gibt es i, j mit i < j, so dass gilt: f i (a) = f j (a) • Da P transitiv ist und (b, f (b)) ∈ P für jedes b ∈ U gilt, folgt (f i (a), f j (a)) ∈ P (da f j (a) = f j−i (f i (a))) • Das widerspricht aber der Teilformel ∀x ¬P (x, x) (Widerspruch) G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 101 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Übersicht Kapitel 10 10.1 Einleitung 10.2 Herbrand-Strukturen 10.3 Grundresolution G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 102 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Orientierung (1/2) Wir beginnen jetzt mit den Vorbereitungen für einen Erfüllbarkeitstest für prädikatenlogische Formeln. Wir werden als erstes sehen, dass wir uns bei der Suche nach einem Modell für eine Formel ϕ auf Strukturen eines besonders einfachen Typs einschränken können: • Diese Strukturen heißen Herbrand-Strukturen • Dass sie ausreichend sind, wird uns Satz 10.9 sagen Bei Herbrand-Strukturen sind die Grundmenge, die Konstanten und die Funktionen durch ϕ schon eindeutig festgelegt. Der Erfüllbarkeitstest reduziert sich also auf die Frage, ob die Relationen so gewählt werden können, dass ϕ wahr wird. • Dieses Problem wird sich allerdings als schwierig herausstellen G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 103 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Orientierung (2/2) Zur Erinnerung: Es genügt, einen Erfüllbarkeitstest für geschlossene Skolemformeln zu finden • Der Fall beliebiger Formeln lässt sich darauf zurück führen Wir betrachten im Folgenden die Prädikatenlogik ohne Gleichheit • Es werden aber auch einige Hinweise zu Erfüllbarkeitstests für die Prädikatenlogik mit Gleichheit gegeben G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 104 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Herbrand-Strukturen (1/3) Beispiel • Sei ϕ1 = ∀x ∀y R(x) ∧ (P (x) ∨ ¬R(y) ∨ ¬R(f (a)))∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, y))) • Was wissen wir über Modelle A von ϕ1 mit Grundmenge A? – A muss Elemente aA , bA enthalten – A muss auch Elemente f A (aA ), f A (bA ), g A (aA , aA ), g A (aA , bA ), g A (bA , aA ), g A (bA , bA ) enthalten – A muss außerdem Elemente wie f A (f A (aA )), f A (g A (aA , aA )), g A (f A (aA ), aA ) enthalten usw. – Kurz gesagt: Für jeden Term t, der gebildet werden kann, muss A ein Element tA enthalten – Welche dieser Elemente zueinander gleich oder verschieden sind, wissen wir dabei nicht G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 105 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Herbrand-Strukturen (2/3) Idee: Wir betrachten Strukturen H, • deren Grundmenge gerade die Menge PT(σ(ϕ)) der möglichen Terme ist, und • in denen jeder Term t durch sich selbst interpretiert wird (also: tH = t) Dieser rein syntaktische Ansatz wurde von Jacques Herbrand entwickelt. Kleine Komplikation: Beispiel • ϕ2 = ∀x P (x) ∧ ¬P (f (x)) – Was tun bei Formeln ohne Konstantensymbole? ⇒ Wir nehmen in einem solchen Fall immer ein Konstantensymbol a als „Basis“ der Grundmenge hinzu. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 106 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Herbrand-Strukturen (3/3) Definition 10.12 (Herbrand-Universum, Herbrand-Struktur) • Sei ϕ eine geschlossene Skolemformel • Das Herbrand-Universum H(ϕ) von ϕ sei die Menge aller Grundterme aus – PT(σ(ϕ)), falls ϕ ein Konstantensymbol enthält, und – PT(σ(ϕ) ∪ {a}) andernfalls • Eine Struktur H heißt Herbrand-Struktur für ϕ, falls gilt: – Die Grundmenge von H ist H(ϕ) – Ist c ein Konstantensymbol von ϕ, so ist cH = c – Ist f ein k-stelliges Funktionssymbol von ϕ und sind t1 , . . . , tk ∈ H(ϕ), so ist f H (t1 , . . . , tk ) = f (t1 , . . . , tk ) • Ein Herbrand-Modell einer Formel ϕ ist eine Herbrand-Struktur, die ein Modell für ϕ ist G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 107 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Kurz-Bio: Jacques Herbrand • Geboren: 12.2.1908 in Paris • Studium in Paris • Forschungsaufenthalte in Hamburg und Göttingen • Am 27.5.1931 beim Bergsteigen in den französischen Alpen tödlich verunglückt G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 108 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Satz von Herbrand (1/5) Satz 10.9 (Satz von Herbrand) Jede prädikatenlogische Formel χ hat genau dann ein Modell, wenn sie ein Herbrand-Modell hat. Beweisskizze • Die Richtung „⇐“ ist klar • Für „⇒“ sei ϕ = ∀x1 . . . ∀xl ψ eine durch Skolemisierung entstandene zu χ erfüllbarkeitsäquivalente geschlossene Skolemformel • Wir zeigen: – Hat ϕ ein Modell, so hat ϕ auch ein Herbrand-Modell H – Dieses Modell ist dann auch ein Herbrand-Modell für χ ∗ Die zusätzlichen Funktionen und Konstanten, die beim Übergang von χ zu ϕ durch Skolemisierung eingefügt wurden, können dazu einfach aus dem Modell entfernt werden G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 109 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Satz von Herbrand (2/5) Beweisskizze (Forts.) • Sei also A ein Modell für ϕ mit Grundmenge A • Wir konstruieren H wie folgt: – Grundmenge H(ϕ), Konstanten, Funktionen gemäß der Definition von Herbrand-Strukturen – Ist P ein k-stelliges Relationssymbol von ϕ und sind t1 , . . . , tk ∈ H(ϕ), so sei P H definiert durch: (t1 , . . . , tk ) ∈ P H ⇔def A |= P (t1 , . . . , tk ) – Falls A keine Konstanten hat, wählen wir ein beliebiges Element aus A als aA G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 110 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Satz von Herbrand (3/5) Illustration der Konstruktion von H • Sei ϕ = ∀x ¬P (x, x) ∧ ∀y P (y, f (y))∧ ∀u ∀v ∀w P (u, v) ∧ P (v, w) → P (u, w) • Wie schon gesehen: ϕ hat das Modell A = (N, P, f ) mit – P (n, m) :⇔ n < m, für alle n, m ∈ N – f (n) = n + 1, für alle n ∈ N • Wie können wir aus A ein Herbrand-Modell für ϕ gewinnen? • Universum U = H(ϕ) von H : a, f (a), f (f (a)), . . . • Wir wählen aA willkürlich: aA =def 5 • Die Funktion f H ist definiert durch: f H (t) = f (t), für alle t ∈ U • Wann ist (f i (a), f j (a)) ∈ P H ? – Dazu schauen wir, ob ((f i (a))A , (f j (a))A ) ∈ P A ist – Dies ist genau dann der Fall, wenn 5 + i < 5 + j ist, also, wenn i < j – Also: (f i (a), f j (a)) ∈ P H ⇔def i < j G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 111 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Satz von Herbrand (4/5) Beweisskizze (Forts.) • Zur Erinnerung: – ϕ = ∀x1 . . . ∀xl ψ – Zu zeigen: Hat ϕ ein Modell A, so hat ϕ auch ein Herbrand-Modell H – (t1 , . . . , tk ) ∈ P H ⇔def A |= P (t1 , . . . , tk ) • Wir zeigen durch Induktion nach l : H |= ϕ • l = 0: → ϕ quantorenfrei ⇒ H |= ϕ, da nach Konstruktion für alle atomaren Formeln gilt: H |= P (t1 , . . . , tk ) ⇔ A |= P (t1 , . . . , tk ), und A Modell von ϕ ist G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 112 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Satz von Herbrand (5/5) Beweisskizze (Forts.) • l > 0: – Sei ϕ0 =def ∀x2 . . . ∀xl ψ (also: ϕ = ∀x1 ϕ0 ) 0 ⇒ Für jedes u ∈ A gilt: (A, x1 7→ u) |= ϕ – Insbesondere gilt dies für jedes u, zu dem es einen Term t ∈ PT(σ(ϕ)) gibt mit tA = u ⇒ Für jeden Term t ∈ PT(σ(ϕ)) gilt: A |= ϕ0 [x1 /t] – Da ϕ0 [x1 /t] nur l − 1 Quantoren hat, folgt nach Induktion: ∗ H |= ϕ0 [x1 /t], für jeden Term t ∈ PT(σ(ϕ)) ⇒ Für jedes t ∈ H(ϕ) gilt: (H, x1 7→ t) |= ϕ0 ⇒ H |= ∀x1 ϕ0 , also: H |= ϕ G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 113 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Satz von Löwenheim-Skolem Da die Menge PT(σ(ϕ)) für jede Formel ϕ höchstens abzählbar unendlich ist, ergibt sich als Folgerung aus dem Satz von Herbrand sofort das folgende wichtige Resultat: Satz 10.10 (Satz von Löwenheim-Skolem) Jede prädikatenlogische Formel hat genau dann ein Modell, wenn sie ein Modell mit höchstens abzählbar unendlicher Grundmenge hat. Bemerkungen: • Falls ϕ ein Funktionssymbol hat, ist die Grundmenge von H abzählbar unendlich • Falls ϕ keine Funktionssymbole enthält (und H(ϕ) deshalb nur aus endlich vielen Konstanten besteht), lässt sich trotzdem ein abzählbar unendliches Modell finden • Der Satz von Löwenheim-Skolem gilt auch für die Prädikatenlogik mit Gleichheit G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 114 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Kurz-Bio: Leopold Löwenheim • Geboren: 26.6.1878 in Krefeld • Studium in Berlin • Mathematik-Lehrer ab 1906 • Teilnahme am ersten Weltkrieg 1915/1916 • Als „Nicht-Arier“ 1934 aus dem Schuldienst entlassen • 1946-1949: Lehrer in Berlin • Gestorben: 5.5.1957 in Berlin G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 115 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Herbrand-Strukturen Kurz-Bio: Thoralf Skolem • Geboren: 23.5.1887 in Sandsvaer, Norwegen • Studium in Oslo (Kristiania) ab 1905 • Dozent in Oslo und Bergen • Gestorben: 23.3.1963 in Oslo G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 116 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Grundresolution Übersicht Kapitel 10 10.1 Einleitung 10.2 Herbrand-Strukturen 10.3 Grundresolution G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 117 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Grundresolution Herbrand-Modell: Beispiel Es bleibt die Frage, wie in einer Herbrand-Struktur die Relationen gewählt werden können, damit ein Modell der gegebenen Formel entsteht. Beispiel • Sei ϕ3 = ∀x ∀y [P (f (x), g(x, y)) ∧ ¬P (g(x, x), f (y))] • Wir versuchen, für ϕ3 ein Herbrand-Modell zu konstruieren • H(ϕ3 ) = {a, f (a), g(a, a), f (f (a)), f (g(a, a)), g(a, f (a)), . . .} • Die Definition der Funktionen ist wie zuvor • Wie soll P definiert werden? – Das ist hier recht einfach: ∗ Um P (f (x), g(x, y)) für jede Variablenbelegung wahr zu machen, müssen wir genau alle Paare der Form (f (t1 ), g(t1 , t2 )) mit t1 , t2 ∈ H(ϕ3 ) in die Interpretation von P aufnehmen ∗ Da P danach keine Paare der Form P (g(t1 , t1 ), f (t2 )) enthält, ist die zweite Teilformel ¬P (g(x, x), f (y)) auch für jede Variablenbelegung wahr G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 118 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Grundresolution Herbrand-Expansionen (1/2) Sei ϕ = ∀x1 . . . ∀xl ψ eine geschlossene Skolemformel mit Matrix-Formel ψ. Wir werden jetzt das Problem, geeignete Relationen für ein Herbrand-Modell für ϕ zu finden, auf das aussagenlogische Erfüllbarkeitsproblem zurückführen: • Die Idee ist, die atomaren Formeln R(t1 , . . . , tl ) als aussagenlogische Variablen aufzufassen • Die Variablen in ψ werden dazu auf alle möglichen Weisen durch Terme ersetzt (grundiert → Grundterme) • Aus ψ entsteht dann eine (in der Regel abzählbar unendliche) Menge aussagenlogischer Formeln • Die Erfüllbarkeit dieser Menge kann dann mit Resolution getestet werden G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 119 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Grundresolution Herbrand-Expansionen (2/2) Definition 10.13 (Herbrandexpansion E(ϕ), aussagenlogisch erfüllbar) • Sei ϕ = ∀x1 . . . ∀xl ψ eine geschlossene Skolemformel mit Matrix-Formel ψ • Die Herbrand-Expansion E(ϕ) von ϕ sei die folgende Menge von PL-Formeln: {ψ[x1 /t1 , . . . , xl /tl ] | t1 , . . . , tl ∈ H(ϕ)} • Wir sagen: E(ϕ) ist aussagenlogisch erfüllbar, wenn es eine Belegung der atomaren Formeln von E(ϕ) mit Wahrheitswerten gibt, die alle Formeln in E(ϕ) wahr macht Satz 10.11 (Satz von Gödel, Herbrand, Skolem) Eine geschlossene Skolemformel ϕ ist genau dann erfüllbar, wenn E(ϕ) aussagenlogisch erfüllbar ist. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 120 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Grundresolution Herbrand-Expansionen: Beispiele (1/2) Beispiel • Für φ2 = ∀x P (x) ∧ ¬P (f (x)) gilt: – H(ϕ2 ) = {a, f (a), f (f (a)), f (f (f (a))), . . .} – E(ϕ2 ) = { P (a) ∧ ¬P (f (a)), wegen P (f (a)) ∧ ¬P (f (f (a))), wegen P (f (f (a))) ∧ ¬P (f (f (f (a)))), wegen P (f (f (f (a)))) ∧ ¬P (f (f (f (f (a))))), wegen . . .} G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik x 7→ a x 7→ f (a) x 7→ f (f (a)) x 7→ f (f (f (a))) WS 2014/15 121 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Beispiel Grundresolution Herbrand-Expansionen: Beispiele (2/2) • ϕ1 = ∀x ∀y R(x)∧(P (x)∨¬R(y)∨¬R(f (a)))∧(¬P (b)∨¬R(g(b, y))) – H(ϕ1 ) = {a, b, f (a), f (b), g(a, a), g(a, b), g(b, a), g(b, b), f (f (a)), f (f (b)), f (g(a, a)), f (g(a, b)), . . .} – E(ϕ1 ) = { R(a) ∧ (P (a) ∨ ¬R(a) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, a))), wegen x 7→ a, y 7→ a R(b) ∧ (P (b) ∨ ¬R(a) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, a))), wegen x 7→ b, y 7→ a R(b) ∧ (P (b) ∨ ¬R(b) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, b))), wegen x 7→ b, y 7→ b R(a) ∧ (P (a) ∨ ¬R(b) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, b))), wegen x 7→ a, y 7→ b R(f (a)) ∧ (P (f (a)) ∨ ¬R(a) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, a))), wegen x 7→ f (a), y 7→ a R(f (a)) ∧ (P (f (a)) ∨ ¬R(b) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, b))), wegen x 7→ f (a), y 7→ b . . .} G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 122 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Grundresolution Erfüllbarkeitstest für prädikatenlogische Formeln Wenn eine Formel ϕ unerfüllbar ist, lässt sich also aus E(ϕ) die leere Klausel per (aussagenlogischer) Resolution herleiten. Damit erhalten wir den folgenden Algorithmus: Grundresolutionsalgorithmus Eingabe: geschlossene Skolemformel ϕ Ausgabe: „unerfüllbar“, falls ϕ unerfüllbar ist, andernfalls „erfüllbar“ oder keine Termination 1: M := ∅, i := 0 2: while i < |E(ϕ)| do 3: i := i + 1, ψi := i-te Formel von E(ϕ) 4: M := M ∪ {ψi } % M wird sukzessive mit E(ϕ) gefüllt 5: if Resolutionsalgo sagt, dass M aussagenlogisch unerfüllbar ist then 6: RETURN „unerfüllbar“ 7: RETURN „erfüllbar“ G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 123 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Grundresolution Erfüllbarkeitstest für prädikatenlogische Formeln (Forts.) Bemerkungen: • Der Algorithmus terminiert nur dann, wenn ϕ unerfüllbar oder E(ϕ) endlich ist • Wir sagen, dass das Unerfüllbarkeitsproblem für PL-Formeln semi-entscheidbar ist, weil es einen Algorithmus gibt, der – für unerfüllbare Formeln anhält und „unerfüllbar“ ausgibt und – für erfüllbare Formeln möglicherweise nicht terminiert • Über semi-entscheidbare Probleme erfahren Sie mehr in der Vorlesung Grundbegriffe der theoretischen Informatik • Weil der Algorithmus (im Gegensatz zur prädikatenlogischen Resolution, s. nächstes Kapitel) nur Grundterme verwendet, heißt er Grundresolutionsalgorithmus G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 124 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Grundresolution Grundresolutionsalgorithmus: 1. Beispiel Beispiel • Sei ϕ2 = ∀x (P (x) ∧ ¬P (f (x))) • Matrixklauselform: {{P (x)}, {¬P (f (x))}} • H(ϕ2 ) = {a, f (a), f (f (a)), f (f (f (a))), . . .} • E(ϕ2 ) = { P (a) ∧ ¬P (f (a)), wegen x 7→ a P (f (a)) ∧ ¬P (f (f (a))), wegen x 7→ f (a) . . .} {P (f (a))} {¬P (f (a))} Leider wird nicht immer so schnell eine unerfüllbare Klauselmenge erreicht. G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 125 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Grundresolution Grundresolutionsalgorithmus: 2. Beispiel (1/2) • ϕ1 = ∀x ∀y (R(x) ∧ (P (x) ∨ ¬R(y) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, y)))) • Matrixklauselform: {{R(x)}, {P (x), ¬R(y), ¬R(f (a))}}, {¬P (b), ¬R(g(b, y))}} • H(ϕ1 ) = {a, b, f (a), g(a, a), f (b), g(a, b), g(b, a), g(b, b), f (f (a)), . . .} • E(ϕ1 ) = {R(a) ∧ (P (a) ∨ ¬R(a) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, a))) wegen x 7→ a, y 7→ a ... ... R(f (a)) ∧ (P (f (a)) ∨ ¬R(a) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, a))) wegen x 7→ f (a), y 7→ a ... ... R(b) ∧ (P (b) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, f (a)))) wegen x 7→ b, y 7→ f (a) ... ... R(g(b, a)) ∧ (P (g(b, a)) ∨ ¬R(a) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, a))) wegen x 7→ g(b, a), y 7→ a ...} G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 126 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Grundresolution Grundresolutionsalgorithmus: 2. Beispiel (1/2) • ϕ1 = ∀x ∀y (R(x) ∧ (P (x) ∨ ¬R(y) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, y)))) • Matrixklauselform: {{R(x)}, {P (x), ¬R(y), ¬R(f (a))}}, {¬P (b), ¬R(g(b, y))}} • H(ϕ1 ) = {a, b, f (a), g(a, a), f (b), g(a, b), g(b, a), g(b, b), f (f (a)), . . .} • E(ϕ1 ) = {R(a) ∧ (P (a) ∨ ¬R(a) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, a))) wegen x 7→ a, y 7→ a ... ... R(f (a)) ∧ (P (f (a)) ∨ ¬R(a) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, a))) wegen x 7→ f (a), y 7→ a ... ... R(b) ∧ (P (b) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, f (a)))) wegen x 7→ b, y 7→ f (a) ... ... R(g(b, a)) ∧ (P (g(b, a)) ∨ ¬R(a) ∨ ¬R(f (a))) ∧ (¬P (b) ∨ ¬R(g(b, a))) wegen x 7→ g(b, a), y 7→ a ...} G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 127 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Grundresolution Grundresolutionsalgorithmus: 2. Beispiel (2/2) Beispiel (Forts.) {P (b), ¬R(f (a))} {R(f (a))} {R(g(b, a))} {¬P (b), ¬R(g(b, a))} {P (b)} {¬P (b)} G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 128 / 251 PL – Erfüllbarkeit: Grundresolution Grundresolution Zusammenfassung Sie sollten die folgenden Themen und Techniken kennen und beherrschen: • Erfüllbarkeitstests für prädikatenlogische Formeln sind wichtig für die Mathematik und die Informatik • Das Erfüllbarkeitsproblem ist für die Prädikatenlogik aber erheblich schwieriger als für die Aussagenlogik und die Modallogik • Immerhin genügt es, als potentielle Modelle Herbrandstrukturen zu betrachten • Dies führt zum Grundresolutionsalgorithmus, der bei erfüllbaren Formeln aber nicht immer terminiert G. Kern-Isberner (TU Dortmund) Logik WS 2014/15 129 / 251