Grundlagen der Begutachtung, Schuldfähigkeit Was ist ein Gutachten? − Die Beurteilung eines Sachverhaltes − Auf der Basis besonderer Fachkenntnisse − Für einen konkreten Auftraggeber − Zu einer von diesem festgelegten Fragestellung − Durch eine(n) auf dem Gebiet ausgewiesene(n) ExpertIn, der/die objektiv und unabhängig unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Lehre und der juristischen Rahmenbedingungen zu den beantwortbaren Fragen eindeutig Stellung nimmt , Rolle des Gutachters Prinzipiell Gutachter = Gehilfe des Gerichts − Gutachten (GA) soll dem Gericht die Informationen geben, die einer normativen, d. h. wertenden, Entscheidung zugrunde gelegt werden können − Pflicht zur unparteiischen, fachlich fundierten Gutachtenerstattung − Kein Ermittlungsorgan − Begutachtung eigener Patienten problematisch , Art.19 – Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit 1. war der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar 2. war der Täter zur Zeit der Tat nur teilweise fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so mildert das Gericht die Strafe Deutschland: § 20 - Schuldunfähigkeit Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung einer Tat • wegen einer krankhaften seelischen Störung • wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung • wegen Schwachsinns oder • einer schweren anderen seelische Abartigkeit unfähig ist das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln alte Begriffe 1. Geisteskrankheit 2. Schwachsinn 3. schwere Störung des Bewusstseins bzw. 1. Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit 2. geistig mangelhafte Entwicklung 3. Beeinträchtigung des Bewusstseins Plan: „schwere psychische Störung“ als Sammelbegriff ICD-10 bzw. DSM-IV • ohne Diagnose keine Schuldminderung • Diagnose alleine reicht aber nicht • Verknüpfung von Diagnose und Funktionsfähigkeit ist sinnvoller diagnostische Zuordnung und Beurteilung des Funktionsniveaus Mögliche Störungen • Körperlich begründbare Psychosen, incl. degenerative Hirnerkrankungen • Durchgangssyndrome (incl. akute Intoxikation) • epileptische Anfälle (incl. Dämmerzustand) • schizophrene und affektive Psychosen • schwere Sucht • genetische Aberrationen (z.B. Klinefelter-Syndrom) • • • • • • Persönlichkeitsstörungen neurotische Störungen Störungen der Impulskontrolle sexuelle Deviationen Medikamenten- und Drogenmissbrauch paranoide Entwicklungen Entscheidend ist die Frage, ob die Tat überhaupt etwas mit der Störung zu tun hat Argumente für eine Quantifizierung 1. Psychische Störungen sind ausgesprochen heterogen 2. Alkoholisierung: angeheitert, berauscht, psychotischer Rausch 3. Gelegentlicher Substanzkonsum, Substanzmissbrauch, psychische Abhängigkeit, körperliche Abhängigkeit, organische Persönlichkeitsveränderung bei Abhängigkeit, alkoholinduzierte Demenz 4. Quantifizierung wird der Verlaufsgestaltung psychischer Erkrankungen besser gerecht, z. B. schizophrene Erkrankungen, akute Exazerbation einer schizophrenen Erkrankung 5. Bei einer Quantifizierung auf der diagnostischen Ebene erhält die Tat kein quantifizierendes Gewicht 6. Dadurch kann eine wesentlich problematischere Durchmischung verhindert werden: Schweres, vermeintlich unverständliches Delikt Schwere Störung Aber nach welchen Kriterien soll quantifiziert werden? Kann die Organdiagnostik helfen? Laborparameter Versuch einer Ordnung im Bereich der Alkoholdelikte - Werte ab 2,0 Promille relevant - Dann auch Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert - Ab 3,0 Promille Steuerungsunfähigkeit - Diese Einteilung findet keine Stütze im klinischen Arbeitsalltag - Toleranz bleibt unberücksichtigt - Alkoholgewöhnte Straftäter werden bevorzugt Saß [1985]: 1. Psychopathologisches Referenzsystem 2. Hinsichtlich der Schweregradseinschätzung bei Persönlichkeitsstörungen wird die Orientierung an organischen oder endogenen Psychosen empfohlen Intelligenzminderungen Störungen der Intelligenz, die nicht auf nachweisbaren organischen Grundlagen beruhen IQ nicht allein entscheidend, meist aber deutlich < 80 Persönlichkeit und soziales Umfeld relevant, Beeinflussbarkeit Bewusstseinsstörung 1. Begriff wird zumeist synonym zu affektiven Ausnahmezuständen gebraucht, es ist aber nicht dasselbe 2. Meist impulsive Gewaltdelikte Gesunder unter hochgespannter affektiver Erregung 3. Affekt: reaktiv, stark, körperliche Begleiterscheinung 4. Dynamisch hochbesetzter Konflikt, akute Aktualisierung, stark aufschießende Gefühlserregung mit Aspekt des Pathischen (etwas geschieht mit dem Prob.) Proargumente 1. 2. 3. Spezifische Vorgeschichte: Affektspannung durch chronischen Konflikt, Zermürbung-Labilisierung, Tatanlaufzeit mit Erlebniseinengung, Isolierung, Selbstentfremdung Affektive Ausgangssituation: pathischer Aspekt, „Sog der Situation“ Persönlichkeit: asthenisch-selbstunsicher, impulsiv-explosibel Verstehenshintergrund, aber Achtung!! Entscheidend ist die Tatzeit 4. 5. 6. 7. 8. Konstellative Faktoren: Alkohol, Medikamente, Schlafstörung Impulsives Tatgeschehen: abrupt, rechtwinkliger Verlauf Affektauf- und –abbau: unvermittelter Beginn und Ende Folgeverhalten: Erschütterung, Erstaunen, Weinen Bewußtseinseinengung: Verblassen der randständigen Wahrnehmung Gegenargumente 1. 2. 3. 4. 5. Vorgestalten Ankündigung der Tat Aggressive Handlungen in der Tatanlaufzeit Vorbereitungshandlungen Konstellierung der Tatsituation durch den Täter Kontinuität des Bewußtseins, aber Achtung!! Entscheidend ist die Tatzeit 6. Fehlender Zusammenhang Provokation – Erregung – Tat 7. Zielgerichtete Gestaltung des Tatablaufs durch den Täter 8. Lang hingezogenes Tatgeschehen 9. Komplexer Handlungsablauf in Etappen 10.Erhaltene Introspektion 11.Exakte, detailreiche Erinnerung 12.Zustimmende Kommentierung 13.Fehlen von vegetativen, psychomotorischen Begleiterscheinungen Einsichts-, Steuerungsfähigkeit 1. motivational (Einsicht): z.B. Wahn, Halluzinationen, Ich-Störungen Fehlinterpretation der Realität, abwegige Einschätzungen und Ziele, veränderte Wertorientierung (sozialethische Komponente) Entscheidend: Überstiegsfähigkeit, Eigenweltlichkeit 2. kognitiv (Einsichtssteuerung): Aufmerksamkeits-, Gedächtnisstörungen, Störung der Exekutivfunktionen Informationsverarbeitung gestört, Desorganisation Entscheidend: Ausprägungsgrad 3. voluntativ (Steuerung): z.B. Antrieb, Desaktualisierungsschwäche Handlungssteuerung, Hemmungsfunktionen beeinträchtigt Entscheidend: Ausprägungsgrad Determination des Verhaltens forensische Relevanz: Verlust von Realitätsbezügen Grad der Determination von Verhalten: Verlust von Freiheitsgraden Krankheitsausprägung Alkohol Die Sonderrolle des Alkohols ist offensichtlich: 1. Ein großer Teil der Bevölkerung konsumiert mehr oder weniger regelmäßig Alkohol 2. Ein Grossteil der Gewaltdelikte wird unter Alkoholeinfluss verübt 3. Alkoholkonsum hat nicht zwangsläufig eine klinische Bedeutung (Psychosen schon) auf psychopathologische Veränderungen achten auf neurologische Symptome achten Größtmöglichste diagnostische Klarheit muss angestrebt werden Quantifizierung 1. Alkoholisierung vs. klinisch relevanter Intoxikation 2. Verhaltensauffälligkeiten: Enthemmung, Streitlust, affektive Labilität 3. Neurologische und vegetative Merkmale: Lallen, Gang-, Standunsicherheit, Gesichtsrötung, Bewußtseinsstörungen Rasch (1999) 1. Euphorische Auflockerung 2. Depressiv-dysphore Verstimmung 3. Toxische Reizoffenheit 4. Ungerichtetes Handlungsbedürfnis 5. Rauschdämmerzustände 6. (akzentuierend katalytische Reaktion) Fragen 1. Persönlichkeit: asthenischselbstunsicher, impulsiv, dissozial 2. Konsummuster, Alkoholgewöhnung 3. Spezifische Vorgeschichte: Affektspannung, ZermürbungLabilisierung, Müdigkeit 4. Alkoholisierungsgrad 5. Rauschform 40jährige Frau, Anklage wegen schwerer Körperverletzung, Blutalkoholspiegel bei Begehung der Tat 3,6 Promille. Anwalt plädiert wegen Alkoholisierung für Schuldunfähigkeit. Angaben der Prob: Anschuldigung akzeptiert. Prob. lebt in Beziehung mit alkoholabhängigem Partner. Zunehmend Streit mit zuletzt auch aggressiven Zuspitzungen. Wollte sich mehrfach trennen, hat es aber nicht geschafft. Konkrete Tatsituation: Partner sitzt vorm Fernseher, isst Suppe. Sie ist verärgert, da er nichts tut und das von ihr gekochte Essen kommentarlos konsumiert. Schüttet ihm den Rest der Suppe über den Kopf. Er springt auf, schlägt und tritt sie. Sie greift zu einer Schußwaffe und gibt Schüsse ab. Version des Geschädigten: Sie habe gesagt, komm wir spielen russisch Roulette und gezielt geschossen. Ihre Version: Mit der Waffe gedroht, um ihn von weiteren Schlägen abzuhalten. Schuß gelöst, weis nicht genau wie, aber auf keinem Fall gezielt, sie sei sehr erschrocken. Habe die Wunde direkt verbunden und benachbarten Sanitäter gerufen. Zur Tatzeit sei sie betrunken gewesen, Gedächtnislücke für die Ereignisse mit dem Revolver. Zeitraum davor und danach wird detailreich erinnert. Sie habe sich hilflos gefühlt und sei auch wütend gewesen, habe ihm aber nichts tun wollen. Zur Vorgeschichte: Seit 1995 vermehrter Alkoholkonsum, 1997 stat. Entwöhnung, danach keine Abstinenz, 2 Monate vor der Tat: Führerscheinentzug wg. Trunkenheitsfahrt mit 2,6 Promille. Befund: Ärztlicher Befund bei Blutentnahme (ca. 1,5 h nach der Tat): wach, Denkablauf sprunghaft, Verhalten unruhig, rastlos. Stimmung aufgelöst, depressiv. Lallende Sprache, unsichere Finger-Finger Prüfung, unsicheres Gangbild. Bei Begutachtung: Bewußtseinsklar, konzentriert. Freundliche Kontaktaufnahme, verminderter Ausdruck. Matte Antriebslage, Stimmung besorgt, nachdenklich. Denkprozesse geordnet, kein psychotisches Erleben. Persönlichkeit mit selbstunsicheren, dependenten Zügen. Diagnosen: Alkoholabhängigkeit (ICD-10: F 10.20) Einsichts-, Steuerungsfähigkeit Einsichtsfähigkeit nur bei psychotischen Rauschzuständen tangiert Steuerungsfähigkeit 1. 2. 3. 4. Impulsives Tatgeschehen: abrupt, rechtwinkliger Verlauf Überschießende Gewaltanwendung Folgeverhalten: Erschütterung, Erstaunen, Weinen, ungeordnete Flucht Bewusstseinseinengung: Verblassen der randständigen Wahrnehmung Gegenargumente 1. 2. 3. 4. 6. Vorgestalten Ankündigung der Tat im nüchternen Zustand Vorbereitungshandlungen Konstellierung der Tatsituation durch den Täter Fehlender Zusammenhang Provokation – Erregung – Tat 7. Zielgerichtete Gestaltung des Tatablaufs durch den Täter 8. Lang hingezogenes Tatgeschehen 9. Komplexer Handlungsablauf in Etappen 10. Erhaltene Introspektion 11. Exakte, detailreiche Erinnerung 12. Zustimmende Kommentierung 13. Vorsorge gegen Entdeckung Definition von Persönlichkeit Summe aller psychischen Eigenschaften und Verhaltensbereitschaften, die dem Einzelnen seine eigentümliche, unverwechselbare Individualität verleihen. Aspekte des Wahrnehmens, Denkens, Fühlens, Wollens und der Beziehungsgestaltung. DSM-IV-Definition der Persönlichkeitsstörung A. Ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten das zu klinisch bedeutsamem Leid oder Funktionsbeeinträchtigungen führt. Das Muster manifestiert sich in den Bereichen: 1) Kognition 2) Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen 3) Affektivität 4) Impulskontrolle B. Das Muster ist unflexibel und tiefgreifend in einem weiten Bereich persönlicher und sozialer Situationen C. Das Muster führt zu Leiden und Beeinträchtigung D. Das Muster ist stabil und langandauernd, d.h. es lässt sich bis in die Adoleszenz bzw. das frühe Erwachsenenalter zurückverfolgen E. Das Muster ist nicht Folge einer anderen psychischen Störung F. Das Muster ist nicht Folge einer Substanzwirkung oder körperlichen Erkrankung Einteilung der Persönlichkeitstörungen nach DSM-IV Cluster A: sonderbar-exzentrisch, affektarm, misstrauisch paranoide [0,5-2,5%], schizoide, schizotypische PS Cluster B: dramatisch, emotional, launisch histrionische, narzisstische [1%], Borderline [2%]) antisoziale-PS [3% bei Männern, 1% bei Frauen] Cluster C: ängstlich-furchtsam vermeidend-selbstunsichere, zwanghafte, dependente PS Psychopathy Checkliste (PCL-R) 1. Trickreicher sprachgewandter Blender mit oberflächlichem Charme (1) 2. Erheblich übersteigertes Selbstwertgefühl (1) 3. Stimulationsbedürfnis, ständiges Gefühl der Langeweile (2) 4. Pathologisches Lügen (1) 5. Betrügerisch-manipulatives Verhalten (1) 6. Mangel an Gewissensbissen oder Schuldbewusstsein (1) 7. Oberflächliche Gefühle (1) 8. Gefühlskälte, Mangel an Empathie (1) 9. Parasitärer Lebensstil (2) 10. Unzureichende Verhaltenskontrolle (2) 11. Promiskuität 12. Frühe Verhaltensauffälligkeiten (2) 13. Fehlen von realistischen, langfristigen Zielen (2) 14. Impulsivität (2) 15. Verantwortungslosigkeit (2) 16. Mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit, Verantwortung für eigenes Handeln zu 17. Viele kurzzeitige ehe(ähn)liche Beziehungen 18. Jugendkriminalität (2) 19. Missachtung von Weisungen und Auflagen (2) 20. Polytrope Kriminalität (1) = Faktor 1: Affektive/interpersonelle Merkmale (2) = Faktor 2: Antisoziale Verhaltensweisen übernehmen (1) 2. Gesetzliche Bestimmungen Art. 19 StGB War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar. § 20 StGB Deutschland: Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung einer Tat • wegen einer krankhaften seelischen Störung, • wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung • wegen Schwachsinns oder • einer schweren anderen seelische Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln resultierende Probleme Deutsche Formulierung macht deutlich, dass die 1) medizinische Diagnose „Persönlichkeitsstörung“ und 2) juristischer Begriff der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ nicht deckungsgleich sind 1. Diagnostik dann Übersetzungsarbeit mit 2. Quantifizierung: Frage der SASA 3. Quantifizierung: Erhebliche Einbußen der Steuerungsfähigkeit Schweizer Formulierung verführt dazu, die 2. Stufe zu überspringen und sich zu sehr aufs Tatgeschehen zu konzentrieren 3. Diagnostik Die pauschale Feststellung einer „Persönlichkeitsstörung“ reicht nicht aus genauere Festlegungen erforderlich deviante Verhaltensweisen müssen sorgfältig von psychopathologischen Merkmalen einer Persönlichkeitsstörung getrennt werden. die klinische Diagnose einer Persönlichkeitsstörung darf nicht per se mit einer schweren psychischen Störung oder gar Einbussen der Steuerungsfähigkeit gleichgesetzt werden Diagnostische Probleme 1. Ausprägungsgrad der Symptomatik ist eng mit situativen Bedingungen verbunden 2. Unterschiedlicher Ausprägungsgrad der Merkmale über die Zeit führt zu wechselnder Dysfunktionalität In kritischen Lebensphasen gibt es Symptomakzentuierungen, die bei erfolgreicher Bewältigung der Entwicklungsschritte zurückgehen In kritischen Lebensphasen können Persönlichkeitsstörungen demaskiert werden 3. Die Begutachtung findet nicht im luftleeren Raum statt, sie ist eng mit der juristischen Ausgangslage verknüpft: a) Expl. möchte unauffällig erscheinen b) Expl. möchte auffällig erscheinen c) Expl. ist durch Inhaftierung belastet 4. Die Interaktion zwischen Gutachter und Expl. kann Symptome akzentuieren oder verwischen 5. Diese Problematik lässt sich durch eine Fremdanamnese nicht wirksam bzw. vor allem nicht valide entschärfen, da die Kontextabhängigkeit auch für Drittpersonen gilt 6. Sie lässt sich auch nicht durch standardisierte Instrumente angehen, wenn diese ohne Kenntnis der Aktenlage eingesetzt werden. Grundlagen der Diagnostik 1. sorgfältige Erhebung der sozialen und biographischen Anamnese 2. altersentsprechende Entwicklung, biographische Brüche, Tendenzen zu stereotypen Verhaltensmustern bei Konflikten bzw. Stressoren? 3. überdauernde Schwierigkeiten: kognitiv, affektiv, Interaktion, Impulskontrolle? Allgemein definierende Merkmale von Persönlichkeitsstörungen sind entscheidend Kriterien der Antisozialen Persönlichkeitsstörung A. B. C. D. tief greifendes Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte anderer, das seit dem Alter von 15 Jahren auftritt. Mindestens 3 der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein: 1. Versagen, sich in Bezug auf gesetzmäßiges Verhalten gesellschaftlichen Normen anzupassen, was sich in wiederholtem Begehen von Handlungen äußert, die einen Grund für eine Festnahme darstellen. 2. Falschheit, die sich in wiederholtem Lügen, dem Gebrauch von Decknamen oder dem Betrügen anderer zum persönlichen Vorteil oder Vergnügen äußert, 3. Impulsivität oder Versagen, vorausschauend zu planen, 4.Reizbarkeit und Aggressivität, die sich in wiederholten Schlägereien oder Überfällen äußert, 5. rücksichtslose Missachtung der eigenen Sicherheit bzw. der Sicherheit anderer, 6. durchgängige Verantwortungslosigkeit, die sich im wiederholten Versagen zeigt, eine dauerhafte Tätigkeit auszuüben oder finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, 7. fehlende Reue, die sich in Gleichgültigkeit oder Rationalisierung äußert, wenn die Person andere Menschen kränkt, misshandelt oder bestohlen hat. Die Person ist mindestens 18 Jahre alt. Eine Störung des Sozialverhaltens war bereits vor Vollendung des 15. Lebensjahres erkennbar. Das antisoziale Verhalten tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer Schizophrenie oder einer manischen Episode auf. 3. Beurteilung des Schweregrads 1. Stellungnahmen zum Schweregrad der diagnostizierten Persönlichkeitsstörung müssen von der Diskussion der Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit, die eng mit der Analyse der Tatsituation verbunden ist, getrennt werden. 2. Wenn die durch die Persönlichkeitsstörung hervorgerufenen psychosozialen Leistungseinbußen mit den Defiziten vergleichbar sind, die bei forensisch relevanten krankhaften seelischen Verfassungen auftreten, kann von einer forensisch relevanten Persönlichkeitsstörung gesprochen werden. Argumente für eine forensische Relevanz 1. erhebliche Auffälligkeiten der affektiven Ansprechbarkeit bzw. der Affektregulation, 2. Einengung der Lebensführung bzw. Stereotypisierung des Verhaltens, 3. durchgängige oder wiederholte Beeinträchtigung der Beziehungsgestaltung und psychosozialen Leistungsfähigkeit durch affektive Auffälligkeiten, Verhaltensprobleme sowie unflexible, unangepasste Denkstile, 4. durchgehende Störung der Selbstwertregulation, 5. deutliche Schwäche von Abwehr- und Realitätsprüfungsmechanismen. Gegenargumente 1. Auffälligkeiten der affektiven Ansprechbarkeit ohne schwerwiegende Beeinträchtigung der Beziehungsgestaltung und psychosozialen Leistungsfähigkeit 2. weitgehend erhaltene Verhaltensspielräume 3. lediglich vereinzelte, zeitlich eng umschriebene Beeinträchtigungen der Beziehungsgestaltung und psychosozialen Leistungsfähigkeit, die vorwiegend in Zusammenhang mit situativen Faktoren stehen (Anpassungsstörungen) 4. Schwierigkeiten bei der Selbstwertregulation ohne durchgängige Auswirkungen auf die Beziehungsgestaltung und psychosozialen Leistungsfähigkeit 5. intakte Realitätskontrolle, reife Abwehrmechanismen 4. Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit 1. Eine relevante Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit allein durch die Symptome einer Persönlichkeitsstörung kommt der Regel nicht in Betracht. 2. In der Regel kommt allenfalls eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit in Betracht. 3. Selbst wenn eine schwere Persönlichkeitsstörung vorliegt, muss geprüft werden, ob ein Zusammenhang zwischen Tat und Persönlichkeitsstörung besteht. Hierbei ist zu klären, ob die Tat Symptomcharakter hat. 4. Die Beurteilung der Steuerungsfähigkeit erfordert eine detaillierte Analyse der Tatumstände (u.a. Verhalten vor, während und nach der Tat, Beziehung zwischen Täter und Opfer, handlungsleitende Motive). Argumente für Einbußen 1. konflikthafte Zuspitzung und emotionale Labilisierung in der Zeit vor dem Delikt 2. abrupter impulshafter Tatablauf, 3. relevante konstellative Faktoren (z.B. Alkoholintoxikation) 4. enger Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsproblemen und Tat Gegenargumente 1. Hervorgehen des Deliktes aus dissozialen Verhaltensbereitschaften, 2. planmäßiges Vorgehen bei der Tat, 3. Fähigkeit, zu warten, lang hingezogenes Tatgeschehen, 4. komplexer Handlungsablauf in Etappen, 5. Vorsorge gegen Entdeckung, 6. Möglichkeit anderen Verhaltens unter vergleichbaren Umständen. Einem 20-jährigen Prob. wurde eine Serie von nächtlichen Tankstellenüberfällen (12) vorgeworfen. Trotz eines Geständnisses bei den ersten polizeilichen Vernehmungen gab er bei der Untersuchung an, dass er die Taten nicht begangen habe. Er sei von den Vernehmungsbeamten unter Druck gesetzt worden. Zu den Vorwürfen werde er nichts weiter sagen. Ansonsten sei er bereit, Angaben zu seinem bisherigen Lebensgang zu machen: Der Prob. hatte die Schule ohne Probleme absolviert und mit 18 Jahren einen regelmäßigen Substanzkonsum (Cannabis, Alkohol) begonnen. Er lebt alleine. Die Berufsausbildung wurde an zwei Arbeitsstellen wg. Schwierigkeiten mit den Vorgesetzten beendet. Der Zivildienst im Krankentransport ohne Probleme absolviert. Der Prob. hat einen Bekanntenkreis ohne feste Freundschaften, seine engste Kontaktperson war eine junge Frau, die als Mittäterin (Fahrerin des Fluchtautos) angeklagt ist. Bei der Untersuchung fiel ein gesteigertes Mitteilungsbedürfnis auf. Er wirkte unreif, wenig zielstrebig, in Tagträumen/Größenphantasien und Augenblicksdenken befangen, egozentrisch-selbstbezogen. Eine Psychose oder Intelligenzminderung konnte zum Untersuchungszeitpunkt ausgeschlossen werden. Diagnose: Narzistische Persönlichkeitsstörung 5. ein ganz anderes und (unendlich) weites Problemfeld Art. 19 StGB: „Konnte der Täter die Schuldunfähigkeit oder die Verminderung der Schuldfähigkeit vermeiden und die in diesem Zustand begangene Tat voraussehen, so sind die Absätze 1-3 nicht anwendbar“ Karl Jaspers: „das Leben ist nicht nur erlittenes Schicksal, sondern Aufgabe der Gestaltung“ Persönlichkeitsstörungen sind dieser (eigenverantwortlichen) Gestaltung wesentlich zugänglicher als (schicksalhaft erlittene) psychische Erkrankungen im engeren Sinne Persönlichkeit und Verantwortung ? ? ? ? wenn ein Grundverständnis der eigenen Stärken und Schwächen vorhanden ist, können Betroffene kritische Situationen durchaus voraussehen Gutachtenqualität Prof. Dr. med. Elmar Habermeyer Klinik für Forensische Psychiatrie Psychiatrische Universitätsklinik Zürich , I. Was ist Qualität? , Qualitätsstandards forensisch-psychiatrischer Gutachten Oberflächliche Ebene − Schnell − Kurz − Preiswert − Den Erwartungen entsprechend , Komponenten der Qualität Struktur Produktionsmittel Prozess Produktionsablauf Ergebnis Qualität des Produktes gemäss festgelegten Standards , Strukturqualität Grundproblem − Die Auswahl des richtigen Gutachters − Fachliche Kompetenz − Ausreichende eigene Erfahrung mit dem konkreten Problem − Zugang zu den notwendigen "Produktionsmitteln" − Unabhängigkeit , Prozessqualität Die Herstellung des Gutachtens - Sachgerechtes Vorgehen Justiz − Problem adäquat dargestellt? − Angemessene Fragestellung? Gutachter − Qualifikation des GA? − Zeitliche Ressourcen des GA? , Ergebnisqualität 1 Das Gutachten als Produkt - wichtigste Grundprinzipien Transparenz und Nachvollziehbarkeit − Klare Gliederung und übersichtliche Darstellung? − Trennung von Befunden und Interpretation? − Angemessene Sprache? − Nachvollziehbare Inhalte? , Ergebnisqualität 2 − Erkennbare Objektivität und Unabhängigkeit? − Transparente Zuordnung der Diagnosen zu juristischen Kriterien? − Darstellung der tatrelevanten Funktionsbeeinträchtigung und der erhaltenen Leistungsfähigkeit? − Nachvollziehbare Quantifizierung? − Erkenntnisbedingte Unsicherheiten, Widersprüche und Schwierigkeiten aufgezeigt? − Nur auf gesichertes psychiatrisch-psychologisches Wissen bezogen? − Hinweis auf Alternativhypothesen und deren Wahrscheinlichkeit? , DFG-Studie zur Gutachtenqualität 2004-2006 GA, die in Verfahren erstattet wurden, die zwischen 1991 und 2001 zur Anordnung einer Sicherungsverwahrung führten (n = 208) − − Auswertung hinsichtlich formaler und inhaltlicher Aspekte Gesonderte Analyse des Vorgehens bei Sexualdelinquenten (n = 53) E. Habermeyer, D. Passow, P. Puhlmann, K. Vohs (2008) Fortschritte Neurologie Psychiatrie 76: 672-677 E. Habermeyer, D. Passow, P. Puhlmann, K. Vohs, S. Herpertz (2009) International Journal of Offender Therapy and Comparative Criminology 53: 373-384 , a) Formale Kritikpunkte Kinzig [1997] aktuell 36 56 Anteil der Gutachten < 10 Seiten 12,4 % 0.5 % Einsatz standardisierter Verfahren 42,4 % 64 % 20 % 55 % Durchschnittliche Seitenzahl Testpsychologische Zusatzgutachten formale Qualität gebessert , Sexualstraftäter: Praxis der Gutachtenerstellung Pfäfflin (1978) 208 Gutachten aus Verfahren gegen Sexualstraftäter von 1964-1971 61 % der Gutachten < 10 Seiten 29 % mit standardisierten psychologischen Tests 38 % "Pseudodiagnostik“ (subjektive Intelligenzmessung) 55 % der Gutachten ohne Sexualanamnese oder < 0,5 Seiten Aktuell (n=53): 24,5 % < 2 Untersuchungen; Ø 2,6 Untersuchungen (nSST: 31,9 %; Ø 2,2) 1,9 % ≤ 20 Seiten; Ø 63,8 Seiten (nSST: 6,4 %, Ø 55,6) 47,2 % ohne standardisierte psychologische Testverfahren (nSST: 34,4%) 15,1 % ohne Durchführung einer körperliche Untersuchung (nSST: 19,1 %) 17 % ohne Sexualanamnese, 19,6 % ≤ 0,5 Seiten; Ø 4 Seiten (nicht Sexualstraftäter im Vergleich) , b) InhaltlicheAspekte Pfäfflin(1978) "Die vorhandenen Sexualanamnesen sind weitgehend unvollständig." Beachtung der Mindeststandards [Boetticher et al. 2005, Hill et al. 2005] Analyse der 53 Gutachten mit persönlicher Untersuchung Ø 5,21 von 16 Punkten, 45,3% ≤ 4 Items; 20,8% ≥ 8 Items; 5,7% ≥ 10 Items 75,5% Beziehungsanamnese 66% 52,8% Ausgestaltung und Erleben soziosexueller Entwicklung Rahmenbedingungen und Verlauf der (familiären) sexuellen Sozialisation 49,1% 37,7% 35,8% 34% 34% 22,6% 21% Erleben sexueller oder anderer gewalttätiger Übergriffe Prostituiertenkontakte Bisherige Störungen/Behandlungen sexueller Erkrankungen Entwicklung geschlechtlicher Identität/sexueller Orientierung Zeitpunkt, Verlauf, Erleben der körperlichen sexuellen Entwicklung Entwicklung/Inhalt erotisch-sexueller Phantasien Pornographiekonsum 17% 15,1% 15,1% 11,3% 3,8% 1,9% Ausführliche Anamnese der Sexualdelinquenz Konsum von Alkohol im Zusammenhang mit Sexualität Verwendung sexueller Stimulantien im Zusammenhang mit Sexualität Differentialdiagnostische Einordnung paraphiler Neigungen Konsum von Drogen im Zusammenhang mit Sexualität , Fremdanamnese Fazit − − Formale Kritikpunkte entkräftet Inhaltliche Qualität muss weiter optimiert werden These Wir befinden uns evtl. in einem Zwischenstadium, in dem fortbestehende inhaltliche Mängel von einer gestiegenen formalen Qualität kaschiert werden (S. Nowara) , II. Mindeststandards , Hintergrund − In Deutschland wird insbesondere seit spektakulären Sexualstraftaten mit Todesfolge im Jahr 1996 intensiv über die Gutachtenqualität diskutiert. − In der öffentlichen Wahrnehmung wird die Gutachtenqualität dabei durchgehend in Frage gestellt, was durch Medienberichte angeheizt wird. − Auch die Politik hat sich kritisch über psychiatrische Begutachtungen geäussert. So sprach Bundeskanzler Schröder von einem "Gutachterkartell" und forderte, dass man Sexualstraftäter für immer wegsperren sollte. − Ungeachtet der aufgeheizten öffentlichen Diskussion wurde auch in Fachkreisen Kritik an der Gutachtenqualität geübt. Dies betraf insbesondere den Bereich der Begutachtung von Sexualdelinquenten, aber auch von Probanden mit Persönlichkeitsstörungen und die Prognosebegutachtung. − Von Seiten des Bundesgerichtshofes, der in Revisionsverfahren zu entscheiden hat, wurde ebenfalls die unterschiedliche bis mangelhafte Qualität psychiatrischer Gutachten bemängelt. , Vorgehen − 2002 konstituierte sich auf Initiative des Richters am Bundesgerichtshofes Bötticher erstmals eine interdisziplinäre forensisch-psychiatrische Arbeitsgruppe. − 2003 wurde in Untergruppen an Vorschlägen gearbeitet zur 1) Gutachtenerstellung allgemein, 2) Begutachtung von Sexualstraftätern 3) Begutachtung von Probanden mit Persönlichkeitsstörungen − 2004 wurden diese Vorschläge im Plenum diskutiert − 2005 bis 2007 erfolgte die Veröffentlichung der Arbeitsergebnisse in mehreren juristischen, aber auch psychiatrischen Fachzeitschriften , Die von der Rechtssprechung entwickelten Grundsätze − Wahl der Untersuchungsmethode: Sachverständige ist bei der Auswahl der dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand gerecht werdenden Methode frei − Klassifikationssysteme: Die Juristen gehen davon aus, dass die Sachverständigen auf die Kriterien dieser ICD-10 bzw. DSM-IV zurückgreifen − Ausmass der psychischen Störung: Rechtlich sagt die Zuordnung eines Befundes zu einer ICD-10- bzw. DSM-IV-Diagnose noch nichts über das Ausmass der psychischen Störung und insbesondere deren forensischer Bedeutung aus − Nachvollziehbarkeit und Transparenz: Das Gutachten muss darlegen, welche Anknüpfungstatsachen aufgrund welcher Untersuchungsmethoden und Denkmodelle zu den Ergebnissen geführt haben. − Beweisgrundlagen des Gutachtens: Die Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung muss auf die dort gefundenen Beweisergebnisse eingehen. Grundlage für die richterliche Urteilsfindung ist allein das in der Hauptverhandlung mündlich erstattete Gutachten. , Beratung des Tatrichters durch den Sachverständigen − Diagnose und Eingangsmerkmal: Die psychiatrische Diagnose ist nicht mit einem Eingangsmerkmal der Schuldfähigkeitsparagraphen gleichzusetzen. Die Entscheidung, ob der Sachverständigenbefund unter dem Eingangsmerkmal zu subsumieren ist, fällt in die Entscheidungskompetenz des Richters. − Ausprägungsgrad der Störungen: Mit der Feststellung, dass bei dem Beschuldigten eines der vier Merkmale des § 20 vorliegt, ist noch keine Aussage darüber verbunden, ob die Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert ist. Zu solchen Aussagen ist der Ausprägungsgrad der Störung und der Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit entscheidend. , Beurteilung der Schuldfähigkeit bei Begehung der Tat − Auswirkungen auf die konkrete Tat: Massgeblich kommt es auf den Zustand bei Begehung der Tat an. − Erheblichkeit als Rechtsfrage: Bei der Entscheidung darüber, ob Einbussen der Steuerungs- bzw. Einsichtskräfte erheblich sind, fliessen normative Gesichtspunkte ein. Dabei sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt, entscheidend. Diese Anforderung sind umso höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist. , Formelle Mindestanforderungen − Dokumentation der Aufklärung − Exakte Angabe und getrennte Wiedergabe der Erkenntnisquellen a) Akten b) subjektive Darstellung des Untersuchten c) Beobachtung und Untersuchung d) zusätzlich durchgeführte Untersuchungen − Eindeutige Kenntlichmachung der interpretierenden und kommentierenden Äusserungen und Trennung von gegebenen Informationen bzw. Befund − Offenlegen von Unklarheiten und Schwierigkeiten − Kenntlichmachung der Aufgaben- und Verantwortungsbereiche der beteiligten Gutachter und Mitarbeiter , Inhaltliche Mindestanforderungen − Vollständigkeit der Exploration, insbesondere zu den delikt- und diagnosespezifischen Bereichen − Benennung der Untersuchungsmethoden − Diagnosen nach Klassifikationssystemen − Darlegung differentialdiagnostischer Überlegungen − Darstellung der Funktionsbeeinträchtigungen − Überprüfung, ob und in welchem Ausmass die Funktionsbeeinträchtigungen bei Begehung der Tat vorlagen − Korrekte Zuordnung der psychiatrischen Diagnose zu den Eingangsmerkmalen − Tatrelevante Funktionsbeeinträchtigungen unter Differenzierung zwischen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit − Darstellung von alternativen Beurteilungsmöglichkeiten , Wann sollte gezweifelt werden? − − − − − − − − − − Formale Mindestanforderungen sind nicht erfüllt: Durchmischung von Akteninhalten, Angabe des Expl. und Schlussfolgerungen Fehlende Objektivität? Privatdiagnosen unzulässige Wertungen, abqualifizierende Bemerkungen, Superlative Verbindung zwischen Störung und Delikt überzeugend? Gleichsetzung von Diagnose und Schuldfähigkeit Nachvollziehbare Quantifizierung der Störung? Orientierung am psychosozialen Leistungsvermögen, nicht am Delikt Wurden Unsicherheiten, Widersprüche und Schwierigkeiten aufgezeigt? 100% Aussagen, absolute Wahrheiten, übereindeutige Ergebnisse, Fehlen von Alternativhypothesen Wurde auf gesichertes psychiatrisch-psychologisches Wissen zurückgegriffen, oder spekuliert? Prognoseskalen? Begründung einer Prognose vs. Bauchgefühl , III. Fazit , Fazit − Interdisziplinäre Diskussion ertragreich − Beschränkung auf Mindeststandards − Keine Überregulierung − Positive Resonanz , Sachgerechte Fragestellung − Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass die zu begutachtende Person erneut Straftaten begehen wird? − Welcher Art werden diese Straftaten sein, welche Häufigkeit und welchen Schweregrad werden sie haben? − Mit welchen Massnahmen kann das Risiko zukünftiger Straftaten beherrscht oder verringert werden? − Welche Umstände können das Risiko von Straftaten steigern? − Bei Massregeln ist zusätzlich eine Stellungnahme zum Zusammenhang zwischen psychischer Störung bzw. Hang und den Delikten zu stellen. , Problemfelder − − − − − − Inhaltliche Qualität wird kaum diskutiert Formale Aspekte führen in der Diskussion Prozessqualität wird zunehmend relevant bis übermächtig Die vorab genannten Standards sind unabhängig von psychologischer/medizinischer Ausbildung Sie werden durch Zeitdruck in Frage gestellt Zeitdruck wird die Qualität nicht verbessern Ausschluss psychologisch-psychotherapeutischer Gutachter ist nicht sinnvoll Gutachten nicht nach Zeitkriterien vergeben Auf Struktur- und Ergebnisqualität achten , Was tun? − − − Kritisch prüfen Zweifel sind erlaubt Zweifel sind nicht zwangsläufig Zeichen einer Parteinahme Offensiv zu den eigenen Zweifeln stehen Dennoch nicht in fachfremdem Gebiet wildern Methodenkritische Stellungnahme/Gutachten einholen Obergutachten einholen , Danke für Ihre Aufmerksamkeit [email protected] ,