Sexualität und Partnerschaft bei neurologischen Erkrankungen

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Sexualität und Partnerschaft bei neurologischen Erkrankungen1
K. M. Beier, D. Langer, M. Lüders, S.A. Boxdorfer, S. Babinski, D. Goecker,
Eine Vielzahl neurologischer Erkrankungen können – je nach den
pathophysiologisch-anatomischen
Ursachen
–
auch
zu
sexuellen
Funktionsbeeinträchtigungen führen. Darüber hinaus ist der Einfluß von
behandlungsbedingt
eingenommenen
Medikamenten
häufig
schwer
abschätzbar. Die partnerschaftlichen Situation der Betroffenen ist nicht nur ein
weiterer wichtiger Einflußfaktor für die Ausbildung und/oder Aufrechterhaltung
sexueller Funktionsstörungen, sondern ebenso bedeutsame Ressource für die
Erfüllung von psychosozialen Grundbedürfnissen nach Nähe und
Geborgenheit, was bei der Behandlung durch Einbeziehung des Partners
entsprechend Berücksichtigung finden sollte.
Neurophysiologie der sexuellen Reaktionen
Wie umweltbezogenes organismisches Verhalten überhaupt werden die sexuellen
Funktionen vom Nervensystem organisiert. Das Gehirn ist zum wichtigsten
„Geschlechtsorgan“ geworden. Ein auch an der sexuellen Funktion sichtbar
werdendes
Organisationsprinzip
hat
die
Überformung
phylogenetisch
älterer
Strukturen, wie z.B. das vegetative Nervensystem, zur Grundlage. Peripher nervöse
Funktionen werden zentralnervös, d.h. cerebral, koordiniert, reguliert und integriert.
Eine „supraneurologische“ Betrachtung läßt erkennen, daß das subjektive Erleben
von sexueller Erregung und Orgasmus auch weitgehend abgelöst von genitaler
Stimulation möglich ist: In Schlaf und Traum, hypnotisch induziert, durch Phantasie
allein, bei Querschnittläsionen des Rückenmarks, nach genital verstümmelnden
Operationen,
Beschneidungen
afrikanischer
Frauen
und
operativer
Geschlechtstransformation mancher MF-Transsexueller.
Die korrespondierende „infraneurologische“ Sicht zeigt, daß alle nervalen Funktionen
von Neurotransmission an neuronalen Junktionen und Synapsen getragen werden,
von
der
Interaktion
zwischen
präsynaptisch
freigesetzten
Transmittern
und
postsynaptischen Rezeptoren. Komplexe, fein abgestimmte Integration ereignet sich
bereits
1
auf
dieser
Ebene:
Es
gibt
Kotransmitter
und
Neuromodulatoren,
Der Artikel enthält Auszüge des im Druck befindlichen Lehrbuches der Sexualmedizin von K.M. Beier, H.A.G.
Rezeptorsubtypen und über die Eröffnung von Ionenkanälen (für Na, K, Ca, Cl) im
postsynaptischen Neuron hinaus Freisetzung von „second messengers“ und
Syntheseprozesse im Zellkern. Die meisten Pharmaka entfalten ihre Wirkung als
(z.T. gemischte) Agonisten oder Antagonisten entsprechend endogenen Substanzen
auf die Neurotransmission.
Nicht zuletzt im Hinblick auf sexuelle Funktionen wird deutlich, daß sich jede
simplifizierende Betrachtung der körpereigenen wie pharmakologisch beeinflußten
Neurotransmission verbietet.
Hinsichtlich des Kenntnisstandes, wie sexuelle Erregung cerebral organisiert wird,
sind keine wesentlichen Fortschritte erzielt worden. Bedeutung werden gegeben dem
Hypothalamus und seinen angrenzenden „limbischen“ Strukturen sowie Anteilen des
Temporal- und Frontalhirns. Abgesehen davon, daß auf der vital-basalen Ebene des
Hypothalamus auch die Nahrungsaufnahme geregelt wird, ist vor allem deshalb von
Interesse, weil hier Sympathicus und Parasympathicus eine erste Integration finden.
In vielen Organen wirken diese beiden vegetativen Subsysteme antagonistisch, auf
den Ablauf der sexuellen Reaktionen wirken sie komplementär: Grob vereinfacht
kann man sagen, daß sie initiiert und (orgastisch) beendet werden von einem
kurzzeitigen sympathicotonen Übergewicht. Im Rahmen der hypothalamischen
Steuerung der hypophysären Hormonsekretion (durch Releasing-Hormone: RH) gibt
es
hier
einen
Pulsgenerator
für
das
Gonadotropin-RH,
der
außer
von
Geschlechtshormonen von vielen hormonalen, neuronalen, metabolischen und
umweltbedingten
peripheren
Faktoren
nervalen
beeinflußt
Apparat,
der
wird.
die
Vereinfacht
sexuellen
kann
man
Reaktionen
sich
den
ermöglicht,
folgendermaßen vorstellen (vgl. Tab.1): Der im Sakralmark entspingende, unterhalb
des Beckenbodens verlaufende Pudendalnerv ist im wesentlichen zuständig für
genitale Empfindungen (Afferenz) und orgastische Kontraktionen der quergestreiften
Beckenbodenmuskulatur
(Efferenz).
Im
Beckenplexus
laufen
sympathische,
thorakale und parasympathische sakrale Fasern zusammen. Auf der Basis
cholinerger parasympathischer Neurotransmission bewirken (Peptid-)Kotransmitter
eine
Relaxation
der
glatten
vaskulären
Muskulatur
und
dadurch
genitale
Vasocongestion – beim Mann Erektion, bei der Frau vulväre, circumvaginale und
Bosinski, , U. Hartmann und K. Loewit (Urban und Fischer 2000).
circumurethrale Tumeszenz. Beides kann auch entstehen durch Stimulation der
Sakralnerven (durch implantierte Elektroden), die Querschnittgelähmten SphinkterKontrolle ermöglicht hat. Kurz nach Beginn des Orgasmuserlebens kommt es beim
Mann
zu
kurzfristigem
Überschießen
noradrenerger
sympathicotoner
Neurotransmission, was erst die glattmuskuläre Emission und anschließend die
striärmuskuläre Expulsion bewirkt. Nicht so klar sind die Orgasmus-assoziierten
Vorgänge bei Frauen. Offenbar besteht eine viel größere Variabilität hinsichtlich
Kontraktionen glatter circumvaginaler Muskulatur und der des Beckenbodens.
Übersicht über Auswirkungen verschiedener neurologischer Störungsbilder
Hypophysentumore, insbesondere Prolaktinome, wirken sich, oft lange bevor sie
erkannt werden, auf Fertilität und Sexualität aus, bedingt durch Hyperprolaktinämie.
Prolaktin ist ein hypophysäres Hormon, für das es weder ein RH noch eine negative
Rückkopplung (wie u.a. bei Geschlechtshormonen) zu geben scheint. Erhöhung des
Thyreotropin-RH (z.B. bei primärer Schilddrüsenunterfunktion) wirkt stimulierend,
hypothalamisches Dopamin hemmend – letzteres mit der Folge, daß es bei
Dopaminverarmung (etwa bei Morbus Parkinson) oder unter Dopaminantagonisten
(z.B. Neuroleptika) ebenfalls zu Hyperprolaktinämie kommt. Bei deren Verursachung
durch Hypophysentumore geht bei Männern das sexuelle Verlangen deutlich zurück
(bis verloren), oft kombiniert mit niedrigem Testosteron. Auch bei Frauen kommt es
(außer zu Zyklusstörungen) ebenfalls zu erheblichen sexuellen Funktionsstörungen
und Appetenzverlust, bei nicht ganz so ausgeprägter Korrelation mit Prolaktin- und
Testosteronspiegeln.
Die meisten anderen cerebralen Schädigungen bewirken ebenfalls Minderung oder
Verlust des sexuellen Verlangens, zusätzlich zu neurohormonalen Einflüssen in
unterschiedlichem Ausmaß bedingt durch neurologische Symptomatik, Reduzierung
des allgemeinen Antriebs und psychosoziale Faktoren. Das gilt zumal für Morbus
Parkinson (s.u.), Epilepsie und Hirnverletzungen. Bei letzteren wie auch bei
Schläfenlappen-Epilepsie
sind
sexuelle
Enthemmungen
und
Deviationen
beschrieben worden. Bei Hirninfarkten, die meist cardiovasculäre Vorschäden zur
Grundlage haben, hängt die sexuelle Beeinträchtigung besonders stark vom
Lebensalter und von der sexuellen Verfassung vor dem neurologischen Einbruch ab.
Die multiple Sklerose (s.u.) ist charakterisiert durch Entmarkungsherde der
Leitungsbahnen, in Rückenmark wie Gehirn auftretend. Der typisch schubförmige
Verlauf macht Entstehen wie Abklingen der schweren Beeinträchtigungen aller
sexuellen
Funktionen
besonders
deutlich.
Erstaunlich
lange
hingegen
bleibt
Sexualität erhalten bei der (tödlich endenden) amyotrophen Lateralsklerose (ALS) mit
ihrer (das Sakralmark verschonenden) Degeneration der motorischen Neurone.
Von traumatischen Querschnittläsionen sind meist jüngere Männer betroffen, die in
Abhängikeit von der Höhe und dem Ausmaß der Läsion Lähmungen und
Sensiblitätsausfälle unterhalb des spinalen Querschnittsegments ausbilden, welche
mit massiven Beeinträchtigungen der sexuellen Funktionen verbunden sein können.
Grundsätzlich gilt, dass in den ersten Wochen nach dem Ereignis ein spinaler
Schock zu einer Paralyse der Blasen- und Rektummuskulatur sowie auch zu einem
Sensibilitätsverlust führt. In dieser Phase kann es zur Ausbildung eines Priapismus
aufgrund von venösen Stauungen kommen. Wenn die Reflexaktivität nach einigen
Wochen
zurückkehrt,
verbessern
sich
auch
wieder
die
verschiedenen
Körperfunktionen, aber das Ausmaß späterer Einschränkungen ist in diesem Stadium
nur schwer vorhersagbar. Beeinträchtigungen, die nach 6 Monaten noch bestehen,
haben allerdings keine große Aussicht auf Veränderung mehr (vgl. Kolodny et al.
1979). Trotz Empfindungslosigkeit der Genitalien und/oder Verlust der Kontrolle über
die Beckenbodenmuskulatur kann es bei beiden Geschlechtern zu orgasmusartigem
Erleben kommen. Die Ejakulation allerdings ist häufig gestört, verständlich daraus,
daß sie aus zwei Komponenten, der Emission und der Expulsion besteht. Erstere hat
die
(aus
erhaltenem
Hodendruckschmerz
abschätzbare)
Intaktheit
des
sympathicotonen Ausflusses am Ende des Thorakalmarks, letztere die des
(parasympathicotonen) sakralen Sexualzentrums zur Voraussetzung. Erektionen,
wenn auch oft labile und nicht koitustaugliche, sind relativ häufig möglich –
reflektorische bei Erhalt des Sakralmarks und seiner Afferenzen und Efferenzen,
„psychogene“ bei Erhalt des thorakal-sympathicotonen Zuflusses (vgl. Tab.1).
Tabelle 1: Zusammenfassung der neuronalen Kontrolle der Genitalreflexe beim Mann
(modifiziert nach Schmidt u. Thews; aus Birbaumer u. Schmidt 1996)
Erektion
Emission und Ejakulation
Vom äußeren und inneren
Geschlechtsorganen zum
Sakralmarkt (Nn. Pudendus und
splachnicus pelvinus) zum
Thorakolumbalmark (Plexus
hypogastricus), Afferenzen von
Skelettmuskulatur
Afferenzen
Von Glas penis und umliegenden
Geweben zu Sakralmark (im N.
pudendus)
Vegetative Efferenzen
1. Parasympathisch sakral
2. Sympathisch thorakolumbal
(psyhogen)
Sympathisch thorakolumbal
(reflektorisch und psychogen)
Somatische Efferenzen
-
Zu Mn. bulbo- und
ischiocavernosi;
Beckenbodenmuskulatur
Sakralmark komplett
zerstört
Bei 25 % der Patienten
vorhanden (psychogen),
thorakolumbal
Eimission bei 20 % vorhanden
Inkomplett zerstört
Bei 90 % der Patienten
vorhanden
Bei 30 % vorhanden
Rückenmark im oberen
Thorakal- oder
Zervikalmark komplett
zerstört
Bei 90 % der Patienten
vorhanden (reflektorisch)
Fast nie vorhanden (weniger als
5 %)
Imkomplett zerstört
Bei annähernd 10 % vorhanden
Bei etwa 30 % der Patienten
vorhanden
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Periphere
sexualrelevante
nervale
Strukturen
können
mit
unterschiedlicher
Lokalisation und Verursachung geschädigt werden. Es können betroffen sein die im
Wirbelkanal abwärts laufenden Wurzelfasern der jeweiligen Segmente des (in Höhe
des ersten Lendenwirbelkörpers endenden) Rückenmarks vor (traumatisch oder
durch Dikusprolaps) oder nach (Tumore, Operationen) Austritt, der urogenitale
Plexus sowie periphere Nerven, die von distal aufsteigenden motorischen, sensiblen
oder/und vegetativen Polyneuropathien (z.B. bei Diabetes, Alkoholismus und
sonstigen Intoxikationen) geschädigt werden.
Eine
Betrachtung
neurologisch
bedingter
sexueller
Funktionsstörungen
ist
unvollständig ohne Vergegenwärtigung der enormen Beeinträchtigung sexuellen
Erlebens und sexueller Interaktionen durch Schmerzsyndrome verschiedenster Art.
Umgekehrt ist von Interesse, daß in seltenen, aber eindeutigen Fällen Orgasmus
regelmäßig heftigen Kopfschmerz auslöst, wie auch, sehr selten, bei Epileptikern
cerebrale Krampfanfälle – was den Blick wieder zurück richtet auf cerebrale
Prozesse.
Morbus Parkinson
Morbus Parkinson ist eine chronische Erkrankung des höheren und zunehmend auch
des mittleren Lebensalters, an der in Deutschland über 250 000 Menschen leiden.
Die Schwere der Erkrankung variiert sehr stark und reicht von geringen
Einschränkungen der Beweglichkeit bis zu einer massiven Behinderung. Die vier
kardinal klinischen Symptome sind:
Ø Bradykinesie
bzw.
Hypo-
oder
Akinesie
(verlangsamte
und
verarmte
Körperbewegung)
Ø Muskelstarrheit (Rigor)
Ø Ruhetremor ("Geldzähltremor"), der sich bei bewußten Bewegungen verringert
Ø Verschlechterung der aufrechten Balancehaltung mit Gangunsicherheit und
Sturzneigung.
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Ätiopathogenese
Grund für diese vielfachen Symptome ist ein Dopaminmangel vornehmlich in einer
Gruppe von Hirnkernen (Basalganglien), die für die Bewegungsabläufe enorme
Bedeutung haben. Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung existieren aber
zwei
Dopaminrezeptorfamilien
unterschiedlicher
Verteilung
in
und
insgesamt
verschiedenen
fünf
Dopaminrezeptoren
Gehirnstrukturen.
Während
mit
die
Rezeptoren D1 (im Striatum und Neocortex) und D5 (im Hippocampus und
Hypothalamus)
die
D1-Rezeptorfamilie
bilden,
sind
die
Rezeptoren
der
Rezeptorfamilie 2 (D2 - D4) über das Striatum, die Substancia nigra und Hypophyse
(D2), den Hypothalamus und Nucleus accumbens (D3) bis zum vorderen Cortex und
das Mittelhirn (D4) verteilt. Dies erklärt die außerordentlichen Erschwernisse bei der
medikamentösen
Behandlung
des
Morbus
Parkinson
und
die
völlig
unterschiedlichen, z. T. entgegengesetzten Auswirkungen der gleichen Substanzen
bei verschiedenen Betroffenen. Schon theoretisch lassen sich Auswirkungen auf die
Sexualität durch drei bedeutsame Dopaminsysteme herleiten (s. Tab. 2.):
Tabelle 2: Beeinflussung der Sexualität durch Dopaminsysteme
Dopaminsysteme
Auswirkungen auf die Sexualität
Dopaminerge Verschaltungen mit dem
durch
Hypothalamus-Hypophysen-System, dem
Situation
Veränderung
der
hormonellen
Hauptkontrollzentrum der endokrinen
Drüsen, welches auch die Freisetzung
von Geschlechtshormonen regelt.
Die Basalganglien im Mittelhirn, die eine
durch die erschwerte Realisierung von
wichtige Rolle bei der
Wünschen und Vorstellungen aufgrund
Bewegungsabstimmung spielen.
der Bewegungseinschränkungen (Hypound Akinese), des Zitterns (Tremor) oder
der erhöhten Muskelanspannung (Rigor),
die alle geeignet sind, um die aktive
Ausgestaltung von sexuellen Wünschen
zu behindern
Verbindungen zwischen dem Mittelhirn, durch
dem Großhirn und dem sog. limbischen und
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Veränderungen
von
Wahrnehmungsinhalten,
Gefühlswelt
die
auch
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System
(Einfluß
auf
Gefühle
und dazu führen können, dass Angst und
Wahrnehmungen).
depressive Verstimmungen zunehmen –
schlechte Voraussetzung, um sich auf
sexuelle Begegnungen einzulassen.
Einen weiteren wichtigen Einflußfaktor auf die Sexualität stellen ferner die
parkinsonspezifischen Medikamente dar (s. Übersicht):
1. Levodopa-Präparate, die das wirksamste Antiparkinsonmittel darstellen, weil sie
den Spiegel von Dopamin im Gehirn erhöhen. Dabei wird Levo-Dopa mit Stoffen
kombiniert (z. B. mit Benserazid: Madopar; oder mit Carbidopa: Striaton, Isicom,
Nacom), die bewirken sollen, dass die Substanz möglichst ausschließlich ins
Gehirn gelangt:
2. Dopamin-Agonisten, welche dazu führen, dass das vorhandene Dopamin an den
Rezeptoren
im
Gehirn
noch
besser
wirksam
wird:
Bromocriptin (Pravidel, Kirim), Lisurid (Dopergin), Ropinirol (Requip), Pergolid
(Parkotil), Dihydroergocriptin (Almirid, Cripar), Cabergolin (Cabaseril)
3. Enzymhemmer und Amantadine: Erstere (z.B. COMT-Hemmer wie Tasmar oder
MAO-B-Hemmer wie Selegam, Antiparkin oder Movergan) führen dazu, dass das
vorhandene Dopamin noch besser wirksam wird, indem bestimmte Enzyme
gehemmt werden, die sonst den Abbau von Dopamin bewirken würden;
Amantadine ( z.B. PK Merz) verschieben hingegen die Tranmitterbalance zu
Gunsten von Glutamat, was wiederum die Dopamin-Wirkung begünstigt).
4. Anticholinergika: Diese werden deshalb eingesetzt, weil Acetylcholin bei Morbus
Parkinson-Betroffenen in stärkerem Umfang wirksam ist, da das Dopaminsystem
nur abgeschwächt funktioniert. Anticholinergika (Akineton) wirken besonders gut
auf den Tremor, beeinflussen aber die Akinese dagegen praktisch nicht.
Bereits durch die Antiparkinsonmittel und den damit verbundenen Eingriff in die
Neurotransmittersysteme
des
Gehirns
kann
theoretisch
eine
Vielzahl
von
Einflußnahmen auf die sexuellen Funktionen erfolgen.
Hinzu kommen mögliche Nebenwirkungen medikamentöser Behandlungen anderer
Erkrankungen, welche Parkinson-Betroffene – nicht zuletzt aufgrund ihres höheren
Alters – haben können: Hierzu zählen insbesondere Herz-Kreislauf-, Nieren sowie
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Stoffwechselerkrankungen.
Schließlich
kann
durch
die
Behandlung
von
Begleiterscheinungen des Morbus Parkinson – z. B. depressive Verstimmungen, die
medikamentös therapiert werden – noch ein weiterer substanzbedingter Einflußfaktor
gegeben sein, der sich negativ auf das sexuelle Erleben und Verhalten auswirkt.
Empirische Befunde zu Auswirkungen auf Sexualität und Partnerschaft
Erst
seit
einigen
Jahren
finden
verschiedene
sexuelle
Dysfunktionen
als
Begleitsymptome des idiopathischen M. Parkinson in der Forschung Beachtung (vgl.
u.a. Brown et al. 1989; Singer et al. 1989, Quinn et al. 1983). Nur in vereinzelten
Studien wurde allerdings untersucht, welche sexuellen Dysfunktionen auftreten (vgl.
Brown et al. 1989, Basson et al. 1996, Hyppä et al. 1970, Koller et al. 1990). Häufig
sind die Definitionen der einzelnen Veränderungen der Sexualität auch sehr
uneinheitlich. Unter ‘Hypersexualität’ z.B. verstehen Brown et al. (vgl. 1989) eine
erhöhte sexuelle Appetenz während andere Autoren zusätzlich eine erhöhte sexuelle
Aktivität in diese Definition einschliessen (Uitti et al. 1989). Über mögliche
Einflußfaktoren auf die Sexualität der von der Parkinsonschen Krankheit Betroffenen,
wie Krankheitssymptomatik, Pharmaka, ggf. chirurgische Maßnahmen, soziale und
psychische Faktoren liegen zum Teil widersprüchliche Ergebnisse vor (Brown et al.
1989, Basson et al. 1996, Wermuth et al. 1992, Szasz et al. 1989). Die Angaben zur
Häufigkeit sexueller Funktionsstörungen bei M. Parkinson schwanken beispielsweise
zwischen 35 % und 80 %, was allerdings an der fehlenden Operationalisierung der
Variable „Funktionsstörung“ liegen dürfte – ein systematischer Fehler, der in der
nachfolgend vorgestellten Untersuchung durch die Orientierung an der Kriteriologie
des DSM-IV (APA 1994) vermieden wurde.
In einer aktuellen Studie des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der
Charité (Diss. Boxdorfer i. Vorb., Diss. Lüders i.Vorb.; Lüders et al. 1999) wurden alle
12 000 Mitglieder der Deutschen Parkinsonvereinigung (dPV) und ihre Partner
befragt. Insgesamt 2 099 Betroffene (davon 330 Frauen und 1 008 Männer, die sich
in einer Partnerschaft befanden) füllten die Fragebögen aus. Das Durchschnittsalter
der
Betroffenen
lag
etwa
bei
65
Jahren
und
die
durchschnittliche
Partnerschaftsdauer bei 37 Jahren. Etwa zwei Drittel waren berentet und die
Betroffenen waren im Durchschnitt ca. 10 Jahre an Morbus Parkinson erkrankt.
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Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen war eine starke Zunahme
sexueller Funktionsstörungen (erfaßt nach den Kriterien des DSM-IV und nur als
Störung gewertet, wenn eine funktionelle Beeinträchtigung in Verbindung mit
subjektivem
Leidensdruck
und
Unzufriedenheit
angegeben
wurde)
seit
der
Diagnosestellung Morbus Parkinson festzustellen. Bei den betroffenen Männern war
dieser Anstieg besonders auffällig: Während vor Diagnosestellung weniger als 10 %
eine Appetenz-, Erregungs- oder Orgasmusstörung beklagten, waren dies seit
Diagnosestellung 50 %. Bei den Frauen betrug der Anstieg von ca. 10 %, die eine
Funktionsstörung vor Diagnosestellung angaben, bis zu 30 % seit Diagnosestellung.
Besonders imposant war aber, dass auch bei den Partnern/innen der betroffenen
Parkinson-Patienten/innen
ein
signifikanter
Anstieg
von
sexuellen
Funktionsstörungen festzustellen war und bei allen Betroffenen und allen Partnern
eine starke Abnahme der sexuellen Zufriedenheit: Während vor Diagnosestellung
ungefähr 90 % der Befragten mit ihrer Sexualität zufrieden waren, sank dieser
Prozentsatz seit Diagnosestellung auf unter 60 % (vgl. Abb. 1 und 2)
Abbildungen 1 und 2 hier einschalten
Die Betroffenen gaben vor allem parkinsonspezifische Symptome als maßgeblich für
die Beeinflussung ihrer Sexualität an. Dies gilt sowohl für die betroffenen Frauen als
auch für die Männer, wobei die Frauen etwas häufiger auch die Auffassung vertraten,
dass bei ihnen Depressionen und Angst zu einer Veränderung ihres sexuellen
Erlebens und Verhaltens beigetragen haben könnten.
Etwa ein Drittel der betroffenen Frauen und zwei Drittel der Männer sahen ein
Zusammenhang
zwischen
Medikamenteneinnahme
und
Veränderung
ihrer
Sexualität. Bei den Levodopa-Präparaten wurde vor allem Madopar genannt, bei den
direkten Dopaminagonisten Pergolid (Parkotil) sowie Bromocriptin (Pravidel, Kirim).
Auffällig war aber, dass ein und dieselbe Substanzgruppe bei den Betroffenen für
fast alle sexuellen Funktionen sowohl eine Abnahme als auch eine Zunahme oder
auch
gar
keine
Veränderung
bewirken
konnte,
wobei
auch
noch
eine
geschlechtstypisch unterschiedliche Verteilung der Zuordnung auffiel: So führen
Levodopa-Präparate beispielsweise bei Männern in etwa zwei Dritteln der Fälle zu
einer Abnahme der sexuellen Erregung und Orgasmusfähigkeit, aber nur bei einem
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Drittel der Frauen. Die meisten Frauen berichten sogar über eine Zunahme von
Erregung und Orgasmusfähigkeit unter Levodopa-Präparaten. Auch innerhalb der
einzelnen
Substanzgruppen
fallen
bemerkenswerte
Unterschiede
auf:
Lisurid
(Dopergin) führte beispielsweise bei etwa 50 % der Frauen, die eine Veränderung
ihrer Sexualität bemerkten, zur Abnahme des sexuellen Verlangens, bei den
Männern lag der entsprechende Prozentsatz aber lediglich bei 25 %.
Hinsichtlich der partnerschaftlichen Situation wird sowohl von den Männern als auch
von den Frauen angegeben, dass der Austausch von Zärtlichkeiten, die Mitteilung
von Empfindungen wie überhaupt die Kommunikation seit der Diagnosestellung
abgenommen hatten, wobei der Wunsch nach einer gemeinsamen Gestaltung des
Alltags aber unvermittelt fortbestand, und zwar sowohl bei den Erkrankten als auch
bei
ihren
Partnern;
bei
beiden
kam
es
auch
zu
einer
Zunahme
von
Erwartungsängsten, d.h. der Befürchtung, den Erwartungen des Partners nicht
gerecht werden zu können (vgl. Abb. 3).
Abbildung 3 hier einschalten
Beratung und Therapie
Die Ergebnisse der Befragung von Parkinsonbetroffenen machen deutlich, dass bei
bestehender Unzufriedenheit über die sexuelle und/oder partnerschaftliche Situation
folgende Fragen zu klären wären:
1. Gibt es einen Zusammenhang mit der Krankheit Morbus Parkinson oder
bestanden die Probleme bereits vor der Diagnosestellung?
2. Gibt es einen Zusammenhang mit dem parkinsonspezifischen Symptomen?
3. Gibt es einen Zusammenhang mit den parkinsonspezifischen (oder anderen)
Medikamenten?
4. Gibt es einen Zusammenhang mit ungeklärten Fragen oder unterschiedlichen
Vorstellungen in der Partnerschaft?
Die Abklärung dieser Fragen macht die Einbeziehung des Partners/der Partnerin
unbedingt erforderlich.
Veränderungsmöglichkeiten können sich dann beziehen auf:
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1. eine Beeinflussung der parkinsonspezifischen Symptome
2. eine Umstellung der aktuellen Medikation (wobei selbstverständlich nicht gemeint
ist, dass die sexuelle Symptomatologie zum Leitmotiv der Parkinsonmedikation
erhoben werden soll, sondern lediglich ein Aspekt unter vielen anderen sein
kann)
3. eine Verbesserung der partnerschaftlichen Kommunikation (z. B. Klärung
gegenseitiger Vorstellungen)
4. der Einsatz von Hilfsmitteln oder Medikamenten zur Behandlung sexueller
Funktionsstörungen
(z.
B.
sofern
keine
Kontraindikationen
bestehen
bei
Erektionsstörungen auch der Einsatz von Sildenafil, vgl. Brewer et al. 1998).
Multiple Sklerose
Die Multiple Sklerose gehört zu den Entmarkungsenzephalomyelitiden und ist eine
der häufigsten und zugleich schwersten organischen Erkrankungen des zentralen
Nervensystem. In Deutschland sind schätzungsweise 120 000 Menschen erkrankt.
Das Verhältnis von betroffenen Frauen zu Männern 2 : 1, wobei die Gründe für diese
ungleiche Verteilung ungeklärt sind.
Ätiopathogenese
Es stehen verschiedene exogene (z. B. Virusinfektionen im Kindesalter) und
endogene (genetische Faktoren) Ursachenfaktoren zur Diskussion. Allgemein wird
aber
angenommen,
dass
T-Zell-vermittelte
Autoimmunreaktionen
gegen
Myelinkomponenten pathogenetisch bedeutsam sind. Aktivierte T-Zellen überwinden
die Blut-Hirn-Schranke und initiieren eine lokale Entzündungsreaktion, die zur
Zerstörung der Myelinscheiden und reaktiver Glyose führen.
Problematik
Die Erkrankung kann sich durch eine Vielzahl von motorischen, sensorischen und
kognitiven Symptomen äußern und es sind zudem verschiedene Verlaufsformen
bekannt, so dass die Entwicklung im Einzelfall weitgehend unvorhersehbar ist. Das
Spektrum der Erkrankung kann von einem einzigen Schub ohne nennenswertes
neurologisches Defizit bis hin zur raschen, progredient eintretenden Behinderung
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und zum Tod reichen. Dennoch ist die Erstdiagnose einer Multiplen Sklerose in der
Vorstellung der Betroffenen nach wie vor gleichbedeutend mit dem baldigen Verlust
der Gehfähigkeit und einer verkürzten Lebenserwartung. Die Krankheit beginnt meist
beim jüngeren Erwachsenen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr - ein wichtiger
Zeitpunkt im Leben für die Bildung einer Partnerschaft, der Gründung einer Familie
und evtl. für die berufliche Karriere.
Auswirkungen auf Sexualität und Partnerschaft
Diesbezügliche Fragestellungen fanden bisher nur begrenzt Eingang in die
Forschung, und diejenigen Daten, die vorliegen, sind eher uneinheitlich. Die angaben
zur Inzidenz sexueller Dysfunktionen reichen bei Frauen von 5 - 52 %, bei Männern
von 23 - 80 %. Auch lassen sich die in den verschiedenen Studien (Mattson und
Mitarb. 1995; McCab und Mitarb. 1996; Szasz und Mitarb. 1989; Stenager et al.
1992) gemachten Aussagen (etwa zu sexuellen Problemen im Zusammenhang mit
Alter,
Zeitpunkt
der
Erstsymptome
und
Diagnose,
Grad
der
körperlichen
Beeinträchtigung, Partnerschaft, sozialem Umfeld und körperlichen Symptomen)
kaum miteinander in Einklang bringen. Offensichtlich ist aber, dass die erektile
Impotenz
des
Mannes
weit
größere
Aufmerksamkeit
erfuhr
als
sexuelle
Funktionsstörungen von MS-kranken Frauen.
In einer aktuellen Studie (Diss. Babinsky i. Vorb., Diss. Goecker i. Vorb.; vgl. Goecker
et al. 1998) gemeinsam mit den Landesverbänden Schleswig-Holstein, Hamburg und
Niedersachsen
der
Deutschen
Multiple
Sklerose-Gesellschaft
wurden
1998
insgesamt 6500 Betroffene und deren Lebens- bzw. Ehepartner befragt (es
antworteten 615 MS-betroffene Frauen und 332 der Partner sowie 331 betroffene
Männer und 193 Partnerinnen).
Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Anstieg von - mit Leidensdruck verbundenen
- sexuellen Funktionsstörungen sowohl bei den betroffenen Männern als auch bei
den Frauen und bei ihren jeweiligen Partnern (vgl. Tab. 3.).
Tab. 3.: Häufigkeit sexueller Dysfunktionen, die mit Leidensdruck verbunden sind bei
MS-betroffenen Männern und Frauen und ihren Partner/innen
MS-betroffene
Partnerinnen
MS-betroffene
Partner MS-
Männer
MS-betroffener
Frauen
betroffener
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Männer
Vor
Seit
Vor
Frauen
Seit
Vor
Seit
Vor
Seit
Erkran Erkran Erkran Erkran Erkran Erkran Erkran Erkran
Appetenzstörun
-kung
-kung
-kung
-kung
-kung
-kung
-kung
-kung
<5%
30 %
5%
25 %
10 %
25 %
<1%
15 %
<5%
30 %
<5%
10 %
5%
20 %
<1%
8%
<5%
30 %
<5%
15 %
8%
20 %
<1%
10 %
g
Erregungsstöru
ng
Orgasmusstöru
ng
Etwa 30% der betroffenen Frauen und 40 % der Männer sehen eine Beeinflussung
ihrer Sexualität durch die Multiple Sklerose (im Vordergrund stehen negative
Auswirkungen der Bewegungs- und Sensibilitätsstörung sowie der Spastik).
Allerdings zeigte sich, dass harninkontinente MS-Betroffene noch häufiger sexuelle
Dysfunktionen und sexuelle Unzufiedenheit ausbildeten. Lediglich etwa 15 % der
Befragten sahen einen Zusammenhang zwischen Medikamenteneinnahme und
veränderter Sexualität, wobei Glukokortikoide, Spasmolytika und Interferone noch am
häufigsten genannt werden.
Hinsichtlich der partnerschaftlichen Situation wird angegeben, dass der Austausch
von
Zärtlichkeiten,
die
Mitteilung
von
Empfindungen
wie
überhaupt
die
Kommunikation seit der Diagnosestellung abgenommen hatten, wobei der Wunsch
nach einer gemeinsamen Gestaltung des Alltags aber unvermittelt fortbestand, und
zwar sowohl bei den Betroffenen als auch bei ihren Partnern.
Ganz offensichtlich aber ist es, dass in der bisherigen Betreuung von MS-Erkrankten
dem hohen Beratungsbedarf (86 % der Patienten haben einen Informations- und
Aufklärungsbedarf
hinsichtlich
sexueller
Funktionsstörungen
im
Rahmen
der
Erkrankungen angegeben) in krassem Widerspruch steht zu den tatsächlichen
Beratungsangeboten (nur ein Drittel der Männer und ein Zehntel der Frauen haben
von ärztlicher Seite diesbezüglich Unterstützung erfahren).
Interessant ist auch, dass annähernd die Hälfte der Betroffenen (46 % der MSbetroffenen Frauen, 36 % der MS-betroffenen Männer) sich Paargespräche
wünschen würden, um eine sexuelle Problematik zu verändern.
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Beratung und Therapie
Multiple Sklerose ist eine Erkrankung, die von dem Betroffenen besondere
Anpassungsleistungen
verlangt.
Hierzu
trägt
insbesondere
die
wechselnde
Symtomatik der Erkrankung bei, was nämlich dazu führt, dass die Betroffenen
gegenüber sich selbst und auch gegenüber ihren Angehörigen in "Beweisnot"
geraten können, weil Symptome wieder zurückgehen und schnell als "rein
psychogen" interpretiert werden. Die Folge ist eine erhöhte Verunsicherung
gegenüber den Signalen aus dem eigenen Körper und auch in der Kommunikation
mit den Mitmenschen, vor allem den nahen Angehörigen bzw. den Lebenspartnern.
Das Auftreten von sexuellen Funktionsstörungen ist in diesem Zusammenhang
besonders problematisch, weil die partnerschaftliche Situation durch die genannten
Gründe bereits eine Verunsicherung beider Partner aufweisen kann. Wie die
Untersuchung von Görres et al. (1988) zeigt, nehmen die sozialen Bezugspersonen
bzw. bei (meist) bestehender Partnerschaft die Lebenspartner eine zentrale Rolle in
der
Krankheitsbewältigung
ein,
da
die
Krankheitssymptomatik
einschließlich
sexueller Funktionseinschränkung das Gleichwertigkeitsgefühl des MS-betroffenen
Partners stark tangiert und das Selbstbild einer unterlegenen, hilflosen Person
fördert. Tatsächlich gibt es - abhängig vom Zustand und Funktionsniveau der
Partnerschaft - unterschiedliche Umgangsformen in der Interaktion mit dem
Lebenspartner: Die Krankheit kann als gemeinsame Aufgabe angegangen werden,
sie kann zum dominierenden Familienthema werden, sie kann auch ein einseitiges
Thema des Erkrankten oder aber zum "Nicht-Thema" im Sinne gemeinsamer
Verleugnung werden (vgl. Görres et al. 1988).
Bei der Multiplen Sklerose ist die frühzeitige Einbeziehung des Partners/der Partnerin
in die Diagnostik eine entscheidende Voraussetzung für sexualmedizinische
Interventionen. Zum einen nämlich können problematische Beziehungen schon vor
Erkrankungsbeginn bestanden haben, zum anderen ist der schwer vorhersagbare
Krankheitsverlauf und die damit verbundene Ungewißheit für die Betroffenen gut
durch eine verläßliche, Sicherheit und Geborgenheit bietende Vertrauensbeziehung
zum
Partner/zur
Partnerin
zu
begegnen,
weshalb
die
sexualmedizinischen
Interventionen auch vornehmlich die beziehungsorientierte Dimension der Sexualität
fokussieren sollten.
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Schlußfolgerungen
Die Hauptschwierigkeit für Multiple Sklerose und auch Parkinson-Betroffenen, die mit
ihrer Sexualität und/oder Partnerschaft unzufrieden sind, besteht offensichtlich darin,
daß sie mit Veränderungen ihrer gewohnten Sexualität konfrontiert werden, zunächst
ratlos reagieren und nicht wissen, ob es Hilfestellungen gibt und an wen sie sich
diesbezüglich
am
besten
Liberalisierungstendenzen
wenden
in
unserer
könnten.
Auch
Gesellschaft
–
fällt
es
weiterhin
–
trotz
den
der
meisten
Menschen schwer, eine eigene sexuelle und/oder partnerschaftliche Verunsicherung
selbst gegenüber dem Partner – geschweige denn gegenüber anderen Menschen zum Thema zu machen. Unternimmt ein Patient dennoch den Versuch, das für ihn
belastende Problem anzusprechen, stößt er meist auf jene Unsicherheit, die er von
sich selbst schon kennt – auch bei den sie betreuenden Ärzten, zumal diese in ihrer
Aus- und Weiterbildung in der Regel nicht auf derartige Gespräche vorbereitet sind
(allerdings
gibt
es
psychotherapeutische
seit
1997
für
Spezialisierung
Allgemeincurricular
und
Fachärzte
fundierte
auch
ohne
sexualmedizinische
Fortbildungen (vgl. Vogt et al. 1995; Beier 1999), welche zur eigenständigen
Diagnostik und Therapie von sexuellen Störungen qualifizieren). Dabei wäre es
wichtig, die Betroffenen zu ermutigen, die mit der Erkrankung einhergehenden
Veränderungen hinsichtlich der Partnerschaft und der Sexualität wahrzunehmen und
diese gegenüber beruflichen Helfern offen anzusprechen. Diesem Zweck soll auch
die Publikation der wichtigsten Ergebnisse der hier vorgestellten Studien in
„Leitfäden für Betroffene und ihre Partner“ dienen, der für Parkinson-Betroffene
bereits vorliegt (vgl. Beier 2000).
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Autoren:
Prof. Dr. med. Dr. phil. K. M. Beier, M. Lüders, S.A. Boxdorfer, S. Babinski, D.
Goecker, Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin
des Universitätsklinikums Charité
Luisenstr. 57, 10117 Berlin
Tel.: 030-450 62302/301; Fax: 030-450 62992
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Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. D. Langer, Zentrum Psychologische Medizin,
Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1, 30623 Hannover
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Legenden zu Abbildungen 1 bis 3 des Artikels : „Sexualität und Partnerschaft bei
neurologischen Erkrankungen“
Beier KM, Langer, D., Lüders M, Boxdorfer S, Babinski, S., Goecker, D.
Abb. 1:
Gesamtstichprobe
partnerschaftlich
gebundener
Parkinson-betroffener
Männer
(N=1008) und Frauen (N=330); prozentuale Häufigkeit sexueller Dysfunktionen, die
mit Leidensdruck verbunden sind – jeweils vor und seit der Diagnose Morbus
Parkinson
Abb. 2:
Gesamtstichprobe der Partnerinnen (N=1008) und Partner (N=330) Parkinsonbetroffener Männer und Frauen; prozentuale Häufigkeit sexueller Dysfunktionen, die
mit Leidensdruck verbunden sind – jeweils vor und seit der Diagnose Morbus
Parkinson
Abb. 3:
Verhältnis von Wunsch (Wichtigkeit) und Wirklichkeit (Häufigkeit) hinsichtlich der
Zärtlichkeit bei Parkinson-betroffenen Männern (N=1008) und Frauen (N=330) sowie
deren Partnern – jeweils vor und seit Diagnose Morbus Parkinson
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Abb. 1
Häufigkeit in %
Männliche Betroffene (N=1008)
50
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
49
Vor Diagnose (N=116)
38
Seit Diagnose (N=552)
30
25
24
10
8
6
6
3
2
1
ion
ers
Av
x.
Se
ie
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un
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x.
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öru
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ten
pe
Ap
x.
Se
Weibliche Betroffene (N=330)
30
26
25
24
25
23
Häufigkeit in %
20
Seit Diagnose (N=102)
15
15
11
10
Vor Diagnose (N=44)
9
11
11
9
6
7
5
0
ion
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Av
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Se
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g
x.
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Se
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ten
pe
Ap
x.
Se
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Abb. 2
Partnerinnen (N=1008) der männlichen Betroffenen
35
31
29
30
30
27
Häufigkeit in %
25
20
Vor Diagnose (N=83)
Seit Diagnose (N=356)
15
12
10
7
4
5
0
8
6
7
3
1
ion
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Av
x.
Se
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un
Se
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Ap
x.
Se
Häufigkeit in %
Partner (N=330) der weiblichen Betroffenen
20
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
20
19
17
16
Vor Diagnose (N=27)
Seit Diagnose (N=81)
6
5
2
1
6
5
6
2
ion
ers
Av
x.
Se
ie
un
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reg
Er
g
x.
un
Se
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ten
pe
Ap
x.
Se
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Abb. 3
Häufigkeit in %
Betroffene Männer (N=1008) und Frauen (N=330)
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
96
92
89
85
87
81
65
61
Vor Diagnose
Seit Diagnose
k.
ich
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ufi
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Häufigkeit in %
Partnerinnen (N=1008) und Partner (N=330) der Betroffenen
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
94
87
94
83
88
89
Vor Diagnose
70
Seit Diagnose
61
k.
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