Allgemeine Chemie Teil: Physikalische Chemie Michael Bredol Fachhochschule Münster – Fachbereich Chemieingenieurwesen Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 1 / 100 Workload Leistungspunkte im (Teil-) Modul: 7/3 −→ 70 Arbeitsstunden insgesamt Kontaktzeit Vorlesung / Übungen: 20 hrs Vorbereitung der Übungen, lesen, Arbeit mit den Vorlesungsunterlagen: 40 hrs Vorbereitung Prüfung: 10 hrs Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 2 / 100 1. Motivation Literatur Atkins, de Paula: Physikalische Chemie, Wiley VCH (vollständig, auch englischsprachig erhältlich) Engel, Reid: Physikalische Chemie, Pearson Studium (sehr ausführlich, gutes graphisches Konzept in neuerer Auflage) Binnewies, Jäckel, Willner, Rayner–Canham, Allgemeine und Anorganische Chemie, Spektrum (gelungene Synthese aus Anorganischer und Physikalischer Chemie) Wedler: Lehrbuch der Physikalischen Chemie, Wiley VCH (eher mathematisch-physikalisch aufgebaut Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 3 / 100 1. Motivation Nutzen Wozu braucht man Physikalische Chemie? Beschreibung und Quantifizierung chemischer Prozesse mit ihren stofflichen Gleichgewichten, Veränderungen und Strukturen Entwickung der dafür nötigen Konzepte und Werkzeuge Beschreibung und Berechnung von (Freier) Energie und Enthalpie, von Wärme und Arbeit Berechung von Gleichgewichten und Gleichgewichtsverschiebungen Beschreibung von Reaktionsgeschwindigkeiten Beschreibung von Stoff- und Wärmetransport Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 4 / 100 1. Motivation Quellen Zentrale Ordnungsbegriffe: Energie und Entropie Physikalische Chemie befasst sich entweder mit einzelnen Molekülen oder großen (“makroskopischen”) Systemen Thermodynamik benutzt “Hauptsätze” und leitet daraus makroskopische Systemeigenschaften ab Quantenmechanik beschäftigt sich mit Elementarteilchen (Elektronen, Protonen, ...) und der Beschreibung einzelner Moleküle (oder kleiner Aggregate) Statistische Thermodynamik verbindet beide Welten In der “Allgemeinen Chemie” werden die Grundlagen für die wichtigsten physikochemischen Beziehungen gelegt In PC-I und PC-II werden dann auch die mathematischen Hintergründe bearbeitet Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 2. Messungen und Maßeinheiten 5 / 100 2.1. Das Internationale Einheitensystem Maßeinheiten Basis ist das seit 1960 festgelegte SI-System (Système International d’Unités). Die folgenden Basisgrößen und Basiseinheiten (Dimensionen) sind verbindlich festgelegt (in den meisten Nationen in einschlägige Gesetze und Verordnungen übernommen): Basisgröße Masse Länge Zeit Stromstärke Stoffmenge Temperatur Lichtstärke Bredol (FH-MS) Symbol m l t I n T IV Basiseinheit Kilogramm Meter Sekunde Ampere Mol Kelvin Candela Allg.Chem. Zeichen kg m s A mol K cd 6 / 100 2. Messungen und Maßeinheiten 2.1. Das Internationale Einheitensystem Maßeinheiten Einige abgeleitete Einheiten, die geläufig (und zugelassen) sind: Größe Fläche Volumen Volumen Masse Kraft Druck Druck Energie Temperatur Ladung Frequenz elektrischer Widerstand elektrische Spannung magnetische Flussdichte Bredol (FH-MS) Einheit Quadratmeter Kubikmeter Liter Gramm Newton Pascal Bar Joule Grad Celsius Coulomb Hertz Ohm Volt Tesla Definition m∗m m∗m∗m m3 /1000 kg/1000 kg m s−2 N m−2 105 Pa kg m2 s−2 x − 273.15 K As s−1 V A−1 J A−1 s−1 kg s−2 A−1 Symbol m2 m3 l g N Pa bar J oC C Hz Ω V T Allg.Chem. 2. Messungen und Maßeinheiten 7 / 100 2.1. Das Internationale Einheitensystem Maßeinheiten Um handliche Zahlen nutzen zu können, sind die folgenden Vorsilben bzw. –faktoren zulässig: Faktor Vorsilbe 1018 1015 1012 109 106 103 102 101 Exa Peta Tera Giga Mega Kilo Hekto Deka Bredol (FH-MS) Vorsatzzeichen E P T G M k h da Faktor Vorsilbe 10−18 10−15 10−12 10−9 10−6 10−3 10−2 10−1 Atto Femto Piko Nano Mikro Milli Zenti Dezi Allg.Chem. Vorsatzzeichen a f p n µ m c d 8 / 100 2. Messungen und Maßeinheiten 2.1. Das Internationale Einheitensystem Maßeinheiten In der Technik sind aus historischen Gründen auch andere Einheiten noch weit verbreitet (z.B. Atmosphären, Kalorien, Torr), die aber bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr zulässig sind (z.B. mm Hg-Säule zur Angabe des Blutdruckes in der Medizin). Zum Rechnen mit Einheiten empfiehlt es sich immer, diese zunächst in SI-Einheiten umzuwandeln! In Gleichungen können Dimensionen wie Konstanten behandelt werden (“Dimensionsgleichung”). Bei ausschließlicher Verwendung von SI-Einheiten sind niemals Umrechnungen nötig! Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 2. Messungen und Maßeinheiten 9 / 100 2.2. Fehlerangaben Unsicherheiten Jeder Messwert ist mit einem Fehler behaftet. Ohne Angabe dieses Fehlers ist ein Messwert unbrauchbar. Wenn mehrere Messwerte zu einem Ergebnis beitragen, ist zu entscheiden, wie sich die Einzelfehler fortpflanzen (Statistik). Die Unsicherheit des Messergebnisses wird entweder durch Angabe typischer Abweichungen (im Idealfall Standardabweichungen) in der Art Ergebnis±Abweichung angegeben, oder aber durch die Anzahl der signifikanten Stellen. Grundsätzlich sind Messergebnisse nur dann akzeptabel, wenn sie eine qualifizierte Fehlerangabe enthalten! Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 10 / 100 3. Systeme 3.1. Definitionen Systemklassen Natürliche und technische Prozesse laufen oft in sehr unübersichtlichen Umgebungen und mit unbekannten Querbeziehungen ab. Daher wird in der Physikalischen Chemie der Begriff des Systems eingesetzt. Abgeschlossenes System: Weder Stoff- noch Energieaustausch finden über die Systemgrenzen hinweg statt Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 3. Systeme 11 / 100 3.1. Definitionen Systemklassen Interessanter sind Systeme, die beheizt oder gekühlt werden oder arbeiten können. Geschlossenes System: Energieaustausch kann über Systemgrenzen hinweg stattfinden. Stoffe werden nicht mit der Umgebung ausgetauscht. Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 12 / 100 3. Systeme 3.1. Definitionen Systemklassen Komplexes Verhalten zeigen Systeme, die auch Stoffe austauschen können. Offenes System: Energieaustausch kann über die Systemgrenzen hinweg stattfinden. Stoffe können mit der Umgebung ausgetauscht werden. Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 3. Systeme 13 / 100 3.2. Zustandsvariable Systembeschreibung Alle makroskopischen Systeme lassen sich durch Zustandsvariablen beschreiben Die gebräuchlichsten und wichtigsten dieser Zustandsvariablen sind Temperatur T , Druck P, Volumen V des Systems sowie die enthaltenen Stoffmengen ni Die Stoffmengen werden oft nicht explizit, sondern in Form von geeigneten Konzentrationen angegeben P, T , und V dagegen werden durch geeignete technische Randbedingungen eingestellt, kontrolliert und/oder gemessen Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 14 / 100 3. Systeme 3.2. Zustandsvariable Prozessklassen Durch Fixierung von Zustandsvariablen entstehen spezielle Prozesse: Isobarer Prozess: P wird konstant gehalten, z.B. durch Kontakt des Systems mit der Atmosphäre. Im Alltag von sehr großer Bedeutung! Isothermer Prozess: T wird im System konstant gehalten, z.B. Kontaktierung mit einem Wärmebad unveränderlicher Temperatur (Thermostat, Umgebungsluft...) Isochorer Prozess: V wird im System konstant gehalten, z.B. in einem Autoklaven. Technisch wichtig bei Hochdruckprozessen. Adiabatischer Prozess: Wärmeaustausch zwischen System und Umgebung findet nicht statt ! Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 3. Systeme 15 / 100 3.3. Konzentrationsmaße Stoffmengenanteile Die in einem System vorliegenden Stoffmengen ni lassen sich auf das Gesamtsystem beziehen, wenn ein geeigneter Normierungsfaktor vorgegeben wird. Daraus entstehen die gebräuchlichen Konzentrationsmaße. Stoffmengenanteil xi : xi = ni N P nj (1) j=1 Stoffmengenanteile (“Molenbrüche”) sind dimensionslos, werden allerdings häufig als mol-% oder mol-ppm angegeben Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 16 / 100 3. Systeme 3.3. Konzentrationsmaße Konzentration Volumenkonzentration ci : ci = ni VSystem (2) Konzentration oder Molarität sind in der Praxis bequem, allerdings temperaturabhängig, da man meist nicht isochor, sondern isobar arbeitet (z.B. mit Messkolben, Becherglas, Bürette, Pipette usw.) Als Konzentrationseinheit ist daher mol/l gebräuchlich Aber Vorsicht: die SI–Einheit ist mol/m3 ! Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 3. Systeme 17 / 100 3.3. Konzentrationsmaße Molalität Molalität mi : mi = ni mLösungsmittel (3) Molalitäten werden relativ selten genutzt und sind vor allem für Lösungen gebräuchlich, wenn ein temperaturunabhängiges Konzentrationsmaß gesucht wird (Symbol nicht verwechseln!) Umrechnung in die Volumenkonzentration ist in verdünnten Lösungen näherungsweise über die (temperaturabhängige!) Dichte ρ der Lösung möglich: ci = Bredol (FH-MS) ni VLösung = ni ≈ ρLösung mi mLösung /ρLösung Allg.Chem. (4) 18 / 100 3. Systeme 3.3. Konzentrationsmaße Massenanteile, Anzahldichten Massenanteil wi : wi = mi N P mj (5) j=1 Massenanteile (auch Massen- oder Gewichtsbruch genannt) sind dimensionslos, werden allerdings häufig in % , ppm, ppb oder ppt angegeben Anzahldichte ρi : ρi = Ni (6) VSystem Die Anzahldichte (auch Teilchendichte) hängt eng mit der Volumenkonzentration zusammen Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 3. Systeme 19 / 100 3.4. Zustand, Standardzustand, Prozesse Zustand, Prozesse Physikochemische Prozesse beschreiben stoffliche und thermische Veränderungen zwischen Systemzuständen. Der Zustand eines Systems ist eindeutig bestimmt, wenn hinreichend viele Systemvariable bekannt sind. Für jede stoffliche Komponente eines Systems werden Standardzustände vereinbart. Liegen alle Komponenten in ihrem Standardzustand vor, befindet sich das gesamte System in seinem Standardzustand. Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 20 / 100 3. Systeme 3.4. Zustand, Standardzustand, Prozesse Standardzustände Die gebräuchlichsten und wichtigsten Standardzustände: (heute Flüssigkeiten: Die reine Flüssigkeit liegt unter dem Standarddruck P vor ∅ Gelöste Stoffe (insbesondere Ionen): Der gelöste Stoff liegt unter P vor, mit einer Aktivität von a = 1 (s.u.) Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 3. Systeme ∅ Festkörper: Der reine Festkörper liegt unter dem Standarddruck P vor ∅ ∅ Gase: Das Gas liegt unter einem Partialdruck von P international 1 bar) vor 21 / 100 3.4. Zustand, Standardzustand, Prozesse Standardzustände Standardzustände gibt es also bei beliebigen Temperaturen! Eine Standardtemperatur in diesem Sinne gibt es nicht! Von Standardzuständen leiten sich auch Standardprozesse ab: sie überführen Stoffe von einem Standardzustand in einen anderen Standardzustand. Beispiel: Standard-Siedeprozess; reines Wasser wird zum Sieden gebracht In diesem Prozess wird reines, flüssiges Wasser unter Standarddruck (Standardzustand I) in Wasserdampf unter Standarddruck (Standardzustand II) überführt. Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 22 / 100 3. Systeme 3.5. Aktivitäten Aktivitäten In thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten realer Systeme finden sich keine Konzentrationen, sondern Aktivitäten. Es handelt sich um korrigierte Konzentrationen, die ein Maß für die chemische Aktivität / “Wirksamkeit” darstellen. Die entsprechenden Korrekturfaktoren heißen Aktivitätskoeffizienten. Sie enthalten alle Informationen über stoffspezifische Wechselwirkungen im System (Realcharakter der Stoffe). Je nach gewähltem Standardzustand und Konzentrationsmaß werden unterschiedliche Aktivitätskoeffizienten genutzt. Diese sind immer dimensionslos. Wenn die Aktivitätskoeffizienten sich dem Wert eins annähern, spricht man von idealem Verhalten. Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 3. Systeme 23 / 100 3.5. Aktivitäten Aktivitätskoeffizienten Die Aktivitäten sind ebenfalls stets dimensionslos und werden daher gegebenenfalls durch die Dimension oder eine “Standardkonzentration” dividiert. Bezogen auf Stoffmengenanteile: ai = γi xi Bezogen auf Konzentrationen: γi′ ci ai = mol/l Bezogen auf Partialdrücke: Bredol (FH-MS) φi Pi P ∅ ai = Allg.Chem. 24 / 100 4. Stöchiometrie und Formelsprache Reaktionsgleichungen Ein zentrales Prinzip der Chemie ist die Darstellung chemischer Prozesse mit Reaktionsgleichungen Eine gültige Reaktionsgleichung ist immer bezüglich der Atomsorten, der Mengen an beteiligten Atomen sowie eventuell auftauchender elektrischer Ladung ausgeglichen Für diesen Ausgleich werden “chemische Formeln” mit entsprechenden Indizes sowie stöchiometrischen Koeffizienten νi eingesetzt: νA A + νB B −−→ νC C + νD D Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 25 / 100 4. Stöchiometrie und Formelsprache Reaktionsgleichungen Die stöchiometrischen Koeffizienten auf Seiten der Edukte (linke Seite) sind dabei negativ (Stoffe verschwinden), während die der Produkte (rechte Seite) positiv sind (Stoffe entstehen) Eine allgemeine Reaktionsgleichung unter Beteiligung der atomaren Stoffmengen Ji sieht dann so aus: X νi Ji = 0 (7) i Die beteiligten Stoffe A, B, C, D lassen sich durch Summenformeln darstellen, wie etwa Fe2 O3 . Nur in wenigen Fällen entsprechen solche Formeln der tatsächlichen Struktur Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 26 / 100 4. Stöchiometrie und Formelsprache Summenformeln Insbesonders bei Festkörpern werden oft willkürliche Multiplikatoren angewandt werden, etwa FeO1.5 oder Fe4 O6 Viele Stoffe, besonders Übergangsmetallverbindungen, sind zudem nicht ganzzahlig stöchiometrisch zusammengesetzt. In solchen Fällen sind Korrekturglieder üblich, z.B. Fe1-x O Bei Auftreten echter Mischkristalle oder Lösungen sind ebenfalls variable Indizes üblich, z.B. Nax K1-x Cl Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 27 / 100 5. Das Ideale Gas Zustandsgleichungen Jedes makroskopische System läßt sich durch eine Mindestzahl von Zustandsvariablen vollständig charakterisieren; weitere Zustandsvariablen sind dann von diesem Mindestsatz abhängig Beziehungen, die solche Abhängigkeiten darstellen, werden Zustandsgleichungen genannt Zur Erarbeitung grundlegender physikochemischer Beziehungen wird ein besonders einfacher Stoff definiert, der eine entsprechend einfache Zustandsgleichung aufweist Dieser Stoff ist das Ideale Gas und besitzt die folgenden Eigenschaften: Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 28 / 100 5. Das Ideale Gas Definition Das Ideale Gas besteht aus punktförmigen Teilchen ohne Ausdehnung Die Teilchen im Idealen Gas weisen keinerlei Wechselwirkungen untereinander auf Die Zustandsgleichung des Idealen Gases lautet PV = nRT (8) R ist eine Naturkonstante mit dem Wert R = 8.3144598 J mol−1 K−1 (9) Jedes Gas nähert sich dem Verhalten des Idealen Gases an, wenn der Gasdruck gegen Null oder die Temperatur gegen unendlich strebt Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 29 / 100 5. Das Ideale Gas Isothermen Gewöhnliche Luft sowie die meisten anderen Gase bei nicht zu hohem Druck verhalten sich nahezu wie ideale Gase Die Zustandsgleichung idealer Gase geht unter entsprechenden Randbedingungen in die bekannten Gasgesetze über 1 Isothermen : P = nRT V 9 n=1 mol 8 (10) 1000 K 500 K 100 K 7 P/bar 6 5 4 3 2 1 0 0.01 0.015 0.02 0.025 0.03 0.035 0.04 0.045 0.05 3 V/(m ) Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 30 / 100 5. Das Ideale Gas Isochoren In einem P/V–Diagramm (technisch wichtige Darstellung!) nehmen die Isothermen des Idealen Gases Hyperbelform an Isochoren sind für ein Ideales Gas linear und treffen sich im absoluten Nullpunkt der Temperatur: nR T (11) Isochoren : P= V 4 3 0.015 m 3 0.025 m3 0.035 m 3.5 n=1 mol 3 P/bar 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0 100 200 300 400 500 600 700 T/K Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 31 / 100 5. Das Ideale Gas Molares Volumen Entsprechende Darstellungen lassen sich für die Isobaren des Idealen Gases gewinnen Die Zustandsgleichung des idealen Gases wird auch häufig in einer Form genutzt, die das molare Volumen Vm = V /n enthält: PVm = RT Bredol (FH-MS) Allg.Chem. (12) 32 / 100 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 6.1. Definitionen Grundbegriffe Innere Energie: Fähigkeit eines Systems, Arbeit in seiner Umgebung zu verrichten. Symbol: U Wärme: Energieübertrag durch ungeordnete mikroskopische Bewegung. Symbol: Q Temperatur: Maß für die Intensität der ungeordneten Bewegung. Es gibt einen absoluten Nullpunkt der Temperatur: Die ungeordnete Bewegung kommt dann zum Stillstand. Symbol: T Arbeit: Energieübertrag durch gerichtete Bewegung gegen eine entgegengerichtete Kraft. Symbol: W Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 33 / 100 6.1. Definitionen Arbeit Die wichtigsten Formen von Arbeit in der Chemie sind: Volumenarbeit (z.B. beweglicher Kolben, Arbeit gegen den äußeren Luftdruck) Chemische Arbeit (wenn Stoffmengen verändert werden) Elektrische Arbeit (wenn Ladungen verlagert werden, Arbeit gegen elektrische Felder) Grenzflächenarbeit (wenn Oberflächen oder Grenzflächen gegen die Grenzflächenspannung vergrößert oder verkleinert werden) Angaben zu Energie, Wärme und Arbeit sind immer “systemegoistisch”: die Veränderung des Systems bestimmt das Vorzeichen: Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 34 / 100 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 6.1. Definitionen Energie und Arbeit Gibt das System Energie ab −→ die entsprechende Größe ist negativ Nimmt das System Energie auf−→ die entsprechende Größe ist positiv Energie und Arbeit können stets vollständig in Wärme umgewandelt werden Wärme kann jedoch in zyklisch arbeitenden Maschinen niemals vollständig in Arbeit umgewandelt werden (außer am absoluten Nullpunkt) Der Nullpunkt der Inneren Energie U ist unbestimmt. Es können daher nur Änderungen ∆U beschrieben werden ∆: “Operator” zur Kennzeichnung von Änderungen Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 35 / 100 6.2. Erster Hauptsatz 1. Hauptsatz der Thermodynamik In einem abgeschlossenen System bleibt die Innere Energie U stets konstant, da keinerlei Austausch erfolgen kann! Die Innere Energie U eines geschlossenen Systems kann nur durch Austausch von Wärme oder Arbeit mit der Umgebung verändert werden Erster Hauptsatz der Thermodynamik: ∆U = Q + W (13) In einem isochoren Prozess wird keine Volumenarbeit verrichtet. In Abwesenheit anderer Arbeitsbeiträge ist die Innere Energie in diesem Fall nur vom Wärmeumsatz abhängig: ∆U = QV (14) Der Index “V” bedeutet, dass das Volumen konstant gehalten wird Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 36 / 100 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 6.2. Erster Hauptsatz Wärmekapazität Eine nützliche Größe ist die Wärmekapazität: sie beschreibt die Änderung der Inneren Energie, wenn das System seine Temperatur um ∆T verändert Wenn das System–Volumen dabei konstant gehalten wird, ist ein direkter Bezug zum Wärmeumsatz gegeben (Kennzeichnung durch den Index “V”): Wärmekapazität bei konstantem Volumen CV = ∆U(V = const) QV = ∆T ∆T (15) In der Praxis ist es jedoch meist eher schwierig, konstantes Systemvolumen einzuhalten (technisch werden dazu u.a. Autoklaven eingesetzt) Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 37 / 100 6.2. Erster Hauptsatz Enthalpie Im Alltag sind chemische Prozesse überwiegend isobar: sie verlaufen in der Umgebungsatmosphäre; Volumenarbeit kann hier prinzipiell nicht unterdrückt werden Zur bequemen Beschreibung solcher Prozesse wird eine eigene energetische Größe definiert, die Enthalpie, Symbol H: H = U + PV (16) ∆H = ∆U + ∆(PV ) = ∆U + P∆V + V ∆P (17) Formuliert für Änderungen: Im isobaren Prozess (∆P = 0) ist die Änderung der Enthalpie gleich der Summe aus der Änderung der Inneren Energie und der negativen Volumenarbeit (vom System geleistete Arbeit: −P∆V ) Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 38 / 100 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 6.2. Erster Hauptsatz Enthalpie Im isobaren Prozess ohne andere Arbeiten als der Volumenarbeit wird die Änderung der Enthalpie nur durch den isobaren Wärmeumsatz bestimmt (1. Hauptsatz kombiniert mit Definition der Enthalpie): ∆H = Q − P∆V + P∆V + V ∆P = QP (18) In der Chemie wird daher überwiegend mit der Enthalpie gearbeitet, sowie der daraus abgeleiteten Wärmekapazität CP : CP = ∆H(P = const) QP = ∆T ∆T (19) CP beschreibt die Änderung der Enthalpie, wenn das System bei konstantem Druck seine Temperatur um ∆T verändert Nennenswerte Unterschiede zwischen CP und CV treten immer dann auf, wenn Gase beteiligt sind, oder außerordentlich hohe Druckdifferenzen auftreten Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 39 / 100 6.2. Erster Hauptsatz Enthalpie Die Enthalpie H besitzt wie die Innere Energie keinen Nullpunkt, es können nur Änderungen angegeben werden (∆H) Exakt sind zwar die endlichen Änderungen nicht immer leicht zu beschreiben, unendlich kleine Änderungen dagegen oft viel einfacher (Operator-Symbol: d) Endliche Änderungen können aus solchen “Differenzialgleichungen” durch Integration gewonnen werden Die Operatoren ∆ und d sind daher durch den mathematischen Prozess der Integration verbunden Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 40 / 100 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 6.3. Prozessgrößen Reaktionen Chemische Prozesse lassen sich durch Reaktionsgleichungen darstellen Mit einem Prozess R verbundene Änderungen bzw. Umsätze (Energie, Enthalpie, Wärme, Arbeit usw.) werden durch den Operator ∆R gekennzeichnet Gängige Prozesse sind z.B. Verdampfen, chemische Reaktionen, Schmelzen, Sublimieren, Verbrennen .... Beispiel: Verdampfung von Wasser H2 O(l) −−→ H2 O(g) mit l: liquid und g: gaseous Der Verdampfungsprozess ∆V ist gekennzeichnet durch eine Verdampfungsenthalpie ∆V H, eine Innere Verdampfungsenergie ∆V U usw. Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 41 / 100 6.3. Prozessgrößen Bildungsreaktionen Ein besonderer Prozess ist die Bildung eines Mols eines Stoffes aus den Elementen im Standardzustand: Bildungsprozess ∆B (englisch: formation, ∆f ) Beispiel: Bildung von Benzol bei 298 K: 6 C(Graphit) + 3 H2 (g) −−→ C6 H6 (l) Es werden dazu die bei den jeweiligen Randbedingungen (P,T !) stabilen Aggregatzustände der Elemente in ihrem jeweiligen Standardzustand herangezogen. Vereinbarung: die Standard-Bildungsenthalpie der Elemente in ihrem Referenzzustand ist genau gleich Null Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 42 / 100 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 6.3. Prozessgrößen Bildungsprozesse Damit wird der Nullpunkt der Bildungsenthalpien willkürlich auf die Enthalpien der Elemente gesetzt! −→ alle Stoffe entstehen auch thermodynamisch aus den Elementen des Periodensystems Der Bildungsprozess ist in vielen Fällen rein hypothetisch und praktisch nicht durchführbar Die Standardbildungsenthalpien der meisten Stoffe sind tabelliert; meistens für T=298K bei Standarddruck (1bar) Für andere Temperaturen existieren Umrechnungsverfahren Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 43 / 100 6.3. Prozessgrößen Bildungsprozesse Beispiel: Bildungsenthalpien von Benzen, Ethin und Ethanol in graphischer Darstellung: 300 Acetylen (g) Bildungsenthalpie ∆B H / (kJ/mol) 200 Bildungsenthalpie 100 Benzol (l) Bildungsenthalpie 0 Elemente: C(Graphit), O2(g), H2(g) ... -100 Bildungsenthalpie -200 Ethanol (l) -300 Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 44 / 100 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 6.3. Prozessgrößen Prozess- & Zustandsfunktionen Warum ist das Konzept von Bildungsenthalpien universell (tabellierbar) und unabhängig von Details? Energien und Enthalpien sind Zustandsfunktionen: ihr Wert hängt nur vom Wert der Zustandsvariablen ab (momentaner Zustand), jedoch nicht vom Weg, auf dem der Zustand erreicht wurde Umgesetzte Wärme und Arbeit dagegen sind nicht nur vom Zustand, sondern auch vom eingeschlagenen Weg bestimmt: Prozessfunktionen oder Wegfunktionen Konsequenz: Jeder (chemische) Prozess darf bezüglich seiner Zustandsfunktionen aus beliebigen anderen Prozessen zusammengesetzt werden, solange insgesamt die Stoffbilanzen stimmen Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 45 / 100 6.3. Prozessgrößen Zustandsfunktionen Insbesondere ist dann jeder chemische Prozess aus geeigneten Bildungsprozessen darstellbar. Beispiel: Verbrennung von Benzol C6 H6 (l) + 7 21 O2 (g) −−→ 6 CO2 (g) + 3 H2 O(l) Darstellung als Summe von (multiplizierten) Bildungsreaktionen: (−1) 6 C(Graphit) + 3 H2 (g) −−→ C6 H6 (l) (+6) C(Graphit) + O2 (g) −−→ CO2 (g) (+3) H2 (g) + 12 O2 (g) −−→ H2 O(l) Mit den Multiplikatoren kann nun die Standard-Verbrennungsenthalpie ∆C H aus den Standard-Bildungsenthalpien ∆B H berechnet werden: ∆C H = (−1)∆B H(C6 H6 ) + 6∆BH(CO2 ) + 3∆BH(H2 O) Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 46 / 100 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 6.3. Prozessgrößen Reaktionen In graphischer Darstellung: 0 Benzol (l) Elemente: C(Graphit), O2(g), H2(g) ... CO2 (g) -500 Enthalpie H / (kJ/mol) CO2 (g) -1000 CO2 (g) -1500 CO2 (g) CO2 (g) -2000 CO2 (g) -2500 H2O (l) Verbrennungsenthalpie H2O (l) -3000 H2O (l) Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 6. Energie, Wärme, Arbeit, Enthalpie 47 / 100 6.3. Prozessgrößen Reaktionen Das Verfahren kann für jeden durch eine chemische Gleichung darstellbaren Prozess R angewandt werden: ∆R H = N X νi ∆ B H i (20) i=1 Dieses Summationsverfahren ist nicht auf Enthalpien beschränkt, sondern kann für andere Zustandsgrößen analog eingesetzt werden! Bildungsgrößen stellen daher zentrale Elemente in allen thermodynamischen Tabellenwerken dar. Üblich ist heute die Angabe bei Standarddruck (1 bar) und einer Temperatur von 298 K Für andere Temperaturen bestehen Umrechnungsverfahren, für deren Anwendung die Kenntnis der Wärmekapazitäten notwendig ist Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 48 / 100 7. Freie Enthalpie 7.1. Entropie Reaktionsrichtung Die Beschreibung chemischer Prozesse durch Innere Energie U und Enthalpie H liefert Informationen über die umgesetzte Wärme und Arbeit unter festgelegten Randbedingungen. U und H erlauben jedoch keine Voraussagen über die Richtung eines Prozesses: auch “wärmeverbrauchende” Prozesse (wie etwa die Verdampfung) können spontan und freiwillig ablaufen! Es muss daher eine bisher unbekannte Variable geben, die Angaben über die Freiwilligkeit eines Prozesses macht. Diese Größe heißt Entropie, Symbol: S. Entropie ist eng mit der Wahrscheinlichkeit oder dem Unordnungsgrad eines Systems verknüpft: mit zunehmender Temperatur im System wird der Einfluss der Entropie immer größer. Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 7. Freie Enthalpie 49 / 100 7.1. Entropie Hauptsätze Grundlage: Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik: In einem abgeschlossenen System wird im Gleichgewicht der Zustand höchster Entropie eingenommen; die Entropie kann im abgeschlossenen System nur ansteigen oder unverändert bleiben Die Entropie ist verknüpft mit der Wahrscheinlichkeit W eines Systemzustandes: je größer die Anzahl W der Realisierungsmöglichkeiten für einen gegebenen Zustand ist, desto höher ist die Entropie für diesen Systemzustand (Boltzmann): R ln W = k ln W NA k = 1.38037 ∗ 10−23 J/K S= (21) (22) Einheit der Entropie (bezogen auf ein mol): J / (mol K) Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 50 / 100 7. Freie Enthalpie 7.1. Entropie Hauptsätze Die Entropie besitzt einen Nullpunkt: in einem idealen Kristall eines reinen Stoffes am absoluten Nullpunkt ist die Entropie dieses Zustandes gleich Null (Dritter Hauptsatz der Thermodynamik) Steigende Entropie (viele Realisierungsmöglichkeiten) ist verknüpft mit steigender Unordnung: Kristalle −−→ Flüssigkeiten −−→ Gase oder Reinstoffe −−→ Mischungen Damit ist in einem abgeschlossenen System die Richtung jedes Prozesses eindeutig festgelegt! Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 7. Freie Enthalpie 51 / 100 7.2. G, A Definitionen Energie / Enthalpie und Entropie sind Gegenspieler: jedes System will gleichzeitig die Energie so niedrig wie möglich, und die Entropie so hoch wie möglich einstellen Aus diesem Gegensatz heraus werden die neuen Zustandsgrößen Freie Enthalpie G und Freie Energie A definiert: G = H − TS (23) A = U − TS (24) Am absoluten Nullpunkt (T = 0K) gehenG in H und A in U über Wie U und H besitzen auch G und A keinen festen Nullpunkt und werden daher stets als Veränderungen angegeben Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 52 / 100 7. Freie Enthalpie 7.3. Gleichgewichtsbedingungen Gleichgewichte Für das resultierende Gleichgewicht in nicht abgeschlossenen Systemen lassen sich folgende elementare Beziehungen herleiten: In isobaren und isothermen Systemen nimmt die Freie Enthalpie G im Gleichgewicht ihren Minimalwert an In isochoren und isothermen Systemen nimmt die Freie Energie A im Gleichgewicht ihren Minimalwert an Besonders die Beziehungen für G sind im chemischen Alltag für die Beschreibung von Gleichgewichten von überragender Bedeutung, da die allermeisten Prozesse annähernd isobar und isotherm ablaufen Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 7. Freie Enthalpie 53 / 100 7.3. Gleichgewichtsbedingungen Änderungen Statt der unbekannten Absolutwerte sind vor allem Änderungen wichtig Isotherm und isobar: ∆G = ∆H − T ∆S (25) ∆A = ∆U − T ∆S (26) Isotherm und isochor: Für chemisch-physikalische Prozesse sind daher neben den Prozess-Enthalpien oder -Energien auch die Prozess-Entropien wichtig, d.h. die Änderung der System-Entropie durch den untersuchten Prozess. Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 54 / 100 7. Freie Enthalpie 7.3. Gleichgewichtsbedingungen Prozessentropie Da Entropien einen bekannten Nullpunkt besitzen, werden Standardentropien S (gewöhnlich bei 298 K angegeben) tabelliert. ∅ Standard-Prozessentropien lassen sich daraus in der bereits bekannten Weise mit Hilfe der stöchiometrischen Koeffizienten bestimmen: N X ∆R S = νi S i (27) ∅ ∅ i=1 und damit auch Freie Standardreaktionsenthalpien: − T ∆R S ∅ ∅ = ∆R H = νi ∆ B G i ∅ ∅ ∆R G N X (28) i=1 Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 7. Freie Enthalpie 55 / 100 7.3. Gleichgewichtsbedingungen Wasserverdampfung Beispiel Verdampfung von Wasser bei 298 K: ∅ ∆V H = 44.02 kJ/mol SWasser(l) = 69.91 J K−1 mol−1 ∅ SWasser(g) = 188.83 J K−1 mol−1 ∅ und damit bei 298 K: ∅ ∅ = 8.58 kJ/mol Bredol (FH-MS) ∅ ∆V G = SWasser(g) − SWasser(l) = 118.92 J K−1 mol−1 ∅ ∆V S Allg.Chem. 56 / 100 7. Freie Enthalpie 7.3. Gleichgewichtsbedingungen Trocknung Bei 298 K würde demnach die Verdampfung aus dem Standardzustand (reine Flüssigkeit) in den Standardzustand (Dampf mit Partialdruck PH2 O = P ) die Freie Entalpie des Systems G um etwa 8.6 kJ/mol erhöhen: das System würde sich vom Gleichgewicht entfernen, der Vorgang findet freiwillig nicht als Standardprozess statt ∅ Wird die Temperatur auf 400 K erhöht, findet man dagegen näherungsweise (∆V H und ∆V S sind leicht temperaturabhängig): ∆V G = −3.5 kJ/mol: der Prozess wird die Freie Enthalpie des Systems erniedrigen, er wird daher spontan und freiwillig als Standardprozess ablaufen ∅ ∅ ∅ Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 7. Freie Enthalpie 57 / 100 7.4. Phasenumwandlungen Phasendiagramme Phasenumwandlungen können allgemein als eine besondere Klasse chemischer Reaktionen aufgefasst werden Alle Phasenumwandlungen, die im Gleichgewicht erfolgen können, lassen sich für einen gegebenen Reinstoff in einem einheitlichen Diagramm zweier Zustandsvariablen (meistens P und T ) darstellen: Phasendiagramm Kurven im Phasendiagramm: Gleichgewichtsbeziehungen zwischen zwei Phasen Punkte im Phasendiagramm: Gleichgewichtsbeziehungen zwischen drei Phasen Für Mischungen steigt die Anzahl der nötigen Zustandsvariablen mit der Anzahl der Komponenten (Stoffmengenanteile)! Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 58 / 100 7. Freie Enthalpie 7.4. Phasenumwandlungen Einfaches Beispiel: CO2 Am kritischen Punkt verschwindet der Unterschied zwischen Flüssigkeit und Gas! Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 7. Freie Enthalpie 59 / 100 7.4. Phasenumwandlungen Kohlenstoff Im Allgemeinen liegen die Feststoffe aber in mehreren Modifikationen vor. Beispiel C: Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 60 / 100 7. Freie Enthalpie 7.4. Phasenumwandlungen Phasendiagramme Phasendiagramme enthalten nur Informationen über im Gleichgewicht stabile Modifikationen; Aussagen über Umwandlungsgeschwindigkeiten sind nicht möglich Beispiel: Diamant ist bei Normaldruck über geologische Zeiträume beständig: metastabil Phasendiagramme von Mischungen, insbesondere von Feststoffen, sind oft sehr komplex, technisch aber sehr wichtig für Stofftrennung, Metallurgie, Keramik, Kunststoffe und andere Mischphasen Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 8. Gleichgewichte 61 / 100 8.1. Massenwirkungsgesetz Chemisches Gleichgewicht ∅ Die Freie Standardreaktionsenthalpien ∆R G Verständnis chemischer Gleichgewichte: ist der Schlüssel zum Ist ∆R G > 0, dann ist der Standardprozess nicht erlaubt, und das Gleichgewicht liegt auf der Seite der Edukte ∅ Ist ∆R G < 0, dann ist der Standardprozess erlaubt, und das Gleichgewicht liegt auf der Seite der Produkte ∅ Der Standardprozess ist zunächst ein hypothetischer Prozess: in der Realität liegen oft Edukte und Produkte vermischt vor. Prozesse laufen dann auch nicht vollständig ab, vielmehr wird ein Gleichgewicht erreicht Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 62 / 100 8. Gleichgewichte 8.1. Massenwirkungsgesetz Autoprotolyse Beispiel: Dissoziation von Wasser – + H2 O(l) −−→ Haq + OHaq Edukte und Produkte liegen hier stets als Gemisch vor. Aus Tabellen ermittelt man für T=298 K: ∆R G = +79.89kJ/mol ∅ Die Erfahrung zeigt, dass trotzdem ein geringer Teil des Wassers zerfällt Das Massenwirkungsgesetz gibt dazu an, wann das chemische Gleichgewicht erreicht wird. Die dazu benötigte Konstante ist allein durch ∆R G bestimmt! ∅ Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 8. Gleichgewichte 63 / 100 8.1. Massenwirkungsgesetz Chemisches Gleichgewicht Zusammenhang mit der Gleichgewichtskonstanten K : ∆R G RT ∅ ln K = − (29) K wiederum hängt direkt mit den Aktivitäten (und damit auch Konzentrationen, Anteilen oder Partialdrücken) der Reaktionsteilnehmer zusammen: K = N Y aνi i (30) i=1 Damit besteht eine direkte Verbindung zwischen tabellierten thermodynamischen Standarddaten und der Lage von chemischen Gleichgewichten! Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 64 / 100 8. Gleichgewichte 8.1. Massenwirkungsgesetz Chemisches Gleichgewicht Für das Beispiel der Wasser-Autoprotolyse bei T=298 K: 1 1 K = a−1 H O aH + aOH − = aH + aOH − 2 a H2 O = 9.91 ∗ 10−15 Die Beziehung ist exakt und kann entsprechend auch für andere Temperaturen aufgestellt werden. Da ∆R G im Beispiel sehr positiv ausfällt, kann der Standardprozess nicht ablaufen. Das Gleichgewicht muss daher weitgehend auf der Seite der Edukte liegen ∅ Daher wird Wasser nahezu rein, d.h. in seinem Standardzustand vorliegen. Die Aktivitäten der Ionen werden sehr klein sein, die Aktivitätskoeffizienten der Ionen streben dann gegen eins Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 8. Gleichgewichte 65 / 100 8.1. Massenwirkungsgesetz Ionenprodukt Mit diesen Näherungen spricht man auch gern vom Ionenprodukt des Wassers: cH + cOH − = 9.91 ∗ 10−15 (31) KW = 2 (mol/l) Aus der Stöchiometrie folgt: cH+ = cOH− = 9.955 ∗ 10−8 mol/l Offenbar handelt es sich bei diesen Konzentrationen um sehr kleine Werte. Man führt daher eine bequeme Abkürzung ein, die Operatorcharakter besitzt: p ≡ − log10 (log10 : dekadischer Logarithmus) Zur Charakterisierung von Säuregraden wird der pH-Wert benutzt; er bezieht sich auf die Aktivität von H + : pH ≡ − log10 (aH + ) Bredol (FH-MS) Allg.Chem. (32) 66 / 100 8. Gleichgewichte 8.1. Massenwirkungsgesetz Wasser Für neutrales Wasser bei 298 K gilt daher pH=7.00 . Ähnlich lässt sich die Gleichgewichtskonstante bei 298 K angeben: pKW (298K) = 14.00 (33) Ein ähnliches Maß lässt sich für die OH – –Ionen definieren, so dass bei 298 K gilt: pH + pOH = 14 (34) Wichtig: pH– und pOH–Werte beziehen sich auf Aktivitäten, nicht auf Konzentrationen! Die Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstanten lässt sich aus der Standard-Reaktionsenthalpie abschätzen: Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 8. Gleichgewichte 67 / 100 8.1. Massenwirkungsgesetz Wasser ∅ Autoprotolyse: ∆R H wird K mit der Temperatur kleiner ∅ Bei negativem ∆R H wird K mit der Temperatur größer ∅ Bei positivem ∆R H = 55.84 kJ/mol Daher: KW wird mit der Temperatur größer, pKW sinkt ! Konsequenz: der Neutralpunkt liegt bei höherer Temperatur (z.B. Körpertemperatur!) niedriger als 7 ! Der Unterschied zwischen Konzentration und Aktivität der Ionen macht sich bei Konzentrationen oberhalb von etwa 10−3 mol/l bemerkbar Die Aktivitätskoeffizienten der Ionen sind bei nicht zu hohen Konzentrationen (< 1 mol/l) durchweg kleiner als 1 Daher ist etwa der pH-Wert von 0.1 m Salzsäure nicht exakt gleich 1, sondern geringfügig höher (etwa 1.05) Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 68 / 100 8. Gleichgewichte 8.1. Massenwirkungsgesetz Ionenaktivitäten Aktivitätskoeffizienten der Ionen sind elektrostatisch gesteuert; für alle Ionen gibt es nur einen gemeinsamen mittleren Aktivitätskoeffizienten Fremdsalze beeinflussen so die Aktivitätskoeffizienten: je mehr Fremdsalz vorhanden, um so niedriger die Aktivitätskoeffizienten Elektrostatisch besonders wirksam: hoch geladene Ionen (Al 3+ , Cu 2+ usw.) Die Zugabe solcher Salze z.B. zu verdünnter Salzsäure bewirkt ein Ansteigen des pH-Wertes! Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 8. Gleichgewichte 69 / 100 8.1. Massenwirkungsgesetz Gleichgewichte Das Massenwirkungsgesetz in der vorgestellten Form kann auf Gleichgewichte mit beliebigen Teilnehmern und Aggregatzuständen ausgedehnt werden, solange der Prozess mit einer gültigen Reaktionsgleichung dargestellt werden kann Entscheidend ist jeweils die Wahl geeigneter Standardzustände für alle Teilnehmer; dann sind auch die Standardbildungsenthalpien, die Standardentropien sowie daraus ∆R G und somit K festgelegt ∅ Im Folgenden wird dieser Ansatz für einige Standardsituationen durchgeführt Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 70 / 100 8. Gleichgewichte 8.2. Dissoziationsgleichgewichte Säuredissoziation Für Säuren läßt sich wie für Wasser ein Dissoziationsgleichgewicht formulieren. Dieses ist abhängig vom Lösungsmittel. Wasser: Kennzeichnung mit dem Index (aq) Beispiel Essigsäure: HAc(aq) −−→ H+ (aq) + Ac – (aq) Dazu vollständig formulierte Gleichgewichtskonstante: K = aH+ (aq)aAc − (aq) aHAc (aq) (35) Für alle Teilnehmer wurde als Standardzustand die wässrige Lösung mit a=1 (Bezugskonzentration: mol/l) gewählt. Aus den thermochemischen Daten ergibt sich dann pK=4.75 bei T=298 K Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 8. Gleichgewichte 71 / 100 8.2. Dissoziationsgleichgewichte Säuredissoziation Essigsäure ist eine schwache Säure: die Aktivitäten von H+ und Ac – werden sehr klein sein, und der Aktivitätskoeffizient etwa eins Undissoziierte Essigsäure in wässriger Lösung ist nicht elektrisch geladen und daher kaum von elektrostatischen Kräften betroffen: der Aktivitätskoeffizient wird daher etwa eins betragen Bei Wahl anderer Standardzustände ergeben sich auch andere Aktivitäten! Unter diesen Näherungen folgt die vereinfachte Schreibweise: cH+ (aq)cAc − (aq) 1 KS = cHAc (aq) mol/l (36) In reiner Essigsäure folgt aus der Stöchiometrie: cH+ = cAc − Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 72 / 100 8. Gleichgewichte 8.2. Dissoziationsgleichgewichte Säuredissoziation 0 Zusammen mit der Einwaage an Essigsäure cHAc ergibt sich dann KS = 2 cH+ (aq) 0 cHAc − cH+ (aq) (37) Mit dieser Gleichung lassen sich nun aus tabellierten thermochemischen Daten oder KS –Werten Konzentrationen, Aktivitäten und pH-Werte abschätzen, sinngemäß auch für andere Säuren Ein wichtiger Sonderfall ist das “Puffern” durch Mischungen aus schwachen Säuren und starken Basen, z.B. durch ein HAc/NaAc– Gemisch Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 8. Gleichgewichte 73 / 100 8.2. Dissoziationsgleichgewichte Puffergleichung Dazu wird die Gleichung für KS nach cH+ umgestellt: cH+ (aq) = KS cHAc (aq) cAc − (aq) (38) Dann wird logarithmiert und mit -1 multipliziert: cHAc (aq) − log10 cH+ (aq) = − log10 (KS ) − log10 cAc − (aq) (39) Durch die Näherung, dass in verdünnter Lösung Ionenaktivitäten etwa gleich Konzentrationen sind, folgt die sogenannte Puffergleichung: pH = pKS + log10 Bredol (FH-MS) Allg.Chem. cAc − (aq) cHAc (aq) (40) 74 / 100 8. Gleichgewichte 8.2. Dissoziationsgleichgewichte Puffergleichung Da die Konzentration der Acetat-Anionen in der Praxis nahezu vollständig durch die Menge des eingesetzten NaAc und die Konzentration der undissoziierten Essigsäure nahezu vollständig durch die Menge eingesetzter HAc gegeben ist, folgt, dass bei equimolaren Mengen Base und Säure gilt: pH = pKS Ein entsprechendes HAc/NaAc–Gemisch weist daher einen pH-Wert von 4.75 auf, der sich nur geringfügig (logarithmischer Zusammenhang!) ändert, wenn Base oder Säure zugefügt werden (“Puffern”) Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 8. Gleichgewichte 75 / 100 8.3. Löslichkeiten Lösungsgleichgewicht Die Löslichkeit schwerlöslicher Salze kann ebenfalls als Gleichgewicht beschrieben werden (hier formuliert an Hand des Beispiels CaF2 in Wasser): CaF2 (s) −−→ Ca 2+ (aq) + 2 F – (aq) Sinnvolle Standardzustände sind hier wässrige Lösungen mit a=1 (Referenzkonzentration 1 mol/l) für die Ionen und der reine Stoff unter Standarddruck für den ungelösten Feststoff: K = Bredol (FH-MS) aCa 2+ a2F − aCaF2 Allg.Chem. (41) 76 / 100 8. Gleichgewichte 8.3. Löslichkeiten Lösungsgleichgewicht Aus den thermochemischen Daten ist zu ersehen, dass ∆R G für diesen Prozess stark positiv ist; daher wird sich nur wenig CaF2 lösen. Deshalb dürfen die Ionenaktivitäten mit Konzentrationen identifiziert werden. ∅ Der nicht gelöste Feststoff verändert sich chemisch nicht; er liegt im Gleichgewicht stets in seinem Standardzustand vor und weist deshalb die Aktivität 1 auf. Die resultierende Gleichung wird als Löslichkeitsprodukt LP bezeichnet: LP = cCa 2+ cF2 − (42) (mol/l)3 Veränderungen der Löslichkeit mit T werden nun einfach durch die T -Abhängigkeit von ∆R G beschrieben, bzw. aus dem Zusammenhang ∆R G = ∆R H − T ∆R S ∅ ∅ ∅ ∅ Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 8. Gleichgewichte 77 / 100 8.4. Verdampfung Verdampfungsgleichgewicht Das Verdampfen einer Flüssigkeit im Gleichgewicht bezieht sich auf einen Prozess, an dem eine flüssige und eine gasförmige Phase beteiligt sind (hier für Wasser formuliert): H2 O(l) −−→ H2 O(g) Standardzustand der Flüssigkeit ist der reine Stoff, für den Dampf ein Partialdruck von P . ∅ ∅ e−∆R G /RT =K = aH2 O(g) aH2 O(l) (43) Die (reine) Flüssigkeit verbleibt stets im Standardzustand (die Druckabhängigkeit kondensierter Phasen ist gering und wird vernachlässigt): a(l)=1 Die Aktivität von Gasen wird bei nicht zu hohem Druck durch das Verhältnis von (Partial-)druck zu Standarddruck dargestellt. Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 78 / 100 8. Gleichgewichte 8.4. Verdampfung Verdampfungsgleichgewicht Nach Aufspaltung der Freien Standardverdampfungsenthalpie in Enthalpie– und Entropie–Anteile sowie Logarithmierung ergibt sich die Temperaturabhängigkeit des Dampfdrucks: = ln P H2 O P ∅ ∆ S + R R ∅ ∅ ∆ H − R RT (44) Im Standardprozess wird flüssiges Wasser in Wasserdampf von 1 bar überführt: “Standardsiedepunkt”. Die stoffabhängigen thermochemischen Konstanten werden häufig zu Parametern A und B zusammengefasst und tabelliert (August ’sche Formel): −A +B (45) ln(P/bar) = T Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 8. Gleichgewichte 79 / 100 8.4. Verdampfung Logarithmische Darstellung Logarithmische Darstellung des Dampfdruckes über der inversen absoluten Temperatur ergibt demnach eine Gerade Beispiel Wasser (die T –Abhängigkeiten von A und B sind vernachlässigt): ln(P/bar) 0 −1 −2 −3 −4 0.0026 0.0028 0.003 0.0032 0.0034 K/T Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 80 / 100 8. Gleichgewichte 8.4. Verdampfung Lineare Darstellung In der linearen Darstellung zeigt sich der steile Anstieg des Dampfdruckes mit der Temperatur: 6 5 P/bar 4 3 2 1 0 280 300 320 340 360 380 400 420 T/K Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 8. Gleichgewichte 81 / 100 8.5. Zersetzungsdruck Heterogene Gleichgewichte Feste Stoffe zersetzen sich gelegentlich unter Abspaltung gasförmiger Produkte. Ein bekanntes Beispiel ist das Kalkbrennen: CaCO3 (s) −−→ CaO(s) + CO2 (g) Im Gleichgewicht kann dieser Prozess durch den folgenden Ausdruck beschrieben werden (die Festkörper werden im GG stets als reine Stoffe unvermischt vorliegen): K = PCO2 aCaO aCO2 ∼ = aCaCO3 P (46) ∅ K ist hier identisch mit dem CO2 –Gleichgewichtsdruck ! Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 82 / 100 8. Gleichgewichte 8.5. Zersetzungsdruck Kalkbrennen ∅ Freie Standard-Bildungsenthalpien ∆B G CaCO3 (Calcit): -1128.8 kJ/mol CaO (s): -604.03 kJ/mol CO2 (g): -394.36 kJ/mol der Partner bei T=298 K: Für den Zersetzungsprozess: ∆R G (298K) = 130.41kJ/mol ∅ Daher ist bei Raumtemperatur der Zersetzungsdruck unmessbar klein: ln K = (−130.41kJ/mol)/RT = −52.64 Für die Temperaturabhängigkeit ist die Standard– Reaktionsenthalpie ∆R H entscheidend. Aus den Standard– Bildungsenthalpien: ∆R H = 178.34kJ/mol ∅ ∅ Der Zersetzungsdruck wird daher stark mit der Temperatur zunehmen! Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 8. Gleichgewichte 83 / 100 8.5. Zersetzungsdruck Kalkbrennen Spontane Zersetzung ist zu erwarten, wenn der GG-Druck größer als 1 bar wird. Dazu muss ∆R G = 0 werden. ∅ Unter Vernachlässigung der T -Abhängigkeiten ist dies erreicht, wenn T = ∆R H /∆R S ∅ ∅ Mit ∆R S = 160.84J K−1 mol−1 (aus den tabellierten Standardentropien berechnet) folgt: T (P =1bar) = 1109 K ∅ “Kalkbrennen” muss daher bei Temperaturen oberhalb von 1110 K erfolgen, wenn das Abgas (CO2 ) spontan abgegeben werden soll! Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 84 / 100 9. Elektrochemie 9.1. Elektrochemisches Gleichgewicht Redoxprozesse Ein spezielles heterogenes Gleichgewicht ist das Gleichgewicht zwischen Partnern in unterschiedlichen Oxidationszuständen; dabei müssen Elektronen ausgetauscht werden Beispiel: ein Cu-Blech taucht in eine Lösung von Cu 2+ –Ionen ein. Es kann sich folgender Prozess abspielen: Cu 2+ + 2 e – −−→ Cu(s) Resultat: Verletzung der Elektroneutralitätsbedingung; der Prozess erzeugt zwischen dem Cu-Blech und der Lösung eine elektrische Potenzialdifferenz Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 9. Elektrochemie 85 / 100 9.1. Elektrochemisches Gleichgewicht Potenziale Das sich aufbauende Potenzial (Symbol: E ) wird weiterem Ladungstransfer entgegenwirken; der Transport von Cu 2+ auf das Cu-Blech erfordert nun elektrische Arbeit, die von der verfügbaren chemischen Arbeit ∆R G aufgebracht werden muss Sind chemische Arbeit und elektrische Arbeit gerade gleich groß, liegt elektrochemisches Gleichgewicht vor: E ne NA e = −∆R G (47) mit e: Elementarladung ; ne : Anzahl Elektronen pro Formelumsatz Bredol (FH-MS) Allg.Chem. ∅ Handelt es sich bei dem betrachteten Prozess um den Standardprozess, spricht man vom Standardpotenzial E 86 / 100 9. Elektrochemie 9.1. Elektrochemisches Gleichgewicht Potenziale Das Produkt aus Elementarladung und Avogadro–Zahl wird auch Faraday–Konstante F genannt: F ≡ NA e = 96485.3415 A s mol−1 (48) Das Standard-Potenzial an der Phasengrenze stellt sich genau dann ein, wenn alle Partner sich im Standardzustand befinden Für das Beispiel der Cu/Cu 2+ –Elektrode bedeutet dies, dass das metallische Kupfer rein vorliegt und die Cu 2+ –Ionen mit einer Aktivität von 1 (bezogen auf die Referenzkonzentration mol/l) vorliegen Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 9. Elektrochemie 87 / 100 9.2. Nernst’sche Gleichung Reaktionsquotienten Wie groß ist das elektrische Potenzial, wenn die Partner nicht im Standardzustand vorliegen? Die verfgbare chemische Arbeit ∆R G läßt sich aus der Abweichung der Aktivitäten vom Standardprozess berechnen: ∅ ∆R G = ∆R G + RT ln N Y aνi i (49) i=1 Der zweite Summand heißt Reaktionsquotient. Wenn ∆R G gleich null ist, liegt Gleichgewicht vor, der Reaktionsquotient heißt dann Gleichgewichtskonstante Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 88 / 100 9. Elektrochemie 9.2. Nernst’sche Gleichung Reaktionsquotienten Daraus läßt sich das elektrische Potenzial an der Grenzfläche als Funktion der Aktivitäten aller Prozessteilnehmer berechnen: ∅ ∆ G ∆ G E =− R =− R ne F ne F N Y ν RT − ln ai i ne F (50) i=1 Der erste Summand ist das schon bekannte Standardpotenzial Elektrochemische Prozesse werden vereinbarungsgemäß stets als Reduktion geschrieben: “Reduktionspotenziale” Produkte sind dann stets die reduzierten Partner, die Edukte die oxidierten Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 9. Elektrochemie 89 / 100 9.2. Nernst’sche Gleichung Reaktionsquotienten Damit folgt die Nernst’sche Gleichung: ∅ E =E |ν | N Y ai i (ox) RT + ln |νj | ne F i,j=1 aj (red) (51) Für das Beispiel der Cu/Cu 2+ –Grenzfläche: ∅ ECu 2+ /Cu aCu 2+ RT = ECu 2+ /Cu + ln 2F 1 (52) Das Potenzial über der Grenzfläche ist prinzipiell nicht direkt messbar, da zur Messung metallische Elektroden in die Flüssigkeit eingeführt werden müssten und damit neue Grenzflächen geschaffen werden würden Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 90 / 100 9. Elektrochemie 9.2. Nernst’sche Gleichung Referenzelektroden Messbar sind Differenzen zwischen elektrochemischen Potenzialen In der Praxis werden daher Referenzelektroden benötigt. Diese sollen robust sein, ein stabiles Potenzial aufweisen und nach Möglichkeit in den Komponenten nicht toxisch sein Historisch wichtig, aber meist nur noch für Eichzwecke gebräuchlich sind Wasserstoff-Gaselektroden: Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 9. Elektrochemie 91 / 100 9.2. Nernst’sche Gleichung Referenzelektroden Nernst’sche Gleichung dafür: ∅ 2 a H+ RT ln 1 F (mol/l) P P H2 ∅ EH+ /H2 = EH+ /H + s (53) Der Nullpunkt der thermodynamischen Daten der Ionen ist so gewählt, dass das Standardpotenzial der Wasserstoffelektrode gleich Null ist: Standard-Bildungsenthalpie und Standardentropie der H+ –Ionen in wässriger Lösung sind temperaturunabhängig zu Null festgelegt In der Praxis häufig und bequem sind Elektroden zweiter Art, die die internen Aktivitäten zum Teil durch schwerlösliche Salze festlegen Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 92 / 100 9. Elektrochemie 9.2. Nernst’sche Gleichung Referenzelektroden Wichtigster Vertreter: Ag/AgCl-Elektroden; metallisches Silber wird mit AgCl überzogen und taucht in eine Chlorid-Ionen-Lösung: L RT RT ln P = EAgCl/Ag − ln aCl − F aCl − F ∅ EAgCl/Ag = EAg+ /Ag + (54) ∅ Das Potenzial wird jetzt nur noch durch die Aktivität der genutzten Cl – –Lösung bestimmt Messbar ist schließlich die Potenzialdifferenz zwischen zwei Halbelementen; dabei muss gegebenenfalls der Stromkreis durch geeignete Salzbrücken oder Membranen geschlossen werden (in kommerziellen Referenzelektroden meist bereits eingebaut) Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 9. Elektrochemie 93 / 100 9.2. Nernst’sche Gleichung Zellen Links: Zelle mit ionendurchlässiger Membran, rechts: Zelle mit Salzbrücke Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 94 / 100 9. Elektrochemie 9.3. Potenziometrische Titration Titrationszelle Eine wichtige Anwendung der Elektrochemie ist die potenziometrische Titration: vermessen wird die Potenzialdifferenz zwischen einer Pt-Elektrode und einer Referenzelektrode, die zusammen in eine redoxaktive Lösung tauchen (enthält z.B. Fe 2+ und Fe 3+ –Ionen) Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 9. Elektrochemie 95 / 100 9.3. Potenziometrische Titration Potenzialverlauf Wird eine solche Lösung z.B. mit Ce 4+ –Ionen titriert, ändert sich das Verhältnis der Aktivitäten der Fe 2+ und Fe 3+ –Ionen an der Pt– Elektrode und damit die Potenzialdifferenz: EFe 3+ /Fe 2+ = EFe 3+ /Fe 2+ + RT aFe 3+ ln F aFe 2+ (55) ∅ Liegt zu Beginn der Titration reines Fe 2+ vor, ist das Potenzial rechnerisch negativ unendlich; ist am Äquivalenzpunkt sämtliches Fe 2+ verbraucht, ist das Potenzial rechnerisch positiv unendlich Da die Pt-Elektrode nur ein einheitliches Potenzial registriert, ist es auch durch die Aktivitäten der Ce 4+ - und Ce 3+ –Ionen darstellbar: ECe 4+ /Ce 3+ = ECe 4+ /Ce 3+ + ∅ Bredol (FH-MS) Allg.Chem. RT aCe 4+ ln F aCe 3+ (56) 96 / 100 9. Elektrochemie 9.3. Potenziometrische Titration Potenzialverlauf Vollständige Titrationskurve durch Kombination der Kurvenzweige: 1.8 1.6 0 2+ 0.2 0.4 c (Fe )=1 mol/l E/V 1.4 1.2 1 0.8 0.6 0.4 0 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2 4+ c(Ce )/(mol/l) Äquivalenzpunkt: Wendepunkt; für eine geschlossene Kurve wäre das vollständige GG zwischen allen beteiligten Ionen zu berücksichtigen: die Standardpotenziale müssen hinreichend unterscheidlich sein! Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 9. Elektrochemie 97 / 100 9.4. Elektrochemische pH-Wert–Bestimmung Prinzip H+ -Ionen–Aktivitäten und damit der pH-Wert lassen sich prinzipiell mit H2 –Gaselektroden messen. In der Praxis einfacher sind jedoch Verfahren, die die Adsorption von H+ - an bestimmten Glasoberflächen ausnutzen. Die gewöhnliche “pH-Elektrode” (besser: pH-Einstab-Messkette) hat folgenden schematischen Aufbau: Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 98 / 100 9. Elektrochemie 9.4. Elektrochemische pH-Wert–Bestimmung Adsorption Bei der Glasmembran handelt es sich um Li–reiches und quellbares Glas, auf dem H+ –Ionen sehr gut adsorbieren können: Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 9. Elektrochemie 99 / 100 9.4. Elektrochemische pH-Wert–Bestimmung Aktivitäten Das (messbare) Membranpotenzial ist über die Adsorption in der Quellschicht abhängig vom Verhältnis der H+ -Ionen-Aktivitäten in Pufferlösung und Messlösung Der pH-Wert in der Messlsung korreliert linear mit dem Logarithmus dieses Verhältnisses Elektrochemische pH-Wert-Bestimmung beruht stets auf der Messung von Aktivitäten! Daher reagieren solche Messungen empfindlich z.B. auf Fremdsalze, die die Aktivitätskoeffizienten der Ionen beeinflussen Bredol (FH-MS) Allg.Chem. 100 / 100