Schmerztherapie in der Onkologie Stefan Aebi Luzerner Kantonsspital 6000 Luzern 16 [email protected] Referenz Management of cancer pain: ESMO* Clinical Practice Guidelines C. I. Ripamonti, D. Santini, E. Maranzano, M. Berti & F. Roila, on behalf of the ESMO Guidelines Working Group Annals of Oncology 2012; 23 (Supplement 7): vii139–vii154 ESMO = European Society of Medical Oncology S. Aebi, Universitätsspital Bern Schmerz bei Patienten mit malignen Tumoren Nicht obligat Aber häufig: ⅔ bei inkurablen Tumorleiden • «Solide» Tumoren • «Hämatologische» Tumoren inkl. Leukämien Unbefriedigend behandelt bei ≈50% der Patienten Verbessert die Anwendung von Guidelines die Behandlung? S. Aebi, Universitätsspital Bern Erfassen der Schmerzen «Natur» der Schmerzen erfragen • Auslöser, Tagesverlauf, mildernde Einflüsse • Bohrend, pulsierend, Druck: «somatisch» • Krampfartig, nagend, scharf: «viszeral» • Einschiessend, stechend, kribbelnd, brennend: «neuropathisch» S. Aebi, Universitätsspital Bern Analgetika: Substanzen, Dosen, Intervalle Individuelle Bedeutung, psychologische und soziale Faktoren berücksichtigen Periodisch zu wiederholen Erfassen der Schmerzen «Natur» erfragen Erfassen von Häufigkeit und Intensität Kein Schmerz 1 Stärkster Schmerz 2 3 4 5 6 7 8 Kein Schmerz Kein 10 Stärkster Schmerz Sehr milder Milder Mässiger Starker Schmerz S. Aebi, Universitätsspital Bern 9 Sehr starker «Schmerzmessgerät» + Tagebuch www.krebsliga.ch S. Aebi, Universitätsspital Bern Prinzipien Chronische Schmerzen mit Schmerzspitzen • Regelmässige Dosisintervalle, einfaches Schema • Einfache Anwendung: oral, perkutan • Abgestuftes Vorgehen bei zunehmenden Schmerzen • Individualisieren, Autonomie berücksichtigen Basis-Analgesie (nicht «bei Bedarf»!) + Reserve bei Schmerzspitzen/Schmerz«Durchbrüchen» S. Aebi, Universitätsspital Bern WHO-Leiter gilt mit kleinen Modifikationen weiterhin! Starke Empfehlung Milde Schmerzen (z.B. 1-3) Schwache Empfehlung Milde bis mässige Schmerzen (z.B. 4-6) Starke Empfehlung Starke Schmerzen (z.B. 7-10) NSAID/Paracetamol Periodische Evaluation. Wenn Schmerzen ungenügend kontrolliert nächste Stufe Schwaches Opioid ± NSAID/Paracetamol Periodische Evaluation. Bei ungenügender Kontrolle: kein Wechsel des Opioids nächste Stufe Starkes Opioid ± NSAID/Paracetamol Periodische/tägliche Evaluation; Dosiserhöhung unter Berücksichtigung der verbrauchten Reserven. Anderes Opioid, andere Behandlungsroute? Symptomtherapie Immer Einsatz von Reserve-Dosen für Schmerzspitzen S. Aebi, Universitätsspital Bern Nebenwirkungen Re-Evaluation der Ursachen «Adjuvante» Schmerztherapie? Anderes Opioid, andere Behandlungsroute? Invasive Schmerztherapie? Anhaltende Schmerzen WHO-Stufe 1 Stufe 1: Paracetamol oder nicht-steroidale Entzündungshemmer • Paracetamol: Lebertoxizität Gesamtdosis, Alkohol, Ernährungszustand! • Kombination verschiedener nicht-Opioide (Paracetamol, Metamizol) ist nicht von erwiesener Wirkung S. Aebi, Universitätsspital Bern Paracetamol (Acetaminophen) Hepatotoxizität bei chronischem Alkoholkonsum bereits ab 4 g/Tag! Aethanol induziert CYP2E1 Aethanol vermindert zelluläres Glutathion S. Aebi, Universitätsspital Bern WHO-Stufe 2 Stufe 2: «Schwache» Opioide • Codein Unwirksam bei 8% in CH CYP2D6 poor metabolizers • Tramadol S. Aebi, Universitätsspital Bern WHO-Stufe 2 Fixe Kombinationen • Paracetamol + Codein z.B. Co-Dafalgan 500+30 mg • Paracetamol + Tramadol z.B. Zaldiar 325 + 37.5 mg Evidenz für bessere Wirkung als Stufe 1 ist schwach! Versuchen, aber rasch zu Stufe 3, wenn nicht genügend wirksam S. Aebi, Universitätsspital Bern WHO-Stufe 3 «Starke» Opioide Prototyp = Referenzsubstanz = Morphin (z.B MST Continus®, und andere) Therapiebeginn oral, bei sehr starken Schmerzen i.v. Basis = retardierte Galenik + Schmerzreserve = nicht-retardierte Galenik S. Aebi, Universitätsspital Bern WHO-Stufe 3 Alternativen zu p.o. Morphin bei Schmerzdurchbrüchen: Fentanyl bukkal oder sublingual (Actiq, Effentora) VORSICHT • Kleinste Dosis = 100 μg, erfordert Basisdosierung Fentanyl von ≥25 μg/h oder Basisdosierung Morphin (oral) von ≥ 90 mg/Tag S. Aebi, Universitätsspital Bern WHO-Stufe 3 Startdosis Morphin p.o. ≈ 40-60 mg/Tag fest dosiert • 20-0-20 mg retardiert (z.B. MST Continus®) Schmerzreserve: Morphin p.o. nach Bedarf • ≈ ⅛ der Tagesdosis retardiertes Morphin, maximal stündlich, bis 8 x/Tag «Titrieren» = Gesamtdosis des Vortags als retardiertes Morphin Schmerzreserve anpassen! S. Aebi, Universitätsspital Bern WHO-Stufe 3: Besondere Situationen Schlechter Allgemeinzustand Startdosis vermindern Interaktion mit sedativ wirkenden Substanzen Startdosis vermindern Niereninsuffizienz: Morphin-6-Glukuronid akkumuliert längere Wirkung, höhere Gleichgewichtsspiegel pro Tagesdosis geringerer Bedarf! Alternative: Anderes Opioid! S. Aebi, Universitätsspital Bern WHO-Stufe 3: Besondere Situationen Orale Zufuhr unmöglich: • Suppositorien (MST-Tabletten sind auch geeignet!) • Transdermales Fentanyl (z.B. Durogesic®) oder Buprenorphin (z.B. Transtec®) • Subkutane oder intravenöse Therapie = letzte Option! Sehr starke Schmerzen, sofortige Wirkung, sehr schnelle Titrierung: i.v. Morphin Morphin mg oral ↔ parenteral ≈ 3 ↔ 1 S. Aebi, Universitätsspital Bern Alternativen zu Morphin Oxycodon (Oxynorm® und Oxycontin®) + Naloxon (Targin®) Fentanyl (diverse transdermale Systeme) + bukkale Reserve für Durchbruchschmerz Hydrocodon (Palladon®, Jurnista®) Evtl. Methadon (Ketalgin®) Evtl. Buprenorphin (Transtec®) Konversionstabellen S. Aebi, Universitätsspital Bern beachten! Nebenwirkungen Obstipation • Prophylaktisch behandeln • Kontaktlaxantien, osmotische Laxantien • Naloxon (in Targin oder Magistralrezept p.o.) Nausea: Dopamin-Antagonisten Sedation: «Gewöhnung», Rotation Pruritus: Opioid-Rotation Myoklonien: Opioid-Rotation S. Aebi, Universitätsspital Bern Schmerzhafte Skelettmetastasen Radiotherapie Fraktur oder Frakturgefährdung: Chirurgie Denosumab = Xgeva® Bisphosphonate S. Aebi, Universitätsspital Bern «Neuropathische» Schmerzen Konventionelle Schmerztherapie + Antikonvulsivum • z.B. Pregabalin = Lyrica® • z.B. Gabapentin, Carbamazepin Trizyklisches Antidepressivum • z.B. Amitriptylin (SSRI sind schlechter dokumentiert) S. Aebi, Universitätsspital Bern Invasive Schmerztherapie 10% der Patienten brauchen invasivere Therapien Patient Controlled Analgesia (PCA)-Pumpe Epidurale oder intrathekale Therapie Selten • Periphere Nervenblocks • Neurolytische Blockade, z.B. Plexus coeliacus S. Aebi, Universitätsspital Bern Zusammenfassung Stufe 1 und Stufe 3 sind gut etabliert Grosszügiger Übergang zu Stufe 3 Verordnung unter Berücksichtigung der Selbständigkeit der Patienten Häufiges «Nachjustieren» Wenn sich nicht rasch eine befriedigende Therapie etablieren lässt: Kontakt mit Schmerztherapie/Anästhesie S. Aebi, Universitätsspital Bern