Vorlesungsmitschrift Theoretische Physik I bei Prof. A. Rosch von M. & O. Filla 17. November 2016 3.5 Zwei–Körper–Probleme Vernachlässigen wir den Mond und die anderen Planeten, haben wir zwischen Sonne und Erde ein zwei–Körper–Problem. m1~r¨1 = F~1 2 (~r1 − r~2 ) m2~r¨1 = F~2 1 (~r1 − r~2 ) Wir verwenden, dass F~1 2 (~r ) = −∇V (r) ist und das 3. Newtonsche Axiom, F~1,2 = −F~2,1 , gilt. Im Falle der Gravitation nimmt das Potential die Form m1 m2 G , mit |~r | m2 G = 6.67 · 10−11 , kg s2 V = VG (r) = an. Beachte Wichtig ist an dieser Stelle zu bemerken, dass mi im Gravitationspotential die schwere Masse ist und in der Newton–Gleichung die träge Masse, beide sind jedoch identisch. Hierauf wird näher in der allgemeinen Relativitätstheorie eingegangen. Betrachten wir zudem die Coulombkraft, sehen wir, dass ihr Potential die Form V = q1 q2 4π0 |~r | 1 hat. Bilden wir den Quotienten beider Potentiale, so erhalten wir VG m1 m2 = G4π0 VC q 1 q2 . Für ein Proton und ein Elektron bedeutet dies, dass der Wert ca. bei 10−36 liegt. Warum die Gravitation F~G = −∇VG so schwach ist, ist unbekannt. Jedoch können wir sagen, dass FG rein additiv ist. Das bedeutet, dass sich FC in astronomischen Skalen aufhebt, FG aber nicht. Die Gravitation zwischen zwei astronomischen Objekten ist daher nach wie vor messbar. Lösung für beliebiges Potential Wählen wir nun ein beliebiges Potential. Es gilt, die 6 DGL 2. Ordnung bzw. die 2 DGL 1. Ordnung zu lösen. Wir nutzen dabei die 10 Erhaltungssätze durch die Wahl geeigneter Koordinaten. 1. Nutzen von Impulserhaltung und Schwerpunktsbewegung ~ = ~ 0 (t) = R ~ 0 + P~ t, wobei R Wir nutzen, dass R M und ~r = ~r1 − ~r2 die Relativkoordinate sind. Die Frage ist jetzt, was ~r1 ist. m1 ~ r1 +m2 r~2 m1 +m2 die Schwerpunktsbewegung ~r1 = ~r + ~r2 ~ − m1~r1 = m2~r2 R M M ~ − m1 r~1 MR ⇔ ~r2 = m2 ~ − m1~r1 MR ⇒ ~r1 = ~r + m2 ! −1 ~ m1 MR ⇔ ~r1 = −1 · ~r + m2 m2 Wir können also nach diesen einfachen Rechenschritten sagen, dass ~r1 und ~r2 folgendermaßen dargestellt werden können. ~ + m2 ~r ~r1 = R M m ~ − 1 ~r ~r2 = R M 2 Für die zweifache zeitliche Ableitung ergibt sich dann, zusammen mit der reduzierten Masse µ, folgende Relation. 1 ~ 1 ~ −F (~r ) F (~r ) − m m 1 2 1 1 ~ = + F (~r ) m1 m2 1~ = F (~r ) µ ~r¨ = ~r¨1 − ~r¨2 = Für die reduzierte Masse µ gilt dabei 1 1 + µ = m1 m2 m1 m2 , = M −1 wobei M die Summe aller Massen mi ist. Wir haben damit das Problem um 3 Koordinaten erleichtert und aus 3 DGL 2. Ordnung 6 DGL 1. Ordnung gemacht. µ~r¨ = F~ (~r ) 2. Nutzung der Drehimpulserhaltung Der Drehimpuls in unserem Zweikörperproblem sei gegeben durch ~ = ~r1 × p~1 + ~r2 × p~2 L ~ + m2 ~r1 × m1~r˙1 + R ~ − m1 ~r2 × m2~r˙2 = R M M ~ × P~ + ~r × µ ~r˙1 − ~r˙2 = R ~ × P~ + ~r × p~ . = R ˙ ˙ Wichtig zu bemerken ist, dass p~ = ~r1 − ~r2 und P~ = p~1 + p~2 ist. Abbildung 1: Orthogonalität von Drehimpuls und Ortsvektor 3 (1) ~ ~ = ~r × p~. Auffällig ist Im Schwerpunktsystem wird für R(t) = 0 der Drehimpuls zu L ~ und ~r(t) null wird, d. h. sie stehen orthogonal hierbei, dass das Skalarprodukt von L zueinander, wie in Abbildung 1 zu sehen ist. ~ · ~r(t) = 0 L ~ ⇔ ~r(t) ⊥ L Führen wir nun die Polarkoordinaten in der Ebene orthogonal zum Drehimpuls ein und drehen das Koordinatensystem derart, dass der Drehimpuls parallel zum êz –Einheitsvektor ist, ergeben sich folgende Koordinaten. cos(ϕ) ~r = r sin(ϕ) 0 cos(ϕ) − sin(ϕ) ~r˙ = ~r˙ sin(ϕ) + ϕ̇ cos(ϕ) 0 0 = ṙêr + rϕ̇êϕ Abbildung 2: Einheitsvektoren in Polarkoordinaten Für den Drehimpuls schreiben wir dann ~r × p~ = ~r × µ~r˙ = µr2 ϕ̇êz ! = Lêz . ⇒ µr2 ϕ̇ = L = const 4 (2) Wir können die Kraft demnach wie folgt schreiben. µ~r¨ = µr̈êr + 2µṙêϕ + µrϕ̈êϕ − µrϕ̇2 êr F~ (~r ) = F (r) · êr i h = µ r̈ − rϕ̈2 êr + (2ṙϕ̇ + rϕ̈)êϕ Um zu überprüfen, dass dies so auch korrekt ist, vergleichen wir nun die Vorzeichen. ! ⇒ r(2ṙϕ̇ + rϕ̈) = 0 F (r) = r̈ − rϕ̇2 µ ⇔ dt (µr2 ϕ̇) = L̇ = 0 Wir verwenden dabei, dass ϕ̇ = L µr2 ist. ⇒ F (r) = µr̈ − L2 µr3 Wir haben unser Problem hiermit also von insgesamt 12 DGL 1. Ordnung auf 3 DGL 1. Ordnung reduziert. L2 µr̈ = F (r) + 3 µr 2 L = µ r(t) · ϕ̇ t = const (3) (4) 3. nutze Energieerhaltung Wir drücken zunächst unsere kinetische Energie T mithilfe von Schwerpunktskoordinate und Relativkoordinate aus. 1 1 m1~r˙12 + m2~r˙22 2 2 1 ~˙ m1 m2 ˙ ˙ 1 ˙ 2 m1 m2 1 ~˙ 2 MR + 2 · R ~r − ~r + ~r (m1 + m2 ) = 2 2 M 2 M2 1 ~˙ 2 1 ˙ 2 = M R + µ~r 2 2 T = In Polarkoordinaten ausgedrückt ergibt dies 1 ~˙ 2 1 2 1 2 T = MR + µṙ + µϕ̇ 2 2 2 5 . 1 2 1 L2 µṙ + + V (r) 2 2 µr3 1 2 ⇔E = µṙ + Veff (r) 2 1 L2 Veff (r) = + V (r) 2 µr3 E = (5) (6) (7) Das effektive Potential ist dabei das Zentrifugalpotential. Lösen wir nun nach ṙ und ϕ̇ auf. 2 ṙ = ± E − Veff (r) µ −1 ϕ̇ = L µr2 (t) (8) (9) Nun haben wir nur noch 2 DGL 1. Ordnung. Die Lösung unseres Anfangsproblems lautet also Z r(t) t − t0 = r(t0 ) Z t ϕ(t) − ϕ(t0 ) = t0 2 E − Veff (r0 ) µ L dt0 µr(t0 )2 − 21 dr0 , (10) (11) woraus wir die Gleichungen r(t) und ϕ(t) bestimmen können. Es bleibt noch die Frage, was r(ϕ) ist. Wir leiten dafür r ϕ(t) zeitlich ab. dr ϕ̇ = ṙ dϕ r dr ṙ µr2 2 ⇒ = = E − Veff (r) dϕ ϕ L µ dt r ϕ(t) Z r(ϕ) ⇒ r(ϕ0 ) = L q 2 µ 0 Z ϕ dr = E − Veff (r) · µr2 6 ϕ0 dϕ0 = ϕ − ϕ0 (12)