Anforderungen an die Diagnostik psychischer Komorbidität bei

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Psychische Störungen in Deutschland
Anforderungen an die Diagnostik
psychischer Komorbidität
bei somatischen Erkrankungen
12-Monats-Prävalenz
%
GHS_MHS 1998
50
DGS 2012
40
30
Prof. Dr. Michael Linden
Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation
an der Charité Universitätsmedizin Berlin, Medizinische
Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik
Institut für Verhaltenstherapie Berlin
•
•
•
•
20
10
0
Männer
Psychosomatische Störungen
Psychische Erkrankungen mit primär psychischen und sekundär somatischen Beschwerden
– Coenästhetische Schizophrenie (F20-F29)
– Depressionen (F30-F39)
– Angststörungen (F40-F43)
– Hypochondrie (F45.2)
– Somatisierungsstörung (F45.0)
– Insomnie (F51)
– Sexuelle Funktionsstörungen (F52)
Psychische Erkrankungen mit primär somatischen Beschwerden
– Anorexie (F50)
– somatoform autonome Funktionsstörung (F45.3)
– somatoforme Schmerzstörung (F45.40)
– primäre Neurasthenie (F48)
– dissoziative Störungen (F44) Depersonalisationssyndrom (F48.1)
Somatische Erkrankungen mit psychischen Begleitreaktionen
– Multiinfarktdemenz und sonstige dementielle Erkrankungen (Lupus, Intoxikationen, uvm) F00-F09)
– Anpassungsstörungen und Störung der Krankheitsverarbeitung (F43)
– Chronische Schmerzstörung (F45.41)
– sekundäre Neurasthenie (F48.0)
– Psychologische Faktoren oder Verhaltensfaktoren bei andernorts klassifizierten somatischen
Erkrankungen (F54)
– Entwicklungs- und Teilleistungsstörungen (F80-F89)
Somatische und psychische Komorbidität
– Zufalls-Komorbidität
– Interaktionelle Morbidität / Pathologische Realangst
•
•
•
•
•
•
•
•
Frauen
Gesamt
Standardisierte Diagnostik
in der Psychiatrie-Psychosomatik
Einschätzskalen vs. Leistungsmessung
Selbst- vs. Fremdrating
Papier und Bleistift vs. Computer
Global vs. spezifisch
Eindimensional vs. multidimensional
Expertenrating vs. Laienrating
Checkliste vs. Interview
Halb- vs. vollstandardisiert
Laut Manual:
Itemauswahl und -formulierung
berücksichtigen besonders die
spezifischen Anforderungen
eines durch körperliche
Krankheit bestimmten
Settings.
HAMA unter Berücksichtigung somatischer
Multimorbidität im Alter
BASE
Tagesschwankungen
mangelnde Krankheitseinsicht
Gewichtsverlust
14 Items, Rating 0-3
0-7 unauffällig
8-10 suspekt
>10 auffällig
Hypochondrie
Genitale Beschw.
Gastroent. Beschw.
Somat. Angst
Psych. Angst
Agitation
Wie antwortet ein Patient mit
Herzinfarkt und –suffizienz?
Was ist realistische
Beschreibung des körperlichen
Zustands und was
Depression?
Rate der Fehldiagnosen abhängig von
Spezifität / Sensitivität
Wahre Prävalenz
Richtige
Zuordnung
25% psych. Störungen
17,5%
75% gesund
52,5%
Falsch positive
und falsch
negative
Zuordnung
7,5%
22,5%
0
20
40
60
80
100
% psychiatr. erhobener Symptome durch Internist infrage gestellt
Durchschlafstörungen
Einschlafstörungen
Suizidaliät
Schuld
Depr. Verstimmung
Arbeitsmotivation (AVEM) und ISA
104
103
102
101
100
IQ
99
98
97
96
95
R
Ü
t
en
em
ag
ng
n
tio
na
re
be
ig
es
ng
nu
ho
Sc
nd
su
ge
Utilität bzw. prädiktiver Wert
Bei einer üblichen Fremdratingskala mit einer Sensitivität
und Spezifität von ca. 0.7 (z.B. HADS) werden bei der
Untersuchung von 100 Patienten, mit einer wahren
Prävalenz von 25% werden mehr Patienten
fälschlicherweise als krank eingestuft als richtig erkannt
Hemmung
Arbeitsinteresse
Früherwachen
Differentialdiagnostik depressiver Störungen
Differentialdiagnostische Frage
Falls ja
Falls nein
Sonstige somatische Krankheitsursache?
Sekundäre Depression
(z.B. Hirntumor)
Depressives Syndrom
Depressive Verstimmung?
Sonstige psychische Störungsursache?
100
90
Schizophrene Episode?
70
Wahnhaftes (psychotisches) Syndrom?
80
Manische Episoden?
60
1+
2+
3+
4
50
40
30
20
10
0
Prävalenz
Sensitivität
Vital-somatisches Syndrom
A
2
Depressive Störung
Schizoaffektive Störung
=
Wahnhafte Depression
=
=
Überdauernde depressive
Grundstimmung?
=
Cyclothymie
=
Depressive Anpassungsstörung
=
Dysthymie
Überdauernde wechselnde
Grundstimmung
NEI
N
JA
1
NEI
N
JA
2
WURDEN A1 ODER A2 BEJAHT?

NEI
N
JA
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
depressiv
bedrückt
verstimmt
lustlos
niedergeschlagen
erschöpft
traurig
ratlos
interesselos
freudlos
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
=
Majore Depression
=
schlechte, gedrückte
oder depressive Stimmung?
Fühlten Sie sich in den letzten 2 Wochen beinahe
jeden Tag und fast während des ganzen Tages
traurig, niedergeschlagen oder deprimiert?
Hatten Sie in den letzten 2 Wochen fast ständig
das Gefühl, zu nichts mehr Lust zu haben und
das Interesse und die Freude an Dingen verloren
zu haben, die Ihnen gewöhnlich Freude machen?
Depressive Komorbidität
(z.B. Demenz, Alkohol, PTSD)
Endomorphe Depression bzw.
mit somatischem Syndrom
„majores“ Syndrom vor?
Episode einer Major Depression nach
standardisiertem diagnostischen Interview (M.I.N.I)
A
1
Keine Depression
Bipolare Depression
Lebensbelastung mit vorübergehendem
leichtem Stimmungseinbruch
Spezifität
Depressives Syndrom
angeekelt
müde
gestresst
hoffnungslos
getrieben
Geängstigt
angespannt
unverstanden
hilflos
unruhig
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
‚null bock‘
genervt
frustriert
verzweifelt
ratlos
verärgert
zornig
mißmutig
verbittert
usw
Reliabilität (Kappa-Koeffizienten) von Diagnosen gemäß
standardisierter Algorithmen in den Feldstudien zu ICD und DSM
(International Center for Clinical Excellence, ICCE, 2012)
15 Patienten mit „majorer depressiver Episode“ nach MINI
Depression
1 leichte akt. Depr. Episode
1 Dysthymie
1 bipolar remittiert
1 depr. Episode remittiert
Reaktive Störungen
1 Anpassungsstörung
1 PTED
Hirnorganische Störung
2 HOPS
1 Migraine accompangniee
1 Pharmanebenwirkung
Angststörung
1 GAD
1 Agoraphobie
DSM-5
DSM4
ICD-10
DSM-3
Major
Depressive
Disorder
.32
.59
.53
.80
Generalized
Anxiety
Disorder
.20
.65
.30
.72
ohne
3 gesund
Krankheiten, die es in der ICD nicht gibt
AICD Patienten mit und ohne Angsterkrankung
mit Angsterkr.
30
Diagnosis
ohne Angsterkr.
25
20
15
10
5
0
Sc
e
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ff .
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D
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A
e
hr
Ja
Godemann, Linden et al Psychosomatic Medicine 2001,63,231-238
Anpassungsstörung
kein Ersatz für korrekte Diagnose
Jeder Laie weiß: Belastung führt zu
psychischer Beeinträchtigung
• Problem 1:
Stress wird ex post facto beschrieben und
hat damit keinen Erklärungswert. Ein
Stressor kann alles sein: Beförderung,
Weiterbeschäftigung, Kündigung.
• Problem 2:
Psychisches Unwohlsein, „Burn out“ u.a.
kann Zeichen für vielerlei sein, von normal
bis Krebserkrankung.
• Problem 3:
Externale Kausalattributionen verstellen
Blick auf das eigentliche Problem und
führen zu inadäquaten Reaktionen
Nebenwirkungen von Diagnosen
• Labeling, Etikettierung, Stigmatisierung
• Etikettierung des Patienten als Objekt („Blinddarm im Zi. 12“)
• Unterwerfung unter einen Experten
(Szasz 1960 Metapher als politisches Machtinstrument)
• Betonung des Negativen
• Pathologisierung von Alltäglichkeiten
• Problemverschärfung
• Negative Etikette bewirken negative Reaktionen
• Unterminierung des Selbsthilfepotential
• Einleitung schädlicher Therapien (Psychotheraqpie,
Medikamente)
• Erhöhung des Rentenbegehrens bzw. Munitionierung für
juristische Auseinandersetzungen mit der DRV
diagnostische Ebenen
• Symptom
(z.B. depressive Verstimmung)
• Syndrom
(z.B. HAMD)
• Nosologie /Diagnose
(z.B. ICD Algorithmus)
Gliederung des psychopathologischen Befundes
•
Bewusstsein
•
Mnestik
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Orientierung
Auffassung
Konzentration
Formales Denken
Inhaltliches Denken
Ich-Störungen
Ängste und Befürchtungen
Affekt
Antrieb
Einstellung und Erleben
Psychophysiologie
Gestalt Psychologie und Prototypische Diagnosen
Psychopathologische Items bzgl. Demenz
bei herzoperierten Patienten
Orientierung
Erinnerungslücken
Wortfindungsst.
nicht op
operiert
Verlegt Gegenst.
Probl. Namen
subj. Klagen Gedächtn.
0
Mitwirkende Rehazentren
u.-Kliniken
2
4
6
8
10
12
KlinikBrandenburg_Herzhaus_Klinik am
See_Rankestraße_Klinik Seehof
Diagnostik im Rahmen der Psychosomatischen
Grundversorgung in der Somatomedizin
• Identifikation von vorliegender psychischer Störungen
Jeder Arzt merkt bei der somatomedizinischen Anamnese und
Untersuchung auch, ob ein Patient psychisch auffällig ist
• Standardisierte Instrumente dürfen nur von umfänglich
Fachkundigen benutzt werden (wer eine psychische Störung nicht
spontan erkennt, kann auch mit entsprechenden Skalen nicht
fachkundig umgehen!)
• Es ist dann zu erfragen, ob der Patient wegen seiner psychischen
Störung bereits schon einmal in Behandlung war oder ist
falls ja: keine weiteren Konsequenzen ziehen
falls nein: Empfehlung geben, sich einen fachkundigen Behandler
zu suchen
• Falls Unklarheiten bestehen, was vorliegt, Hinzuziehung eines
Konsiliarius, der differentialdiagnostisch Hirninfarkte,
Arzneimittelnebenwirkungen, Depressive Erkrankungen oder
psychisch gesundes Leiden gleichermaßen überblickt.
LINDEN, M., LIEBEREI B., GLATZ, J., KIWUS, U. Psychokardiologie, Kardiopsychosomatik und
interdisziplinäre Kardiopsychosomatik. Ärztliche Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, 2009, 4, 85-92
Claude Monet (1872)
Impression, soleit levant
This painting gave the name ot
impressionism
August Macke (1912)
Russian Ballett 1
Expressionistic painting
• Westen D. Prototype diagnosis of psychiatric syndromes. World Psychiatry.
2012 ,11: 16–21
• Jablensky A. Protoypes, syndromes and dimensions of psychopathology: an
open agenda for research. World Psychiatry. 2012; 11: 22–23
• DeFife JA, Peart J, Bradley B, Ressler K, Drill R, Westen D. Validity of
prototype diagnosis for mood and anxiety disorders. JAMA Psychiatry. 2013;
70: 140-148.
Therapie im Rahmen der Psychosomatischen
Grundversorgung in der Somatomedizin
• Falls die psychische Störung mit dem somatomedizinischen
Behandlungsverlauf interferiert, supportiv psychotherapeutische
Führung durch den Somatomediziner
• Soweit störungsspezifische psychische Probleme vorliegen
(Angst vor neuem Herzinfarkt, Schmerzintoleranz bei
Rückenproblemen) störungsspezifische Interventionen
• Bei spezifischer Komorbidität (z.B. Phobie nach AICD)
Überweisung in eine psychosomatische Rehaklinik
• Leitlinie: es darf nur gemacht werden, was in drei Wochen auch
zum Abschluss gebracht werden kann (z.B. Vorsicht mit
Pharmakotherapie oder Psychotherapie oder unspezifischer
Psychoedukation)
LINDEN, M., LIEBEREI B., GLATZ, J., KIWUS, U. Psychokardiologie, Kardiopsychosomatik und
interdisziplinäre Kardiopsychosomatik. Ärztliche Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, 2009, 4, 85-92
Therapieeffekte einer VT-orientierten Gruppe zur
Förderung der Schmerztoleranz bei Rückenproblemen
70
60
**
n.s.
***
n.s.
Interaktion
Varianzanalyse
50
40
prä Interv
post Interv
prä Kontr
post Kontr
30
20
10
0
VAS Schmerz
(x10)
PDI
FABQ
SCL-90-GSI
(x100)
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