eine Standortbestimmung Ulm

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Abstracts
Gastroenterologie und Hepatologie 2013:
Von der Empirie zur „Personalisierten
Medizin“ – eine Standortbestimmung
Ulm
Samstag, 21. September 2013
8.55 – 14.50 Uhr
Veranstaltungsort:
Hörsaal Medizinische Klinik
Universität Ulm
Albert-Einstein-Allee 23
89081 Ulm
Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. T. Seufferlein, Ulm
PD Dr. M. Dollinger, Ulm
Programm
Seite
8.55 Uhr
Begrüßung
Prof. Dr. T. Seufferlein, Ulm
9.00 Uhr
Personalisierte Medizin in der Gastroenterologie
und Hepatologie – eine Standortbestimmung
Prof. Dr. T. Seufferlein, Ulm
Stratifizierung in der Onkologie
9.20 Uhr
Gen-Signaturen in der gastrointestinalen
Onkologie – Konsequenzen für die Praxis?
(ohne Abstract)
Prof. Dr. T. Gress, Marburg
9.50 Uhr
Individualisierte adjuvante und neoadjuvante
Therapie des kolorektalen Karzinoms
(ohne Abstract)
Prof. Dr. W. Schmiegel, Bochum
10.20 Uhr
Das lokal fortgeschrittene und das metastasierte
Pankreaskarzinom – zwei Erkrankungen
(ohne Abstract)
PD Dr. J. Siveke, München
10.50–11.05 Uhr
Kaffeepause
Stratifizierung bei entzündlichen Erkrankungen
11.05 Uhr
11.35 Uhr
12.05 Uhr
12.35–13.20 Uhr
Individualisierung von Therapieentscheidungen
bei CED
Prof. Dr. M.F. Neurath, Erlangen
3–4
Reflux und Barrett-Ösophagus: individuelle
Überwachungs- und Therapiestrategien
Prof. Dr. H. Messmann, Augsburg
5–6
Die chronische Pankreatitis: welches
Therapiekonzept für wen?
Prof. Dr. J. Mössner, Leipzig
7 – 12
Mittagspause mit Imbiss
1
Stratifizierung in der Hepatologie
13.20 Uhr
13.50 Uhr
14.20 Uhr
14.50 Uhr
Antivirale Therapie bei Hepatitis B und C:
Interaktion von Wirt und Virus
Prof. Dr. T. Berg, Leipzig
13 – 20
Genetische Risikostratifizierung auf dem Weg von
der Fibrose zur Zirrhose
Prof. Dr. F. Lammert, Homburg
21 – 22
Hepatozelluläres Karzinom – Klassifikation und
therapeutische Konsequenz
PD Dr. M. Dollinger, Ulm
23 – 25
Zusammenfassung und Verabschiedung
Prof. Dr. T. Seufferlein, Ulm
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden
siehe Seite
2
27
Individualisierung von Therapieentscheidungen bei CED
M.F. Neurath
Medizinische Klinik 1 – Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie,
Universitätsklinikum Erlangen
Die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) sind chronisch destruierende
Erkrankungen, die klinisch oftmals in Schüben verlaufen und durch die Hauptsymptome Diarrhöen und Bauchschmerzen charakterisiert sind. Der natürliche
Verlauf der Erkrankungen ist jedoch zwischen den Patienten sehr unterschiedlich,
was die Notwendigkeit für individualisierte Therapieentscheidungen unterstreicht.
Dies betrifft insbesondere die Entscheidung, ob eine Top-down-Therapie im Sinne
einer kombinierten frühzeitigen Immunsuppression eingeleitet werden soll. Beim
Morbus Crohn sind Marker für einen potenziell aggressiven Krankheitsverlauf eine
Erstmanifestation im Alter von unter 40 Jahren, ein perianaler Befall mit Fistelbildung
und die Notwendigkeit für eine Steroidbehandlung am Anfang der Erkrankung.
Zudem sind große Ulzerationen in der Endoskopie ein prognostisch ungünstiger
Faktor [1]. Dagegen ist eine mukosale Heilung nach Therapieeinleitung ein
prognostisch sehr günstiger Faktor, der mit weniger Krankenhausaufenthalten,
geringerem Steroidbedarf und reduzierter Operationshäufigkeit einhergeht [2, 3, 4].
Im Vortrag werden neue Ansätze zu einer individualisierten Therapie bei CED
diskutiert, inklusive Serummarker, endoskopische Marker und immunologische
Ansätze [5].
3
Abb. 1: Mukosaheilung (MH) und Medikamente bei CED. Modifiziert nach Neurath &
Travis [3]
Literatur:
1. Allez M, Lemann M, Bonnet J, Cattan P, Jian R, Modigliani R. Long term
outcome of patients with active Crohn's disease exhibiting extensive and deep
ulcerations at colonoscopy. Am J Gastroenterol. 2002;97(4):947–53.
2. Frøslie KF, Jahnsen J, Moum BA, Vatn MH; IBSEN Group. Mucosal healing in
inflammatory bowel disease: results from a Norwegian population-based cohort.
Gastroenterology. 2007;133(2):412–22.
3.
Neurath MF, Travis SP. Mucosal healing in inflammatory bowel diseases: a
systematic review. Gut. 2012;61(11):1619–35.
4.
Schnitzler F, Fidder H, Ferrante M, Noman M, Arijs I, Van Assche G, et al.
Mucosal healing predicts long-term outcome of maintenance therapy with
infliximab in Crohn's disease. Inflamm Bowel Dis. 2009;15(9):1295–301.
5.
Sandborn WJ, Gasink C, Gao LL, Blank MA, Johanns J, Guzzo C, et al.
Ustekinumab induction and maintenance therapy in refractory Crohn's disease.
N Engl J Med. 2012;367(16):1519–28.
4
Reflux und Barrett-Ösophagus: individuelle Überwachungsund Therapiestrategien
H. Messmann
III. Medizinische Klinik, Klinikum Augsburg
Die gastroösophageale Refluxkrankheit stellt unverändert eine Volkskrankheit dar.
Dennoch ist die „alte 10er-Regel“ – 10% Reflux, davon 10% Barrett-Ösophagus und
hiervon 10% Barrett-Karzinome – längst überholt.
Patienten, die im Rahmen einer Vorsorgekoloskopie eine Gastroskopie erhielten,
hatten in bis zu 25% zumindest einen Short-Segment-Barrett-Ösophagus. Derzeit
werden in Deutschland jährlich nur ca. 2500 Barrett-Karzinome neu diagnostiziert.
Damit ist das Risiko, dass sich aus einem Barrett-Ösophagus ein Karzinom entwickelt, in den letzten Jahren wohl deutlich zu hoch eingeschätzt worden.
Hameteman berichtete 1989 noch von einer jährlichen Inzidenz von 1,9%; Desai
publizierte 2012 nur eine Inzidenz von 0,19%.
Die Diagnose des Barrett-Ösophagus wird unverändert endoskopisch und histologisch gestellt. Künftig sollte anstelle der willkürlichen Einteilung in Long- und ShortSegment-Barrett-Ösophagus die Prag-Klassifikation genutzt werden.
Risikofaktoren für die Entstehung eines Barrett-Karzinoms sind neben Reflux, Übergewicht und Alter auch männliches Geschlecht und weiße Rasse. Dennoch gibt es
derzeit keine Empfehlung, Personen, die diese Risikofaktoren aufweisen, zu
screenen. Wird ein Barrett-Ösophagus diagnostiziert, so lautet die derzeitige Empfehlung vieler Fachgesellschaften (DGVS, AGA, BSG) diese Patienten regelmäßig
endoskopisch zu überwachen. Dabei sollten Videoendoskope der neuesten
Generation eingesetzt werden. Färben mit Essigsäure oder auch digitales Färben
(insbesondere zur NBI-Technologie liegen positive Studien vor) scheinen bei der
Detektion von Dysplasien hilfreich zu sein.
Makroskopisch sichtbare Läsionen sollten primär endoskopisch reseziert werden. Ob
dies mittels Piecemeal-EMR genauso effektiv ist wie mit der ESD, bleibt abzuwarten.
5
Fakt ist, dass resezierende Verfahren den ablativen Verfahren vorzuziehen sind und
nach erfolgter Resektion eine zusätzliche Ablation der verbliebenen BarrettSchleimhaut erfolgen sollte. Bei nicht sichtbaren intraepithelialen Neoplasien (IEN) in
der Barrett-Schleimhaut sollte sowohl bei den schwergradigen und – nach einer
neuen Studie – auch bei den leichtgradigen IEN eine Radiofrequenzablation (RFA)
erfolgen. Die photodynamische Therapie ist etwa gleich effektiv wie die RFA, hat
aber wesentlich mehr Nebenwirkungen und ist viel aufwendiger. Die Kryotherapie ist
derzeit in klinischer Erprobung und sollte außerhalb von Studien nicht eingesetzt
werden. Sind keine IEN nachweisbar, ist eine RFA nicht indiziert. Hier sollte lediglich
bei symptomatischen Patienten mit Refluxbeschwerden eine Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI) erfolgen. Ein Chemoprophylaxe (ASS, Coxibe, PPI) zur
Vermeidung von IEN wird derzeit generell nicht empfohlen. Die Überwachungsintervalle bei Patienten mit Barrett-Ösophagus hängen im Wesentlichen vom
Nachweis und vom Schweregrad der IEN ab. Patienten ohne IEN brauchen
wahrscheinlich nur alle 3–4 Jahr kontrolliert werden.
Patienten, die wegen IEN oder Frühkarzinomen endoskopisch behandelt wurden,
sollten im ersten Jahr 3-monatlich, im zweiten Jahr halbjährlich und dann zunächst
jährlich kontrolliert werden.
6
Die chronische Pankreatitis: welches Therapiekonzept für
wen?
J. Mössner
Klinik und Poliklinik für Gastroenterologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum
Leipzig
Ätiologie
Es darf auf die jüngst erstellte S3-Leitlinie zur chronischen Pankreatitis verwiesen
werden, die in Kurzform im Deutschen Ärzteblatt und in Originallänge in der
Zeitschrift für Gastroenterologie veröffentlicht wurde [3]. Die chronische Pankreatitis
ist eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, bei der durch rezidivierende
Entzündungsschübe das Pankreasparenchym durch fibrotisches Bindegewebe
ersetzt wird. Folge des bindegewebigen Umbaus der Bauchspeicheldrüse ist ein
fortschreitender Verlust der exokrinen und endokrinen Pankreasfunktion. Daneben
kommt es zu charakteristischen Komplikationen, wie z. B. Pseudozysten, Pankreasgangstenosen, Duodenalstenosen, Gefäßkomplikationen, die Kompression der
Gallenwege, eine Mangelernährung sowie ein Schmerzsyndrom. Schmerzen stellen
das Hauptsymptom von Patienten mit chronischer Pankreatitis dar. Die chronische
Pankreatitis stellt einen Risikofaktor für ein Pankreaskarzinom dar und reduziert die
Lebensqualität und die Lebenserwartung betroffener Patienten deutlich.
Bei einer alkoholinduzierten Pankreatitis liegt oft der akute Schub einer bereits
chronischen Pankreatitis vor. Alkohol kann als gesicherte Ursache für eine
chronische Pankreatitis angesehen werden (Evidenz 3b, starker Konsens). Fallkontrollstudien schließen einen linearen Zusammenhang zwischen der Menge und
der Dauer des Alkoholabusus und dem Auftreten einer chronischen Pankreatitis aus
und legen einen logarithmischen Zusammenhang nahe. Patienten mit chronischer
Pankreatitis, die rauchen, sollte dringend empfohlen werden, sich einem Nikotinentwöhnungsprogramm zu unterziehen, da Nikotinabusus die Progression der
Erkrankung beschleunigt (Evidenz 3b, Empfehlungsgrad A, starker Konsens).
Mutationen im Trypsinogen-Gen führen mit einer Penetranz von bis zu 80% in einem
autosomal dominanten Erbgang zu einer chronischen Pankreatitis (Evidenz 1c,
7
starker Konsens). Eine Mutation im SPINK1-Gen prädisponiert für eine idiopathische
(sporadische) chronische Pankreatitis (Evidenz 1a, starker Konsens). Patienten mit
idiopathischer Pankreatitis tragen in 25–30% molekulare Veränderungen im
CFTR-Gen im Vergleich zu ca. 15% in der gesunden Bevölkerung. Somit stellen
CFTR-Mutationen einen Risikofaktor für die chronische idiopathische Pankreatitis dar
(Evidenz 3b, starker Konsens). Patienten mit einer Chymotrypsin-C-Mutation oder
einer Mutation der Carboxypeptidase A1 haben ein erhöhtes Risiko an einer
chronischen Pankreatitis zu erkranken (Evidenz 3b, starker Konsens).
Es liegen keine populationsbasierten Daten zur Ätiologie der chronischen
Pankreatitis aus Europa vor. Alkoholabusus ist die überwiegende Ursache mit
50–84% im Erwachsenenalter, je nach Studienlage. Das Risiko bei Alkoholmissbrauch eine Pankreatitis zu entwickeln ist aber insgesamt gering und deutlich
geringer als das Risiko einer Leberzirrhose. Die zweithäufigste Gruppe ist die
idiopathische Pankreatitis mit bis zu 28%. Hierbei finden sich in bis zu 45%
genetische Suszeptibilitätsfaktoren. Eine hereditäre Pankreatitis nach Definition von
Comfort und Steinberg liegt bei bis zu 1–4% der Patienten vor. Anatomische
Varianten führen nicht sicher zur chronischen Pankreatitis. Der primäre Hyperparathyreoidismus kann zu einer chronischen Pankreatitis führen. Die vorliegenden
Zahlen zur Inzidenz und Prävalenz sind nicht belastbar (Evidenz 4).
Diagnostik
Die Anwendung verschiedener Scoring-Systeme, die in der Regel zeitaufwendig
sind, hat zum Ziel, den Verlauf des akuten Schubs der Erkrankung, ähnlich der
akuten Pankreatitis, zu prognostizieren, um eine rechtzeitige Verlegung auf eine
Intensivstation einzuleiten. Gefürchtet ist das frühe SIRS (systemic inflammatory
response syndrome) mit Multiorganversagen und die Sepsis aufgrund einer Infektion
der Nekrosen, ebenfalls mit möglichem Multiorganversagen mit Todesfolge. Einen
Goldstandard-Score gibt es nicht. Praktikabel ist der BISAP-Score (Bedside Index for
Severity in Acute Pancreatitis). Parameter, die innerhalb von 24 Stunden bestimmt
werden [2]:
8
1. Serum-Harnstoff-Stickstoff > 25 mg/dl
2. Bewusstseinsstörung (Glasgow-Coma-Scale-Score < 15)
3. SIRS: ≥ 2 Kriterien erfüllt
– Temperatur < 36 oder > 38° C
– Atemfrequenz > 20/Minute oder PaCO2 < 32 mmHg
– Herzfrequenz > 90/Minute
– Leukozytenzahl < 4000 oder > 12.000/µl oder > 10% Stabkernige
4. Alter > 60 Jahre
5. Pleuraergüsse in der Bildgebung
Die noch verfügbaren funktionsdiagnostischen Methoden haben leider eine nur
geringe Sensitivität und Spezifität. Sensitivität und Spezifität für die einzelnen
bildgebenden Verfahren für die Diagnose einer chronischen Pankreatitis im Vergleich
zur Computertomografie werden wie folgt angegeben (Evidenz 2a):
Untersuchung
Sensitivität
Spezifität
Evidenz
Computertomografie
nicht analysiert (n/a)
n/a
2b
ERCP
70–80%
80–100%
2a
MRCP
88%
98%
2b
Ultraschall
60–81%
70–97%
2a
Endosonografie
80–100%
80–100%
2a
Therapie
Beim Nachweis von Nekrosen verhindert eine prophylaktische Therapie mit
Antibiotika nicht deren potenzielle Infektion. Die notwendige erhebliche adäquate
Flüssigkeitssubstitution erfolgt korrekter gesteuert über Thermodilutionsverfahren
(PICCO) als über die Messung des zentralen Venendrucks (ZVD).
Bei „leichter“ Pankreatitis ist der Beginn einer oralen Ernährung nach Wunsch des
Patienten möglich. Bei schwerer Pankreatitis ist die enterale Ernährung über eine
Jejunalsonde, auch Magensonde, der parenteralen Ernährung überlegen (weniger
Komplikationen, kürzerer Krankenhausaufenthalt). Ob auch die Letalität gesenkt
wird, ist unklar.
9
Nach Organisation der Nekrotisierung und fehlender klinischer Besserung ist eine
endoskopische transgastrale Nekrosektomie oder transkutane retroperitoneale
CT-gesteuerte Drainage der Nekrosen der primären Operation wahrscheinlich
aufgrund der geringeren Invasivität des Eingriffs überlegen [1, 4]. Nur wenn es weder
perkutan CT-gesteuert, noch transgastral endoskopisch, noch in Kombination beider
Verfahren gelingt die infizierten Nekrosen zu drainieren, ist die operative Drainage
indiziert. Eine prospektive randomisierte Vergleichsstudie zeigt die Vorteile dieses
Step-up-Vorgehens [4].
Es gibt keine Unterschiede in der Therapie bezogen auf die verschiedenen
Ätiologien. Die chronische Pankreatitis ohne Alkohol- und Nikotineinfluss verläuft in
der Regel milder mit weniger und weniger schweren Schüben. Auch sind die
Compliance und die Akzeptanz der Therapieempfehlungen bei nicht-alkoholischer
chronischer Pankreatitis wesentlich besser. So verbietet sich eine intensivierte
Insulintherapie bei Non-Compliance. Eine interventionelle endoskopische Therapie,
z. B. Platzierung von Stents in den Ductus choledochus oder pancreaticus, setzt
voraus, dass der Patient zum geplanten Stentwechsel erscheint, andernfalls kann es
durch Stentokklusion zu einer lebensbedrohlichen biliären Sepsis kommen.
Die Therapie ist abhängig vom Stadium der Erkrankung und ihren möglichen
Komplikationen: u. a. Therapie der endokrinen und exokrinen Insuffizienz, Schmerztherapie, interventionelle endoskopische oder radiologische Therapie, operative
Therapie. Die therapeutischen Optionen sind so komplex, dass auf die Leitlinie
verwiesen werden muss. In vielen Fällen zeigt langfristig gesehen ein operativer
Eingriff einen besseren Verlauf als interventionelle endoskopische Verfahren u. a.
bezüglich einer Schmerztherapie. Auch die Art des gewählten operativen Verfahrens
ist je nach vorliegender Komplikation komplex. Bezüglich einiger charakteristischer
Verläufe
der
chronischen
Pankreatitis
gibt
es
aussagekräftige
prospektive
Vergleichsstudien zu verschiedenen operativen Verfahren.
Zusammenfassend sind bildgebende Verfahren, in der Regel kontrastmittelverstärkte
Dünnschicht-CT, Endosonografie und MRCP/MRT eine Voraussetzung, um das
geeignete therapeutische Verfahren, insbesondere bei Schmerzen, zu wählen:
konservative Therapie versus interventionelle Endoskopie versus Operation. Die
Therapie der exokrinen Insuffizienz richtet sich zunehmend mehr nach der Klinik, da
10
brauchbare Pankreasfunktionstests fehlen. Die Therapie des pankreopriven Typ-3cDiabetes muss sich auch nach der Compliance richten. Inadäquate Insulintherapie
kann bei schmerzbedingter Nahrungskarenz zu lebensbedrohlichen Hypoglykämien
führen. Bei fortgesetztem Alkohol- und Nikotinmissbrauch wird die schlechte
Prognose (50% Letalität nach 10 Jahren) kaum von diabetischen Spätkomplikationen
determiniert. Die Studienlage zu vielen therapeutischen Fragen ist unzureichend.
Autoimmunpankreatitis
Neben den oben genannten Ätiologien wurde zuletzt die Autoimmunpankreatitis
beschrieben. Hierbei handelt es sich um eine systemische fibrosierende entzündliche
Erkrankung, bei der das Pankreas eines der betroffenen Organe ist. Männer
erkranken häufiger als Frauen (2:1). In Asien wird davon ausgegangen, dass die
Prävalenz der Autoimmunpankreatitis in einer Patientenkohorte mit chronischer
Pankreatitis 5–6% beträgt. Etwa 5% der Patienten, die bei Verdacht auf ein
Pankreaskarzinom operiert werden, leiden histologisch an einer Autoimmunpankreatitis. Klinische Symptome sind diskrete Abdominalschmerzen, Ikterus (50%)
und wiederkehrende Episoden einer Pankreatitis. Radiologische Befunde sind eine
diffuse oder segmentale Stenosierung des Pankreasgangs, häufig ohne prästenotische Dilatation, „Wurstpankreas“ und selten Kalzifikationen. Erhöhte IgG4-Spiegel
finden sich nur in etwa 50% der Betroffenen mit Autoimmunpankreatitis in der
europäischen Bevölkerung. Histologisch ist die Autoimmunpankreatitis durch eine
dichte kragenartige lymphoplasmazytäre Infiltration mit obliterativer Phlebitis und
periduktulärer Fibrose (Typ-1-Autoimmunpankreatitis) oder „granulocytic epithelial
lesions“ (GELs) in ~ 45% der Patienten (Typ-2-Autoimmunpankreatitis, eher weiblich,
CED-assoziiert,
kein
IgG4,
seltener
Rezidive)
sowie
durch
gleichartige
Veränderungen in anderen Organen charakterisiert. Die Diagnosestellung der
Autoimmunpankreatitis erfolgt nach den HISORT-Kriterien, einer Kombination von
Kriterien, die die Histologie (H), Bildgebung (I, imaging), Serologie (S), die Beteiligung anderer Organsysteme (O, other organ involvement) und das Ansprechen auf
eine Steroidtherapie (RT, response to therapy) einschließt. Diagnostisch beweisend
ist ein rasches Ansprechen auf Steroide [5].
11
Literatur:
1.
Bakker OJ, van Santvoort HC, van Brunschot S, Besselink MG, Geskus RB,
Bollen TL, et al. Endoscopic transgastric vs surgical necrosectomy for infected
necrotizing pancreatitis: a randomized trial. JAMA. 2012;307(10):1053–61.
2.
Bollen TL, Singh VK, Maurer R, Repas K, van Es HW, Banks PA, et al. A
comparative evaluation of radiologic and clinical scoring systems in the early
prediction of severity in acute pancreatitis. Am J Gastroenterol. 2012;107(4):
612–9.
3.
Hoffmeister A, Mayerle J, Beglinger C, Büchler MW, Bufler P, Dathe K, et al.
S3-Leitlinie Chronische Pankreatitis: Definition, Ätiologie, Diagnostik und
konservative, interventionell endoskopische und operative Therapie der
chronischen Pankreatitis. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungsund Stoffwechselkrankheiten (DGVS). AWMF-Registrierungsnummer: 021-003.
Z Gastroenterol. 2012;50(11):1176–224.
4.
van Santvoort HC, Besselink MG, Bakker OJ, Hofker HS, Boermeester MA,
Dejong CH, et al. A step-up approach or open necrosectomy for necrotizing
pancreatitis. N Engl J Med. 2010;362(16):1491–502.
5.
Sugumar A, Chari ST. Autoimmune pancreatitis. J Gastroenterol Hepatol. 2011;
26(9):1368–73.
Weitere Literatur beim Verfasser.
12
Antivirale Therapie bei Hepatitis B und C: Interaktionen von
Wirt und Virus
T. Berg
Sektion Hepatologie, Klinik und Poliklinik für Gastroenterologie und Rheumatologie,
Universitätsklinikum Leipzig
Chronische Hepatitis C: das Konzept der Response-gesteuerten Therapie
Der Erfolg einer Interferon-α (IFNα)-basierten Kombinationstherapie bei chronischer
Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion wird maßgeblich von viralen Faktoren, wie z. B.
HCV-Genotyp und initialer Viruslast, sowie epidemiologischen, klinischen und
genetischen Wirtsfaktoren, wie z. B. Dauer der Infektion, Alter, Geschlecht, Ethnizität
des Patienten, Ausmaß der hepatischen Fibrose, sowie dem Interleukin-28B (IL28B)Genotyp beeinflusst. Die frühe Viruskinetik nach Therapiebeginn gibt Aufschluss
über die individuelle Therapie-Suszeptibilität und spielt daher eine entscheidende
Rolle bei der Planung der Therapiedauer („Response-gesteuerte Therapie“). Hierbei
hat sich insbesondere die rasche und komplette Suppression der Hepatitis-C-Virämie
unter die Nachweisgrenze sensitiver Tests innerhalb der ersten 4 Wochen nach
Therapiebeginn (rapid virological response, RVR) als wichtigster positiver prädiktiver
Parameter für einen anhaltenden Therapieerfolg (sustained virological response,
SVR) etabliert. Bei langsamem Abfall der Viruslast nach 12 bzw. 24 Wochen ist
dagegen das Risiko für einen Relaps hoch. Eine individualisierte Therapiestrategie,
die die jeweils vorhandenen prädiktiven Faktoren für jeden Patienten berücksichtigt,
stellt ein wichtiges Ziel auch für die zukünftige Optimierung der kostenintensiven
Therapie dar (Abb. 1 und 2).
13
Indiividual lik
kelihood of respon
nse
Virologicc factors
Host ffactors
HCV gen
notype
level of HCV replication
mutationaal pattern
(ISD
DR)
(HCV geneticc mutations)
age
a
gen
nder
stage of fibrosis
insulin resista
ance/steatosis
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ALT levels
GGT levels
ggenetic polymorphisms (i.e. IL28
8B)
Earlyy viral kineetics
Summa
arising the indiividual likeliihood of respoonse
Berg T. Clin
B
Liver Dis. 200
08; 12:507‐28
Abb. 1: Zahlre
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Abb. 2
2: Bisherig
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er und vice
e versa (na
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.
14
Prädiktoren des Ansprechens bei Proteaseinhibitor-basierter Triple-Therapie
Für den Erfolg der Triple-Therapie ist ein zumindest partielles Ansprechen auf die
PEG-IFNα/Ribavirin duale Kombinationstherapie von zentraler Bedeutung, da sonst
das Risiko einer funktionellen Proteaseinhibitor-Monotherapie besteht. Daraus ergibt
sich, dass prinzipiell alle bisher bekannten Faktoren, die einen Einfluss auf die
individuelle Interferon-Suszeptibiliät besitzen, auch einen Effekt auf die TripleTherapieresponse haben können. Günstige Responseparameter stellen vor allem
niedrige LDL-Konzentrationen, niedriger Fibrosestatus, niedrige HCV-RNA, niedrige
GGT, und der HCV-Subtyp-1b dar
Durch die deutliche Steigerung der antiviralen Effektivität der Proteaseinhibitorbasierten Triple-Therapie nimmt jedoch die relative Bedeutung der bekannten
Prädiktoren ab; das heißt das Ausmaß, mit welchem der Prädiktor die SVR-Rate
beeinflusst, ist, gegenüber der dualen Therapie deutlich geringer ausgeprägt.
Bedeutung des IL28B-Genotyps
In Genom-weiten Assoziationsstudien (GWAS) zur Prädisposition der HCV-Infektion,
wurden
Varianten
im
IFNL3
(ehemals
IL28B)-Gen
identifiziert,
die
den
Krankheitsverlauf beeinflussen. Die SNPs rs12979860 und rs8099917 IFNL3-Gen
waren hochsignifikant mit dem Therapieansprechen und der spontanen Remission
assoziiert.
Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass homozygote Träger der IFNL3Responder-Allele signifikant niedrigere GGT-Spiegel, höhere Cholesterinwerte sowie
höhere ALT- und HCV-RNA-Konzentrationen aufweisen (Abb. 3). Dennoch zeigten
sich in Abhängigkeit von der GGT/ALT-Ratio und der HCV-RNA-Konzentration
sowohl für Träger der Responder- und der Nonresponderallele Unterschiede in der
Wahrscheinlichkeit für eine SVR.
15
Abb. 3
3: Wahrsch
heinlichkeitt der SVR in Abhäng
gigkeit derr Variantenn im IFL3 (IL28B)(
Gen un
nd der GGT
T/ALT-Rattio.
Inzwiscchen wurd
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-Olsen et al. (Nat Genet. 20013) eine weitere
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2- und IFN
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e individue
elle Empfäänglichkeit gegenüber eiiner HCV-Infektion, den Krankkheitsverla
auf und das Therapieeansprechen. Die
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Die Zukunft
Ab 201
14 werden
n erstmals
s interfero nfreie orale Therapieregime ffür Patien
nten mit
HCV-Typ-2 und -3 zugelassen werd
den. Ab 2015 erwarrten wir m
mehrere pa
angenotypisch hochwirkssame orale
e antivirale
e Therapie
eregime mit Kombinaationen aus HCV16
Polymeraseinhibitoren, NS5A-Inhibitoren und/oder Proteaseinhibitoren (± Ribavirin).
Die bisher unter diesen Kombinationstherapien beobachteten Heilungsraten bei
Patienten ohne Zirrhose lagen im Bereich von 90%. Dennoch scheint auch für die
Effektivität der interferonfreien Therapieschemata die Induktion immunologischer
Responsemechanismen (insbesondere des angeborene Immunsystems) eine
Relevanz für die Induktion einer Heilung der chronischen Infektion zu besitzen. Auch
in Zukunft wird die Intensität der antiviralen Therapie (Anzahl der antiviral wirksamen
Substanzen und Therapiedauer) anhand bestimmter Ausgangsparameter gesteuert
werden.
Möglicherweise
werden
virale
Kinetikanalysen
zu
noch
früheren
Therapiezeitpunkten (Woche 1–2) mit in die therapeutischen Algorithmen einfließen.
Therapie der chronischen Hepatitis B
Die therapeutischen Möglichkeiten bei chronischer Hepatitis B haben sich in den
letzten Jahren erheblich verbessert. Inzwischen sind in Europa 7 Medikamente zur
Behandlung der chronischen Hepatitis B zugelassen (Standard-IFNα und PEGIFNα2a sowie die Nukleos(t)idanaloga Lamivudin, Adefovir, Telbivudin, Entecavir und
Tenofovir). Die Substanzen unterscheiden sich in ihrer antiviralen Aktivität, ihrem
Nebenwirkungsprofil
und
im
(mit
ihrem
Einsatz
verbundenen)
Risiko
der
Resistenzentwicklung. Für die langfristige Kontrolle der HBV-Infektion benötigt die
Mehrzahl der HBV-infizierten Patienten eine antivirale Langzeittherapie über mehrere
Jahre. Die Aufrechterhaltung der Therapieadhärenz und Strategien zur Resistenzvermeidung gehören zu den besonderen Herausforderungen der Langzeittherapie
mit Nukleos(t)idanaloga.
Kriterien für die Indikation zur antiviralen Therapie
Grundsätzlich sollte die Behandlung der HBV-Infektion gemäß den Leitlinien der
Fachgesellschaften erfolgen. Hiernach kommen Patienten mit chronischer Hepatitis
B (erhöhte Transaminasen) und quantitativ nachweisbarer Viruslast von > 2000 IU/ml
prinzipiell für eine antivirale Therapie in Betracht. Die Unterscheidung zwischen
Wildtyp- (HBeAg-positiv, anti-HBe-negativ) und Präcore-Mutanten-HBV-Infektion
(anti-HBe-positiv,
HBeAg-negativ)
besitzt
für
die
Entscheidung
über
die
Durchführung einer antiviralen Therapie keine Relevanz, kann aber hinsichtlich der
Auswahl der Therapieform bzw. der Therapiestrategie und auch für die Chance auf
einen langfristigen Therapieerfolg von Bedeutung sein.
17
Therapieziele bei chronischer Hepatitis B
Die komplette und anhaltende Suppression der HBV-Replikation wird aufgrund der
bestehenden eindeutigen Korrelation zwischen Höhe der Hepatitis-B-Virämie und
Progression der Erkrankungen als wichtigster Therapieendpunkt angesehen. Eine
Ausheilung der HBV-Infektion mit Verlust des HBsAg und Bildung von anti-HBsAntikörpern wird mit den heutzutage zur Verfügung stehenden Medikamenten nur
selten erreicht und stellt daher zwar ein optimales, jedoch bisher wenig realistisches
Therapieziel dar.
Prädiktion der Therapieresponse
Die Monotherapie mit entweder PEG-IFNα oder potenten Nukleos(t)idanaloga bleibt
weiterhin Standard in der Therapie der chronischen Hepatitis B. Diese beiden
Therapieoptionen der chronischen Hepatitis B basieren auf unterschiedlichen
Prinzipien und lassen sich nicht direkt miteinander vergleichen: Während die (PEG)IFNα-Therapie aufgrund des Nebenwirkungsprofils nur über einen begrenzten
Zeitraum erfolgen kann, werden die Nukleos(t)idanaloga in der Regel zur Langzeittherapie eingesetzt, da es bei Kurzzeitanwendung nach Absetzen der Therapie meist
zu einem virologischen Relaps kommt. Das Prinzip der (PEG)-IFNα-Therapie basiert
auf der immunologischen Induktion einer anhaltenden Remission bei begrenzter
Therapiedauer
(über
12
Monate).
Im
Gegensatz
dazu
ist
das
Ziel
der
Langzeittherapie mit Nukleos(t)idanaloga anhaltende Inhibierung der Virusreplikation.
Aufgrund der unterschiedlichen Therapieformen und Therapieendpunkte, haben sich
bisher valide Prädiktoren der antiviralen Response nicht etablieren können (siehe
Tab. 1 und Abb. 4). Für die PEG-IFNα-basierte Therapie sind jedoch Stoppregeln
anhand des initialen Abfalls der HBsAg-Konzentrationen (und HBV-DNA) generiert
worden, die es mit hoher Sicherheit erlauben eine Non-Response auf die PEG-IFNα
Therapie vorherzusagen. Die Anwendung dieser Stoppregeln zu Woche 12 einer
PEG-IFNα-Therapie wird von der Europäischen Leitlinie empfohlen.
18
Tab.1
Abb. 4
19
Tab. 2
20
Genetische Risikostratifizierung auf dem Weg von der Fibrose
zur Zirrhose
F. Lammert
Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
Auf genetischen Tests basiert die Diagnose hereditärer Lebererkrankungen, die zur
Fibrose
und
Zirrhose
führen
können.
Bei
vielen
häufigen
hepatobiliären
Erkrankungen modulieren jedoch multiple Genvarianten, die zu einer kleinen oder
moderaten Risikoerhöhung führen, die Krankheitsentstehung und -progression. Das
individuelle Risiko hängt dann von den Interaktionen exogener Faktoren (Alkohol,
Ernährung, Hepatitisviren) mit diesen Modifier-Genen ab, die bisher noch nicht
systematisch charakterisiert worden sind. Die in den letzten Jahren veröffentlichten
genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) in großen europäischen Patientenkohorten haben neue Erkenntnisse zur Pathophysiologie der Virushepatitis, der
Fettlebererkrankungen und cholestatischer Erkrankungen geliefert und bisher
unbekannte Mechanismen identifiziert. Ein klinisch relevantes Beispiel ist die
PNPLA3-assoziierte Steatohepatitis (PASH). Homozygote Risikoträger der Variante
p.I148M dieses bei der Lipogenese beteiligten Leberenzyms können – auch ohne
weitere Risikofaktoren – eine Fettleber, NASH, Zirrhose und ein hepatozelluläres
Karzinom entwickeln; bei heterozygoten Anlageträgern ist die Krankheitsprogression
beschleunigt. Zukünftig könnten genbasierte Risiko-Scores Subgruppen von Patienten identifizieren, die sorgfältiger Surveillance oder präziser Therapien bedürfen.
Zudem könnten mithilfe der jetzt zur Verfügung stehenden Whole-genomeSequenzierung neue Diagnosealgorithmen für diese genetisch definierten Risikopatienten und einzelne Patienten mit bisher nicht geklärten Hepatopathien und
kryptogener Zirrhose entwickelt werden.
Literatur:
Krawczyk M, Müllenbach R, Weber SN, Zimmer V, Lammert F. Genome-wide
association studies and genetic risk assessment of liver diseases. Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2010;7(12):666–81.
Krawczyk M, Portincasa P, Lammert F. PNPLA3-associated steatohepatitis: toward a
gene-based classification of fatty liver disease. Semin Liver Dis. 2013; im Druck.
21
Abb. 1
22
Hepatozelluläres Karzinom – Klassifikation und therapeutische
Konsequenz
M. Dollinger
Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm
Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist weltweit die fünfthäufigste Krebsart bei
Männern und die siebthäufigste bei Frauen. Für Deutschland verzeichnen jüngste
epidemiologische Daten, bezogen auf je 100.000 Einwohner, altersangepasste
HCC-Inzidenzraten von 6,2 bei Männern und 2,2 bei Frauen. In der Rangfolge der
krebsbedingten Todesursachen nimmt das HCC weltweit den dritten Platz ein. Jedes
Jahr werden – mit steigender Tendenz – mehr als 700.000 neue Fälle diagnostiziert.
Die Mortalität von HCC-Patienten ist hoch und ihre 5-Jahres-Überlebensrate noch
immer gering. Da ein HCC in frühen Phasen des Tumorwachstums meistens keine
subjektiven Beschwerden verursacht, wird es oft erst in fortgeschrittenen Stadien
diagnostiziert. Dennoch hat sich das HCC, dank bemerkenswerter Fortschritte in
Diagnostik und Therapie, im Verlauf der letzten 10 Jahre zu einer Krebsart
entwickelt, deren Inzidenz durch Prävention reduziert und die effektiven Therapien
zugänglich gemacht werden kann. Als Richtschnur der Behandlung gilt in der
klinischen Praxis die Einteilung des HCC laut der „Barcelona Clinic Liver Cancer“Klassifikation (BCLC). Allerdings muss die individuelle Therapieempfehlung jedes
HCC-Patienten in einem interdisziplinären Tumorboard gemeinsam mit Chirurgen,
interventionellen Radiologen, Onkologen und Hepatologen getroffen werden.
Die BCLC-Klassifikation unterscheidet zwischen 5 Stadien des HCC und bezieht
dabei den Tumorstatus, die Leberfunktion und den allgemeinen Gesundheitszustand
der Patienten mit ein. Der Tumorstatus wird nach Größe, Anzahl und Ausbreitung der
Raumforderungen bestimmt, die Leberfunktion nach dem Child-Pugh-Score ermittelt
und der allgemeine Gesundheitszustand nach den ECOG-Kriterien erfasst. Im ersten
BCLC-Stadium (BCLC-0) befinden sich Patienten mit gut erhaltener Leberfunktion
und einem asymptomatischen Karzinom von weniger als 2 cm Durchmesser. Diese
Patienten haben nach Resektion ihres Tumors eine ausgezeichnete Prognose. Im
fünften BCLC-Stadium (BCLC-D) befinden sich Patienten, deren Tumor und Leberfunktionsstörung so weit fortgeschritten sind, dass ihnen keine Behandlung mehr
23
helfen kann. In diesem Endstadium ist nur noch „best supportive care“ (beste
unterstützende Therapiemaßnahmen) möglich.
Zwischen diesen beiden Extremen unterscheidet die BCLC-Klassifikation ein frühes,
ein intermediäres und ein fortgeschrittenes Stadium. Im frühen Stadium (BCLC-A)
bieten sich mehrere kurative Ansätze an. Die Leberresektion gilt nach wie vor als die
Erfolg versprechendste Behandlung bei nicht-zirrhotischen HCC-Patienten, die in
Europa aber nur 5% aller HCC-Fälle ausmachen. Bei Patienten mit einer Leberzirrhose sind normale Bilirubinwerte und ein portalvenöser Blutdruck ≤ 10 mmHg die
wesentlichen Voraussetzungen für eine gute Prognose nach Resektion. Ihre
5-Jahres-Überlebensraten rangieren zwischen 60 und 80%. Allerdings verzeichnen
70% der Patienten 5 Jahre nach Resektion ein Tumorrezidiv, dem bisher noch mit
keiner adjuvanten Therapie begegnet werden kann. Eine Lebertransplantation kann
im besten Fall gleichzeitig den Tumor und die Leberzirrhose heilen. Sie sollte daher
bei allen geeigneten Patienten erwogen werden, bei denen ein solitäres Karzinom
einen Durchmesser von maximal 5 cm erreicht hat oder höchstens 3 Karzinome mit
einem maximalen Durchmesser von 3 cm vorliegen. Zusätzlich dürfen keine makroskopische Gefäßinvasion des Tumors oder eine extrahepatische Metastasierung
erkennbar sein. Erfüllen die Patienten diese sogenannten Milan-Kriterien, dann
lassen sich durch eine Lebertransplantation 4-Jahres-Überlebensraten von 75% mit
einer Rezidivrate unter 15% erzielen. Für Patienten, die aufgrund ihrer Leberzirrhose
oder wegen Begleiterkrankungen für einen chirurgischen Eingriff nicht geeignet sind,
bietet die lokale Ablation des Tumors Heilungschancen, die je nach Größe und Lage
der einer Leberresektion entsprechen können. Sowohl die perkutane Ethanolinjektion
(PEI) als auch die Radiofrequenzablation (RFA) führen bei Tumoren von weniger als
2 cm Durchmesser zu einer häufig vollständigen Nekrose. In verschiedenen Studien
zeigte sich die RFA im direkten Vergleich mit der PEI als effektiver, insbesondere bei
größeren Tumoren, sodass eine PEI bei diesen Tumoren nicht durchgeführt werden
sollte.
Das intermediäre HCC-Stadium umfasst eine sehr heterogene Patientengruppe und
ist gekennzeichnet durch große multinoduläre, asymptomatische Tumoren ohne
Gefäßinvasion oder extrahepatische Ausbreitung. Die Leberfunktion der Patienten
entspricht der Child-Pugh-Bewertung A oder B. Eine kurative Behandlung ist in
diesem Stadium in der Regel nicht mehr möglich. Als palliative Erstlinienbehandlung
24
kann die transarterielle Chemoembolisation (TACE) bei einem Großteil der Patienten
zu partiellen Tumorremissionen führen. Der antitumorale Effekt einer Chemoembolisation oder anderer lokoregionaler Therapien ist jedoch zeitlich begrenzt. Bei
Patienten, die nach mindestens 2 TACE-Zyklen nicht zumindest eine Tumorstabilisierung erreichen, sollte eine zielgerichtete medikamentöse Therapie erwogen
werden. Im fortgeschrittenen Stadium hat sich das HCC über die Portalgefäße
bereits extrahepatisch ausgedehnt und/oder zu einer makroskopischen vaskulären
Invasion geführt. In Kombination mit der eingeschränkten Leberfunktion kommt es zu
Krankheitssymptomen, die die Leistungsfähigkeit des Patienten einschränken. Bis
vor wenigen Jahren gab es keine palliative Behandlungsmöglichkeit für Patienten,
bei denen keine lokoregionale Therapie durchgeführt werden kann, da das HCC
weitgehend resistent gegen herkömmliche Chemotherapien ist. Das änderte sich mit
der Verfügbarkeit des oralen Multikinaseinhibitors Sorafenib, der sowohl die
Tumorangiogenese als auch die Tumorproliferation und damit 2 charakteristische
Stoffwechselwege des stark vaskularisierten HCC hemmt.
Es ist zu erwarten, dass die großen Fortschritte, die innerhalb der letzten 10 Jahre in
der Behandlung des HCC gemacht worden sind, ihre Fortsetzung in einer weiteren
Entschlüsselung des molekularen Profils des HCC finden und dabei zu einer
Identifizierung von Biomarkern führen werden, die eine frühzeitige Diagnose, ein
besseres Monitoring des Krankheitsverlaufs und eine Optimierung der Patientenstratifizierung erlauben. Vorerst kommt es aber vor allem darauf an, die bisher
erzielten Fortschritte wirkungsvoller umzusetzen, denn noch kommen die neuen
Möglichkeiten der HCC-Therapie zu wenigen Patienten zugute.
25
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden
Prof. Dr. T. Berg
Klinik und Poliklinik für
Gastroenterologie und Rheumatologie
Universitätsklinikum Leipzig, AöR
Liebigstr. 20
04103 Leipzig
Prof. Dr. M.F. Neurath
Medizinische Klinik 1
Universitätsklinikum
Erlangen-Nürnberg
Ulmenweg 18
91054 Erlangen
PD Dr. M. Dollinger
Klinik für Innere Medizin I
Universitätsklinikum Ulm
Albert-Einstein-Allee 23
89081 Ulm
Prof. Dr. W. Schmiegel
Medizinische Universitätsklinik
Ruhr-Universität Bochum
In der Schornau 23–25
44892 Bochum
Prof. Dr. T. Gress
Gastroenterologie
Universitätsklinikum
Gießen und Marburg
Baldingerstraße
35043 Marburg
Prof. Dr. T. Seufferlein
Klinik für Innere Medizin I
Universitätsklinikum Ulm
Albert-Einstein-Allee 23
89081 Ulm
Prof. Dr. F. Lammert
Klinik für Innere Medizin II
Universitätsklinikum des Saarlandes
Kirrberger Str. 100
66421 Homburg/Saar
PD Dr. J. Siveke
Innere Medizin II
Klinikum rechts der Isar
der Technischen Universität
Ismaninger Str. 22
81675 München
Prof. Dr. H. Messmann
III. Medizinische Klinik
Klinikum Augsburg
Stenglinstr. 2
86156 Augsburg
Prof. Dr. J. Mössner
Klinik und Poliklinik für
Gastroenterologie und Rheumatologie
Universitätsklinikum Leipzig, AöR
Liebigstr. 20
04103 Leipzig
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