Die Aufösung der Klöster in Preußisch-Schlesien 1810

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Die Auflösung der Klöster in Preußich-Schlesien 1810, Wrocław 2016
Agnieszka ZABŁOCKA-KOS
Kunsthistorisches Institut der Universität Breslau
(Instytut Historii Sztuki Uniwersytetu Wrocławskiego)
„Ob in politischer Hinsicht der Aufhebung der Klöster
und Stifter in Schlesien etwas entgegensteht,
wage ich nicht zu bezweifeln“1. Die funktionale
Umgestaltung der Breslauer Klostergebäude
im 19. und 20. Jahrhundert
Vor über zehn Jahren wurde in Süd- und Westdeutschland der 200. Jahrestag
der Säkularisation begangen. Aus diesem Anlass wurden zahlreiche Publikationen,
die diesen Prozess detailliert beschreiben, u.a. in Bayern, Baden-Württemberg und
Nordrhein-Westfalen herausgegeben. Durchgeführt wurden auch mehrere imposante Sonderausstellungen, zu denen reich illustrierte Begleitkataloge erschienen.
Es war ein flächendeckender Versuch, aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf die
Säkularisation zu schauen, dem eingehende Studien vorausgegangen waren2. Doch
1 Geheimes Staatsarchiv Preussischer Kulturbesitz Berlin Dahlem (weiter als: GStA PK Berlin), I HA, Rep.
151, I C, Nr. 8664, Bl. 11.
2 West- und Süddeutschland sind hervorragend untersucht worden, was als gute Grundlage für die Erforschung der Säkularisation in Schlesien dienen könnte. Die wichtigsten Publikationen sind: V. HIMMELEIN,
H. U. RUDOLF (Hg.), P. BLICKLE (Mitw.), Alte Klöster, neue Herren. Die Säkularisation im deutschen Südwesten 1803. Große Landesausstellung Baden-Württemberg 2003 in Bad Schussenried vom 12. April bis 5.
Oktober 2003. Begleitbuch, Bd. 1: V. HIMMELEIN (Hg.), F. DRUFFNER (Mitw.), Ausstellungskatalog; Bd. 2:
H. U. RUDOLF (Hg.), M. BLATT (Mitw.), Aufsätze, Tl. 1: Vorgeschichte und Verlauf der Säkularisation; Tl.
2: Die Mediatisierung. Auswirkung von Säkularisation und Mediatisierung, Ostfildern 2003; Bayern ohne
Klöster? Die Säkularisation 1802/03 und die Folgen. Eine Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs
München, 22. Februar bis 18. Mai 2003 (Ausstellungskatalog der Staatlichen Archive Bayerns, 45), München
2003. Vgl. auch C. JAHN, Klosteraufhebungen und Klosterpolitik in Bayern unter Kurfürst Karl Theodor
1778–1784 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte, 104), München 1994; W. WEIß, Kirche im Umbruch der Säkularisation. Die Diözese Würzburg in der ersten bayerischen Zeit (1802/03–1806) (Quellen und
Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg, 44), Würzburg 1993; J. KIRMEIER (Hg.),
Glanz und Ende der alten Klöster. Säkularisation im bayerischen Oberland 1803. Katalogbuch zur Ausstellung im Kloster Benediktbeuern, 7. Mai bis 20. Oktober 1991 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, 21), München 1991; S. ARNDT-BAEREND, Die Klostersäkularisation in München 1802/03 (Mis-
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ähnlich wie bei früheren Publikationen zu diesem Thema wurden größtenteils nur
die Verluste, die sowohl für die katholische Kirche als auch für das geistige Leben
und die Kunst durch die Aufhebung der Jahrhunderte alten Klöster entstanden waren, aufgezählt. Die Klöster wurden vor allem als ideale Orte, Oasen des Gebetes,
der Kunst und Wissenschaft, angesehen und die Übernahme ihres Vermögens wurde
allgemein als ein barbarisches Unterfangen betrachtet, welches das tausendjährige
Erbe der Kirche zerstört hatte. Dieser Anschauung muss man teilweise zustimmen
und viele der gegen die Säkularisation gerichteten Argumente sind berechtigt.
Einige Forscher sehen jedoch auch positive Seiten der Säkularisation. Dazu zählen die Festigung staatlicher Strukturen (vor allem im südlichen und westlichen
Teil Deutschlands), die Modernisierung zahlreicher Bereiche des wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Lebens (u.a. insbesondere der Lehre), die Ermöglichung des
öffentlichen Zugangs zu Kunstwerken durch die Gründung von Galerien und Museen. Nicht zuletzt sei die Entwicklung der modernen wissenschaftlichen Forschung
erwähnt. Diese wurde dank der Öffnung von Klosterarchiven und -bibliotheken, die
nach der Aufhebung in öffentliche Einrichtungen überführt wurden, ermöglicht3.
Nur wenige Forscher haben festgestellt, dass die Säkularisation auch eine
grundlegende Bedeutung für die Entwicklung jener Städte hatte, in denen zahlreiche Klostergebäude ihre Funktion veränderten4. Die unter diesem Aspekt gesehene Klosteraufhebung in Breslau stellte im gesamteuropäischen Kontext ein
Sonderphänomen dar: Der Besitzerwechsel betraf gleich elf Klosterkomplexe,
die zum Teil von gigantischen Ausmaßen waren und die räumliche Struktur der
Hauptstadt Schlesiens dominiert hatten (Abb. 1). Einige Gebäude wurden an
private Investoren verkauft, einige verschwanden spurlos, doch der größte Teil
wurde durch den Fiskus eingezogen, was für den Verlauf der Säkularisation in
Preußen typisch war. Obwohl zahlreiche Objekte architektonisch nicht verändert
wurden, so bekamen sie durch ihre neue Funktion eine völlig neue Bedeutung und
Symbolik für den Stadtraum. Nach 1810 wurden diese großen Bauten immer weniger mit der jahrhundertelangen Geschichte des katholischen Ordenslebens, soncellanea Bavarica Monacensia, 95), München 1985; H. Ch. MEMPEL, Die Vermögenssäkularisation 1803/10.
Verlauf und Folgen der Kirchengutenteignung in verschiedenen deutschen Territorien, Bd. 1: Materialien,
Bd. 2: Text (Tuduv-Studien, Reihe Sozialwissenschaften, 15), München 1979 – mit großem Schlesienbezug;
R. BÜTTNER, Die Säkularisation der Kölner geistlichen Institutionen. Wirtschaftliche und soziale Bedeutung
und Auswirkung (Schriften zur Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsgeschichte, 23), Köln 1971.
3 R. DECOT (Hg.), Kontinuität und Innovation um 1803. Säkularisation als Transformationsprozess. Kirche,
Theologie, Kultur, Staat (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Beiheft 65), Mainz
2005; P. BLICKLE, R. SCHLÖGL (Hg.), Die Säkularisation im Prozess der Säkularisierung Europas (Oberschwaben-Geschichte und Kultur, 13), Epfendorf 2005.
4 Vgl. auch A. ZABŁOCKA-KOS, Nowe funkcje starych klasztorów w Europie w XIX w.: przegląd głównych
problemów badawczych [Neue Funktionen alter Klöster in Europa im 19. Jahrhundert: Überblick über die
wichtigsten Forschungsprobleme], [in:] M. DERWICH (Hg.), Kasaty klasztorów, Bd. 3, Źródła. Skutki kasat
XVIII i XIX w. Kasata w latach 1954–1956 [Die Quellen. Die Folgen der Säkularisationen im 18. und 19.
Jahrhundert. Die Klosteraufhebungen in den Jahren 1954–1956] (Opera ad Historiam Monasticam Spectantia, curavit Marcus DERWICH, Series I: Colloquia, 8/III), Wrocław 2014, S. 315–334.
Die funktionale Umgestaltung der Breslauer Klostergebäude
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Abb. 1. Die säkularisierten Klöster und Stifte in Breslau: 1. Prämonstratenserabtei; 2. Ursulinenkloster;
3. Klarissenkloster; 4. Jesuitenakademie, ab 1776 Königliches Schulinstitut; 5. Augustiner-Chorherrenabtei;
6. Dominikaner- und Dominikanerinnenkloster; 7. Augustiner-Eremitenkloster; 8. Kapuzinerkloster;
9. Augustiner-Chorfrauenkloster; 10. Franziskaner-Reformatenkloster; 11. Kreuzherrenkloster; 12. Kapitel
des Doms und des Heilig-Kreuz-Stiftes; 13. Johanniterkommende
dern immer mehr mit den neuen weltlichen Funktionen in Verbindung gebracht.
Das Stadtzentrum der schlesischen Hauptstadt wurde durch eine neue funktionale
Gliederung verändert. So sind diese Folgen des preußischen Säkularisationsedikts
von 1810 bis heute weitgehend sichtbar.
Die Einziehung der katholischen Kirchengüter in Breslau muss im Kontext der
1808 eingeführten Ordnung für sämtliche Städte der preußischen Monarchie sowie
der 1807 begonnenen und dem mit königlichem Erlass von 1812 und 1813 befohlenen Abriss der Stadtbefestigung gesehen werden5. Auf der Grundlage der neuen
5 A. ZABŁOCKA-KOS, Zrozumieć miasto. Centrum Wrocławia na drodze ku nowoczesnemu city 1807–1858
[Die Stadt verstehen. Das Zentrum Breslaus auf dem Weg zur modernen City 1807–1858], Wrocław 2006,
S. 17–90. Genauer über die Säkularisation und ihre Folgen auf S. 53–68. Allgemein zur Säkularisation in
Schlesien vgl. P. P. GACH, Kasaty zakonów na ziemiach dawnej Rzeczypospolitej i Śląska 1773–1914 [Die
Klosteraufhebungen auf dem Gebiet der früheren Königlichen Republik der polnischen Krone und des Großfürstentums Litauen sowie Schlesiens 1773–1914], Lublin 1984, S. 69–78; J. J. MENZEL, Die Säkularisation
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Rechtsordnung wurde Breslau um seine Vorstädte vergrößert, indem diese in die
schlesische Hauptstadt eingemeindet wurden und somit ihre Verwaltung nunmehr
durch das Stadtrecht geregelt war. Die Vorstädte unterlagen ab diesem Zeitpunkt
der Stadtpolizei, womit die kirchliche Jurisdiktion auf diesem Gebiet automatisch
erlosch. Die bisherige Breslauer kirchliche Jurisdiktion hatte neun unterschiedliche Institutionen umfasst, u.a. den Bischof, das Domkapitel und die Klöster. Somit
kann man sagen, dass die Städteordnung von 1808 eine Ankündigung der zukünftigen Säkularisation war, durch die die Machtgewalt der katholischen Kirche wesentlich eingeschränkt wurde. Der Abriss der Stadtbefestigung war dagegen eine
Folge der Niederlage Breslaus im Krieg gegen Napoleon und der Kapitulation der
Stadt im Januar 1807. Sie war nicht das Ergebnis langfristig gefasster Regierungsbeschlüsse, was in zahlreichen europäischen städten durchaus üblich war, sondern
resultierte aus der Notwendigkeit, die Befehle des französischen Besatzers durchzuführen. Durch den Abriss der Befestigung konnten ca. 300 zusätzliche Hektar
Land in die Stadtraumplanung einbezogen werden, was durchaus viel war. Darunter befanden sich Nutzflächen der 1810 eingezogenen Klöster. Das ermöglichte
die Umwidmung ehemaliger Kirchenbesitztümer unter Einbezug der abgerissenen
Stadtbefestigung. Vor allem die Umgebung der Dominsel wurde auf diese Weise
stark verändert.
Was die Anzahl der Klöster und deren imposanten Ordenshäuser betrifft, so nahm
Schlesien im damaligen Preußen eine Sonderstellung ein. Im Breslau gab es große,
überwiegend mittelalterliche Stifte, die im 17. und 18. Jahrhundert größtenteils umgebaut und barockisiert worden waren. Im Stadtraum dominierte das monumentale
jesuitische Universitätsgebäude, das von Kaiser Leopold 1702 gestiftet und in den
Jahren 1728–1736 an der Stelle der früheren Kaiserburg errichtet worden war. Die
Breslauer Klöster und Stifte haben fast den gesamten Nordteil der Stadt am linken
Ufer, den südlichen Teil am Schweidnitzer Tor und die Oderinsel, vor allem die
Sand- und die Dominsel, eingenommen. Die vom preußischen König veranlasste
Übergabe der vom Abriss der Stadtbefestigung betroffenen Gebiete an die Stadtverwaltung war für Breslau ein großer territorialer Gewinn, ebenso wie der Verkauf
von Baufläche der Stadt gewisse finanzielle Vorteile gebracht hat. Auch der Staat
war Nutznießer dieses Prozesses. Der Erlös vom Verkauf der eingezogenen Klostergüter ging an den Fiskus, und die Übernahme der Klostergebäude ermöglichte
es dem Staat, die staatlichen Zentralbehörden und Schulen darin unterzubringen.
Für die Neugestaltung des Altstadtgebietes hatte das eine beispiellose Bedeutung.
Damit wurden nämlich neue Kristallisationspunkte geschaffen, die die zukünftige
in Schlesien 1810, [in:] J. KÖHLER (Hg.), Säkularisationen in Ostmitteleuropa. Zur Klärung des Verhältnisses
von geistlicher und weltlicher Macht im Mittelalter, von Kirche und Staat der Neuzeit (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands, 19), Köln-Wien 1984, S. 85–102; und über Breslau:
T. KULAK, Historia Wrocławia [Geschichte Breslaus], Bd. 2: Od twierdzy fryderycjańskiej do twierdzy hitlerowskiej [Von der friderizianischen Festung bis zur nationalsozialistischen Festung], Wrocław 2001, S. 135f.
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Ausrichtung der urbanistischen und architektonischen Entwicklung des Stadtzentrums beeinflussen sollten.
Die Beschlüsse des Säkularisationsediktes haben den Kommunalbehörden keine
allzu großen finanziellen Vorteile gebracht. Die von oben angeordnete funktionale
Neuausrichtung hat die späteren Maßnahmen und Entscheidungen über die lokale
Anordnung einiger Institutionen und Behörden sowie über die tendenzielle Entwicklung des Stadtzentrums in Folge dagegen wesentlich beeinflusst. Die Änderung der funktionalen Nutzung der Klostergebäude war auch in anderer Hinsicht
von Bedeutung. Innerhalb von nur zehn Jahren ist es in dieser manchmal renitenten
und nicht gänzlich in Preußen integrierten Provinz gelungen, Behörden und staatliche Institutionen in schönen und überaus repräsentativen Gebäuden unterzubringen.
Dieser Umstand musste Respekt und Wertschätzung für den Staat erwecken und
begünstigte die administrative und kulturelle Eingliederung Schlesiens in Preußen.
Das Säkularisationsedikt betraf die Einziehung des katholischen Kirchenvermögens durch den Staat und wurde am 30. Oktober 1810 erlassen6. Die Vorbereitungen
zu diesem Schritt waren seit langer Zeit angelaufen. Erste Schätzungen des katholischen Vermögenswertes waren bereits 1746 unternommen worden, also gleich nach
der Übernahme Schlesiens durch Preußen. Die Aufstellung äußerst detaillierter
Tabellen, die den Bestand des Klostereigentums aufzählten, wurde mit dem Willen begründet, eine rationale Verwaltung der katholischen Güter einzuführen7. Es
muss betont werden, dass ähnliche Maßnahmen bereits früher von Maria Theresia
6 Die Säkularisation betraf: „Aufhebung der Klöster und Stifter“. Zum vollen Text der Instruktion für die
Kommissare vgl. O. LINKE, Friedrich Theodor von Merckel im Dienste fürs Vaterland, Bd. 2: Bis Januar
1815 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte, 10), Breslau 1910, S. 300–304, dort auch eine
unvollständige Liste der aufgehobenen Klöster, S. 305–307. Der Verlauf der Säkularisation wartet noch auf
eine komplexe historische Erforschung. Vgl. die jüngste, doch recht knappe (44 S.) Publikation: G. PLOCH,
Säkularisation in Schlesien. Die Auflösung der Klöster und Stifte in Preußisch-Schlesien 1810. Ursachen,
Verlauf, Folgen. Wissenschaftliche Aufsätze, München 2011 (auch online verfügbar). Niemand hat bisher den
Einfluss der Säkularisation auf funktionale Strukturen schlesischer Städte analysiert.
7 GStA PK Berlin, I HA, Rep. 46 B, Nr. 168, hier detailliert: Bl. 225–244, 347–551. In den Archivbeständen
befinden sich Akten, in denen grundlegende Informationen über die Säkularisation in Schlesien verzeichnet
sind. Das sind v.a.: I HA, Rep. 74 L (II), Nr. 1; I HA, Rep. 74 L (II), Nr.14; I HA, Rep. 74 L (II), Nr.16; I HA,
Rep. 76, IV, Sekt. 7, Abt XIII, Nr. 8, Bd. 1.2; I HA, Rep. 76, IV, Sekt. 7, Abt XIII, Nr. 9, Bd. 1; I HA, Rep.
76, IV, Sekt. 7, Abt XIII, Nr. 11; I HA, Rep. 87 C, Nr. 263; I HA, Rep. 87 C Nr. 13221 I HA, Rep. 87 C Nr.
13253; I HA, Rep. 87 C Nr. 13304; I HA, Rep. 87 C Nr. 23757; I HA, Rep. 89, Geheimes Zivilkabinett, jüngere
Periode, Nr. 23796; I HA, Rep. 90 A, Nr. 2390, Nr. 2391; I HA, Rep. 96 A, Tit. 32E; I HA, Rep. 96 A Tit.
32K; XII. HA, VI, Nr. 1455 – Druckexemplar Edickt für die Einziehung sämtlicher geistlichen Güter in der
Monarchie 1810. Für diese Hinweise danke ich herzlich Herrn Dr. Ulrich Kober vom GStA PK Berlin. Quellen zur Säkularisation in Schlesien sind darüber hinaus zu finden in: I HA, Rep. 46 B, Nr. 168; I HA, Rep. 76,
III, Sekt. 15, Abt XX, Nr. 2; I HA, Rep. 76, III, Sekt. 15, Abt XX, Nr. 46; I HA, Rep. 151, I C, Nr. 8359–8396
(die Akten betreffen überwiegend die Säkularisation in Preußen, Nr. 8377 betrifft Schlesien), I HA, Rep. 151,
I C, Nr. 8663–8679 (betrifft Breslau und Schlesien); III. HA MdA I, Nr. 10957; III. HA MdA I, Nr. 11049; III.
HA MdA I, Nr. 11065 bis Nr.11067; III. HA MdA I, Nr. 11090 bis Nr.11100, III. HA MdA I, Nr. 11139; I HA,
Rep. 76, IV, Sekt. 7, Abt XII, Nr. 1 bis Nr. 47 (Schlesische Säkularisationskommission des Staatsrats Schultz
1812–1814); I HA, Rep. 74 M, XXIII B, Nr. 1 bis Nr. 23.
Die oben genannten Akten erörtern nicht erschöpfend die Informationen über die Archivbestände des GStA
PK Berlin.
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in der Habsburgermonarchie und von Katharina II. in Russland8 durchgeführt worden waren. Vielleicht jedoch waren die preußischen Vorgänge ein Vorbild für die
späteren Handlungen. So hatten die preußischen Behörden also bereits Mitte des
18. Jh. aufgrund einer detaillierten Umfrage, die an alle Klöster verschickt wurde,
einen genauen Wissenstand über das Kirchenvermögen gehabt, was sicherlich der
Ausgangspunkt für die zu Beginn des 19. Jh. eingeleiteten Schritte war.
Es ist allgemein bekannt, dass die Säkularisation in Preußen durchgeführt wurde,
weil u.a. große Kontributionszahlungen an das siegreiche Frankreich geleistet werden mussten. Man ging davon aus, dass die Veräußerung des Kirchenvermögens,
vor allem des schlesischen, dem gebeutelten Fiskus große Einnahmen bescheren
würde. 1809 wurde der Wert der kirchlichen Güter auf der Grundlage alter Kataster
auf insgesamt 6 775 100 Reichstaler geschätzt, wovon 1 228 340 Reichstaler auf
die fürstbischöflichen Güter und 5 546 760 Reichstaler auf Klostergüter fielen9. Alleine in Breslau wurde der Wert der Immobilien, die dem Fürstbischof, dem Fürstbischöflichen Ordinariat und den Klöstern gehört hatten, auf 932 000 Reichstaler
geschätzt10. In seinem Bericht vom März 1810 betonte Kottwitz, welch wunderbare
Klostergüter sich in Schlesien befänden, wie viel Erträge sie brächten und dass deren Verkauf außerordentlich lohnenswert sein würde. Er unterstrich ebenso, dass die
Klosteraufhebung bereits seit 1804 in Erwägung gezogen worden sei11. Der Wille
zur Plünderung des materiellen Erbes der schlesischen Klöster und fürstbischöflichen Güter war also unverkennbar, daher wurde die Unterzeichnung des Ediktes
unter strengster Geheimhaltung verwahrt12. Man wollte nicht, dass in den Klöstern
irgendwelche Schritte unternommen würden, um Habe, Wertpapiere sowie bewegliche Güter zu schützen und abzusichern13. Die Säkularisation sollte eine Überraschungsaktion sein.
Diese Entscheidung war von der Überzeugung getragen, dass die Säkularisation bereits in anderen Staaten erfolgreich durchgeführt worden war. Maßgeblich
war auch die Auffassung, dass die einst mit der Gründung der Klöster verfolgte
Zielsetzung nun nicht mehr zeitgemäß sei und daher anders sowie besser realisiert
werden könnte. Von dem Verkauf der Klostergüter versprach man sich die stufenweise Rückzahlung der Kontributionen an Frankreich und die Zufriedenstellung
des Verlangens der „gläubigen Untertanen“ nach einer eigenen Vermögensvergrö8 P. P. GACH, Kasaty zakonów na ziemiach, S. 22f., 152.
9 GStA PK Berlin, I HA, Rep. 151, I C, Nr. 8664, Bl. 14.
10 T. KULAK, Historia Wrocławia, S. 135. Vgl. Archiwum Państwowe we Wrocławiu [Staatsarchiv Breslau]
(weiter als: AP Wrocław), Akta Miasta Wrocławia [Akten der Stadt Wrocław], Sign. 228f.
11 GStA PK Berlin, I HA, Rep. 151, I C, Nr. 8664, Bl. 3–14, detaillierte Wertaufzählung einzelner Klöster.
12 T. KULAK, Historia Wrocławia, S. 135f.
13 Die Ordensbrüder mussten als Privatpersonen innerhalb von vier Wochen die Klöster verlassen. Sie durften ihre eigene Kleidung, ihr Bett, die Möbel aus der Klosterzelle, eigene Bücher, wenn die Säkularisationskommission dieses Eigentumsverhältnis feststellte, ein Messer, eine Gabel, einen Löffel und unentbehrliches
Geschirr mitnehmen. Vgl. Instruktion für die zur Aufhebung der Klöster und Stifter bestellten Commissarien,
O. LINKE, Friedrich Theodor von Merckel, S. 303f.
Die funktionale Umgestaltung der Breslauer Klostergebäude
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ßerung14. Keine dieser Absichten wurde umgesetzt und der tatsächliche Erlös aus
dem Verkauf des Kirchenbesitzes betrug die Hälfte der erwarteten Summe (540 000
Reichstaler)15.
In der Fachliteratur blieb ein anderer aus dieser Maßnahme resultierender Profit
bisher unbemerkt: Der Staat zog kirchliche Gebäude ein, die nicht selten gerade
erst errichtet oder frisch renoviert worden waren. Diese Bauten wurden zwar zum
Teil verkauft, doch wurde ein bedeutender, in den Städten sogar überwiegender
Teil für die Unterbringung der Behörden und diverser öffentlicher Einrichtungen
bestimmt. Dieser Nutzen ließ sich nicht in Geldeinheiten umrechnen, er war jedoch
unabdingbar, damit reformierte Verwaltungsstrukturen und der Staat funktionsfähig
blieben16. Preußen war damals finanziell nicht in der Lage, neue Repräsentationsgebäude zu errichten. Der einzige Weg zur Erreichung dieses Ziels in Schlesien
waren die Säkularisation und der Aufkauf von adeligen Stadtpalais. Beide Methoden wurden in Breslau umgesetzt und stellten einen der wesentlichen Antriebe der
Altstadtentwicklung dar. Es sei angemerkt, dass diese Art der Verwendung von Kirchenvermögen für ganz Preußen charakteristisch war. Deshalb wurde bei der Aufhebung des kirchlichen Besitzes in Großpolen in der ersten Hälfte des 19. Jh. auf die
in Schlesien gesammelten Erfahrungen zurückgegriffen.
Um die Säkularisation in Schlesien durchzuführen, berief der preußische König
die Haupt-Säkularisations-Commission ein, die zunächst geheim war. Mitglieder
der Kommission waren: der Oberpräsident von Schlesien, Ewald Georg von Massow, Präsident Christian August Heinrich Curt von Haugwitz, der Vizepräsident des
Regierungsbezirkes Breslau, Friedrich Theodor von Merckel, die Staatsräte Schultz
und Wilckens sowie der Regierungsrat Sack, die von Hilfsarbeitern unterstützt wurden17. Das Edikt betraf mehr als 100 schlesische Klöster und Stifte, das Domkapitel
und das geistliche Fürstentum Neisse-Ottmachau, das den Breslauer Fürstbischöfen
gehört hatte.
In Breslau wurde die Durchführung der Aufhebung vor allem von Generallandschaftsdirektor von Haugwitz und Staatsrat Wilckens beaufsichtigt. Innerhalb der
14 Diese „Aufgabe“ wurde größtenteils realisiert. So wurden bspw. die Prämonstratensergüter in Krieblowitz
Feldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher übergeben; die Ottmachauer Bischofsgüter bekam Wilhelm
von Humboldt. Die Malteserkomenden in Striegau, Goldberg und Löwenberg erhielt Fürst Friedrich Wilhelm
Paul Radziwiłł, vgl. GStA PK Berlin, III. HA MdA I, Nr. 11049. Vgl. H. Ch. MEMPEL, Die Vermögenssäkularisation, S. 15f.
15 O. LINKE, Friedrich Theodor von Merckel, S. 144. Siehe auch den Artikel von A. Reinke in diesem Band.
16 Die vom Staat eingezogenen Gebäude sind bisher noch nie zusammengezählt worden. Es sind auch keine
Forschungen über den Handel mit diesen Immobilien durchgeführt worden. Forscher (vor allem die katholischen) unterstreichen berechtigterweise die negativen Folgen der Säkularisation (insbesondere wenn es um
die Zerstreuung der Kunstschätze und Archivalien, aber auch um die königliche Schenkwut beim Kirchenvermögen geht). Der erzielte Gewinn des Staates, der mit der neuen Art des Wirtschaftens mit den Immobilien
erzielt wurde, wird jedoch nicht berücksichtigt.
17 Ibidem, S. 81f., 305–307. Die Kommission traf sich zum ersten Mal in dieser Zusammensetzung am
19.11.1810. Ibidem, S. 83.
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Altstadt und auf der Sandinsel wurden elf Klosterkomplexe eingezogen. Auf der
Dominsel wurden die den Mitgliedern des aufgelösten Domkapitels sowie des Kapitels der Stiftskirche zum Heiligen Kreuz gehörenden Gebäude aufgehoben. Der
Staat übernahm auch Wirtschaftsgebäude der Klöster (z.B. Mühlen) und unbebaute
Grundstücke auf der Dominsel. Abgesehen von der Altstadt brachte die Veräußerung von Kloster- und fürstbischöflichen Gütern, die sich in den Breslauer Vorstädten und in den umliegenden Dörfern befanden, einen Erlös. Diese Güter wurden
rasch an private Investoren verkauft. Mit dem Erlöschen der kirchlichen Jurisdiktion konnte die gesamte Stadt, die 1808 erweitert wurde, von einem einheitlichen
juristisch-administrativen System erfasst werden. Das war einer der Gründe für
eine schnelle Urbanisierung der Vorstädte, in denen es sehr früh zur Bodenspekulation kam.
Die Ordensgemeinschaften, die im Schuldienst und in der Krankenpflege tätig
waren, wurden nicht aufgehoben. In Breslau betraf das lediglich zwei Frauen- und
einen Männerorden. Im Altstadtgebiet durften nur die Elisabethinerinnen in ihrem
angestammten Klostergebäude bleiben. Sie führten ein Krankenhaus in der Antonienstraße (heute: ul. św. Antoniego). In diesem Kloster hatten sie jedoch erst seit
einigen Jahren ihren Sitz, denn sie hatten das Gebäude 1793 von den FranziskanerReformaten übernommen. Auch die Barmherzigen Brüder durften ihre Kirche und
ihr Kloster mit dem Krankenhaus in der Klosterstraße (heute: ul. R. Traugutta) behalten. Es war zumindest so weit entfernt vom Stadtzentrum gelegen, dass es für
die staatlichen Behörden wenig attraktiv schien. Dagegen mussten die Ursulinen ihr
Ordenshaus an der Schuhbrücke (heute: ul. Szewska 49) verlassen und stattdessen
1811 in einen großen Klosterkomplex der Klarissen am Ritterplatz (heute: pl. Nankiera) einziehen, wobei sie durch diesen Tausch viel gewannen. In ihrem neuen Sitz
bauten sie das Kloster und die Mädchenschule, deren Eröffnung sie gleich nach dem
Umzug planten, aus18.
Im Nordteil der Altstadt, aber auch im Süden, am Schweidnitzer Tor, wurden die
Klostergebäude und die zu den Klöstern gehörigen Grundstücke größtenteils überregionalen öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt, was die Entstehung
eines markanten Stadtzentrums wesentlich förderte. In den neu gewonnenen Objekten wurden staatliche Behörden, die Universität und diverse Schultypen untergebracht19. Die Veränderungen wurden hauptsächlich in den Jahren 1810–1820 durchgeführt. Von den neuen Ämtern kam das Oberlandesgericht 1815 in den Besitz des
prachtvollsten Gebäudes, der aufgehobenen Prämonstratenserabtei St. Vinzenz am
Ritterplatz, der Nordeinfahrt nach Breslau (heute: pl. Nankiera 15)20. Das dreischiffige und dreigeschossige Gebäude mit reich verzierter barocker Innenausstattung
18 GStA PK Berlin, I HA, Rep. 74 (M), XXIII B, Nr. 15.
19 GStA PK Berlin, I HA, Rep. 93 D, XIV Gc, Nr. 3, Bd. 1, die Akten aus den Jahren 1811–1819 betreffen
die Zweckumwidmung der Klostergebäude.
20 Zur Übergabe des Klosters vgl. GStA PK Berlin, I HA, Rep. 74 (M), XXIII B, Nr. 7, 16.
Die funktionale Umgestaltung der Breslauer Klostergebäude
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war „seinem Konzept nach den prächtigsten Stadtpalais Prags und Wiens nahe“21,
wie in der Fachliteratur unterstrichen wird.
Der Hauptsäkularisationskommission lag viel daran, den nördlichen Teil der Altstadt neu zu ordnen. Bereits 1811 wandte sie sich an den preußischen Staatskanzler,
Karl August von Hardenberg, mit der Bitte um die Erlaubnis, die Stadtmauern und
die Zubauten, die die Klöster umringten, abzureißen. In der schriftlichen Begründung hieß es, der Ritterplatz gehöre zu den lebhaftesten Straßen und man müsse
nach der Verschönerung dieser Umgebung streben22. Die Stadtbehörden übernahmen die Initiative. Nachdem das Sandtor 1816 abgerissen, die Stadtmauer samt
den Zubauten geschleift und Ordnungsarbeiten durchgeführt worden waren, hatte
man um 1820 eine freie Sicht auf die ehemaligen Kirchen- und Klostergebäude der
Prämonstratenser und der Klarissen (nach der Säkularisation: Ursulinen). Darüber
hinaus wurde der nördliche Teil des Ritterplatzes mit Pappeln bepflanzt. Das war
eine der ersten Maßnahmen zur Begrünung des Altstadtkerns. Die auf diesem Weg
durchgeführten Bauarbeiten hingen sicherlich mit der neuen Funktion dieses Gebietes zusammen, das mit staatlichen Behörden und Schulen eng verbunden war.
Nachdem neben der Sandbrücke um 1825 ein monumentales Mietshaus von Karl
Gottlieb Feller und auf der anderen Oderseite eine Villa von Karl Friedrich Langhans errichtet worden waren, wurde nicht nur der architektonische Rahmen für die
Haupteinfahrt in die Stadt vom Norden und von der Dominsel her geschaffen, sondern auch der Zugang zu den neuen universitären Einrichtungen in der ehemaligen
Augustiner-Chorherrenabtei auf der Sandinsel schön bewirtschaftet23.
Dass das Gericht mit der Prämonstratenserabtei St. Vinzenz ein geräumiges und
unter architektonischen Aspekten effektives Gebäude erhielt, war ohne Zweifel mit
der in Preußen durchgeführten Justizreform verbunden. Das Oberlandesgericht kam
zusätzlich in den Besitz eines weiteren aufgehobenen Klosters. Es war das im Süden
der Stadt gelegene Kloster der Augustiner-Eremiten an der Schweidnitzer Straße
(heute: ul. Świdnicka 20). Es war nicht groß und auch nicht allzu repräsentativ, um
dort Behörden unterzubringen. 1811 bekam das Stadtgefängnis in den ehemaligen
Wirtschaftsgebäuden des Klosters einen neuen Standort24.
21 A. ŻUREK, Dawny klasztor Franciszkanów, następnie Norbertanów, obecnie siedziba Wydziału Filologicznego Uniwersytetu Wrocławskiego, pl. Biskupa Nankiera 5 [Ehemaliges Kloster der Minoriten, dann der
Prämonstratenser, gegenwärtig der Sitz der Philologischen Fakultät der Universität Breslau], [in:] J. HARASIMOWICZ (Hg.), Atlas architektury Wrocławia [Architekturatlas Breslaus], Bd. 1: Budowle sakralne, świeckie
budowle publiczne [Sakralbauten, weltliche öffentliche Bauten], Wrocław 1997, Nr. 18, S. 21.
22 GStA PK Berlin, I HA, Rep. 74 (M), XXIII B, Nr. 7, Schreiben vom 20.05.1811.
23 A. ZABŁOCKA-KOS, Zrozumieć miasto, S. 209–214, 221f.; I. BIŃKOWSKA, Natura i miasto. Publiczna
zieleń miejska we Wrocławiu od schyłku XVIII do początku XX wieku [Natur und Stadt. Öffentliche Grünanlagen in Breslau vom Ende des 18. bis zum Beginn des 20. Jh.], Wrocław 2006, S. 86.
24 L. BURGEMEISTER, G. GRUNDMANN (Hg.), Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau, Tl. 2: Die kirchlichen
Denkmäler der Altstadt (Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien, 1, Die Stadt Breslau, 2), Breslau
1933, S. 126. 1817 wurde im Kloster auch das protestantische Provinzialgericht untergebracht, T. KULAK,
Historia Wrocławia, S. 136. Die Universitätsverwaltung war bemüht, hier Wohnungen für Professoren einzu-
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Agnieszka ZABŁOCKA-KOS
Gleichzeitig mit der Justizreform wurde in Anlehnung an die Städteordnung der
preußischen Monarchie auch eine Polizeireform durchgeführt. In Folge dessen wurde das Polizeipräsidium im ehemaligen Palais der Fürsten von Liegnitz-Brieg an der
Schuhbrücke (heute: ul. Szewska 49) eingerichtet, nachdem die Ursulinen dieses
Gebäude hatten verlassen müssen25. Auch wenn dieser Bau nicht so prächtig wie die
St. Vinzenzabtei war, war er früher eine Fürstenresidenz gewesen (bis heute sind die
Familienwappen erhalten geblieben) und hatte über ein prächtiges gotisches bzw.
barockes Interieur verfügt, das den Repräsentationszwecken in adäquater Weise
entsprach. Umso mehr eignete sich dieses Objekt daher zur Unterbringung einer
wichtigen staatlichen Behörde. Es scheint, dass eine solche Kumulierung der Judikative und Exekutive in einem einzigen Stadtteil nicht nur aus der Regulierung der
Eigentumsverhältnisse hervorgegangen ist, sondern dass sie mit einer weitergehenden Idee verbunden war, die Gewichtung der hochrangigsten staatlichen Behörden
an einem genau bestimmten Ort zu manifestieren. Nicht zufällig wurde wohl im
benachbarten Gebäude, neben der Polizei, im ehemaligen Palais der Grafen von
Matuschka an der Schuhbrücke (heute: ul. Szewska 48) das Breslauer Meldeamt
und gleich neben ihm das Königliche Polizeigefängnis eingerichtet. Dieses hat auch
das sich in direkter Nachbarschaft zur Universität und zum katholischen Gymnasium am Universitätsplatz 15 (heute: pl. Uniwersytecki 15) befindliche Gebäude
eingenommen. Soviel die Unterbringung von Behörden in repräsentativen Bauten
aus der Berliner Perspektive für sich sprach, soviel wurden diese Maßnahmen in
Breslau anfänglich höchstwahrscheinlich ganz anders aufgenommen, wovon die
Aussagen der Breslauer Stadträte indirekt zeugen. Die Zurschaustellung der Staatsgewalt hatte beinahe schon einen absolutistischen Beigeschmack und widersprach
richten. Bei der Ablehnung dieser Bitte bediente sich die Kommission des Arguments, dass der Zustand der
Gebäude zu schlecht und die Umgebung ein „schmutziger und abgelegener Winkel“ sei, in dem keine Repräsentanten der gesellschaftlichen Oberschicht wohnen sollten. Vgl. GStA PK Berlin, I HA, Rep. 74 M, XXIII
B, Nr. 17, Schreiben vom 17.01.1811. Bereits 20 Jahre später veränderte sich die Situation diametral. Der
geschätzte Stuckateur Echtler bemühte sich um eine Wohnung und um Arbeitsräume in den Klostergebäuden.
Er unterstrich, dass ihm seine Werkstätte im Katharinenkloster „geraubt“ worden sei, ibidem, Schreiben vom
7. und 22.11. sowie 14.12.1812. Letztendlich bekam er dort eine Wohnung zugewiesen, ibidem, Schreiben
vom 05.09.1815. Diese und weitere zahlreich erhaltene Korrespondenz ist ein Zeugnis dafür, wie Privatpersonen von der Säkularisation profitieren wollten. Darunter waren bekannte Persönlichkeiten (Künstler, Lehrer,
Juristen, aber auch Kaufleute). Über die Übergabe der Prämonstratenserabtei vgl. auch ibidem, Nr. 16; über
das Kloster der Augustiner-Eremiten („Minoritenkloster“) ibidem, Nr. 17.
25 Die Ursulinen hatten das Kloster seit 1709 besessen, J. HARASIMOWICZ, Dawna kuria książąt legnicko-brzeskich, obecnie siedziba Instytutów Historii, Historii Sztuki i Filologii Klasycznej Uniwersytetu Wrocławskiego, ul. Szewska 49 [Das ehemalige Kurialgebäude der Fürsten von Liegnitz-Brieg und der
gegenwärtige Sitz der Institute für Geschichte, Kunstgeschichte und klassische Philologie der Universität
Breslau, ul. Szewska 49], [in:] IDEM (Hg.), Atlas architektury Wrocławia [Architekturatlas Breslaus], Bd. 2:
Budowle mieszkalne, budowle inżynieryjne i przemysłowe, parki, cmentarze, pomniki [Wohnbauten, Ingenieurs- und industrielle Bauten, Parks, Friedhöfe und Denkmäler], Wrocław 1998, Nr. 335, S. 9. Vgl. GStA
PK Berlin, I HA, Rep. 74 M, XXIII B, Nr. 12. Auch in diesem Gebäude wollte die Universität Wohnungen
für Professoren einrichten lassen, was teilweise gelang. Es war quasi ein Vorspiel zu den 120 Jahren später
umgesetzten Handlungen, vgl. unten.
Die funktionale Umgestaltung der Breslauer Klostergebäude
357
gewissermaßen der Idee der kommunalen Selbstverwaltung, die in der Städteordnung festgeschrieben worden war.
Fast genauso wichtig wie die Verwaltungsreform war die Bildungsreform. Sie
war mit einer groß angelegten sozialen Reform verbunden. Ihr wesentlicher Zweck
bestand darin, einen neuen, selbständigen Menschen, ein Mitglied der neuen Gesellschaft zu formen, der den Herausforderungen der Zeit und der Modernisierung
des Landes gewachsen sein sollte. Die Bildungsreform legte Nachdruck auf den
allgemeinen Zugang zur Lehre, indem sie das Grundschulsystem entwickelte, neue
Aufgaben und Zielsetzungen für die gymnasiale Bildung setzte und die preußische
Universitätslandschaft grundlegend reformierte. Ganz gewiss hat die Säkularisation
zum Erfolg dieser Reform beigetragen. Dank dieser Reform bekamen zahlreiche
Schulen großzügige Räumlichkeiten in ehemaligen Klostergebäuden, wodurch sie
unter guten Bedingungen funktionieren konnten. Das lässt sich in Breslau deutlich
erkennen.
Eines der Hauptziele der preußischen Bildungsreform, die ein Teil der allumfassenden Modernisierung des Staates war, war die Umgestaltung der Universitäten
und die Festlegung neuer Ziele für die Lehre, an die sich die Hochschulen halten
sollten. Durch die Napoleonischen Kriege verlor Preußen einige Hochschuleinrichtungen im Westen Deutschlands und in Franken, vor allem aber die Hauptuniversität in Halle. Die Bildungsreform hatte für Schlesien eine besondere Bedeutung,
denn sie führte 1811 zur Gründung einer staatlichen Universität. Sicherlich wäre
die Universität Breslau ohne die Säkularisation nie auf der Landkarte Preußens verzeichnet worden26.
Für die Umwandlung des 1776 aus der Jesuitenschule entstandenen Königlichen
Schulinstituts in eine staatliche Universität sprachen vor allem politische und gesellschaftliche Gründe. Die Frage nach einer adäquaten Lokalisierung dieser Einrichtung war jedoch auch nicht weniger von Bedeutung. Die neue Hochschule wurde im
Gebäude der 1702 gegründeten Leopoldina untergebracht. Das war zweifellos das
repräsentativste Bauwerk Breslaus, das in den Jahren 1728–1736 errichtet worden
war. Von Anfang an sollte es als Schulgebäude dienen und es war sehr funktional.
Das Gebäudeinnere zeichnete sich durch die schönsten Säle Breslaus aus: die Aula
Leopoldina und den Musiksaal, der früher als Kapelle genutzt worden war. Das
Vorhandensein dieser Säle konnte für die Symbolik der neuen preußischen Universität in Schlesien nicht ohne Bedeutung bleiben. Dank der Säkularisation konnten
in den ehemaligen Klöstern neugegründete Universitätsinstitute und die mit ihnen
zusammenarbeitenden Institutionen untergebracht werden27.
26 Aus der vom Erlös der Klostergüter erzielten Steuer wurde ein Universitäts- und Schulfonds für Schlesien
eingerichtet, GStA PK Berlin, I HA, Rep. 151, I C, Nr. 8673. Die neue Hochschule zehrte auch finanziell vom
ehemaligen Königlichen Schulinstitut und der mit ihm zusammengelegten Viadrina in Frankfurt an der Oder.
27 Zu den Gebäuden der Universitäten Breslau vgl. A. ZABŁOCKA-KOS, Budynki i ich wyposażenie [Gebäude und ihre Ausstattung], [in:] J. HARASIMOWICZ (Hg.), Księga Pamiątkowa Jubileuszu 200-lecia utworzenia
358
Agnieszka ZABŁOCKA-KOS
Sie bezogen ihre Räumlichkeiten im Prinzip in zwei aufgehobenen Klosterkomplexen, die sich im nördlichen und östlichen Teil des Stadtzentrums befanden, der
ehemaligen Augustiner-Chorherrenabtei auf der Sandinsel (heute ul. św. Jadwigi)
und dem nahegelegenen Dominikanerinnenkloster St. Katharina (heute: ul. św. Katarzyny). Zusätzlich wurde entlang der alten Stadtbefestigungsanlage im nördlichen
Teil der Dominsel ein fünf Hektar großes Grundstück für den universitätseigenen
Botanischen Garten bestimmt. Die neue Hochschule wurde nicht nur mit geräumigen, sondern auch mit relativ neuen Gebäuden ausgestattet, denn sie waren erst rund
hundert Jahre alt. Dagegen wurde der große Ostflügel des Chorherren-Stiftes erst
1802 fertiggestellt. Im ehemaligen Stift wurde der Sitz dreier zentraler universitärer und staatlicher Institutionen eingerichtet: der Bibliothek, des Archivs und des
Königlichen Museums für Kunst und Altertümer. Ihre Gründung war eine direkte
Folge der Säkularisation und der Maßnahmen zum Schutz der Klosterbestände, allerdings ging sie sicherlich auch auf die aufklärerische Idee einer modernen Universität mit mehreren Fakultäten zurück. Mit der Universitätsbibliothek verbunden war
ein Archiv, das Dokumente aus aufgehobenen Klöstern sammelte. Die Gründung
eines modern organisierten Archivs, das die Kenntnis der Geschichte des eigenen
Landes vertiefen sollte, entsprach dem Zeitgeist, ging aber auch mit Raub und nicht
selten mit gedankenloser Zerstörung wertvoller Dokumente und Akten einher. Die
Verluste lassen sich bis heute nicht abschätzen. Die dritte im ehemaligen Stift auf
der Sandinsel platzierte Institution war die Gemäldegalerie, die am 29. Juni 1815
für die breite Öffentlichkeit eröffnet wurde. Auch wenn sie lediglich wenige Säle
einnahm und ihre Übertragung in ein separates Museumsgebäude erst rund 70 Jahre
später erfolgen sollte, nahm sie eine außerordentlich wichtige Stellung ein. Sie war
nämlich der Kern des ersten öffentlichen Museums in der Stadt. Für preußische Verhältnisse war sie als erste öffentliche Galerie eine Sensation. 1818 wurde im selben
Gebäudetrakt die „Kunst- und Alterthumssammlung“ eingerichtet. 1825 wurde diese um eine Sammlung antiker Gipsabgüsse erweitert. Die Galerie hieß ursprünglich
„Königliches Museum für Kunst und Altertümer“. Sie diente nicht nur universitären
Forschungen und der Didaktik sowie schlesischen Künstlern und Besuchern, sondern wurde quasi zur Lagerstätte der sehr wichtigen 1791 eröffneten Provinzialkunstschule, der späteren „Königlichen Kunst-, Bau- und Handwerkschule‟28.
In Folge der Säkularisation bekam die Universität weitere Räumlichkeiten für die
medizinische Fakultät und für das Impfinstitut, das Pockenschutzimpfungen durchführte. Im Dominikanerinnenkloster St. Katharina wurden Kliniken für Chirurgie
Państwowego Uniwersytetu we Wrocławiu [Gedenkbuch zum 200. Jubiläum der Gründung der staatlichen
Universität Breslau], Bd. 2: Universitas litterarum Wratislaviensis 1811–1945, Wrocław 2013, S. 472–491.
28 P. ŁUKASZEWICZ (Hg.), Muzea sztuki w dawnym Wrocławiu = Kunstmuseen im alten Breslau, Wrocław
1998, S. 27f., 159f., dort mit umfangreicher Bibliographie; M. HAŁUB, Johann Gustav Gottlieb Büsching
1783–1829. Ein Beitrag zur Begründung der schlesischen Kulturgeschichte (Acta Universitatis Wratislaviensis, 1978), Wrocław 1997, S. 67f.; P. HÖLSCHER, Die Akademie für Kunst und Kunstgewerbe zu Breslau. Wege
einer Kunstschule 1791–1932, Kiel 2003, dort mit umfangreicher Bibliographie.
Die funktionale Umgestaltung der Breslauer Klostergebäude
359
sowie Entbindungsstationen mit einer Entbindungsschule eröffnet. Diese Maßnahmen haben jedoch die Investitionstätigkeit in diesem Stadtteil nicht weiter angeregt,
so dass diese Umgebung noch lange sehr vernachlässigt und arm blieb29.
Die Unterrichtsreform umfasste nicht nur die Universitäten, sondern auch die
untergeordnete Ebene des Hochschulwesens, die sich zwischen dem Gymnasium
und der Universität befand. Besonderen Wert legte der preußische Staat auf die
Lehrerausbildung, was mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht einherging.
Allgemein galten die Lehrer als schlecht ausgebildet, daher gehörte die Gründung
von Schullehrerseminaren zu einem wesentlichen Anliegen der Bildungsreform. Im
Vordergrund stand ein modernes Ausbildungsprogramm, das den neuesten pädagogischen Erkenntnissen folgte. Insbesondere galt das für die Rezeption der Theorie
von Johann Heinrich Pestalozzi. Die in Unaufgeklärtheit steckende und oft beklagenswert ungebildete Lehrkörperschaft sollte systematisch zu einer Gruppe von
Spezialisten ausgebildet werden und durch eine reformatorische Begeisterung für
die Formung des neuen Menschen charakterisiert sein.
In Folge der Säkularisation wurde im ehemaligen Kloster der Augustiner-Chorfrauen auf der Sandinsel das Katholische Schullehrer-Seminar untergebracht. Das
Klostergebäude befand sich in der Neuen Sandstraße (heute: ul. św. Jadwigi 12) und
wurde nach dem Brand von 1791 wiederaufgebaut, war also frisch renoviert. Das
Evangelisch-Theologische Schullehrer-Seminar nahm seine Tätigkeit dagegen im
aufgehobenen Kloster der Franziskaner-Reformaten in der Neustadt auf. Dort befindet sich heute die Kunstakademie (pl. Polski 3/4). Beide Seminare verfügten über
Internate, Speisesäle, Lernräume etc. Für damalige Verhältnisse waren sie modern
ausgestattet. Sie lagen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Universitätsbibliothek
auf der Sandinsel und waren damit ein weiteres Element des „Bildungspols“ im
nördlichen Teil der Altstadt.
Von der Säkularisation profitierten auch die Breslauer weiterbildenden Schulen.
Die Gymnasien als das wichtigste Kettenglied der preußischen Bildungsreform waren staatliche Schulen und deren Lehrer Beamte. Die Breslauer Gymnasien waren
seit der Reformation strikt in katholische und evangelische geteilt. Das seit 1638
existierende katholische Matthiasgymnasium, das als Gegenpol zu den beiden evangelischen städtischen Schulen, St. Elisabeth-Gymnasium und Maria-MagdalenaGymnasium, gegründet worden war, war mit den Jesuiten verbunden und wurde 1776
mit dem Königlichen Schulinstitut zusammengelegt. Nach seiner Auflösung und
der Gründung der Universität wurde es in „Königliches St. Matthias-Gymnasium“
29 L. BURGEMEISTER, G. GRUNDMANN, Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau, Tl. 2: Die kirchlichen Denkmäler der Altstadt (Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien, 1, Die Stadt Breslau, 2), Breslau 1933,
S. 250f. (Seit 1833 war dort die Anatomie, seit 1839 das Institut für Physiologie untergebracht). Die Dominikanerinnenkirche kaufte der Kaufmann Friedrich Wilhelm Friesner auf und nutze sie als Weinlager und
-Keller. Gegen 1830 kaufte das Gebäude die altlutherische Gemeinde, die es im ersten Stock für liturgische
Zwecke nutzte, ibidem. Über das Dominikanerinnenkloster vgl. GStA PK Berlin, I HA, Rep. 74 (M), XXIII
B, Nr. 6 und besonders Nr. 13.
360
Agnieszka ZABŁOCKA-KOS
umbenannt und, wie es bei dieser Schulform üblich war, dem Staat unterstellt. Gemäß den Bestimmungen des Ediktes, das die Zusammenlegung der Universitäten
in Frankfurt an der Oder und Breslau verfügt hatte, wurde dem Gymnasium 1811
das Klostergebäude der Kreuzherren mit dem roten Stern an der Schuhbrücke 37
(heute: ul. Szewska 37) übergeben. Von den drei (und ab 1813 vier) Breslauer
Gymnasien hatte St. Matthias unzweifelhaft den geräumigsten Baukomplex, in
dem auch ein Internat geführt wurde. Damit wurden zwei weiterführende katholische Schulen in die Reihe der Klosterstiftungen aus dem 13. Jh. entlang der
Ritterstrasse lokalisiert: „Königliches St. Matthias-Gymnasium für Jungen“ und
die Privatschule der Ursulinen in dem ehemaligen Klarissenkloster für Mädchen.
Im Vergleich zu den alten, engen und schlecht beleuchteten Gebäuden der beiden
ältesten evangelischen städtischen Gymnasien konnten die neuen katholischen
Schulen nicht nur bei Schülern, sondern auch bei den Schulleitern geradezu Neid
aufkommen lassen. Keine andere Einrichtung verfügte z.B. über eine solch repräsentative Bibliothek, die im Belvedere der Sommerprälatur im Nordflügel des
Kreuzherrenklosters untergebracht war. Von dort aus erstreckte sich ein malerischer Blick auf die Oder und die Vorstädte.
Zu den größten Besitzerwechseln kam es bei den ehemaligen fürstbischöflichen
Gütern auf den Oderinseln: der Sandinsel, der Hinterbleiche und Vorderbleiche sowie vor allem auf der Dominsel. Im Rahmen der Säkularisation von 1810 wurden
die Immobilien des Domkapitels und des Kapitels der Stiftskirche zum Heiligen
Kreuz auf der Dominsel, die einst Bischofsgebiet gewesen war, Staatseigentum.
Die Gebäude des Fürstbischöflichen Ordinariats an der Domstraße (heute: ul. Katedralna) konnten bald von dem 1812 wiederhergestellten Domkapitel aufgekauft
werden. Die auf dem Gebiet der früheren Fürstenburg gelegenen Bauten des Kreuzkirchenkapitels (an der Martinstraße; heute: ul. św. Marcina) wurden zweckumgewidmet. Sie wurden vom Schulwesen und von der sozialen Fürsorge genutzt. Damit änderte das Burggebiet, das bereits vor langer Zeit parzelliert worden war und
auf dem sich die Kapitulare nicht selten sehr elegante Residenzen errichtet hatten,
grundlegend seine Funktion und wurde in den öffentlichen Stadtraum von Breslau
einverleibt. Die 1887 erfolgte Absteckung der Martinstraße erlaubte es, diesen Teil
der Dominsel an das Kommunikationssystem des späteren Gneisenauplatzes (heute:
pl. Bema) anzugliedern.
1820 wurde das frühere Kurialgebäude an der Martinstraße (heute: ul. św. Marcina 7/9), in dem Domkapitular Libor wohnte, auf Initiative von Johann Georg Knie
zur Schule mit einem Internat für die Blinden-Unterrichts-Anstalt umgestaltet. In
den folgenden Jahren wurde das Gebäude um weitere Grundstücke, die einst den
Kapitularen gehört hatten, erweitert. Mitte des 19. Jh. wurde die Anstalt grundlegend umgebaut. In derselben Zeit wurde auf der anderen Seite des Platzes auf
den Grundstücken der Kanoniker Jungnitz und Frankenberg (heute: ul. św. Marcina
12/14) das Taubstummen-Erziehungs- und Unterrichts-Institut gegründet. Dieses
Die funktionale Umgestaltung der Breslauer Klostergebäude
361
unterhielt auch eine Schule und ein Internat30. Das Ordinariatsgebäude von Bischof
Emanuel Schimonsky in der Nähe des neuen Botanischen Gartens ging in den Besitz der Universität über und wurde von der chirurgischen Klinik genutzt31. Durch
die Säkularisation fanden sich in einem Gebiet, das sich bisher ausschließlich in
den Händen des katholischen Klerus befunden hatte, auf diese Weise überregionale
staatliche Institutionen wieder, deren Wirkungsgrad über Schlesien hinausreichte:
Die Universität und zwei Einrichtungen für Behinderte. Es wurden auch Kirchenmühlen an der Hinter- und Vorderbleiche verkauft. Zuletzt wurde in einem der ehemaligen Ordinariatsgebäude an der Domstraße 14 (heute: ul. Katedralna 14) das
Landgericht eingerichtet. Die schönste an der Martinstraße 3 (heute: ul. św. Marcina 3) gelegene Residenz, die Kanonikus Bastiani gehört hatte, samt einem großen,
an den Fluss reichenden Garten, erwarb die Freimaurerloge „Zur Säule“.
Um 1820 geriet die Homogenität der Dominsel und der anliegenden Inseln in Bezug auf das Eigentum und in gewissem Maße auf die Funktionalität komplett ins
Wanken. Von der westlichen Seite, also an der Hauptverbindung mit der linksufrigen
Stadt, drangen staatliche Einrichtungen stark ein. Darauf reagierte die katholische
Kirche in der zweiten Hälfte des 19. Jh. mit dem Ausbau eigener Institutionen im
östlichen Teil der Dominsel, um den Domplatz herum. In dieser katholischen Enklave lieferten sich Staat und Kirche im gesamten 19. Jh. einen erbitterten Konkurrenzkampf um die Vormachtstellung, Symbolik, Herrschaft und Bedeutung. Dieser Konflikt wurde im Kulturkampf in den 1870er Jahren, aber auch in der kommunistischen
Volksrepublik akut, als der Staat das Kirchengebiet erneut funktional veränderte und
dort u.a. eine ärztliche Ambulanz für die Hochschulen am Domplatz gründete. Nach
1989 versuchte die katholische Kirche, in diesem Gebiet noch stärker präsent zu sein,
wovon die Errichtung des eleganten Johannes-Paul-II.-Hotels, das an der Stelle des
im Zweiten Weltkrieg zerstörten Physikalischen Instituts steht, zeugt.
Von den Breslauer Klöstern, die 1810 vom Säkularisationsedikt betroffen waren,
wurden nur zwei nicht für öffentliche Zwecke umgewidmet. Das an einer unattraktiven Stelle, an der Grenze zwischen der Alt- und Neustadt, im ärmlichen Stadtteil um
den Kätzerberg gelegene Dominikanerkloster diente als Magazin und Lager (heute ist
es die Umgebung des Einkaufszentrums Galeria Dominikańska). Diese Gebäude wurden von der an dieser Stelle zu Beginn des 20. Jh. ausgebauten Reichspost genutzt32.
Auch die benachbarten Klostergebäude der Dominikanerinnen, die nicht für universitäre Zwecke vorgesehen waren, wurden verkauft: Zunächst die Klosterbrauerei, später die restlichen Objekte. Dort wurden u.a. kleine Manufakturen untergebracht. Auf den unbebauten Grundstücken des an das Königsschloss angrenzenden
30 AP Wrocław, Naczelne Prezydium Prowincji Śląskiej [Oberpräsidium der Provinz Schlesien], Sign. 643
und Sign. 658, die Akte betreffen beide Institute.
31 Dieses Gebäude wurde durch die königliche Kabinettsorder vom 16.03.1812 eingezogen, vgl. GStA PK
Berlin, I HA, Rep. 76, Va, Sekt. 4, Tit. X, Nr. 46, Bl. 175 und Nr. 17, Bd. I.
32 Über das Dominikanerkloster vgl. die Akten GStA PK Berlin, I HA, Rep. 74 (M), XXIII B, Nr. 2 und Nr. 14.
362
Agnieszka ZABŁOCKA-KOS
Kapuzinerklosters (Karlstraße, heute: ul. Kazimierza Wielkiego 36/37) wurde wiederum ein Schlossgarten der Königlichen Residenz eingerichtet. Die Klostergebäude samt der Hedwigskirche wurden dagegen verkauft. 1811 kaufte sie der bekannte
schlesische Architekt Karl Gottfried Geißler auf. Das Fronthaus baute er zu einem
der ersten modernen Mietshäuser Breslaus mit Geschäften im Erdgeschoss um33.
Die im Süden der Stadt, gegen Ende der Schweidnitzer Straße gelegene Fronleichnamskirche und die Johanniterkommende wurden auch aufgehoben. Insbesondere
das Grundstück der Kommende, das an den Exerzierplatz vor dem Königsschloss
grenzte, war sowohl für das Militär als auch für die Stadtbehörden attraktiv. Die
Verhandlungen über die Übernahme dieser Parzellen zogen sich aufgrund der komplizierten Eigentumsverhältnisse jahrelang bis 1828 hin34. Schlussendlich wurde das
Grundstück dem Militär zugeschlagen, das an dieser Stelle zu Beginn der 1840er
Jahre den Sitz des Generalkommandos errichtete. Auf dem anderen Teilstück der
Parzelle wurde nach heftigen Auseinandersetzungen das Stadttheater erbaut.
Die Bedeutung des Säkularisationsediktes kann man auch im Kontext des jahrhundertelangen Religionskonfliktes zwischen Protestanten und Katholiken betrachten. In der Gegenreformation bekamen die Breslauer mittelalterlichen Klöster in der
zweiten Hälfte des 17. und zu Beginn des 18. Jh. dank der Unterstützung des katholischen Österreichs eine reiche barocke Außen- und Innenausstattung. Diese Klöster
bildeten eine Reihe von repräsentativen Bauten auf der Dominsel und entlang des
Oderufers. Jan Wrabec schlägt vor, sie als „Pilgerroute“ zu bezeichnen:
Sie schreitet allmählich von Osten nach Westen fort, als wenn sie dem Oderlauf folgte, und die
aufeinanderfolgenden Gebäude wurden immer prächtiger. Wir haben es hier wie mit einem
stärker werdenden Rhythmus zu tun, dessen Schlussakkord das heutige Universitätsgebäude
darstellt. Als Ergebnis der beharrlichen Bemühungen einiger Klosteroberen, die von diversen
Beweggründen geleitet wurden, wurde mit Hilfe der aus Österreich und Böhmen herbeigeholten Architekten sowie mit Hilfe der lokalen Baumeister innerhalb von rund 50 Jahren ein
mehrgliedriger und vielfältiger, doch formal und stilistisch einheitlicher Gebäudekomplex
errichtet, der zu einem wichtigen Bestandteil der hiesigen Urbanistik geworden ist. Am
Südufer der Oder hat dieser Baukomplex scheinbar einen Vorposten geschaffen: Eine Basis
für Maßnahmen für die Rekatholisierung der in ihrem Protestantismus erstarrten Stadt. Ihre
Architektur sollte ein Symbol dieser Bemühungen sein35.
33 K. BIMLER, Die neuklassische Bauschule in Schlesiens, Hf. 4: Karl Gottfried Geißler, Breslau 1935,
S. 19f. Der Architekt kaufte das Grundstück für 6232 Reichstaler, das neue Haus kostete ihn 20.000 Reichstaler,
GStA PK Berlin, I HA, Rep. 74 M, XXIII B, Nr. 3, dort mit Plänen des Grundstückes nach der Säkularisation.
34 AP Wrocław, Akta Miasta Wrocławia [Akten der Stadt Wrocław], Sign. 15685 betrifft den Abriss der
Kommende, Sign. 14260 betrifft die Bewirtschaftung des Kommendegeländes. Vgl. A. ZABŁOCKA-KOS,
Zrozumieć miasto, S. 170f., 237f.
35 J. WRABEC, Barokowe kościoły i klasztory Wrocławia w perspektywie kulturowej miasta [Barocke Kirchen und Klöster Breslaus in der kulturhistorischen Perspektive der Stadt], [in:] J. ROZPĘDOWSKI (Hg.), Architektura Wrocławia [Architektur Breslaus], Bd. 3: Świątynia [Das Gotteshaus], Wrocław 1997, S. 185.
Die funktionale Umgestaltung der Breslauer Klostergebäude
363
Die Rekatholisierung setzte jedoch nicht ein. Die Annektierung Schlesiens durch
Friedrich II. im Jahre 1741 stellte die erste Etappe der „Protestantisierung“ der katholischen Enklaven dar und die Säkularisation war der Höhepunkt dieses Prozesses.
So nahm das evangelische, linksufrige Breslau die architektonischen Monumente,
welche die evangelischen Bürger mit ihrer Pracht und ideologischen Aussage gestört haben dürften, schlussendlich in Besitz. Nach 300 Jahren wurden die Prozesse,
die durch die Reformation ausgelöst worden waren, 1810 in Breslau schließlich
beendet. Die Katholiken blieben rund 70 Jahre im Schatten des Staates zurück und
im Kulturkampf wurde die Stellung der Kirche erneut ins Wanken gebracht. Erst an
der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kam es zu einer Wiederbelebung der katholischen Institutionen, was sich in architektonischen Konkurrenzmaßnahmen von
Katholiken und Protestanten deutlich zeigte. Die in dieser Zeit errichteten großen
Gotteshäuser verdrängten diesen Konflikt jedoch in die Vorstädte, weil die Baumaßnahmen in der Altstadt schon damals den städtebaulichen Funktionen der City entsprachen. Die Geschichte wiederholte sich erst 1945: In die Altstadt kamen Katholiken zurück und übernahmen die ehemaligen protestantischen Gotteshäuser. Dies
war eine triumphale Rückkehr, die in der Tradition und Geschichte begründet lag.
Zum Schluss lohnt sich ein Blick auf die Geschichte der säkularisierten Kirchenbauten im 19. und 20. Jh. Zweifellos profitierte die Universität Breslau am stärksten, die seit Beginn des 20. Jh. Klostergebäude auf dem Sekundärmarkt aufkaufte
und zu ihrem nächsten Besitzer wurde. Die Hochschule nahm zu der Zeit nahezu die
gesamte Neue Sandstraße (heute: ul. św. Jadwigi) ein. 1909 wurde das ehemalige
Kloster der Augustiner-Chorfrauen erworben. Die Stelle des Katholischen Lehrerseminars, das in ein neues Gebäude in Pöpelwitz umzog, nahmen ein Studentenheim und der Sitz einiger Universitätslehrstühle ein36. Bis heute erfüllt dieses Gebäude eine Bildungsfunktion (Evangelikale Theologische Hochschule). 1927 wurde
der schönste Sitz unter den Breslauer Studentenverbindungen bezogen: Das Haus
der CV-Verbindung Rheno-Palatia, das sich mit seiner Funktion in die Kategorie
der Universitätsgebäude in diesem Stadtteil einreihte (heute: Hotel Tumski, ul.
św. Jadwigi 7). Nahezu bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurden große Pläne
geschmiedet, um auf beiden Seiten der Neuen Sandstraße neue Institutionen und
die Universitätsbibliothek anzusiedeln, was jedoch nie gelang37. 1909 wurden zwei
ehemalige Kurialgebäude an der Martinstraße (heute: ul. św. Marcina 7/9) käuflich
erworben. Die dort untergebrachte Blindenanstalt zog ebenfalls nach Pöpelwitz. An
dieser Stelle wurde die neue Universitätsbibliothek geplant. Sie sollte ein schönes,
neobarockes Gebäude erhalten, was dem Oderkai Repräsentationscharakter verlie36 Bundesarchiv Berlin, R 4901, Nr. 1746 betrifft das Katholische Lehrerseminar; GStA PK Berlin, I HA,
Rep. 76, Va, Sekt. 4, Tit. XIX, Nr. 54, Bd. 1 betrifft das Gebäude an Martinstr. (ul. św. Marcina) 7/9.
37 Über diverse unverwirklichte Gebäudeprojekte für die Universität Breslau vgl. M. ZWIERZ (Hg.), Architektura budynków uniwersyteckich. Projekty ze zbiorów Muzeum Architektury we Wrocławiu [Die Architektur
der Universitätsgebäude. Entwürfe aus den Beständen des Architekturmuseums in Breslau], Wrocław 2002.
364
Agnieszka ZABŁOCKA-KOS
hen hätte. Diese Idee wurde nicht umgesetzt und erst in den 1920er Jahren wurden
dort diverse Universitätsinstitute untergebracht38. Nach den Kriegszerstörungen
wurde das Objekt nicht wiederaufgebaut, wodurch die Martinkirche exponiert wurde. Zusätzlich wurde vor der Kirche die Statue von Papst Johannes XXIII. aufgestellt. Dieser Raum wurde quasi symbolisch den Katholiken zurückgegeben.
Die tragische Situation der Universität nach dem Ersten Weltkrieg im Hinblick auf
die Gebäudemasse zwang ihre Selbstverwaltung zum Kauf eines jeden freien Objektes
in der Altstadt. Nach erbitterten Kämpfen konnte die Universität 1927 das ehemalige
Ursulinenkloster erwerben, welches nach 1810 Sitz des Polizeipräsidiums gewesen
war (Schuhbrücke, heute: ul. Szewska 49). Der Universität fehlte es an Vorlesungssälen und Räumlichkeiten für Lehrstühle und Institute. Aus didaktischer Sicht war dieses Gebäude für Unterrichtszwecke nicht geeignet (man hat sich wegen mangelnder
Beleuchtung beschwert). Trotzdem war es das einzige damals verfügbare Objekt in
der Nähe des Kollegiengebäudes, das in diesem Rahmen akzeptabel war. Nach einer
Generalrenovierung wurde es am 3. November 1930 feierlich übergeben39. Man sollte
nicht vergessen, dass die Universität dieses Gebäude kurz nach 1810 in Besitz genommen hatte. Dort wurden Wohnungen für Professoren eingerichtet (u.a. Prof. Friedrich
Ludwig Georg von Raumer)40. Bis heute ist es ein wichtiges Universitätsobjekt und
Sitz, wie vor dem Krieg, des Historischen Institutes.
Einen wichtigen Erwerb erzielte die Universität mit dem Sitz der Staatlichen
Akademie für Kunst und Kunstgewerbe (ehemaliges Franziskaner-Reformatenkloster) nach deren Schließung am 1. April 1932. Die Auflösung der Akademie wurde
von zahlreichen Protestschreiben, die auch aus der Reihe der Universität eingingen,
begleitet41. Es hat jedoch den Anschein, dass die Lehranstalt und das zuständige Ministerium eine starke Motivation zur Schließung der Akademie empfunden haben.
Dank dieser Maßnahme verfügten sie über ein großräumiges Gebäude, in dem die
Einrichtung eines Kunstzentrums für Schlesien geplant wurde. Schließlich wurden
die Kunstgeschichte, die Archäologie und das Archäologisches Museum dorthin
versetzt. Somit bekam das Museum nach 120 Jahren endlich eine adäquate Unterkunft. Es sei darauf hingewiesen, dass sich die Universität bereits in den 1840er
Jahren um dieses Gebäude bemüht hatte – damals jedoch vergebens42.
Die Universität übernahm auch nach 1945 Klostergebäude. Im Jahre 1965 wurde die Hochschule ein weiteres Mal um ehemals aufgehobenes Klostervermögen
38 GStA PK Berlin, I HA, Rep. 151, I C, Nr. 6721, Bd. 21.
39 GStA PK Berlin, I HA, Rep. 76, Va, Sekt. 4, Tit. XIX, Nr. 58.
40 Zur Gebäudeübernahme 1927 ibidem; über die Wohnungen von Professoren GStA PK Berlin, I HA, Rep.
74 (M), XXIII B, Nr. 12, Schreiben vom 03.05.1812 und folgende.
41 J. NOWOSIELSKA-SOBEL, Spór o nowoczesność. Konfrontacje postaw środowisk twórczych i odbiorców
sztuki we Wrocławiu w latach 1900–1932 [Der Streit um die Moderne. Die Meinungskonfrontationen der
Kunstschöpfer und Kunstrezipienten in Breslau in den Jahren 1900–1932] (Acta Universitatis Wratislaviensis,
2839, Historia, 172), Wrocław 2005, S. 88f.
42 GStA PK Berlin, I HA, Rep. 151, IV, Nr. 2018, Schreiben vom 15.09.1933.
Die funktionale Umgestaltung der Breslauer Klostergebäude
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bereichert, als sie einen repräsentativen Barockbau des früheren Prämonstratenserklosters und nach 1810 des Oberlandesgerichts bekam (gegenwärtig befindet sich
dort die Philologische Fakultät, pl. Nankiera 15). Damit wurde die zu Beginn des
19. Jh. in Gang gesetzte Gestaltung eines „Bildungspols“ in diesem Gebiet auch
nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt.
Die übrigen aufgehobenen Klöster hatten einen geringeren architektonischen
Rang, daher steckte ihr Wert hauptsächlich im Grundstück. Die Johanniterkommende am früheren äußeren Schweidnitzer Tor wurde bereits erwähnt. Ihre nach 1828
erfolgte Parzellierung erlaubte die Schaffung einer repräsentativen südlichen Stadteinfahrt. Der Sitz des Generalkommandos war ein wesentlicher Bestandteil des
nach 1841 um den Schlossplatz / Exerzierplatz (heute: pl. Wolności) herum formulierten Königsforums43. Das Stadttheater zeugte wiederum am effektivsten von der
Stärke des Breslauer Bürgertums und teilweise auch vom Einfluss des schlesischen
Adels. Dass beide Gebäude an dieser Stelle entstehen konnten, ist auch dem Abriss
der Stadtbefestigung und der Einrichtung einer schönen Promenade mit Graben zu
verdanken. Der letzte Akkord der räumlichen und architektonischen Veränderungen war die gegen Ende des 19. Jh. erfolgte Bewirtschaftung des Grundstückes
des ehemaligen Augustiner-Eremitenklosters. Seit der Säkularisation war dort ein
Gefängnis untergebracht. Die Modernisierung der Schweidnitzer Straße und vor
allem feierliche Einzüge des Monarchen über den Schlossplatz zeigten wesentlich
die Notwendigkeit auf, diesen äußerst exponierten Eckplatz neben dem Stadttheater
umzugestalten. Weil der Fiskus dem Verkauf dieses Grundstückes gegenüber vermutlich abgeneigt war, konnte es erst spät bebaut werden. In Folge von komplizierten Umtauschaktionen von Grundstücken konnten der Bankier Gideon Wallenberg-Pachaly und der Architekt Karl Grosser 1890 diese Parzelle aufkaufen44. An dieser
Stelle wurden das eleganteste Hotel in der Stadt, Monopol, und eines der damals
luxuriösesten Breslauer Geschäfte errichtet. Von allen eingezogenen Grundstücken
in der Altstadt konnte dort nur das Privatkapital repräsentative Objekte finanzieren.
Die übrigen Parzellen der ehemaligen Klöster gehörten diversen staatlichen Institutionen. Obwohl die Funktionen im Laufe der Zeit wechselten, so verblieben diese
Grundstücke dennoch hauptsächlich beim Fiskus. Ein gutes Beispiel hierfür ist die
Geschichte der Gebäudekomplexe des Dominikaner- und des Dominikanerinnenklosters. Sie wurden zwar gleich nach 1810 teilweise an private Eigentümer verkauft,
dennoch blieb der wesentliche Teil der beiden Klosteranlagen Staatseigentum. Als
sich die Universität wegen des Baus neuer Kliniken gegen Ende der 1890er Jahre
43 A. ZABŁOCKA-KOS, Zrozumieć miasto, S. 229–255; EADEM, König Friedrich IV. und die Gestaltung des
Schloßplatzes in Breslau, [in:] Friedrich Wilhelm IV. Künstler und König. Katalog der Ausstellung, Frankfurt
am Main 1995, S. 150–157.
44 „Breslauer Zeitung“, Nr. 556, 12.08.1890, S. 4. Für diese Information danke ich Frau Marta OstrowskaBies, die sich in ihrer Dissertation über den Architekten Karl Grosser mit diesem Thema befasst. Die Doktorarbeit ist bereits im Druck.
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Agnieszka ZABŁOCKA-KOS
der dort eingerichteten Sitze der medizinischen Institute entledigte, zeigten zahlreiche
Investoren Interesse am Kauf. Das Grundstück war enorm attraktiv, denn das Stadtzentrum erlebte damals einen wahren Bauboom. Freie Parzellen im Stadtkern waren
am Markt Mangelware. Wenn schon etwas angeboten wurde, dann waren es einzelne
und kleine Grundstücke. Sobald ein großes Grundstück zum Kauf angeboten wurde,
war das Interesse riesig. Die lokalen Behörden wollten dort eine Schule errichten, die
Makler dachten an luxuriöse Mietshäuser und die Nutzer des oberen Teiles der Katharinenkirche wollten eine neue altlutherische Kirche bekommen. Die Bemühungen
potentieller Käufer waren jedoch umsonst. Die Zentralbehörden entschieden über den
Verkauf des Grundstückes, und zwar unter dem Marktwert, an die Reichspost45. Der
neue Sitz der Deutschen Reichspost und des Paketpostamtes wurde 1901 errichtet.
Die Gebäude füllten die gesamte östliche Frontfassade der Häuserzeile von der Weißen Ohle (heute: ul. Janickiego) bis zur Kreuzung an der Breiten Straße (heute: ul.
Purkyniego). Vom barocken Klostergebäudekomplex blieb lediglich das Refektorium
erhalten. Dieses wurde mit dem neuen Telegraphengebäude verbunden. 1925 wurde
das Ganze radikal umgebaut und auch das neue Gebäude von der Katharinenstraße
(heute: ul. św. Katarzyny) her um einen Innenflügel erweitert. Neben den Grundstücken in der Schweidnitzerstr. (Generalkommando, Stadttheater, Monopol-Hotel, das
mit dem Kaufhaus verbunden war), war dies das am repräsentativsten bewirtschaftete
Gebäude aller aufgehobenen Klosteranlagen im Stadtzentrum.
Es sei erwähnt, dass ähnlich elegante Neubauten in der Odervorstadt auf Grundstücken, die früher den Kreuzherren mit dem roten Stern gehört hatten, entstanden sind.
1873 begannen dort die Investoren mit dem Bau des damals schönsten Platzes Breslaus,
dem Matthiasplatz, um den herum Mietshäuser auf hohem Niveau errichtet wurden.
Die Aufhebung der Klöster in Breslau führte zweifellos nicht nur zu einer funktionalen Umgestaltung des Stadtraumes, sondern auch zu schönen architektonischen und städtebaulichen Neugründungen. Skeptiker könnten sagen, dass der
Umbau der Stadt auch ohnedies geschehen wäre und dass die Universität heute
sogar eine schöne Bibliothek und einen Campus mit modernen Gebäuden besäße,
ohne sich in ehemalige alte Klostergebäude eingenistet haben zu müssen. Man
muss jedoch die Frage stellen, ob die Unterhaltung der Klostergebäude im guten
Zustand ohne den Besitzerwechsel möglich gewesen wäre. Wenn die Bauten verfallen wären, hätte man stattdessen neue Gebäude errichtet, die das Gedächtnis
an die Klöster ausgemerzt hätten. Egal, wie die Antwort ausfällt, muss man feststellen, dass die ehemaligen Klostersitze bis heute ein Zeugnis sowohl der großen
Geschichte der katholischen Kirchengeschichte als auch der Modernisierungstendenzen der nachaufklärerischen Epoche sind46.
45 Vgl. GStA PK Berlin, I HA, Rep. 76, Va, Sekt. 4, Tit. XIX, Nr. 13, Bd. 3. Dort werden die Verhandlungen
mit diversen Institutionen sehr detailliert dargestellt.
46 Zahlreiche wertvolle neue Erkenntnisse über die Klosterbauten, die die Universität übernommen hat,
sind zu finden in: J. HARASIMOWICZ (Hg.), Księga Pamiątkowa.
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