MARUBIS e.V. Seite 1 von 5 Anamnese (Krankengeschichte) Hippocampus reidi (Langschnauzen-Seepferdchen) ♂mit Hautveränderungen (weiße Stellen) am Schwanz als Folge einer bakteriellen Infektion Inhaltsverzeichnis (Anklicken um zum entsprechenden Abschnitt zu gelangen) VORBEMERKUNG: BEOBACHTUNG: VERMUTETE DIAGNOSE(N): EINGELEITETE MAßNAHMEN / VORLÄUFIGE THERAPIEMASSNAHMEN: BEFUND: WEITERFÜHRENDE / ABSCHLIEßENDE THERAPIE: ZUSAMMENFASSUNG: MÖGLICHE PROPHYLAXE: INTERNET-LINKS: Vorbemerkung: Bei Seepferdchen treten immer wieder unerwartete Probleme auf, die in kürzester Zeit eskalieren und dann fast immer mit dem Tode der Tiere enden. Eingeleitete Therapiemaßnahmen beschränken sich meistens zunächst auf lokale Behandlungen der sichtbaren Symptome (weiße Hautstellen) mit desinfizierenden Lösungen und üblichen Maßnahmen gegen Ektoparasiten (Süßwasserbäder). Im vorliegenden Fall wurde eine solide mikrobiologische Diagnostik veranlasst, die postum eine abgesicherte Diagnose ermöglichte. Krankheitsverlauf und alle eingeleiteten Maßnahmen und Daten sind hier wiedergegeben, um evtl. bei ähnlichen Fällen Seepferdchenhaltern irgendwann eine effektivere Therapie zu ermöglichen. Beobachtung: Zitat: „Mein Reidi-Männchen hat seit heute morgen weiße Stellen am Schwanz und will nicht mehr fressen. Der Schwanz scheint mir auch sehr empfindlich, er schwimmt unruhig umher und wenn er irgendwo mit dem Schwanz aneckt zuckt er regelrecht zusammen.“ zurück zum Inhalt Copyright Text und Bilder (soweit nichts anderes angegeben): Marubis e.V. Autor: Torsten Sause MARUBIS e.V. Seite 2 von 5 Bild 1 (© Julia Szeremeta) zeigt Tag 1 der Erkrankung, nur wenige weiße Stellen. Bild 2 (© Julia Szeremeta): Aufnahme kurz vor dem Tod des Tieres. Das Gewebe hatte schon begonnen sich zu lösen und in Fetzen abzuschälen. zurück zum Inhalt Copyright Text und Bilder (soweit nichts anderes angegeben): Marubis e.V. Autor: Torsten Sause MARUBIS e.V. Seite 3 von 5 Vermutete Diagnose(n): white tail disease Vernesselung von Borstenwürmern oder Anemonen Eingeleitete Maßnahmen / vorläufige Therapiemassnahmen: Das betroffene Tier wurde wiederholt mit Süßwasser-Kurzbädern und handelsüblicher Betaisodona-Lösung (betupfen der weißen Hautstellen) behandelt. Beim Tierarzt wurden Hautabstriche der betroffenen Zonen genommen und zur bakteriologischen Untersuchung eingeschickt. Neben der Differenzierung der Bakterienspezies wurde auch ein Antibiogramm erstellt. Befund: Infektion mit Vibrio vulnificus und Acinetobacter spec. Vibrio vulnificus: Vibrionen sind gram-negative, leicht gekrümmte (kommaförmige), fakultativ anaerob wachsende, intensiv bewegliche Keime. Der natürliche Lebensraum für halophile Vibrionen sind Küstengewässer, Fußmündungen und Brackwasser. Dadurch bedingt, werden Vibrionen nicht selten bei Meeresfischen, Schalentieren, Garnelen und Austern gefunden. Sie werden häufig für schwer verlaufende Infektionen bei Tieren und Menschen verantwortlich gemacht und sind auch schon in handelsüblichem Frostfutter gefunden worden (siehe Internet - Links). Acinetobacter spec.: Dieses Bakterium ist eigentlich ein harmloser Schleimhautbewohner. Er wird nur dann gefährlich, wenn der Wirt sehr geschwächt bzw. erkrankt ist. Aerobe, gram-negative Stäbchen (Aussehen: plump, kokkoid, meist in Diploform oder kurzen Ketten auftretend) Acinetobacter spp. sind Bestandteil der normalen Haut- und Schleimhaut-Flora. Können endogene, opportunistische Infektionen verursachen. Weltweite Verbreitung. Häufige Ursache von Infektionen der Atmungsorgane vorwiegend bei abwehrgeschwächten Patienten. Weiterführende / abschließende Therapie: Temperaturabsenkung/ Futteranreicherung mit Beta-Glucan Zusammenfassung: Bei einem Seepferdchen-Männchen (H. reidi) wurde innerhalb eines Tages eine Veränderung am Schwanz festgestellt (weißer Fleck). Das Tier zeigte Verhaltensänderungen stellte die Futteraufnahme ein. Als Ursache wurde neben einer bakteriellen Infektion (white tail disease) auch eine Vernesselung des betroffenen Gewebes vermutet. zurück zum Inhalt Copyright Text und Bilder (soweit nichts anderes angegeben): Marubis e.V. Autor: Torsten Sause MARUBIS e.V. Seite 4 von 5 Das Tier wurde wiederholt mit SW-Bädern und Betaisodona-Lösung behandelt. Zwei Tage später wurden bei einem Tierarzt Abstriche zur Keimdifferenzierung genommen und ein Antibiogramm veranlasst. 6 Tage später lag das Ergebnis des Antibiogramms vor. Der/ die Erreger wiesen eine hohe Empfindlichkeit gegen Trimethoprim/ Sulphomethoxazol auf. Deshalb wurde das Medikament Borgal 24% verschrieben, welches diese Wirkstoffe enthält. Es kam allerdings nicht mehr zum Einsatz, da das infizierte Tier inzwischen verstorben war. Ein zweites, ebenfalls infiziertes Tier wurde mit Beta-Glucan (Immunstimmulanz) angereichertem Futter gefüttert und zudem wurde die Wassertemperatur stark abgesenkt. Das zweite Tier hat überlebt. Das Ergebnis der Keimdifferenzierung lag nach 13 Tagen vor. Es handelte sich um eine Mischinfektion mit Vibrio vulnificus und Acinetobacter spec. Vibrio vulnificus ist ein fischpathogenes Bakterium, welches neben den inneren Organen auch das umliegende Gewebe und die Haut befällt. Acinetobacter ist ein normaler Schleimhautbewohner, der erst bei massiver Vorschädigung pathogene Eigenschaften zeigt. Beide Keime waren gegen 7 Antibiotika (von 16 getesteten Wirkstoffen) resistent und bei 3 Antibiotika zeigte sich eine geringe Wirkung. Pauschal ohne genauen Befund wollte kein Tierarzt Antibiotika abgeben. Nach Auswertung des Antibiogramms ist dieses Verhalten mehr als gerechtfertigt. Allerdings ist die Zeitspanne von dem Ausbruch der Krankheit bis zu möglichen Einleitung einer wirksamen Therapie mit ca. 6 Tagen so lang, dass die meisten Fischpatienten diese Zeit ohne Behandlung nicht überleben werden. Zwei weitere Männchen, die ebenfalls mit den kranken Tieren zusammen gehalten wurden und die zuvor keinerlei Symptome gezeigt hatten (normal gefressen, gebalzt u.s.w.), sind über Nacht plötzlich verstorben. Die anderen Fische im Becken,einschließlich 2 Arten Seenadeln haben durchweg keinerlei Krankheitsanzeichen gezeigt, normal gefressen und erfreuen sich bis heute bester Gesundheit. Mögliche Prophylaxe: Um bakteriellen Infektionen möglichst vorzubeugen, sollte ein Seepferdchenbecken mit einer leistungsstarken UV-Anlage ausgerüstet werden, die permanent im Betrieb ist. zurück zum Inhalt Copyright Text und Bilder (soweit nichts anderes angegeben): Marubis e.V. Autor: Torsten Sause MARUBIS e.V. Seite 5 von 5 Internet-Links: Marubis Haltungsempfehlungen http://www.meerwasserforum.info/thread.php?postid=447711#post447711 Vibrio vulnificus Vibrio vulnificus in Meerwasser http://www.nlga.niedersachsen.de/master/C10277264_N10277300_L20_D0_I5800417.html Vibrio harveyi causes disease in seahorse, Hippocampus sp. http://www3.interscience.wiley.com/cgibin/fulltext/118973391/PDFSTART Pathogene Bakterien im Meerwasseraquarium http://www.korallenriff.de/artikel/327_Pathogene_Bakterien_im_Meerwasseraquarium_Teil_1.html http://www.korallenriff.de/artikel/326_Pathogene_Bakterien_im_Meerwasseraquarium_Teil_2.html zurück zum Inhalt Copyright Text und Bilder (soweit nichts anderes angegeben): Marubis e.V. Autor: Torsten Sause