Anamnese Hippocampusreidi

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MARUBIS e.V.
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Anamnese (Krankengeschichte)
Hippocampus reidi (Langschnauzen-Seepferdchen) ♂mit Hautveränderungen (weiße Stellen)
am Schwanz als Folge einer bakteriellen Infektion
Inhaltsverzeichnis
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VORBEMERKUNG:
BEOBACHTUNG:
VERMUTETE DIAGNOSE(N):
EINGELEITETE MAßNAHMEN / VORLÄUFIGE THERAPIEMASSNAHMEN:
BEFUND:
WEITERFÜHRENDE / ABSCHLIEßENDE THERAPIE:
ZUSAMMENFASSUNG:
MÖGLICHE PROPHYLAXE:
INTERNET-LINKS:
Vorbemerkung:
Bei Seepferdchen treten immer wieder unerwartete Probleme auf, die in kürzester Zeit
eskalieren und dann fast immer mit dem Tode der Tiere enden. Eingeleitete
Therapiemaßnahmen beschränken sich meistens zunächst auf lokale Behandlungen der
sichtbaren Symptome (weiße Hautstellen) mit desinfizierenden Lösungen und üblichen
Maßnahmen gegen Ektoparasiten (Süßwasserbäder). Im vorliegenden Fall wurde eine solide
mikrobiologische Diagnostik veranlasst, die postum eine abgesicherte Diagnose ermöglichte.
Krankheitsverlauf und alle eingeleiteten Maßnahmen und Daten sind hier wiedergegeben, um
evtl. bei ähnlichen Fällen Seepferdchenhaltern irgendwann eine effektivere Therapie zu
ermöglichen.
Beobachtung:
Zitat: „Mein Reidi-Männchen hat seit heute morgen weiße Stellen am Schwanz und will nicht
mehr fressen. Der Schwanz scheint mir auch sehr empfindlich, er schwimmt unruhig umher und
wenn er irgendwo mit dem Schwanz aneckt zuckt er regelrecht zusammen.“
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Autor: Torsten Sause
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Bild 1 (© Julia Szeremeta) zeigt Tag 1 der Erkrankung, nur wenige weiße Stellen.
Bild 2 (© Julia Szeremeta): Aufnahme kurz vor dem Tod des Tieres. Das Gewebe hatte schon begonnen sich zu
lösen und in Fetzen abzuschälen.
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Vermutete Diagnose(n):
white tail disease
Vernesselung von Borstenwürmern oder Anemonen
Eingeleitete Maßnahmen / vorläufige Therapiemassnahmen:
Das betroffene Tier wurde wiederholt mit Süßwasser-Kurzbädern und handelsüblicher
Betaisodona-Lösung (betupfen der weißen Hautstellen) behandelt. Beim Tierarzt wurden
Hautabstriche der betroffenen Zonen genommen und zur bakteriologischen Untersuchung
eingeschickt. Neben der Differenzierung der Bakterienspezies wurde auch ein Antibiogramm
erstellt.
Befund:
Infektion mit Vibrio vulnificus und Acinetobacter spec.
Vibrio vulnificus:
Vibrionen sind gram-negative, leicht gekrümmte (kommaförmige), fakultativ anaerob
wachsende, intensiv bewegliche Keime. Der natürliche Lebensraum für halophile Vibrionen sind
Küstengewässer, Fußmündungen und Brackwasser. Dadurch bedingt, werden Vibrionen nicht
selten bei Meeresfischen, Schalentieren, Garnelen und Austern gefunden. Sie werden häufig für
schwer verlaufende Infektionen bei Tieren und Menschen verantwortlich gemacht und sind
auch schon in handelsüblichem Frostfutter gefunden worden (siehe Internet - Links).
Acinetobacter spec.:
Dieses Bakterium ist eigentlich ein harmloser Schleimhautbewohner. Er wird nur dann
gefährlich, wenn der Wirt sehr geschwächt bzw. erkrankt ist. Aerobe, gram-negative Stäbchen
(Aussehen: plump, kokkoid, meist in Diploform oder kurzen Ketten auftretend) Acinetobacter
spp. sind Bestandteil der normalen Haut- und Schleimhaut-Flora. Können endogene,
opportunistische Infektionen verursachen. Weltweite Verbreitung. Häufige Ursache von
Infektionen der Atmungsorgane vorwiegend bei abwehrgeschwächten Patienten.
Weiterführende / abschließende Therapie:
Temperaturabsenkung/ Futteranreicherung mit Beta-Glucan
Zusammenfassung:
Bei einem Seepferdchen-Männchen (H. reidi) wurde innerhalb eines Tages eine Veränderung
am Schwanz festgestellt (weißer Fleck). Das Tier zeigte Verhaltensänderungen stellte die
Futteraufnahme ein. Als Ursache wurde neben einer bakteriellen Infektion (white tail disease)
auch eine Vernesselung des betroffenen Gewebes vermutet.
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Das Tier wurde wiederholt mit SW-Bädern und Betaisodona-Lösung behandelt. Zwei Tage später
wurden bei einem Tierarzt Abstriche zur Keimdifferenzierung genommen und ein Antibiogramm
veranlasst.
6 Tage später lag das Ergebnis des Antibiogramms vor. Der/ die Erreger wiesen eine hohe
Empfindlichkeit gegen Trimethoprim/ Sulphomethoxazol auf. Deshalb wurde das Medikament
Borgal 24% verschrieben, welches diese Wirkstoffe enthält. Es kam allerdings nicht mehr zum
Einsatz, da das infizierte Tier inzwischen verstorben war. Ein zweites, ebenfalls infiziertes Tier
wurde mit Beta-Glucan (Immunstimmulanz) angereichertem Futter gefüttert und zudem wurde
die Wassertemperatur stark abgesenkt. Das zweite Tier hat überlebt.
Das Ergebnis der Keimdifferenzierung lag nach 13 Tagen vor. Es handelte sich um eine
Mischinfektion mit Vibrio vulnificus und Acinetobacter spec. Vibrio vulnificus ist ein
fischpathogenes Bakterium, welches neben den inneren Organen auch das umliegende Gewebe
und die Haut befällt. Acinetobacter ist ein normaler Schleimhautbewohner, der erst bei
massiver Vorschädigung pathogene Eigenschaften zeigt.
Beide Keime waren gegen 7 Antibiotika (von 16 getesteten Wirkstoffen) resistent und bei 3
Antibiotika zeigte sich eine geringe Wirkung. Pauschal ohne genauen Befund wollte kein Tierarzt
Antibiotika abgeben. Nach Auswertung des Antibiogramms ist dieses Verhalten mehr als
gerechtfertigt. Allerdings ist die Zeitspanne von dem Ausbruch der Krankheit bis zu möglichen
Einleitung einer wirksamen Therapie mit ca. 6 Tagen so lang, dass die meisten Fischpatienten
diese Zeit ohne Behandlung nicht überleben werden.
Zwei weitere Männchen, die ebenfalls mit den kranken Tieren zusammen gehalten wurden und
die zuvor keinerlei Symptome gezeigt hatten (normal gefressen, gebalzt u.s.w.), sind über
Nacht plötzlich verstorben. Die anderen Fische im Becken,einschließlich 2 Arten Seenadeln
haben durchweg keinerlei Krankheitsanzeichen gezeigt, normal gefressen und erfreuen sich bis
heute bester Gesundheit.
Mögliche Prophylaxe:
Um bakteriellen Infektionen möglichst vorzubeugen, sollte ein Seepferdchenbecken mit
einer leistungsstarken UV-Anlage ausgerüstet werden, die permanent im Betrieb ist.
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Internet-Links:
Marubis Haltungsempfehlungen
http://www.meerwasserforum.info/thread.php?postid=447711#post447711
Vibrio vulnificus
Vibrio vulnificus in Meerwasser
http://www.nlga.niedersachsen.de/master/C10277264_N10277300_L20_D0_I5800417.html
Vibrio harveyi causes disease in seahorse, Hippocampus sp. http://www3.interscience.wiley.com/cgibin/fulltext/118973391/PDFSTART
Pathogene Bakterien im Meerwasseraquarium
http://www.korallenriff.de/artikel/327_Pathogene_Bakterien_im_Meerwasseraquarium_Teil_1.html
http://www.korallenriff.de/artikel/326_Pathogene_Bakterien_im_Meerwasseraquarium_Teil_2.html
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