Antibakterielle Beschichtungen JOSEPH A. CHINN SULZER MEDICA Koautoren: Mark Moore Sallie McLaughlin ■ Wenn auch bei den meisten künstlichen Implantaten nur sehr wenige klinische Infektionen vorkommen, können die Folgen für die infizierten Patienten sowie die Kosten für das Gesundheitswesen sehr schwerwiegend Faden Biofilm Photograph courtesy J. William Costerton. 1■ Staphylococcus epidermidis haftet leicht auf silberbeschichteten Nahtringfasern für Herzklappen. 6 SULZER TECHNICAL REVIEW 1/99 Infektionen künstlicher Implantate sind seltene, aber teure Komplikationen bei der klinischen Anwendung. Implantate, die mit permanent haftenden Substanzen beschichtet sind, die Bakterien bei Kontakt abtöten, können, zumindest im Labor, eine Besiedelung mit Bakterien verhindern. Zur Verringerung der Häufigkeit von Infektionen künstlicher Implantate im klinischen Alltag wird allerdings eine wirkungsvollere Strategie benötigt. sein. Beispielsweise wird das Risiko einer HerzklappenprothesenEndokarditis (PVE, Prosthetic Valve Endocarditis) mit 1% pro Patientenjahr angegeben. Die zusätzlichen Kosten in Verbindung mit PVE werden zurückhaltend auf 50 000 USD pro Überlebenden geschätzt. Noch schwerwiegender sind die Konsequenzen für die betroffenen Patienten, da die Sterblichkeitsrate 20% (bei früher PVE) bis 40% (bei später PVE) beträgt. Deshalb würde sich bereits eine geringfügige Verringerung der Infektionshäufigkeit sowohl kostendämpfend auf das Gesundheitswesen auswirken als auch segensreich für die Patienten sein. Das günstige Kosten-NutzenVerhältnis infektionshemmender Prothesen wird zwingend zu ihrer endgültigen Akzeptanz und weit verbreiteten Nutzung führen. HERZKLAPPENPROTHESENENDOKARDITIS Früh-PVE tritt innerhalb von 60 Tagen nach dem Ersatz einer erkrankten Herzklappe durch eine Prothese auf, und es wird angenommen, daß sie auf Hautbakterien zurückzuführen ist, die im Operationssaal aufgenommen wurden. Spät-PVE tritt nach mehr als 60 Tagen nach einer Herzklappenprothesen-Implantation auf. Sie kann im Zusammenhang mit Bakterien stehen, die bei einer späteren medizinischen oder zahnmedizinischen Behandlung in den Blutkreislauf gelangt sind. Die Infektion kann jedoch auch durch entweder langsam wachsende oder nur schwach virulente Bakterien wie beispielsweise Staphylococcus epidermidis verursacht worden sein, die bereits zum Zeitpunkt der Operation aufgenommen wurden. 3799 Die Infektion stellt sich dabei jedoch erst viel später als PVE heraus. LABOR- VERSUS KLINISCHE BEDINGUNGEN Vor dem Aufkommen der Antibiotika, die das Wachstum und die Aktivität der Bakterien hemmen, wurden Infektionen normalerweise mit antiseptischen Mitteln behandelt, wie beispielsweise bestimmten Schwermetallen, die toxisch auf Bakterien wirken. Verbandsstoffe, die mit permanent haftenden antibakteriellen Mitteln beschichtet sind, werden noch heute zur Behandlung von Wunden wie Hauteinschnitten und -verbrennungen verwendet, bei denen ein direkter Kontakt der Bakterien mit der Wunde Infektionen verursachen würde. Beschichtungen mit permanent haftenden Substanzen, die bei Kontakt Bakterien abtöten, verringern im Labor wirksam Bakterienansiedelungen auf künstlichen Implantaten. Leider hat sich ein derartiger Erfolg im klinischen Bereich nicht eingestellt. Wie vermehren sich Bakterien auf künstlichen Implantaten, die mit toxischen Substanzen beschichtet sind? Um wirksam zu sein, müssen 2■ Antibakterielle CPHV-Nahtringe sind gegen Staphylococcus epidermidis wirksam. die auf den Implantaten fixierten antibakteriellen Substanzen in engen Kontakt mit den Bakterien gelangen. Einige Bakterien haben eine Strategie entwickelt, in solchen feindlichen Umgebungen zu überleben, indem sie eine schleimige, Biofilm genannte Substanz erzeugen, in der sie wachsen können. Besonders virulente Bakterien umgeben sich ganz mit einer Biofilmschicht (genannt Glycocalyx), wodurch sie widerstandsfähiger gegen eine Antibiotikabehandlung werden. Das Glycocalyx verhindert auch einen direkten Kontakt der Organismen mit der Oberfläche, was sie widerstandsfähig gegenüber ansonsten toxischen Stoffen macht. Dies erklärt teilweise, warum bei klinischen Infektionen oft Biofilmbakterien beteiligt sind. Außerdem bilden auf Implantaten haftende Biofilmbak- terien einen ausgezeichneten Haftuntergrund und ein Wachstumsmedium für die Besiedelung von Bakterien, die keinen Biofilm bilden. Im mikrobiologischen Labor wird die antibakterielle Wirksamkeit von künstlichen Implantaten oft durch Einbringen in Bakterienkulturen geprüft. Zur Erzielung aussagefähiger Ergebnisse bei solchen Experimenten sind die Auswahl und die Herkunft der Bakterien ein kritischer Punkt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Mikroorganismen, die sich innerhalb der Kulturen frei bewegen (planktonartige Bakterien genannt), sich unterschiedlich zu solchen verhalten, die an Oberflächen wie den Gefäßen der Bakterienkulturen oder einem infizierten Implantat festsitzen. Planktonartige Bakterien reagieren auf antibakterielle SULZER TECHNICAL REVIEW 1/99 7 3■ Silberbeschichtete Nahtringe für Herzklappen sind unwirksam gegen Staphylococcus epidermidis. Substanzen und toxische Oberflächen empfindlicher als Biofilmbakterien. Implantate, die mit antibakteriellen Substanzen wie Silber, welche auf die Bakterienzellmembranen einwirken, beschichtet sind, verhindern im Labor zwar wirksam die Besiedelung mit planktonartigen Bakterien. Sie können jedoch völlig unwirksam sein gegen Infektionen, die durch klinisch relevante, mit Glycocalyx umhüllte Biofilmbakterien verursacht werden. In der in Bild 1■ gezeigten LaserkonfokalMikroskop-Aufnahme entspricht die hellgrüne Farbe lebenden Biofilmbakterien. Mangelhafte Auswahl der Bakterien, d. h. Prüfung mit im Labor gezüchteten planktonartigen Bakterien statt mit Biofilmbakterien aus einer klinischen Infektion, hat zu einer Vermarktung zahlreicher Produkte ge- 8 SULZER TECHNICAL REVIEW 1/99 führt, die über keine erwiesene klinische Wirksamkeit verfügen. KLINISCH WIRKSAME MITTEL Um Biofilmbakterien effektiv abtöten zu können, muß ein antibakterielles Mittel in den Biofilm eindringen. Deshalb sollte ein unter klinischen Bedingungen infektionshemmendes künstliches Implantat folgende Eigenschaften aufweisen: • Aktivität gegenüber einem breiten Bereich potentieller Krankheitserreger • Die Fähigkeit, das antibakterielle Mittel soweit in die unmittelbare Umgebung abzugeben, daß dieses in den Biofilm der Bakterien eindringen kann, jedoch so wenig weit wie möglich, damit keine systemischen Wirkungen eintreten (Wenn Antibiotika in ausrei- chend großer Menge in den Blutkreislauf freigesetzt werden, kann dies zu schädlichen Interaktionen mit anderen dem Patienten verordneten Medikamenten wie Antibiotika oder zur Kontrolle der Blutgerinnung dienenden Antikoagulanzien führen. Bei sehr hoher Konzentration wirken Antibiotika toxisch.) • Eine ausreichende Dauer der antibakteriellen Aktivität, damit eine vollständige Einheilung der Prothese mit körpereigenem Gewebe sichergestellt ist Antiseptische Mittel, die mit Erfolg bei Wundverbänden verwendet werden, haben sich auch als wirksam erwiesen, wenn sie in Prothesen eingebettet sind. Zentrale Venenkatheter, in die Chlorhexidin und Silbersulfadiazin eingebettet waren, erzielten eine 79%ige Verringerung des klinischen Auftretens von katheterbedingten Blutbahninfektionen. Wenn auch antiseptische Mittel ein breites Wirkungsspektrum bieten, so fehlen bei ihnen doch die klinischen Erfahrungen bei innerer Anwendung, und sie sind potentiell toxisch, wenn sie in zu hohen Dosen angewendet werden. Antibiotika, die mit Erfolg zur Behandlung von Infektionen eingesetzt werden, haben sich bei Einbettung in Prothesen sogar als noch wirksamer erwiesen als antiseptische Mittel. Zentrale Venenkatheter, in die Rifampin und Minocyclin eingebettet waren, erreichten eine 100%ige Verringe- rung des klinischen Auftretens von katheterbedingten Blutbahninfektionen. Zwar bieten Antibiotika ein breites Wirkungsspektrum, und es gibt ausreichende klinische Erfahrungen über ihre Anwendung als sichere und wirksame Therapeutika. Doch ist ebenso bekannt, daß bei niedriger Antibiotika- und hoher Bakterienkonzentration die Entwicklung resistenter Bakterienstämme begünstigt wird. Zur Vermeidung dieses Problems sollten die verwendeten Antibiotika sorgfältig ausgewählt werden. Kombinationen verschiedener Antibiotika mit verschiedenen Wirkungsmechanismen können das Risiko einer Resistenzbildung vermindern, da es weniger wahrscheinlich ist, daß Bakterien gleichzeitig gegenüber mehreren Mitteln resistent werden als gegenüber nur einem. ENTWICKLUNG EINES ANTIBAKTERIELLEN NAHTRINGES Zur Vermeidung der Komplikation durch PVE hat Sulzer Carbomedics ein eigenes Verfahren zur Einbettung verschiedener antibakterieller Substanzen in den Nahtring der Sulzer-CarbomedicsHerzklappenprothese (CPHV) verwendet. Die Mittel wurden zuerst durch einen modifizierten KirbyBauer-Versuch geprüft, bei dem die zu prüfende Herzklappenprothese direkt auf eine Agarplatte gelegt wird, die mit Bakterien aus einem infizierten Katheter bedeckt ist. Die bakterienfreie Zone 4■ Antibakterielle Sulzer-Carbomedics-AnnuloFlo™-Annuloplastikringe sind wirksam gegen Staphylococcus epidermidis. um den Nahtring herum, Inhibitionszone genannt (ZOI, Zone of Inhibition), entspricht der Zone, in welcher die Bakterien durch die Substanz, die aus dem Nahtring in das Agar hineindiffundiert ist, abgetötet wurden (Bild 2■). Demgegenüber zeigen Nahtringe, auf die Silber (ein Antiseptikum mit mäßiger antibakterieller Wirkung) aufgebracht wurde, keine Inhibitionszone (Bild 3■). Weitere Untersuchungen mit diesen Nahtringen und anderen Prothesen sind in Arbeit. ZUKUNFTSAUSSICHTEN Nur wenige antibakterielle Implantate, die erwiesenermaßen klinische Infektionen vermindern, sind momentan auf dem Markt erhältlich, jedoch sind viele dieser Prothesen in der Entwicklung und werden auf die Markteinführung vorbereitet. Welcher Zugang sich klinisch als der wirksamste erweisen wird, muß sich noch herausstellen. Die CPHV mit antibakteriellem Nahtring stellt einen guten Ansatz für die zukünftige Entwicklung dar. Diese Lösung wird auch auf andere Produkte wie den Sulzer-Carbomedics-AnnuloFlo™Annuloplastikring (Bild 4■) anwendbar sein. Ω INFO DIRECT Sulzer Carbomedics Inc. Richard E. Philips 1300 E. Anderson Lane Austin, TX 78752-1793 USA Telefon +1 (1)512-435 32 00 Telefax +1 (1)512-435 33 17 E-Mail rphillips @carbomedics.com SULZER TECHNICAL REVIEW 1/99 9