9. Vorlesung Quarkmassen und Mischungswinkel CPT-Theorem und Massen von Teilchen/Antiteilchen Massen- und WW-Eigenzustände Die CKM-Matrix Woher könnten die Massen und Mischungswinkel kommen? CP-Verletzung Baryon-Antibaryon-Symmetrie im Universum einige Folien übernommen von Antrittsvorlesung Lutz Feld 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 1 Diskrete Symmetrien Symmetrie unter Transformation Q: [H,Q]=0, d.h. die Wechselwirkung läuft im transformierten System gleich ab der Eigenwert bzgl. Q ist Erhaltungsgrösse der Erwartungswert von Grössen, die sich unter Q ändern, verschwindet P: räumliche Spiegelung x Æ -x P-Symmetrie: wir können nicht zwischen „links“ und „rechts“ unterscheiden C: Ladungskonjugation, alle ladungsartigen Quantenzahlen ändern ihr Vorzeichen C-Symmetrie: wir können nicht zwischen „Materie“ und „Antimaterie“ unterscheiden T: Zeitumkehr, t Æ -t T-Symmetrie: in elementaren Prozessen gibt es keine ausgezeichnete Zeitrichtung 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 2 Diskrete Symmetrien Symmetrie unter CPT ist unter sehr allgemeinen Voraussetzungen gegeben (lokale Feldtheorie, Lorentz-Invarianz, Spin-StatistikTheorem, hermitescher Hamilton-Operator [Lüders, Pauli]) Æ Teilchen und Antiteilchen haben gleiche Masse und Lebensdauer Æ im thermischen Gleichgewicht haben Teilchen und Antiteilchen gleiche Dichte (Dichte hängt nur von der Masse ab) elektromagnetische und starke Wechselwirkung sind symmetrisch unter P oder C oder T 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 3 Masseneigenzustände Zustände mit eindeutiger Masse -> eindeutiger 4er-Impuls (Impuls, Energie, Masse) -> monochromatische Wellen (für feste Energie) Eigenzustände der Wellenausbreitung Propagatorterme zeitlich konstant (solange keine Wechselwirkung auftritt) => T-Eigenzustände => CP-Eigenzustände (CPT erhalten) 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 4 Eigenzustände der Wechselwirkung Zustände mit eindeutiger Kopplung Wechselwirkungsterme Eigenzustände der Wellenausbreitung (Masse) und der Wechselwirkung nicht notwendigerweise identisch => Mischung von Masseneigenzuständen in der Wechselwirkung und umgekehrt. Interne Wechselwirkungen ändern die Masse 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 5 Eigenzustände der Wechselwirkung elektromagnetische Wechselwirkung verändert Quantenzahlen nicht => Selbstenergie immer für eindeutige Quantenzahlen ⇒ Masseneigenzustände = Wechselwirkungseigenzustände starke Wechselwirkung ändert nur Quantenzahlen (Farbe), die keine Änderung der Masse bewirken z.B. rotes u-Quark -> grünes u-Quark Selbstenergieterme für alle Farben gleich => beliebige Rotation zwischen verschiedenen Zuständen der gleichen Masse (SU(3)-Symmetrie) Masseneigenzustände = Wechselwirkungseigenzustände 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 6 Schwache Wechselwirkung vermittelt zwischen Komponenten von SU(2)-Dubletts z.B. e <-> νe, u <-> d’, c <-> s’, ... aber SU(2)-Symmetrie gebrochen durch Higgs-Mechanismus (und daraus resultierend durch Elektromagnetismus) => Komponenten haben nicht mehr die gleiche Masse (siehe auch letzte Vorlesung) Massen- und Wechselwirkungseigenzustände können verschieden und unterscheidbar sein 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 7 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 8 Familiensymmetrie (S3xS3) ? 3 Familien, für jede Art von Teilchen: “demokratische” 1 1 1 Massenmatrix M = 1/3 M0 1 1 1 1 1 1 1 diagonalisiere -> M0 0 0 m=0 für die erste Familie: m=0 für die zweite Familie: m=mnackt für die dritte Familie: 3.6.08 A. Geiser, B. List, z.B. Fritzsch et al. 0 0 0 0 “nackte” Masse 0 0 e,u,d,νe µ,c,s,νµ τ,t,b,ντ Higgs und Elektroschw. WW 9 Brechung der Familiensymmetrie durch kleine Störungen => von 0 verschiedene Massen für alle Generationen, Mischungswinkel Im Standardmodell: Willkürliche Parameter, parametrisiert durch Higgs-Yukawa-Kopplungen Manche Erweiterungen des Standardmodells können im Prinzip die Struktur der Störungen vorhersagen. Viele Möglichkeiten, aber kein kohärentes Gesamtbild 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 10 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 11 Unsere Welt besteht aus Materie ... und nicht Antimaterie auf der Erde finden wir Antimaterie nur in Experimenten der Kern- und Teilchenphysik in der (sekundären) Höhenstrahlung in der kosmischen Strahlung (konsistent mit pp-Kollisionen im interstellaren Gas) 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 12 Unsere Welt besteht aus Materie es gibt keine astronomische Hinweise auf Antimaterie wie etwa Gamma-Strahlung aus Vernichtungsreaktionen Abschätzung: keine Antimaterie im Umkreis von ~1 Mrd. Lichtjahren 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 13 Materie-Antimaterie-Asymmetrie? kleine Asymmetrie in der Dichte von Materie und Antimaterie Æ nach der Teilchen-Antiteilchen-Annihilation bleibt gewisse Materiedichte übrig: Baryonenzahl B ≡ n −n ≠ 0 b und nγ >> nb b (nb/nγ ~ 5 x 10-10) • Ursprüngliche Asymmetrie? ....wenig attraktiv (und unwirksam falls eine kosmische Inflation stattgefunden hat) • kann Materie-Antimaterie-Asymmetrie dynamisch erzeugt worden sein? 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 14 Die Sacharow-Bedingungen A. D. Sacharow, 1967: Materie-Asymmetrie kann dynamisch erzeugt werden, falls es Prozesse (Wechselwirkungen) gibt in denen 1. Baryonenzahl nicht erhalten ist 2. Teilchen-Antiteilchen-Symmetrie (C, CP) verletzt sind 3. thermisches Gleichgewicht gestört ist Beispiel: Zerfall Verzweigungsverhältnis Baryonenzahl X → qq X → lq X → qq r 1− r r B1 = 2 / 3 B2 = −1 / 3 − B1 X → lq 1− r − B2 ⇒ ∆B = rB1 + (1 − r ) B2 − r B1 − (1 − r ) B2 = 3.6.08 × ( B1 − B2 ) (r − r ) 123 1 424 3 ≠0 ≠0 wenn C und CP wenn B verletzt verletzt A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 15 P-Verletzung Lee & Yang zeigten 1956: in der schwachen Wechselwirkung gibt es keine experimentelle Evidenz für P-Symmetrie P-Verletzung war für viele „undenkbar“ (R. Feynman wettete 50$ dass P-Symmetrie nicht gebrochen ist) C.S.Wu et al. (Ende 1956): im Betazerfall ist P maximal verletzt rechtshändig ν e J=5 Co e- J=4 Ni P J=5 Co J=4 Ni linkshändig ν e ebeobachtet nicht beobachtet • Æ Anti-Neutrino tritt nur rechtshändig auf Æ damit ist auch C maximal verletzt 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 16 CP-Symmetrie beobachtet CP-Symmetrie ist nicht maximal verletzt, sondern sehr gut erfüllt νe P C CP verknüpft die beobachteten Teilchen und Antiteilchen νe νe „links“ und „rechts“ sowie „Materie“ und „Antimaterie“ immer noch nicht absolut unterscheidbar via CPT-Theorem ist damit auch T-Symmetrie gegeben nicht beobachtet C nicht P beobachtet νe beobachtet jedoch... 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 17 CP-Verletzung Materie und Antimaterie ( K 0 und K 0 ) verhalten sich verschieden • K 0 → π +π − • K 0 → π +π − [CPLEAR, 1999] 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 18 CP-Verletzung im Standardmodell: CKM-Matrix schwache Wechselwirkung mit geladenem Strom im Standardmodell: W − u L=− s gw (u 2 c t )γ µ 1 2 644CKM 7448 ⎛Vud Vus Vub ⎞⎛ d ⎞ ⎜ ⎟⎜ ⎟ + 5 1 − γ ⎜ Vcd Vcs Vcb ⎟⎜ s ⎟Wµ + h.c. ⎜V ⎟⎜ ⎟ ⎝ td Vts Vtb ⎠⎝ b ⎠ ( ) eine irreduzible Phase in dieser (unitären) Cabbibo-Kobayashi-MaskawaMatrix, die CP-Verletzung verursacht ⎛ c12 c13 s12 c13 s13e −iδ13 ⎞ ⎜ ⎟ iδ 13 iδ 13 CKM (θ12 ,θ13 ,θ 23 , δ 13 ) = ⎜ − s12 c23 − c12 s23 s13e c12 c23 − s12 s23 s13e s23c13 ⎟ ⎜ ⎟ iδ 13 iδ 13 − − − s s c c s e c s s c s e c c 12 23 12 23 13 23 13 ⎠ ⎝ 12 23 12 23 13 cij ≡ cosθ ij ; sij ≡ sin θ ij im Standardmodell ist δ 13 der einzige CP-verletzende Parameter CP-verletzende Effekte können nur bei Interferenz verschiedener Amplituden beobachtet werden, da sonst 2 iδ 2 Γ= A ∝ e Æ CP-Verletzung in A. Oszillationen beobachtbar 3.6.08 Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 13 =1 19 Oszillationen sind Fenster zur CP-Verletzung: in welchen anderen Systemen könnte CP-Verletzung beobachtbar sein? K0(sd) Rate N (T ) N (0) K0 / K 0 D0(cu) D0 / D 0 B0(bd) B0s(bs) B0 / B 0 Bs / Bs asymmetrie a (T ) 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW [R. Waldi] 20 CP-Verletzung im B0-System CP-Verletzung durch Interferenz zwischen Oszillation und Zerfall: B0 B ( Γ B0 X 0 ( ( ) ) ( ( t =0 →X t ) ≠ Γ(B 0 t =0 →X t ) ) ) N& B 0 → X − N& B 0 → X a (T ) ≡ = Λ 0 sin ( xT ) 0 0 & & N B →X +N B →X T Λ 0 enthält die für den Zerfall nach X relevanten Elemente der CKM - Matrix : Beispiel : 3.6.08 B → J/ψ K s0 ⇒ A. Geiser, B. List, Λ0 = sin (2 β ) Higgs und Elektroschw. WW 21 e+e- → ϒ(4S) → B B Messung der Zeitabhängigkeit durch Ortsmessung in einem geboosteten System: ( ) ( ) E (e ) = 8 GeV, E (e ) = 3.5 GeV ⇒ βγ = 0.42 (KEK - B, Belle) E e − = 9 GeV, E e + = 3.1 GeV ⇒ βγ = 0.55 (PEPII, BaBar) − + Flavour − Bestimmung , d.h. Festlegung auf B 0 oder B 0 z.B. durch Messung der Ladung des Leptons im Zerfall : ϒ(4S) e− e+ b → l +νc Rekonstruk tion des Endzustand s kohärentes B 0 B 0 - Paar ∆z ∆z ∆t ≈ βγc 3.6.08 A. Geiser, B. List, b → l −ν c z.B. J / ψ K S0 Higgs und Elektroschw. WW 22 Messung von CP-Verletzung im B-System BaBar Belle CP=-1 Endzustände BaBar: Belle: 3.6.08 sin2β = 0.741 ± 0.067 (stat) ± 0.033 (sys) sin2β = 0.719 ± 0.074 (stat) ± 0.035 (sys) A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW [ICHEP2002] 23 Unitaritätsdreiecke Unitarität der CKM-Matrix Æ Relationen zwischen Elementen die als Dreiecke in der komplexen Ebene dargestellt werden können Beispiel: VudVub∗ + VcdVcb∗ + VtdVtb∗ = 0 VudVub∗ VcdVcb∗ VtdVtb∗ ⇔ + + =0 ∗ ∗ ∗ VcdVcb VcdVcb VcdVcb 123 123 ≡ ( ρ ,η ) ≈ ⎛⎜⎝ − 1,0 ⎞⎟⎠ Vtd ≈ e − iβ ; Vtd Vub = e −iδ13 ≈ e −iγ Vub Länge der Seiten etwa 1% der Diagonalelemente der CKM-Matrix Æ Präzisionsmessungen CP-Verletzung ~ Fläche der Unitaritätsdreiecke 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 24 Vermessung des Unitaritätsdreiecks im Standardmodell gibt es nur einen CP-verletzenden Parameter liefern die verschiedenen Messungen ein konsistentes Bild? Messung ( ρ ,η ) CKM 2 b→u b→c Vub Vcb ∆m Bd0 Vtd f B2d BBd ( ) ∆m(B ) ∆m(B ) ( εK 2 2 0 d 0 s A J /ψ K 0 ρ 2 +η 2 ) Vtd 2 ξ Vts f ( A, ρ ,η , BK ) sin (2 β ) (1 − ρ )2 + η 2 (1 − ρ )2 + η 2 ∝ η (1 − ρ ) 2η (1 − ρ ) η 2 + (1 − ρ )2 • alle Messungen können gut vom Standardmodell beschrieben werden! 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 25 Ist die Baryon-Asymmetrie im SM erklärbar? erfüllt das Standardmodell die Sacharow-Bedingungen? (1) CP-Verletzung in K und B gemessen (2) Baryonzahl-Verletzung: prinzipiell möglich durch nichtperturbative Effekte (Sphaleronen) kommen heute (T~0) nicht vor, jedoch vor elektroschwachen Symmetriebrechung häufig (T>100GeV) Baryonzahl und Leptonzahl ändern sich um mind. 3 Einheiten (Im SM!) B-L erhalten 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 26 Ist die Baryon-Asymmetrie im SM erklärbar? (3) thermisches Ungleichgewicht: Brechung der elektroschwachen Symmetrie durch Higgs-Mechanismus kann einen Phasenübergang 1. Ordnung erzeugen jedoch nur für Higgs-Masse < 73 GeV, sonst adiabatischer Übergang direkte Higgs-Suche der LEP-Experimente: mH>114GeV Ædie Baryon-Asymmetrie ist im Standardmodell nicht zu erklären selbst wenn ein genügendes thermisches Ungleichgewicht künstlich erzeugt würde, wäre die CP-Verletzung aus der CKM-Matrix wohl nicht gross genug 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 27 Erweiterung des Standardmodells notwendig hinreichendes thermisches Ungleichgewicht möglich z.B. in supersymmetrischen Erweiterungen des SM Modelle mit 2 Higgs-Dublets die eine große Zahl neuer freier Parameter enthalten starke CP-Verletzung tritt in Erweiterungen des SM „automatisch“ auf durch zusätzliche Vertizes CP-verletzende Zerfälle von sehr schweren Bosonen einer „Grossen Vereinheitlichten Theorie“ Lepton-Asymmetrie durch Zerfälle von sehr schweren MajoranaNeutrinos könnten via B+L-verletzende SM-Prozesse eine BaryonAsymmetrie erzeugen .............. 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 28 Neue Messungen notwendig ... zum Higgs-Boson, um die elektroschwache Symmetriebrechung aufzuklären (LHC, ILC) zur CP-Verletzung, um nicht-SM-Beiträge zu finden (B-Fabriken) zu neuen Teilchen, um Erweiterungen des SM zu finden (LHC, ILC) zur Proton-Stabilität, um Baryonzahl-Erhaltung zu testen zur Natur der Neutrinos: Majorana oder Dirac? ... 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 29 Zusammenfassung Baryon-Asymmetrie Im Urknall-Modell ist eine Baryon-Asymmetrie notwendig um die beobachtete Dominanz von Materie zu erklären trotz CP-Verletzung kann das Standardmodell der Teilchenphysik die Baryon-Asymmetrie nicht erklären nach dem Standardmodell sollte es uns also nicht geben, d.h. das SM ist unvollständig oder teilweise falsch die Erklärung der Baryon-Asymmetrie steht noch aus, und bleibt ein spannendes Forschungsgebiet zwischen experimenteller und theoretischer Teilchenphysik und Kosmologie 3.6.08 A. Geiser, B. List, Higgs und Elektroschw. WW 30