Geometrie und Lineare Algebra für das Lehramt Franz Hofbauer November 2014 Vorwort Mit Mathematik kommt man frühzeitig in Berührung. Kinder lernen Zählen und Rechnen durch beständiges Wiederholen. Ebenso lernen sie geometrische Figuren kennen, die sie in ihrer Umgebung wahrnehmen. Später werden durch einfache Konstruktionsübungen geometrische Grundkenntnisse erworben. Es wird dann selbstverständlich, dass man durch zwei Punkte eine Gerade legen kann, dass es zu einer Gerade genau eine Parallele und genau eine Senkrechte durch einen vorgegebenen Punkt gibt, dass zwei nicht parallele Gerade einander in genau einem Punkt schneiden, und dergleichen mehr. Darauf baut der weiterführende Geometrieunterricht auf. Es sind dann auch schon sehr einfache Beweise möglich, zum Beispiel für die Winkelsumme im Dreieck und für den Satz von Pythagoras. Die Lehramtsausbildung sollte sich an der Berufsrealität der Lehrer orientieren. Deshalb werden in diesem Skriptum die durch Einüben erworbenen geometrischen Grundkenntnisse ebenfalls als bekannt vorausgesetzt. In der Geometrie werden verschiedenste Beweismethoden verwendet. Dieses Skriptum konzentriert sich hauptsächlich auf die für die Schule relevanten Methoden. Die damit bewiesenen Sätze gehen jedoch über den üblichen Schulstoff hinaus. Ein entsprechendes Hintergrundwissen ist ja auch wichtig. Der erste Teil bringt die Elementargeometrie (synthetische Geometrie), die hauptsächlich mit dem Strahlensatz, mit dem Satz von Pythagoras und mit dem Peripheriewinkelsatz arbeitet. Der zweite Teil bringt die Trigonometrie, wo natürlich Sinus- und Cosinussatz die wichtigsten Werkzeuge sind. Dort wird auch gezeigt, wie man mit Hilfe komplexer Zahlen Geometrie betreiben kann. Im dritten Teil wird dann im Koordinatensystem gearbeitet, insbesondere mit Vektoren, Geradengleichungen und Determinanten (analytische Geometrie). Mit den jeweiligen Methoden werden Sätze der ebenen Geometrie bewiesen. Unter anderem findet man die Sätze von Menelaos und Ceva, den Sehnen- und Sekantensatz, den Südpolsatz, die Formeln von Heron und Stewart, die Sätze von Napoleon und Morley, die Steinerschen Geraden und den Satz von Feuerbach. Die besonderen Punkte des Dreiecks werden in allen drei Teilen behandelt. Im vierten Teil wird lineare Algebra im R2 betrieben. Es werden lineare Abbildungen, Matrizen, Eigenwerte und Eigenvektoren eingeführt und Isometrien der Ebene (Drehungen, Spiegelungen, Translationen) untersucht. Dann kommen Kegelschnitte, Tangentenkonstruktion, Tangentengleichung, und die Hauptachsentransformation. Um das räumliche Vorstellungsvermögen zu üben, werden auch die Flächen zweiter Ordnung besprochen. Schließlich wird noch in einem fünften Teil das systematische Lösen von linearen Gleichungssystemen mit Hilfe des Gaußschen Eliminationsverfahrens behandelt. Auf theoretische Resultate aus der Linearen Algebra wird weitgehend verzichtet. Statt dessen wird eine Vorgangsweise gewählt, die für den Schulunterricht taugliches Hintergrundwissen darstellt. Literatur: Zwei Lehrbücher der Elementargeometrie Johnson: Advanced Euclidean Geometry Coxeter, Greitzer: Geometry revisited Das Buch von Johnson kann man als Standardlehrbuch der Elementargeometrie bezeichnen. Es wird üblicherweise zitiert, wenn man einen einführenden Text zitieren will. Der Inhalt des Buches geht natürlich weit über eine Lehramtsvorlesung hinaus. I. Elementargeometrie 1. Einleitung Punkte bezeichnen wir mit Großbuchstaben, Geraden und Kreise mit Kleinbuchstaben und Winkel mit griechischen Buchstaben. Für Längen, zum Beispiel Seitenlängen eines Dreiecks, verwenden wir Kleinbuchstaben und für Flächen Großbuchstaben. Wir führen folgende Abkürzungen ein: AB Strecke zwischen den Punkten A und B −→ AB Vektor vom Punkt A zum Punkt B ℓ(A, B) Gerade durch die Punkte A und B |AB| Abstand der Punkte A und B AB orientierter Abstand vom Punkt A zum Punkt B △ ABC Dreieck mit den Eckpunkten A, B und C ] ABC Winkel bei B im Dreieck mit den Eckpunkten A, B und C #ABC Fläche des Dreiecks mit den Eckpunkten A, B und C Den orientierten Abstand AB erhält man, indem man die Gerade g durch A und B mit der Zahlengerade R identifiziert und die Koordinate von A von der von B subtrahiert. Es gilt daher AB = −BA. Liegen drei Punkte A, B und C auf einer Geraden g, ganz egal in welcher Reihenfolge, dann gilt immer AB + BC = AC. Der orientierte Abstand AB hängt davon ab, wie man g orientiert, das heißt welche Richtung die positive ist. Dreht man die Orientierung um, dann ändert AB das Vorzeichen. Wir werden jedoch den orientierten Abstand immer nur in Quotienten oder Produkten verwenden: Seien zum Beispiel P , Q und R drei voneinander verschiedene Punkte auf einer Geraden g. Dann ist der Quotient PP Q R eindeutig bestimmt, unabhängig davon, wie man die Gerade g orientiert, da bei Änderung der Orientierung beide Abstände P Q und P R das Vorzeichen ändern. Liegt P nicht zwischen Q und R, dann haben P Q und P R |P Q| PQ gleiches Vorzeichen, sodass PP Q R > 0 und P R = |P R| gilt. Liegt P zwischen Q und R, dann haben P Q und P R verschiedenes Vorzeichen, sodass PP Q R < 0 gilt und wegen QP = −P Q |QP | |P Q| PQ QP auch − P R = P R = |P R| = |P R| . Ähnliches gilt auch für Produkte P Q · P R. Bemerkung: Wir benötigen sowohl den üblichen, nicht orientierten Abstand als auch den orientierten Abstand, den wir mit AB bezeichnen. Der übliche Abstand ist der Betrag der Zahl AB, daher bezeichnen wir ihn mit |AB|. Für Dreiecke verwenden wir die Standardbezeichnung. Die Eckpunkte bezeichnen wir mit A, B und C, die Längen der Dreieckseiten mit den Kleinbuchstaben a, b und c, entsprechend dem der Seite gegenüberliegenden Eckpunkt, und den (Innen)Winkel bei jedem Eckpunkt mit dem entsprechenden griechischen Buchstaben α, β und γ. Der Winkel δ ist ein Außenwinkel. Bei jedem Eckpunkt gibt es zwei Außenwinkel. C γ b a β α A δ c B Als Beweismethode werden wir oft kongruente Figuren verwenden. Zwei Figuren heißen kongruent, wenn sich die eine durch Verschieben, Drehen, Spiegeln in die andere überführen lässt. Bei kongruenten Figuren stimmen einander entsprechende Seitenlängen, Winkel und Flächen überein. Diese Methode verwenden wir jetzt, um zuerst Aussagen über die Gleichheit von Winkeln zu finden, und dann zum Berechnen von Flächen. 2 Elementargeometrie Seien g und h zwei Gerade, die einander in einem Punkt S h schneiden. Dann sind einander gegenüberliegende Winkel, S α die von den beiden Geraden eingeschlossen werden, gleich β groß. In der Zeichnung sind zwei solche Winkel mit α und g β bezeichnet. Dreht man die gesamte Figur um den Punkt S um 1800 , dann gehen die Geraden g und h in sich selbst über. Der Winkel β kommt dann auf dem Winkel α zu liegen. Somit sind die beiden Winkel gleich groß. (Scheitelwinkel) Zwei parallele Geraden g1 und g2 werden von einer dritten Geraden h geschnitten. Der Schnittβ punkt von g1 mit h sei S und der Schnittpunkt von g γ 2 R g2 mit h sei R. Dann sind die in der Zeichnung mit α und β bezeichneten Winkel gleich groß. Durch die Parallelverschiebung, die den Punkt S in den h Punkt R überführt, wird ja g1 auf g2 abgebildet und h auf sich selbst. Der Winkel α liegt dann auf S α dem Winkel β, womit die Gleichheit dieser Wing1 kel gezeigt ist (Stufenwinkel). Aus obigem Resultat folgt dann, dass auch der mit γ bezeichnete Winkel gleich α ist (Wechselwinkel). Seien g und h zwei Gerade, die einander in einem u g Punkt S schneiden und den Winkel α einschließen. Sei u eine senkrechte Gerade auf g und v eine senkrechte Gerade auf h. Der von u und v eingeschlosv sene Winkel β ist dann gleich α (Orthogonalwinkel). Das sieht man so: Wir drehen die Geraden u und v h um ihren Schnittpunkt P um 900 und erhalten die Geraden ũ und ṽ, die dann ebenfalls den Winkel β ṽ β einschließen. Da ũ parallel zu g liegt und ṽ parallel β zu h, muss β = α gelten. Durch die ParallelverP ũ schiebung, die P in S überführt, wird ja ũ auf g und ṽ auf h abgebildet, sodass der Winkel β dann auf dem Winkel α liegt. S α Wir wenden das gleich auf das Dreieck an. Satz 1: Die Summe der (Innen)Winkel eines Dreiecks beträgt 1800 . Beweis: Die Eckpunkte und Winkel des Dreiecks g werden wie üblich bezeichnet. Wir zeichnen eine zur Dreiecksseite AB parallele Gerade g durch den Eckpunkt C des Dreiecks. Diese bildet mit der Dreiecksseite AC einen Winkel ε und mit der Dreiecksseite BC einen Winkel δ. Nach dem oben α bewiesenen Resultat gilt ε = α und δ = β, da die A Gerade g parallel zur Seite AB liegt. Klarerweise gilt ε + γ + δ = 1800 . Damit ist auch α + γ + β = 1800 gezeigt. ε C γ δ β B Bemerkung: Aus diesem Satz folgt, dass jeder Außenwinkel gleich ist der Summe der Innenwinkel bei den anderen beiden Eckpunkten. Franz Hofbauer 3 Wie kann man die Fläche einer ebenen Figur, zum Beispiel eines Rechtecks, bestimmen? Dazu legen wir eine geeignete Einheitsfläche fest. Wir müssen ja von irgendwo ausgehen. Wir können die Einheitsfläche in gleich große Teile zerlegen, deren Fläche wir dann kennen, und versuchen, das Rechteck damit möglichst gut auszufüllen. Als Einheitsfläche wählen wir das Quadrat mit Seitenlänge 1. Seine Fläche ist 1. Wir nennen es Einheitsquadrat. Sei n eine natürliche Zahl. Wir bestimmen die Fläche des Quadrats mit Seitenlänge n1 . Wir teilen eine Seite des Einheitsquadrats in n gleich lange Teile. Durch die Unterteilungspunkte zeichnen wir Parallele zur anderen Quadratseite. Ebenso teilen wir die andere Quadratseite in n gleich lange Teile und zeichnen Parallele zur ersten Quadratseite. Dadurch wird das Einheitsquadrat in kleine Quadrate unterteilt, deren Anzahl n2 ist. Diese kleinen Quadrate haben alle Seitenlänge n1 und sind zueinander kongruent. Sie haben daher die gleiche Fläche, die wir G nennen. Es gilt n2 G = 1 und somit G = n12 . Damit ist die Fläche des Quadrats mit Seitenlänge n1 berechnet. Seien a und b positive Zahlen. Wir bestimmen die Fläche F des Rechtecks mit Seitenlängen a und b. Seien k und m in N so gewählt, dass (∗) k n ≤a< k+1 n und m n ≤b< m+1 n gilt. Beginnend im linken Endpunkt zeichnen wir auf der Rechteckseite der Länge a Unterteilungspunkte, die zueinander Abstand n1 haben. Der k-te Unterteilungspunkt liegt noch auf der Rechteckseite, der k+1-te bereits auf der Verlängerung. Durch diese Punkte zeichnen wir Parallele zur Rechteckseite der Länge b. Ebenso zeichnen wir auf der Rechteckseite der Länge b Unterteilungspunkte, die zueinander Abstand n1 haben. Der m-te Unterteilungspunkt liegt noch auf der Rechteckseite, der m + 1-te bereits auf deren Verlängerung. Durch diese Punkte zeichnen wir Parallele zur Rechteckseite der Länge a. Dadurch erhalten wir wieder Quadrate mit Seitenlänge n1 . Die Anzahl dieser Quadrate ist (k + 1)(m + 1). Sie überdecken das Rechteck. Es gilt daher F ≤ (k + 1)(m + 1) n12 . Aus (∗) folgt ab ≥ km n2 . Wir erhalten F − ab ≤ (k+1)(m+1) n2 − km n2 = k+m+1 n2 Die Anzahl der Quadrate, die ganz im Rechteck liegen, ist km. Es gilt daher F ≥ km n12 . Aus (∗) folgt ab ≤ (k+1)(m+1) . Wir erhalten n2 ab − F ≤ (k+1)(m+1) n2 − km n2 = k+m+1 n2 Da |F − ab| entweder gleich F − ab oder gleich ab − F ist, folgt aus diesen Umgleichungen, dass |F − ab| ≤ k+m+1 gilt. Mit Hilfe von (∗) erhalten wir schließlich n2 |F − ab| ≤ a n + b n + 1 n Da n beliebig groß gewählt werden kann, muss |F − ab| = 0 gelten. Damit ist F = ab a+b+1 gezeigt. (Wäre |F − ab| nicht null, dann würde n ≤ |F −ab| für alle n ∈ N gelten.) Mit Hilfe dieser Formel für die Fläche des Rechtecks können wir auch die Parallelogrammund die Dreiecksfläche bestimmen. 4 Elementargeometrie Satz 2: Sei ABCD ein Paralellogramm. Sei c die Länge der Seiten AB und CD und h die Länge der Höhe des Parallelogramms (Normalabstand der Seiten AB und CD). Die Fläche des Parallelogramms ist dann c · h. Sei △ ABC ein Dreieck. Sei c die Länge der Seite AB und h die Länge der Höhe durch C. Die Dreiecksfläche ist dann c·h 2 . Beweis: Sei V der Fußpunkt des Lots von C und D C U der des Lots von D auf die Gerade ℓ(A, B). Wir gehen vom Viereck AV CD aus. Die beiden Dreiecke △ BV C und △ AU D sind kongruent (das eine geht −→ durch die Translation um den Vektor BA in das andere über) und daher flächengleich. Schneidet man vom Viereck AV CD das Dreieck △ BV C weg, A B U V dann bleibt das Parallelogramm ABCD. Schneidet man vom Viereck AV CD das Dreieck △ AU D weg, dann bleibt das Rechteck U V CD. Die beiden verbleibenden Figuren haben gleiche Fläche. Das Parallelogramm ABCD hat dieselbe Fläche wie das Rechteck U V CD. Diese ist gleich c · h. Wenn der Winkel bei A stumpf ist, dann muss man vom Viereck U BCD ausgehen. Das Dreieck △ ABC ergänzen wir zu einem ParallelD C ogramm ABCD, indem wir für D den Schnittpunkt der Parallele zu ℓ(A, B) durch C und der Parallele zu ℓ(B, C) durch A wählen. Die Dreiecke △ ABC und △ ADC sind dann kongruent (eine Drehung um 1800 um den Mittelpunkt der Strecke AC führt das eine in das andere über) und daher auch flächengleich. Somit ist die Fläche des Dreiecks △ ABC gleich der A B Hälfte der Fläche des Paralellogramms ABCD. Wie wir gesehen haben, ist c · h die Paralellogrammfläche. Daher ist c·h 2 die Dreiecksfläche. 2. Der Strahlensatz Der Strahlensatz macht eine Aussage über die Verhältnisse von entsprechenden Seiten von Dreiecken in einer der beiden folgenden Situationen: D D B h v h v A u S u g A C S g C B Zwei Gerade g und h schneiden einander in einem Punkt S. Eine weitere Gerade u schneidet die Geraden g und h in den Punkten A und B, die ungleich S sind. Eine zu u parallele Gerade v schneidet g und h in den Punkten C und D, die ebenfalls ungleich S sind. Dadurch entstehen zwei Dreiecke △ SAB und △ SCD. Dabei können zwei Fälle auftreten. Entweder die beiden parallelen Geraden u und v liegen auf derselben Seite von S, wie es in der linken Zeichnung dargestellt ist, oder sie liegen auf verschiedenen Seiten von S, wie es in der rechten Zeichnung dargestellt ist. Franz Hofbauer Satz 3 (Strahlensatz) In der oben beschriebenen Situation gilt 5 SA SC = SB SD = AB CD . Beweis: Wir nehmen an, dass die Geraden u und v auf derselben Seite von S liegen. Das SA SB AB ist der oben links dargestellte Fall. In diesem Fall gilt SC > 0, SD > 0 und CD > 0. Wir arbeiten mit den Dreiecksflächen U = #SAB, V = #ABC und W = #ABD. Es gilt U + V = #SCB und U + W = #SDA. Sei d der Abstand der parallelen Geraden u und v. Weiters sei a der Normalabstand des PunkD tes A von der Geraden h und b der des Punktes B von der Geraden g. Es gilt B |SA| 2b |SA| #SAB SA U SC = |SC| = |SC| b = #SCB = U +V und |SB| |SD| 2 |SB| a 2 |SD| a 2 #SBA U = = = #SDA = U +W . h v Die beiden Dreiecke △ ABC und △ ABD u haben Grundlinie AB und gleiche Höhe d. Daher haben sie auch gleiche Fläche, also S g SA SB A = SD , der erste gilt V = W . Damit ist SC C Teil des Strahlensatzes, bereits bewiesen. SA AB Um auch SC = CD zu beweisen, arbeiten wir mit den Dreiecksflächen R = #SCD und T = #BCD. Ist c der Normalabstand des Punktes S von der Geraden u, dann gilt d c c R = c+d 2 · |CD| und T = 2 · |CD|, woraus R − T = 2 · |CD| folgt. Wegen U = 2 · |AB| |AB| AB U erhalten wir CD = |CD| = R−T . Da sowohl U + V als auch R − T die Fläche des Dreiecks U SA AB = U +V = SC gezeigt. △ SBC ergeben, gilt U + V = R − T . Somit ist CD Der Satz ist gezeigt, wenn die parallelen Geraden auf derselben Seite des Punktes S liegen. Den Fall, wo die parallelen Geraden auf verschiedenen Seiten von S liegen, kann man auf diesen zurückführen, indem man die links von S liegende Gerade am Punkt S spiegelt. Es ist zu beachten, dass dabei die Zahlen SA, SB und AB ihr Vorzeichen ändern. SB SD Bemerkung: Der Beweis des Strahlensatzes besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil SA SB SA AB wird die Gleichung SC = SD bewiesen, im zweiten die Gleichung SC = CD . Anstatt einen eigenen Beweis für die zweite Gleichung zu geben, kann man sie auch auf die erste zurückführen. Sei w der Vektor von A D nach C. Wir verschieben die Punkte S, A und B um den Vektor w. Die Punkte, B die wir dadurch erhalten, nennen wir S ∗ , B∗ A∗ und B ∗ . Wegen der Wahl von w gilt h A∗ = C und S ∗ liegt auf ℓ(S, C). Da u v parallel zu v liegt, verschiebt w die Geu rade u in die Gerade v und B ∗ liegt daher S auf v. Weiters sind die Geraden ℓ(S, B) S∗ g A und ℓ(S ∗ , B ∗ ) zueinander parallel. Wenn C=A∗ wir jetzt die im ersten Teil bewiesene Glei∗ CB ∗ CS ∗ S∗ C SA chung anwenden, dann erhalten wir CS CS = CD . Nun gilt CS =∗ SC = SC , da durch AB die Verschiebung S in S ∗ und A in C übergeht. Ebenso gilt CB CD = CD , da durch die SA AB Verschiebung A in C und B in B ∗ übergeht. Damit ist dann SC = CD bewiesen. Wir geben einen zweiten Beweis des Strahlensatzes. In diesem Beweis wird der Strahlensatz zuerst für rationale Verhältnisse bewiesen. Durch Approximation erhält man dann den allgemeinen Fall. 6 Elementargeometrie Zweiter Beweis: Wir nehmen wieder an, D dass die beiden parallelen Geraden u und v auf derselben Seite von S liegen. Wir B SA behandeln zuerst den Fall, wo SC rational ist. Es existieren Zahlen k und n in N mit h |SA| |SC| v SA k u SC = |SC| = n . Wir setzen q = n . Es gilt |SC| = nq und |SA| = |SC| nk = kq. Wir teilen die Strecke SC in n gleich lange S Teile der Länge q und zeichnen durch diese A C Teilungspunkte Geraden, die parallel zur Gerade v liegen. Ebenso zeichnen wir durch diese Teilungspunkte Geraden, die parallel zur Gerade h liegen. Dadurch entstehen zueinander kongruente Parallelogramme. Sie sind kongruent, da sie durch geeignete Parallelverschiebungen ineinander übergehen. Die an der Srecke SD anliegenden Parallelogramme teilen diese Strecke in n gleich lange Teile, deren Länge wir mit r bezeichnen. Der k-te der so entstehenden Unterteilungspunkte fällt mit B zusammen, da ja wegen |SA| = kq die k-te der zu v parallelen Geraden mit u |SB| SB = |SD| = nk . zusammenfällt. Somit gilt |SD| = nr und |SB| = kr. Es folgt SD Die an der Strecke CD anliegenden Parallelogramme teilen diese Strecke in n gleich lange Teile, deren Länge wir mit s bezeichnen. Die Strecke AB wird durch die an sie anliegenden Parallelogramme ebenfalls in gleich lange Teile der Länge s unterteilt. Wegen |SA| = kq ist |AB| AB k die Anzahl dieser Teile. Es gilt also |CD| = ns und |AB| = ks. Es folgt CD = |CD| = nk . SA SA SB AB In dem Fall, wo SC rational ist, haben wir SC = SD = CD bewiesen. SA Um den Beweis zu führen, wenn SC nicht rational ist, teilen wir wie oben die Strecke D SC in n gleiche Teile der Länge q = |SC| n B2 und zeichnen parallele Geraden zu v bzw. B B1 zu h, die SD in n gleiche Teile der Länge r und CD in n gleiche Teile der Länge s v h teilen. Die Punkte A und B liegen jetzt nicht auf einem Unterteilungspunkt. Seien A1 und A2 die Unterteilungspunkte auf der S g A1 A A2 Strecke SC, zwischen denen A liegt. Seien C B1 und B2 die Unterteilungspunkte auf der Strecke SD, zwischen denen B liegt. Die Strecken A1 B1 und A2 B2 liegen dann parallel zur Strecke AB. Und da es sich bei den Punkten A1 , A2 , B1 , B2 um Unterteilungspunkte |SB1 | |A1 B1 | |SA2 | |SB2 | |A2 B2 | 1| handelt, erhalten wir |SA |SC| = |SD| = |CD| und |SC| = |SD| = |CD| aus dem ersten Teil des Beweises. Es gilt |SA| < |SA2 | und |SB1 | < |SB|. Wegen |SA2 | = |SA1 | + q folgt |SA| − q < |SA1 | |SA1 | |SB1 | |SB| |SA| |SB| 1 und |SA|−q |SC| < |SC| = |SD| < |SD| . Setzt man für q ein, so erhält man |SC| − n < |SD| . Es gilt |SA| > |SA1 | und |SB2 | > |SB|. Wegen |SA1 | = |SA2 | − q folgt |SA| + q > |SA2 | |SA2 | |SB2 | |SB| |SA| |SB| 1 und |SA|+q |SC| > |SC| = |SD| > |SD| . Setzt man für q ein, so erhält man |SC| + n > |SD| . Wir haben somit |SA| |SC| − ergibt sich die Gleichheit |SB| |SA| 1 n < |SD| < |SC| |SA| |SB| |SC| = |SD| , das + 1 n heißt gezeigt. Das gilt für alle n ∈ N. Daraus SA SC = SB SD . Franz Hofbauer 7 Da aber auch |A1 B1 | < |AB| und |A2 B2 | > |AB| gelten, kann man diesen Beweisschritt auch mit |A1 B1 | statt |SB1 |, mit |A2 B2 | statt |SB2 |, mit |AB| statt |SB| und mit |CD| |SA| |AB| |SA| − n1 < |CD| < |SC| + n1 . Da dies für alle n ∈ N statt |SD| durchführen und erhält |SC| gilt, ist auch |SA| |SC| = |AB| |CD| gezeigt, das heißt SA SC = AB CD . Der Fall, in dem die parallelen Geraden auf verschiedenen Seiten von S liegen, lässt sich wie im ersten Beweis behandeln. Wenn die oben vorausgesetzte Situation vorliegt mit zwei einander schneidenden Geraden g und h, die von zwei parallelen Geraden u und v geschnitten werden, dann verwendet man die in Satz 3 formulierte Version des Strahlensatzes mit orientierten Verhältnissen. Häufig wendet man den Strahlensatz aber auch auf ähnliche Dreiecke an. Zwei Dreiecke nennt man ähnlich, wenn sie gleiche Winkel haben. Zwei zueinander ähnliche Dreiecke △ ABC und △ DEF schreiben wir immer so auf, dass die Winkel bei den erstgenannten Eckpunkten übereinstimmen, (hier sind das A und D), ebenso die bei den zweitgenannten (hier B und E), und daher dann auch die bei den drittgenannten (hier C und F ). In diesem Fall kann man die Dreiecke so übereinanderlegen, dass der Punkt D auf A liegt, die Seite AB auf DE und die Seite AC auf DF . Aus dem Strahlensatz folgt dann |AB| |DE| = |AC| |DF | = |BC| |EF | . (Die Gleichungen bleiben ja erhalten, wenn man Beträge setzt.) In diesem Fall arbeitet man mit nichtorientierten Abständen, da die Dreiecke △ ABC und △ DEF ja irgendwie liegen können und man daher nicht von gleicher oder entgegengesetzter Orientierung der Abstände sprechen kann. Oft schreibt man diese Gleichungen auch so auf |AB| |AC| = |DE| |DF | , |AB| |BC| = |DE| |EF | und |AC| |BC| = |DF | |EF | . Wir beweisen noch eine Umkehrung des Strahlensatzes und zuvor einen Hilfssatz. Hilfssatz A: Wenn die Punkte P , Q und S auf einer Geraden liegen und P S = QS gilt, dann sind P und Q identisch. Wenn die Punkte P , Q, R und S auf einer Geraden liegen QR und PP R S = QS gilt, dann sind P und Q identisch. Beweis: Da P , Q und S auf einer Geraden liegen und P S = QS gilt, haben die Punkte P und Q denselben Abstand von S und sie liegen auch auf der selben Seite von S, da die Abstände in einer Richtung positives und in der anderen Richtung negatives Vorzeichen haben. Also sind P und Q identisch und die erste Aussage ist gezeigt. Jetzt zur zweiten Aussage. Da die Punkte P , Q, R und S auf einer Gerade liegen, gilt QR auch P R = P S + SR und QR = QS + SR. Setzt man das in PP R S = QS ein, so erhält man SR SR 1+ P S = 1+ QS . Also gilt P S = QS. Nach der ersten Aussage sind P und Q identisch. Satz 4 (Umkehrung des Strahlensatzes) Seien g und h zwei Gerade, die einander im Punkt S schneiden. Seien A und C Punkte auf g und B und D Punkte auf h, die alle ungleich S SA SB sind. Wenn SC = SD gilt, dann liegt die Gerade ℓ(A, B) parallel zur Geraden ℓ(C, D). Beweis: Sei u die Gerade durch den Punkt A, die parallel zu ℓ(C, D) liegt. Sei B ∗ der Schnittpunkt von u mit h. Man beachte, dass ℓ(C, D) und damit auch u nicht parallel zu h ∗ SA SB SA ∗ = SB liegen kann. Aus Satz 3 folgt dann SC SD . Wegen SC = SD erhalten wir SB = SB. ∗ ∗ Daraus folgt B = B wegen Hilfssatz A, da S, B und B alle auf der Geraden h liegen. Daraus folgt wieder, dass ℓ(A, B) mit der Geraden u zusammenfällt, womit bewiesen ist, dass ℓ(A, B) parallel zu ℓ(C, D) liegt. 8 Elementargeometrie Wir kommen zu den Anwendungen des Strahlensatzes. Die Sätze von Menelaos und Ceva machen Aussagen über drei Punkte, die auf den Trägergeraden der Seiten eines Dreiecks liegen. Der Satz von Menelaos gibt eine Bedingung dafür, dass die drei Punkte auf einer Gerade liegen. Der Satz von Ceva gibt eine Bedingung dafür, dass die Verbindungsgeraden der drei Punkte mit den gegenüberliegenden Eckpunkten durch einen Punkt gehen. Satz 5 (Satz von Menelaos) Sei △ ABC ein Dreieck. Sei D auf der Geraden ℓ(A, B), sei E auf der Geraden ℓ(B, C) und sei F auf der Geraden ℓ(C, A) so gewählt, dass die Punkte D, E und F keine Eckpunkte des Dreiecks sind und alle auf einer Gerade g liegen. Dann DA EB F C AD BE CF gilt DB · EC · F A = 1 (oft auch als DB · EC · F A = −1 geschrieben). Beweis: Sei A∗ der Fußpunkt des Lots vom Punkt A auf die Gerade g, sei B ∗ der Fußpunkt des Lots vom Punkt B auf die Gerade g und sei C ∗ der Fußpunkt des Lots vom Punkt C auf die Gerade g. Da die Geraden ℓ(A, A∗ ) und ℓ(B, B ∗ ) parallel liegen, DA AA∗ folgt DB = BB ∗ aus dem StrahlenBB ∗ satz. Ebenso folgt EB EC = CC ∗ , da ℓ(B, B ∗ ) und ℓ(C, C ∗ ) parallel liegen, CC ∗ ∗ und auch FF C A = AA∗ , da ℓ(A, A ) und ℓ(C, C ∗ ) parallel liegen. Damit ergibt sich C g A∗ F C∗ E B∗ D A DA DB B · EB EC · FC FA = AA∗ BB ∗ · BB ∗ CC ∗ · CC ∗ AA∗ = 1. Es gibt eine Umkehrung des Satzes von Menelaos, die wir nicht behandeln. Satz 6 (Satz von Ceva) Sei △ ABC ein Dreieck. Sei D auf der Geraden ℓ(A, B), sei E auf der Geraden ℓ(B, C) und sei F auf der Geraden ℓ(C, A) so gewählt, dass diese Punkte keine Eckpunkte des Dreiecks sind und dass die Geraden ℓ(A, E), ℓ(B, F ) und ℓ(C, D) FC DA · EB durch einen gemeinsamen Punkt P gehen. Dann gilt DB EC · F A = −1 (oft auch als AD BE CF DB · EC · F A = 1 geschrieben). Beweis: Sei g die Gerade durch C parallel zu ℓ(A, B). Da E kein Eckpunkt ist, existiert der Schnittpunkt U der Geraden g mit ℓ(A, E) und ist ̸= C. Da F kein Eckpunkt ist, existiert der Schnittpunkt V der Geraden g mit ℓ(B, F ) und ist ̸= C. In der linken Zeichnung liegt der Punkt P im Dreieck, in der rechten Zeichnung liegt P außerhalb. Aus g C V F U F g E C V U P P E A D B A B D DA PD DB DA CU dem Strahlensatz folgt PP D C = CU und P C = CV . Es gilt also DB = CV . Ebenfalls aus BA FC CV dem Strahlensatz erhalten wir EB EC = CU und F A = AB . Multiplikation der letzten drei DA EB F C BA DA EB F C Gleichungen ergibt DB · EC · F A = AB . Wegen BA = −AB folgt DB · EC · F A = −1. Franz Hofbauer 9 Es gibt auch eine Version des Satzes von Ceva für parallele Geraden. Satz 7: Sei △ ABC ein Dreieck. Sei D auf der Geraden ℓ(A, B), sei E auf der Geraden ℓ(B, C) und sei F auf der Geraden ℓ(C, A) so gewählt, dass diese Punkte keine Eckpunkte des Dreiecks sind und dass die Geraden ℓ(A, E), ℓ(B, F ) und ℓ(C, D) parallel liegen. Dann DA EB F C AD BE CF gilt DB · EC · F A = −1 (was man wieder als DB · EC · F A = 1 schreiben kann). Beweis: Wir gehen vor wie im letzten C U V g Beweis. Sei g die Gerade parallel zu ℓ(A, B) durch C. Da E kein Eckpunkt ist, existiert der Schnittpunkt U der Geraden g mit ℓ(A, E) und ist ̸= C. Da F E kein Eckpunkt ist, existiert der Schnittpunkt V der Geraden g mit ℓ(B, F ) und ist ̸= C. Aus dem Strahlensatz folgt D A B BA FA AB = und = . Da dann EB EC CU FC CV auch die Geraden ℓ(A, E), ℓ(B, F ) und ℓ(C, D) zueinander parallel liegen, erF halten wir CU = DA und CV = DB. BA FC DB EB Es gilt also EC = DA und F A = AB . Wir multiplizieren diese Gleichungen und berücksichtigen, dass AB = −BA gilt. Wir FC DB DA EB F C erhalten EB EC · F A = − DA . Daraus folgt dann DB · EC · F A = −1. Wir beweisen noch die Umkehrung des Satzes von Ceva. Satz 8: Sei △ ABC ein Dreieck. Sei D auf der Geraden ℓ(A, B), sei E auf der Geraden DA FC ℓ(B, C) und sei F auf der Geraden ℓ(C, A) so gewählt, dass DB · EB EC · F A = −1 gilt. Dann liegen die Geraden ℓ(A, E), ℓ(B, F ) und ℓ(C, D) entweder parallel oder sie schneiden einander in einem Punkt. Beweis: Liegen die Geraden ℓ(A, E), ℓ(B, F ) und ℓ(C, D) parallel, dann ist nichts zu zeigen. Nehmen wir also an, dass zwei von ihnen, sagen wir ℓ(A, E) und ℓ(C, D), einander in einem Punkt P schneiden. Angenommen die Geraden ℓ(B, P ) und ℓ(A, C) wären BP parallel. Diese Situation sieht man in der Zeichnung links. Aus Satz 3 folgt dann DB DA = AC BP DA EB F C FC und EB EC = CA . Mit Hilfe der Voraussetzung DB · EC · F A = −1 erhalten wir F A = 1 und C F∗ C P E A B E P D A B D somit F C = F A. Es folgt C = A wegen Hilfssatz A, da C, A und F alle auf der Geraden ℓ(A, C) liegen. Dieser Widerspruch zeigt, dass die Geraden ℓ(B, P ) und ℓ(A, C) nicht parallel sein können. Sei F ∗ ihr Schnittpunkt. Das ist in der rechten Zeichnung dargestellt. ∗ DA EB F ∗ C FC Aus Satz 6 folgt DB · EC · F ∗ A = −1. Mit Hilfe der Voraussetzung erhalten wir FF ∗ C A = FA. ∗ ∗ Wegen Hilfssatz A folgt F = F , da die Punkte A, C, F und F alle auf der der Gerade ℓ(A, C) liegen. Damit ist gezeigt, dass der Punkt F auf der Gerade ℓ(B, P ) liegt, oder anders ausgedrückt, dass auch die Gerade ℓ(B, F ) durch den Punkt P geht. 10 Elementargeometrie 3. Der Satz von Pythagoras Wir legen die Bezeichnung für ein rechtwinkeliges Dreieck fest. Den Eckpunkt beim rechten Winkel nennen wir C, die anderen beiden A und B. Die dem rechten Winkel gegenüberliegende Seite heißt Hypotenuse, ihre C Länge ist c, die anderen beiden Seiten heißen Katheten, ihre Längen sind a und b. Die Winkel a heißen wie üblich α, β und γ, wobei γ = 900 ist. b h Die Höhe durch den Eckpunkt C hat Länge h und Fußpunkt H. Die Hypothenuse AB wird durch H in zwei Teile geteilt, deren Längen wir p c A q H B q und p nennen, sodass c = p + q gilt. Satz 9: Für ein rechtwinkeliges Dreieck mit den oben eingeführten Bezeichnungen gilt c2 = a2 + b2 2 Satz von Pythagoras 2 a = pc und b = qc 2 h = pq Kathetensatz Höhensatz Erster Beweis: Die Dreiecke △ AHC und △ ACB sind ähnlich, da sie beim Eckpunkt A denselben Winkel haben, und das erste Dreieck bei H und das zweite bei C einen rechten 2 2 Winkel hat. Aus dem Strahlensatz folgt qb = cb und hb = ac , das heißt b2 = qc und h2 = ac2b . Ebenso sind die Dreiecke △ BHC und △ BCA ähnlich, woraus ap = ac und damit a2 = pc folgt. Damit ist der Kathetensatz bereits bewiesen. Addiert man a2 = pc und b2 = qc, die beiden Gleichungen aus dem Kathetensatz, so folgt 2 2 a2 + b2 = (p + q)c = c2 , der Satz von Pythagoras. Setzt man in h2 = ac2b die beiden 2 Gleichungen aus dem Kathetensatz ein, so folgt h2 = pqc c2 = pq, der Höhensatz. Zweiter Beweis: Wir zeichnen zwei Quadrate mit Seitenlänge a + b nebeneinander. Aus jedem der beiden Quadrate schneiden wir vier Mal das Dreieck heraus, wie es in der Zeichnung zu sehen ist. Vom ersten Quadrat verbleiben zwei Quadrate, das eine mit Seitenlänge a, das andere mit Seitenlänge b. Die Flächen dieser beiden Quadrate sind a2 und b2 . Vom zweiten Quadrat bleibt ein Quadrat der Seitenlänge c übrig. Es ist ein Quadrat, da jeder der Winkel in den Ecken aus einem Winkel von 1800 durch Wegnahme von α und β entsteht und α +β = 900 gilt. Da die verbleibende Fläche in beiden Fällen gleich sein muss, ist a2 + b2 = c2 gezeigt. Die Höhe zerteilt das rechtwinkelige Dreieck in zwei kleinere rechtwinkelige Dreiecke ∆1 mit Seiten h, p, a und ∆2 mit Seiten h, q, b. Sei ∆ das Dreieck mit den Seiten p + h, q + h und a + b. In der linken h b Zeichnung werden ∆1 und ∆2 aus dem Dreieck ∆ so herausa p q geschnitten, dass ein Quadrat mit Seitenlänge h übrigbleibt. In der rechten Zeichnung werden ∆1 und ∆2 aus dem Dreieck ∆ so herausgeschnitten, dass ein Rechteck mit Seitenlängen a p h p und q übrigbleibt. Die Rechteckfläche ist somit gleich der h b Quadratfläche. Es gilt pq = h2 . Damit ist der Höhensatz bewiesen. Der Kathetensatz folgt schließlich aus dem Satz von q h Pythagoras angewandt auf ∆1 und ∆2 und dem Höhensatz. Wir erhalten a2 = p2 + h2 = p2 + pq = pc und b2 = q 2 + h2 = q 2 + pq = cq. Franz Hofbauer 11 Wir kommen zu den Anwendungen des Satzes von Pythagoras. Der folgende Satz ist der Satz von Carnot. Man kann ihn als Gegenstück zum Satz von Ceva verstehen. Sind E, F und D Punkte auf den Trägergeraden der drei Seiten eines Dreiecks △ ABC, dann gibt der Satz von Ceva eine Bedingung dafür an, dass die Verbindungsgeraden dieser Punkte mit dem jeweils gegenüberliegenden Eckpunkt des Dreiecks einander in einem Punkt schneiden. Der Satz von Carnot hingegen gibt eine Bedingung an, dass die Senkrechten durch diese drei Punkte auf die jeweilige Trägergerade einander in einem Punkt schneiden. Es folgt der Satz von Carnot und dann seine Umkehrung. Satz 10: Sei △ ABC ein Dreieck. Sei D ein Punkt auf ℓ(A, B), sei E ein Punkt auf ℓ(B, C) und F ein Punkt auf ℓ(C, A), sodass die Gerade durch D senkrecht auf ℓ(A, B), die Gerade durch E senkrecht auf ℓ(B, C) und die Gerade durch F senkrecht auf ℓ(C, A) einander in einem Punkt schneiden. Dann gilt |AD|2 − |DB|2 + |BE|2 − |EC|2 + |CF |2 − |F A|2 = 0. Beweis: Wir zeichnen die Lote vom Punkt P auf die (Verlängerungen der) drei Dreiecksseiten, das sind die Strecken von P nach D, von P nach E und von P nach F . Weiters zeichnen wir die Strecken vom Punkt P zu den drei C Eckpunkten A, B und C. Dadurch entstehen sechs rechtwinkelige Dreiecke, wobei die rechten Winkel jeweils bei den Punkten D, E und F liegen. F Wir wenden den Satz von Pythagoras auf diese sechs Dreiecke an und erhalten die Gleichungen: E P |AD|2 = |AP |2 − |DP |2 , |DB|2 = |BP |2 − |DP |2 , |BE|2 = |BP |2 − |EP |2 , |EC|2 = |CP |2 − |EP |2 , |CF |2 = |CP |2 − |F P |2 , |F A|2 = |AP |2 − |F P |2 . Das alles gilt auch, wenn der Punkt P außerhalb des Dreiecks liegt. Die Lage dieser rechtwinkeA D B ligen Dreiecke ist dann nur etwas komplizierter. Subtrahiert man die ersten beiden Gleichungen, die darauffolgenden beiden Gleichungen und die letzten beiden Gleichungen, so hat man |AD|2 − |DB|2 = |AP |2 − |BP |2 , |BE|2 − |EC|2 = |BP |2 − |CP |2 und |CF |2 − |F A|2 = |CP |2 − |AP |2 . Addiert man diese drei Gleichungen, so folgt schließlich |AD|2 − |DB|2 + |BE|2 − |EC|2 + |CF |2 − |F A|2 = 0. Das ist bereits das gewünschte Resultat. Satz 11: Sei △ ABC ein Dreieck. Sei D ein Punkt auf ℓ(A, B), sei E ein Punkt auf ℓ(B, C) und sei F ein Punkt auf ℓ(C, A), sodass |AD|2 −|DB|2 +|BE|2 −|EC|2 +|CF |2 −|F A|2 = 0 gilt. Die Gerade durch D senkrecht auf ℓ(A, B), die Gerade durch E senkrecht auf ℓ(B, C) und die Gerade durch F senkrecht auf ℓ(C, A) schneiden dann einander in einem Punkt. Beweis: Sei ga die Gerade durch den Punkt E senkrecht auf ℓ(B, C) und gb die Gerade durch den Punkt F senkrecht auf ℓ(C, A). Sei P der Schnittpunkt der Geraden ga und gb . Weiters sei D∗ der Fußpunkt des Lotes von P auf die Gerade ℓ(A, B). Aus Satz 10 erhalten wir |AD∗ |2 − |D∗ B|2 + |BE|2 − |EC|2 + |CF |2 − |F A|2 = 0. Nach Vorassetzung gilt |AD|2 − |DB|2 + |BE|2 − |EC|2 + |CF |2 − |F A|2 = 0. Es folgt |AD∗ |2 − |D∗ B|2 = |AD|2 − |DB|2 . Setzt man x = DD∗ dann gilt AD∗ = AD + x und x + D∗ B = DB. Setzt man das ein, so folgt |AD|2 + 2AD · x + x2 − |DB|2 + 2DB · x − x2 = |AD|2 − |DB|2 , das heißt 2AD · x + 2DB · x = 0. Wegen AD + DB = AB ̸= 0 folgt AB · x = 0 und daraus x = 0. Damit ist DD∗ = 0 gezeigt, also D∗ = D. Das Lot von P auf die Gerade ℓ(A, B) geht durch D. Somit liegt P auch auf der Gerade durch D senkrecht auf ℓ(A, B). 12 Elementargeometrie Wir beschäftigen uns noch ein wenig mit dem Kreis. Satz 12: Sei k ein Kreis mit Mittelpunkt M und Radius r. Sei P ein Punkt auf k und g eine Gerade durch P . Wenn g senkrecht auf die Strecke M P steht, dann liegen alle Punkte der Geraden g mit Ausnahme von P außerhalb des Kreises (g ist Tangente und P der Berührpunkt). Wenn g nicht senkrecht auf M P steht, dann hat g neben P einen zweiten Schnittpunkt Q mit dem Kreis, die Punkte auf g zwischen P und Q liegen innerhalb des Kreises und alle anderen Punkte auf g liegen außerhalb des Kreises (g ist eine Sekante). Beweis: Wir nehmen an, dass g senkrecht auf M P steht. Ist R ein Punkt ̸= P auf g, dann gilt ] M P R = 900 und |M R|2 = |M P |2 + |P R|2 folgt aus dem Satz von Pythagoras. Somit gilt |M R| > |M P | = r. Alle Punkte R auf der Geraden g, die ̸= P sind, liegen außerhalb des Kreises. Wir nehmen an, dass g nicht senkrecht auf M P steht. Sei F der Fußpunkt des Lots von M auf g. Wir spiegeln P an F und erhalten den Punkt Q. Wegen |F Q| = |F P | folgt |M Q|2 = |M F |2 + |F Q|2 = |M F |2 + |F P |2 = |M P |2 = r2 aus dem Satz von Pythagoras. Somit liegt auch Q auf dem Kreis. Ist R ein Punkt auf g zwischen P und Q, dann gilt |F R| < |F P | und es folgt |M R|2 < r2 wie oben. Somit liegt R im Kreis. Ist R ein Punkt auf g außerhalb der Strecke P Q, dann gilt |F R| > |F P | und es folgt |M R|2 > r2 . Somit liegt R außerhalb des Kreises. Bemerkung: Zwei Kreise mit Mittelpunkten M1 und M2 und Radien r1 und r2 berühren einander im Punkt P , wenn sie dort eine gemeinsame Tangente g haben. Die Senkrechte auf g durch P geht dann durch M1 und M2 . Es gilt |M1 M2 | = r1 + r2 , wenn sie einander von außen berühren, und |M1 M2 | = |r1 − r2 |, wenn einer den anderen von innen berührt. Wir rechnen dazu ein Beispiel. Sei AB eine Strecke, auf der ein Punkt C gewählt wird. Über der Strecke AB als Durchmesser errichten wir einen Halbkreis k. Aus diesem Halbkreis schneiden wir den Halbkreis k1 mit Durchmesser AC und den Halbkreis k2 mit Durchmesser CB heraus. Die verbleibende Figur ist der Arbelos (Archimedes). Seien r, r1 und r2 die Radien und M , M1 und M2 die Mittelpunkte der Halbkreise k, k1 und k2 . Es gilt |AB| = 2r, |AC| = 2r1 und |CB| = 2r2 . Wegen |AB| = |AC| + |CB| erhalten wir r = r1 + r2 . Weiters berechnen wir |M M1 | = |M A| − |M1 A| = r − r1 = r2 und |M M2 | = |M B| − |M2 B| = r − r2 = r1 . Ein Arbelos hat einen Inkreis. Es ist der Kreis, der den Halbkreis k von innen und die beiden Halbkreise k1 und k2 von außen berührt. Satz 13: Für den Radius ϱ des Inkreises gilt ϱ = r1 r2 (r1 +r2 ) . r12 +r1 r2 +r22 Beweis: Sei I der Mittelpunkt des Inkreises und F der Fußpunkt des Lots von I auf AB. k Wir setzen d = |M F | und h = |IF |. Wir I verwenden den Satz von Pythagoras. Es gilt k1 2 2 2 2 (r − ϱ) = |IM | = d + h , da der Inkreis den Halbkreis k von innen berührt. Es gilt k2 2 2 2 2 (r1 + ϱ) = |IM1 | = (r2 + d) + h und (r2 + ϱ)2 = |IM2 |2 = (r1 − d)2 + h2 , da der A B M1 M2 M CF Inkreis die Halbkreise k1 und k2 von außen berührt. Wir lösen diese drei Gleichungen. Subtraktion der ersten Gleichung von den beiden anderen gibt r12 + 2r1 ϱ − r2 + 2rϱ = r22 + 2r2 d und r22 + 2r2 ϱ − r2 + 2rϱ = r12 + 2r1 d. Aus diesen beiden Gleichungen eliminieren wir d und setzen r = r1 + r2 ein. Dadurch 2 (r1 +r2 ) erhalten wir dann ϱ = rr12 r+r 2. 1 r2 +r 1 2 Franz Hofbauer 13 Satz 14: Sei k ein Kreis mit Mittelpunkt M und Radius r. Eine Gerade g schneide k in den Punkten A und B. Sei P ein weiterer Punkt auf g. Dann gilt P A · P B = |M P |2 − r2 . Beweis: Sei h die Länge des Lots von M auf g und F dessen Fußpunkt. Wenn g durch M geht, dann ist h = 0 und F = M . Sei a = P A und b = P B. Aus den Rechenregeln für den orientierten Abstand folgt AB = AP + P B = P B − P A = b − a und AF = 21 AB = b−a 2 . b−a a+b Damit ergibt sich P F = P A + AF = a + 2 = 2 . Setzt man c = |M P | dann folgen T M M A P F B A F B P b−a 2 2 2 2 c2 = h2 + ( a+b 2 ) und r = h + ( 2 ) aus dem Satz von Pythagoras. Subtrahiert man diese Gleichungen, dann erhält man c2 − r2 = ab, das heißt |M P |2 − r2 = P A · P B. Satz 14 heißt Sehnensatz, wenn P auf der Sehne AB liegt. In diesem Fall, der in der linken Zeichnung dargestellt ist, gilt |P A|·|P B| = r2 −|M P |2 , da P A und P B verschiedene Vorzeichen haben. Liegt P außerhalb des Kreises, dann heißt Satz 14 Sekantensatz. In diesem Fall, der in der rechten Zeichnung dargestellt ist, gilt |P A| · |P B| = |M P |2 − r2 , da P A und P B gleiches Vorzeichen haben. Ist T der Berührpunkt einer Tangente vom Punkt P an den Kreis, dann folgt |P T |2 + r2 = |M P |2 aus dem Satz von Pythagoras, sodass der Sekantentensatz dann |P A| · |P B| = |P T |2 lautet. Die Zahl |M P |2 − r2 nennt man die Potenz des Punktes P bezüglich dem Kreis k mit Mittelpunkt M und Radius r. Wir bezeichnen sie mit Πk (P ). Punkte innerhalb des Kreises k haben negative, Punkte außerhalb des Kreises positive Potenz und Punkte auf dem Kreis haben Potenz 0. Nach Satz 14 gilt dann P A · P B = Πk (P ), wobei A und B die Schnittpunkte einer beliebigen Gerade durch P mit dem Kreis k sind. Seien k1 und k2 zwei Kreise mit Radien r1 und r2 und verschiedenen Mittelpunkten M1 und M2 . Sei F der Punkt auf ℓ(M1 , M2 ), für den |M1 F |2 − |M2 F |2 = r12 − r22 gilt. Das ist äquivalent zu (M1 F + M2 F ) · M1 M2 = r12 − r22 . So sieht man, dass F eindeutig ist. Sei P ein Punkt und P ∗ der Fußpunkt des Lots von P auf ℓ(M1 , M2 ). Nach dem Satz von Pythagoras ist Πk1 (P ) = Πk2 (P ) äquivalent zu |M1 P ∗ |2 −r12 = |M2 P ∗ |2 −r22 und somit äquivalent zu P ∗ = F . Daher gilt Πk1 (P ) = Πk2 (P ) genau dann, wenn P auf der Gerade durch F senkrecht zu ℓ(M1 , M2 ) liegt. Diese Gerade nennt man die Potenzgerade der Kreise k1 und k2 . Haben die Kreise einen gemeinsamen Punkt Q, dann gilt Πk1 (Q) = 0 = Πk2 (Q). In diesem Fall ist die Gerade durch Q senkrecht zu ℓ(M1 , M2 ) die Potenzgerade. Seien nun k1 , k2 und k3 Kreise, deren Mittelpunkte nicht auf einer Gerade liegen. Sei Z der Schnittpunkt der Potenzgerade von k1 und k2 mit der von k1 und k3 (existiert, da die Mittelpunkte nicht auf einer Geraden liegen). Dann gilt Πk1 (Z) = Πk2 (Z) und Πk1 (Z) = Πk3 (Z). Es folgt Πk2 (Z) = Πk3 (Z). Somit liegt Z auch auf der Potenzgerade von k2 und k3 . Die drei Potenzgeraden haben einen gemeinsamen Punkt. Dieser hat bezüglich k1 , k2 und k3 die gleiche Potenz. Er wird Potenzzentrum der drei Kreise genannt. 14 Elementargeometrie 4. Das Dreieck Zwei Dreiecke heißen kongruent, wenn sich das eine durch Verschieben, Drehen, Spiegeln in das andere überführen lässt. Zwei zueinander kongruente Dreiecke △ ABC und △ P QR schreiben wir immer so auf, dass die erstgenannten Eckpunkte einander entsprechen (hier sind das A und P ), ebenso die zweitgenannten (hier B und Q), und daher dann auch die drittgenannten (hier C und R). Sind zwei Dreiecke kongruent, dann sind die einander entsprechenden Seiten gleich lang und die einander entsprechenden Winkel gleich groß. Kongruente Dreiecke haben natürlich auch gleiche Fläche und so weiter. Um festzustellen, ob zwei Dreiecke kongruent sind, verwendet man folgenden Kongruenzsatz. Satz 15: Zwei Dreiecke sind kongruent, wenn folgende Größen übereinstimmen (a) die Längen der drei Seiten (b) die Längen zweier Seiten und der davon eingeschlossene Winkel (c) die Längen zweier Seiten und der der längeren Seite gegenüberliegende Winkel (d) die Länge einer Seite und die beiden daran anliegenden Winkel Der Beweis ergibt sich aus der Tatsache, dass man in allen vier Fällen das Dreieck aus den angegebenen Größen eindeutig konstruieren kann. In (c) ist es wichtig, dass der der längeren Seite gegenüberliegende Winkel übereinstimmt. Gibt man zwei Seiten vor und den der kürzeren Seite gegenüberliegenden Winkel, dann kann es passieren, dass man aus diesen Angaben zwei Dreiecke konstruieren kann, die nicht kongruent sind. Hat man zwei rechtwinkelige Dreiecke, dann sind diese nach (b) kongruent, wenn die Längen der beiden Katheten übereinstimmen. Stimmen die Längen der Hypotenuse und einer Kathete überein, dann sind sie nach (c) kongruent, da die Hypotenuse dem rechten Winkel gegenüber liegt und länger als die Kathete ist. Wir behandeln die besonderen Punkte des Dreiecks. Wir beginnen mit dem Schwerpunkt und dem Höhenschnittpunkt, da wir dafür den Strahlensatz verwenden. Für Umkreis- und Inkreismittelpunkt verweden wir dann den Kongruenzsatz. Die Schwerlinien verbinden die Mittelpunkte der Seiten mit den gegenüberliegenden Eckpunkten. Satz 16: Die drei Schwerlinien eines Dreiecks schneiden einander in einem Punkt, dem sogenannten Schwerpunkt, der jede Schwerlinie im Verhältnis 1 : 2 teilt. C Beweis: Sei Ma der Mittelpunkt der Seite BC, sei Mb der Mittelpunkt der Seite CA und sei Mc der Mittelpunkt der Seite AB. Der Schnittpunkt der Geraden ℓ(C, Mc ) und ℓ(B, Mb ) sei S. Wegen AMb AMc 1 AC = 2 = AB folgt aus Satz 4, dass die Geraden ℓ(Mc , Mb ) und ℓ(B, C) parallel liegen. Aus Mb Ma Mc Mb c = . Wieder Satz 3 folgt jetzt 12 = AM AB BC S Mc Mb c mit Satz 3 ergibt sich SM = = − 12 und SC CB SMb Mb Mc 1 SB = BC = − 2 . Ist T der Schnittpunkt der Geraden ℓ(C, Mc ) und ℓ(A, Ma ), dann folgt anaMc Ma T Ma Ma Mc 1 1 c log TTM C = CA = − 2 und T A = AC = − 2 . Mc A B Da die Punkte C, S, T und Mc auf der Geraden SMc T Mc ℓ(C, Mc ) liegen und SC = T C gilt, erhalten wir S = T aus Hilfssatz A. Somit schnei1 SMb 1 c den die drei Schwerlinien einander im Punkt S. Weiters gilt SM SC = − 2 , SB = − 2 und SMa 1 SA = − 2 . Das heißt, der Schwerpunkt S teilt jede Schwerlinie im Verhältnis 1 : 2. Franz Hofbauer 15 Die Höhen gehen durch die Eckpunkte des Dreiecks und stehen senkrecht auf die jeweils gegenüberliegende Dreiecksseite. Satz 17: Die drei Höhen eines Dreiecks △ ABC schneiden einander in einem Punkt H, dem sogenannten Höhenschnittpunkt. C Beweis: Ist das Dreieck nicht spitzwinkelig, dann wählen wir die Bezeichnungen so, dass γ der Winkel ≥ 900 ist. Die Winkel α und β sind jedenfalls spitz. Sei D der Fußpunkt der Höhe durch C. Er liegt zwischen A und B, da die Winkel α und β spitz sind. G Weiters sei G der Schnittpunkt der Höhe durch den Eckpunkt C mit der durch den Eckpunkt A. Die Dreiecke △ ADG und △ CDB sind ähnlich. Beide Dreiecke haben bei D einen rechten Winkel und der D B Winkel bei G im ersten stimmt mit dem Winkel β A bei B im zweiten Dreieck überein, da die Höhen senkrecht auf den Seiten stehen (Orthogo|CD| |AD| = |DB| , das heißt |DG| · |CD| = |AD| · |DB|. nalwinkel). Aus dem Strahlensatz folgt |DG| Ist jetzt H der Schnittpunkt der Höhe durch den Eckpunkt C mit der durch den Eckpunkt B, dann zeigt ein analoger Beweis, dass auch |DH| · |CD| = |BD| · |DA| gilt. Es folgt |DG| = |DH|. Da die Punkte D, G und H alle auf einer Geraden, der Höhe durch C, liegen und G und H auch oberhalb von D (α und β sind ja spitze Winkel), erhalten wir G = H. Damit ist gezeigt, dass die Höhen eines Dreiecks einander in einem Punkt schneiden. Wir kommen zum Umkreis- und Inkreismittelpunkt. Seien U und V zwei Punkte. Die Symmetrale der Strecke U V ist die Gerade s, die senkrecht auf die Strecke U V steht und durch deren Mittelpunkt M geht. Zu jedem Dreieck △ ABC kann man das Seitenmittendreieck zeichnen, das ist das Dreieck, dessen Eckpunkte die Seitenmitten des ursprüglichen Dreiecks sind. Die Symmetralen der Seiten des ursprünglichen Dreiecks △ ABC sind dann die Höhen des Seitenmittendreiecks. Daher folgt bereits aus Satz 17, dass diese Symmetralen einander in einem Punkt schneiden. Wir werden das aber noch auf andere Art beweisen. Dazu zeigen wir Satz 18: Seien U und V zwei Punkte und s die Streckensymmetrale der Strecke U V . Ein Punkt P liegt genau dann auf s, wenn er von U und V gleichen Abstand hat. Beweis: Sei M der Mittelpunkt der Strecke U V . Weiters sei P ein beliebiger Punkt. Liegt P auf s, dann sind die Dreiecke △ P M U P und △ P M V kongruent, da sie die Seite P M gemeinsam haben, da M U und M V gleich lang sind, und da wegen P auf s die Winkel ] P M U s 0 und ] P M V beide 90 sind. Es folgt, dass P U und P V gleich lang sind. Somit hat der Punkt U M V P gleichen Abstand von den Punkten U und V . Hat P gleichen Abstand von U und von V , dann sind die Dreiecke △ P M U und △ P M V kongruent, da sie die Seite P M gemeinsam haben, die Strecken M U und M V gleich lang sind, und ebenso die Strecken P U und P V . Es folgt, dass die Winkel ] P M U und ] P M V gleich groß sind, also beide gleich 900 . Somit liegt P auf der Streckensymmetrale s. Aus Satz 18 folgt, dass der Mittelpunkt M eines Kreises k auf der Streckensymmetrale jeder Sehne im Kreis k liegt, da deren Endpunkte gleichen Abstand von M haben. 16 Elementargeometrie Die Streckensymmetralen der Seiten eines Dreiecks nennen wir die Seitensymmetralen. Satz 19: Die drei Seitensymmetralen eines Dreiecks △ ABC schneiden einander in einem Punkt U , dem Mittelpunkt des Umkreises. C Beweis: Sei U der Schnittpunkt der Seitensymmetrale sa der Seite BC mit der Seitensymmetrale sb der Seite CA. Da U sowohl auf sa als auch auf sa sb sb liegt, ergibt sich |U B| = |U C| und |U A| = |U C| aus Satz 18. Es folgt |U A| = |U B|. Wegen Satz 18 liegt U dann auch auf der Seitensymmetrale sc der Seite AB. Das zeigt, dass die drei SeitenU symmetralen einander im Punkt U schneiden. Da U gleichen Abstand r von den Eckpunkten A, B A B und C hat, geht der Kreis mit Mittelpunkt U und Radius r durch die Eckpunkte A, B und C. Ein Winkel wird von zwei Halbgeraden, den Schenkeln des Winkels, gebildet. Sie gehen von einem Punkt, dem Scheitel des Winkels, aus und schließen einen Winkel < 1800 ein. Das von den Schenkeln begrenzte Gebiet nennen wir Winkelfeld. Die Winkelsymmetrale ist dann ebenfalls eine Halbgerade, die vom Scheitel ausgeht und den Winkel halbiert. Satz 20: Seien g und h die Schenkel eines Winkels mit Scheitel S und P ein Punkt im Winkelfeld zwischen g und h. Der Punkt P liegt genau dann auf der Winkelsymmetrale w, wenn er von g und h gleichen Normalabstand hat. In diesem Fall hat auch der Scheitel S gleichen Abstand von den Fußpunkten der Lote von P auf g und h. Beweis: Seien G und H die Fußpunkte der Lote von H P P auf die Halbgeraden g und h, die auch auf deren w h Verlängerungen liegen können (siehe Zeichnung). Wir nehmen zuerst an, dass P auf w liegt. Da der S Winkel zwischen den Schenkeln g und h kleiner als g 1800 ist, ist der Winkel zwischen w und jedem der G beiden Schenkel kleiner als 900 . Die Fußpunkte G und P H H der Lote von P auf g und h liegen daher auf diesen Halbgeraden und nicht auf deren Verlängerungen. Die G Dreiecke △ P SG und △ P SH sind kongruent, da sie die Seite P S gemeinsam haben, da die Winkel ] SGP und ] SHP beide gleich 900 sind, und da P auf w liegt und somit ] P SG = ] P SH gilt. Es folgt, dass die Strecken P G und P H gleich lang sind. Somit hat der Punkt P gleichen Normalabstand von g und h. Wir nehmen an, dass P gleichen Normalabstand von g und h hat. Dann sind die Dreiecke △ P SG und △ P SH kongruent, da sie die Seite P S gemeinsam haben, die Winkel ] SGP und ] SHP beide gleich 900 sind, und da |P G| = |P H| gilt. Es folgt ] P SG = ] P SH. Die Dreiecke △ P SG und △ P SH können nicht auf derselben Seite von P S liegen (siehe Zeichnung), sonst würden die beiden Schenkel g und h wegen ] P SG = ] P SH auf einer Gerade liegen. Sie würden dann einen Winkel von 1800 einschließen, was wir oben ausgeschlossen haben. Somit müssen die Dreiecke △ P SG und △ P SH auf verschiedenen Seiten von P S liegen. Wegen ] P SG = ] P SH liegt dann der Punkt P auf w. Aus der Kongruenz der Dreiecke △ P SG und △ P SH folgt auch, dass SG und SH gleich lang sind. Der Punkt S hat gleichen Abstand von den Fußpunkten der beiden Lote. Franz Hofbauer 17 Bemerkung: Sei k ein Kreis mit Mittelpunkt M und S ein Punkt außerhalb des Kreises. Seien g und h die Tangenten vom Punkt S an den Kreis k und G und H die Berührpunkte. Dann sind M G und M H die Lote vom Mittelpunkt M auf die Tangenten g und h. Sie haben gleiche Länge, da sie ja Radien des Kreises sind. Aus Satz 20 folgt dann |SG| = |SH|, das heißt die Abschnitte der Tangenten von S bis zu den Berührpunkten sind gleich lang. Weiters liegt der Mittelpunkt M auf der Symmetrale des Winkels, der von den Tangenten g und h gebildet wird. Satz 21: Die drei Winkelsymmetralen der Innenwinkel eines Dreiecks △ ABC schneiden einander in einem Punkt I, dem Mittelpunkt des Inkreises. C Beweis: Sei I der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale wα durch den Eckpunkt A mit der Winkelsymmetrale wβ wβ durch den Eckpunkt B. Er liegt im Durchschnitt der wα I Winkelfelder der Winkel α und β und somit innerhalb des Dreiecks. Da I auf wα liegt, hat I nach Satz 20 den gleichen Normalabstand von den Seiten AB und AC. Da I auf wβ liegt, hat I den gleichen Normalabstand A B von den Seiten BA und BC. Es folgt, dass I den gleichen Normalabstand von den Seiten CA und CB hat. Wegen Satz 20 liegt I auch auf der Winkelsymmetrale wγ durch den Eckpunkt C. Somit schneiden die drei Winkelsymmetralen einander im Punkt I. Da I den gleichen Normalabstand ϱ von allen drei Dreicksseiten hat, berührt der Kreis mit Mittelpunkt I und Radius ϱ alle drei Seiten des Dreiecks. Satz 22: Sei △ ABC ein beliebiges Dreieck. Wir wählen eine Seite des Dreiecks und den dieser Seite gegenüberliegneden Eckpunkt. Die Symmetralen der beiden Außenwinkel, die an die gewählte Seite anliegen, und die Symmetrale des Innenwinkels beim gewählten Eckpunkt schneiden einander in einem Punkt, dem Mittelpunkt eines Ankreises. Beweis: Wir führen den Beweis nur für die Seite BC und den dieser Seite gegenüberliegenden Eckpunkt A. Ia Sei Ia der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale w̃β des h an der Seite BC anliegenden Außenwinkels beim Eckw̃γ punkt B mit der Winkelsymmetralen w̃γ des an der Seite C CB anliegenden Außenwinkels beim Eckpunkt C. Sei w̃β g die Halbgerade, die man erhält, wenn man die Seite AB über B hinaus verlängert, und h die Halbgerade, die man erhält, wenn man die Seite AC über C hinaus verlängert. Der Schnittpunkt Ia liegt im Durchschnitt A B g der Winkelfelder der beiden Außenwinkel und somit im Winkelfeld des Innenwinkels bei A, dessen Schenkel g und h sind. Da Ia auf w̃β liegt, hat Ia nach Satz 20 den gleichen Normalabstand von g und der Seite BC. Da Ia auf w̃γ liegt, hat Ia nach Satz 20 den gleichen Normalabstand von h und der Seite CB. Es folgt, dass Ia den gleichen Normalabstand von g und h hat. Wegen Satz 20 liegt Ia auch auf der Symmetrale wα des Innenwinkels beim Eckpunkt A. Somit schneiden die drei Winkelsymmetralen w̃β , w̃γ und wα einander im Punkt Ia . Da Ia den gleichen Normalabstand ϱa von g, h und der Dreiecksseite BC hat, berührt der Kreis mit Mittelpunkt Ia und Radius ϱa die Dreiecksseite CB und die Verlängerungen der beiden anderen Seiten. Mit ähnlichen Methoden wie Satz 18 und Satz 20 beweisen wir auch den folgenden Satz. 18 Elementargeometrie Satz 23: Sei △ ABC ein Dreieck. Dann ist |AC| = |BC| äquivalent zu ] BAC = ] ABC. Beweis: Sei F der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durch C mit der Seite AB. Es gelte |AC| = |BC|. Die Dreiecke △ AF C und △ BF C sind kongruent, da sie die Seite CF gemeinsam haben, da ] ACF = ] BCF gilt und da AC und BC gleich lang sind. Es folgt ] F AC = ] F BC, das heißt ] BAC = ] ABC, da F ja zwischen A und B liegt. Es gelte ] BAC = ] ABC. Die Dreiecke △ AF C und △ BF C sind kongruent, da sie die Seite CF gemeinsam haben und da ] ACF = ] BCF und ] BAC = ] ABC gilt. Es folgt, dass die Seiten AC und BC gleich lang sind, also |AC| = |BC| gilt. 5. Die besonderen Punkte mit Ceva und Carnot Wir beweisen die Sätze über die besonderen Punkte eines Dreiecks △ ABC mit Hilfe der Umkehrung des Satzes von Ceva (Satz 8) oder der des Satzes von Carnot (Satz 11). Wir beginnen mit den Schwerlinien und den Seitensymmetralen. Sei D der Mittelpunkt der Dreiecksseite AB, sei E der der Dreiecksseite BC und F der der Dreieckseite CA. DA EB F C Dann gilt DB = −DA, EC = −EB und F A = −F C. Es folgt DB · EC · F A = −1. Aus Satz 8 ergibt sich daher, dass die drei Geraden ℓ(A, E), ℓ(B, F ) und ℓ(C, D), das sind die drei Schwerlinien, einander in einem Punkt schneiden. Die Schwerlinien können ja nicht parallel liegen. Ebenso erhalten wir |AD|2 − |DB|2 + |BE|2 − |EC|2 + |CF |2 − |F A|2 = 0. Aus Satz 11 folgt daher, dass die drei Senkrechten durch D, E und F auf die jeweilige Dreieckseite, das sind die drei Seitensymmetralen, einander in einem Punkt schneiden. Für die Winkelsymmetralen verwenden wir die Umkehrung des Satzes von Ceva. Als Vorbereitung beweisen wir folgenden Satz. Satz 24: Sei △ ABC ein Dreieck. Sei D der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durch C mit AB, E der der Winkelsymmetrale durch A mit BC und F der der Winkelsymmetrale |AC| BE |CB| AD CF durch B mit AC. Dann gilt DB = |BC| , EC = |BA| |CA| und F A = |AB| . Beweis: Wir führen den Beweis nur für die Winkelsymmetrale durch C. Ihr Schnittpunkt mit der Seite AB wurde mit D bezeichnet. Wir zeichnen die Parallele zur Seite AC durch den Eckpunkt B. Sie schneidet die Winkelsymmetrale durch C in einem Punkt, den wir G nennen. Aus dem StrahDA AC lensatz folgt DB = BG . Da D immer zwischen A DA und B liegt, hat DB negatives Vorzeichen. Es folgt |DA| |AC| AD DB = |DB| = |BG| . Da BG parallel zu AC liegt, erhalten wir ] BGD = ] ACD = γ2 . Da auch ] BCD = γ2 gilt, ist das Dreieck △ CBG gleichschenkelig (Satz 23). Es gilt |BG| = |BC|. Damit |AC| AD = |BC| gezeigt. Die beiden anderen Gleiist DB chungen beweist man ganz analog. C F γ 2 D A γ 2 E B G Sind D, E und F die Schnittpunkte der Winkelsymmetralen mit den gegenüberliegenden Seiten, wie sie in Satz 24 eingeführt wurden, dann ergibt sich aus diesem Satz sofort, dass −|AC| −|BA| −|CB| DA EB F C DB · EC · F A = |BC| · |CA| · |AB| = −1 gilt. Aus Satz 8 erhalten wir dann, dass die drei Geraden ℓ(A, E), ℓ(B, F ) und ℓ(C, D), das sind die drei Winkelsymmetralen, einander in einem Punkt schneiden. Die Winkelsymmetralen können ja nicht parallel liegen. Franz Hofbauer 19 Für die Höhen können wir beide Sätze verwenden. Wir verwenden die Umkehrung des Satzes von Carnot. Als Vorbereitung beweisen wir folgenden Satz. Satz 25: Sei △ ABC ein Dreieck mit Seitenlängen a, b und c. Sei D der Fußpunkt der Höhe durch C, sei E der Fußpunkt der Höhe durch A und sei F der Fußpunkt der Höhe durch B. Dann gilt |AD|2 − |DB|2 = b2 − a2 , |BE|2 − |EC|2 = c2 − b2 und |CF |2 − |F A|2 = a2 − c2 . Beweis: Die Höhe durch C mit Fußpunkt D teilt das Dreieck △ ABC in zwei rechtwinkelige Dreiecke, für die |AD|2 + |DC|2 = b2 und |BD|2 + |DC|2 = a2 nach dem Satz von Pythagoras gilt. Subtrahieren wir die zweite von der ersten Gleichung, so ergibt sich |AD|2 − |DB|2 = b2 − a2 . Die anderen beiden Gleichungen beweist man analog. Sind D, E und F die Höhenfußpunkte, wie sie in Satz 25 eingeführt wurden, dann folgt |AD|2 − |DB|2 + |BE|2 − |EC|2 + |CF |2 − |F A|2 = b2 − a2 + c2 − b2 + a2 − c2 = 0 aus eben diesem Satz. Aus Satz 11 erhalten wir dann, dass die drei Senkrechten durch D, E und F auf die jeweilige Dreieckseite, das sind die drei Höhen, einander in einem Punkt schneiden. Neben den vier besonderen Punkten, die wir hier behandelt haben, gibt es noch viele weitere Punkte, die ebenfalls als besondere Punkte des Dreiecks bezeichnet werden. Im folgenden Satz behandeln wir einen dieser Punkte, den sogenannten Gergonnepunkt. Satz 26: Sei △ ABC ein Dreieck. Sei D der Punkt, in dem der Inkreis die Seite AB berührt, E der Punkt, in dem der Inkreis die Seite BC berührt und F der Punkt, in dem der Inkreis die Seite AC berührt. Dann schneiden die drei Geraden ℓ(A, E), ℓ(B, F ) und ℓ(C, D) einander in einem Punkt. Beweis: Es gilt |AD| = |AF |, da D und F die Berührpunkte der Tangenten von A an den Inkreis sind. Ebenso gilt |BD| = |BE| und |CE| = |CF |. Da D immer zwischen A |AD| |BE| |CF | FC DA = − |BD| . Ebenso folgt EB und B liegt, ergibt sich DB EC = − |CE| und F A = − |AF | . Wir DA EB F C erhalten damit DB · EC · F A = −1. Aus Satz 8 folgt, dass die Geraden ℓ(A, E), ℓ(B, F ) und ℓ(C, D) einander in einem Punkt schneiden. Sie können ja nicht parallel liegen. 6. Eulergerade, Neunpunktkreis und zentrische Streckungen Sei c ∈ R\{0, 1} und Z ein beliebiger Punkt in der Ebene. Wir definieren eine Abbildung φ : R2 → R2 folgendermaßen: Ist P in R2 , aber ungleich Z, dann sei φ(P ) der eindeutig bestimmte Punkt V auf der Geraden ℓ(Z, P ), für den ZV ZP = c gilt. Weiters sei φ(Z) = Z. Durch diese Abbildung wird die Ebene vom Punkt Z aus um den Faktor c gestreckt. Ist |c| < 1, dann wird sie gestaucht. Bei negativem c wird außerdem um den Punkt Z gespiegelt. Man nennt diese Abbildung die zentrische Streckung mit Zentrum Z und Streckungsfaktor c. Zuerst beweisen wir Eigenschaften dieser zentrischen Streckungen. Hilfssatz B: Sei φ die zentrische Streckung mit Zentrum Z und Streckungsfaktor c. Seien P und Q Punkte, die ungleich Z sind. Sei V = φ(P ) und W = φ(Q). Dann liegt ℓ(P, Q) parallel zu ℓ(V, W ) und es gilt |V W | = |c| · |P Q|. Beweis: Wenn Z auf der Gerade ℓ(P, Q) liegt, dann tun das auch V und W , da nach Definition von φ ja V auf ℓ(Z, P ) und W auf ℓ(Z, Q) liegt. Es gilt also ℓ(P, Q) = ℓ(V, W ). Weiters gilt V W = V Z + ZW = c · P Z + c · ZQ = c · (P Z + ZQ) = c · P Q. Setzt man Beträge, so ergibt sich |V W | = |c| · |P Q|. 20 Elementargeometrie Es bleibt der Fall, dass Z nicht auf ℓ(P, Q) liegt. Nach Definition von φ haben wir zwei Gerade g und h, die einander im Punkt Z schneiden, mit P und V auf der Geraden g und ZW mit Q und W auf der Geraden h, sodass ZV ZP = c und ZQ = c gilt. Aus Satz 4 folgt, dass die Geraden ℓ(P, Q) und ℓ(V, W ) parallel zueinander liegen. Aus Satz 3 folgt jetzt, dass ZV VW VW P Q = ZP , also P Q = c gilt. Daraus ergibt sich |V W | = |c| · |P Q|. Damit können wir die Sätze über die Eulergerade und den Neunpunktkreis beweisen. Satz 27: In einem Dreieck △ ABC liegen der Höhenschnittpunkt H, der Schwerpunkt S SU = − 21 . Die Gerade durch und der Umkreismittelpunkt U auf einer Geraden und es gilt SH diese drei Punkte heißt Eulersche Gerade. C Beweis: Sei φ die zentrische Streckung mit Streckungsfaktor c = − 12 , die den Schwerpunkt S des Dreiecks als H Zentrum hat. Sei Mc der Mittelpunkt der Seite AB und Ma der der Seite BC. Mb Ma Nach Satz 16 liegen die Punkte S, Mc S und C auf einer Schwerlinie und es gilt SMc 1 SC = − 2 , woraus φ(C) = Mc folgt. U Sei G = φ(H). Nach Hilfssatz B liegt ℓ(G, Mc ) parallel zur Gerade ℓ(H, C), Mc B die senkrecht auf ℓ(A, B) steht. Also A steht auch ℓ(G, Mc ) senkrecht auf ℓ(A, B) und ist daher die Symmetrale der Dreieckseite AB. Analog zeigt man, dass φ(A) = Ma gilt und ℓ(G, Ma ) die Symmetrale der Dreieckseite BC ist. Also liegt G sowohl auf der Symmetrale der Dreieckseite AB als auch auf der Symmetrale der Dreieckseite BC und ist somit der Umkreismittelpunkt U . Wir haben φ(H) = U gezeigt. Das bedeutet, dass die Punkte U , S und H auf einer Geraden liegen SU und dass SH = − 21 gilt. Sei △ ABC ein Dreieck mit Höhenschnittpunkt H, Umkreismittelpunkt U und Umkreisradius r. Sei N der Mittelpunkt der Strecke HU . Der Kreis mit Mittelpunkt N und Radius r 2 heißt Neunpunktkreis. Er wird auch Feuerbachkreis oder Eulerkreis genannt. Satz 28: Seien Ha , Hb und Hc die Höhenfußpunkte und Ma , Mb und Mc die Seitenmitten eines Dreiecks △ ABC. Sei H der Höhenschnittpunkt und Ra , Rb und Rc die Mittelpunkte der Strecken HA, HB und HC. (Diese werden manchmal Eulerpunkte genannt.) Dann liegen die neun Punkte Ha , Hb , Hc , Ma , Mb , Mc , Ra , Rb und Rc auf dem Neunpunktkreis. Beweis: Sei ψ die zentrische Streckung mit Streckungsfaktor c = 12 , die den Höhenschnittpunkt H als Zentrum hat. Für einen beliebigen Punkt P ̸= H gilt dann, dass ψ(P ) der Mittelpunkt der Strecke HP ist. Daraus folgt, dass ψ(A) = Ra , ψ(B) = Rb , ψ(C) = Rc und ψ(U ) = N gilt. Aus Hilfssatz B folgt |N Ra | = 21 |U A|, |N Rb | = 12 |U B| und |N Rc | = 12 |U C|. Da die Eckpunkte A, B und C des Dreiecks auf dem Umkreis liegen, erhalten wir |U A| = r, |U B| = r und |U C| = r. Das ergibt |N Ra | = 2r , |N Rb | = 2r und |N Rc | = 2r . Somit liegen die Punkte Ra , Rb und Rc auf dem Neunpunktkreis. Sei φ die zentrische Streckung mit Streckungsfaktor c = − 12 , die den Schwerpunkt S des Dreiecks als Zentrum hat. Das ist die selbe, die wir im letzten Beweis verwendet haben. Dort wurde gezeigt, dass φ(C) = Mc gilt. Analog zeigt man φ(A) = Ma und φ(B) = Mb . Wir überlegen uns, dass auch φ(U ) = N gilt. Franz Hofbauer 21 Sei G = φ(U ). Im letzten Beweis wurde φ(H) = U gezeigt. Die vier Punkte U , S, G und H liegen dann auf einer Gerade, das ist die oben eingeführte Eulergerade (Zeichnung links unten). Wegen SU = − 12 SH und SG = − 12 SU gilt SH = 2U S und U S = 2SG. Es folgt U G = U S + SG = 2SG + SG = 3SG und GH = GS + SH = GS + 2U S = −SG + 4SG = 3SG Es gilt also U G = GH. Somit ist G der Mittelpunkt der Strecke HU , das heißt G = N . Wir haben φ(U ) = N gezeigt. Wie oben folgt jetzt |N Ma | = 21 |U A| = 2r , |N Mb | = 12 |U B| = 2r und |N Mc | = 12 |U C| = 2r . Damit ist gezeigt, dass auch die Punkte Ma , Mb und Mc auf dem Neunpunktkreis liegen. C Mb C H H Ma G P N S U U A Mc Q B A Hc F Mc B Wir zeigen, dass die Punkte Ha , Hb und Hc auf dem Neunpunktkreis liegen (Zeichnung rechts). Sei F der Fußpunkt des Lotes von N auf die Seite AB. Wir zeichnen eine Parallele durch N zur Seite AB. Sie schneidet die Höhe durch C im Punkt P und die Symmetrale der Seite AB im Punkt Q. Da die Höhe durch C, das Lot von N auf AB und die Symmetrale der Seite AB parallel sind, gilt einerseits |N P | = |F Hc | und |N Q| = |F Mc |, andererseits NP NH NH folgt N Q = N U aus dem Strahlensatz. Da N die Strecke HU halbiert, gilt N U = −1 und NP somit auch N Q = −1. Es folgt |N P | = |N Q|, also auch |F Hc | = |F Mc |. Es gilt ] N F Hc = ] N F Mc = 900 . Daher erhalten wir |N Hc |2 = |N F |2 + |F Hc |2 und |N Mc |2 = |N F |2 + |F Mc |2 aus dem Satz von Pythagoras. Wegen |F Hc | = |F Mc | ergibt sich |N Hc | = |N Mc |. Oben wurde |N Mc | = 2r gezeigt. Es folgt |N Hc | = 2r . Somit liegt auch Hc auf dem Neunpunktkreis. Analog zeigt man, dass auch die beiden anderen Höhenfußpunkte Ha und Hb auf dem Neunpunktkreis liegen. 7. Der Peripheriewinkelsatz Sei AB eine Sehne in einem Kreis k. Ist C ein Punkt auf k, dann heißt der Winkel bei C im Dreieck △ ABC Peripheriewinkel über der Sehne AB. Ist M der Mittelpunkt von k, dann heißt der Winkel bei M im Dreieck △ ABM Zentriwinkel über der Sehne AB. Satz 29 (Peripheriewinkelsatz) Sei AB eine Sehne im Kreis k, dessen Mittelpunkt M Zentriwinkel α über der Sehne AB habe. Sei C ein Punkt auf dem Kreis, der jedoch weder A noch B ist. Sei γ der Peripheriewinkel von C über der Sehne AB. Liegt M auf der selben Seite von AB wie C oder auf AB, dann gilt γ = 12 α. Liegt M auf der anderen Seite von AB als C oder auf AB, dann gilt γ = 1800 − 21 α. 22 Elementargeometrie Beweis: Die Punkte A, B und C liegen auf dem Kreis k. Dieser Kreis ist daher der Umkreis des Dreiecks △ ABC und M ist der Umkreismittelpunkt. Der Winkel beim Eckpunkt C in diesem Dreieck ist der Peripheriewinkel γ. Wir behandeln zuerst den Fall, dass M im Dreieck △ ABC liegt. Dieser Fall ist in der linken Zeichnung dargestellt. Die Dreiecke △ AM C und △ BM C sind gleichschenkelig. Die Schenkel M A, M B und M C dieser Dreiecke sind ja Radien des Kreises k. C γ M α M α A B A γC B A M α B γ C 0 Es gilt ] AM C + ] BM C = 360 − α und ] ACM + ] BCM = γ. Aus der zweiten Gleichung folgt ] CAM +] CBM = γ, da die Dreiecke △ AM C und △ BM C gleichschenkelig sind und somit ] CAM = ] ACM und ] CBM = ] BCM gilt (Satz 23). Addition dieser drei Gleichungen ergibt 1800 + 1800 = 3600 − α + 2γ, da Dreiecke Winkelsumme 1800 haben. Es folgt 2γ = α. (Dieser Beweis funktioniert auch, wenn M auf AC, auf BC oder auf AB liegt, es treten nur Winkel mit 00 auf.) Der Fall, wo M auf der selben Seite von AB wie C liegt, aber nicht mehr im Dreieck △ ABC, ist in der mittleren Zeichnung dargestellt. Es gilt ] AM C − ] BM C = α und −] ACM + ] BCM = γ. Es folgt −] CAM + ] CBM = γ, da die Dreiecke △ AM C und △ BM C gleichschenkelig sind und somit ] CAM = ] ACM und ] CBM = ] BCM gilt (Satz 23). Subtraktion der zweiten und dritten Gleichung von der ersten Gleichung ergibt 1800 − 1800 = α − 2γ, da Dreiecke Winkelsumme 1800 haben. Es folgt 2γ = α. Der Fall, wo M und C auf verschiedenen Seiten der Sehne AB liegen, ist in der dritten Zeichnung dargestellt. Es gilt ] AM C + ] BM C = α und ] ACM + ] BCM = γ. Daraus folgt ] CAM + ] CBM = γ, da die Dreiecke △ AM C und △ BM C gleichschenkelig sind und ] CAM = ] ACM und ] CBM = ] BCM gilt. Addition der drei Gleichungen ergibt 1800 + 1800 = α + 2γ, da Dreiecke Winkelsumme 1800 haben. Es folgt 2γ = 3600 − α. Bemerkung: Oft wird Satz 29, der Peripheriewinkelsatz, so verwendet: Ist AB eine Sehne im Kreis k und sind P und Q Punkte auf k, dann gilt ] AP B = ] AQB, wenn P und Q auf derselben Seite der Sehne AB liegen, und ] AP B = 1800 − ] AQB, wenn P und Q auf verschiedenen Seiten der Sehne AB liegen. Das folgt unmittelbar aus Satz 29. Der Spezialfall von Satz 29, bei dem die Sehne durch den Mittelpunkt des Kreises geht, heißt Satz von Thales. Der Zentriwinkel ist dann 1800 und der Peripheriwinkel somit 900 . Satz 30 (Satz von Thales) Sei k ein Kreis mit Mittelpunkt M . Sei AB eine Sehne im Kreis k, die durch M geht. Dann hat jeder Punkt C auf dem Kreis, der ungleich A und B ist, einen rechten Winkel als Peripheriewinkel über der Sehne AB. Wandert der Punkt C den Kreis entlang in den Punkt A, dann wird aus dem Peripheriewinkel ein Tangentenwinkel. Dieser Grenzfall wird im folgenden Satz behandelt. Franz Hofbauer 23 Satz 31 (Tangentenwinkelsatz) Sei AB eine Sehne im Kreis k, dessen Mittelpunkt M Zentriwinkel α über der Sehne AB habe. Sei t die Tangente an den Kreis k im Punkt A und γ der Winkel zwischen AB und t, der auf der anderen Seite der Sehne AB liegt als M (oder M liegt auf AB). Dann gilt γ = 12 α. M Beweis: Die Strecke M A vom Mittelpunkt des k α Kreises k zum Berührpunkt A steht senkrecht auf die Tangente t. Es folgt ] M AB = 900 − γ. Das Dreieck △ AM B ist gleichschenkelig, da sowohl A γ B |AM | als auch |BM | der Radius des Kreises k ist. Aus Satz 23 folgt ] M BA = ] M AB = 900 − γ. t Die Winkelsumme im Dreieck △ AM B ist 1800 . Wir erhalten daher 900 − γ + 900 − γ + α = 1800 . Daraus folgt dann γ = 12 α. Satz 31 besagt, dass die Winkel zwischen einer Sehne AB in einem Kreis k und der Tangente t im Punkt A an k gleich α2 und 1800 − α2 sind, wobei α der Zentriwinkel des Mittelpunkts M des Kreises über der Sehne AB ist. Aus dem Peripheriewinkelsatz folgt dann, dass der Peripheriewinkel eines Punktes auf k gleich ist dem Winkel zwischen der Sehne AB und der Tangente t, wobei dieser Winkel jedoch auf der anderen Seite der Sehne AB liegt als der Peripheriewinkel. Nebenstehendes Bild zeigt zwei Peripheriewinkel und die jeweils gleich großen Tangentenwinkel. A B t Es gilt auch die Umkehrung des Peripheriewinkelsatzes. Wir formulieren sie so Satz 32: Sei AB eine Sehne im Kreis k. Sei C ein weiterer Punkt auf k und γ = ] ACB. Die Gerade ℓ(A, B) teilt die Ebene in zwei Halbebenen (die ℓ(A, B) nicht enthalten). Sei H1 die Halbebene in der C liegt und H2 die andere. (a) Für einen Punkt P in H1 gilt: P liegt auf k ⇐⇒ ] AP B = γ (b) Für einen Punkt P in H2 gilt: P liegt auf k ⇐⇒ ] AP B = 1800 − γ Beweis: Wir beweisen (a). Der Punkt P liege in H1 . C P Q Sei g die Halbgerade, die von A aus durch P geht. γ t Wegen Satz 31 ist der Winkel in H1 , den die Tangente γ t im Punkt A an den Kreis k mit der Sehne AB einschließt, gleich 1800 − γ. Wir unterscheiden zwei Fälle. g 0 Fall 1: Es gelte ] BAP ≥ 180 − γ. Die Halbgerade g H1 schneidet den Kreis k nur in A. Also liegt P nicht auf k. A γ B Da die Winkelsumme eines Dreiecks 1800 beträgt, gilt H 2 ] BAP + ] AP B < 1800 , woraus ] AP B < γ folgt. Im Fall 1 liegt weder P auf k noch gilt ] AP B = γ. Fall 2: Es gelte ] BAP < 1800 − γ. Jetzt hat g einen Schnittpunkt Q ̸= A mit k. Aus Satz 29 folgt ] AQB = γ, da Q auf derselben Seite der Sehne AB liegt wie C. Liegt P auf k, dann muss P = Q gelten und somit auch ] AP B = γ. Gilt umgekehrt ] AP B = γ, dann sind die Dreiecke △ ABP und △ ABQ kongruent, da sie die Seite AB und den Winkel bei A gemeinsam haben und da ] AP B = ] AQB gilt. Es folgt |AP | = |AQ| und somit P = Q. Das bedeutet, dass P auf k liegt. Damit ist gezeigt, dass im Fall 2 der Punkt P genau dann auf k liegt, wenn ] AP B = γ gilt. Die Aussage (a) ist vollständig bewiesen. Der Beweis von (b) ist ganz analog. Statt in H1 sind wir jetzt in H2 . Im obigen Beweis ist nur γ durch 1800 − γ zu ersetzen und 1800 − γ durch γ. 24 Elementargeometrie Wir kommen zu den Anwendungen des Peripheriewinkelsatzes und seiner Umkehrung. Satz 33 (Südpolsatz) Im Dreieck △ ABC sei P der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durch den Eckpunkt C mit dem Umkreis. Dann hat P gleiche Abstände zu den Eckpunkten A und B und zum Inkreismittelpunkt I. C Beweis: Wir wenden den Peripheriewinkelsatz auf die Sehnen BP und AP im Umkreis an. Es folgt γ 2 ] BAP = ] BCP = γ2 und ] ABP = ] ACP = γ2 . Das Dreieck △ ABP ist gleichschenkelig (Satz 23). Der Punkt P hat gleiche Abstände zu den EckpunkI ten A und B. Es bleibt zu zeigen, dass der Inkreismittelpunkt I den selben Abstand vom Punkt P hat wie der Eckpunkt A. Es gilt ] BAP = γ2 und ] BAI = α2 , da I auf der Winkelsymmetrale durch A B γ A liegt. Daraus folgt ] P AI = α+γ 2 . Der Win2 kel ] P IA ist der Außenwinkel des Dreiecks △ ACI beim Eckpunkt I und daher gleich der Summe der P beiden Innenwinkel bei den Eckpunkten A und C. Da die Seiten AI und CI auf den Winkelsymmetralen liegen, erhalten wir ] CAI = α2 und ] ACI = γ2 . Es folgt ] P IA = α+γ 2 . Das Dreieck △ AP I ist gleichschenkelig (Satz 23). Der Inkreismittelpunkt I hat den selben Abstand vom Punkt P und vom Punkt A. Satz 34: Spiegelt man den Höhenschnittpunkt H eines Dreiecks △ ABC an den (Verlängerungen der) drei Seiten, dann liegen die gespiegelten Punkte auf dem Umkreis. Beweis: Wir beweisen den Satz für die Spiegelung C des Höhenschnittpunkts H an der Seite AB. Sei G ε der Schnittpunkt des Umkreises mit der Verlängerung der Höhe durch C und F ihr Fußpunkt. Wir H bezeichnen den Winkel ] F CB mit ε. Das Dreieck △ ABC sei zuerst einmal spitzwinkelig. Die Winkel ] HAF und ] F CB sind gleich groß, da die Schenkel AH und AB des einen Winkels ε B senkrecht auf den Schenkeln BC und BF des ande- A ε F ren Winkels stehen (Orthogonalwinkel). Somit gilt ] HAF = ε. Da ] GAB und ] GCB = ε Peripheriewinkel im Umkreis des Dreiecks über der Sehne GB sind, folgt ] GAB = ε, das heißt ] GAF = ε. G Die Dreiecke △ AGF und △ AHF sind kongruent, da sie die Seite AF gemeinsam, bei A beide den Winkel ε und bei F beide einen rechten Winkel haben. Es folgt |HF | = |F G|. Somit ist G der an der Seite AB gespiegelte Höhenschnittpunkt H. Und G liegt auf dem Umkreis. Ist γ ≥ 900 , dann geht es genauso. Ist α = 900 , dann gilt H = G = A. Ist α > 900 , dann liegt H unterhalb und G oberhalb der Gerade ℓ(A, B). Ähnlich wie oben ergibt sich ] HAF = ε (Orthogonalwinkel). Den Winkel ] GAB bestimmen wir wieder mit dem Peripheriewinkelsatz: Liegt C oberhalb von G, dann gilt ] GAB = 1800 − ] GCB = 1800 − ε. Liegt C unterhalb von G, dann gilt ] GAB = ] GCB = 1800 − ε. Gilt G = C, das heißt die Höhe durch C ist Tangente an den Umkreis, dann folgt ] GAB = 1800 − ε aus dem Tangentenwinkelsatz. In allen Fällen gilt ] GAF = 1800 − ] GAB = ε. Franz Hofbauer 25 Die folgenden vier Sätze sind nicht wichtig. Es gibt viele derartige Sätze. Es wurden vier ausgewählt, um weitere Anwendungsbeispiele für den Peripheriewinkelsatz zu haben. Die Beweise werden auch nur für spitzwinkelige Dreiecke gegeben. Sie müssen meistens ein wenig modifiziert werden, um die Beweise für stumpfwinkelige Dreiecke zu erhalten. Satz 35: Sei △ ABC ein Dreieck und t die Tangente im Eckpunkt C an den Umkreis. Sei P ein Punkt auf t und U und V die Fußpunkte der Lote von P auf ℓ(A, C) und ℓ(B, C). Dann steht ℓ(U, V ) senkrecht auf ℓ(A, B). Beweis: Wir führen den Beweis für ein spitzwinkeliges Dreieck. Wir nehmen an, dass P auf der anderen Seite der Geraden ℓ(B, C) liegt als A. Aus dem Tangentenwinkelsatz für die Sehne BC im Umkreis folgt ] P CB = α. Daraus ergibt sich U P C ] U CP = 180 − ] P CB − γ = 180 − α − γ = β. 0 0 t V Sei k der Kreis durch die Punkte C, P und U . Nun gilt ] CU P = 900 und ] CV P = 900 . Daher liegt nach Satz 32 auch V auf dem Kreis k. Aus dem Peripheriewinkelsatz angewendet auf die Sehne U P im Kreis k folgt ] P V U = ] P CU = β. Wegen ] CV P = 900 ergibt sich ] CV U = 900 − β. A B Sei D der Schnittpunkt der Geraden ℓ(V, U ) und D 0 ℓ(B, A). Dann gilt ] BV D = ] CV U = 90 − β (Scheitelwinkel). Wegen ] DBV = β und da die Winkelsumme im Dreieck △ DBV gleich 1800 ist, muss der Winkel ] V DB gleich 900 sein. Satz 36 (Archimedes) Sei △ ABC ein Dreieck mit Höhenschnittpunkt H. Sei k der Kreis mit Durchmesser AB. Sei P der Schnittpunkt ̸= B des Kreises k mit der Geraden ℓ(B, C) und Q der Schnittpunkt ̸= A des Kreises k mit der Geraden ℓ(A, C). Sei T der Schnittpunkt der beiden Tangenten an den Kreis k in den Punkten P und Q. Dann liegt der Punkt T auf der Höhe durch C und hat gleichen Abstand von den Punkten C, H, P und Q. Beweis: Wir beweisen den Satz für ein spitzC winkeliges Dreieck. Da AB ein Durchmesser γ des Kreises k ist und P und Q auf k liegen, folgt ] AP B = 900 und ] AQB = 900 aus dem Satz von Thales. Somit ist AP die Höhe durch T A und BQ die Höhe durch B. Ihr Schnittpunkt ist der Höhenschnittpunkt H. Q α Die Winkelsumme in einem Viereck ist 3600 , β P da man es sich aus zwei Dreiecken zusammengesetzt denken kann. Das Viereck P CQH hat bei P und Q rechte Winkel und bei C den WinH k 0 kel γ. Es folgt ] QHP = 180 − γ. Der Tangentenwinkelsatz für die Sehne QB im α β B Kreis k ergibt ] T QB = ] QAB = α. Für die A Sehne P A ergibt er ] T P A = ] P BA = β. Das Viereck QHP T hat daher bei Q und P die Winkel α und β und bei H den Winkel 1800 − γ. Es folgt ] P T Q = 3600 − α − β − (1800 − γ) = 2γ, da ja 1800 − α − β = γ gilt. 26 Elementargeometrie Es gilt |T P | = |T Q|, da P und Q die Berührpunkte der Tangenten von T aus an den Kreis k sind. Sei l der Kreis mit Mittelpunkt T durch P und Q. Der Zentriwinkel des Mittelpunkts T über der Sehne P Q ist 2γ. Ein Punkt auf l auf derselben Seite der Sehne P Q wie T hat Peripheriewinkel γ nach Satz 29. Da C auf derselben Seite der Sehne P Q liegt wie T und ] P CQ = γ gilt, liegt C nach Satz 32 auf dem Kreis l. Ebenso ergibt sich, dass auch H auf dem Kreis l liegt, da H auf der anderen Seite der Sehne P Q liegt als T und ] QHP = 1800 − γ gilt. Damit ist |T P | = |T Q| = |T C| = |T H| gezeigt. Nun ist CH eine Sehne im Kreis l und P ist ein Punkt auf dem Kreis l mit Peripheriewinkel 900 über der Sehne CH. Der Zentriwinkel des Mittelpunkts T über der Sehne CH ist daher 1800 nach Satz 29, das heißt T liegt auf CH und somit auch auf der Höhe durch C, da H ja der Höhenschnittpunkt ist. Satz 37: Sei △ ABC ein Dreieck mit Höhenschnittpunkt H. Sei M der Mittelpunkt der Seite AB. Sei k der Kreis mit Durchmesser HC und P der Schnittpunkt ̸= C von k mit dem Umkreis. Dann liegen P , H und M auf einer Gerade. Beweis: Wir führen den Beweis für ein spitzC winkeliges Dreieck und nehmen an, dass P auf k dem Bogen des Umkreises zwischen C und P B liegt. Wir führen einige Hilfspunkte ein. Sei G der an der Seite AB gespiegelte Höhenschnittpunkt H. Nach Satz 34 liegt G F auf dem Umkreis. Sei E der an der SymH metrale sc der Seite AB gespiegelte Punkt sc G. Da der Umkreis bei dieser Spiegelung in sich selbst übergeht, liegt E ebenfalls auf dem A B Umkreis. Da die beiden Spiegelungsachsen M AB und sc aufeinander senkrecht stehen, gilt auch ] EGH = 900 und der Schnittpunkt M der beiden Achsen ist der Mittelpunkt der Strecke EH. Es genügt daher zu zeigen, dass G E P , H und E auf einer Gerade liegen. Sei F der Fußpunkt der Höhe durch A und φ = ] F CP = ] BCP . Da HC ein Durchmesser des Kreises k ist, der Zentriwinkel also 1800 beträgt, und ] HF C = 900 gilt, folgt mit Hilfe von Satz 29 und Satz 32, dass F auf k liegt. Aus dem Peripheriewinkelsatz angewendet auf die Sehne F P im Kreis k folgt ] F HP = ] F CP = φ. Aus dem Peripheriewinkelsatz angewendet auf die Sehne BP im Umkreis erhalten wir ] BEP = ] BCP = φ. Aus dem Peripheriewinkelsatz angewendet auf die Sehne EC im Umkreis folgt schließlich ] EBC = ] EGC = ] EGH = 900 . Da F der Fußpunkt der Höhe durch A ist und daher auch ] AF C = 900 gilt, liegen die Strecken AF und EB parallel zueinander. Es folgt ] AHE = ] BEH = ] BEP = φ (Wechselwinkel). Wir haben ] F HP = φ = ] AHE gezeigt. Da die Punkte A, H und F auf einer Geraden liegen, nämlich auf der Höhe durch A, liegen die Punkte P , H und E ebenfalls auf einer Geraden. Satz 38: Sei △ ABC ein Dreieck mit Höhenschnittpunkt H und β ̸= α. Sei S der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale wc durch C mit dem Umkreis (Südpol) und R der an der Seite AB gespiegelte Punkt S. Dann steht RH senkrecht auf wc . Franz Hofbauer 27 Beweis: Sei G der an der Seite AB gespiegelte C Höhenschnittpunkt H. Nach Satz 34 liegt er auf dem Umkreis. Wir führen den Beweis für ein spitzwinkeliges Dreieck und nehmen an, dass β > α gilt. Es folgt ] ACH = 900 − α > 900 − β = ] BCH. R Daher liegen die Punkte S, G und B in dieser ReiH henfolge auf dem Umkreis. Im Beweis von Satz 33 wurde ] SBA = γ2 gezeigt. Es folgt ] SBC = β + γ2 . Aus dem Peripheriewinwc kelsatz angewendet auf die Sehne SC im Umkreis A B folgt ] SGC = ] SBC = β + γ2 . Da R und H die Spiegelbilder von S und G an der Seite AB sind, gilt auch ] RHG = ] SGH = ] SGC = β+ γ2 . Es folgt G ] RHC = 1800 − ] RHG = 1800 − β − γ2 = α + γ2 . S γ 0 Wegen ] HCA = 90 − α und ] SCA = 2 erhalten wir ] HCS = ] HCA − ] SCA = 900 − α − γ2 . Wegen ] HCS + ] RHC = 900 muss der Winkel zwischen den Strecken RH und CS ebenfalls 900 betragen. 8. Umkreis, Inkreis, Ankreise und Fläche Wir berechnen zuerst die Radien des Umkreises, des Inkreises und der Ankreise. Dann beweisen wir die Heronsche Formel für die Fläche eines Dreiecks Satz 39: Seien a, b und c die Längen der Seiten eines Dreiecks und sei F seine Fläche. Ist r der Umkreisradius, dann gilt r = abc 4F . C Beweis: Wir können die Bezeichnung so wählen, dass ] BAC < 900 gilt. Sei G der Schnittpunkt ̸= C des Umkreises mit der Geraden ℓ(C, U ). Die Dreieckseite BC ist eine Sehne im Umkreis und A und G liegen auf dem Umkreis auf der selben Seite dieser Sehne. Aus dem PeriU pheriewinkelsatz folgt ] BAC = ] BGC. Sei h die Länge der Höhe durch den Eckpunkt C und D ihr Fußpunkt. A B Der Winkel ] ADC ist ein rechter, da CD als Höhe auf D AB senkrecht steht. Der Winkel ] GBC ist ebenfalls ein rechter, da er ein Peripheriewinkel über dem Durchmesser G CG des Umkreises ist. Die Dreiecke △ GBC und △ ADC |CG| |CA| b sind daher ähnlich. Der Strahlensatz liefert |CB| = |CD| , das heißt 2r a = h . Es gilt auch abc 2F = ch. Multiplikation dieser Gleichungen ergibt 4rF a = cb, also r = 4F . Satz 40: Seien a, b und c die Längen der Seiten eines Dreiecks, F seine Fläche und s = 12 (a + b + c) sein halber Umfang. Ist ϱ der Inkreisradius, dann gilt ϱ = Fs . Beweis: Sei I der Inkreismittelpunkt. Das Dreieck △ ABC lässt sich in die drei Dreiecke △ AIB, △ AIC und △ BIC zerlegen. Diese drei Dreiecke haben Höhe ϱ und ihre Flächen sind 21 cϱ, 21 bϱ und 12 aϱ. Es gilt somit F = 12 aϱ + 12 bϱ + 12 cϱ = sϱ, also ϱ = Fs . Satz 41: Seien a, b und c die Längen der Seiten eines Dreiecks, F seine Fläche und s = 12 (a + b + c) sein halber Umfang. Sind ϱa , ϱb und ϱc die Radien der Ankreise an die F F F drei Seiten, dann gilt ϱa = s−a , ϱb = s−b und ϱc = s−c . 28 Elementargeometrie Beweis: Wir beweisen die erste der drei Formeln. Sei P der Mittelpunkt des Ankreises an die Seite BC. Die Flächen der drei Dreiecke △ AP B, △ AP C und △ BP C sind dann 21 cϱa , 1 1 2 bϱa und 2 aϱa . Die beiden Dreiecke △ ABC und △ BP C überdecken dieselbe Fläche wie die beiden Dreiecke △ AP B und △ AP C. Daher gilt F + 12 aϱa = 12 cϱa + 12 bϱa . Es folgt F . F = 21 (b + c − a)ϱa = (s − a)ϱa und daraus dann ϱa = s−a Satz 42 (Heronsche Formel) Seien a, b und c die Seitenlängen√ eines Dreiecks, F seine 1 Fläche und s = 2 (a + b + c) sein halber Umfang. Dann gilt F = s(s − a)(s − b)(s − c). Beweis: Sei D der Fußpunkt der Höhe durch den Eckpunkt C. Sei h = |CD| und p = |AD|. Der Satz von Pythagoras angewendet auf die beiden Dreiecke △ ACD und △ BCD ergibt b2 = h2 + p2 und a2 = h2 + (c ∓ p)2 . Das Vorzeichen von p hängt davon ab, ob der Winkel α spitz oder stumpf ist. Subtrahiert man diese beiden Gleichungen, so hat man a2 − b2 = c2 ∓ 2cp. Für beide Vorzeichen folgt 4c2 p2 = (a2 − b2 − c2 )2 . Mit Hilfe obiger Gleichungen ergibt sich 16F 2 = 4c2 h2 = 4c2 b2 − 4c2 p2 = 4b2 c2 − (a2 − b2 − c2 )2 . Durch wiederholtes Anwenden der Formel u2 − v 2 = (u + v)(u − v) erhält man 16F 2 = 4b2 c2 − (a2 − b2 − c2 )2 = (2bc − a2 + b2 + c2 )(2bc + a2 − b2 − c2 ) = ((b + c)2 − a2 )(a2 − (b − c)2 ) = (b + c + a)(b + c − a)(a + b − c)(a − b + c) = 2s(2s − 2a)(2s − 2c)(2s − 2b) Daraus folgt dann F 2 = s(s − a)(s − b)(s − c). Um die Abstände der Eckpunkte eines Dreiecks zu den Berührpunkten des Inkreises und der Ankreise zu berechnen, verwenden wir die Bemerkung nach Satz 20. Legt man die beiden Tangenten von einem Punkt S an einen Kreis, dann sind die Abschnitte von S bis zu den Berührpunkten gleich lang. Satz 43: Sei △ ABC ein Dreieck mit Seitenlängen a, b und c und s = a+b+c . Der Inkreis 2 berühre die Seite BC im Punkt Pa , die Seite AC im Punkt Pb und die Seite AB im Punkt Pc . Dann gilt |APb | = |APc | = s − a, |BPa | = |BPc | = s − b und |CPa | = |CPb | = s − c. Beweis: Es gilt |APb | = |APc |, |BPa | = |BPc | und |CPa | = |CPb | nach der erwähnten Bemerkung. Wir bezeichnen diese Abstände der Reihe nach mit x, y und z. Dann haben wir x + y = |APc | + |BPc | = c, x + z = |APb | + |CPb | = b, und y + z = |BPa | + |CPa | = a. Es folgt 2x = b + c − a = 2s − 2a, 2y = a + c − b = 2s − 2b und 2z = a + b − c = 2s − 2c. Satz 44: Sei △ ABC ein Dreieck mit Seitenlängen a, b und c und s = a+b+c . Der Ankreis 2 an die Seite BC berühre diese im Punkt Ra , die Verlängerung der Seite AC im Punkt Rb und die Verlängerung der Seite AB im Punkt Rc . Dann gilt |ARb | = |ARc | = s, |BRa | = |BRc | = s − c und |CRa | = |CRb | = s − b. Beweis: Wie im letzten Beweis gilt |ARb | = |ARc |, |BRa | = |BRc | und |CRa | = |CRb |. Wir bezeichnen diese Abstände der Reihe nach mit x, y und z. Damit erhalten wir dann x − y = |ARc | − |BRc | = c, x − z = |ARb | − |CRb | = b, und y + z = |BRa | + |CRa | = a. Es folgt 2x = a + b + c = 2s, 2y = a + b − c = 2s − 2c und 2z = a + c − b = 2s − 2b. Analoge Resultate gelten natürlich auch für die Ankreise an die Seiten AB und AC. II. Trigonometrie 1. Trigonometrische Funktionen In der Dreiecksgeometrie hat man es mit Winkeln im Bereich von 00 bis 1800 zu tun. Wir erweitern jetzt diesen Bereich und lassen sowohl Winkel > 1800 als auch Winkel < 00 (negatives Vorzeichen) zu. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Winkel, die sich um ein Vielfaches von 3600 unterscheiden, identifiziert werden müssen. Der Einheitskreis ist der Kreis im Koordinatensystem, der Mittelpunkt (0, 0) und Radius 1 hat. Um sin α und cos α zu definieren, zeichnen wir vom Punkt (0, 0) aus eine Halbgerade, die mit der x-Achse den Winkel α einschließt (für α > 0 im Gegenuhrzeigersinn, für α < 0 im Uhrzeigersinn). Die Koordinaten des Schnittpunktes dieser Halbgerade mit dem Einheitskreis sind dann cos α und sin α. Da man für die Winkel α und α + 3600 den selben Punkt am Einheitskreis erhält, ergibt sich sin(α + 3600 ) = sin α und cos(α + 3600 ) = cos α. sin α 1 cos α Weiters definiert man tan α = cos α und cot α = tan α = sin α . Satz 45: Für sin und cos gelten folgende Gleichungen (a) sin2 α + cos2 α = 1 (b) sin 0 = sin 1800 = 0, sin 900 = 1, cos 0 = 1, cos 1800 = −1, cos 900 = 0 (c) sin(−α) = − sin α, cos(−α) = cos α (d) sin(α + 900 ) = cos α, cos(α + 900 ) = − sin α (e) sin(α + 1800 ) = − sin α, cos(α + 1800 ) = − cos α Beweis: Es gilt (a), da der Punkt mit den Koordinaten cos α und sin α auf dem Einheitskreis liegt. Auch (b) folgt sofort aus der Definition, indem man die Koordinaten der Punkte abliest, die man für die Winkel 0, 900 und 1800 erhält. Da die Punkte, die man für die Winkel α und −α erhält, symmetrisch zur x-Achse liegen, folgt (c). Den Vektor ( cos(α+900 ) ) α 0 erhält man, indem man den Vektor ( cos sin α ) um 90 nach links verdreht. Dasin(α+900 ) ( 0 ) ) α raus folgt (d). Den Vektor cos(α+180 erhält man, indem man den Vektor ( cos 0 sin α ) um sin(α+180 ) den Nullpunkt spiegelt. Daraus folgt (e). Ist α ein Winkel in einem rechtwinkeligen Dreieck, der nicht der rechte ist, dann heißt die am Winkel α anliegende Kathete die Ankathete und die nicht anliegende Kathete heißt Gegenkathete. Aus dem Strahlensatz folgt dann |Ankathete| |Gegenkathete| |Gegenkathete| cos α = und tan α = sin α = |Hypotenuse| |Hypotenuse| |Ankathete| Satz 46 (Summensätze) Für beliebige Winkel α und β gelten die beiden Formeln (a) sin(α + β) = sin α cos β + cos α sin β (b) cos(α + β) = cos α cos β − sin α sin β Beweis: Misst man von der x-Achse aus am Einheitskreis im Gegenuhrzeigersinn den Winkel α, so kommt man zum Punkt (cos α, sin α). Misst man von der x-Achse aus am Einheitskreis im Uhrzeigersinn den Winkel β, so kommt man zum Punkt (cos β, − sin β). Der Winkel zwischen den Halbgeraden zu diesen Punkten ist α + β. Der Winkel zwischen den Halbgeraden zu den Punkten (1, 0) und (cos(α + β), sin(α + β)) ist ebenfalls α + β. Daher ist auch der Abstand vom Punkt (cos α, sin α) zum Punkt (cos β, − sin β) gleich dem Abstand vom Punkt (1, 0) zum Punkt (cos(α + β), sin(α + β)). Das heißt √ √ (cos α − cos β)2 + (sin α + sin β)2 = (1 − cos(α + β))2 + (sin(α + β))2 30 Trigonometrie Man kann die Wurzeln auf beiden Seiten weglassen. Quadriert man aus, so erhält man cos2 α − 2 cos α cos β + cos2 β + sin2 α + 2 sin α sin β + sin2 β = 1 − 2 cos(α + β) + cos2 (α + β) + sin2 (α + β) An drei verschiedenen Stellen kann man die Formel sin2 γ + cos2 γ = 1 anwenden, und erhält 1 − 2 cos α cos β + 1 + 2 sin α sin β = 1 − 2 cos(α + β) + 1. Damit sind wir bei der Formel cos(α + β) = cos α cos β − sin α sin β angelangt und (b) ist gezeigt. Wir ersetzen in dieser soeben gezeigten Formel β durch β + 900 . Es gilt cos(α + β + 900 ) = − sin(α + β), cos(β + 900 ) = − sin β und sin(β + 900 ) = cos β Setzt man das ein, so hat man − sin(α + β) = cos α(− sin β) − sin α cos β. Das ist (a). Wir geben auch noch einen geometrischen Beweis der Summensätze. Wir nehmen zuerst an, dass die Winkel α und β zwischen 0 und 900 liegen. Wir messen die entsprechenden Bögen am Einheitskreis und erhalten den Punkt A, der dem Winkel α, und den Punkt B, der dem Winkel α + β entspricht. In der Zeichnung unten links ist der Fall dargestellt, wo α + β < 900 gilt, während die Zeichnung rechts unten den Fall zeigt, wo α + β > 900 gilt. B B A D C A D C F M E M F E Sei C der Fußpunkt des Lots vom Punkt B auf die Strecke M A. Wegen ] CM B = β und ] BCM = 900 erhalten wir |M C| = cos β und |BC| = sin β. Sei E der Fußpunkt des Lots von C auf die x-Achse. Wegen ] EM C = α und ] CEM = 900 erhalten wir auch |CE| = |M C| sin α = cos β sin α und |M E| = |M C| cos α = cos β cos α. Sei F der Fußpunkt des Lots von B auf die x-Achse und D der Fußpunkt des Lots von C auf die Strecke BF . Es gilt ] DBC = ] EM C = α, da BD senkrecht auf M E und BC senkrecht auf M C steht (Orthogonalwinkel). Damit erhalten wir |CD| = |BC| sin α = sin β sin α und |BD| = |BC| cos α = sin β cos α. Nun folgt wegen ] BM F = α + β sin(α + β) = |BF | = |DF | + |BD| = |CE| + |BD| = cos β sin α + sin β cos α cos(α + β) = |M F | = |M E| − |EF | = |M E| − |CD| = cos β cos α − sin β sin α Damit sind die Summensätze für Winkel α und β zwischen 0 und 900 bewiesen. Mit Hilfe der Formeln aus Satz 45 (d) erhält man sie für alle Winkel. Es folgen Sinus- und Cosinussatz. Satz 47 (Sinussatz) In einem beliebigen Dreieck △ ABC mit Fläche F , mit Umkreisradius a b c r und den üblichen Bezeichnungen gilt 2r = abc 2F = sin α = sin β = sin γ . Beweis: Sei h die Länge der Höhe durch C. Dann gilt 2F = ch. Weiters gilt sin α = hb (wegen sin(1800 −α) = sin α gilt das auch, wenn α stumpf ist und daher die Höhe außerhalb ab ab a abc b des Dreiecks liegt). Daraus folgt abc 2F = h = b sin α = sin α . Analog zeigt man 2F = sin β c abc und abc 2F = sin γ . Die Gleichung 2r = 2F wurde in Satz 39 bewiesen. Franz Hofbauer 31 Satz 48 (Cosinussatz) In einem Dreieck △ ABC mit den üblichen Bezeichnungen gilt a2 = b2 + c2 − 2bc cos α, b2 = a2 + c2 − 2ac cos β und c2 = a2 + b2 − 2ab cos γ. Beweis: Wir zeigen die erste der drei Gleichungen. Sei D der Fußpunkt der Höhe durch den Eckpunkt C und h deren Länge. Wir nehmen zuerst an, dass α ≤ 900 gilt. Sei p der Abstand von D zum Eckpunkt A. Es gilt dann cos α = pb , das heißt p = b cos α. Aus dem Satz von Pythagoras folgt a2 = h2 + (c − p)2 und b2 = h2 + p2 . Durch Subtraktion dieser Gleichungen ergibt sich a2 − b2 = (c − p)2 − p2 = c2 − 2pc. Wir setzen für p ein und erhalten a2 − b2 = c2 − 2bc cos α, das heißt a2 = b2 + c2 − 2bc cos α. Wir nehmen jetzt an, dass α > 900 gilt. Sei p wieder der Abstand von D zum Eckpunkt A. Nun gilt aber cos(1800 − α) = pb , da die Höhe durch den Eckpunkt C außerhalb des Dreiecks liegt. Wegen cos(1800 − α) = − cos α erhalten wir p = −b cos α. Aus dem Satz von Pythagoras folgt a2 = h2 + (c + p)2 und b2 = h2 + p2 . Durch Subtraktion dieser Gleichungen ergibt sich a2 − b2 = (c + p)2 − p2 = c2 + 2pc. Wir setzen für p ein und erhalten a2 − b2 = c2 − 2bc cos α, das heißt a2 = b2 + c2 − 2bc cos α. Die anderen beiden Gleichungen beweist man analog. Der Cosinussatz gilt auch für ein Dreieck, dessen Eckpunkte auf einer Gerade liegen. Die Winkel sind dann 00 und 1800 . Der Sinussatz gilt in diesem Grenzfall nicht mehr. Mit Hilfe des Cosinussatzes beweisen wir die nächsten beiden Sätze. Satz 49 (Dreiecksungleichung) Sind a, b und c die Längen der Seiten eines Dreiecks, dann gilt a ≤ b + c, b ≤ a + c und c ≤ a + b. Gleichheit gilt genau dann, wenn der der links stehenden Seite gegenüberligende Winkel 1800 beträgt (der der links stehenden Seite gegenüberliegende Eckpunkt liegt auf der Strecke zwischen den beiden anderen Eckpunkten). Beweis: Da − cos γ ≤ 1 gilt, erhalten wir c2 ≤ a2 +b2 +2ab = (a+b)2 aus dem Cosinussatz. Es folgt c ≤ a + b. Gleichheit gilt genau dann, wenn cos γ = −1 gilt, das heißt γ = 1800 . Analog zeigt man die anderen Ungleichungen. Satz 50 (Stewarts Formel) Sei △ ABC ein Dreieck mit Seitenlängen a, b und c. Sei D ein 2 2 b2 Punkt auf AB. Sei p = |DB|, q = |AD| und m = |CD|. Dann gilt acp + cq −m pq = 1. Beweis: Sei φ = ] CDB und ψ = ] CDA. Es gilt ψ = 1800 − φ, woraus cos ψ = − cos φ folgt. Wir wenden den Cosinussatz auf die Dreiecke △ CDB und △ CDA an a2 = m2 + p2 − 2mp cos φ b2 = m2 + q 2 − 2mq cos ψ = m2 + q 2 + 2mq cos φ Wir multiplizieren die erste Gleichung mit q und die zweite mit p. Durch Addition der Gleichungen erhalten wir a2 q + b2 p = m2 q + m2 p + p2 q + q 2 p. Wegen q + p = c folgt 2 2 b2 a2 q + b2 p = m2 c + pqc. Division durch pqc ergibt acp + cq =m pq + 1. Wir geben noch eine Anwendung von Stewarts Formel. Satz 51: Sei △ ABC ein Dreieck mit Seitenlängen a, b und c. Sei w die Länge der c 2 ) ). Winkelsymmetrale durch den Eckpunkt C. Dann gilt w2 = ab(1 − ( a+b Beweis: Sei D der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durch C mit der Seite AB. Wir 2 2 b2 setzen p = |DB| und q = |AD|. Aus Satz 50 folgt acp + cq − wpq = 1. Satz 24 besagt, dass q b a b p = a gilt. Klarerweise gilt auch q + p = c. Es folgt p = a+b c und q = a+b c. Wir setzen ein und erhalten a(a+b) c2 + b(a+b) c2 − w2 (a+b)2 abc2 c 2 = 1. Das ergibt w2 = ab(1 − ( a+b ) ). 32 Trigonometrie 2. Die besonderen Punkte des Dreiecks Abgesehen vom Schwerpunkt, kann man die besonderen Punkte des Dreiecks auch mit trigonometrischen Methoden behandeln. Satz 52: In einem beliebigen Dreieck schneiden die drei Höhen einander in einem Punkt, dem Höhenschnittpunkt H. C Beweis: Ist das Dreieck nicht spitzwinkelig, dann wählen wir die Bezeichnungen so, dass γ der Winkel ≥ 900 ist. Die Winkel α und β sind jedenfalls spitz. Sei D der Fußpunkt der Höhe durch den Eckpunkt C und H der H b Schnittpunkt der Höhen durch die Eckpunkte C und A. Da die Winkel α und β spitz sind, β liegt H oberhalb von D und D rechts von A. x Sei x der Abstand der Punkte D und H. Sei u der Abstand der Punkte A und D. Es gilt β ] ADC = 900 und ] DHA = ] ABC = β, u A D B da die Höhe durch A senkrecht auf BC und die Höhe durch C senkrecht auf AB steht (Orthogonalwinkel). Es folgt u = b cos α und cos α tan β = ux . Daraus ergibt sich x = tanu β = btan β . Sei jetzt G der Schnittpunkt der Höhen durch die Eckpunkte C und B und y der Abstand cos β der Punkte D und G. Wie oben erhält man, dass G oberhalb von D liegt und y = atan α gilt. Aus dem Sinussatz folgt b sin α = a sin β, das heißt b cos α tan α = a cos β tan β. Damit ist x = y gezeigt. Somit gilt G = H. Die drei Höhen schneiden einander im Punkt H. Satz 53: In einem beliebigen Dreieck schneiden die drei Winkelsymmetralen einander in einem Punkt, dem Inkreismittelpunkt I. C Beweis: Sei D der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durch den Eckpunkt C mit der γ 2 Seite AB und I der Schnittpunkt der Winkelsymmetralen durch die Eckpunkte C und A. Sei x der Abstand der Punkte D und I und u der Abstand der Punkte A und D. Wir wenden den Sinussatz im Dreieck △ ADC an. Wegen ] ADC = 1800 − α − γ2 = β + γ2 und b b ] ACD = γ2 gilt sinu γ = sin(β+ γ , woraus ) 2 sin γ b sin(β+2 γ ) 2 2 I u = folgt. Wir wenden noch einmal den Sinussatz an und zwar jetzt im Dreieck △ ADI. Wegen ] AID = 900 − β2 und ] DAI = α2 gilt sin(90u0 − β ) = sinx α , woraus sin α sin x = u sin(9002− β ) = u cos 2 2 α 2 β 2 x 2 sin α sin γ 2 2 für u ein, so hat man x = b cos β sin(β+ γ . ) 2 β+ γ2 α 2 folgt. Setzt man A u D B 2 Sei jetzt J der Schnittpunkt der Winkelsymmetralen durch die Eckpunkte C und B und y sin β sin γ 2 2 gilt. Aus der Abstand der Punkte D und J. Wie oben erhält man, dass y = a cos α sin(α+ γ ) 2 2 Franz Hofbauer 33 dem Sinussatz folgt b sin α = a sin β und daraus 2b sin α2 cos α2 = 2a sin β2 cos β2 . Die Summe der beiden Winkel α + γ2 und β + γ2 ist 1800 . Daher gilt sin(α + γ2 ) = sin(β + γ2 ). Aus sin α sin β 2 2 diesen beiden Gleichungen folgt b cos β sin(β+ = a cos α sin(α+ γ . Damit ist x = y gezeigt. γ ) ) 2 2 2 2 Es folgt, dass J = I gilt. Die drei Winkelsymmetralen schneiden einander im Punkt I. Für den nächsten Satz zeigen wir zuerst einen Hilfssatz. Hilfssatz C: Für jedes Dreieck △ ABC mit den üblichen Bezeichnungen gelten die Gleichungen a2 − ac cos β = b2 − bc cos α und (a − c cos β) sin α = (b − c cos α) sin β. Beweis: Der Cosinussatz besagt a2 = b2 + c2 − 2bc cos α und b2 = a2 + c2 − 2ac cos β. Subtraktion dieser Gleichungen ergibt a2 − b2 = b2 − a2 − 2bc cos α + 2ac cos β, das heißt 2a2 − 2ac cos β = 2b2 − 2bc cos α. Division durch 2 ergibt die erste Gleichung. Es gilt sina α = sinb β nach dem Sinussatz. Es folgt (a2 − ac cos β) sina α = (b2 − bc cos α) sinb β . Kürzt man links durch a und rechts durch b, dann erhält man die zweite Gleichung. Satz 54: In einem beliebigen Dreieck schneiden die drei Seitensymmetralen einander in einem Punkt, dem Umkreismittelpunkt U . Beweis: Ist das Dreieck nicht spitzwinkelig, dann wählen wir die Bezeichnungen so, dass γ der Winkel ≥ 900 ist. Die Winkel α und β sind jedenfalls spitz. Sei U der Schnittpunkt der Symmetralen der Seiten AB und AC. Sei D der Mittelpunkt der Seite AB und F der der Seite AC. Sei x der Abstand der C Punkte D und U , wobei x negativ ist, wenn U unterhalb der Seite AB liegt. Weiters sei G der Schnittpunkt der (Verlängerung der) Seite AB mit der Symmetralen der Seite AC und u der Abstand der Punkte D und G, wobei u negativ F ist, wenn G links von D liegt. Wegen ] AF G = 900 und ] GAF = α ergibt b b U b 2 . Es folgt u = 2 cos sich cos α = c +u − 2c . We2 α 2 α gen ] U DG = 900 und ] GU D = α erhalten x cos α wir cot α = ux . Es folgt x = u cot α = b−c 2 sin α . α c (Ist γ > 900 , dann sind u und x negativ. Ist A D u G B 2 γ = 900 , dann gilt u = x = 0.) Sei jetzt V der Schnittpunkt der Symmetralen der Seiten AB und BC. Sei y der Abstand der Punkte D und V , wobei y negativ ist, wenn V unterhalb der Seite AB liegt. Eine cos β analoge Rechnung wie oben ergibt, dass y = a−c gilt. In Hilfssatz C wurde die 2 sin β Gleichung (a − c cos β) sin α = (b − c cos α) sin β gezeigt. Daraus folgt y = x. Damit ist V = U gezeigt. Die drei Seitensymmetralen schneiden einander im Punkt U . 3. Die Sätze von Napoleon und Morley Das sind zwei Sätze, die oft mit trigonometrischen Methoden bewiesen werden. Satz 55 (Satz von Napoleon) Setzt man auf die drei Seiten eines beliebigen Dreiecks gleichschenkelige Dreiecke mit Basiswinkel 300 , dann bilden die Spitzen dieser drei Dreiecke ein gleichseitiges Dreieck. 34 Trigonometrie Beweis: Sei D die Spitze des über der Seite AB als Basis errichteten gleichschenkeligen Dreiecks, sei E die Spitze des über der Seite BC als Basis errichteten gleichschenkeligen Dreiecks und sei F die Spitze des über der C Seite CA als Basis errichteten gleichschenke√b 3 γ ligen Dreiecks. Sei x = |DF |, y = |DE| √a 3 und z = |EF |. Zu zeigen ist x = y = z. F Wir zeigen nur x = y. Da die Winkel bei A z E und B im Dreieck △ ABD gleich 300 sind, folgt |BD| = |AD| = √c3 . Ebenso hat man b √ 3 |BE| = |CE| = √a3 und |CF | = |AF | = √b3 . √a 3 Wegen ] DAF = α+600 folgt aus dem Cosix y nussatz angewandt auf das Dreieck △ ADF , β α 2 2 0 dass x2 = b3 + c3 − 2bc ) gilt. cos(α + 60 3 A B √ Wegen 2 cos(α + 600 ) = cos α − 3 sin α 2 2 √c √c bc √ 3 3 ergibt sich x2 = b3 + c3 − bc cos α+ sin α. 3 3 (Ist α größer als 1200 , dann muss man die D Gleichung cos(3600 − φ) = cos φ beachten.) 2 2 ac √ Ganz analog erhält man die Gleichung y 2 = a3 + c3 − ac 3 cos β + 3 sin β . Es bleibt nur noch zu überprüfen, dass y = x gilt. 2 2 Wir gilt √ α in Hilfssatz C gezeigt. Weiters √ √ haben die√Gleichung a − ac cos2 β = b − bc cos 3ac sin β = 3bc sin α. Es folgt a − ac cos β + 3ac sin β = b2 − bc cos α + 3bc sin α durch Addition dieser Gleichungen. Daraus ergibt sich y 2 = x2 und somit auch y = x. Bemerkung: Satz 55 gilt auch, wenn man die drei gleichschenkeligen Dreiecke nicht außen, sondern innen auf die drei Dreieckseiten aufsetzt. Für den nächsten Satz, den Satz von Morley, zeigen wir zwei Hilfssätze. Hilfssatz D: In jedem Dreieck gilt sin2 γ = sin2 α + sin2 β − 2 sin α sin β cos γ. Beweis: Ist q = abc 2F , so folgen a = q sin α, b = q sin β und c = q sin γ aus dem Sinussatz. Man setzt das in den Cosinussatz c2 = a2 + b2 − 2ab cos γ ein und kürzt durch q 2 . Hilfssatz E: Es gilt sin 3ψ = 4 sin ψ sin(600 + ψ) sin(600 − ψ). √ √ Beweis: Wegen sin 600 = 23 und cos 600 = 12 gilt sin(600 + ψ) = 23 cos ψ + 12 sin ψ √ und sin(600 − ψ) = 23 cos ψ − 12 sin ψ nach dem Summensatz für den Sinus. Daraus ergibt sich dann 4 sin ψ sin(600 + ψ) sin(600 − ψ) = 3 sin ψ cos2 ψ − sin3 ψ. Ebenso aus den Summensätzen folgt sin 2ψ = 2 sin ψ cos ψ und cos 2ψ = cos2 ψ − sin2 ψ, und damit sin 3ψ = sin(2ψ + ψ) = sin 2ψ cos ψ + cos 2ψ sin ψ = 3 sin ψ cos2 ψ − sin3 ψ. Satz 56 (Satz von Morley) Sei △ ABC ein Dreieck, dessen Winkel mit α, β und γ bezeichnet werden. Ins Innere dieses Dreiecks werden folgende drei Dreiecke gezeichnet: Über der Seite AB als Basis wird ein Dreieck mit Winkel α3 bei A und β3 bei B errichtet. Sei P die Spitze dieses Dreiecks. Über der Seite BC als Basis wird ein Dreieck mit Winkel β3 bei B und γ3 bei C errichtet. Sei Q die Spitze dieses Dreiecks. Über der Seite CA als Basis wird ein Dreieck mit Winkel γ3 bei C und α3 bei A errichtet. Sei R die Spitze dieses Dreiecks. Das Dreieck △ P QR ist dann gleichseitig. Franz Hofbauer 35 Beweis: Seien x = |P R|, u = |AP | und C v = |AR|. Insbesondere ist x die Länge der Seite P R des Dreiecks △ P QR, von dem gezeigt werden soll, dass es gleichseitig ist. Sei µ = α3 , ν = β3 und σ = γ3 . Weiters sei a φ = ] AP B. Da µ, ν und φ die Winkel im b R 0 Q Dreieck △ AP B sind, gilt µ + ν + φ = 180 . 0 = 60 erhält Wegen µ + ν + σ = α+β+γ x 3 v man φ = 1200 + σ. Daraus ergibt sich dann P sin φ = sin(1800 − φ) = sin(600 − σ). Der Siu nussatz angewendet auf das Dreieck △ AP B c sin ν liefert sinu ν = sinc φ oder u = sin(60 0 −σ) . Ist c A B r der Umkreisradius, dann gilt c = 2r sin γ sin γ sin ν wieder nach dem Sinussatz. Damit ergibt sich u = 2r sin(60 0 −σ) und aus Hilfssatz E erhält man sin γ = sin 3σ = 4 sin σ sin(600 + σ) sin(600 − σ). Setzt man das ein, so hat man u = 8r sin σ sin(600 + σ) sin ν. Ganz analog erhält man v = 8r sin ν sin(600 + ν) sin σ. Der Cosinussatz angewendet auf das Dreieck △ AP R ergibt x2 = u2 + v 2 − 2uv cos µ,) also ( x2 = 64r2 sin2 ν sin2 σ sin2 (600 + σ) + sin2 (600 + ν) − 2 sin(600 + σ) sin(600 + ν) cos µ . Da sich 600 +σ, 600 +ν und µ zu 1800 addieren und somit die Winkel eines Dreiecks sind, folgt sin2 (600 +σ)+sin2 (600 +ν)−2 sin(600 +σ) sin(600 +ν) cos µ = sin2 µ aus Hilfssatz D. Damit ist x2 = 64r2 sin2 ν sin2 σ sin2 µ gezeigt, das heißt x = 8r sin ν sin σ sin µ. Die Längen der anderen Seiten des Dreiecks △ P QR erhält man durch dieselbe Rechnung, wobei aber a, b und c ihre Plätze vertauschen und ebenso ν, σ und µ. Dadurch ändert sich jedoch das Ergebnis nicht. Das zeigt, dass alle drei Seiten des Dreiecks △ P QR gleich x sind. Bemerkung: Satz 56 gilt auch, wenn die Dreiecke außen sitzen, wobei der Winkel α3 durch 600 − α3 , der Winkel β3 durch 600 − β3 und der Winkel γ3 durch 600 − γ3 ersetzt wird. 4. Komplexe Zahlen Rechnet man mit reellen Zahlen, dann hat man das Problem, dass nicht jedes Polynom eine Nullstelle hat. Das Polynom x2 + 1 hat zum Beispiel keine. Um dieses Problem zu beseitigen, führt man die komplexen Zahlen C = {x + yi : x ∈ R, y ∈ R} ein. Hier ist i ein neues Symbol, das man einführt. Es wird imaginäre Einheit genannt. Man legt fest, dass i2 = −1 gilt. Bezeichnet man die komplexe Zahl x + yi mit z, dann nennt man x den Realteil von z und y den Imaginärteil von z. Die Addition zweier komplexer Zahlen ist wie für Vektoren definiert (x + yi) + (p + qi) = x + p + (y + q)i Die Multiplikation wird in naheliegender Weise definiert, wobei i2 = −1 verwendet wird (x + yi)(p + qi) = xp + xqi + ypi + yqi2 = xp − yq + (xq + yp)i Zu jeder komplexen Zahl x + yi ̸= 0 existiert die inverse Zahl 1 x+yi = x−yi (x+yi)(x−yi) x−yi x2 −xyi+xyi−y 2 i2 1 mit x Bruch x+yi = = x−yi x2 +y 2 = x x2 +y 2 + −y x2 +y 2 i − yi erweitert. die man erhält, indem man den Man prüft leicht nach, dass die Addition und die Multiplikation komplexer Zahlen assoziativ und kommutativ sind und dass das Distributivgesetz gilt. Man kann also mit 36 Trigonometrie komplexen Zahlen genauso rechnen wie in allen anderen Zahlenbereichen. Die additive Inverse zur komplexen Zahl x + yi ist −x − yi. Die multiplikative Inverse zur komplexen −y x Zahl x + yi ist die oben berechnete Zahl x2 +y 2 + x2 +y 2 i. Somit bildet die Menge C der komplexen Zahlen mit der Addition und der Multiplikation einen Körper. Bezeichnet man die komplexe Zahl x+yi mit z, dann nennt man x−yi die zu z konjugiert komplexe Zahl, √ die man mit z bezeichnet. Den Betrag |z| der xkomplexen Zahl z definiert man durch x2 + y 2 . Das entspricht der Länge des Vektors ( y ). Satz 57: Aus jeder komplexen Zahl p + qi lässt sich die Wurzel ziehen. Ist die Zahl √ √ reell, das heißt q = 0, dann sind ± p im Fall p ≥ 0 und ± −p i im Fall p < 0 Wurzeln der Zahl Ist q ̸= 0, dann sind x + yi und −x − yi Wurzeln der Zahl p + qi, wobei √ p. √ p q 1 x = 2 + 2 p2 + q 2 und y = 2x zu setzen sind. √ √ Beweis: Ist q = 0 und p ≥ 0, dann sind ± p Wurzeln von p, da (± p)2 = p gilt. Ist √ √ q = 0 und p < 0, dann sind ± −p i Wurzeln von p, da (± −p i)2 = −p i2 = p gilt. Wir nehmen jetzt q ̸= 0 an und berechnen die Wurzel aus p + qi, das heißt wir lösen die Gleichung (x + yi)2 = p + qi. Es folgt x2 − y 2 + 2xyi = p + qi. Diese Gleichung gilt genau dann, wenn die auf den beiden Seiten der Gleichung stehenden komplexen Zahlen gleichen Real- und gleichen Imaginärteil haben. Es muss also x2 − y 2 = p und 2xy = q gelten. Wir quadrieren die beiden Gleichungen und addieren sie dann. Das √ ergibt 2 2 p2 + q 2 . x4 + y 4 + 2x2 y 2 = p2 + q 2 . Zieht man die Wurzel, dann hat man x + y = √ Addiert Gleichung x2 − y 2 = p, so erhält man 2x2 = p + p2 + q 2 . Damit ist √ man die √ √ x = ± p2 + 12 p2 + q 2 bereits berechnet. Wegen q ̸= 0 gilt −p ≤ |p| < p2 + q 2 , woraus √ p 1 p2 + q 2 > 0 und somit auch x ̸= 0 folgt. 2 + 2 Für x haben wir zwei Lösungen erhalten, die sich nur durch das Vorzeichen voneinder unterscheiden. Das jeweils zugehörige y ergibt sich aus der Gleichung 2xy = q. Wählt q man x als die positive Lösung und berechnet damit y = 2x , dann sind x + yi und −x − yi die Wurzeln der Zahl p + qi. Beispiel: Um die Wurzel aus 3 − 4i zu ziehen, können wir die Gleichung x2 − y 2 + 2xyi = 3−4i, das heißt x2 −y 2 = √ 3 und 2xy = −4, lösen oder in die Formeln aus Satz 57 einsetzen. 3 1 2 Wir erhalten x = 2 + 2 9 + 16 = 4, also x = 2, und y = −4 2x = −1. Die Wurzeln aus 3 − 4i sind daher 2 − i und −2 + i. Man kann ein viel stärkeres Resultat zeigen als Satz 57. Der Fundamentalsatz der Algebra besagt, dass jedes Polynom mit komplexen Koeffizienten eine Nullstelle in C besitzt. 5. Polarkoordinaten In der Ebene legt man einen Punkt P üblicherweise durch seine kartesischen Koordinaten x und y fest. Man kann den Punkt P aber auch dadurch festlegen, dass man seinen Abstand r vom Nullpunkt angibt und den Winkel φ, den man erhält, wenn man von der positiven x-Achse im Gegenuhrzeigersinn bis zum Ortsvektor des Punktes P wandert. Die Koordinaten des Punktes sind dann r und φ. Man nennt sie Polarkoordinaten. Da die Punkte (0, 0), (x, 0) und (x, y) die Ecken eines rechtwinkeligen Dreiecks bilden, erhalten wir x = r cos φ und y = r sin φ. Diese Formeln geben den Zusammenhang zwischen kartesischen Koordinaten und Polarkoordinaten an. Eine Ausnahme bildet der Punkt (0, 0). Für diesen kann man natürlich keinen Winkel φ festlegen. Franz Hofbauer 37 Man kann komplexe Zahlen x + iy graphisch als Punkte (x, y) in der Ebene darstellen. Die Addition der komplexen Zahlen entspricht dann der Addition der zugehörigen Ortsvektoren. Um auch die Multiplikation geometrisch zu deuten, r führen wir die oben beschriebene Polarkoordinay tendarstellung für√komplexe Zahlen ein. Dazu sei r = x2 + y 2 wieder der Abstand φ des Punktes (x, y) vom Nullpunkt (der Betrag der komplexen Zahl x + iy) und φ wieder der x Winkel zwischen der positiven x-Achse und dem Ortsvektor zum Punkt (x, y). Dieser Winkel φ wird das Argument der komplexen Zahl z = x + iy genannt und mit arg z bezeichnet. Es gilt dann x + iy = r(cos φ + i sin φ). Es ist nützlich, eine Kurzschreibweise für den Ausdruck in der Klammer einzuführen. Für einen Winkel α definieren wir die komplexe Zahl eiα durch eiα = cos α + i sin α (Eulersche Formel) Dann lässt sich die Polarkoordinatendarstellung schreiben als x + iy = reiφ . Warum man die komplexe Zahl cos α + i sin α mit eiα bezeichnet, wird aus dem nächsten Satz klar. Es gelten Rechenregeln wie für die Exponentialfunktion. Satz 58: Für Winkel α und β gilt ei(α+β) = eiα eiβ . Beweis: Das folgt aus den Summensätzen für die trigonometrischen Funktionen. Es gilt ei(α+β) = cos(α + β) + i sin(α + β) = cos α cos β − sin α sin β + i sin α cos β + i cos α sin β und eiα eiβ = (cos α+i sin α)(cos β+i sin β) = cos α cos β+i sin α cos β+i cos α sin β−sin α sin β. Daraus erkennt man die gesuchte Gleichung. Nun kann man auch die Multiplikation von zwei komplexen Zahlen geometrisch deuten. Wir schreiben sie in Polarkoordinatendarstellung als r1 eiφ1 und r2 eiφ2 . Mit Hilfe von Satz 58 folgt r1 eiφ1 · r2 eiφ2 = r1 r2 ei(φ1 +φ2 ) . Das Produkt zweier komplexer Zahlen erhält man also, indem man die Beträge der beiden Zahlen multipliziert und die Winkel addiert. √ √ Daraus ergibt sich auch, dass reiφ/2 und − reiφ/2 die beiden Wurzeln der komplexen Zahl reiφ sind. Die Wurzel (abgesehen vom Vorzeichen) erhält man, indem man die Wurzel aus dem Betrag zieht und den Winkel halbiert. Das Rechnen mit trigonometrischen Funktionen erweist sich manchmal als schwierig. Mit Hilfe der Eulerformel können wir den Sinus und den Cosinus durch die komplexe Exponentialfunktion ausdrücken. Auf diese Weise lassen sich Produkte und Potenzen in Summen von trigonometrischen Funktionen umwandeln. Die Eulerformel besagt eiα = cos α + i sin α. Setzt man −α statt α ein, so hat man −iα e = cos(−α) + i sin(−α) = cos α − i sin α. Durch Addition dieser beiden Gleichungen ergibt sich eiα + e−iα = 2 cos α und daraus folgt cos α = 12 (eiα + e−iα ) Ebenso erhalten wir eiα − e−iα = 2i sin α und daraus sin α = iα 1 2i (e − e−iα ) Die folgenden Beispiele zeigen, wie man diese Darstellung von sin α und cos α verwenden kann, um Potenzen und Produkte von trigonometrischen Funktionen auszurechnen. 38 Trigonometrie Beispiel: Es soll sin2 α sin 2α als Summe von trigonometrischen Funktionen geschrieben 2iα −2iα 2iα e −e−2iα . werden. Durch Einsetzen obiger Formeln erhält man sin2 α sin 2α = e −2+e −4 2i −2iα −4iα −e Multiplikation dieser beiden Brüche ergibt e −2e +2e . Diesen Bruch können −8i wir zerteilen, sodass wir wieder trigonometrische Funktionen einsetzen können. Wir erhal4iα 2iα −2iα −e−4iα ten e −8i + 2e −2e = − 14 sin 4α + 12 sin 2α. Das ist die gewünschte Summe. 8i 4iα 2iα Beispiel: Wir zeigen sin 2α + sin 2β + sin 2γ = 4 sin α sin β sin γ für die Winkel eines Dreiecks, also unter der Bedingung α + β + γ = 1800 . Wir beginnen mit 4 sin α sin β sin γ 1 und setzen sin φ = 2i (eiφ − e−iφ ) ein. Durch Ausmultiplizieren ergibt sich 1 (ei(α+β+γ) − ei(α+β−γ) − ei(α−β+γ) + ei(α−β−γ) − 2i − ei(−α+β+γ) + ei(−α+β−γ) + ei(−α−β+γ) − ei(−α−β−γ) ) Fasst man diese Ausdrücke entsprechend zusammen, so erhält man − sin(α + β + γ) + sin(α + β − γ) + sin(α − β + γ) + sin(−α + β + γ) Wegen α + β + γ = 1800 und sin(1800 − φ) = sin φ ergibt sich sin 2α + sin 2β + sin 2γ. 6. Beweisen mit Hilfe komplexer Zahlen Wir beweisen weitere Eigenschaften komplexer Zahlen, und zwar für die konjugiert komplexe Zahl z, für den Betrag |z| und das Argument arg z einer komplexen Zahl z. Satz 59: Seien w und z in C. Dann gilt |z|2 = zz, z = z, |z| = |z| und z + z ≤ 2|z|. Weiters gilt w + z = w + z, w − z = w − z und w · z = w · z. Ist q = wz , dann gilt q = wz . Beweis: Sei w = p + qi und z = x + yi. Dann haben wir w = p − qi und z = x − yi. Es folgt |z|2 = x2 + y 2 = x2 − y 2 i2 = (x + yi)(x − yi) = zz und z = x − (−y)i = x + yi = z. Ebenso folgt |z|2 = x2 + (−y)2 = x2 + y 2 = |z|2 , woraus wir |z| = |z| erhalten. Schließlich √ 2 folgt auch z + z = x + yi + x − yi = 2x ≤ 2|x| ≤ 2 x + y 2 = 2|z|. Wegen w + z = (p + x) + (q + y)i erhalten wir w + z = (p + x) − (q + y)i = p − qi + x − yi. Man sieht, dass w + z = w + z gilt. Ebenso ergibt sich w − z = w − z. Es gilt w · z = px − qy + (py + qx)i und w · z = px − qy + (−py − qx)i. Es folgt w · z = w · z. Ist q = wz , dann gilt q · z = w, woraus q · z = w und daher auch q = wz folgt. Der nächste Satz behandelt den Betrag eines Produkts und einer Summe. Wir erhalten eine Dreiecksungleichung für koplexe Zahlen. Satz 60: Seien w und z in C. Dann gilt |w · z| = |w| · |z| und |w + z| ≤ |w| + |z|. Beweis: Wir berechnen |w · z|2 = w · z · w · z = w · z · w · z = w · w · z · z = |w|2 · |z|2 mit Hilfe der Resultate aus Satz 59. Damit ist |w · z| = |w| · |z| gezeigt. Ähnlich gehen wir vor, um die Dreiecksungleichung zu beweisen. Es gilt |w + z|2 = (w + z)(w + z) = (w + z)(w + z) = ww + wz + zw + zz = |w|2 + wz + zw + |z|2 Setzt man u = wz, dann hat man u = w z = w z. Wegen u + u ≤ 2|u| ergibt sich wz + zw ≤ 2|wz| = 2|w| · |z| = 2|w| · |z|. Damit erhalten wir |w + z|2 = |w|2 + wz + zw + |z|2 ≤ |w|2 + 2|w| · |z| + |z|2 = (|w| + |z|)2 Somit ist |w + z| ≤ |w| + |z| gezeigt. Im folgenden Satz ist zu beachten, dass ein Winkel, der nicht im Bereich von 00 bis 3600 liegt, mit dem entsprechenden Winkel in diesem Bereich zu identifizieren ist. Franz Hofbauer Satz 61: Für w und z in C \ {0} gilt arg w · z = arg w + arg z und arg 39 w z = arg w − arg z. Beweis: Das sieht man sofort aus der Polarkoordinatendarstellung. Gilt w = reiφ und z = seiψ , dann folgt w · z = rsei(φ+ψ) . Wegen arg w = φ, arg z = ψ und arg w · z = φ + ψ ist arg w · z = arg w + arg z gezeigt. Setzen wir in diese Gleichung wz anstelle von w ein, so erhalten wir arg w = arg wz + arg z, das heißt arg wz = arg w − arg z. Komplexe Zahlen kann man als Punkte in der Ebene auffassen oder auch als Vektoren im R2 . Die Addition komplexer Zahlen ist ja dieselbe wie die für Vektoren. Man kann auch die Multiplikation geometrisch deuten und damit Sätze aus der Geometrie beweisen. Sei r > 0 und 00 ≤ φ < 3600 . Sei v ∈ C. Wir stellen uns v als Punkt in der Ebene vor. Das Produkt r · v ergibt dann den vom Nullpunkt aus um den Faktor r gestreckten Punkt (zentrische Streckung mit Nullpunkt als Zentrum). Multipliziert man noch mit eiφ , dann wird auch um den Nullpunkt mit Winkel φ gedreht. Man erhält den Punkt, der der komplexen Zahl reiφ · v entspricht. Er geht aus dem ursprünglichen Punkt durch eine Drehstreckung hervor. Setzt man z = reiφ , dann entspricht die Multiplikation mit z einer Drehstreckung mit Faktor |z| und Drehwinkel arg z, deren Zentrum der Nullpunkt ist. Satz 62: Sei r > 0 und 00 ≤ φ < 3600 . Seien u und v in C. Sei w = u + (v − u) · reiφ . Dann entspricht w dem Punkt, der durch eine Drehstreckung mit u als Zentrum aus dem Punkt v hervorgeht, wobei der Drehwinkel (im Gegenuhrzeigersinn) gleich φ und der Streckungsfaktor gleich r ist. Beweis: Die Abbildung v 7→ u + (v − u) · reiφ ist die Hintereinanderausführung folgender drei Abbildungen: (a) Subtraktion von u: Translation, die den Punkt u in den Punkt 0 verschiebt (b) Multiplikation mit reiφ : Drehstreckung mit dem Nullpunkt als Zentrum (c) Addition von u: Translation, die den Punkt 0 in den Punkt u zurückschiebt Die Zusammensetzung ergibt eine Drehstreckung mit u als Zentrum, wobei der Drehwinkel gleich φ und der Streckungsfaktor gleich r ist. Auf die Strecke vom Punkt (0, 0) zum Punkt (1, 0) als Basis setzen wir ein gleichschenkeliges Dreieck mit Basiswinkel φ. Die Spitze hat dann die Koordinaten ( 12 , tan2 φ ). Dieser Punkt entspricht der komplexen Zahl w = 12 + i tan2 φ . Soll das gleichschenkelige Dreieck unterhalb der Strecke sitzen, dann muss man − tan φ statt tan φ nehmen. Den Punkt w erhält man durch eine Drehstreckung des Punktes (1, 0) mit Zentrum (0, 0). Gedreht wird √ 1 um den Winkel φ, gestreckt (oder gestaucht) wird mit dem Faktor |w| = 2 1 + tan2 φ. Diese Drehstreckung entspricht der Multiplikation mit der komplexen Zahl w. Seien jetzt u und v beliebig. Wir setzen auf die Strecke von u nach v als Basis ein gleichschenkeliges Dreieck mit Basiswinkel φ. Die Spitze des Dreiecks erhalten wir durch eine Drehstreckung des Punktes v mit Zentrum u, die der Multiplikation mit der komplexen Zahl w entspricht. Nach Satz 62 ist das die Abbildung v 7→ u + (v − u) · w. Wir stehen im Punkt u und schauen zum Punkt v. Liegt die Spitze des aufgesetzten Dreiecks links, dann ist w = 21 + i tan2 φ zu wählen. Liegt sie rechts, dann ist w = 12 − i tan2 φ zu wählen. Damit können wir Sätze aus der Geometrie beweisen. Diese Sätze handeln von gleichschenkeligen Dreiecken, die auf den Seiten eines vorgegebenen Dreiecks aufgesetzt werden. Insbesondere erhalten wir einen einfachen Beweis für den Satz von Napoleon. 40 Trigonometrie Satz 63 (Satz von Napoleon) Setzt man auf die drei Seiten eines beliebigen Dreiecks gleichschenkelige Dreiecke mit Basiswinkel 300 , dann bilden die Spitzen dieser drei Dreiecke ein gleichseitiges Dreieck. c Beweis: Wir fassen die Eckpunkte des vorgegebenen γ Dreiecks als komplexe Zahlen a, b und c auf. Die Spitzen f der über den Dreieckseiten errichteten gleichschenkelie gen Dreiecke entsprechen ebenfalls komplexen Zahlen, die wir mit d, e und f bezeichnen. Wegen tan 300 = √13 gilt nach obigen Überlegungen: 1 1 1 d = a + (b − a)( 12 − i 2√ ) = a( 21 + i 2√ ) + b( 12 − i 2√ ) 3 3 3 e = b + (c − b)( 21 − i2 f = a + (c − a)( 12 + 1 √ )= 3 1 i 2 √3 ) b( 12 + i2 1 √ = a( 21 − i 2 3 1 √ )+ 3 c( 12 − i2 1 √ ) + c( 12 + i 2 3 1 √ ) 3 β α a b ) d Daraus berechnen wir die Differenzen d−f = a · i √13 1 − i 2 3 ) − c( 12 + i 2√ ) und 3 √ (d − f )( 21 + i 23 ), das heißt + b( 12 1 √ e−f = −a( 12 − i 2 3 ) + b( 12 1 √ 1 + i 2√ ) − c · i √13 3 0 Es folgt e − f = e = f + (d − f )( 12 + i tan260 ). Somit ist e der Punkt, den man erhält, wenn man d um den√Punkt f um 600 dreht, und zwar von f aus gesehen nach links (die komplexe Zahl 12 + i 23 hat Betrag 1, daher keine Streckung). Damit ist bewiesen, dass das Dreieck, dessen Eckpunkte den komplexen Zahlen d, e und f entsprechen, gleichseitig ist. Satz 64: Über jeder Seite eines beliebigen Dreiecks wird ein gleichschenkeliges Dreieck mit Basiswinkel 450 errichtet. Wir zeichnen die Strecke zwischen den Spitzen von zweien dieser Dreiecke, und die Strecke von der Spitze des dritten Dreiecks zum gegenüberliegenden Eckpunkt des vorgegebenen Dreiecks. Diese beiden Strecken sind gleich lang und stehen senkrecht aufeinander. c Beweis: Wir fassen die Eckpunkte des vorgegebee nen Dreiecks als komplexe Zahlen a, b und c auf. f Die Spitzen der über den Dreieckseiten errichteten gleichschenkeligen Dreiecke entsprechen komplexen Zahlen, die wir mit d, e und f bezeichnen. Wegen tan 450 = 1 erhalten wir wie im vorherigen Beweis d = a + (b − a)( 12 − i 12 ) = a( 12 + i 21 ) + b( 12 − i 12 ) e = b + (c − b)( 12 − i 12 ) = b( 21 + i 12 ) + c( 12 − i 12 ) a b f = a + (c − a)( 12 + i 12 ) = a( 12 − i 12 ) + c( 12 + i 21 ) Daraus ergibt sich d − c = a( 12 + i 12 ) + b( 12 − i 21 ) − c d und e − f = −a( 21 − i 12 ) + b( 12 + i 21 ) − ci. Man rechnet e − f = (d − c)i nach. Das bedeutet: Dreht man den Vektor, der von c nach d führt, um 900 im Gegenuhrzeigersinn, dann erhält man den Vektor von f nach e. Damit ist gezeigt, dass die beiden Vektoren gleich lang sind und aufeinander senkrecht stehen. In den vorhergehenden Beweisen wurde die Multiplikation mit einer komplexen Zahl als Drehstreckung gedeutet. Wir beweisen noch einen Satz über Vierecke, wobei jetzt die Eigenschaften des Betrags und des Arguments eine wesentliche Rolle spielen. Franz Hofbauer 41 Für ein Viereck führen wir folgende StandardD c bezeichnungen ein. Die Eckpunkte bezeichnen δ C wir mit den Großbuchstaben A, B, C und D. γ Den Winkel bei jedem Eckpunkt bezeichnen wir d f e mit dem entsprechenden griechischen Buchstaben b α, β, γ und δ. Weiters seien a = |AB|, b = |BC|, c = |CD| und d = |DA| die Längen der Viereckα β seiten, und e = |AC| und f = |BD| die Längen A B a der beiden Diagonalen. Ein Viereck heißt konvex, wenn die Diagonalen innerhalb des Vierecks liegen, das heißt A und C liegen auf verschiedenen Seiten der Diagonale BD, und B und D auf verschiedenen Seiten der Diagonale AC. Die Winkelsumme in einem konvexen Viereck beträgt 3600 , da man es aus zwei Dreiecken zusammensetzen kann. Ein konvexes Viereck heißt Sehnenviereck, wenn es einen Umkreis hat. Es gilt dann Satz 65: Ein konvexes Viereck ABCD mit Winkel α, β, γ und δ ist genau dann ein Sehnenviereck, wenn α + γ = 1800 gilt. Es gilt dann auch β + δ = 1800 . Beweis: Sei k der Umkreis des Dreiecks △ ABD. Es gilt ] BAD = α. Weiters liegen A und C auf verschiedenen Seiten der Sehne BD des Kreises k. Das Viereck ist ein Sehnenviereck genau dann, wenn C auf k liegt. Nach Satz 32 ist das äquivalent dazu, dass ] BCD = 1800 − α gilt, das heißt α + γ = 1800 . Es gilt dann auch β + δ = 1800 , da die Winkelsumme in einem konvexen Viereck 3600 beträgt. Es folgt ein Cosinussatz für Vierecke, mit dem wir den Satz von Ptolemäus beweisen. Satz 66: Sei ABCD ein konvexes Viereck. Mit den oben eingeführten Standardbezeichnungen gilt dann e2 f 2 = a2 c2 + b2 d2 − 2abcd cos(α + γ). Beweis: Wir fassen die Eckpunkte A, B, C und D des Vierecks als komplexe Zahlen u, v, w und z auf. Die Differenzen v − u, v − w, z − w und z − u entsprechen Vektoren, die auf den Seiten des Vierecks liegen. Die Längen der Seiten und Diagonalen sind dann a = |v − u|, b = |v − w|, c = |z − w|, d = |z − u|, e = |w − u| und f = |v − z|. Sei t = (w − u)(v − z), p = (v − u)(z − w) und q = (v − w)(z − u). Dann gilt t = q − p, wie man leicht nachrechnet. Die komplexen Zahlen p, q und t entsprechen Vektoren, die auf den Seiten eines Dreiecks liegen. Sei φ der Winkel zwischen den Vektoren p und q. Der Cosinussatz für dieses Dreieck ergibt dann |t|2 = |p|2 + |q|2 − 2|p| · |q| cos φ. Setzen wir für t, p und q ein, so erhalten wir e2 f 2 = a2 c2 + b2 d2 − 2abcd cos φ. Wir berechnen arg q − arg p = arg(v − w) + arg(z − u) − arg(v − u) − arg(z − w) mit Hilfe von Satz 61. Weiters gilt α = arg(z − u) − arg(v − u) und γ = arg(v − w) − arg(z − w). Es folgt arg q − arg p = α + γ. Da α + γ zwischen 00 und 3600 liegt, ist der Winkel φ zwischen den Vektoren p und q entweder α + γ oder 3600 − (α + γ). Da diese beiden Winkel denselben cos haben, können wir α + γ für φ einsetzen. Damit ist der Satz bewiesen. Satz 67 (Satz von Ptolemäus) Seien a, b, c und d die Längen der Seiten eines konvexen Vierecks und e und f die Längen der Diagonalen. Dann gilt ef ≤ ac + bd. Gleichheit gilt genau dann, wenn das Viereck ein Sehnenviereck ist. Beweis: Wegen cos(α + γ) ≥ −1 folgt e2 f 2 ≤ a2 c2 + b2 d2 + 2abcd aus Satz 66, das heißt e2 f 2 ≤ (ac + bd)2 oder ef ≤ ac + bd. Gleichheit gilt genau dann, wenn cos(α + γ) = −1 gilt. Das ist genau dann der Fall, wenn α + γ = 1800 gilt, also für ein Sehnenviereck. 42 Trigonometrie Lineal und Winkelmesser: Die Zahlengerade, auf der jedem Punkt eine reelle Zahl zugeordnet wird, verwenden wir als Lineal, um den Abstand zweier Punkte A und B zu messen. Wir legen die Zahlengerade durch die Punkte A und B und lesen die Koordinaten der beiden Punkte ab. Den orientierten Abstand AB erhalten wir, indem wir die Koordinate von A von der Koordinate von B subtrahieren. Den üblichen, nicht orientierten Abstand erhalten wir, indem wir die kleinere von der größeren Koordinate subtrahieren. Anstatt reeller Zahlen können wir den Punkten auf der Zahlengerade auch Winkel zuordnen, indem wir Winkel > 1800 und negative Winkel zulassen. Wir wickeln diese Zahlengerade im Gegenuhrzeigersinn um den Einheitskreis herum, sodass 3600 , −3600 und alle Vielfachen davon mit 00 zusammenfallen. Dadurch werden den Punkten auf dem Einheitskreis wie üblich die Winkel von 00 bis 3600 zugeordnet. Die anderen Winkel werden so zugeordnet, dass Winkel, die sich um ein Vielfaches von 3600 unterscheiden, demselben Punkt auf dem Einheitskreis entsprechen. Diesen Einheitskreis verwenden wir als Winkelmesser. Sind A, S und B drei voneinander verschiedene Punkte, dann liegt der Winkel ] ASB im Bereich von 00 bis 1800 . Die Grenzfälle 00 und 1800 treten nur auf, wenn A, S und B auf einer Gerade liegen. Um den Winkel ] ASB zu messen, legen wir den Einheitskreis so auf den Winkel, dass sein Mittelpunkt im Scheitel S liegt. Wenn wir vom Scheitel S ins Winkelfeld schauen, dann liegt ein Schenkel des Winkels links, der andere rechts. Wir lesen am Einheitskreis den Winkel φ ab, der dem Punkt zugeordnet ist, durch den der linke Schenkel geht, und den Winkel ψ, der dem Punkt zugeordnet ist, durch den der rechte Schenkel geht. Der Winkel ] ASB ist dann gleich φ − ψ. Er liegt im Bereich von 00 bis 1800 , außer der Punkt des Einheitskreises, dem der Winkel 00 zugeordnet ist, liegt im Winkelfeld. Dann ist φ − ψ negativ. In diesem Fall müssen wir φ + 3600 statt φ ablesen. Das entspricht ja demselben Punkt am Einheitskreis. (Oder wir lesen ψ − 3600 statt ψ ab.) So erreichen wir, dass dann φ + 3600 − ψ im Bereich von 00 bis 1800 liegt und gleich ist dem Winkel ] ASB. Mit dieser Methode könnten wir auch orientierte Winkel einführen, analog zu orientierten Abständen. Wir tun das jedoch nicht, da wir sie nicht brauchen. Diese Art, Winkel zu messen, ist insbesondere wichtig, wenn Geometrie mit Hilfe komplexer Zahlen betrieben wird. In diesem Fall ist ein Koordinatensystem und damit auch der Einheitskreis vorgegeben. Es soll der Winkel ] ASB gemessen werden. Seien a, s und b die komplexen Zahlen, die den Punkten A, S und B entsprechen. Wir bilden die Differenzen a − s und b − s und verschieben dadurch den Winkel so, dass sein Scheitel im Mittelpunkt des Einheitskreises (Nullpunkt des Koordinatensystems) liegt. Die komplexen Zahlen a−s und b − s liegen auf den Schenkeln des verschobenen Winkels. Den Punkten auf dem Einheitskreis, durch die diese Schenkel gehen, sind dann die Winkel arg(a−s) und arg(b−s) zugeordnet. Wenn a − s auf dem linken Schenkel liegt, dann ist der Winkel ] ASB gleich arg(a − s) − arg(b − s). Wenn b − s auf dem linken Schenkel liegt, dann ist der Winkel ] ASB gleich arg(b − s) − arg(a − s). Sollte ein negativer Winkel auftreten, dann müssen wir wie oben 3600 addieren. III. Koordinaten und Vektoren Wir betreiben Geometrie mit Hilfe der Vektorrechnung. Wir legen in der Ebene ein Koordinatensystem fest und identifizieren sie dadurch mit dem R2 . Die Koordinaten eines Vektors a im R2 werden immer mit a1 , a2 bezeichnet (und analog auch für andere Buchstaben anstelle von a). Genauso identifizieren wir den dreidimensionalen Raum mit dem R3 und bezeichnen die Koordinaten eines Vektors a im R3 immer mit a1 , a2 , a3 . Wir schreiben d für die Dimension, das heißt d = 2 oder d = 3. Im Rd ist die Vektoraddition und die Skalarmultiplikation definiert. 1. Inneres Produkt und Vektorprodukt ∑d Das innere Produkt zweier Vektoren a und b wird definiert durch ⟨a, b⟩ = j=1 aj bj . √ Aus dem Satz von Pythagoras folgt, dass durch ∥a∥ := ⟨a, a⟩ die Länge des Vektors a gegeben ist. Das innere Produkt hat folgende Eigenschaften: Satz 68: Für a, b, c in Rd und λ ∈ R gilt ⟨a, b⟩ = ⟨b, a⟩, ⟨a + b, c⟩ = ⟨a, c⟩ + ⟨b, c⟩ und ⟨λa, b⟩ = λ⟨a, b⟩. Weiters gilt ∥λa∥ = |λ| · ∥a∥. Beweis: Diese Gleichungen folgen direkt aus der Definition des inneren Produkts. Satz 69: Seien a und b zwei Vektoren in Rd \ {0} und γ der von ihnen eingeschlossene Winkel. Dann gilt ⟨a, b⟩ = ∥a∥ · ∥b∥ cos γ. Beweis: Bilden die beiden Vektoren a und b zwei Seiten eines Dreiecks, dann bildet a − b die dritte Seite des Dreiecks. Daher sind ∥a − b∥, ∥a∥ und ∥b∥ die Längen der Dreiecksseiten und γ ist der der Seite ∥a − b∥ gegenüberliegende Winkel. Aus dem Cosinussatz folgt ∥a − b∥2 = ∥a∥2 + ∥b∥2 − 2∥a∥ · ∥b∥ cos γ. Das gilt auch für γ = 00 und γ = 1800 . Wegen ∥a − b∥2 = ⟨a − b, a − b⟩ = ⟨a, a⟩ − 2⟨a, b⟩ + ⟨b, b⟩ = ∥a∥2 + ∥b∥2 − 2⟨a, b⟩ folgt daraus ⟨a, b⟩ = ∥a∥ · ∥b∥ cos γ. Bemerkung: Aus Satz 69 folgt, dass ⟨a, b⟩ = 0 genau dann gilt, wenn cos γ = 0 ist, das heißt wenn die Vektoren a und b senkrecht aufeinander stehen. Mit Hilfe von Satz 69 beweisen wir Satz 70 (Cauchy-Schwarzsche Ungleichung und Dreiecksungleichung) Für a und b in Rd gilt ⟨a, b⟩ ≤ ∥a∥ · ∥b∥ und ∥a + b∥ ≤ ∥a∥ + ∥b∥. Gleichheit gilt nur dann, wenn ein Vektor der Nullvektor ist oder der von den Vektoren eingeschlossene Winkel null ist. Beweis: Ist einer der Vektoren der Nullvektor, dann haben wir ⟨a, b⟩ = ∥a∥ · ∥b∥ und ∥a + b∥ = ∥a∥ + ∥b∥. Sei also keiner der beiden Vektoren der Nullvektor. Sei γ der von den beiden Vektoren a und b eingeschlossene Winkel. Wegen cos γ ≤ 1 folgt ⟨a, b⟩ ≤ ∥a∥ · ∥b∥ aus Satz 69. Um die zweite Ungleichung zu beweisen, berechnen wir ∥a + b∥2 = ⟨a + b, a + b⟩ = ⟨a, a⟩ + 2⟨a, b⟩ + ⟨b, b⟩ = ∥a∥2 + ∥b∥2 + 2⟨a, b⟩. Wegen ⟨a, b⟩ ≤ ∥a∥ · ∥b∥ ergibt sich daraus ∥a + b∥2 ≤ ∥a∥2 + ∥b∥2 + 2∥a∥∥b∥ = (∥a∥ + ∥b∥)2 . Damit ist ∥a + b∥ ≤ ∥a∥ + ∥b∥ gezeigt. In beiden Ungleichungen gilt Gleichheit nur dann, wenn cos γ = 1 ist. Das ist genau dann der Fall, wenn γ = 00 gilt. Die Dreiecksungleichung in Satz 70 hängt mit der in Satz 49 zusammen. Seien A, B −→ −→ −→ und C die Ecken eines Dreiecks im Rd . Ist a = AB und b = BC, dann gilt a + b = AC. Satz 70 besagt dann, dass |AC| ≤ |AB| + |BC| gilt. Das ist die Dreiecksungleichung aus Satz 49. Die Dreiecksungleichung in Satz 60 ist mit der in Satz 70 identisch. 44 Koordinaten und Vektoren Satz 71: Seien a und b zwei Vektoren im Rd . Sei F die Fläche des von a und b aufgespannten Parallelogramms. Dann gilt F 2 = ∥a∥2 ∥b∥2 − ⟨a, b⟩2 . Im R2 gilt F = |a1 b2 − a2 b1 |. Beweis: Sei γ der von den beiden Vektoren a und b eingeschlossene Winkel. Die Höhe des Parallelogramms auf die Seite ∥a∥ ist gleich ∥b∥ sin γ. Für die Fläche erhalten wir ⟨a,b⟩2 daher F = ∥a∥∥b∥ sin γ. Aus Satz 69 folgt sin2 γ = 1 − cos2 γ = 1 − ∥a∥ 2 ∥b∥2 . Setzt man 2 2 2 2 das ein, dann ergibt sich F = ∥a∥ ∥b∥ − ⟨a, b⟩ . Im R2 gilt ∥a∥2 = a21 + a22 , ∥b∥2 = b21 + b22 und ⟨a, b⟩ = a1 b1 + a2 b2 . Damit ergibt sich F 2 = a21 b22 + a22 b21 − 2a1 b1 a2 b2 = (a1 b2 − a2 b1 )2 , das heißt F = |a1 b2 − a2 b1 |. Seien a und b Vektoren im R3 . Das Vektorprodukt wird durch ( a2 b3 −a3 b2 ) a × b = a3 b1 −a1 b3 a1 b2 −a2 b1 definiert. Daraus ergibt sich sofort Satz 72: Für drei Vektoren a, b und c im R3 gilt ⟨a × b, c⟩ = a2 b3 c1 − a3 b2 c1 + a3 b1 c2 − a1 b3 c2 + a1 b2 c3 − a2 b1 c3 . Ausgehend vom Einheitswürfel kann man die Formel V = abc für des Volumen eines Quaders mit Seitenlängen a, b und c genauso herleiten, wie wir es für die Rechtecksfläche getan haben. Daraus erhält man dann die Formel für das Volumen eines Parallelepipeds. Dieses Volumen ist das Produkt einer Grundfläche und der Länge der zugehörigen Höhe. Für einen Quader, dessen Grundfläche ein Parallelogramm ist, erhält man diese Volumsformel, indem man mit der Grundfläche genauso verfährt wie mit dem Parallelogramm in Satz 2. Dann kann man sich überlegen, dass sich das Volumen eines Parallelepipeds nicht ändert, wenn man das Parallelogramm, das die Deckfläche bildet, in Richtung einer seiner Seiten verschiebt. So kommt man schließlich zur oben formulierten Volumsformel für das Parallelepiped. Diese verwenden wir im folgenden Satz. Satz 73: Seien a, b und c Vektoren in R3 \ {0}. Der Vektor a × b steht orthogonal auf die beiden Vektoren a und b. Die Fläche des von den Vektoren a und b aufgespannten Parallelogramms ist ∥a×b∥. Das Volumen des von den Vektoren a, b und c aufgespannten Parallelepipeds ist |⟨a × b, c⟩|. Beweis: Aus Satz 72 folgt ⟨a × b, a⟩ = 0 und ⟨a × b, b⟩ = 0. Somit steht der Vektor a × b orthogonal auf die beiden Vektoren a und b. Sei F die Fläche des von den Vektoren a und b aufgespannten Parallelogramms. Nach Satz 71 gilt F 2 = ∥a∥2 ∥b∥2 − ⟨a, b⟩2 = (a21 + a22 + a23 )(b21 + b22 + b23 ) − (a1 b1 + a2 b2 + a3 b3 )2 . Das ist gleich (a2 b3 − a3 b2 )2 + (a3 b1 − a1 b3 )2 + (a1 b2 − a2 b1 )2 = ∥a × b∥2 , wie man durch Ausmultiplizieren und Vergleichen leicht erkennt. Damit ist F = ∥a × b∥ gezeigt. Sei h die Länge der Höhe des Parallelepipeds auf die Grundfläche, die von den Vektoren a und b aufgespannt wird. Das Volumen V des Parallelepipeds ist dann F · h. Sei γ der Winkel zwischen dem Vektor c und dem Normalvektor a × b auf die Grundfläche. Dann gilt h = ∥c∥ · cos γ, wenn γ spitz ist, und h = ∥c∥ · cos(1800 − γ), wenn γ stumpf ist. Im ersten Fall gilt cos γ ≥ 0, im zweiten Fall gilt cos(1800 − γ) = − cos γ = | cos γ|. Wir ⟨a×b,c⟩ erhalten h = ∥c∥ · | cos γ| in beiden Fällen. Aus Satz 69 folgt cos γ = ∥a×b∥·∥c∥ . Das ergibt h= |⟨a×b,c⟩| ∥a×b∥ und V = |⟨a × b, c⟩|. Franz Hofbauer 45 2. Determinante und Geraden Seien a = ( aa12 ) und b = ( bb12 ) zwei Vektoren im R2 . Wir definieren det(a, b) = a1 b2 −a2 b1 als die Determinante dieser beiden Vektoren. Man bezeichnet sie auch mit aa12 bb12 . Bemerkung: Nach Satz 71 ist | det(a, b)| die Fläche des von den Vektoren a und b aufgespannten Parallelogramms. Das gilt auch, wenn ein Vektor (oder beide) gleich 0 ist. Man kann die Determinante daher als orientierte Parallelogrammfläche interpretieren. Satz 74: Für a, b und c in R2 und λ in R gilt (a) det(a + c, b) = det(a, b) + det(c, b) und det(a, b + c) = det(a, b) + det(a, c) (b) det(λa, b) = λ det(a, b) und det(a, λb) = λ det(a, b) (c) det(b, a) = − det(a, b) Beweis: Diese Rechenregeln folgen unmittelbar aus der Definition. Wir behandeln Geradengleichungen und zwar die Normalvektorform. Satz 75: Sei (p, q) ein Punkt auf einer Geraden und ( ab ) ein Normalvektor. Dann ist ax + by = c mit c = ap + bq die Gleichung dieser Geraden. Beweis: Ein Punkt (x, y) liegt genau dann auf der Gerade, wenn ( xy ) − ( pq ) senkrecht auf ( ab ) steht, das heißt genau dann, wenn ⟨( xy ) − ( pq ), ( ab )⟩ = 0 gilt. Das aber ergibt ax + by = ap + bq, womit die Gleichung der Gerade gefunden ist. Wir werden diese Gleichung auch oft in der Form (x − p)a + (y − q)b = 0 schreiben. Beispiel: Seien (3, 1) und (5, −2) zwei Punkte in der Ebene. Die Gerade g durch diese 2 2 beiden Punkte hat Richtungsvektor ( −3 ) und Parameterdarstellung ( 31 ) + t( −3 ). Ein 3 Normalvektor ist ( 2 ). Die Gleichung der Gerade g ist daher 3(x − 3) + 2(y − 1) = 0, oder 3x + 2y = 11. Wir untersuchen die Lage zweier Geraden zueinander. Die Gleichungen dieser Geraden seien a1 x + b1 y = c1 und a2 x + b2 y = c2 . Sei L1 = {(x, y) : a1 x + b1 y = c1 } die Menge aller Punkte auf der ersten und L2 = {(x, y) : a2 x + b2 y = c2 } die auf der zweiten Geraden. Der Durchschnitt L = L1 ∩ L2 ist die Menge aller Punkte, die auf beiden Geraden liegen. Oft fasst man die beiden Geradengleichungen zu einem linearen Gleichungssystem zusammen: a1 x + b1 y = c1 (1) a2 x + b2 y = c2 Man nennt dann L auch die Lösungsmenge des Gleichungssystems. Die verschiedenen Fälle, die dabei auftreten können, behandeln wir in den nächsten beiden Sätzen. Satz 76: Sei aa12 bb12 ̸= 0. Dann hat das Gleichungssystem (1) genau eine Lösung, nämlich −c2 b1 −a2 c1 x = cc12 bb12 / aa12 bb12 = ac11 bb22 −a y = aa12 cc12 / aa12 bb12 = aa11 cb22 −a 2 b1 2 b1 ( c b −c b a c −a c ) 1 2 2 1 1 2 2 1 das heißt L = { a1 b2 −a2 b1 , a1 b2 −a2 b1 }. Beweis: Wir nehmen zuerst a1 ̸= 0 an. Wir multiplizieren die erste Gleichung in (1) mit aa12 und subtrahieren sie von der zweiten. Wir erhalten (wobei wir die erste Gleichung unverändert übernehmen) a1 x + b1 y = c1 (b2 − a2 b1 a1 )y = c2 − a2 c1 a1 46 Koordinaten und Vektoren Diese beiden Gleichungen sind äquivalent zum Gleichungssystem (1). Indem wir das a2 wir ja zum ursprünglichen a1 −fache der ersten Gleichung zur zweiten addieren, können a1 b Gleichungssystem (1) zurückkehren. Wegen a1 b2 − a2 b1 = a2 b12 ̸= 0 erhalten wir jetzt 2 c1 y = aa11 cb22 −a −a2 b1 aus der zweiten Gleichung. Aus der ersten Gleichung ergibt sich dann c1 a1 b2 −b1 a1 c2 −c2 b1 2 c1 a1 x = c1 − b1 y = c1 − b1 aa11 cb22 −a und daraus x = ac11 bb22 −a . Damit haben −a2 b1 = a1 b2 −a2 b1 2 b1 wir das Gleichungssystem (1) gelöst und genau eine Lösung gefunden. Ist a1 = 0, dann muss a2 ̸= 0 gelten, sonst wäre aa12 bb12 gleich Null. Wir vertauschen die beiden Gleichungen. Dann können wir so vorgehen wie oben. Satz 77: Sei aa12 bb12 = 0 und keine der Zeilen dieser Determinante enthalte nur Nullen. Dann gilt L = ∅ oder L = L1 = L2 für die Lösungsmenge L des Gleichungssystems (1). Beweis: Wir nehmen zuerst a1 ̸= 0 an. Wäre a2 = 0, dann wir b2 ̸= 0 (sonst ent a hätten 1 b1 hielte die zweite Zeile der Determinante nur Nullen) und a2 b2 = a1 b2 − a2 b1 = a1 b2 ̸= 0. Also muss auch a2 ̸= 0 gelten. Das Gleichungssystem (1) ist äquivalent zu x+ = c1 a1 x+ b2 a2 y y= c1 b1 c1 b1 y= c2 b2 b1 a1 y = c2 a2 Wegen a1 b2 − a2 b1 = aa12 bb12 = 0 gilt auch ab11 = ab22 . Die linken Seiten der beiden Gleichungen stimmen überein. Gilt jetzt ac11 ̸= ac22 , dann gibt es keine Lösung. Wir haben L = ∅. Gilt hingegen ac11 = ac22 , dann sind die beiden Gleichungen identisch. Wir haben L1 = L2 und somit auch L = L1 = L2 . Sei a1 = 0. Dann ist b1 ̸= 0. Wegen 0 = aa12 bb12 = a1 b2 − a2 b1 = −a2 b1 folgt a2 = 0 und daraus dann b2 ̸= 0. Das Gleichungssystem (1) ist äquivalent zu Wie oben ergibt sich L = ∅ im Fall ̸= c2 b2 und L = L1 = L2 im Fall c1 b1 = c2 b2 . Geometrische Interpretation: Normalvektoren der beiden Geraden a1 x + b1 y = c1 und a2 x + b2 y = c2 sind ( ab11 ) und ( ab22 ). Die Geraden sind parallel genau dann, wenn die Normalvektoren parallel sind, heißt, wenn das von a das aihnen aufgespannte Parallelogramm 1 b1 1 a2 Fläche null hat und somit b1 b2 = 0 gilt. Wegen a2 b2 = a1 b2 − a2 b1 = ab11 ab22 sind die Geraden a1 x + b1 y = c1 und a2 x + b2 y = c2 genau dann parallel, wenn aa12 bb12 = 0 gilt. Das sehen wir auch in den obigen Sätzen. Gilt aa12 bb12 ̸= 0, dann haben die beiden Geraden genau einen Schnittpunkt. Sie sind nicht parallel. Gilt hingegen aa12 bb12 = 0, dann haben die beiden Geraden entweder keinen Schnittpunkt oder sie fallen zusammen. In beiden Fällen sind sie parallel. Wir behandeln noch homogene lineare Gleichungssysteme, da diese später für die Berechnung von Eigenvektoren wichtig sind. Das lineare Gleichungssystem (1) heißt homogen, wenn die rechte Seite null ist, das heißt wenn c1 = 0 und c2 = 0 gilt. Wir erhalten a1 x + b1 y = 0 (2) a2 x + b2 y = 0 b1 Die Menge L1 = {t( −a ) : t ∈ R} gibt die Punkte an, die auf der Geraden a1 x + b1 y = 0 1 liegen, wobei L1 jetzt nicht die Punkte selbst, sondern die Ortsvektoren zu diesen Punkten enthält (mit Vektoren kann man besser rechnen). Das ist auch die Lösungsmenge der b2 ersten Gleichung in (2). Ebenso ist L2 = {t( −a ) : t ∈ R} die Lösungsmenge der zweiten 2 Gleichung in (2). Dabei wird vorausgesetzt, dass mindestens einer der Koeffizienten a1 Franz Hofbauer 47 und b1 ungleich null ist und ebenso mindestens einer der Koeffizienten a2 und b2 (sonst wird eine Gleichung in (2) zu 0 = 0). Die Lösungsmenge L = L1 ∩ L2 des homogenen linearen Gleichungssystems (2) behandeln wir im folgenden Satz, der später nützlich sein wird. Satz 78: Wir nehmen an, dass nicht alle vier Koeffizienten a1 , b1 , a2 und b2 in (2) gleich null sind. Die Lösungsmenge von (2) ist L = {( 00 )}, wenn ab11 ab22 ̸= 0 gilt. Gilt a1 a2 b1 b2 b1 b2 = 0, dann ist L = {tv : t ∈ R} die Lösungsmenge, wobei v gleich ( −a1 ) oder ( −a2 ) gewählt werden kann (Normalvektor auf eine der Zeilen der Determinante), jedoch darf v nicht der Nullvektor sein. Beweis: Gilt ab11 ab22 ̸= 0, dann folgt L = {( 00 )} aus Satz 76 mit c1 = 0 und c2 = 0. Sei ab11 ab22 = 0. Enthält keine der beiden Zeilen der Determinante nur Nullen, dann gilt L = L1 = L2 nach Satz 77. Da sowohl L1 als auch L2 den Nullvektor enthält, ist L = ∅ ja b1 nicht möglich. Die Lösungsmenge L besteht somit aus allen Vielfachen des Vektors ( −a ) 1 b2 oder des Vektors ( −a2 ), was die gleiche Menge ergibt. Gilt a1 = 0 und b1 = 0, dann ist 0 = 0 die erste Gleichung in (2). Sie gilt immer. Es b2 folgt L = L2 . Die Lösungsmenge L besteht aus allen Vielfachen des Vektors ( −a ). Gilt 2 a2 = 0 und b2 = 0, dann folgt L = L1 . Die Lösungsmenge L besteht aus allen Vielfachen b1 des Vektors ( −a ). 1 ( a1 ) ( b1 ) ( c1 ) Wir gehen noch kurz auf den R3 ein. Seien a = a2 , b = b2 und c = c2 drei a3 b3 Vektoren im R . Als Determinante dieser drei Vektoren definiert man c3 3 det(a, b, c) = a1 b2 c3 + a2 b3 c1 + a3 b1 c2 − a3 b2 c1 − a1 b3 c2 − a2 b1 c3 a b c 1 1 1 Diese Determinante wird auch mit a2 b2 c2 bezeichnet. a c 3 b3 3 Bemerkung: Nach Satz 72 und 73 ist | det(a, b, c)| das Volumen des von den Vektoren a, b und c aufgespannten Parallelepipeds. Man kann diese Determinante daher als orientiertes Volumen des Parallelepipeds interpretieren. Für die Determinante im R3 gelten analoge Rechenregeln wie für die im R2 . Der Beweis dieser Rechenregeln ergibt sich wieder unmittelbar aus der Definition. Satz 79: Für a, b, c und d in R3 und λ in R gilt (a) det(a + d, b, c) = det(a, b, c) + det(d, b, c), det(a, b + d, c) = det(a, b, c) + det(a, d, c) det(a, b, c + d) = det(a, b, c) + det(a, b, d) (b) det(λa, b, c) = det(a, λb, c) = det(a, b, λc) = λ det(a, b, c) (c) det(b, a, c) = − det(a, b, c), det(c, b, a) = − det(a, b, c), det(a, c, b) = − det(a, b, c) Jetzt behandeln wir Ebenengleichungen und zwar wieder die Normalvektorform. (a) Satz 80: Sei (p, q, r) ein Punkt in einer Ebene, die b als Normalvektor hat. Dann ist c ax + by + cz = d die Gleichung dieser Ebene. mit d = ap + bq + cr (x) (p) Beweis: Ein Punkt (x, y, z) liegt genau dann in der Ebene, wenn y − q senkrecht z r (a) ⟨ ( x ) ( p ) ( a )⟩ y − q , b auf b steht, das heißt genau dann, wenn = 0 gilt. Das aber ergibt z r c c ax + by + cz = ap + bq + cr, womit die Gleichung der Ebene gefunden ist. 48 Koordinaten und Vektoren Beispiel: Seien (−3, 1, 0), (1, 4, 2) und (−1, 2, 2)(drei)Punkte (1) ( 4 ) im Raum. ( −1 )Die(Ebene ) durch (2) −3 −3 4 1 3 2 1 diese drei Punkte hat Richtungsvektoren − = und − = 1 . 2 2( ) 2) 0 ) 2 (1) (4) ( 20 ) ( ( 4 2 4 Sie hat Parameterdarstellung 4 + t 3 + s 1 und 3 × 1 = −4 ist ein 2 2 2 2 2 −2 Normalvektor. Die Gleichung der Ebene ist daher 4(x + 1) − 4(y − 2) − 2(z − 2) = 0, oder 4x − 4y − 2z = −16. Man kann noch kürzen und erhält 2x − 2y − z = −8. Sucht man einen Schnittpunkt dreier Ebenen, so führt das zum Gleichungssystem a1 x + b1 y + c1 z = d1 a2 x + b2 y + c2 z = d2 a3 x + b3 y + c3 z = d3 Es können folgende Fälle eintreten: Die drei Ebenen sind parallel. Dann haben sie keinen Schnittpunkt, außer die drei Ebenen sind identisch, dann ist die ganze Ebene Schnittmenge und somit Lösungsmenge des Gleichungssystems. Zwei der drei Ebenen sind nicht parallel. Sie haben eine Gerade g als Schnittmenge. Ist die dritte Ebene parallel zu g, dann haben die drei Ebenen keinen gemeinsamen Schnittpunkt, außer die Gerade g liegt auch in der dritten Ebene, dann ist die Gerade g die Schnittmenge und somit Lösungsmenge des Gleichungssystems. Ist die dritte Ebene nicht parallel zu g, dann hat sie genau einen Schnittpunkt mit g. Das ist dann auch der eindeutig bestimmte Schnittpunkt der drei Ebenen und die einzige Lösung des Gleichungssystems. Daraus erkennt man auch, dass das Gleichungssystem genau dann eindeutig lösbar ist, wenn die Normalvektoren der drei Ebenen nicht in einer Ebene liegen, das heißt, wenn das des von den Normalvektoren aufgespannten Parellelepipeds a ̸=b 0c ist, a aVolumen also aa1 bb1 cc1 ab 1 ab 2 ab 3 a1 b1 c1 b 1 b 2 ab 3 1 2 3 ̸= 0 gilt. Wegen 2 2 2 = 1 2 3 ist das äquivalent zu 2 2 2 ̸= 0. c1 c2 c3 a3 b3 c3 c1 c2 c3 a3 b3 c3 Bemerkung: In der linearen Algebra, die ja auch in höherdimensionalen Räumen arbeitet, kommt man mit der hier verwendeten geometrischen Sprechweise nicht mehr aus. Man hat es üblicherweise nicht mit zwei oder drei Vektoren zu tun, sondern allgemeiner mit n Voktoren, für die man dann die Indexschreibweise verwendet, zum Beispiel v1 , v2 , . . . , vn . Wir gehen kurz auf die entsprechenden Definitionen aus der linearen Algebra ein. Sind v1 , v2 , . . . , vn Vektoren, dann nennt man die Summe λ1 v1 + λ2 v2 + · · · + λn vn mit λ1 , λ2 , . . . , λn ∈ R eine Linearkombination dieser Vektoren. Hat man zum Beispiel zwei Vektoren v und w im R3 , dann bildet die Menge aller Linearkombinationen {λ1 v + λ2 w : λ1 , λ2 ∈ R} eine Ebene durch den Nullpunkt. Man sagt, die Ebene wird von den Vektoren v und w aufgespannt. Eine weitere wichtige Definition ist die folgende: Die Vektoren v1 , v2 , . . . , vn nennt man linear abhängig, wenn λ1 , λ2 , . . . , λn ∈ R existieren, die nicht alle gleich 0 sind, sodass λ1 v1 + λ2 v2 + · · · + λn vn = 0 gilt. Sie heißen linear unabhängig, wenn sie nicht linear abhängig sind, das heißt wenn λ1 v1 + λ2 v2 + · · · + λn vn = 0 nur für λ1 = λ2 = · · · = λn = 0 gilt. Zwei Vektoren a und b im R2 sind linear abhängig, wenn λ1 a+λ2 b = 0 gilt für λ1 , λ2 ∈ R, die nicht beide null sind. Das ist genau dann der Fall, wenn ein Vektor ein Vielfaches des anderen ist (a = − λλ21 b oder b = − λλ12 a), was wieder äquivalent zu det(a, b) = 0 ist. Genauso kann man sich überlegen, dass drei Vektoren a, b und c im R3 genau dann linear abhängig sind, wenn sie in einer Ebene liegen, was äquivalent zu det(a, b, c) = 0 ist. Franz Hofbauer 49 3. Die besonderen Punkte des Dreiecks Der besseren Übersicht halber verwenden wir auch die Schreibweise ( | ) anstelle von ( , ) für Punkte im R2 . Ein beliebiges Dreieck können wir so in ein Koordinatensystem legen, dass der Eckpunkt A die Koordinaten (u|0), der Eckpunkt B die Koordinaten (v|0) und der Eckpunkt C die Koordinaten (0|w) hat. Die Eckpunkte A und B liegen auf der x-Achse und der Eckpunkt C liegt auf der y-Achse. Damit A links von B liegt, nehmen wir immer u < v an.√Außerdem können wir auch immer w > 0 annehmen. Wir setzen √ 2 a = v + w2 , b = u2 + w2 und c = v − u, das sind die Längen der drei Seiten des Dreiecks. Weiters ist s = 12 (a + b + c) der halbe Umfang des Dreiecks. Liegt ein Dreieck so wie oben beschrieben im Koordinatensystem, dann sagen wir, dass es Standardlage hat. Alles, was wir für ein Dreieck in Standardlage beweisen, gilt für jedes Dreieck, da wir ja jedes Dreieck in Standardlage bringen können. Satz 81: Im Dreieck in Standardlage schneiden die drei Höhen einander im Punkt (0|− uv w ), dem Höhenschnittpunkt H. Beweis: Die Gleichung der Höhe durch den Eckpunkt A ist (x − u)v − yw = 0, da sie v durch den Punkt (u|0) und senkrecht zu ( −w ), dem Vektor entlang der Seite BC, verläuft. Die Höhe durch den Eckpunkt C liegt auf der y-Achse und hat daher die Gleichung x = 0. Der Schnittpunkt ist (0| − uv w ). Den Schnittpunkt der Höhen durch B und C erhält man dadurch, dass man in dieser Rechnung u und v vertauscht, also (0| − vu w ). Es ist derselbe Punkt. Die drei Höhen schneiden einander in diesem Punkt, dem Höhenschnittpunkt H. Satz 82: Im Dreieck in Standardlage schneiden die drei Seitensymmetralen einander im w uv ab Punkt ( u+v 2 | 2 + 2w ), dem Umkreismittelpunkt U . Der Umkreisradius r ist 2w . Beweis: Die Symmetrale der Seite AC hat die Gleichung (x − u2 )u − (y − w2 )w = 0, da u ), dem Vektor entlang sie durch den Mittelpunkt ( u2 | w2 ) der Seite AC und sekrecht zu ( −w der Seite AC, verläuft. Die Symmetrale der Seite AB hat die Gleichung x = u+v 2 , da sie senkrecht zur x-Achse durch den Mittelpunkt ( u+v |0) der Seite AB geht. Der Schnittpunkt 2 w uv ist ( u+v 2 | 2 + 2w ). Den Schnittpunkt der Symmetralen der Seiten AB und BC erhält man w vu dadurch, dass man in dieser Rechnung u und v vertauscht, also ( v+u 2 | 2 + 2w ). Es ist derselbe Punkt. Alle drei Seitensymmetralen schneiden einander in diesem Punkt, dem Umkreismittelpunkt U . 2 2 w uv 2 u2 w2 +v 2 w2 +w4 +u2 v 2 2 Der quadrierte Abstand von U nach C ist ( u+v = a4wb2 . 2 ) +( 2 − 2w ) = 4w2 Die Wurzel daraus ist der Umkreisradius r. Satz 83: Im Dreieck in Standardlage schneiden die drei Schwerlinien einander im Punkt w ( u+v 3 | 3 ), dem Schwerpunkt S. Beweis: Die Gleichung der Schwerlinie durch den Eckpunkt A ist (x−u)w −y(v −2u) = 0, da sie durch die Punkte (u|0) und ( v2 | w2 ) geht und somit Richtungsvektor 21 ( v−2u w ) hat. Die Gleichung der Schwerlinie durch den Eckpunkt C ist 2xw + (y − w)(u + v) = 0, da 1 u+v sie durch die Punkte (0|w) und ( u+v 2 |0) geht und somit Richtungsvektor 2 ( 2ȷw ) hat. Der w Schnittpunkt ist ( u+v 3 | 3 ). Den Schnittpunkt der Schwerlinien durch B und C erhält man w durch Vertauschen von u und v in dieser Rechnung, also ( v+u 3 | 3 ). Es ist derselbe Punkt. Die drei Schwerlinien schneiden einander in diesem Punkt, dem Schwerpunkt S. Satz 84: Im Dreieck in Standardlage schneiden die drei Winkelsymmetralen einander im wc wc Punkt ( ua+vb 2s | 2s ), dem Inkreismittelpunkt I. Der Inkreisradius ϱ ist 2s . 50 Koordinaten und Vektoren 1 −v Beweis: Die Einheitsvektoren in Richtung der Seiten BA und BC sind ( −1 0 ) und a ( w ). 1 −v Ihre Summe ( −1 0 ) + a ( w ) ist ein Richtungsvektor der Winkelsymmetrale durch B. Daher ist (x − v) wa + y(1 + av ) = 0 die Gleichung dieser Winkelsymmetrale. Ganz analog erhält man die Gleichung (x − u) wb − y(1 − ub ) = 0 der Winkelsymmetrale durch A. Wir multiplizieren die erste Gleichung mit a, die zweite mit b, bilden die Differenz und erhalten y(v − u + a + b) = (v − u)w. Wegen v − u = c und c + a + b = 2s folgt y = wc 2s . ua+vb Aus einer der obigen Gleichungen ergibt sich dann x = 2s . Der Schnittpunkt der wc Winkelsymmetralen durch A und durch B ist daher ( ua+vb 2s | 2s ). u v Die Einheitsvektoren in Richtung der Seiten CA und CB sind 1b ( −w ) und a1 ( −w ). Ihre u v 1 1 Summe b ( −w ) + a ( −w ) ist ein Richtungsvektor der Winkelsymmetrale durch den Eckpunkt C. Daher ist x( wa + wb ) + (y − w)( ub + av ) = 0 die Gleichung dieser Winkelsymmetrale. Da diese Gleichung die Summe der beiden obigen Gleichungen ist, liegt der Punkt wc ( ua+vb 2s | 2s ) auch auf der Winkelsymmetrale durch C. Alle drei Winkelsymmetralen schneiden einander in diesem Punkt, dem Inkreismittelpunkt I. Der Inkreisradius ϱ ist der Abstand des Punktes I zur Seite AB, also zur x-Achse. Dieser ist gleich der y-Koordinate wc 2s von I. Satz 85: In einem Dreieck liegen der Höhenschnittpunkt H, der Schwerpunkt S und der Umkreismittelpunkt U auf einer Geraden und S teilt die Strecke U H im Verhältnis 1 : 2. Die Gerade durch diese drei Punkte heißt Eulersche Gerade. Beweis: Wir können annehmen, dass das Dreieck Standardlage hat. Wir berechnen ( uw+vw ) ( uw+vw ) −→ −→ −→ −→ 1 1 SH = − 3w und SU = 6w 3uv+w2 3uv+w2 . Daraus erkennt man, dass 2SU = −SH gilt. Die drei Punkte U , S und H liegen auf einer Gerade und S teilt die Strecke U H im Verhältnis 1 : 2. Für ein Dreieck mit Höhenschnittpunkt H und Umkreismittelpunkt U definieren wir den Neunpunktkreis als den Kreis, dessen Mittelpunkt N der Mittelpunkt der Strecke U H und dessen Radius der halbe Umkreisradius ist. Satz 86: Seien Ma , Mb und Mc die Seitenmitten und Ha , Hb und Hc die Höhenfußpunkte eines Dreiecks △ ABC. Sei H der Höhenschnittpunkt und Ra , Rb und Rc die Mittelpunkte der Strecken HA, HB und HC. Dann liegen die neun Punkte Ha , Hb , Hc , Ma , Mb , Mc , Ra , Rb und Rc auf dem Neunpunktkreis. Beweis: Es genügt, diesen Satz für ein Dreieck in Standardlage zu zeigen und für die Punkte Mc , Hc und Rc . Wir können ja in einem beliebigen Dreieck jede der drei Seiten auswählen und das Dreieck so in Standardlage ins Koordinatensystem legen, dass die ausgewählte Seite auf der x-Achse liegt. u+v w uv Für ein Dreieck in Standardlage ist (0| − uv w ) der Höhenschnittpunkt H und ( 2 | 2 + 2w ) der Umkreismittelpunkt U wie in Satz 81 und Satz 82 gezeigt wurde. Der Mittelpunkt N w uv ab der Strecke U H ist daher ( u+v 4 | 4 − 4w ). Der halbe Umkreisradius ist 4w nach Satz 82. Damit haben wir Mittelpunkt und Radius des Neunpunktkreises für ein Dreieck in Standardlage gefunden. Der Mittelpunkt Mc der Seite AB ist ( u+v 2 |0). Sein quadrierter Abstand vom Mittelpunkt N des Neunpunktkreises ist w 2 ( u+v 4 ) +(4 − uv 2 4w ) = u2 w2 +v 2 w2 +w4 +u2 v 2 16w2 = a2 b2 16w2 ab 2 = ( 4w ) Franz Hofbauer 51 Die Wurzel daraus ist der Radius des Neunpunktkreises. Damit ist gezeigt, dass Mc auf dem Neunpunktkreis liegt. Der Fußpunkt Hc der Höhe durch C ist (0|0). Sein quadrierter Abstand vom Mittelpunkt w uv 2 2 N des Neunpunktkreises ist ( u+v 4 ) + ( 4 − 4w ) . Obige Rechnung zeigt, dass das gleich ab 2 ( 4w ) ist. Die Wurzel daraus ist der Radius des Neunpunktkreises. Damit ist gezeigt, dass Hc auf dem Neunpunktkreis liegt. Der Höhenschnittpunkt H ist (0| − uv w ). Der Mittelpunkt Rc des Höhenabschnitts HC w uv ist (0| 2 − 2w ). Sein quadrierter Abstand vom Mittelpunkt N des Neunpunktkreises ist w uv 2 2 ebenfalls ( u+v 4 ) + ( 4 − 4w ) . Somit liegt auch Rc auf dem Neunpunktkreis. 4. Die Steinerschen Geraden Wir beginnen mit einer Projektionsformel. Satz 87: Projiziert man den Punkt (p|q) auf die Gerade g mit der Gleichung mx+ny = h, 2 m2 q−mnp+nh dann erhält man ( n p−mnq+mh | ). Spiegelt man den Punkt (p|q) um diese 2 2 m +n m2 +n2 p+2mh−m p m Gerade g, dann erhält man ( −2mnq+n | m2 +n2 2 2 2 q−2mnp+2nh−n2 q ). m2 +n2 Beweis: Die Gerade durch (p|q) senkrecht auf g ist n(x − p) − m(y − q) = 0. Ihr Schnitt2 2 | m q−mnp+nh ), die Projektion von (p|q) auf g. Ist v der Ortspunkt mit g ist ( n p−mnq+mh m2 +n2 m2 +n2 vektor dieses Schnittpunkts, dann ist v − (( pq ) − v) = 2v − ( pq ) der Ortsvektor zum gespie( n2 p−mnq+mh ) ( p ) ( 2 2 ) p 2 gelten Punkt. Dieser ist m2 +n − q = m2 1+n2 nm2p−2mnq+2mh−m . 2 m2 q−mnp+nh q−2mnp+2nh−n2 q Mit Hilfe dieses Satzes beweisen wir Satz 88: Sei △ ABC ein Dreieck und H sein Höhenschnittpunkt. Sei P ein Punkt und Pa , Pb , Pc die Punkte, die man erhält, wenn man P an den (Verlängerungen der) drei Seiten des Dreiecks spiegelt. Dann sind äquivalent (a) P liegt auf dem Umkreis des Dreiecks (b) drei der vier Punkte Pa , Pb , Pc und H liegen auf einer Gerade (c) alle vier Punkte Pa , Pb , Pc und H liegen auf einer Gerade Diese Gerade heißt zweite Steinersche Gerade. Beweis: Das Dreieck sei in Standardlage. Seien (x|y) die Koordinaten des Punktes P . Da die Seite AB auf der x-Achse liegt, sind (x| − y) die Koordinaten des Punktes Pc . w Die Trägergerade der Seite BC hat Normalvektor ( m n ) = ( v ) und in ihrer Gleichung v auf der rechten Seite die Konstante h = ⟨( m n ), ( 0 )⟩ = vw. Setzt man in die Formel aus −w x w y−2vwx+2v w−v y Satz 87 ein, so ergibt sich ( v x−2vwy+2vw | ) für den Punkt Pa . Der v 2 +w2 v 2 +w2 uv Höhenschnittpunkt H ist (0| − w ) nach Satz 81. ( wx ) ( vy−vw+wx ) −−→ −−→ Es folgt HPc = w1 uv−wy und Pa Pc = v22w +w2 vx−wy−v 2 . Die drei Punkte Pc , Pa und −−→ H liegen genau dann auf einer Gerade, wenn die Determinante mit den Vektoren HPc und −−→ Pa Pc als Spalten gleich null ist, das heißt wenn wx vy − vw + wx uv − wy vx − wy − v 2 = 0 gilt. Rechnet man diese Determinante aus, kürzt und dividiert durch v, so erhält man 2 2 2 2 2 2 wx2 − vwx − uvy + uvw − uwx + wy 2 − w2 y = 0 52 Koordinaten und Vektoren Dividiert man noch durch w und ergänzt zu vollständigen Quadraten, so ergibt sich 2 uv w 2 x2 − (u + v)x + (u+v) + y 2 − ( uv 4 w + w)y + ( 2w + 2 ) = u2 4 2 2 2 2 v u v uv w + uv 2 + 4 + 4w2 + 2 + 4 − uv Fasst man zusammen, dann hat man schließlich (x − u+v 2 2 ) uv + (y − ( 2w + w 2 2 )) = (u2 +w2 )(v 2 +w2 ) 4w2 = a2 b2 4w2 Nach Satz 82 ist das die Gleichung des Umkreises. Wir haben somit gezeigt, dass die drei Punkte Pc , Pa und H genau dann auf einer Gerade liegen, wenn P auf dem Umkreis liegt. Dasselbe Resultat gilt natürlich auch für die drei Punkte Pc , Pb und H und für die Punkte Pa , Pb und H. Man muss ja nur jeweils eine andere Dreiecksseite auf die x-Achse legen. Es bleibt zu zeigen, dass die drei Punkte Pa , Pb und Pc genau dann auf einer Geraden ( vy−vw+wx ) −−→ gezeigt. liegen, wenn P auf dem Umkreis liegt. Oben wurde Pa Pc = v22w +w2 vx−wy−v 2 Wenn man dieselbe Rechnung wie oben mit der Dreiecksseite AC statt mit BC, das heißt ( uy−uw+wx ) −−→ mit u statt mit v, durchführt, dann erhält man Pb Pc = u22w 2 ux−wy−u2 . Die drei +w Punkte Pc , Pa und Pb liegen genau dann auf einer Geraden, wenn die Determinante mit −−→ −−→ den Vektoren Pa Pc und Pb Pc als Spalten gleich null ist, das heißt wenn vy − vw + wx uy − uw + wx vx − wy − v 2 ux − wy − u2 = 0 gilt. Rechnet man diese Determinante aus, kürzt und fasst zusammen, so erhält man (u − v)wx2 − (u2 − v 2 )wx + (u − v)wy 2 − (u − v)(w2 + uv)y + (u − v)uvw = 0 Dividiert man durch u − v, so hat man wx2 − uwx − vwx + wy 2 − w2 y − uvy + uvw = 0 Wir haben bereits gesehen, dass das die Gleichung des Umkreises ist. Damit ist auch gezeigt, dass die drei Punkte Pa , Pb und Pc genau dann auf einer Geraden liegen, wenn P auf dem Umkreis liegt. Die Äquivalenz von (a) und (b) ist vollständig bewiesen. Aus (c) folgt klarerweise (b). Es bleibt zu zeigen, dass (c) aus (a) folgt. Wenn (a) gilt, dann liegen die drei Punkte Pc , Pb und H auf einer Geraden g und die drei Punkte Pa , Pb und Pc auf einer Geraden h, wie oben gezeigt wurde. Da Pb und Pc sowohl auf g als auch auf h liegen, müssen diese beiden Geraden übereinstimmen. Somit liegen alle vier Punkte Pa , Pb , Pc und H auf einer Geraden. Die Gerade im folgenden Satz ist die erste Steinersche Gerade. Wir behandeln nur die erste Steinersche Gerade durch den Eckpunkt C. Es gibt jedoch auch je eine durch die Eckpunkte A und B. Satz 89: Sei P ein Punkt auf dem Umkreis eines Dreiecks. Sei Qc der Schnittpunkt ̸= P des Lots von P auf die Seite AB mit dem Umkreis. Dann liegt die Gerade durch Qc und den Eckpunkt C parallel zur zweiten Steinerschen Geraden. Beweis: Das Dreieck sei in Standardlage. Da die Seite AB auf der x-Achse liegt, liegt das Lot durch P auf die Seite AB parallel zur y-Achse. Der Punkt P hat Koordinaten (x|y) w uv und der Umkreismittelpunkt U ist ( u+v 2 | 2 + 2w ). Der Schnittpunkt Qc ̸= P des Lots mit −−→ uv dem Umkreis hat daher die Koordinaten (x|2( w2 + 2w ) − y). Der Vektor CQc ist somit ( ) −−→ wx 1 w uv−wy . Er ist gleich dem Vektor HPc aus dem letzten Beweis. Die erste Steinergerade hat denselben Richtungsvektor wie die zweite Steinergerade. Sie sind daher parallel. Franz Hofbauer 53 5. Der Satz von Feuerbach Ein weiterer prominenter Satz über das Dreieck ist der Satz von Feuerbach. Er besagt, dass der Inkreis den Neunpunktkreis berührt. Wir formulieren ihn so Satz 90 (Satz von Feuerbach) Seien I und N die Mittelpunkte des Inkreises und des Neunpunktkreises und ϱ und σ deren Radien. Dann gilt |IN | = |σ − ϱ|. wc Beweis: Das Dreieck sei in Standardlage. Nach Satz 84 gilt I = ( ua+vb 2s |ϱ) und ϱ = 2s . Im 2 w −uv r ab Beweis von Satz 86 wird N = ( u+v 4 | 4w ) berechnet. Weiters gilt σ = 2 , wobei r = 2w der Umkreisradius ist (siehe Satz 82). Wir erhalten |IN |2 = ( ua+vb − 2s = (ua+vb)2 4s2 2 2 u+v 2 4 ) − −uv + ( w 4w − ϱ)2 2 (ua+vb)(u+v) + 4s 2 2 2 w −uv 2 w −uv 2 ( u+v + ϱ2 4 ) + ( 4w ) − ϱ 2w 2 2 Es gilt c = v − u, a = v + w und b = u + w2 . Es folgt b2 − a2 = u2 − v 2 und damit 2s(b − a + u + v) = b2 − a2 + bu + bv + au + av + vb − va − ub + ua + v 2 − u2 = 2au + 2bv 2 woraus sich (ua+vb) − (ua+vb)(u+v) = (ua+vb)(b−a) ergibt. Im Beweis von Satz 82 wird 4s2 4s 4s 2 w −uv 2 wc 2 r2 = ( u+v 2 ) + ( 2w ) gezeigt. Es gilt ϱ = 2s . Mit Hilfe dieser Gleichungen erhalten wir (ua+vb)(b−a) 4s 2 2 2 |IN |2 = + ( 2r )2 − cw2 −cuv 4s + ϱ2 Mit Hilfe von a2 = v 2 + w2 , b = u + w und c = v − u berechnen wir auch (ua+vb)(b−a) = ab(u−v)+b2 v 2 −a2 u2 = −abc+u2 v+w2 v−v 2 u−w2 u = −abc−cuv+cw2 ab wc abc 2w 2s = 4s und 2 −abc−cuv+cw2 −cuv r 2 2 +( 2r )2 − cw 4s +ϱ2 = − abc 4s 4s +( 2 ) +ϱ r 2 Wir setzen das ein und beachten, dass rϱ = σ= gilt. Es ergibt sich |IN |2 = = −2σϱ+σ 2 +ϱ2 = (σ −ϱ)2 Wir ziehen die Wurzel und erhalten |IN | = |σ − ϱ|. Satz 90 besagt, dass der Abstand der Mittelpunkte des Inkreises und des Neunpunktkreises gleich der Differenz ihrer Radien ist. Es folgt, dass einer der Kreise den anderen von innen berührt. Welcher der beiden Kreise innerhalb des anderen liegt, geht aus Satz 90 jedoch nicht hervor. Ist das Dreieck gleichseitig, dann sind die beiden Kreise identisch (beide gehen durch die Mittelpunkte der drei Dreiecksseiten). Ansonsten gibt es eine Dreiecksseite, mit der der Neunpunktkreis zwei Schnittpunkte hat (Seitenmittelpunkt und Höhenfußpunkt). Daher kann der Neunpunktkreis nicht innerhalb des Inkreises liegen. Somit liegt der Inkreis innerhalb des Neunpunktkreises und berührt diesen von innen. Damit ist auch klar, dass ϱ ≤ σ gilt, woraus 2ϱ ≤ r folgt. Mit einer analogen Rechnung kann man auch folgenden Satz beweisen, der ebenfalls von Feuerbach stammt: Seien Ic und N die Mittelpunkte des Ankreises an die Seite c und des Neunpunktkreises und ϱc und σ deren Radien. Dann gilt |Ic N | = σ + ϱc . Es folgt, dass der Ankreis an die Seite c den Neunpunktkreis von außen berührt. Natürlich berühren auch die anderen Ankreise den Neunpunktkreis von außen. Mit einer etwas aufwändigeren Rechnung kann man auch zeigen, dass |U I|2 = r2 − 2rϱ gilt, wobei U der Umkreismittelpunkt ist. Ebenso gilt |U Ic |2 = r2 + 2rϱc . Analoge Gleichungen gelten natürlich auch für die anderen Ankreise. Diese Formeln stammen von Euler. IV. Isometrien und Kegelschnitte 1. Lineare Abbildungen Wir behandeln lineare Abbildungen im R2 . Definition: Eine Abbildung φ : R2 → R2 heißt linear, wenn sie folgende zwei Eigenschaften erfüllt (a) φ(x + y) = φ(x) + φ(y) für alle x und y in R2 (b) φ(λx) = λφ(x) für alle x ∈ R2 und λ ∈ R 1 +5x2 Beispiel: Sei φ : R2 → R2 definiert durch φ(x) = x1 ( 21 ) + x2 ( 52 ) = ( 2x x1 +2x2 ). Es ist leicht nachzuprüfen, dass φ(x + y) = φ(x) + φ(y) und φ(λx) = λφ(x) gilt. Wir zeigen, dass alle linearen Abbildungen von dieser Art sind. Dazu führen wir die Einheitsvektoren i = ( 10 ) und j = ( 01 ) ein. Satz 91: Sei φ : R2 → R2 eine lineare Abbildung. Seien ( ab ) und ( dc ) die Bilder der Einheitsvektoren i und j unter φ, das heißt φ(i) = ( ab ) und φ(j) = ( dc ). Für alle x = ( xx12 ) 1 +cx2 in R2 gilt dann φ(x) = x1 ( ab ) + x2 ( dc ) = ( ax bx1 +dx2 ). Beweis: Sei x = ( xx12 ) in R2 . Es gilt x = x1 ( 10 ) + x2 ( 01 ) = x1 i + x2 j . Aus der Definition einer linearen Abbildung erhalten wir dann φ(x) = φ(x1 i + x2 j) = φ(x1 i) + φ(x2 j) = x1 φ(i) + x2 φ(j) = x1 ( ab ) + x2 ( dc ) ax1 +cx2 cx2 1 Aus den Rechenregeln für Vektoren folgt x1 ( ab ) + x2 ( dc ) = ( ax bx1 ) + ( dx2 ) = ( bx1 +dx2 ). Dieser Satz zeigt, dass eine lineare Abbildung φ : R2 → R2 bereits durch die Bilder ( ab ) und ( dc ) der Einheitsvektoren i und j bestimmt ist. Um dieses Ergebnis besser aufschreiben zu können, führen wir Matrizen und die Matrixmultiplikation ein. Eine m × n-Matrix ist eine rechteckige Anordnung von Zahlen, die aus m Zeilen und n Spalten besteht. Einen Vektor x ∈ R2 kann man als 2 × 1-Matrix ( ) auffassen. Eine 2 × 2-Matrix hat zwei Vektoren des R2 als Spalten, zum Beispiel 23 57 . Eine 1 × 2-Matrix ist ein Zeilenvektor, zum Beispiel (3 7). Das Produkt C = AB einer m × k-Matrix A und einer k × n-Matrix B bestimmt man so: Man bildet das innere Produkt der ersten Zeile der Matrix A mit den Spalten der Matrix B. Die Ergebnisse, die man erhält, schreibt man in die erste Zeile der Matrix C. Dann bildet man das innere Produkt der zweiten Zeile der Matrix A mit den Spalten der Matrix B. Die Ergebnisse, die man erhält, schreibt man in die zweite Zeile der Matrix C. Hat die Matrix A mehr als zwei Zeilen, dann macht man so weiter. (Hat die Matrix A nur eine Zeile, dann ist man nach dieser einen Zeile bereits fertig.) ( ) ( ) Ist zum Beispiel A = 23 57 und B = pr qs , dann erhalten wir ( )( ) ( ) ( p q )( 2 5 ) ( 2p+3q 5p+7q ) 2q+5s AB = 23 57 pr qs = 2p+5r und BA = r s 3p+7r 3q+7s 3 7 = 2r+3s 5r+7s Hier sieht man auch, dass die Multiplikation von zwei Matrizen nicht kommutativ ist. Man kann jedoch nachrechnen, dass (AB)C = A(BC) gilt. Die Multiplikation von Matrizen ist assoziativ. Man darf daher ABC schreiben, ohne Klammern zu setzen, da es keinen Unterschied macht, welche Matrixmultiplikation man zuerst ausführt. Man darf die Matrizen jedoch nicht vertauschen. Franz Hofbauer 55 Genauso funktioniert die Multiplikation einer mit einem Vektor. Man fasst den ( 2 5Matrix ) Vektor einfach als 2 × 1-Matrix auf. Ist A = 3 7 und B = x = ( xx12 ), dann erhalten wir ( ) 1 +5x2 AB = Ax = 23 57 ( xx12 ) = ( 2x 3x1 +7x2 ) Ebenso kann man größere Matrizen multiplizieren. Damit man das Matrixprodukt AB bilden kann, muss A eine m × k-Matrix und B eine k × n-Matrix sein. Die Zeilen von A müssen so lang sein wie die Spalten von B. Das Produkt AB ist eine m × n-Matrix. Wir kommen zu Satz 91 zurück. Seien ( ab ) und ( dc ) die Bilder der Einheitsvektoren i ( ) und j unter der linearen Abbildung φ. Sei M = ab dc die Matrix, die diese Bilder ( ab ) und ( dc ) als Spalten hat. Aus der Definition der Matrixmultiplikation und aus Satz 91 folgt ) ( c a 1 +cx2 M x = ab dc ( xx12 ) = ( ax bx1 +dx2 ) = ( b )x1 + ( d )x2 = φ(x) ( ) Es gilt also φ(x) = M x. Man nennt M = ab dc die Matrix der linearen Abbildung φ. Man kann jede lineare Abbildung φ : R2 → R2 durch eine 2 × 2-Matrix ausdrücken. Man kann zwei Matrizen der gleichen Größe (auch)addieren. (Das macht man so wie für ) r u a c Vektoren, die ja 2 × 1-Matrizen sind. Sind A = b d und B = s v zwei 2 × 2-Matrizen, ( ) c+u 2 dann definiert man A + B = a+r b+s d+v . Ist x ∈ R , dann gilt (A + B)x = Ax + Bx. (Das gilt auch für eine 2 × 2-Matrix C anstelle von x.) Auch ( a die ) Skalarmultiplikation definiert man für Matrizen genauso ( ta tcwie ) für Vektoren. Ist c A = b d eine Matrix und t ∈ R, dann definiert man tA = tb td . Für t und s in R und 2 × 2-Matrizen A und B gilt dann (s + t)A = sA + tA und t(A + B) = tA + tB. Satz 92: Seien φ : R2 → R2 und ψ : R2 → R2 linear. Dann ist ψ ◦ φ : R2 → R2 ebenfalls linear. Ist A die Matrix der linearen Abbildung φ und B die Matrix der linearen Abbildung ψ, dann ist das Matrixprodukt BA die Matrix der linearen Abbildung ψ ◦ φ. Beweis: Seien x und y in R2 und λ ∈ R. Da ψ und φ linear sind, erhalten wir ψ(φ(x+y)) = ψ(φ(x)+φ(y)) = ψ(φ(x))+ψ(φ(y)) und ψ(φ(λx)) = ψ(λφ(x)) = λψ(φ(x)) Das zeigt, dass auch ψ ◦ φ eine lineare Abbildung ist. ( ) ( ) Sei φ(i) = ( ab ) und φ(j) = ( dc ). Dann gilt A = ab dc . Ist B = rs uv , dann folgt ( ) (r u) c c rc+ud ψ(φ(i)) = B( ab ) = rs uv ( ab ) = ( ra+ub ) und ψ(φ(j)) = B( ) = d s v ( d ) = ( sc+vd ) sa+vb ( ) rc+ud Die Matrix der linearen Abbildung ψ ◦ φ ist daher ra+ub sa+vb sc+vd . Das ist BA. (1 0) Die Matrix I2 = 0 1 heißt Einheitsmatrix. Es gilt ja I2 x = x für alle x in R2 . Lineare Gleichungssysteme kann man ebenfalls mit Hilfe von Matrizen aufschreiben. Liegt das lineare Gleichungssystem a1 x + b1 y = c1 ( a1 ) b1 a2 x + b2 y = c2 vor, dann setzt man M = a2 b2 und c = ( cc12 ). Das Gleichungssystem wird dann zu M x = c, wobei x für den Vektor ( xy ) steht. Man schreibt dann auch det M anstelle von a b a1 1 . Wenn det M ̸= 0 ist, dann hat das Gleichungssystem nach Satz 76 genau eine 2 b2 Lösung. Wenn det M = 0 ist, dann hat das Gleichungssystem nach Satz 77 entweder keine Lösung oder beide Gleichungen haben dieselbe Lösungsmenge, die auch Lösungsmenge des Gleichungssystems ist. 56 Isometrien und Kegelschnitte 2. Eigenwerte und Eigenvektoren Eigenwerte und Eigenvektoren treten bei der Hauptachsentransformation von Kegelschnitten auf. Wir beschränken uns wieder auf den R2 . Analoge Resultate gelten aber auch in höheren Dimensionen. Definition: Sei A eine 2 × 2-Matrix. Ein Vektor v ̸= 0 heißt Eigenvektor der Matrix A, wenn Av = λv für eine Zahl λ gilt. Die Zahl λ nennt man Eigenwert der Matrix A. Ist A = rI2 mit r ∈ R, dann gilt Av = rv für alle v ∈ R2 . Jeder Vektor ̸= 0 ist somit ein Eigenvektor zum Eigenwert r. Wir nehmen daher im Folgenden an, dass A kein Vielfaches der Einheitsmatrix I2 ist. Wie finden wir Eigenwerte und Eigenvektoren? Nach den Rechenregeln für Matrizen können wir Ax = λx auch schreiben als (A − λI2 )x = 0. Das ist das homogene lineare Gleichungssystem M x = 0 mit M = A−λI2 . Wenn det M ̸= 0 gilt, dann ist 0 nach Satz 78 die einzige Lösung. Da Eigenvektoren ungleich 0 sind, erhalten wir keinen Eigenvektor und λ ist auch kein Eigenwert. Ist hingegen det M = 0, dann folgt aus Satz 78, dass L = {tv : t ∈ R} die Lösungsmenge des Gleichungssystems M x = 0 ist, wobei wir v als Normalvektor auf eine der beiden( Zeilen ) der Matrix M wählen können, die nicht nur aus 0 0 Nullen besteht. (Es gilt ja M ̸= 0 0 , sonst wäre A ein Vielfaches von I2 .) Es existiert ein Vektor v ∈ R2 \ {0} mit M v = 0, das heißt Av = λv. Somit ist λ ein Eigenwert und v ein Eigenvektor der Matrix A. Es kann allerdings auch der Fall eintreten, dass die Eigenwerte komplexe Zahlen sind. Dann sind auch die Eigenvektoren im C2 . Wir haben gezeigt, dass die Eigenwerte Zahlen λ sind, ( einer ) Matrix A gerade diejenigen ( ) c für die det(A − λI2 ) = 0 gilt. Ist A = ab dc , dann gilt A − λI2 = a−λ und d−λ b det(A − λI2 ) = (a − λ)(d − λ) − bc = λ2 − (a + d)λ + ad − bc Das ist ein Polynom in der Variablen λ. Man nennt es das charakteristische Polynom der Matrix A. Die Eigenwerte der Matrix A sind dann die Lösungen der quadratischen Gleichung λ2 − (a + d)λ + ad − bc = 0. Die Eigenwerte sind also √ √ 1 1 1 2 (∗) λ1,2 = 2 (a + d) ± 4 (a + d) − ad + bc = 2 (a + d) ± 14 (a − d)2 + bc Es gibt drei mögliche Fälle, entweder zwei verschiedene reelle Eigenwerte, oder einen zweifachen reellen Eigenwert, oder zwei zueinander konjugiert komplexe Eigenwerte. Sucht man einen Eigenvektor zum Eigenwert λ dann bildet man die Matrix M = A−λI2 und löst das lineare Gleichungssystem M v = 0. Eine Lösung v erhält man als Normalvektor auf eine Zeile der Matrix M , die nicht nur aus Nullen besteht. Jedes Vielfache dieses Vektors v, außer dem Nullvektor, ist ein Eigenvektor. Das funktioniert auch, wenn die Eigenwerte komplex sind. In diesem Fall sind auch die Eigenvektoren in C2 . ( ) Beispiel: Sei A = 53 13 . Gesucht sind Eigenwerte und Eigenvektoren. ( ) 1 Wir bilden A − λI2 = 5−λ 3 3−λ und berechnen die Determinante (5 − λ)(3 − λ) − 3 = 2 λ − 8λ + 12. Das ist das charakteristische Polynom der Matrix A. Die Nullstellen sind λ1 = 6 und λ2 = 2. Damit sind die Eigenwerte der Matrix A gefunden. ( ) 1 Wir berechnen A − λ1 I2 = −1 u zum Eigenwert λ1 = 6 erhalten 3 −3 . Einen Eigenvektor ( −1 1 ) wir als Normalvektor der ersten Zeile der Matrix 3 −3 , also u = ( 11 ). ( ) Ebenso berechnen wir A − λ2 I2 = 33 11 . Einen Eigenvektor v zum Eigenwert λ2 = 2 ( ) erhalten wir als Normalvektor der ersten Zeile der Matrix 33 11 , also v = ( −1 3 ). Franz Hofbauer Beispiel: Sei A = (4 5 ) −2 2 . Gesucht sind Eigenwerte ( 4−λ −2 ) 5 2−λ und berechnen die 57 und Eigenvektoren. Wir bilden A − λI2 = Determinante (4 − λ)(2 − λ) + 10 = 2 λ − 6λ + 18. Das ist das charakteristische Polynom der Matrix A. Die Nullstellen sind λ1 = 3 + 3i und λ2 = 3 − 3i. Die Eigenwerte der Matrix A sind konjugiert komplex. ( ) −2 Wir berechnen A − λ1 I2 = 1−3i −1−3i . Einen Eigenvektor u zum Eigenwert λ1 = 3 + 3i 5 ( ) −2 2 erhalten wir als Normalvektor der ersten Zeile der Matrix 1−3i −1−3i , also u = ( 1−3i ). 5 (Wir können nachrechnen, dass u auch ein Normalvektor der zweiten Zeile ist.) ( ) −2 2 Wegen A−λ2 I2 = 1+3i −1+3i ist v = ( 1+3i ) ein Eigenvektor zum Eigenwert λ2 = 3−3i. 5 Jedes Vielfache ̸= 0 eines Eigenvektors ist ebenfalls Eigenvektor zum selben Eigenwert. ( 5 4) Beispiel: Sei A = −1 1 . Gesucht sind Eigenwerte und Eigenvektoren. ( ) 4 Wir bilden A − λI2 = 5−λ und berechnen (5 − λ)(1 − λ) + 4 = λ2 − 6λ + 9, −1 1−λ das charakteristische Polynom. Es hat λ = 3 als zweifache ( 2 4 ) Nullstelle. Das ist der einzige 2 Eigenwert der Matrix A. Wir berechnen A−λI2 = −1 −2 . Ein Eigenvektor ist u = ( −1 ). 3. Symmetrische Matrizen 1 Ist w = ( w Vektor wt der entsprechende w2 ) ein Spaltenvektor, dann ist der (transponierte ) Zeilenvektor (w1 w2 ). Für eine Matrix A = ab dc definiert man die Transponierte At ( ) durch At = ac db , das ist die an der Diagonale gespiegelte Matrix. Satz 93: Für 2 × 2-Matrizen A und B und für Vektoren u und v in R2 gilt (a) (At )t = A (b) (Au)t = ut At und (AB)t = B t At (c) ⟨u, v⟩ = ut v und ⟨Au, v⟩ = ⟨u, At v⟩ Beweis: Wir erhalten (a) sofort aus der Definition. (a b) t t 1 +cu2 t ) = (au + cu bu + du ) = (u u ) Es gilt (Au)t = ( au 1 2 1 2 1 2 bu1 +du2 c d = u A . Damit ist (a c) (p r) die erste Gleichung von (b) gezeigt. Setzt man A = b d und B = q s , dann gilt ( ) ( ) ( p q )( a b ) ar+cs t bp+dq t t ebenso (AB)t = ap+cq = ap+cq bp+dq br+ds ar+cs br+ds = r s c d =B A . Es gilt ⟨u, v⟩ = u1 v1 + u2 v2 = (u1 u2 )( vv12 ) = ut v. Das ergibt die erste Gleichung von (c). Damit und mit (b) erhalten wir ⟨Au, v⟩ = (Au)t v = (ut At )v = ut (At v) = ⟨u, At v⟩, die zweite Gleichung in (c). ( ) Definition: Eine Matrix A = ab dc nennt man symmetrisch, wenn At = A gilt. Das ist gleichbedeutend damit, dass b = c gilt. ( ) Satz 94: Sei A = ab dc symmetrisch, aber nicht gleich rI2 für ein r ∈ R. Dann hat A zwei verschiedene reelle Eigenwerte λ1 und λ2 . Ist u ein Eigenvektor zu λ1 und v einer zu λ2 , dann gilt ⟨u, v⟩ = 0, das heißt u und v sind orthogonal. √ 1 Beweis: Aus (∗) folgt λ1,2 = 2 (a + d) ± 14 (a − d)2 + b2 wegen c = b. Wegen A ̸= rI2 für alle r ∈ R gilt entweder a ̸= d oder b ̸= 0. Es folgt 14 (a − d)2 + b2 > 0. Somit sind λ1 und λ2 reell und verschieden. Es gilt Au = λ1 u, Av = λ2 v und At = A. Mit Hilfe der Rechenregeln für das innere Produkt und für die Transponierte (Satz 93) erhalten wir λ1 ⟨u, v⟩ = ⟨λ1 u, v⟩ = ⟨Au, v⟩ = ⟨u, At v⟩ = ⟨u, Av⟩ = ⟨u, λ2 v⟩ = λ2 ⟨u, v⟩ Wegen λ1 ̸= λ2 muss ⟨u, v⟩ = 0 gelten. 58 Isometrien und Kegelschnitte 4. Isometrien der Ebene Wir untersuchen Isometrien der Ebene, die wir als R2 auffassen. Definition: Eine Abbildung f : R2 → R2 heißt Isometrie, wenn ∥f (x) − f (y)∥ = ∥x − y∥ für alle x und y in R2 gilt. Beispiel: Sei a ∈ R2 fest. Die Abbildung (Translation) h(x) = x + a ist eine Isometrie. Es gilt ja h(x) − h(y) = x − y und daher auch ∥h(x) − h(y)∥ = ∥x − y∥ für alle x, y ∈ R2 . Gilt g(p) = p, dann heißt p Fixpunkt der Abbildung g. Ist f : R2 → R2 eine Isometrie, dann ist g : R2 → R2 definiert durch g(x) = f (x) − f (0) eine Isometrie mit 0 als Fixpunkt. Es gilt ja g(0) = 0 und ∥g(x) − g(y)∥ = ∥f (x) − f (y)∥ = ∥x − y∥ für alle x und y in R2 . Insbesondere gilt ∥g(x)∥ = ∥x∥ für alle x in R2 (Das ist der Spezialfall y = 0). Satz 95: Eine Isometrie g mit 0 als Fixpunkt ist eine lineare Abbildung. Beweis: Zuerst zeigen wir g(λx) = λg(x) für alle x ∈ R2 und alle λ ∈ R. Wegen g(0) = 0 gilt diese Gleichung für λ = 0. Wir können λ ̸= 0 annehmen. Sei k1 der Kreis mit Mittelpunkt 0 und Radius r1 = ∥x∥ und λx k2 der mit Mittelpunkt 0 und Radius r2 = ∥λx∥ = |λ| · ∥x∥. Dann liegt x auf k1 und wegen ∥g(x)∥ = ∥x∥ auch g(x). x k2 Ebenso liegt λx auf k2 und wegen ∥g(λx)∥ = ∥λx∥ auch 0 k1 g(λx). Nun gilt ∥g(λx) − g(x)∥ = ∥λx − x∥ = |λ − 1| · ∥x∥. Ist λ > 0, dann gilt ∥g(λx) − g(x)∥ = |r1 − r2 |, sodass g(λx) g(x) der Punkt auf k2 ist, der g(x) am nächsten liegt (Zeichnung). g(λx) Ist λ < 0, dann gilt ∥g(λx) − g(x)∥ = r1 + r2 , sodass g(λx) der Punkt auf k2 ist, der den größten Abstand von g(x) hat. In beiden Fällen liegt g(λx) auf der Gerade durch 0 und g(x) und es gilt g(λx) = λg(x). Wir zeigen g(x + y) = g(x) + g(y) für alle x und y in R2 . Ist x = 0 oder y = 0, dann gilt diese Gleichung. Ist y = λx für ein λ ∈ R, dann folgt sie aus der oben gezeigten Gleichung: g(x + y) = g((1 + λ)x) = (1 + λ)g(x) = g(x) + λg(x) = g(x) + g(λx) = g(x) + g(y) Ansonsten bilden die Punkte 0, x, y und x + y ein Parallelogramm. Die Punkte g(0) = 0, g(x), g(y) und g(x + y) bilden ein kongruentes Parallelogramm, da die Abstände zwischen den vier Punkten bei der Abbildung unverändert bleiben. Es folgt g(x + y) = g(x) + g(y). Somit ist g eine lineare Abbildung, da die Eigenschaften aus der Definition einer linearen Abbildung erfüllt sind. Zweiter Beweis: Es gilt 2⟨x, y⟩ = ∥x∥2 + ∥y∥2 − ∥x − y∥2 . Setzt man g(x) für x und g(y) für y ein, so erhält man 2⟨g(x), g(y)⟩ = ∥g(x)∥2 + ∥g(y)∥2 − ∥g(x) − g(y)∥2 . Für die Isometrie g mit Fixpunkt 0 gilt ∥g(x)∥ = ∥x∥, ∥g(y)∥ = ∥y∥ und ∥g(x) − g(y)∥ = ∥x − y∥. Damit ergibt sich ⟨g(x), g(y)⟩ = ⟨x, y⟩ für alle x und y in R2 . Jetzt zu Satz 95. Seien x und y in R2 . Wir setzen u = g(x), v = g(y) und w = g(x + y). Aus obiger Gleichung folgt ⟨u, u⟩ = ⟨x, x⟩, ⟨v, v⟩ = ⟨y, y⟩, ⟨w, w⟩ = ⟨x + y, x + y⟩, ⟨u, v⟩ = ⟨x, y⟩, ⟨w, u⟩ = ⟨x + y, x⟩ und ⟨w, v⟩ = ⟨x + y, y⟩. Damit erhalten wir ∥w − u − v∥2 = ⟨w − u − v , w − u − v⟩ = ⟨w, w⟩ + ⟨u, u⟩ + ⟨v, v⟩ − 2⟨w, u⟩ − 2⟨w, v⟩ + 2⟨u, v⟩ = ⟨x + y, x + y⟩ + ⟨x, x⟩ + ⟨y, y⟩ − 2⟨x + y, x⟩ − 2⟨x + y, y⟩ + 2⟨x, y⟩ = ⟨x, x⟩ + 2⟨x, y⟩ + ⟨y, y⟩ + ⟨x, x⟩ + ⟨y, y⟩ − 2⟨x, x⟩ − 4⟨x, y⟩ − 2⟨y, y⟩ + 2⟨x, y⟩ = 0 Franz Hofbauer 59 Somit gilt ∥w − u − v∥ = 0, also auch w − u − v = 0. Es folgt w = u + v. Damit ist g(x + y) = g(x) + g(x) gezeigt. Sei x ∈ R2 und λ ∈ R. Wir setzen u = g(x) und v = g(λx). Wie oben folgt ∥v − λu∥2 = ⟨v − λu , v − λu⟩ = ⟨v, v⟩ − 2λ⟨v, u⟩ + λ2 ⟨u, u⟩ = ⟨λx, λx⟩ − 2λ⟨λx, x⟩ + λ2 ⟨x, x⟩ = λ2 ⟨x, x⟩ − 2λ2 ⟨x, x⟩ + λ2 ⟨x, x⟩ = 0 Somit gilt ∥v − λu∥ = 0, also v − λu = 0. Es folgt v = λu, das heißt g(λx) = λg(x). Wir haben gezeigt, dass die Eigenschaften aus der Definition einer linearen Abbildung erfüllt sind. Somit ist g eine lineare Abbildung. Satz 96: Sei g eine Isometrie mit Fixpunkt α, sodass die ) existiert ein( cos ) Matrix ( α0.−Dann α sin α sin α oder S = der linearen Abbildung g entweder Rα = cos α sin α − cos α ist. sin α cos α ( ) Beweis: Sei M = ab dc die Matrix der linearen Abbildung g. Da g eine Isometrie mit Fixpunkt 0 ist, gilt ∥g(x)∥2 = ∥x∥2 , das heißt (ax1 + cx2 )2 + (bx1 + dx2 )2 = x21 + x22 oder (a2 + b2 )x21 + (c2 + d2 )x22 + 2(ac + bd)x1 x2 = x21 + x22 . Das gilt für alle x1 , x2 ∈ R. Es folgt a2 + b2 = 1, c2 + d2 = 1 und ac + bd = 0 ( ab ) Der Vektor hat Länge 1 und ist daher der Ortsvektor eines Punktes am Einheitskreis. Es existiert ein Winkel α mit a = cos α und b = sin α. Weiters gilt ⟨( ab ), ( dc )⟩ = ac + bd = 0 √ und ∥( dc )∥ = c2 + d2 = 1. Der Vektor ( dc ) steht senkrecht auf ( ab ) und hat ebenfalls c sin α sin α Länge 1. Daraus folgt, dass entweder ( dc ) = ( −cos α ) oder ( d ) = ( − cos α ) gilt. Satz 97: Die Abbildung mit Matrix Rα ist eine Drehung (Rotation) um den Nullpunkt mit Winkel α (im Gegenuhrzeigersinn). α − sin α Beweis: Es gilt Rα x = ( cos sin α )x1 +( cos α )x2 . Die α − sin α Vektoren ( cos sin α ) und ( cos α ) haben Länge 1 und stehen senkrecht aufeinander. Sie sind die Einheitsvektoren für ein um den Winkel α verdrehtes Koordinatensystem. Daher erhält man Rα x, wenn man den Vektor x = ( xx12 ) ins gedrehte Koordinatensystem zeichnet. Somit ist Rα x der um den Nullpunkt mit Winkel α gedrehte Vektor x. Rα x x α Satz 98: Die Abbildung mit Matrix Sα ist die Spiegelung an der Gerade g, die durch den ( cos α ) Nullpunkt geht und Richtungsvektor sin α2 hat. 2 x g ( cos α2 ) ( − sin α2 ) Beweis: Sei a = sin α und b = cos α . Der 2 2 Vektor b steht normal auf a. Matrixmultiplikation und die Summensätze für sin und cos zeigen, Sα x dass Sα a = a und Sα b = −b gilt. Da a und b orthogonal aufeinander stehen, existieren für jedes a b α x ∈ R2 Zahlen p und q in R mit x = pa + qb. Es 2 folgt Sα x = pSα a + qSα b = pa − qb. Das zeigt, dass Sα x der an der Gerade g gespiegelte Punkt x −b ist, da g ja die Gerade durch den Nullpunkt mit Richtungsvektor a ist. 60 Isometrien und Kegelschnitte Die durch die Matrizen Rα und Sα gegebenen linearen Abbildungen sind alle Isometrien, die 0 als Fixpunkt haben. Ist f irgendeine Isometrie und u = f (0), dann ist g(x) = f (x)−u eine Isometrie mit 0 als Fixpunkt. Es gilt also f (x) = Rα (x) + u oder f (x) = Sα (x) + u. Für Winkel α und u ∈ R2 definieren wir Rα,u : R2 → R2 und Sα,u : R2 → R2 durch Rα,u (x) = Rα x + u und Sα,u (x) = Sα x + u Das sind dann alle möglichen Isometrien des R2 . Satz 99: Ist α = 00 dann ist Rα,u die Translation um den Vektor u. Ist α ̸= 00 , dann ist Rα,u die Drehung um den Punkt w mit Winkel α, wobei (I2 − Rα )w = u gilt. Beweis: Für α = 00 gilt Rα = I2 und Rα,u (x) = x + u. α sin α 2 2 Für α ̸= 00 gilt 1−cos − sin α 1−cos α = (1 − cos α) + sin α = 2 − 2 cos α ̸= 0, das heißt det(I2 − Rα ) ̸= 0. Daher hat (I2 − Rα )w = u eine eindeutige Lösung, das heißt w ist eindeutig bestimmt. Es folgt u = w − Rα w und Rα,u (x) = Rα (x − w) + w. Die Abbildung Rα,u ist die Hintereinanderausführung folgender drei Abbildungen: (a) Translation mit Vektor −w: der Punkt w wird in den Punkt 0 verschoben (b) Drehung um den Punkt 0 mit Winkel α (c) Translation mit Vektor w: der Punkt 0 wird zurück in den Punkt w verschoben Die Zusammensetzung ergibt die Drehung um den Punkt w mit Winkel α. Satz 100: Die Abbildung Sα,u ist eine Schubspiegelung (Gleitspiegelung), und zwar die Hintereinanderausführung der Spiegelung an der Geraden, die durch den Punkt 12 u geht ( cos α ) und Richtungsvektor sin α2 hat, und der Translation mit dem Vektor w = 12 (u + Sα u). 2 Der Vektor w hat die Richtung der Spiegelungsgeraden. Beweis: Es gilt Sα,u (x) = Sα (x − 21 u) + 21 u + w. Die Abbildung x 7→ Sα (x − 21 u) + 12 u ist die Hintereinanderausführung folgender drei Abbildungen: (a) Translation mit Vektor − 12 u: der Punkt 12 u wird in den Punkt 0 verschoben ( cos α ) (b) Spiegelung an der Geraden durch den Punkt 0 mit Richtungsvektor sin α2 2 (c) Translation mit Vektor 21 u: der Punkt 0 wird zurück in den Punkt 12 u verschoben Die Zusammensetzung dieser Abbildungen ergibt die Spiegelung an der Geraden durch ( cos α ) den Punkt 21 u mit Richtungsvektor sin α2 . Dazu kommt noch die Translation mit dem 2 Vektor w. Das ergibt dann die Abbildung Sα,u . Wir bestimmen die Richtung von w. Da Sα u der an einer Gerade durch den Punkt 0 gespiegelte Punkt u ist, hat w = 12 (u+Sα u) dieselbe Richtung wie diese Spiegelungsgerade. Wir haben alle möglichen Isometrien der Ebene bestimmt. Es sind Translationen, Drehungen und Schubspiegelungen. Wir überlegen uns noch, was sich bei Hintereinanderausführung dieser Isometrien ergibt. Satz 101: Es gilt Rα Rβ = Rα+β , Rα Sβ = Sα+β , Sα Rβ = Sα−β und Sα Sβ = Rα−β . Beweis: Wir rechnen die erste Gleichung mit Hilfe der Summensätze nach ( α − sin α )( cos β − sin β ) ( cos α cos β−sin α sin β − cos α sin β−sin α cos β ) Rα Rβ = cos = sin α cos β+cos α sin β − sin α sin β+cos α cos β sin α cos α sin β cos β ( cos(α+β) − sin(α+β) ) = sin(α+β) cos(α+β) = Rα+β Die anderen Gleichungen erhält man ganz analog, wobei man − sin β = sin(−β) beachten muss. Franz Hofbauer 61 Es gilt Rα Rβ = Rα+β . Die Hintereinanderausführung von zwei Drehungen um denselben Punkt ergibt wieder eine Drehung um diesen Punkt, wobei sich die Drehwinkel addieren. Es gilt auch Sα Sβ = Rα−β . Die Hintereinanderausführung von zwei Spiegelungen ergibt eine Drehung um den Schnittpunkt der beiden Spiegelungsgeraden, wobei der Drehwinkel der doppelte Winkel zwischen den Spiegelungsgeraden ist. Die beiden anderen Gleichungen besagen, dass man eine Spiegelung erhält, wenn man eine Spiegelung mit einer Drehung um einen Punkt auf der Spiegelungsgerade verknüpft. Der obige Satz lässt sich leicht verallgemeinern. Satz 102: Es gilt Rα,u ◦ Rβ,v = Rα+β,Rα v+u , Rα,u ◦ Sβ,v = Sα+β,Rα v+u , Sα,u ◦ Rβ,v = Sα−β,Sα v+u und Sα,u ◦ Sβ,v = Rα−β,Sα v+u . Beweis: Wir rechnen nur die erste Gleichung mit Hilfe von Satz 101 nach Rα,u (Rβ,v (x)) = Rα,u (Rβ x+v) = Rα (Rβ x+v)+u = Rα+β x+Rα v+u = Rα+β,Rα v+u (x) Das beweist Rα,u ◦ Rβ,v = Rα+β,Rα v+u . Die anderen Gleichungen erhält man analog. 5. Kegelschnitte Wir berechnen die Gleichungen der Kegelschnitte in Hauptlage. Damit ist gemeint, dass die Koordinatenachsen auch die Achsen der Kegelschnitte sind. Ellipse: Wir suchen die Gleichung der Ellipse mit Brennpunkten F1 (−e, 0) und F2 (e, 0) und mit großer Halbachse der Länge a, wobei e < a gilt. Sie ist die Menge aller Punkte P = (x, y), deren Abstandssumme von den beiden Brennpunkten gleich 2a ist, das heißt |P F1 | + |P F2 | = 2a. Die Gleichung dieser Ellipse ist daher √ √ (1) (x + e)2 + y 2 + (x − e)2 + y 2 = 2a P F1 F2 Quadriert man diese Gleichung, fasst zusammen und dividiert durch 2, so hat man √ √ (2) x2 + e2 + y 2 + (x + e)2 + y 2 (x − e)2 + y 2 = 2a2 Unter der ersten Wurzel steht e2 + x2 + y 2 + 2ex und e2 + x2 + y 2 − 2ex unter der zweiten. Das Produkt ist (e2 + x2 + y 2 )2 − 4e2 x2 . Setzt man das ein und formt um, so erhält man √ (3) (e2 + x2 + y 2 )2 − 4e2 x2 = 2a2 − (e2 + x2 + y 2 ) Quadriert man, so fällt (e2 + x2 + y 2 )2 weg. Man kann durch 4 dividieren und es bleibt −e2 x2 = a4 − a2 (e2 + x2 + y 2 ) (4) Durch Ausmultiplizieren und Umformen ergibt sich jetzt (5) x2 a2 + y2 a2 −e2 = 1 oder x2 a2 + y2 b2 = 1 wenn man b2 = a2 − e2 setzt. Damit ist die Gleichung der Ellipse mit Brennpunkten F1 (−e, 0) und F2 (e, 0) und mit großer Halbachse der Länge a gefunden. Die beiden Punkte (−a, 0) und (a, 0) erfüllen die Ellipsengleichung und liegen daher auf der Ellipse. Sie heißen Hauptscheitel. Die Strecke dazwischen heißt Hauptachse der Ellipse. Auf ihr liegen die beiden Brennpunkte. Sie wird durch den Mittelpunkt (0, 0) der Ellipse in die beiden großen Halbachsen der Länge a unterteilt. Die beiden Punkte (0, −b) und (0, b), die ebenfalls auf der Ellipse liegen, heißen Nebenscheitel. Die Strecke dazwischen heißt Nebenachse der Ellipse. Sie wird durch den Mittelpunkt der Ellipse in die beiden kleinen Halbachsen der Länge b unterteilt. 62 Isometrien und Kegelschnitte Vertauscht man die Variablen x und y, dann erhält man die an der Diagonale gespiegelte 2 2 Ellipse mit Brennpunkten auf der y-Achse. Diese hat daher die Gleichung xb2 + ay2 = 1. Hyperbel: Analog lässt sich die Gleichung der Hyperbel mit Brennpunkten F1 (−e, 0) und F2 (e, 0) und mit HalbP achse der Länge a finden, wobei aber jetzt e > a gilt. Sie ist die Menge aller Punkte P = (x, y), deren Abstandsdifferenz von den beiden Brennpunkten gleich 2a ist, das F1 F2 heißt |P F1 | − |P F2 | = 2a oder |P F2 | − |P F1 | = 2a, wobei die erste dieser beiden Gleichungen den rechten Ast der Hyperbel darstellt und die zweite den linken Ast. Diese Hyperbel hat daher ebenfalls die Gleichung (1), wobei aber eine der Wurzeln als die negative Wurzel aufzufassen ist. Führt man dieselbe Rechnung durch wie oben, so verschwinden die Vorzeichen der Wurzeln beim Quadrieren und man erhält wieder die Gleichung (5) x2 a2 + y2 a2 −e2 = 1 oder x2 a2 − y2 b2 = 1 wenn man b2 = e2 − a2 setzt. Damit ist die Gleichung der Hyperbel mit Brennpunkten F1 (−e, 0) und F2 (e, 0) und mit Halbachse der Länge a gefunden. Die beiden Punkte (−a, 0) und (a, 0) erfüllen die Hyperbelgleichung. Es sind die Scheitel der Hyperbel. Die Strecke dazwischen wird durch den Mittelpunkt (0, 0) der Hyperbel in die beiden Halbachsen der Länge a unterteilt. Die Hyperbel besitzt zwei Asymptoten. Eine Asymptote ist eine Gerade, der sich eine Kurve, in diesem Fall die Hyperbel, im Unendlichen immer mehr annähert. Die Gleichung √ der Hyperbel lässt sich schreiben als y = ± ab x 1− a2 x2 . Wenn x gegen +∞ oder −∞ geht, 2 dann geht xa2 gegen 0 und die Hyperbel nähert sich immer mehr der Gerade y = ab x oder der Gerade y = − ab x. Somit sind diese beiden Geraden Asymptoten der Hyperbel. Vertauscht man die Variablen x und y, dann erhält man die an der Diagonale gespiegelte 2 2 Hyperbel mit Brennpunkten auf der y-Achse. Diese hat daher die Gleichung − xb2 + ay2 = 1. Bemerkung: Oben wurde (1) ⇒ (5) gezeigt, das heißt jeder Punkt, der auf der Ellipse bzw. Hyperbel liegt, erfüllt die Gleichung (5). Es gilt auch die Umkehrung. Jeder Punkt, der (5) erfüllt, liegt auf der Ellipse bzw. Hyperbel. Dazu müssen wir (5) ⇒ (1) zeigen. Gilt y = 0 (Punkt auf der x-Achse), dann ist sowohl (1) als auch (5) äquivalent zur Gleichung |x| = a. Es gilt also (1) ⇔ (5). Wir können y ̸= 0 (Punkt nicht auf der x-Achse) annehmen. In diesem Fall zeigen wir (5) ⇒ (1) durch einen indirekten Beweis. √ √ Wir nehmen an, dass (1) nicht gilt. Es gilt also (x + e)2 + y 2 + (x − e)2 + y 2 = 2ã für ein ã ̸= a. Im Fall der Ellipse haben beide Wurzeln positives Vorzeichen und wegen der Dreiecksungleichung muss ã > e gelten. Im Fall der Hyperbel hat eine Wurzel positives Vorzeichen, die andere aber negatives Vorzeichen und wegen der Dreiecksungleichung 2 2 muss ã < e gelten. Wie in obiger Rechnung folgt dann, dass auch xã2 + ã2y−e2 = 1 gilt. Für ã < a gelten x2 ã2 x2 ã2 ≥ x2 a2 x2 a2 und y2 ã2 −e2 y2 2 ã −e2 2 y2 a2 −e2 2 < a2y−e2 2 2 > , also folgt x2 a2 x2 a2 + y2 a2 −e2 y2 2 a −e2 < x2 ã2 x2 ã2 + y2 ã2 −e2 y2 2 ã −e2 = 1. Für ã > a gelten ≤ und , also folgt + > + = 1. 2 Dabei ist zu beachten, dass ã − e und a − e entweder beide positiv (Ellipse) oder beide 2 2 negativ (Hyperbel) sind. In jedem Fall ergibt sich xa2 + a2y−e2 ̸= 1, ein Widerspruch zu (5). Damit ist (5) ⇒ (1) bewiesen. Franz Hofbauer Parabel: Schließlich bestimmen wir die Gleichung der Parabel mit Brennpunkt F ( p2 , 0) und Leitlinie l, die die Gleichung x = − p2 hat. Die Parabel ist die Menge aller Punkte (x, y), die von Brennpunkt F und Leitlinie l gleichen Abstand haben. Ihre Gleichung ist daher √ (x − p2 )2 + y 2 = x + p2 63 F Quadriert man diese Gleichung und kürzt, so erhält man y 2 = 2px. Das ist die Gleichung der Parabel mit Brennpunkt F und Leitlinie l. l Ist p > 0, dann können nur Punkte rechts von l gleichen Abstand von F und l haben. Die Parabel liegt rechts von der Leitlinie l und ist nach rechts offen, wie in der Zeichnung. Ist p < 0, dann hat man eine Parabel, die links von der Leitlinie l liegt und nach links offen ist (die Zeichnung an der y-Achse gespiegelt). Vertauscht man die Variablen x und y, dann erhält man die an der Diagonale gespiegelte Parabel mit der Gleichung x2 = 2py. Sie ist entweder nach oben oder nach unten offen. Der Punkt (0, 0) erfüllt die Parabelgleichung. Man nennt ihn den Scheitel der Parabel. Bemerkung: Zum Abschluss dieses Kapitels stellen wir noch einige Überlegungen an, die wir im nächsten Kapitel über die Tangentenkonstruktion verwenden werden. Es geht um Ungleichungen, die für die Punkte gelten, die nicht auf dem Kegelschnitt liegen. Liegt P auf der Ellipse mit Brennpunkten F1 und F2 und Hauptachsenlänge 2a, dann gilt |F1 P | + |P F2 | = 2a. Wir beweisen: Liegt Q im Innern dieser Ellipse, dann gilt |F1 Q| + |QF2 | < 2a. Liegt Q außerhalb dieser Ellipse, dann gilt |F1 Q| + |QF2 | > 2a. Sei P der Schnittpunkt der Ellipse mit der Halbgerade von F1 aus durch Q. Für einen Punkt Q im Innern der Ellipse erhalten wir |F1 Q| + |QF2 | < |F1 Q| + |QP | + |P F2 | = |F1 P | + |P F2 | = 2a mit Hilfe der Dreiecksungleichung. Für einen Punkt Q außerhalb der Ellipse erhalten wir |F1 Q| + |QF2 | = |F1 P | + |P Q| + |QF2 | > |F1 P | + |P F2 | = 2a wieder mit Hilfe der Dreiecksungleichung. Für eine Hyperbel mit Brennpunkten F1 und F2 und Hauptachsenlänge 2a liegt P auf dem rechten Hyperbelast genau dann, wenn |F1 P | − |P F2 | = 2a gilt. Wir beweisen: Liegt Q rechts vom rechten Hyperbelast, dann gilt |F1 Q| − |QF2 | > 2a. Liegt Q links vom rechten Hyperbelast, dann gilt |F1 Q| − |QF2 | < 2a. Liegt Q rechts vom rechten Hyperbelast, dann sei P der Schnittpunkt des rechten Hyperbelastes mit der Halbgerade von F1 aus durch Q. Es gilt |QF2 | < |P Q| + |P F2 | nach der Dreiecksungleichung. Es folgt |F1 Q| − |QF2 | = |F1 P | + |P Q| − |QF2 | > |F1 P | − |P F2 | = 2a. Liegt Q links vom rechten Hyperbelast, dann sei P der Schnittpunkt des rechten Hyperbelastes mit der Halbgerade von F2 aus durch Q. Es gilt |QF1 | < |QP | + |F1 P | nach der Dreiecksungleichung. Es folgt |F1 Q| − |QF2 | = |F1 Q| − |QP | − |P F2 | < |F1 P | − |P F2 | = 2a. Liegt P auf der Parabel mit Brennpunkt F und Leitlinie l, dann gilt |P F | = d(P, l), wobei d(P, l) den Normalabstand von P zur Geraden l bezeichnet. Wir beweisen: Liegt Q im Innern dieser Parabel (dort wo der Brennpunkt liegt), dann gilt |QF | < d(Q, l). Liegt Q außerhalb dieser Parabel, dann gilt |QF | > d(Q, l). Sei P der Schnittpunkt der Parabel mit der Senkrechten auf l durch Q. Für einen Punkt Q im Innern der Parabel ergibt sich |QF | < |QP |+|P F | = |QP |+d(P, l) = d(Q, l) mit Hilfe der Dreiecksungleichung. Für einen Punkt Q außerhalb der Parabel gilt |P Q| + |QF | > |P F | nach der Dreiecksungleichung und somit |QF | > |P F | − |P Q| = d(P, l) − |P Q| = d(Q, l). 64 Isometrien und Kegelschnitte 6. Tangentenkonstruktion Zwei Gerade, die einander in einem Punkt S schneiden, bilden vier Winkel. Man erhält zwei Paare von einander gegenüberliegenden Winkeln, die gleich groß sind und eine gemeinsame Winkelsymmetrale haben, wenn man die Winkelsymmetrale als eine durch den Schnittpunkt S hindurchgehende Gerade auffasst. Jedes Winkelpaar hat also eine Winkelsymmetrale und diese beiden Winkelsymmetralen stehen senkrecht aufeinander. Wir nennen sie einfach die Winkelsymmetralen der einander schneidenden Geraden. Gegeben ist ein Punkt P auf einem Kegelschnitt. Gesucht ist die Tangente im Punkt P an den Kegelschnitt. Die folgenden Sätze geben eine Methode zur Konstruktion dieser Tangente. Satz 103: Sei P ein Punkt auf einer Ellipse mit Brennpunkten F1 und F2 . Sei g die Winkelsymmetrale der Geraden ℓ(F1 , P ) und ℓ(F2 , P ), die die Strecke F1 F2 nicht schneidet. Dann ist g die Tangente an die Ellipse im Punkt P . F1∗ Beweis: Sei a die Länge der großen Halbachse. Sei F1∗ der an g gespiegelte Punkt F1 . Da P auf g liegt, erhalten wir g |F1∗ P | = |F1 P |. Da g die Winkelsymmetrale der Geraden P ℓ(F1 , P ) und ℓ(F2 , P ) ist, liegt F1∗ auf ℓ(F2 , P ). Da F1∗ auf ∗ der anderen Seite von g liegt als F2 , liegen die Punkte F1 , P und F2 in dieser Reihenfolge auf ℓ(F2 , P ). Da weiters P F1 F2 auf der Ellipse liegt, erhalten wir |F1∗ F2 | = |F1∗ P | + |P F2 | = |F1 P | + |P F2 | = 2a Sei Q jetzt irgendein Punkt auf g, der ungleich P ist. Aus der Dreiecksungleichung folgt |F1∗ Q| + |QF2 | > |F1∗ F2 | = 2a, da Q nicht auf der Geraden durch F1∗ und F2 liegt. Da Q auf der Winkelsymmetrale g liegt, gilt auch |F1 Q| = |F1∗ Q|. Es folgt |F1 Q| + |QF2 | > 2a, das heißt Q liegt außerhalb der Ellipse. Da alle Punkte der Gerade g außer P außerhalb der Ellipse liegen, ist g eine Tangente. Die Tangentenkonstruktion für die Hyperbel ist sehr ähnlich. Satz 104: Sei P ein Punkt auf einer Hyperbel mit Brennpunkten F1 und F2 . Sei g die Winkelsymmetrale der Geraden ℓ(F1 , P ) und ℓ(F2 , P ), die die Strecke F1 F2 schneidet. Dann ist g die Tangente an die Hyperbel im Punkt P . Beweis: Wir nehmen an, dass P auf dem rechten Hyperbelast liegt. Dann gilt |F1 P | − |P F2 | = 2a, wobei a die P Länge der Halbachse ist. Sei F1∗ der an g gespiegelte Punkt F1 . Da P auf g liegt, erhalten wir |F1 P | = |F1∗ P |. Da g F2 die Winkelsymmetrale der Geraden ℓ(F1 , P ) und ℓ(F2 , P ) F1 ∗ ist, liegt F1 auf ℓ(F2 , P ), und zwar auf der anderen Seite von g als F1 und somit auf derselben Seite von g wie F2 . g Wegen |F1 P | − |P F2 | = 2a gilt auch |F1∗ P | − |P F2 | = 2a. F1∗ ∗ Damit erhalten wir schließlich |F1 F2 | = 2a. Sei Q jetzt irgendein Punkt auf g, der ungleich P ist. Aus der Dreiecksungleichung folgt |F1∗ F2 | + |QF2 | > |F1∗ Q|, da Q nicht auf der Geraden durch F1∗ und F2 liegt. Da Q auf der Winkelsymmetrale g liegt, gilt auch |F1 Q| = |F1∗ Q|. Es folgt |F1 Q| − |QF2 | < |F1∗ F2 | = 2a. Somit liegt Q links vom rechten Hyperbelast, dort wo F1 liegt. Da alle Punkte der Gerade g außer P links vom rechten Hyperbelast liegen, ist g eine Tangente. Franz Hofbauer 65 Schließlich kommen wir zur Parabel. Satz 105: Sei P ein Punkt auf einer Parabel mit Brennpunkt F und Leitlinie l. Sei h die Senkrechte auf l durch P und E ihr Schnittpunkt mit l. Sei g die Winkelsymmetrale der Geraden ℓ(F, P ) und h, die die Strecke F E schneidet. Dann ist g die Tangente an die Parabel im Punkt P . Beweis: Es gilt |F P | = |EP |, da P auf der Parabel liegt. Da weiters g die Symmetrale des Winkels ] F P E ist, ist E h der an g gespiegelte Punkt F . Sei jetzt Q irgendein Punkt E P auf der Gerade g, der ungleich P ist. Sei D der Fußpunkt des Lotes von Q auf die Leitlinie l. Wegen Q ̸= P gilt D ̸= E und daher auch |DQ| < |EQ|. Da E der an der g Gerade g gespiegelte Punkt F ist und Q auf g liegt, gilt F auch |F Q| = |EQ|. Wir erhalten daher |DQ| < |F Q|. Das zeigt, dass der Abstand von Q zur Leitlinie l kleiner ist l als der zum Brennpunkt F . Somit liegt Q außerhalb der Parabel, das heißt auf der Seite der Parabel, auf der sich die Leitlinie l befindet. Da alle Punkte der Gerade g außer P auf dieser Seite der Parabel liegen, ist g eine Tangente. Diese Tangentenkonstruktion hat praktische Anwendungen. Ein Lichtstrahl, der vom Brennpunkt F1 einer Ellipse ausgeht, die Ellipse im Punkt P trifft und an dieser gespiegelt wird, geht dann durch den Brennpunkt F2 . Der einfallende Lichtstrahl schließt ja mit der Tangente im Punkt P denselben Winkel ein wie der ausfallende. Da die Tangente die Winkelsymmetrale der Gerade durch F1 und P , das ist die Bahn des einfallenden Lichtstrahls, und der Gerade durch F2 und P ist, muss der ausfallende Lichtstrahl entlang dieser zweiten Geraden verlaufen und somit auch durch F2 . Lichtstrahlen einer Lampe im Brennpunkt F1 werden im Brennpunkt F2 gebündelt. Ähnliches gilt für die Hyperbel. Ein Lichtstrahl, der vom Brennpunkt F1 einer Hyperbel ausgeht, die Hyperbel im Punkt P trifft und an dieser gespiegelt wird, verläuft dann so als ob er aus dem Brennpunkt F2 kommen würde. Lichtstrahlen einer Lampe im Brennpunkt F1 werden gestreut. Eine Parabel erzeugt parallele Lichtstrahlen. Ein Lichtstrahl, der vom Brennpunkt F einer Parabel ausgeht, die Parabel im Punkt P trifft und an dieser gespiegelt wird, verläuft dann senkrecht zur Leitlinie l. Die Tangente ist ja die Winkelsymmetrale der Gerade durch F und P und der Senkrechten auf die Leitlinie l durch P . Lichtstrahlen einer Lampe im Brennpunkt F werden an der Parabel so reflektiert, dass sie dann senkrecht zur Leitlinie, also parallel zueinander laufen. 66 Isometrien und Kegelschnitte 7. Tangentengleichung Wir suchen die Gleichung der Tangente im Punkt (x0 , y0 ) an einen Kegelschnitt in Hauptlage. Satz 106: Sei (x0 , y0 ) ein Punkt auf der Ellipse yy0 0 in diesem Punkt ist dann xx a2 + b2 = 1. x2 a2 2 + yb2 = 1. Die Gleichung der Tangente Beweis: Sei u der Vektor vom Punkt (x0 , y0 ) zum Brennpunkt (−e, 0) und v der Vektor vom Punkt (x0 , y0 ) zum Brennpunkt (e, 0). Die Tangente ist die Winkelsymmetrale der beiden Geraden durch den Punkt (x0 , y0 ) mit den Richtungsvektoren u und v, und zwar 1 1 u + ∥v∥ v die, die nicht in dem von diesen Vektoren gebildeten Winkel liegt. Daher ist ∥u∥ ein Normalvektor der Tangente. e−x0 0 Es gilt u = ( −e−x −y0 ) und v = ( −y0 ). Da das die Vektoren von einem Punkt auf der Ellipse zu den beiden Brennpunkten sind, muss ∥u∥ + ∥v∥ = 2a gelten. Um ∥u∥ − ∥v∥ zu berechnen, berechnen wir zuerst ∥u∥2 − ∥v∥2 = (e + x0 )2 + y02 − (e − x0 )2 − y02 = 4x0 e. Dividiert man links durch ∥u∥ + ∥v∥ und rechts durch 2a, was ja das gleiche ist, dann erhält man ∥u∥ − ∥v∥ = 2xa0 e . 1 1 u + ∥v∥ v ein Normalvektor der Tangente Wir haben bereits oben herausgefunden, dass ∥u∥ im Punkt (x0 , y0 ) an die Ellipse ist. Unter Verwendung obiger Resultate ist dieser gleich ( (−e−x0 )∥v∥+(e−x0 )∥u∥ ) ( x0 (∥u∥+∥v∥)−e(∥u∥−∥v∥) ) ( a2 x0 −e2 x0 ) 1 −1 −2 = ∥u∥·∥v∥ = a∥u∥·∥v∥ ∥u∥·∥v∥ −y0 ∥v∥−y0 ∥u∥ y0 (∥u∥+∥v∥) a2 y 0 2 Berücksichtigt man noch, dass a − e = b gilt, dann erhält man, dass auch ( ab 2xy00 ) ein Normalvektor der Tangente ist. Da die Tangente durch den Punkt (x0 , y0 ) geht, ist x20 y02 yy0 0 (x − x0 )b2 x0 + (y − y0 )a2 y0 = 0 ihre Gleichung. Umformen ergibt xx + = + 2 2 2 a b a b2 . Da 2 2 (x0 , y0 ) ein Punkt auf der Ellipse ist, gilt auch als Gleichung der Tangente. 2 x20 a2 y2 + b20 = 1. Damit erhält man xx0 a2 0 + yy b2 = 1 Ein analoges Resultat gilt für die Hyperbel. Satz 107: Sei (x0 , y0 ) ein Punkt auf der Hyperbel yy0 0 Tangente in diesem Punkt ist dann xx a2 − b2 = 1. x2 a2 − y2 b2 = 1. Die Gleichung der 1 1 Beweis: Der Beweis verläuft so wie beim vorigen Satz. Nur ist jetzt ∥u∥ u − ∥v∥ v ein 2x0 e Normalvektor der Tangente und es gilt ∥u∥ − ∥v∥ = 2a und ∥u∥ + ∥v∥ = a . (Am anderen Ast der Hyperbel muss man a durch −a ersetzen.) Bei der Parabel ist es einfacher. Satz 108: Sei (x0 , y0 ) ein Punkt auf der Parabel y 2 = 2px. Die Gleichung der Tangente in diesem Punkt ist dann yy0 = px + px0 . Beweis: Sei u der Vektor vom Punkt (x0 , y0 ) zum Brennpunkt ( p2 , 0) und v der Vektor vom Punkt (x0 , y0 ) normal zur Leitlinie und bis zu dieser. Da (x0 , y0 ) auf der Parabel liegt, sind diese beiden Vektoren gleich lang. Die Tangente ist die Winkelsymmetrale der beiden Geraden durch den Punkt (x0 , y0 ) mit den Richtungsvektoren u und v, und zwar die, die in dem von diesen Vektoren gebildeten Winkel liegt. Daher ist u − v ein Normalvektor p 1 −p−2x0 0 ) erhalten wir u − v = ( −y der Tangente. Wegen u = 21 ( p−2x ). Da −2y0 ) und v = 2 ( 0 0 die Tangente durch den Punkt (x0 , y0 ) geht, ist p(x − x0 ) − y0 (y − y0 ) = 0 ihre Gleichung. Wegen y02 = 2px0 wird das zu yy0 = px + px0 . Franz Hofbauer 67 Berührbedingungen: Gegeben ist ein Kegelschnitt und eine Gerade. Gesucht ist eine Bedingung dafür, dass die Gerade Tangente an den Kegelschnitt ist. Die Geradengleichung schreiben wir in der Form ux + vy = w mit u, v, w ∈ R. Eine Gerade, die durch den Nullpunkt geht, kann nicht Tangente einer Ellipse oder Hyperbel in Hauptlage sein, da yy0 xx0 a2 ± b2 = 1 die Tangentengleichung ist. Daher können wir in diesen Fällen w ̸= 0 annehmen und die Geradengleichung in der Form ux + vy = 1 schreiben. Satz 109: Die Gerade ux + vy = 1 ist Tangente an die Ellipse wenn u2 a2 + v 2 b2 = 1 gilt. x2 a2 + y2 b2 = 1 genau dann, Beweis: Wir nehmen an, dass ux + vy = 1 Tangente ist. Sei (x0 , y0 ) der Berührpunkt. Da x2 y2 yy0 0 er auf der Ellipse liegt, gilt a20 + b20 = 1. Die Tangentengleichung ist dann xx a2 + b2 = 1. Das ist dieselbe Gerade wie ux+vy = 1. Es gilt daher u = xa20 und v = yb20 . Es folgt x0 = a2 u 4 2 4 2 und y0 = b2 v. Setzt man das in die Ellipsengleichung ein, so hat man aau2 + b bv2 = 1. Durch Umformen erhält man u2 a2 + v 2 b2 = 1. Wir nehmen an, dass u2 a2 + v 2 b2 = 1 gilt. Sei x0 = a2 u und y0 = b2 v. Dann liegt der Punkt (x0 , y0 ) auf der Ellipse, da ja u2 a2 + v 2 b2 = 1 gilt. Die Gleichung der Tangente in yy0 0 diesem Punkt ist xx a2 + b2 = 1. Einsetzen von x0 und y0 und Kürzen ergibt ux + vy = 1. Damit ist gezeigt, dass diese Gerade Tangente ist. Satz 110: Die Gerade ux + vy = 1 ist Tangente an die Hyperbel wenn u2 a2 − v 2 b2 = 1 gilt. x2 a2 2 − yb2 = 1 genau dann, Beweis: Man muss im vorhergehenden Beweis nur b2 durch −b2 ersetzen. Satz 111: Die Gerade ux + vy = w ist Tangente an die Parabel y 2 = 2px genau dann, wenn v 2 p = −2uw gilt. Beweis: Wir nehmen an, dass ux + vy = w Tangente ist. Sei (x0 , y0 ) der Berührpunkt. Da er auf der Parabel liegt, gilt y02 = 2px0 . Die Tangentengleichung ist −px + yy0 = px0 . Das ist die Gerade ux + vy = w. Es gilt daher u = −λp, v = λy0 und w = λpx0 für ein pv λ ∈ R \ {0}. Es folgt u = ̸ 0 und λ = − up und daraus x0 = − w u und y0 = − u . Setzt man 2 2 2 das in die Parabelgleichung ein, so hat man puv2 = − 2pw u . Umformen ergibt v p = −2uw. Wir nehmen an, dass v 2 p = −2uw gilt. Es muss u ̸= 0 gelten, sonst wäre auch v null pv und wir hätten keine Geradengleichung mehr. Sei x0 = − w u und y0 = − u . Dann liegt der Punkt (x0 , y0 ) auf der Parabel, da ja v 2 p = −2uw gilt. Die Gleichung der Tangente in diesem Punkt ist yy0 = px + px0 . Setzt man x0 und y0 ein und formt um, dann erhält man ux + vy = w. Damit ist gezeigt, dass diese Gerade Tangente ist. Beispiel: Gesucht ist eine Ellipse in Hauptlage, die durch den Punkt (4, 65 ) geht und die Gerade 3x + 10y = 25 als Tangente hat. 2 2 36 Die Gleichung der Ellipse ist xa2 + yb2 = 1. Es gilt also a162 + 25b 2 = 1. Die Berührbedingung 3 2 9 2 4 2 2 2 2 2 ist u a + v b = 1. Da die Gerade 25 x + 5 y = 1 Tangente ist, gilt auch 625 a + 25 b = 1, 9 2 16 36 das heißt 25b2 = 625 − a . Setzt man das in die Gleichung + = 1 ein und formt 4 4 a2 25b2 4 2 um, so ergibt sich 9a − 625a + 10000 = 0. Löst man diese quadratische Gleichung, so 625 9 2 2 erhält man a2 = 25 und a2 = 400 9 als Lösungen. Aus der Gleichung 25b = 4 − 4 a folgt dann b2 = 4 im ersten und b2 = 94 im zweiten Fall. 2 2 2 2 4y Wir erhalten die Ellipsen mit Gleichungen x25 + y4 = 1 und 9x 400 + 9 = 1 als Lösungen. Beide gehen durch den Punkt (4, 65 ) und haben die Gerade 3x + 10y = 25 als Tangente. 68 Isometrien und Kegelschnitte 8. Tangenten von einem Punkt an einen Kegelschnitt Gegeben ist eine Ellipse mit Brennpunkten F1 und F2 , deren große Halbachse Länge a hat. Sei P ein Punkt, der außerhalb der Ellipse liegt. Die Tangenten vom Punkt P an die Ellipse sind zu konstruieren. Wir nehmen die im Beweis von Satz 103 H verwendete Methode zu Hilfe. Wir konstru∗ ieren zuerst den Punkt F1 . Er hat Abstand 2a von F2 und von jedem Punkt der Tangente P denselben Abstand wie F1 , da die Tangente ja die Symmetrale der Strecke F1 F1∗ ist. Somit liegt F1∗ auf dem Kreis mit Mittelpunkt F2 und Radius 2a und auf dem Kreis mit MitF1 F2 telpunkt P durch F1 . Diese beiden Kreise haben zwei Schnittpunkte G und H. Sie spieG len die Rolle des Punktes F1∗ . Die Symmetralen der Strecken F1 G und F1 H sind dann die beiden Tangenten durch P an die Ellipse. Ihre Berührpunkte sind die Schnittpunkte der Geraden ℓ(F2 , G) und ℓ(F2 , H) mit der Ellipse. Für die Hyperbel funktioniert dieselbe Konstruktion, da auch in diesem Fall der Punkt Abstand 2a von F2 hat und von jedem Punkt der Tangente denselben Abstand wie F1 . F1∗ Im Fall der Parabel ist es ein wenig anders. Spiegelt man den Brennpunkt F an H einer Tangente, dann erhält man einen Punkt E, der auf der Leitlinie l liegt. Das wird im Beweis von Satz 105 gezeigt. Insbesondere hat E von jedem Punkt der Tangente denselP ben Abstand wie F . Wir zeichnen den Kreis F mit Mittelpunkt P durch F . Dann muss E auf diesem Kreis und auf der Leitlinie liegen. Es gibt zwei Schnittpunkte G und H dieses G Kreises mit der Leitlinie l. Sie spielen die Rolle des Punktes E. Daher sind die Syml metralen der Strecken F G und F H die beiden Tangenten durch P an die Parabel. Ihre Berührpunkte sind die Schnittpunkte der Senkrechten auf l durch G und H mit der Parabel. Polare: Um die Gleichungen der Tangenten von einem Punkt (r, s) an einen Kegelschnitt zu berechnen, verwendet man eine Gerade, die Polare zum Punkt (r, s) genannt wird. Ihre Gleichung ist dieselbe wie die der Tangente, nur setzt man anstelle des Berührpunktes (x0 , y0 ) den Punkt (r, s) ein. Wir erhalten daher: 2 2 ys Für die Ellipse xa2 + yb2 = 1 ist xr a2 + b2 = 1 die Gleichung der Polare zum Punkt (r, s). 2 2 ys Für die Hyperbel xa2 − yb2 = 1 ist xr a2 − b2 = 1 die Gleichung der Polare zum Punkt (r, s). Für die Parabel y 2 = 2px ist ys = px + pr die Gleichung der Polare zum Punkt (r, s). Es gilt dann Franz Hofbauer 69 Satz 112: Sei (r, s) ein Punkt, der nicht auf dem Kegelschnitt liegt. Die Schnittpunkte der Polare zum Punkt (r, s) mit dem Kegelschnitt sind dann die Berührpunkte der Tangenten vom Punkt (r, s) aus an den Kegelschnitt. Hat die Polare keinen Schnittpunkt mit dem Kegelschnitt, dann existieren keine Tangenten vom Punkt (r, s) aus an den Kegelschnitt. 2 2 Beweis: Wir führen den Beweis nur für die Ellipse xa2 + yb2 = 1. Ist (x0 , y0 ) ein Schnittys y0 s x0 r punkt der Polare xr a2 + b2 = 1 mit der Ellipse, dann gilt a2 + b2 = 1. Das heißt, der Punkt (r, s) liegt auf der Tangente der Ellipse, die Berührpunkt (x0 , y0 ) hat. Es existiere eine Tangente vom Punkt (r, s) aus an die Ellipse. Ist (x0 , y0 ) ihr Berührpunkt, yy0 sy0 rx0 0 dann hat sie die Gleichung xx a2 + b2 = 1. Da (r, s) auf der Tangente liegt, gilt a2 + b2 = 1. Das aber heißt, dass (x0 , y0 ) ein Schnittpunkt der Polare mit der Ellipse ist. 2 2 Beispiel: Gesucht sind die Tangenten vom Punkt (1, 2) aus an die Ellipse x3 + 2y3 = 1. 2ys Die Gleichung der Polaren zum Punkt (r, s) ist xr 3 + 3 = 1. Für den Punkt (1, 2) erhält man x3 + 4y 3 = 1 oder x = 3 − 4y als Polare. Setzt man das in die Ellipsengleichung ein, so hat man (3 − 4y)2 + 2y 2 = 3 oder y 2 − 43 y + 13 = 0. Die Lösungen sind y1 = 1 und y2 = 13 , woraus x1 = −1 und x2 = 53 aus der Gleichung der Polaren folgt. Die Schnittpunkte der Polaren mit der Ellipse sind daher (−1, 1) und ( 53 , 13 ). 2y 5x Die Gleichungen der Tangenten in diesen Punkten sind dann − x3 + 2y 3 = 1 und 9 + 9 = 1. Sie gehen durch den Punkt (1, 2). Eindeutigkeit der Tangente: Es soll noch erwähnt werden, dass die Tangente in einem Punkt P an einen Kegelschnitt eindeutig ist. Neben der oben gefundenen Winkelsymmetrale gibt es keine andere Tangente durch den Punkt P . Wir zeigen das für die Ellipse. Sei P ein Punkt auf der Ellipse mit Brenng F1∗ punkten F1 und F2 , deren Hauptachse P Länge 2a hat. Sei g eine Gerade durch P , die nicht Winkelsymmetrale der Geraden Q ℓ(F1 , P ) und ℓ(F2 , P ) ist. Wir können annehmen, dass g die Strecke F1 F2 nicht schneidet, denn sonst geht sie ja durch das Innere der Ellipse und kann keine TanF1 F2 gente sein. Sei F1∗ der an g gespiegelte Punkt F1 . Dieser liegt auf der anderen Seite der Gerade g als F2 . Die Geraden g und ℓ(F2 , F1∗ ) haben einen Schnittpunkt Q. Da g nicht Winkelsymmetrale von ℓ(F1 , P ) und ℓ(F2 , P ) ist, liegt F1∗ nicht auf ℓ(F2 , P ). Es folgt |F1∗ F2 | < |F1∗ P | + |P F2 |. Da P und Q auf g liegen, erhalten wir |F1∗ Q| = |F1 Q| und |F1∗ P | = |F1 P |. Setzen wir das zusammen, dann ergibt sich |F1 Q| + |QF2 | = |F1∗ Q| + |QF2 | = |F1∗ F2 | < |F1∗ P | + |P F2 | = |F1 P | + |P F2 | = 2a Das aber bedeutet, dass Q im Innern der Ellipse liegt. Da Q auch auf g liegt, kann g keine Tangente sein. Mit einem ähnlichen Beweis kann man auch zeigen, dass nur eine Tangente in einem Punkt P an eine Hyperbel oder Parabel existiert. 70 Isometrien und Kegelschnitte 9. Hauptachsentransformation Wir untersuchen Kegelschnitte, die nicht in Hauptlage liegen. Sie sollen durch Drehungen und Translationen in Hauptlage gebracht werden. Um die Vektorschreibweise verwenden zu können, schreiben wir jetzt x1 und x2 anstelle von x und y und bezeichnen den Vektor ( xx12 ) mit x. Kurven in der Ebene stellt man allgemein durch Gleichungen f (x) = 0 dar, wobei f x2 x2 eine Funktion von R2 nach R ist. Für f (x1 , x2 ) = a21 + b22 − 1 ist die Kurve eine Ellipse und für f (x1 , x2 ) = x22 − px1 ist sie eine Parabel. Wir überlegen uns zuerst, wie sich die Gleichung einer Kurve verändert, wenn wir auf die Kurve eine Isometrie L anwenden. Satz 113: Sei f : R2 → R eine Funktion. Die Menge K = {x ∈ R2 : f (x) = 0} stellen wir uns als Kurve im R2 vor. Sei L : R2 → R2 eine Isometrie und g = f ◦ L. Für die Kurve K̃ = {x ∈ R2 : g(x) = 0} gilt dann L(K̃) = K. Die Isometrie L führt die neue Kurve K̃ in die alte Kurve K zurück. Beweis: Es gilt x ∈ K̃ ⇐⇒ g(x) = 0 ⇐⇒ f (L(x)) = 0 ⇐⇒ L(x) ∈ K. Damit ist x ∈ K̃ ⇐⇒ L(x) ∈ K gezeigt, das heißt L(K̃) = K. Wir untersuchen Kurven, die durch eine Gleichung f (x) = 0 gegeben sind, wobei f (x) ein Polynom in zwei Variablen vom Grad 2 ist, das heißt f (x1 , x2 ) = a1 x21 + a2 x22 + 2a3 x1 x2 + b1 x1 + b2 x2 + c mit rellen Koeffizienten a1 , a2 , a3 , b1 , b2 und c. Der Faktor 2 beim Koeffizienten a3 dient der bequemeren Darstellung. Mit Hilfe der Methode aus Satz 113 wollen wir herausfinden, welche Kurven das sind. Zuvor bringen mit Hilfe von Matrizen in eine bequemere Form. Wir ) dieses Polynom ( a1 wir a3 b1 setzen A = a3 a2 und b = ( b2 ). Dann gilt bt x = (b1 b2 )( xx12 ) = b1 x1 + b2 x2 und ) ( 2 2 3 x2 xt Ax = (x1 x2 ) aa13 aa32 ( xx12 ) = (x1 x2 )( aa13 xx11 +a +a2 x2 ) = a1 x1 + a3 x1 x2 + a3 x2 x1 + a2 x2 = a1 x21 + a2 x22 + 2a3 x1 x2 . Damit erhalten wir f (x) = xt Ax + bt x + c Indem wir Satz 113 mit einer geeigneten Drehung anwenden, versuchen wir, den Koeffizienten von x1 x2 in der Gleichung f (x) = 0 zum Verschwinden zu bringen. Wir nehmen daher an, dass a3(̸= 0 gilt, ) sonst ist ja nichts zu tun. Eine Drehung um den Nullpunkt hat u1 v1 eine Matrix R = u2 v2 , wobei u und v Vektoren der Länge 1 mit ⟨u, v⟩ = 0 sind. Nach Satz 113 ist f (Rx) = 0 die Kurve, die durch die Drehung um den Nullpunkt, deren Matrix R ist, in die vorliegende Kurve f (x) = 0 übergeht. Wegen (Rx)t = xt Rt erhalten wir f (Rx) = xt Rt ARx + bt Rx + c ( ) Wir bestimmen R so, dass Rt AR = λ01 λ02 gilt mit λ1 und λ2 in R. Dann erhalten wir nämlich xt Rt ARx = λ1 x21 + λ2 x22 , das heißt x1 x2 kommt nicht mehr vor. Die Matrix R hat die Spaltenvektoren u und v. Die Matrix Rt hat daher die ( uVektoren )u t Au ut Av t und v als Zeilen. Aus der Definition der Matrixmultiplikation folgt R AR = vt Au vt Av . Insbesondere hat die Matrix Rt AR Eintragung ut Av rechts oben und vt Au links unten. Es muss also ut Av = 0 und vt Au = 0 gelten, das heißt ⟨u, Av⟩ = 0 und ⟨v, Au⟩ = 0. Wegen ⟨u, v⟩ = 0 stehen Au und u senkrecht auf v, das heißt Au = λ1 u für ein λ1 ∈ R. Ebenso stehen Av und v senkrecht auf u, das heißt Av = λ2 v für ein λ2 ∈ R. Somit sind λ1 und λ2 Eigenwerte der Matrix A und u und v sind zugehörige Eigenvektoren. (∗) Franz Hofbauer 71 Da A eine symmetrische Matrix ist, sind λ1 und λ2 nach Satz 94 reell und verschieden und die Eigenvektoren u und v sind orthogonal. Da jedes Vielfache von u ebenfalls Eigenvektor zum Eigenwert λ1 ist, können wir den Vektor u so wählen, dass er Länge 1 hat. α Es existiert ein Winkel α mit u = ( cos sin α ). Da v senkrecht auf den Vektor u steht, ist der sin α Vektor w = ( −cos α ) ein Vielfaches von v. Da aber jedes Vielfache von v ebenfalls Eigen( α − sin α ) vektor zum Eigenwert λ2 ist, können wir v = w wählen. Wir erhalten R = cos sin α cos α . t t t t t t Da auch u =) u λ1 u = λ1 u u =(λ1 und) v Av = v λ2 v = λ2 v v = λ2 gilt, ergibt sich ( λAu 0 t 1 R AR = 0 λ2 . Wir setzen D = λ01 λ02 . Wenn wir diese Matrix R in (∗) verwenden, dann wird der Koeffizient von x1 x2 gleich null. Sei g(x) = f (Rx). Um herauszufinden, welche Kurve durch f (x) = 0 gegeben ist, genügt es, die neue Kurve g(x) = 0 zu untersuchen. Nach (∗) gilt g(x) = xt Rt ARx + bt Rx + c. Wir haben Rt AR bereits berechnet. Weiters ist bt R ein Zeilenvektor, den wir mit dt bezeichnen. Setzen wir das ein, dann erhalten wir g(x) = xt Dx + dt x + c = λ1 x21 + λ2 x22 + d1 x1 + d2 x2 + c Wir haben x1 x2 zum Verschwinden gebracht. Um die Gleichung g(x) = 0 in eine bekannte Form zu bringen, wenden wir eine Translation an. Wir behandeln zuerst den Fall λ1 ̸= 0 und λ2 ̸= 0. Um auf vollständige Quadrate d2 d1 , s = 2λ und e = λ1 r2 + λ2 s2 − c. Damit erhalten wir zu ergänzen, setzen wir r = 2λ 1 2 g(x) = λ1 (x21 + 2rx1 + r2 ) + λ2 (x22 + 2sx2 + s2 ) − e = λ1 (x1 + r)2 + λ2 (x2 + s)2 − e Sei h(x) = λ1 x21 +λ2 x22 −e und T (x) = x−( rs ). Dann gilt g(T (x)) = h(x). Die Translation T führt die Kurve h(x) = 0 über in die Kurve g(x) = 0. Die ursprüngliche Kurve f (x) = 0 erhält man durch eine Translation und eine Drehung aus der Kurve h(x) = 0. Diese ist λ1 x21 + λ2 x22 = e oder λ1 2 e x1 + λ2 2 e x2 =1 Sind λe1 und λe2 beide > 0, dann haben wir eine Ellipse. Ist eine dieser Zahlen positiv, die andere negativ, dann haben wir eine Hyperbel. Sind beide negativ, dann ist die Kurve die leere Menge. Ist e = 0, dann können wir gar nicht durch e dividieren. Haben in diesem Fall λ1 und λ2 gleiches Vorzeichen, dann besteht die Kurve nur aus einem Punkt. Haben sie verschiedenes Vorzeichen, dann besteht die Kurve aus zwei Geraden, die einander schneiden. Wir behandeln noch den Fall, dass λ1 oder λ2 gleich 0 ist, sagen wir es sei λ2 . Es sei aber λ1 ̸= 0, sonst ist g(x) = 0 ja nur eine Geradengleichung. Außerdem sei d2 ̸= 0, sonst kommt ja x2 gar nicht mehr vor. Dann würde die Kurve aus zwei oder einer zur x-Achse senkrechten Geraden bestehen oder die leere Menge sein. Wir haben dann g(x) = λ1 x21 + d1 x1 + d2 x2 + c Wir setzen r = d1 2λ1 , e = c − λ1 r2 und s = e d2 und ergänzen auf ein vollständiges Quadrat g(x) = λ1 (x21 + 2rx1 + r2 ) + d2 x2 + e = λ1 (x1 + r)2 + d2 (x2 + s) Sei h(x) = λ1 x21 + d2 x2 und T (x) = x − ( rs ). Dann gilt g(T (x)) = h(x). Die Translation T führt die Kurve h(x) = 0 über in die Kurve g(x) = 0. Die ursprüngliche Kurve f (x) = 0 erhält man durch eine Translation und eine Drehung aus der Kurve h(x) = 0. Diese ist x21 = Das ist die Gleichung einer Parabel. −d2 λ1 x2 72 Isometrien und Kegelschnitte Es folgen Beispiele für Hauptachsentransformationen. Wir kehren wieder zur gewohnten Schreibweise zurück und schreiben x und y anstelle von x1 und x2 . Beispiel: Welcher Kegelschnitt wird durch die Gleichung 6xy + 8y 2 − 24x − 52y + 71 = 0 dargestellt? Wir bringen ihn mit der oben beschriebenen Methode in Hauptlage. ( ) Wir haben A = 03 38 und bt = (−24 − 52). Das charakteristische Polynom der Matrix A √ 3 2 ist −λ 3 8−λ = −λ(8 − λ) − 9 = λ − 8λ − 9. Die Eigenwerte sind λ1,2 = 4 ± 25, das heißt λ Eigenvektoren sind Lösungen der Gleichungssysteme ( 1−9= 39 )und λ2 = −1. ( 1 Zugehörige ) 3 u = 0 und v = 0. Wir erhalten u = ( 13 ) und v = ( −3 1 ). Eigenvektoren 3 −1 3 9 1 −3 1 1 der Länge 1 sind dann √10 ( 3 ) und √10 ( 1 ). Diese beiden Vektoren sind die Spalten ) ( der Rotationsmatrix R. Wir erhalten also R = √110 13 −3 1 . Schließlich berechnen wir √ √ ( ) dt = bt R = (−24 − 52) √110 13 −3 = (−18 10 2 10). Wir erhalten den Kegelschnitt 1 √ √ 9x2 − y 2 − 18 10x + 2 10y + 71 = 0 der durch die Rotation mit Matrix R in den gegebenen Kegelschnitt übergeführt wird. In dieser Gleichung müssen wir auf vollständige Quadrate ergänzen. Das führt zu √ √ √ √ 9(x2 − 2 10x + 10) − (y 2 − 2 10y + 10) − 80 + 71 = 0 oder 9(x − 10)2 − (y − 10)2 = 9 √ Wir erhalten die Gleichung x2 − 19 y 2 = 1, die durch die Translation mit dem Vektor 10 ( 11 ) in die vorherige übergeht. Das ist eine Hyperbel in Hauptlage mit a = 1 und b = 3. Beispiel: Wir ändern im letzten Beispiel nur die Konstante 71 auf 80. Das ergibt die Gleichung 6xy + 8y 2 − 24x − 52y + 80 = 0. Dieselbe Rechnung wie oben führt dann zu √ √ √ √ 9(x2 − 2 10x + 10) − (y 2 − 2 10y + 10) − 80 + 80 = 0 oder 9(x − 10)2 − (y − 10)2 = 0 und schließlich zu 9x2 − y 2 = 0. Das ist äquivalent zu (3x − y)(3x + y) = 0. Die Kurve besteht aus den beiden Geraden 3x − y = 0 und 3x + y = 0. Die ursprüngliche Kurve erhält man daraus durch eine Translation und eine Drehung. Daher besteht sie ebenfalls aus zwei Geraden, die einander schneiden. Beispiel: Welcher Kegelschnitt wird durch die folgende Gleichung gegeben x2 + 2xy + y 2 + 6x + 2y = 0 ( ) Wir haben A = 11 11 und bt = (6 2). Das charakteristische Polynom der Matrix A ist 1−λ 1 2 2 sind λ1 = 0 und λ2 = 2. Die 1 1−λ = (1 − λ) − 1 = λ − 2λ. Die Eigenwerte (1 1) ( ) 1 Eigenvektoren sind Lösungen der Gleichungssysteme 1 1 u = 0 und −1 1 −1 v = 0. Wir 1 1 erhalten u = ( −1 ) und v = ( 11 ). Eigenvektoren der Länge 1 sind dann √12 ( −1 ) und ( 1 1) 1 1 1 √ ( ). Sie sind die Spalten der Rotationsmatrix R, das heißt R = √ . Schließlich 2 1 2 −1 1 √ √ ( ) 1 1 berechnen wir dt = bt R = (6 2) √12 −1 1 = (2 2 4 2). Wir erhalten den Kegelschnitt √ √ √ √ 2y 2 + 2 2x + 4 2y = 0 oder y 2 + 2x + 2 2y = 0 der durch die Rotation mit Matrix R in den gegebenen Kegelschnitt übergeführt wird. In dieser Gleichung müssen wir auf ein vollständiges Quadrat ergänzen. Das führt zu √ √ √ √ √ (y 2 + 2 2y + 2) + 2x − 2 = 0 oder (y + 2)2 + 2(x − 2) = 0 √ 2 Schließlich erhalten wir die Gleichung y + 2x = 0, die durch die Translation mit Vektor √ 1 2 ( −1 ) in die vorherige übergeht. Das ist eine Parabel in Hauptlage mit p = − √12 . Franz Hofbauer 73 10. Leitlinie und Polarkoordinaten Üblicherweise werden die Kegelschnitte unterschiedlich definiert. Während Ellipse und Hyperbel mit Hilfe von zwei Brennpunkten definiert werden, wird bei der Parabel ein Brennpunkt und eine Leitlinie verwendet. Man kann jedoch die Kegelschnitte auch einheitlich mit Hilfe eines Brennpunktes und einer Leitlinie definieren. Seien c und d reelle Zahlen. Sei (c, 0) der Brennpunkt F und die Senkrechte zur x-Achse durch (d, 0) sei die Leitlinie l. Sei weiters v > 0. Wir suchen die Menge aller Punkte (x, y), deren Abstand zum Brennpunkt F das v-fache ihres√Normalabstandes zur Leitlinie l ist. Der Abstand von (x, y) zum Brennpunkt (c, 0) ist (x − c)2 + y 2 . Der Normalabstand von (x, y) zur Leitlinie l ist |x − d|. Wir erhalten daher die Gleichung √ (x − c)2 + y 2 = v|x − d| oder (x − c)2 + y 2 = v 2 (x − d)2 Ausquadrieren und Zusammenfassen ergibt (∗) x2 (1 − v 2 ) + 2x(v 2 d − c) + c2 − v 2 d2 + y 2 = 0 Wir unterscheiden die Fälle v = 1 und v ̸= 1. Parabel: Im Fall v = 1 ist der Abstand des Punktes (x, y) zum Brennpunkt und zur Leitlinie gleich groß. Das ist die Definition der Parabel, die wir schon früher hatten. Setzt man v = 1 in die Gleichung (∗) ein, so ergibt sich 2x(d − c) + c2 − d2 + y 2 = 0 oder y 2 = 2(c − d)(x − c+d 2 ) Hier sieht man ebenfalls, dass eine Parabel vorliegt, die durch eine Translation in Hauptlage übergeführt werden kann. Man hat dann die Gleichung y 2 = 2(c − d)x. Ellipse und Hyperbel: Sei jetzt v ̸= 1. In diesem Fall kann man die Gleichung ( ∗ ) weiter umformen. Ergänzen auf ein vollständiges Quadrat ergibt 2 2 2 d−c v d−c 2 (1 − v 2 )(x2 + 2x v1−v = v 2 d2 − c2 + 2 + ( 1−v 2 ) ) + y (v 2 d−c)2 1−v 2 Rechnet man die rechte Seite aus und fasst zusammen, so erhält man (1 − v 2 )(x + v 2 d−c 2 1−v 2 ) + y2 = v 2 (d−c)2 1−v 2 Dividiert man noch durch die rechte Seite, so hat man (1−v 2 )2 v 2 (d−c)2 (x + v 2 d−c 2 1−v 2 ) + 1−v 2 v 2 (d−c)2 y2 = 1 Durch eine entsprechende Translation kann man den Kegelschnitt in Hauptlage bringen (1−v 2 )2 2 v 2 (d−c)2 x 2 + 1−v 2 v 2 (d−c)2 y2 = 1 Man sieht, dass der Koeffizient von x immer > 0 ist, der Koeffizient von y 2 kann beide Vorzeichen haben. Gilt 0 < v < 1, dann ist auch der Koeffizient von y 2 positiv. Es liegt eine Ellipse vor 2 2 2 2 2 2 (d−c)2 (d−c)2 2 = v 1−v . Es folgt ab 2 = 1 − v 2 und daraus v 2 = a a−b = ae2 , mit a2 = v(1−v 2 )2 und b 2 2 2 4 2 b b also v = ae . Weiters folgt (d − c)2 = b2 1−v v 2 = e2 , das heißt |d − c| = e . Bei der Ellipse 2 ist der Abstand von Brennpunkt und Leitlinie gleich be und der Quotient v gleich ae . Gilt v > 1, dann ist der Koeffizient von y 2 negativ. Es liegt eine Hyperbel vor mit 2 2 2 2 2 2 2 (d−c)2 2 a2 = v(1−v = v v(d−c) . Es folgt ab 2 = v 2 − 1 und daraus v 2 = a a+b = ae2 , also 2 )2 und b 2 −1 2 = eb2 , das heißt |d − c| = be . Auch bei wieder v = ae . Weiters folgt (d − c)2 = b2 v v−1 2 2 der Hyperbel ist der Abstand von Brennpunkt und Leitlinie gleich be und der Quotient v gleich ae . Nur ist ae im Gegensatz zur Ellipse jetzt > 1. 2 4 2 74 Isometrien und Kegelschnitte Bei einer Ellipse zeichnet man links vom linken Brennpunkt F1 und rechts vom rechten 2 Brennpunkt F2 jeweils im Abstand be senkrecht zur Hauptachse eine Leitlinie. Die Ellipse ist dann die Menge aller Punkte, deren Abstand zum Brennpunkt F1 das ae -fache des Abstandes zur Leitlinie l1 beträgt. Genau dieselbe Aussage gilt auch für F2 und l2 . F1 F1 F2 F2 l1 l2 l1 l2 Bei einer Hyperbel zeichnet man rechts vom linken Brennpunkt F1 und links vom rechten 2 Brennpunkt F2 jeweils im Abstand be senkrecht zur Hauptachse eine Leitlinie. Die Hyperbel ist dann die Menge aller Punkte, deren Abstand zum Brennpunkt F1 das ae -fache des Abstandes zur Leitlinie l1 beträgt. Genau dieselbe Aussage gilt auch für F2 und l2 . Polarkoordinaten: Anstatt durch die Koordinaten x und y wird ein Punkt P dargestellt durch seinen Abstand r vom Nullpunkt O und durch den Winkel φ zwischen der positiven −→ x-Achse und dem Vektor OP . Die Umrechnung erfolgt durch die Formeln x = r cos φ und y = r sin φ. Es soll eine Polarkoordinatendarstellung der Kegelschnitte gefunden werden, bei der ein Brennpunkt im Nullpunkt O liegt. Wir nehmen an, dass d > 0 gilt und die Leitlinie senkrecht zur x-Achse durch (d, 0) verläuft. Der Brennpunkt O liegt links von der Leitlinie. Wir wissen bereits, dass dann im Fall einer Ellipse oder Parabel die gesamte Kurve, im Fall einer Hyperbel jedoch nur der linke Ast links von der Leitlinie liegt. Ein Punkt P , der Polarkoordinaten r und φ hat und links von der Leitlinie liegt, hat Abstand r vom Brennpunkt, der ja im Nullpunkt liegt, und Abstand d − r cos φ von der Leitlinie. Ein Punkt liegt auf dem Kegelschnitt, wenn diese Abstände Verhältnis v haben. Die Kegelschnittgleichung ist daher r = v(d − r cos φ) oder r= vd 1+v cos φ Für 0 < v < 1 stellt diese Gleichung eine Ellipse dar, für v = 1 eine Parabel und für v > 1 den linken Ast einer Hyperbel. (Bei der Hyperbel läuft φ nur in dem Intervall für das cos φ > − v1 gilt, das ist das Intervall (− arccos(− v1 ), arccos(− v1 )), sonst ist r negativ.) Will man den rechten Ast der Hyperbel erhalten, dann muss man Punkte rechts von der Leitlinie betrachten. Ein Punkt P , der Polarkoordinaten r und φ hat und rechts von der Leitlinie liegt, hat Abstand r vom Brennpunkt und Abstand r cos φ − d von der Leitlinie. Die Kegelschnittgleichung ist daher r = v(r cos φ − d) oder r= vd v cos φ−1 Für v ≤ 1 gibt es keinen Punkt, der diese Gleichung erfüllt, da r ja größer als 0 sein muss. (Ellipse und Parabel liegen zur Gänze links von der Leitlinie.) Für v > 1 stellt diese Gleichung den rechten Ast einer Hyperbel dar. (Dabei läuft φ nur in dem Intervall für das cos φ > v1 gilt, das ist das Intervall (− arccos v1 , arccos v1 ), sonst ist r negativ.) Franz Hofbauer 75 11. Flächen zweiter Ordnung Eine Kurve im R2 kann man durch eine Gleichung g(x, y) = 0 darstellen, wobei g eine Funktion von R2 nach R ist. Eine Kurve zweiter Ordnung erhält man, wenn g(x, y) ein Polynom zweiten Grades in zwei Variablen ist. Diese hat dann eine Gleichung der Form a1 x2 + a2 y 2 + 2a3 xy + b1 x + b2 y + c = 0 mit rellen Koeffizienten a1 , a2 , a3 , b1 , b2 und c. Wir wissen bereits, dass diese Kurven, abgesehen von Grenzfällen, Kegelschnitte sind. Eine Fläche im R3 kann man durch eine Gleichung f (x, y, z) = 0 darstellen, wobei f eine Funktion von R3 nach R ist. Für f (x, y, z) = 3x + 2y − 6z + 3 hat man eine Ebene und für f (x, y, z) = x2 + y 2 + z 2 − 1 die Oberfläche einer Kugel. Eine Fläche zweiter Ordnung erhält man, wenn f (x, y, z) ein Polynom zweiten Grades in drei Variablen ist. Ein Beispiel dafür ist die Kugeloberfläche. Eine Fläche zweiter Ordnung hat eine Gleichung der Form a1 x2 + a2 y 2 + 2a3 xy + a4 z 2 + 2a5 xz + 2a6 yz + b1 x + b2 y + b3 z + c = 0 mit rellen Koeffizienten a1 , a2 , a3 , a4 , a5 , a6 , b1 , b2 , b3 und c. Um herauszufinden, wie Flächen zweiter Ordnung aussehen, kann man genauso wie für Kurven zweiter Ordnung eine Hauptachsentransformation durchführen. Dadurch bringt man die Fläche in Hauptlage. Abgesehen von Grenzfällen (ein Punkt, eine Gerade, eine Ebene, ein Ebenenpaar, die Mantelfläche eines elliptischen, hyperbolischen oder parabolischen Zylinders, die Mantelfläche eines elliptischen Doppelkegels) können dabei fünf verschiedene Arten von Flächen auftreten. Diese werden im Folgenden besprochen. Um eine Vorstellung zu bekommen, wie diese Flächen aussehen, werden wir sie aus Kegelschnitten erzeugen. Hat man eine Kurve K im R2 , dann kann man diese um die x-Achse rotieren. Dadurch entsteht eine Rotationsfläche F . Ist g(x, y) = 0 eine Gleichung der Kurve K, dann gilt √ √ (x, y, z) ∈ F ⇐⇒ (x, y 2 + z 2 ) ∈ K oder (x, − y 2 + z 2 ) ∈ K √ √ ⇐⇒ g(x, y 2 + z 2 ) = 0 oder g(x, − y 2 + z 2 ) = 0 Wir werden Rotationsflächen für Kegelschnitte bilden. Da in den Kegelschnittgleichungen y ohnehin nur als y 2 vorkommt, ist das Vorzeichen der √ zweiten Variable in g unerheblich. Die Gleichung für die Rotationsfläche ist dann g(x, y 2 + z 2 ) = 0. Wir üben eine Streckung mit Faktor u in Richtung der z-Achse auf eine Fläche F mit Gleichung f (x, y, z) = 0 aus. Der Punkt (x, y, z) erfüllt die Gleichung f (x, y, z) = 0 genau dann, wenn der Punkt (x, y, uz) die Gleichung f (x, y, uz ) = 0 erfüllt. Somit ist f (x, y, uz ) = 0 die Gleichung der in z-Richtung um den Faktor u gestreckten Fläche F . Diese beiden Operationen, die Rotation um die x-Achse und die Streckung der so erhaltenen Fläche in z-Richtung, wenden wir auf Kegelschnitte an. Man kann sich dann gut vorstellen, wie die Fläche aussieht, die man dadurch erhält. Eine andere Möglichkeit, sich eine Vorstellung von einer Fläche zu machen, sind Höhenschichtlinien. Das sind die Kurven, die man erhält, wenn man die Fläche mit den Ebenen senkrecht zur z-Achse schneidet. Da diese Ebenen Gleichungen der Form z = d mit d ∈ R haben, sind Höhenschichtlinien leicht zu bestimmen. (Das entspricht den Höhenschichtlinien, die in einer Landkarte eingezeichnet sind.) Man kann aber genauso die Schnittkurven der Fläche mit Ebenen senkrecht zur x-Achse oder senkrecht zur y-Achse berechnen. 76 Isometrien und Kegelschnitte Ellipsoid: Die Gleichung einer Ellipse in Hauptlage ist y2 y2 x2 x2 a2 + b2 = 1. Das ist g(x, y) = 0 mit g(x, y) = a2 + b2 − 1. Die Ellipse rotiert um hat √ die x-Achse. Die Rotationsfläche y2 x2 z2 2 2 die Gleichung g(x, y + z ) = 0, das ist a2 + b2 + b2 = 1. Die Schnitte dieser Rotationsfläche senkrecht zur x-Achse sind Kreise. Um das zu ändern, üben wir eine Streckung mit Faktor u in Richtung der z-Achse auf die Rotations2 2 2 fläche aus. Das gibt die Fläche mit Gleichung xa2 + yb2 + uz2 b2 = 1. Mit c = ub wird das zu x2 a2 + y2 b2 + z2 c2 =1 Diese Fläche nennt man ein Ellipsoid. Die Längen der Halbachsen sind a, b und c. Wir bestimmen noch die Höhenschichtlinien. Wir schneiden mit Ebenen senkrecht zur z-Achse. Die Gleichung so einer Ebene ist z = d mit d ∈ R. Die Schnittkurve hat die 2 2 2 Gleichung xa2 + yb2 = 1 − dc2 . Für |d| < c ist das eine Ellipse, für |d| = c besteht die Kurve nur aus einem Punkt, und für |d| > c ist die Schnittmenge leer. Die Schnitte senkrecht zur x-Achse und senkrecht zur y-Achse ergeben ebenfalls Ellipsen. Zweischaliges Hyperboloid: Die Gleichung einer Hyper2 2 bel in Hauptlage ist xa2 − yb2 = 1. Das ist g(x, y) = 0 mit 2 2 g(x, y) = xa2 − yb2 − 1. Die Hyperbel rotiert um die x-Achse. √ Die Rotationsfläche hat die Gleichung g(x, y 2 + z 2 ) = 0, 2 2 2 das ist xa2 − yb2 − zb2 = 1. Wir üben eine Streckung mit Faktor u in Richtung der z-Achse auf die Rotationsfläche aus und 2 2 2 erhalten die Fläche mit Gleichung xa2 − yb2 − uz2 b2 = 1. Setzen wir c = ub, dann ergibt sich x2 a2 − y2 b2 − z2 c2 =1 Diese Fläche nennt man ein zweischaliges Hyperboloid. Wir schneiden mit Ebenen senkrecht zur z-Achse. Die Gleichung so einer Ebene ist z = d 2 2 2 mit d ∈ R. Die Schnittkurve hat die Gleichung xa2 − yb2 = 1 + dc2 . Das ist eine Hyperbel. Schnitte senkrecht zur y-Achse ergeben ebenfalls Hyperbeln. Schneiden wir jedoch mit einer Ebene senkrecht zur x-Achse, die ja die Gleichung x = d hat, dann erhalten wir y2 z2 d2 b2 + c2 = a2 − 1 als Schnittkurve. Für |d| > a ist das eine Ellipse, für |d| = a besteht die Kurve nur aus einem Punkt, und für |d| < a ist die Schnittmenge leer. Einschaliges Hyperboloid: Liegen die Brennpunkte der 2 2 Hyperbel auf der y-Achse, dann ist − xa2 + yb2 = 1 ihre Gleichung. Wir rotieren diese Hyperbel um die x-Achse. 2 2 2 Die Rotationsfläche hat die Gleichung − xa2 + yb2 + zb2 = 1. Eine Streckung in Richtung der z-Achse führt zur Gleichung 2 − xa2 + y2 b2 + z2 c2 =1 Diese Fläche nennt man ein einschaliges Hyperboloid. Schneiden wir diese Fläche senkrecht zur z-Achse, so ergibt sich eine Schnittkurve mit 2 2 2 der Gleichung − xa2 + yb2 = 1 − dc2 . Das ist eine Hyperbel (für |d| = c ein Geradenpaar). Schnitte senkrecht zur y-Achse ergeben ebenfalls Hyperbeln. Schneiden wir aber senkrecht 2 2 2 zur x-Achse dann ist yb2 + zc2 = ad2 + 1 die Schnittkurve. Das ist immer eine Ellipse. Franz Hofbauer 77 Elliptisches Paraboloid: Die Parabelgleichung in Hauptlage ist y 2 = 2px. Das ist g(x, y) = 0 mit g(x, y) = y 2 − 2px. Die Parabel rotiert√um die x-Achse. Die Rotationsfläche hat die Gleichung g(x, y 2 + z 2 ) = 0, das ist y 2 + z 2 = 2px. Wir wenden wieder eine Streckung mit Faktor u in Richtung der 2 z-Achse an und erhalten die Gleichung y 2 + uz 2 = 2px. Setzen √ √ wir a = p und b = u p, dann ergibt sich die Gleichung y2 a2 + z2 b2 = 2x Diese Fläche nennt man ein elliptisches Paraboloid. Schneiden wir diese Fläche senkrecht zur z-Achse, so ergibt sich eine Schnittkurve mit d2 der Gleichung y 2 = 2a2 (x − 2b 2 ). Das ist eine Parabel. Schnitte senkrecht zur y-Achse ergeben ebenfalls Parabeln. Schneiden wir jedoch mit einer Ebene senkrecht zur x-Achse 2 2 dann erhalten wir ay2 + zb2 = 2d als Schnittkurve. Für d > 0 ist das eine Ellipse, für d = 0 besteht die Kurve nur aus einem Punkt, und für d < 0 ist die Schnittmenge leer. Hyperbolisches Paraboloid: Diese Fläche kann man nicht durch Rotation erzeugen. Sie hat die Gleichung (bei einem elliptischen Paraboloid stimmt die linke Seite der Gleichung mit der einer Ellipse überein, bei einem hyperbolischen Paraboloid mit der einer Hyperbel) y2 a2 − z2 b2 = 2x Man kann sich an Hand der Höhenschichtlinien eine Vorstellung bilden, wie diese Fläche aussieht. Schneiden wir sie senkrecht zur z-Achse, so ergibt sich eine Schnittkurve mit der d2 Gleichung y 2 = 2a2 (x + 2b 2 ). Das ist eine Parabel. Ein Schnitt senkrecht zur y-Achse d2 ergibt eine Schnittkurve mit der Gleichung z 2 = −2b2 (x − 2a 2 ). Das ist ebenfalls eine Parabel. Schneiden wir jedoch mit einer Ebene senkrecht zur x-Achse dann erhalten wir y2 z2 a2 − b2 = 2d als Schnittkurve. Das ist eine Hyperbel (für d = 0 ein Geradenpaar). Die Fläche hat die Form eines Sattels. (Man schaut auf den Sattel, wenn man von einem Punkt der x-Achse in Richtung Nullpunkt blickt.) Im letzten Kapitel haben wir die Menge aller Punkte im R2 bestimmt, deren Abstände zu einem vorgegebenen Punkt und zu einer vorgegebenen Gerade in einem festen Verhältnis zueinender stehen. Wir versuchen jetzt, solche Mengen im R3 zu bestimmen. Da gibt es natürlich mehr Möglichkeiten. Zwei Punkte: Wir wählen A = (1, 0, 0) und B = (−1, 0, 0). Sei v ∈ (0, 1) ∪ (1, ∞) |P A| vorgegeben. Wir suchen die Menge aller Punkte P = (x, y, z), für die |P B| = v gilt. 2 2 2 2 2 2 2 2 Wegen |P A| = (x − 1) + y + z und |P B| = (x + 1) + y + z erfüllen diese Punkte die Gleichung (x − 1)2 + y 2 + z 2 = v 2 ((x + 1)2 + y 2 + z 2 ). Durch Umformen erhalten wir (x − 1+v 2 2 1−v 2 ) + y2 + z2 = 4v 2 (1−v 2 )2 Das ist die Gleichung einer Kugel, deren Mittelpunkt auf der x-Achse liegt. Die gesuchte Punktmenge ist somit die Oberfläche einer Kugel. Im Folgenden bezeichnet d(P, g) den Normalabstand des Punktes P von der Gerade g und d(P, ε) den Normalabstand des Punktes P von der Ebene ε. Punkt und Gerade: Wir wählen den Punkt A = (0, 1, 0) und als Gerade g die x-Achse. |P A| Sei v ∈ (0, ∞). Wir suchen die Menge aller Punkte P = (x, y, z), für die d(P,g) = v gilt. 78 Isometrien und Kegelschnitte Wegen |P A|2 = x2 +(y −1)2 +z 2 und d(P, g)2 = y 2 +z 2 erfüllen diese Punkte die Gleichung x2 + (y − 1)2 + z 2 = v 2 (y 2 + z 2 ) Für v = 1 erhalten wir x2 = 2y − 1. Das ist die Gleichung einer Parabel in der x-y-Ebene. Die gesuchte Menge besteht aus allen Punkten, die über dieser Parabel liegen. Das ist ein parabolischer Zylinder. Für v ̸= 1 erhalten wir durch Umformen der obigen Gleichung 1−v 2 2 v2 x (∗) + (1−v 2 )2 (y v2 − 2 1 1−v 2 ) + Eine Translation bringt diese Fläche in Hauptlage Nun gilt (1−v 2 )2 v2 (1−v 2 )2 2 z v2 1−v 2 2 v2 x + =1 (1−v 2 )2 2 y v2 2 1−v v 2 > 0. Die Fläche ist 2 (1−v 2 )2 2 2 Ellipse 1−v x + y =1 2 v v2 > 0. Im Fall v < 1 gilt auch + (1−v 2 )2 2 z v2 = 1. ein Ellipsoid, das durch Rotation um die x-Achse aus der entsteht. Im Fall 1−v 2 v > 1 gilt v2 < 0. Die Fläche ist ein einschaliges Hyperboloid, das durch Rotation um 2 2 (1−v ) 2 2 die x-Achse aus der Hyperbel − v v−1 y = 1 entsteht. Sowohl die Ellipse als 2 x + v2 v2 auch die Hyperbel hat Brennweite 1−v2 . Es folgt, dass der Kegelschnitt, den man erhält, wenn man die Fläche (∗) mit der x-y-Ebene schneidet, den Punkt A als Brennpunkt hat. 2 Zwei Geraden: Wir nehmen an, dass die beiden Geraden keinen Schnittpunkt haben, jedoch zueinander senkrecht dass ( 1 ) stehen. ( 0 ) Wir legen sie so ins Koordinatensystem, ( −1 ) ( 0 )g die 0 Parameterdarstellung 0 + t 0 und h die Parameterdarstellung + t 1 hat. 0 1 0 0 d(P,g) Sei v ∈ (0, ∞). Wir suchen die Menge aller Punkte P = (x, y, z), für die d(P,h) = v gilt. 2 2 2 2 2 2 Wegen d(P, g) = (x − 1) + y und d(P, h) = (x + 1) + z erhalten wir die Gleichung (x − 1)2 + y 2 = v 2 ((x + 1)2 + z 2 ) Für v = 1 ergibt sich die Gleichung y 2 − z 2 = 4x. Das ist ein hyperbolisches Paraboloid. Für v = ̸ 1 erhalten wir durch entsprechnde Umformungen der obigen Gleichung (1−v 2 )2 4v 2 (x − 1+v 2 2 1−v 2 ) + 1−v 2 2 4v 2 y Eine Translation bringt diese Fläche in Hauptlage (1−v 2 )2 4v 2 − 1−v 2 2 4 z (1−v 2 )2 2 4v 2 x 2 + =1 1−v 2 2 4v 2 y − 1−v 2 2 4 z = 1. Nun gilt > 0. Im Fall v < 1 ist der Koeffizient von y positiv und der von z 2 negativ. Im Fall v > 1 ist es umgekehrt. In beiden Fällen haben wir ein einschaliges Hyperboloid. 2 2 ) 1−v 2 2 2 Im Fall v < 1 entsteht es durch Rotation der Hyperbel (1−v 4v 2 x − 4 z = 1 um die z-Achse und anschließender Streckung in Richtung y-Achse. Im Fall v > 1 entsteht es 2 2 ) v 2 −1 2 2 durch Rotation der Hyperbel (1−v 4v 2 x − 4v 2 y = 1 um die y-Achse und anschließender Streckung in Richtung z-Achse. Gerade und Ebene: Wir nehmen an, dass die Gerade und die Ebene nicht parallel liegen. Wir legen sie so ins Koordinatensystem, dass der Nullpunkt ihr Schnittpunkt ist, (a) dass die Ebene ε Normalvektor b hat und dass die Gerade g in der x-y-Ebene liegt und 0 dort Normalvektor ( ab ) hat. Wir nehmen a > b > 0 und a2 + b2 = 1 an. Wir suchen die Menge aller Punkte P = (x, y, z), für die d(P, ε) = d(P, g) gilt. Wegen d(P, ε) = |ax + by| und d(P, g)2 = (bx + ay)2 + z 2 erhalten wir die Gleichung (ax + by)2 = (bx + ay)2 + z 2 oder x2 − y 2 − z2 a2 −b2 =0 Die Gleichung x2 −y 2 = 0 stellt ein Geradenpaar dar, nämlich die beiden Diagonalen in der x-y-Ebene. Rotation um die x-Achse und anschließende Streckung in z-Richtung führen 2 zu x2 − y 2 − a2z−b2 = 0. Diese Gleichung stellt somit einen elliptischen Doppelkegel dar. V. Lineare Gleichungssysteme 1. Das Gaußsche Eliminationsverfahren Lineare Gleichungssysteme mit zwei Gleichungen und zwei Variablen sind leicht lösbar. Bei drei Variablen (oder mehr) ist das schwieriger. Da ist es besser, ein systematisches Verfahren anzuwenden, nämlich das sogenannte Gaußsche Eliminationsverfahren. Durch Äquivalenzumformungen (das sind Umformungen, die die Lösungsmenge nicht ändern) wird das Gleichungssystem in eine Form gebracht, die eine direkte Auflösung zulässt. Grundlegend für das Gaußsche Eliminationsverfahren ist folgende Äquivalenzumformung: Das a-fache einer Gleichung, wobei a eine relle Zahl ist, wird zu einer anderen Gleichung addiert. Das ist eine Äquivalenzumformung. Die Gleichung, deren a-faches man addiert hat, ist ja immer noch vorhanden. Daher kann man das a-fache dieser Gleichung auch wieder subtrahieren und so zum ursprünglichen Gleichungssystem zurückkehren. Das zeigt, dass sich die Lösungsmenge des linearen Gleichungssystems durch solche Umformungen nicht ändert. Durch systematisches Anwenden dieser Äquivalenzumformung wird die erste Variable aus allen Gleichungen eliminiert, außer der ersten, und die zweite Variable aus allen Gleichungen außer den ersten beiden. Je nach Anzahl der Gleichungen und Variablen setzt man das Verfahren fort. Wir bleiben vorläufig bei drei Variablen und drei Gleichungen und führen dieses Verfahren für folgendes Beispiel durch. 2x1 − 2 x2 − 3 x3 = −2 −4x1 + 6 x2 + 5 x3 = 0 4x1 + 2 x2 − x3 = 0 Die erste Variable soll aus der zweiten und dritten Gleichung durch Addition geeigneter Vielfachen der ersten Gleichung eliminiert werden. Damit die erste Variable aus der zweiten Gleichung verschwindet, addieren wir das 2-fache der ersten Gleichung zur zweiten. Damit die erste Variable aus der dritten Gleichung verschwindet, addieren wir das (−2)-fache der ersten Gleichung zur dritten. Dadurch erhalten wir folgendes Gleichungssystem 2x1 − 2x2 − 3 x3 = −2 2x2 − x3 = −4 6x2 + 5 x3 = 4 Jetzt lassen wir die erste Gleichung aus dem Spiel. Damit die zweite Variable aus der dritten Gleichung verschwindet, addieren wir das (−3)-fache der zweiten Gleichung zur dritten Gleichung. Dadurch erhalten wir folgendes Gleichungssystem 2x2 − 2x2 − 3 x3 = −2 2x2 − x3 = −4 8 x3 = 16 Damit ist der erste Teil des Gaußschen Eliminationsverfahrens abgeschlossen. Wir haben das Gleichungssystem in Dreiecksgestalt gebracht. Der zweite Teil des Verfahrens besteht nun darin, dieses Gleichungssystem schrittweise von unten nach oben zu lösen. Die dritte Gleichung ist 8 x3 = 16, woraus x3 = 2 folgt. 80 Lineare Gleichungssysteme Die zweite Gleichung ist 2 x2 − x3 = −4, woraus 2 x2 = −4 + x3 = −2 und dann x2 = −1 folgt. Die erste Gleichung ist 2 x1 − 2 x2 − 3 x3 = −2, woraus 2 x1 = −2 + 2 x2 + 3 x3 = 2 und dann x1 = 1 folgt. Es gibt eine eindeutige Lösung. Die Lösungsmenge besteht nur aus dem Punkt (1, −1, 2). Geometrische Interpretation: Die Gleichungen des ursprünglichen Gleichungssystems kann man als Gleichungen dreier Ebenen auffassen. Diese drei Ebenen haben genau einen Punkt gemeinsam. Wir versuchen ein weiteres Beispiel mit dem Gaußschen Eliminationsverfahren zu lösen. − x2 + x3 = 2 x1 + 3 x2 + 2 x3 = 2 2x1 + 3 x2 + 7 x3 = 10 Wir können nicht beginnen, da x1 in der ersten Gleichung nicht vorkommt. In so einem Fall vertauscht man zwei Gleichungen, um eine Gleichung, in der x1 vorkommt in die erste Zeile zu bringen. Wir vertauschen die ersten beiden Gleichungen und erhalten x1 + 3 x2 + 2 x3 = 2 − x2 + x3 = 2 2 x1 + 3 x2 + 7 x3 = 10 Jetzt können wir mit dem Eliminationsverfahren beginnen. Die erste Variable kommt in der zweiten Gleichung nicht vor, daher müssen wir sie nicht mehr eliminieren. Damit die erste Variable aus der dritten Gleichung verschwindet, addieren wir das (−2)-fache der ersten Gleichung zur dritten Gleichung. Dadurch erhalten wir folgendes Gleichungssystem x1 + 3 x2 + 2 x3 = 2 − x2 + x3 = 2 − 3x2 + 3 x3 = 6 Jetzt lassen wir die erste Gleichung aus dem Spiel. Damit die zweite Variable aus der dritten Gleichung verschwindet, addieren wir das (−3)-fache der zweiten Gleichung zur dritten Gleichung. Dadurch erhalten wir folgendes Gleichungssystem x1 + 3 x2 + 2 x3 = 2 − x2 + x3 = 2 0x3 = 0 Die letzte Gleichung ist immer erfüllt. Wir können sie weglassen und erhalten x1 + 3 x2 + 2 x3 = 2 − x2 + x3 = 2 Damit ist der erste Teil des Gaußschen Eliminationsverfahrens abgeschlossen. Das Gleichungssystem ist jetzt in einer abgeschnittenen Dreiecksgestalt, man spricht dann auch von Stufenform. Bei dieser Stufenform hat man jedoch weniger Gleichungen als Variable. Wir haben eine Gleichung weniger, daher können wir eine Variable frei wählen. Wir führen einen Parameter t ∈ R ein und setzen x3 = t. Die zweite Gleichung ist − x2 + x3 = 2, woraus wir x2 = x3 − 2 = t − 2 erhalten. Die erste Gleichung ist x1 + 3 x2 + 2 x3 = 2, woraus wir x1 = 2 − 3 x2 − 2 x3 = 2 − 3t + 6 − 2t = −5t + 8 erhalten. Die Lösung ist nicht eindeutig. Die Lösungsmenge ist {(−5t + 8, t − 2, t) : t ∈ R}. Franz Hofbauer 81 Geometrische Interpretation: Die Gleichungen des ursprünglichen Gleichungssystems kann man als Gleichungen(dreier ) Ebenen ( −5 )auffassen. Diese drei Ebenen haben die Gerade 8 mit Parameterdarstellung −2 + t 1 gemeinsam. 0 1 Wir ändern das Gleichungssystem im letzten Beispiel ein wenig ab. Wir ändern nur die rechte Seite der dritten Gleichung und versuchen das Gleichungssystem zu lösen x1 + 3 x2 + 2 x3 = 2 − x2 + x3 = 2 2x1 + 3 x2 + 7 x3 = 7 Führt man das Gaußsche Eliminationsverfahren wie oben durch, so erhält man x1 + 3 x2 + 2 x3 = 2 − x2 + x3 = 2 0 x3 = −3 Die dritte Gleichung ist nicht erfüllbar. Sie ist ein Widerspruch. Das Gleichungssystem hat keine Lösung. Die Lösungsmenge ist leer. Für ein lineares Gleichungssystem gibt es verschiedene Möglichkeiten: eine eindeutige Lösung, keine Lösung, unendlich viele Lösungen. Das Eliminationsverfahren wird durchgeführt. Erhält man am Ende einen Widerspruch, dann existiert keine Lösung. Erhält man keinen Widerspruch, dann gilt folgendes: Ist die Anzahl der verbleibenden Gleichungen gleich der Anzahl der Variablen, dann ist die Lösung eindeutig. Ist die Anzahl der verbleibenden Gleichungen um k geringer als die Anzahl der Variablen, dann hat man eine k-parametrige Lösungsmenge. Im vorletzten Beispiel hatten wir drei Variable und zwei verbleibende Gleichungen. Daher ergab sich eine einparametrige Lösungsmenge. Zusätzlich zu der bisher verwendeten Äquivalenzumformung kann man Gleichungen mit einer Zahl = ̸ 0 multplizieren oder durch eine Zahl ̸= 0 dividieren. Das ändert nichts an der Lösungsmenge des Gleichungssystems und kann das Rechnen vereinfachen. Zur Übung lösen wir folgendes lineare Gleichungssystem mit 4 Variablen. 4x1 − 3 x2 + 4 x3 + −2x1 + 3 2 x2 − −4 x1 + 7 x2 + 2 x1 + 3 2 x2 x3 + 4 3 x4 = 4 3 2 x4 = 5 x3 − 5x4 = 12 + 7 2 x4 = 8 1 2 -fache Wir addieren das der ersten Gleichung zur zweiten, die erste Gleichung zur dritten 1 und das − 2 -fache der ersten Gleichung zur vierten. Das ergibt das links unten stehende Gleichungssystem. 4 x1 − 3x2 + 4 x3 + x4 = 4 x3 + 2 x4 = 7 4x1 − 3x2 + 4 x3 + x4 = 4 x3 − x4 = 4 x2 + 4 3 4x2 + 16 3 x3 − 4 x4 = 16 x3 + 2 x4 = 7 3x2 − 2 x3 + 3 x4 = 6 3x2 − 2 x3 + 3 x4 = 6 Die dritte Gleichung wurde durch 4 dividiert und die zweite und dritte Gleichung vertauscht. Das ergibt das rechts oben stehende Gleichingssystem. Jetzt können wir mit dem 82 Lineare Gleichungssysteme Eliminationsverfahren fortfahren. Wir addieren das (−3)-fache der zweiten Gleichung zur vierten und erhalten das links unten stehende Gleichungssystem. Schließlich addieren wir das 6-fache der dritten Gleichung zur vierten und erhalten das rechts unten stehende Gleichungssystem 4 x1 − 3x2 + 4 x3 + x4 = 4 4x1 − 3x2 + 4 x3 + x4 = 4 x3 − x4 = 4 x2 + x3 − x4 = 4 x2 + 4 3 4 3 x3 + 2 x4 = 7 x3 + 2 x4 = 7 − 6x3 + 6 x4 = −6 18 x4 = 36 Die Lösung ist jetzt wieder einfach zu berechnen. Aus 18 x4 = 36 erhalten wir x4 = 2 und aus x3 + 2 x4 = 7 folgt dann x3 = 3. Aus x2 + 34 x3 − x4 = 4 ergibt sich x2 = 2 und aus 4 x1 − 3 x2 + 4 x3 + x4 = 4 schließlich x1 = −1. Hier ist noch ein Beispiel, dessen Lösung nicht eindeutig ist. 2 x1 + x2 − x3 + 3 x4 = 6 − 2 x2 − 3 x3 + 4x1 − 2 x2 − 8 x3 x4 = 6 = 8 2x1 + 3 x2 + 2 x3 + 4 x4 = 4 Wir führen das Eliminationsverfahren durch. Wir addieren das (−2)-fache der ersten Zeile zur dritten und das (−1)-fache der ersten Zeile zur vierten. Wir erhalten 2 x1 + x2 − x3 + 3 x4 = − 2 x2 − 3x3 + x4 = 6 6 − 4 x2 − 6x3 − 6 x4 = −4 2 x2 + 3 x3 + x4 = −2 Wir addieren das (−2)-fache der zweiten Gleichung zur dritten und die zweite Gleichung zur vierten. Das ergibt 2x1 + x2 − x3 + 3 x4 = − 2x2 − 3 x3 + x4 = 6 6 − 8 x4 = −16 2 x2 = 4 Wir addieren noch das (− 14 )-fache der dritten Gleichung zur vierten. Die vierte wird dadurch zu 0 x4 = 0 und kann daher weggelassen werden. Es bleibt 2 x1 + x2 − x3 + 3 x4 = − 2 x2 − 3 x3 + x4 = 6 6 − 8x4 = −16 Die dritte Gleichung ist −8 x4 = −16, woraus x4 = 2 folgt. Die zweite Gleichung ist −2 x2 − 3 x3 + x4 = 6, woraus x2 = −2 − 32 x3 folgt. Wir können x3 beliebig wählen. Wir wählen einen Parameter t ∈ R und setzen x3 = t. Dann erhalten wir x2 = −2 − 32 t. Aus der ersten Gleichung 2 x1 + x2 − x3 + 3 x4 = 6 folgt dann x1 = 1 + 54 t. Wir haben eine einparametrige Famile von Lösungen erhalten. Man kann das Gaußsche Eliminationsverfahren auf beliebig viele Variablen ausdehnen. Auch die Anzahl der Gleichungen muss nicht gleich der Anzahl der Variablen sein. Franz Hofbauer 83 Wir rechnen dazu ein Beispiel mit sechs Variablen und vier Gleichungen. 2x1 − x2 + 3 x3 − 2 x4 − 3x5 + 2 x6 = 5 2x1 − 5x2 + 7 x3 − 4 x4 + 5 x5 + 2 x6 = 11 2x1 + x2 + x3 + x4 − 3x5 + x6 = 6 4 x1 + 2 x2 + 2 x3 + 2 x4 − 6x5 + 4 x6 = 16 Wir addieren das (−1)-fache der ersten Gleichung zur zweiten und zur dritten Gleichung und das (−2)-fache der ersten Gleichung zur vierten. Wir erhalten 2 x1 − x2 + 3 x3 − 2 x4 − 3 x5 + 2 x6 = − 4x2 + 4 x3 − 2 x4 + 8 x5 2x2 − 2x3 + 3 x4 − 4x2 − 4x3 + 6 x4 5 = 6 x6 = 1 = 6 Wir addieren das 12 -fache der zweiten Gleichung zur dritten Gleichung und die zweite Gleichung zur vierten. Wir erhalten 2x1 − x2 + 3 x3 − 2 x4 − 3x5 + 2 x6 = − 4x2 + 4 x3 − 2 x4 + 8 x5 2 x4 + 4 x5 − 4 x4 + 8 x5 5 = 6 x6 = 4 = 12 Schließlich addieren wir das (−2)-fache der dritten Gleichung zur vierten und erhalten 2 x1 − x2 + 3 x3 − 2 x4 − 3x5 + 2 x6 = − 4x2 + 4 x3 − 2 x4 + 8 x5 2 x4 + 4 x5 − 5 = 6 x6 = 4 2x6 = 4 Damit haben wir das lineare Gleichungssystem in eine Form gebracht, die wir lösen können. Wir haben sechs Variable und es sind vier Gleichungen geblieben. Daher werden wir zwei Parameter einführen müssen. Aus der vierten Gleichung folgt x6 = 2. Die dritte Gleichung ist 2x4 + 4x5 − x6 = 4, woraus x4 + 2x5 = 3 folgt. Wir können eine Variable beliebig wählen. Wir setzen x5 = t und erhalten x4 = −2t + 3. Die zweite Gleichung ist −4x2 + 4x3 − 2x4 + 8x5 = 6, woraus −4x2 + 4x3 = 2x4 − 8x5 + 6 = −12t + 12 und dann x2 − x3 = 3t − 3 folgt. Eine Variable ist beliebig wählbar. Wir setzen x3 = s und erhalten x2 = s+3t−3. Aus der ersten Gleichung 2x1 − x2 + 3x3 − 2x4 − 3x5 + 2x6 = 5 folgt dann 2x1 = x2 − 3x3 + 2x4 + 3x5 − 2x6 + 5 = s + 3t − 3 − 3s − 4t + 6 + 3t − 4 + 5 = −2s + 2t + 4 und daraus x1 = −s + t + 2. Die Lösungsmenge ist {(−s+t+2, s+3t−3, s, −2t+3, t, 2) : s, t ∈ R}. Sie ist zweiparametrig. 2. Eigenvektoren für 3 × 3-Matrizen Eigenvektoren kann man natürlich auch für eine d × d-Matrix A mit d ≥ 3 definieren. Ein Vektor v ∈ Rd \ {0} heißt Eigenvektor der Matrix A, wenn Av = λv für eine Zahl λ gilt. Die Zahl λ nennt man Eigenwert der Matrix A. Zu lösen ist das lineare Gleichungssystem M x = 0 mit M = A − λId . Wir tun das nur für d = 3. (Für d > 3 haben wir die Determinante ja gar nicht definiert.) Wie wir uns früher bereits überlegt haben, ist M x = 0 genau dann eindeutig lösbar, wenn det M ̸= 0 gilt. In diesem Fall ist 0 die einzige Lösung. Wenn det M = 0 gilt, dann existieren 84 Lineare Gleichungssysteme unendlich viele Lösungen und somit eine Lösung x ̸= 0. Da 0 immer eine Lösung ist, kann die Lösungsmenge ja nicht leer sein. Weiters ist det M = det(A − λId ) ein Polynom in λ vom Grad 3. Es ist das charakterischte Polynom der Matrix A, dessen Nullstellen die Eigenwerte der Matrix A sind. Zu einem Eigenwert λ findet man dann Eigenvektoren als Lösungen des linearen Gleichungssystems (A − λId )x = 0. Wir rechnen dazu ein Beispiel. 1−λ 3 (1 3 2) 1 1−λ 22 1 1 2 Sei A = . Das charakteristische Polynom dieser Matrix ist = 2 −4 2 2 −4 2−λ (1 − λ) (2 − λ) − 8 + 12 + 8(1 − λ) − 4(1 − λ) − 3(2 − λ) = −λ + 4λ − 6λ + 4. Die Eigenwerte sind die Lösungen der Gleichung λ3 − 4λ2 + 6λ − 4 = 0. Eine Lösung finden wir durch Probieren. Wir finden λ1 = 2. Dividiert man das Polynom λ3 − 4λ2 + 6λ − 4 durch λ − 2, so bleibt λ2 − 2λ + 2. Man erhält die beiden weiteren Nullstellen λ2,3 = 1 ± i. Damit sind die Eigenwerte der Matrix A gefunden. Um einen Eigenvektor zum Eigenwert λ1 =( 2 zu finden, ) müssen wir das lineare Glei−1 3 2 chungssystem M x = 0 mit M = A − λ1 I3 = 1 −1 2 lösen. Es hat eine Lösung ̸= 0. 2 −4 0 Alle Vielfachen dieser Lösung sind ebenfalls Lösungen. Das lineare Gleichungssystem ist 2 3 2 − x1 + 3 x2 + 2 x3 = 0 x1 − x2 + 2 x3 = 0 2x1 − 4 x2 = 0 Wir führen das Gaußsche Eliminationsverfahren durch. Addiert man die erste Gleichung zur zweiten und das 2-fache der ersten Gleichung zur dritten, so erhält man − x1 + 3 x2 + 2 x3 = 0 2x2 + 4 x3 = 0 2x2 + 4 x3 = 0 Man kann die dritte Gleichung weglassen, da sie mit der zweiten übereinstimmt. Die zweite Gleichung ist 2 x2 + 4 x3 = 0. Wir wählen x3 = 1. Es genügt ja, eine Lösung zu finden. Nun folgt x2 = −2. Die erste(Gleichung ist − x1 + 3 x2 + 2 x3 = 0, woraus ) −4 x1 = 3 x2 + 2 x3 = −4 folgt. Wir erhalten −2 als Eigenvektor. 1 Um einen Eigenvektor zum Eigenwert λ2 = 1 − i(zu finden,) müssen wir das lineare 2 i 3 lösen. Das ergibt das Gleichungssystem M x = 0 mit M = A − λ2 I3 = 1 i 2 2 −4 1+i folgende lineare Gleichungssystem, das auch komplexe Koeffizienten enthält. Man kann es aber mit dem Eliminationsverfahren lösen, genauso wie für reelle Koeffizienten. ix1 + 3 x2 + 2 x3 = 0 x1 + ix2 + 2 x3 = 0 2 x1 − 4x2 + (1 + i) x3 = 0 Addiert man das i-fache der ersten Gleichung zur zweiten und das 2i-fache der ersten Gleichung zur dritten, so erhält man ix1 + − 3x2 + 2 x3 = 0 4ix2 + (2 − 2i) x3 = 0 − (4 + 6i)x2 + (1 − 5i) x3 = 0 4i−6 Jetzt ist die zweite Gleichung mit 4+6i = − 32 + i zu multiplizieren und zur dritten −4i = 4 Gleichung zu addieren. Dabei wird der Koeffizient von x2 in der dritten Gleichung null und der Koeffizient von x3 wird zu 1 − 5i + (2 − 2i)(− 32 + i) = 1 − 5i − 3 + 3i + 2i + 2 = 0. Franz Hofbauer 85 Die dritte Gleichung wird somit zu 0 = 0. Die zweite Gleichung ist −4i x2 +(2−2i) x3 = 0. 1 1 Wir setzen x3 = 1. Es genügt ja, eine Lösung zu finden. Es folgt x2 = 2−2i 4i = − 2 − 2 i. 3 1 Die erste Gleichung ist i x1 + 3 x2 + 2 x3 = 0, woraus x1 = 3i x2 + 2i x3 = 2 + 2 i folgt. ( 3+i ) ( 3+i ) 1 −1−i Wir erhalten 2 als Eigenvektor. Daher ist −1−i ebenfalls ein Eigenvektor. 2 2 3. Kegelschnitt durch fünf Punkte Wir legen zuerst eine Gerade durch zwei Punkte. Die Gleichung einer Gerade kann man schreiben als ax + by + c = 0. Wir versuchen, die beiden Punkte, durch die die Gerade gehen soll, einzusetzen und a, b und c aus den sich ergebenden Gleichungen zu bestimmen. Wir tun das an einem Beispiel. Wir suchen die Gerade durch die Punkte (2, −2) und (4, 3). Setzen wir diese Punkte in die Geradengleichung ax + by + c = 0 ein, so haben wir 2a − 2b + c = 0 4a + 3b + c = 0 Die Variablen sind jetzt a, b und c. Wir führen das Gaußsche Eliminationsverfahren durch. Wir addieren das (−2)-fache der ersten Gleichung zur zweiten und erhalten 2a − 2b + c = 0 7b − c = 0 Wir könnten c wählen. Das tun wir aber erst später. Aus der zweiten Gleichung folgt b = 7c . 5c 5c Aus der ersten Gleichung folgt a = b − 2c = − 14 . Das ergibt die Gerade − 14 x + 7c y + c = 0. Wie wir c auch wählen, es ändert nichts an der Gerade. Wir wählen c = −14, damit die Brüche verschwinden, und erhalten dadurch 5x − 2y − 14 = 0. Das ist die Gleichung der Gerade durch die Punkte (2, −2) und (4, 3). Die Geradengleichung ist eine lineare Gleichung in zwei Variablen. Eine quadratische Gleichung in zwei Variablen sieht so aus: ax2 + bxy + cy 2 + dx + ey + f = 0. Wir wissen, dass das Gleichungen von Kegelschnitten sind. Da wir einen der sechs Koeffizienten frei wählen können, müssen wir fünf Punkte kennen, durch die der Kegelschnitt hindurchgeht, um seine Gleichung zu bestimmen. Wir probieren das an einem Beispiel aus. Wir suchen den Kegelschnitt durch die Punkte (1, 1), (−1, −3), (1, −4), (3, 2) und (4, 2). Wir setzen diese Punkte in die Gleichung ax2 + bxy + cy 2 + dx + ey + f = 0 ein a+ b+ c+ d+ e+ f = 0 a + 3 b + 9 c − d − 3e + f = 0 a − 4 b +16 c + d − 4e + f = 0 9a + 6b + 4c + 3d + 2e + f = 0 16 a + 8 b + 4 c + 4 d + 2 e + f = 0 Wir führen das Gaußsche Eliminationsverfahren durch. Wir addieren das (−1)-fache der ersten Gleichung zur zweiten und zur dritten Gleichung, das (−9)-fache der ersten Gleichung zur vierten und das (−16)-fache der ersten Gleichung zur fünften. Wir erhalten a+ b+ c+ d+ e+ f = 0 2 b + 8 c − 2d − 4e − 5 b +15 c − 5e = 0 = 0 − 3 b − 5 c − 6d − 7e − 8 f = 0 − 8 b −12 c −12 d −14 e −15 f = 0 86 Lineare Gleichungssysteme Bevor wir weitertun, dividieren wir die zweite Gleichung durch 2 und die dritte durch 5 a+ b+ c+ d+ e+ f = 0 b + 4 c − d − 2e − b + 3c − e = 0 = 0 − 3 b − 5 c − 6d − 7e − 8 f = 0 − 8 b −12 c −12 d −14 e −15 f = 0 Wir addieren die zweite Gleichung zur dritten, das 3-fache der zweiten Gleichung zur vierten und das 8-fache der zweiten Gleichung zur fünften. Wir erhalten a+ b+ c+ d+ e+ f = 0 b + 4 c − d − 2e = 0 7 c − d − 3e = 0 7 c − 9d −13 e − 8 f = 0 20 c −20 d −30 e −15 f = 0 Wir addieren das (−1)-fache der dritten Gleichung zur vierten. Wir multiplizieren die 7 und addieren die dritte Gleichung dazu. Wir erhalten fünfte Gleichung mit − 20 a+ b+ c+ d+ e+ f = 0 b + 4 c − d − 2e = 0 7 c − d − 3e = 0 − 8d −10 e − 8 f = 0 21 6d + 15 2 e+ 4 f = 0 Schließlich addieren wir das 34 -fache der vierten Gleichung zur fünften a+ b+ c+ d+ e+ f = 0 b + 4 c − d − 2e = 0 7 c − d − 3e = 0 − 8d −10 e − 8 f = 0 − 43 f = 0 Jetzt können wir die Gleichungen lösen. Aus der fünften Gleichung folgt f = 0. Eine Variable können wir frei wählen. Wir wählen e = 1. Aus der vierten Gleichung erhalten wir dann d = − 54 . Die dritte Gleichung ergibt c = 17 d+ 37 e = 14 . Die zweite Gleichung ergibt b = −4c+d+2e = − 14 . Schließlich folgt aus der ersten Gleichung a = −b−c−d−e−f = 41 . Die Gleichung des Kegelschnitts durch die fünf Punkte (1, 1), (−1, −3), (1, −4), (3, 2) und (4, 2) ist somit 41 x2 − 14 xy + 14 y 2 − 54 x + y = 0 oder x2 − xy + y 2 − 5x + 4y = 0. 4. Inverse Matrix Lineare Abbildungen kann man nicht nur auf dem R2 definieren, sondern auch in höheren Dimensionen. Die Definition ist dieselbe. Definition: Seien d und c in N. Eine Abbildung φ : Rd → Rc heißt linear, wenn sie folgende zwei Eigenschaften erfüllt (a) φ(x + y) = φ(x) + φ(y) für alle x und y in Rd (b) φ(λx) = λφ(x) für alle x ∈ Rd und λ ∈ R Franz Hofbauer 87 Durch wiederholtes Anwenden von (a) und (b) zeigt man, dass die Gleichung ∑k ∑k φ( i=1 λi ui ) = i=1 λi φ(ui ) für k ≥ 1 und für λ1 , . . . , λk ∈ R und u1 , . . . , uk ∈ Rd von jeder linearen Abbildung φ : Rd → Rc erfüllt wird. Zu jeder linearen Abbildung φ : Rd → Rc kann man die zugehörige Matrix definieren. Für 1 ≤ j ≤ d sei ej der j-te Einheitsvektor im Rd . Das ist der Vektor, dessen j-te Komponente 1 ist, alle anderen Komponenten sind 0. Weiters sei aj das Bild von ej unter φ, das heißt φ(ej ) = aj . Diese Bilder liegen im Rc . Für alle Vektoren x ∈ Rd gilt dann ∑d ∑d ∑d φ(x) = φ( j=1 xj ej ) = j=1 xj φ(ej ) = j=1 xj aj Sei A die Matrix, deren Spalten die Vektoren a1 , a2 , . . . , ad sind. Da diese Vektoren im Rc liegen, ist A eine c × d-Matrix. Sie hat c Zeilen und d Spalten. Wenn wir noch daran denken, wie die Matrixmultiplikation funktioniert, dann erhalten wir ∑d φ(x) = j=1 xj aj = Ax für alle x ∈ Rd Wir sehen, dass sich jede lineare Abbildung φ : Rd → Rc mit Hilfe der Matrix A schreiben lässt, deren Spalten die Bilder der Einheitsvektoren sind. Da A eine c × d-Matrix ist, kann man Ax für jeden Vektor x ∈ Rd bilden und das Ergebnis dieser Matrixmultiplikation ist ein Vektor im Rc . Will man die Matrix aufschreiben, dann muss man Doppelindices verwenden. Mit aij bezeichnen wir die i-te Komponente des Vektors aj . Dann gilt a a11 a12 a13 . . . a1d 1j a2j a21 a22 a23 . . . a2d a a a32 a33 . . . a3d 3j aj = und A = . für 1 ≤ j ≤ d 31 .. .. .. .. . ... . . . . . ac1 ac2 ac3 . . . acd acj Man sieht, dass aij die Eintragung der Matrix an der Stelle (i, j) ist. Sie steht in der i-ten Zeile und in der j-ten Spalte. Damit kann man auch die Matrixmultiplikation hinschreiben a11 a12 . . . a1d x1 a11 x1 + a12 x2 + · · · + a1d xd d a21 a22 . . . a2d x2 a21 x1 + a22 x2 + · · · + a2d xd ∑ Ax = .. xj a j .. .. .. = .. .. = . . . . . . ac1 ac2 . . . acd xd ac1 x1 + ac2 x2 + · · · + acd xd So kann man die bereits oben verwendete Gleichung überprüfen. j=1 Jetzt fragen wir nach der Umkehrabbildung der linearen Abbildung φ : Rd → Rc . Sei A die zugehörige c × d-Matrix. Bekanntlich hat eine Abbildung genau dann eine Umkehrabbildung, wenn sie bijektiv ist. Und φ : Rd → Rc ist bijektiv, wenn für jeden Vektor v ∈ Rc genau ein Vektor x ∈ Rd existiert mit φ(x) = v, das heißt, wenn Ax = v für alle v ∈ Rc eindeutig lösbar ist. Nun ist Ax = v ein lineares Gleichungssystem mit c Gleichungen und d Variablen. Gilt c < d, dann hat man weniger Gleichungen als Variable. Das Eliminationsverfahren führt entweder zu einem Widerspruch oder zu einer Lösung mit Parametern. Es gibt also keine oder unendlich viele Lösungen. Gilt c > d, dann hat man mehr Gleichungen als Variable. Bei der Durchführung des Eliminationsverfahren ergeben sich Gleichungen, bei denen links vom Gleichheitszeichen Null steht. Man kann die rechte Seite v des Gleichungssystems so wählen, dass keine Lösung existiert. Damit ist gezeigt, dass φ : Rd → Rc nicht bijektiv sein kann, wenn c ̸= d ist. Wir nehmen daher an, dass c = d gilt. 88 Lineare Gleichungssysteme Sei also φ : Rd → Rd eine lineare Abbildung und A die zugehörige d × d-Matrix. Wir nehmen an, dass φ bijektiv ist, das heißt das lineare Gleichungssystem Ax = v ist für alle v ∈ Rd eindeutig lösbar. (Wir haben bereits an Beipielen gesehen, dass das nicht immer der Fall sein muss.) Sei ψ : Rd → Rd die Umkehrabbildung zu φ. Es gilt ψ(φ(u)) = u und φ(ψ(u)) = u für alle u ∈ Rd . Für 1 ≤ j ≤ d sei bj die eindeutige Lösung von Ax = ej . Dann gilt Abj = ej und somit φ(bj ) = ej . Für alle Vektoren x ∈ Rd erhalten wir ∑d ∑d ∑d x = j=1 xj ej = j=1 xj φ(bj ) = φ( j=1 xj bj ) Da ψ(φ(u)) = u für alle u ∈ Rd gilt, folgt dann ) ∑d ( ∑d ψ(x) = ψ φ( j=1 xj bj ) = j=1 xj bj für alle x ∈ Rd Sei B die Matrix, deren Spalten die Vektoren b1 , b2 , . . . , bd sind. Da diese Vektoren im Rd liegen, ist B eine d × d-Matrix. Wie oben erhalten wir ∑d ψ(x) = j=1 xj bj = Bx für alle x ∈ Rd Wir sehen, dass die Umkehrabbildung ψ : Rd → Rd ebenfalls eine lineare Abbildung ist. Ihre Matrix ist die d × d-Matrix B, deren Spalten die eindeutigen Lösungen der Gleichungssysteme Ax = ej für 1 ≤ j ≤ d sind. Es gilt ψ(φ(u)) = u und φ(ψ(u)) = u für alle u ∈ Rd . Da φ(x) = Ax und ψ(x) = Bx für alle x ∈ Rd gilt, ergibt sich BAu = u und ABu = u für alle u ∈ Rd . Setzt man u = ej ein, so erhält man, dass die j-te Spalte von BA gleich ej sein muss. Das gilt auch für AB. Daher muss sowohl BA = Id als auch AB = Id gelten, wobei Id die d × d-Einheitsmatrix ist, deren Spalten ja die Einheitsvektoren sind. Man nennt daher B auch die inverse Matrix zur Matrix A und bezeichnet sie mit A−1 . Um A−1 zu berechnen, müssen wir die linearen Gleichungssysteme Ax = ej für 1 ≤ j ≤ d lösen. Wir tun das für die untenstehende Matrix A. Um nicht immer die Variablen schreiben zu müssen, schreiben wir nur die Matrix auf und rechts vom senkrechten Strich die rechte Seite des Gleichungssystems, das ist zuerst einmal der Vektor e1 . Wir erweitern die Matrix. Diese erweiterte Matrix stellt jetzt das lineare Gleichungssystem dar. 2 1 −4 1 2 1 −4 4 3 −6 0 A = 4 3 −6 2 0 −4 0 2 0 −4 Auch die Umformungen der Gleichungen, jetzt sind es einfach Operationen mit den Zeilen, schreiben wir nur mehr symbolisch auf. Wir bezeichnen die Zeilen mit römischen Zahlen I, II, III und so weiter. Wir führen die Zeilenoperationen II − 2 I → II und III − I → III durch. Das (−2)-fache der ersten Zeile wird zur zweiten addiert, das Ergebnis kommt in die zweite Zeile. Das (−1)-fache der ersten Zeile wird zur dritten addiert, das Ergebnis kommt in die dritte Zeile. Wir erhalten die erweiterte Matrix, die links steht. 2 1 −4 1 2 1 −4 1 0 1 2 −2 0 1 2 −2 0 0 2 −3 0 −1 0 −1 Anschließend führen wir die Zeilenoperation III + II → III durch und erhalten die erweiterte Matrix, die rechts steht. Wir könnten das Gleichungssystem jetzt schrittweise auflösen. Statt dessen fahren wir mit Zeilenoperationen fort und versuchen, links vom senkrechten Strich die Einheitsmatrix Franz Hofbauer 89 zu erhalten. Durch 21 I → I und 12 III → III ergibt sich die erweiterte unten steht. Wir haben erreicht, dass Einser in der Diagonale stehen. 1 1 12 −2 1 12 0 − 52 1 0 2 0 1 2 −2 0 1 0 1 0 1 3 3 0 0 1 −2 0 0 1 −2 0 0 Matrix, die links 0 0 1 −3 1 − 32 Durch I + 2 III → I und II − 2III → II erhalten wir die erweiterte Matrix, die in der Mitte steht, und durch I − 21 II → I die erweiterte Matrix, die rechts steht. Schreibt man diese erweiterte Matrix wieder als Gleichungssystem, dann erhält man x1 = −3, x2 = 1 und x3 = − 32 . Der rechts vom senkrechten Strich stehende Vektor ist die Lösung des Gleichungssystems. Die erste Spalte der inversen Matrix ist gefunden. Dieses lineare Gleichungssystem ist noch mit den Vektoren e2 und e3 auf der rechten Seite zu lösen. Wir tun das auf einmal, indem wir alle drei Vektoren rechts hinschreiben. 2 1 −4 1 0 0 4 3 −6 0 1 0 2 0 −4 0 0 1 Durch II − 2I → II und III − I → III 2 1 −4 1 0 0 1 2 −2 1 0 −1 0 −1 0 erhalten wir die erweiterte 2 1 −4 0 0 1 2 0 1 0 0 2 Matrix, die links steht. 1 −2 −3 0 1 1 0 0 1 Anschließend führen wir die Zeilenoperation III + II → III durch und erhalten die erweiterte Matrix, die rechts steht. Durch 12 I → I und 12 III → III ergibt sich die links unten stehende erweiterte Matrix mit Einsern in der Diagonale und dann durch I + 2 III → I und II − 2 III → II die in der Mitte. 3 1 21 −2 12 0 0 1 12 0 − 52 1 1 1 0 0 −3 1 2 0 −1 0 −1 0 1 2 −2 1 0 0 1 0 1 0 1 0 1 1 1 0 0 1 − 32 21 12 0 0 1 − 32 21 0 0 1 − 32 12 2 2 Schließlich ergibt sich durch I − 12 II → I die rechts stehende erweiterte Matrix mit der Einheitsmatrix links vom senkrechten Strich. Rechts vom senkrechten Strich stehen jetzt die Lösungen der Gleichungssysteme Ax = e1 , Ax = e2 und Ax = e3 . Diese Lösungen sind die Spalten der inversen Matrix. Das bedeutet, dass rechts vom senkrechten Strich bereits die inverse Matrix A−1 steht. Wir machen die Probe und überprüfen, ob wir richtig gerechnet haben. Es gilt 3 2 1 −4 −3 1 1 0 0 2 AA−1 = 4 3 −6 1 0 −1 = 0 1 0 = I3 3 1 2 0 −4 − 2 12 0 0 1 2 wie es sein muss. Genauso kann man A−1 A = I3 nachprüfen. Zur Übung berechnen wir noch die Inverse der links unten stehenden 4 × 4-Matrix A. Rechts sieht man die Matrix A mit angefügter Einheitsmatrix I4 . 0 2 1 0 0 2 1 0 1 0 0 0 −2 6 −4 −2 0 1 0 0 −2 6 −4 −2 A= 0 −4 −2 1 0 0 1 0 0 −4 −2 1 2 −3 5 1 0 0 0 1 2 −3 5 1 90 Lineare Gleichungssysteme Durch Zeilenoperationen soll aus der links vom senkrechten Strich stehenden Matrix die Einheitsmatrix gemacht werden. Wir versuchen das in einem Durchgang zu erreichen. Im ersten Schritt soll aus der ersten Spalte der Einheitsvektor e1 werden. Da die Diagonaleintragung der ersten Spalte null ist, addieren wir Vielfache der zweiten Zeile. Die Zeilenoperationen I → II, − 12 II → I und IV + II → IV machen aus der ersten Spalte den Einheitsvektor e1 und ergeben die links unten stehende erweiterte Matrix. Wir kommen zur zweiten Spalte. Dort ist die Diagonaleintragung jetzt 2. Wir addieren Vielfache der zweiten Zeile. Die Zeilenoperationen I + 32 II → I, 12 II → II, III + 2 II → III und IV − 32 II → IV machen aus der zweiten Spalte den Einheitsvektor e2 und ergeben die rechtsstehende erweiterte Matrix. Die erste Spalte wird dabei nicht mehr verändert. 3 7 1 − 12 0 0 1 −3 2 1 0 − 12 0 0 1 0 2 2 1 1 0 2 1 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 2 2 0 −4 −2 1 0 0 1 0 0 0 0 1 2 0 1 0 1 0 1 0 0 − 12 −1 − 32 0 3 1 −1 0 1 0 1 Jetzt zur dritten Spalte. Die Diagonaleintragung ist null. Wir addieren daher Vielfache der vierten Zeile. Die Zeilenoperationen I + 7 IV → I, II + IV → II, −2IV → III und III → IV machen aus der dritten Spalte den Einheitsvektor e3 und ergeben die links unten stehende erweiterte Matrix. Die ersten beiden Spalten haben sich dabei nicht verändert. Es bleibt schließlich noch die vierte Spalte. Die Zeilenoperationen I + 6 IV → I, II + IV → II und III − 2 IV → III machen die vierte Spalte zum Einheitsvektor e4 und ergeben die rechtsstehende erweiterte Matrix. Die ersten drei Spalten haben sich dabei nicht verändert. 13 1 0 0 −6 −9 13 0 7 1 0 0 0 3 6 7 2 2 0 1 0 −1 −1 1 0 1 0 1 0 0 1 1 1 1 0 0 1 2 3 −2 0 −2 0 0 1 0 −1 −2 −2 −2 0 0 0 1 2 0 1 0 0 0 0 1 2 0 1 0 Rechts vom senkrechten Strich ist die Inverse A−1 der Matrix A entstanden. Wir machen die Probe und überprüfen, ob wir richtig gerechnet haben. Es gilt 13 3 0 2 1 0 1 0 0 0 6 7 2 1 1 1 0 1 0 0 −2 6 −4 −2 1 AA−1 = = I4 = 0 −4 −2 1 0 0 1 0 −1 −2 −2 −2 0 0 0 1 2 −3 5 1 2 0 1 0 wie es sein muss. Genauso kann man A−1 A = I4 nachprüfen. Inhaltsverzeichnis I. Elementargeometrie 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Einleitung Der Strahlensatz Der Satz von Pythagoras Das Dreieck Die besonderen Punkte mit Ceva und Carnot Eulergerade, Neunpunktkreis und zentrische Streckungen Der Peripheriewinkelsatz Umkreis, Inkreis, Ankreise und Fläche 1 1 4 10 14 18 19 21 27 II. Trigonometrie 29 1. 2. 3. 4. 5. 6. 29 32 33 35 36 38 Trigonometrische Funktionen Die besonderen Punkte des Dreiecks Die Sätze von Napoleon und Morley Komplexe Zahlen Polarkoordinaten Beweisen mit Hilfe komplexer Zahlen III. Koordinaten und Vektoren 43 1. 2. 3. 4. 5. Inneres Produkt und Vektorprodukt Determinante und Geraden Die besonderen Punkte des Dreiecks Die Steinerschen Geraden Der Satz von Feuerbach 43 45 49 51 53 IV. Isometrien und Kegelschnitte 54 1. Lineare Abbildungen 2. Eigenwerte und Eigenvektoren 3. Symmetrische Matrizen 4. Isometrien der Ebene 5. Kegelschnitte 6. Tangentenkonstruktion 7. Tangentengleichung 8. Tangenten von einem Punkt an einen Kegelschnitt 9. Hauptachsentransformation 10. Leitlinie und Polarkoordinaten 11. Flächen zweiter Ordnung 54 56 57 58 61 64 66 68 70 73 75 V. Lineare Gleichungssysteme 79 1. 2. 3. 4. 79 83 85 86 Das Gaußsche Eliminationsverfahren Eigenvektoren für 3 × 3-Matrizen Kegelschnitt durch fünf Punkte Inverse Matrix