6. Gedächtnis bei depressiven Störungen

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Besonderheiten des Gedächtnisses bei
depressiven Störungen
- selektive Bevorzugung von
schemakongruenten Informationen,
Personattributen und Ereignissen
• Depressive Patienten erinnern bevorzugt negative
Beschreibungen ihrer eigenen Person.
• Depressive Patienten erinnern bevorzugt negative Ereignisse.
Dieser Effekt zeigt sich bei remittierten Depressiven nur in einer
leicht depressiven Stimmung.
• Depressive zeigen Defizite beim Enkodieren von Informationen,
beim Abruf von Informationen aus dem Gedächtnis und beim
Problemlösen
• Die Stimmung depressiver Patienten und auch Testleistungen
verbessern sich, wenn sie einfache zusätzliche konkrete
Aufgaben zu bewältigen haben. Gleichzeitig nimmt die
Beschäftigung mit depressionsfördernden Gedanken ab.
• Wenn Depressive von der Selbst-Fokussierung abgelenkt
werden, dann nimmt ihre pessimistische Haltung gegenüber
zukünftigen Ereignissen ab (das negative Selbstschema wird
deaktiviert).
• Es gibt auch qualitative Unterschiede bei den Gedächtnisinhalten.
Die Erinnerungen Depressiver, insbesondere ihre Erinnerungen
an positive Ereignisse, sind eher globaler Art, ohne sich auf
bestimmte in Ort und Zeit konkrete Situationen zu beziehen.
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Depressive Patienten erinnern bevorzugt
negative Beschreibungen ihrer eigenen Person.
Bradley, B. & Mathews, A. (1983). Negative self-schemata in clinical
depression. British Journal of Clinical Psychology, 22, 173-181.
Methode
Depressive und Kontrollpersonen hatten die Aufgabe, positive und
negative Eigenschaftswörter danach zu beurteilen, ob sie auf sich
selbst oder auf unbekannte andere Personen zutrafen. Danach
bearbeiteten sie einen expliziten Gedächtnistest.
Ergebnis
Im anschließenden Gedächtnistest erinnerten die depressiven
Patienten negative Eigenschaften besser, die in Verbindung mit
sich selbst zu beurteilen waren. Dagegen erinnerten sie mehr
positive Eigenschaften, die ihnen bei der Beurteilung der anderen
Personen vorgelegt worden waren.
Die Kontrollpersonen erinnerten in beiden Bedingungen mehr
positive Charaktermerkmale.
Depressive Patienten erinnern bevorzugt
negative Ereignisse.
Clark, D.M. & Teasdale, J.D. (1982). Diurnal variation in clinical depression
and accessibility of memories of positive and negative experiences. Journal
of Abnormal Psychology, 91, 87-95.
Ziel der Studie war eine Klärung der Frage, ob die Zugänglichkeit
positive oder negativ getönter Erinnerungen in Zusammenhang mit
der aktuellen Stimmung steht.
Pbn
12 depressive Patienten mit starken Stimmungsschwankungen im
Tagesverlauf
Methode
Die Patienten wurden jeweils zum Zeitpunkt ihrer maximal
depressiven und zum Zeitpunkt einer wenig depressiven Stimmung
aufgefordert, zu neutralen Hinweiswörtern persönliche Erinnerungen
zu berichten (= expliziter Gedächtnistest).
Später mußten sie für jedes der berichteten Ereignisse angeben, wie
glücklich vs. unglücklich sie sich gefühlt hatten, als sie es erlebten.
Ergebnis
In der depressiven Stimmung wurde ein höherer Prozentsatz an
Erlebnissen mit unglücklicher Stimmung erinnert, während den
Patienten in der weniger depressiven Stimmung mehr Ereignisse
einfielen, bei denen sie sich glücklich gefühlt hatten.
Dieser Effekt zeigt sich bei remittierten
Depressiven nur in einer leicht depressiven
Stimmung.
Teasdale, J.D. & Dent, J. (1987). Cognitive vulnerability to depression: An
investigation of two hypotheses. British Journal of Clinical Psychology, 26,
113-126.
Methode
Material: Listen mit positiven und negativen Eigenschaftswörtern,
die z. T. globale Selbstabwertungen repräsentierten (z. B. wertlos,
dumm).
Die Pbn lasen die Liste und sollten jeweils angeben, ob die
gelesenen Eigenschaften auf sie zutrafen.
Pbn
Frauen, die sich nach einer Depression in Remission befanden und
nicht-depressive Frauen
Ergebnis
Wenn experimentell eine leicht depressive Stimmung induziert
wurde, erinnerten mehr remittierte Depressive als Kontrollpersonen
global negative Wörter. Wenn keine Stimmung induziert wurde, war
dies nicht der Fall.
In beiden Bedingungen erinnerte die depressive Gruppe weniger
positive Eigenschaftswörter.
Die Stimmung depressiver Patienten und auch
Testleistungen verbessern sich, wenn sie einfache
konkrete Aufgaben zu bewältigen haben.
Gleichzeitig nimmt die Beschäftigung mit
depressionsfördernden Gedanken ab.
Krames, L. & MacDonald, M.R. (1985). Distraction and depressive
cognitions. Cognitive Therapy and Research, 9, 561-573.
Methode
Kombination zweier Gedächtnisaufgaben: Die Pbn hatten zum
einen die Aufgabe, sich mehrfach hintereinander kurzzeitig Zahlen
zu merken und danach aufzuschreiben (KZG). Die Anzahl der
Zahlen variierte (0, 3, und 6 Zahlen).
Zum anderen wurden den Pbn während der Zahlen-Merk-Aufgabe
Wörter vorgelesen, die sie sich bis zum Ende des Durchgangs
merken sollten (LZG).
Pbn
Depressive und nicht-depressive klinische Kontrollpersonen
Ergebnis
Gemäß vorherigen Befunden zu Leistungseinbußen bei
Depressiven erinnerten diese weniger Wörter und machten mehr
Fehler beim Aufschreiben der Zahlen als die Kontrollprobanden.
Aber die Depressiven konnten - im Gegensatz zu den
Kontrollpersonen mehr Wörter erinnern, je mehr Zahlen sie sich
merken mußten.
Depressive zeigen Defizite beim Enkodieren von
Informationen, beim Abruf von Informationen aus
dem Gedächtnis und beim Problemlösen.
Teasdale, J.D., Taylor, M.J., Cooper, Z., Hayhurst, H. & Paykel, E.S. (1995).
Depressive Thinking: Shifts in Construct Accessibility or in Schematic Mental
Models? Journal of Abnormal Psychology, 104 (3), 500-507.
Vorhersage der
Assoziativen Netzwerktheorie
Depressive Stimmung bewirkt einen selektiven Anstieg der
Aktivierung oder Zugänglichkeit aller negativen interpretativen
Konstrukte, die zuvor mit depressiver Stimmung assoziiert waren.
Daher interpretieren akut depressive Patienten Erfahrungen eher
negativ (relativ zu nicht-depressiven Zeiten).
Vorhersage des
„Interacting Cognitive Subsystems“ (ICS-) Modells
Negatives depressives Denken wird sichtbar an einer Veränderung
übergreifender mentaler Repräsentationen (Schemata), die für die
Interpretation von Erfahrungen benutzt werden.
Im Fall der Depression wird angenommen, dass der Übergang von
einem nicht-depressiven zu einem depressiven Zustand mit
Veränderungen der schematischen mentalen Modelle assoziiert ist.
In einem depressiven Zustand werden negative Sichtweisen des
Selbst globaler enkodiert als in einem nicht-depressiven Zustand.
Weiterhin wird angenommen, dass bei depressiven Patienten
solche mentalen Modelle aktiviert werden, die Sichtweisen des
Selbst mit sozialer Anerkennung bzw. persönlichem Erfolg in
Beziehung setzen.
Fragestellung
Es wurde mit Hilfe der Items aus der Dysfunctional Attitude Scale
(DAS) ein „sentence completion task“ entwickelt. Wenn das ICSModell zutrifft sollten Depressive mehr positive Satzvervollständigungen vornehmen als Nicht-Depressive. Trifft
dagegen die Annahme der assoziativen Netzwerktheorie (erhöhte
Zugänglichkeit negativer Konstrukte) zu, sollten Depressive eher
negative, und Nicht-Depressive eher positive Vervollständigungen
vornehmen.
Beispiel:
„Wenn ich immer recht hätte, würden die anderen mich_______“
Pbn
41 depressive Patienten und 40 gesunde Kontrollpersonen, wobei
die 41 Depressiven zu einem zweiten Testzeitpunkt in die Gruppen
„verbesserte Stimmung“ und „nicht-verbesserte Stimmung“
eingeteilt wurden.
Ergebnisse
• Zeitpunkt1: Die Depressiven nahmen mehr positive
Satzvervollständigungen vor als die Kontrollpersonen.
• Zeitpunkt 2: Bei der Gruppe „verbesserte Stimmung“ nahm die
Zahl der positiven Satzvervollständigungen ab, bei der Gruppe
„nicht-verbesserte Stimmung“ nahm sie dagegen zu.
Diskussion
Die Ergebnisse widersprechen der Zugänglichkeitshypothese der
assoziativen Netzwerktheorie und sind konsistent mit der
Annahme, dass das stimmungsabhängige depressive Denken aus
Veränderungen auf einer Ebene der kognitiven Repräsentationen
beruht, die die Beziehung zwischen Konstrukten oder Mustern von
Konstrukten widerspiegelt. Diese Ebene der Kognition kann man
sich als schematische mentale Modelle der Enkodierung vorstellen.
Die Ergebnisse unterstützen also den ICS-Ansatz.
Hedlund, S. & Rude, S.S. (1995). Evidence of latent depressive Schemas in
formerly depressed individuals. Journal of Abnormal Psychology, 104, 517525.
Fragestellung
Lässt sich die ursächliche Rolle latenter depressiver Schemata für
das Einsetzen depressiver Episoden und die Rückfälligkeit
belegen?
Methode
18 nie depressiv gewesene Pbn
20 akut Depressive
15 früher depressiv gewesene, aktuell nicht-depressive Pbn
„Differential activation“-Manipulation für alle: Erhöhung des
Selbstfokus durch Instruktion
Informationsverarbeitungsmaße
• emotional stroop-test
• scrambled sentences task (z. B. „winner born i am looser a“, mit
zusätzlicher Anforderung, laut zu zählen)
• Erinnern der Wörter aus dem stroop
Ergebnisse
Die Depressivitätswerte der ehemals depressiven und der nichtdepressiven Pbn unterschieden sich nicht. Beide Gruppen
unterschieden sich aber von der depressiven Gruppe.
Im scrambled sentences task und bei der Erinnerung der Wörter
aus der stroop-Aufgabe waren die Depressiven langsamer als die
anderen beiden Gruppen, ebenso im Stroop-Test. Die anderen
beiden Gruppen unterschieden sich aber nicht voneinander.
Diskussion
Die Ergebnisse belegen für die Satzvervollständigung und die
Erinnerungsaufgabe einen Bias der derzeit nicht depressiven, aber
aufgrund ihrer früheren Depression vulnerablen Personen.
Die Unterschiede in der Informationsverarbeitung hielten an,
obwohl sich in Fragebögen keine Hinweise auf depressive
kognitive Muster fanden. Hier reagierten die ehemals Depressiven
wie nie depressiv Gewesene.
Wenn Depressive von der Selbst-Fokussierung
abgelenkt werden, dann nimmt ihre
pessimistische Haltung gegenüber zukünftigen
Ereignissen ab (das negative Selbstschema
wird deaktiviert).
Pyszczynski, T., Hamilton, J.C., Herring, F.H. & Greenberg, J. (1989).
Depression, Self-Focused Attention, and the Negative Memory Bias.
Journal of Personality and Social Psychology, 57 (2), 351-357.
Self-regulatory perseveration theory
(Pyszczynski & Greenberg, 1987)
Depression kommt dadurch zustande, dass nach dem Verlust einer
wichtigen Quelle des Selbstwertgefühls eine Art Teufelskreis
entsteht, den der Betroffene nicht verlassen kann. Dabei ist die
Aufmerksamkeit vor allem auf die eigene Person, den Unterschied
zwischen dem vorhandenen und einem gewünschten Zustand und
die Unfähigkeit, diesen Unterschied zu reduzieren, gerichtet.
Dies führt zu einem „depressive self-focusing style“.
Ziel der Studie
Es sollte ein Beleg für die Verbindung von einem depressiven
Selbstschema und dem negativen bias beim Erinnern von
Erlebnissen gefunden werden.
Weiterhin sollte getestet werden, ob es möglich ist, den bias zu
reduzieren, indem Depressive dazu gebracht werden, ihr
depressives Selbstschema zu deaktivieren.
Hypothese
Wenn die Ablenkung von der Selbst-Fokussierung zu einer
Deaktivierung des negativen Selbstschemas führt, dann sollten
auch Selbstschema-geleitete kognitive Merkmale der Depression,
wie z. B. der negative bias, dadurch reduziert werden.
Design
• Die Pbn sollten einen Aufsatz schreiben; in der Bedingung
„Selbst-Fokussierung“ waren dazu Worte vorgegeben, wie „Ich“,
„Spiegel“, „alleine“; in der Bedingung „externaler Fokus“ Worte
wie „er“, „Bild“, „zusammen“.
• Fragebogen zu Lebensereignissen; 10 Ereignisse der letzten
zwei Wochen sollten aufgelistet werden
Die berichteten Ereignisse wurden später als positiv, negativ oder
neutral getönt eingeschätzt.
Pbn
Insgesamt 61 Personen, mit einem BDI-Wert >9 (Depressive) oder
<4 (Nicht-Depressive).
Ergebnisse
2x2 ANOVA (Depression x Aufmerksamkeitsfokus):
• Unter der Bedingung „Selbst-Fokussierung“ erinnerten die
Depressiven weniger positive Ereignisse als die NichtDepressiven.
• Unter der Bedingung „externaler Fokus“ gab es keine
signifikanten Unterschiede zwischen Depressiven und NichtDepressiven.
• Nur in der Gruppe „Selbst-Fokussierung“ / Depression wurden
mehr negative als positive Ereignisse erinnert, alle anderen
erinnerten insgesamt mehr positive Ereignisse.
Fazit
Die Hypothese ist bestätigt. Ein hohes Maß an SelbstFokussierung vermittelt den negativen memory bias bei
Depressiven.
In einem weiteren Experiment konnte gezeigt werden, dass der
Effekt des Aufmerksamkeitsfokus auf die Erinnerung von selbst
erlebten Ereignissen beschränkt ist und nicht auf die Erinnerung
von Erlebnissen anderer wirkt.
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