Pharmakologische Behandlungen bipolarer Störungen im

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Pharmakologische Behandlungen bipolarer
Störungen im Jugendalter
AGNP- Symposium 28.6.2013
Prof. Dr. Michael Kölch
Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und
Psychosomatik
Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH Berlin
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie /Psychotherapie
Universitätsklinikum Ulm
Mitgliedschaften
European Medicines Agency-SAG
Psychiatry
AACAP
AGNP
ECNP
Gesent
DGKJP
BAG
AktionPsychischKranke
Forschungsförderung:
BMBF
BMFFSJ
BMAS
Schweizer Bundesamt für Justiz
Eli Lilly International Foundation
Boehringer Ingelheim
Europäische Akademie
Mitarbeit in klinischen Studien
Eli Lilly
Astra Zeneca
Janssen-Cilag
Lundbeck
GKM
Reisebeihilfen/Vortragshonorare:
Universität Rostock
DGKJPP
UCB
diverse gemeinnützige Organisationen
Autorenhonorare
Springer
Beltz
Hogrefe
Keine Aktien, keine Beteiligungen an
Pharmafirmen
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Gliederung
I.
Entwicklung des Gehirns und neuere Befunde bei bipolaren jugendlichen
Patienten
II. Prävalenz und Verlauf bei Minderjährigen: diagnostische Fragen und
Unterschiede zwischen USA und Europa
III. Psychopharmakotherapie
IV. Präventive Behandlung?
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Entwicklung des Gehirns
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Entwicklung des Kindes und Jugendlichen
- entwicklungspsychologische Aspekte
Z.B. Domänen, wie
• Motorische Entwicklung
• Sprachliche Entwicklung
• Impulskontrolle
• Denken und Abstrahieren
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Giedd et al. 2009
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Spezifische Befunde bei bipolaren Jugendlichen
Recent evidence indicates that early whitematter (WM) abnormalities may have a
significant part in the pathophysiology of
BD, and represent an early marker of the
disorder…..
Barnea-Goraly N, Chang KD, Karchemskiy A, Howe ME, Reiss AL. Limbic and
corpus callosum aberrations in adolescents with bipolar disorder: a tract-based
spatial statistics analysis. Biol Psychiatry 2009; 66: 238–244.
Adler CM, Adams J, DelBello MP, Holland SK, Schmithorst V, Levine A et al.
Evidence of white matter pathology in bipolar disorder adolescents experiencing
their first episode of mania: a diffusion tensor imaging study. Am J Psychiatry 2006;
163: 322–324.
Chen HH, Nicoletti MA, Hatch JP, Sassi RB, Axelson D, Brambilla P et al. Abnormal
left superior temporal gyrus volumes in children and adolescents with bipolar
disorder: a magnetic resonance imaging study. Neurosci Lett 2004; 363: 65–68.
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Hatton et al. International Journal of Bipolar Disorders
2013, 1:3 Cortical thining
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Fazit Hirnentwicklung
•
•
•
•
Einige Befunde vorhanden
Konsistenz der Befunde nicht ausreichend
Populationen variabel und bisher nicht im Langzeitverlauf verifiziert
„biomarker“ als Hilfestellung für Pharmakotherapie nicht existent
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Prävalenz und Verlauf der bipolaren Störung bei Kindern und
Jugendlichen
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Wann beginnt die bipolare Störung?
Perlis RH STEP-BD group Biol Psych 2004, 55:875-81
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Ist das wirklich so? - Verläufe
Dunedin Multidisciplinary Health and Development Study : 1037 Kinder vom 3
LJ bis in das 27LJ:
• Bei 93% der BP Patienten: vielgestaltige Diagnosen in der Vorgeschichte, aber
nicht Manien
• Keine soft-signs wie bei Schizophrenie (Kim-Cohen et al., 2003)
Oregon Adolescent Depression Project: 1709 High school students vom ca. 17
LJ bis zum 25LJ nachverfolgt
• Eindeutiges Vollbild Manie: 2 Fälle
• 16 Fälle schwache Ausprägung (BPD II Zyklothymie): alle ohne KH-Aufenthalt.
• Unterschwellige manische Symptome bei mehr als 5% in der Jugend aber
nicht diejenigen mit BP als Erwachsene (Lewinsohn, Klein, & Seeley, 2000
,Lewinsohn, Seeley, & Klein, 2003).
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Ist das wirklich so? – Fragen an die Diagnostik
•
•
Übereinstimmung zwischen Eltern und Jugendlichen äußerst gering 0.02 (1)
Wenn Lehrer zusätzlich befragt werden: selbst wenn Patienten Symptome
angeben, wurden diese von Lehrern nicht beobachtet (2,3)
1)Stringaris, A., Stahl, D., Santosh, P., & Goodman, R. (2011). Dimensions and latent classes of episodic mania-like
symptoms in youth: An empirical enquiry. Journal of Abnormal Child Psychology, 39,925-937; (2) Arnold, L. E., Mount,
K., Frazier, T., Demeter, C., Youngstrom, E. A., Fristad, M. A.,…Axelson, D. (2012). Pediatric bipolar disorder and
ADHD: Family history comparison in the LAMS clinical sample. Journal of Affective Disorders, 141, 382-389. (3)
Carlson, G. A. & Blader, J. C. (2011). Diagnostic implications of informant disagreement for manic symptoms. Journal
of Child and Adolescent Psychopharmacology, 21, 399-405
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Severe mood dysregulation: SMD
Leibenluft et al. 2003; Leibenluft 2013
Problemstellung: Ein Teil der Kinder zeigt Auffälligkeiten in der
Emotionsregulation, die aber nicht mit bipolar Kriterien zu fassen ist
• Beginn vor dem 12 LJ
• Ärgerlich gereizte Stimmung/Traurigkeit, mehr als die Hälfte des Tages an
vielen Tagen
• Wird von Umwelt registriert
• Deutlich übersteigerte Reaktionen auf negative Stimuli
• Besteht seit mind. 12 Monaten
• Symptome behindern das Kind in einem Funktionsbereich
•
Verlauf: nur wenige werden später im Sinne einer BP auffällig
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Fazit: das Problem mit der Prävalenz und Symptomatik
•
•
•
•
•
Prävalenz vor dem 18. LJ 0.6-1% (Lewinsohn et al. 2000)
Diskrepanzen zwischen klinischen Stichproben USA vs. Europa: USA 6-19%
(Biedermann et al. 2005) Deutschland: 0,5% (Holtmann et al. 2010)
Hypothese der ADHD-MPH induzierten Bipolar-Störung: kein Hinweis
(Galanter et al. 2003)
Hochrisikokinder: ein Elternteil Bipolar = 10 fach erhöhtes Risiko) im
Gegensatz zu Kindern ohne Elternteil mit BPD
Symptomatik im Jugendalter mit gehäuften psychotischen Symptomen,
gemischte affektive Symptome, Beeinträchtigung im Sozialverhalten (Kyte et
al. 2006)
Holtmann Duketis, Poustka, Zepf, Poustka, Bölte (2010) Bipolar disorder in children and adolescents in
Germany: National Trends in the rates of inpatients 2000-2007 Bipolar Disorders 12, 155-163
Kyte, Carlson, Goodyer (2006). Clinical and neuropsychological characteristics of child and adolescent
bipolar disorderm psychological Medicine 36: 1197-1211
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Häufigkeit in einer klinischen Stichprobe
KJPP Uniklinikum Ulm 2012
220 stat. Fälle 1000 ambulante Fälle
stationär
ambulant
F30.0
1
F30.1
1
F30.2
1
1
F31.0
F31.1
2
1
4
F31.4
3
F31.6
1
Gesamt
2
13
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Fazit: das Problem mit der Prävalenz und Symptomatik
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Prävalenz vor dem 18. LJ 0.6-1% (Lewinsohn et al. 2000)
Diskrepanzen zwischen klinischen Stichproben USA vs. Europa: USA 6-19%
(Biedermann et al. 2005) Deutschland: 0,5% (Holtmann et al. 2010)
Hypothese der ADHD-MPH induzierten Bipolar-Störung: kein Hinweis
(Galanter et al. 2003)
Hochrisikokinder: ein Elternteil bipolar = 10 fach erhöhtes Risiko) im
Gegensatz zu Kindern ohne Elternteil mit BPD
Symptomatik im Jugendalter mit gehäuften psychotischen Symptomen,
gemischte affektive Symptome, Beeinträchtigung im Sozialverhalten (Kyte et
al. 2006)
Holtmann Duketis, Poustka, Zepf, Poustka, Bölte (2010) Bipolar disorder in children and adolescents in
Germany: National Trends in the rates of inpatients 2000-2007 Bipolar Disorders 12, 155-163
Kyte, Carlson, Goodyer (2006). Clinical and neuropsychological characteristics of child and adolescent
bipolar disorderm psychological Medicine 36: 1197-1211
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Entwicklungsmodell nach Duffy et al. 2010
•
•
•
•
Manie meist erst manifest nach dem 14. LJ
Manie im Durchschnitt drei Jahre nach erster depressiver
Episode
V.a. Auftreten früher Angststörungen mit erhöhtem Risiko für
BP verbunden
Substanzabusus aufgrund Depression oder Manie erhöht
gesund
nicht-affektive
keine
Symptome
Symptome
unterschwellig
depressive
Symptome
Depression
Manie
Substanzabusus
Jugend
Kindheit
Duffy, Alda, Hajek, Sherry, Grof (2010). Early stages
in the development of bipolar disorder, Journal of Affective Disorders 121: 127-35
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Pharmakotherapie: symptomorientiert
•
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•
•
•
Was ist das Leitsymptom?
Welche Einschränkung ist führend?
Wie schnell kann eine Besserung erwartet werden?
Was verspricht die wenigsten Nebenwirkungen?
Was hat eine gute Evidenz?
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Wie wird behandelt?
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Antipsychotika im Kindes- und Jugendalter: „behavioural
use“ dominiert
Koelch et al.(2009) Journal Child Adolesc Psychopharm19(6):765-770
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Mit Antipsychotika medizierte Kinder und Jugendliche
zeigen die stärksten Auffälligkeiten
Antipsychotika die zweithäufigste Gruppe (excl. Stimulantien)
Hoher Anteil off-label use
Koelch et al.(2009) Journal Child Adolesc Psychopharm19(6):765-770
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Antipsychotika
•
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•
Zugelassen in D sind für die Indikation Manie z.B.
Aripiprazol (Zulassung bipolar ab 13 Jahre)
Ziprasidon (Zulassung bipolar ab 10 Jahre)
•
•
Erfahrungen insbesondere zu NW bestehen über Einsatz bei Schizophrenie
Bei BP: SGA größere Effektstärken als mood stabilizer (ES = 0.65, CI: 0.530.78 versus 0.24, CI: 0.06-0.41) (Corell et al. 2010)
teilweise keine Vollremission (Tohen et al. 2007;Findling et al. 2009; Haas et
al. 2009).
Langzeitdaten fehlen
•
•
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Lithium
Deutlich geringe Bedeutung in KJP
Problem: therapeutische Breite
Problem: Alltag von Jugendlichen (Sport etc.)
Wirksamkeit:
• „Langzeituntersuchung“ (16-Wochen) : Dosis-Mittel: 28.2 (6.7)
mg/kg/d (Findling et al. 2012)
• häufige NW (≥20%): Erbrechen, Kopfschmerzen,
Bauchscherzen, Tremor, aber immerhin 17% der Patienten
hatten eine Enuresis als AE (Findling et al. 2012),
• Aber: 60% erhielten eine weitere Medikation
• Dosis: >30kg:600mg/900mg als Startdosis
•
•
Akuttherapie bei bipolaren Störungen im Kindes- und
Jugendalter: Lithiumspiegel: 0,6 -1,2 mmol/l
Rezidivprophylaxe: Lithiumspiegel: 0,8 mmol/l (Gerlach et al.
2006)
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Was wissen wir über Langzeiteffekte?
•
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Offene Fragen bei Psychopharmakotherapie bei Minderjährigen bleiben:
Langzeiteffekte (metabolisch, ZNS, reproduktiv)
Dosisfragen und Fragen der Pharmakokinetik und –dynamik
Erfassung spezifischer Nebenwirkungen
•
Ansatz über TDM (TDM vigil) bei insgesamt kleinen Gruppen eine
ausreichende Datenbasis zu schaffen
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Präventive Behandlung?
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•
•
•
Neurobiologische Befunde mit strukturellen Veränderungen würden ein frühes
Intervenieren nahelegen
Jedoch: Unsicherheit über Langzeitverlauf
Kein Hinweis das SGA „neuroprotektiv“ sind
“cost-risk“ balance
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Fazit
Pharmakotherapeutische Behandlung bei beeinträchtigender Symptomatik
angezeigt
Rezidivprophylaxe über mehrere Jahre
Präventive Behandlungskonzepte aufgrund uneindeutiger Zuordnung der
Symptome und Unsicherheit über den Langzeitverlauf obsolet
„Pediatric bipolar“: Behandlung einer CD+ADHD
Nebenwirkungen der SGA kurzfristig v.a. metabolischer Art
ZNS-Langzeitstudien fehlen
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Kliniken für Kinder- und
Jugendpsychiatrie, Psychotherapie
und Psychosomatik
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit
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