Ärzte Zeitung online, 15.11.2013 Psychische Störungen Fokus auf

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Ärzte Zeitung online, 15.11.2013
Psychische Störungen
Fokus auf Kinder aus Migrantenfamilien legen
Familien mit Migrationshintergrund vertrauen sich auch bei psychischen
Problemen junger Familienangehöriger oft erst spät einem Arzt an. Dies
verschlimmert nicht nur das seelische Leiden der jungen Patienten.
KÖLN. In Deutschland lebende Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund
haben ein höheres Risiko für eine Depression, Abhängigkeitserkrankung,
posttraumatische Belastungsstörung, ein psychosomatisches Leiden oder andere
psychische Störungen als Deutsche.
"Die Kinder und Jugendlichen aus Migrantenfamilien wachsen häufig in einem
enormen kulturellen und emotionalen Spannungsfeld auf", erklärt Oya UzelliSchwarz, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und
Vorstandsmitglied des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie (BKJPP).
"Mit den sich daraus ergebenden Konfliktsituationen sind sowohl Eltern wie auch die
Kinder und Jugendlichen häufig überfordert, was sich zunächst in einem auffälligen
Verhalten und bei einem Andauern der emotionalen Belastung auch in einer
psychischen Störung äußern kann."
Zunächst muss eine "emotionale Mauer" überwunden werden
Migration und multikulturelle Aspekte als Risikofaktor für psychische Störungen bei
Kindern und Jugendlichen sind ein Schwerpunktthema bei der diesjährigen
Jahrestagung des BKJPP vom 14. bis 16. November 2013 in Berlin. Das diesjährige
Motto lautet: "Mauern, Brücken, Übergänge".
"Wenn Kinder oder Jugendliche zu uns in die Praxis kommen gilt es zunächst einmal,
emotionale Mauern zu überwinden", so Tagungspräsidentin Uzelli-Schwarz.
"Die Brücken und Übergänge benötigen wir, um den Betroffenen Wege aus ihrer
Situation aufzuzeigen und sie dabei zu unterstützen."
Besorgniserregend seien auch die häufig anzutreffenden Vorbehalte in
Migrantenfamilien gegenüber psychiatrischen und psychosozialen Hilfen, teilt der
BKJPP zum Kongressmit. "Die Familien vertrauen sich in der Regel viel zu spät
einem Arzt an", weiß Uzelli-Schwarz, die in Gelsenkirchen als niedergelassene
Kinder- und Jugendpsychiaterin tätig ist.
"Dies verschlimmert nicht nur das seelische Leiden der jungen Patienten. Auch die
Behandlung wird dann schwieriger, sie dauert länger und im schlimmsten Fall wird
der Behandlungserfolg sogar in Frage gestellt."
Ein Hinweis darauf sei etwa der überproportional hohe Anteil junger Türkinnen bei
Suiziden.
Sprachbarrieren berücksichtigen!
Um die Zugangsbarrieren zu senken, sollten Anamnese und Behandlung den
kulturellen Hintergrund der Patienten berücksichtigen, erinnert der BKJPP. "Es ist
wichtig, sich mit den sozialen Strukturen, Wertevorstellungen und religiösen
Bräuchen der Patienten zu beschäftigen. Zudem müssen mögliche Sprachbarrieren
berücksichtigt und ausgeräumt werden", wird Uzelli-Schwarz zitiert.
Eine mangelnde interkulturelle Verständigung wirke sich immer ungünstig auf die
Arzt-Patienten-Beziehung aus. Sie führe zu Verhaltensunsicherheiten auf Seiten der
Patienten und des Arztes und letzten Endes zu Fehl- und Falschdiagnosen. (eb)
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