Stellungnahme zur Zukunft der Fischereifachberatungen der Bezirke

Werbung
Es gilt das gesprochene Wort!!
29. April 2015
Einführung
von Bezirketagspräsident Josef Mederer
anlässlich des Symposiums der Kliniken für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik der bayerischen Bezirke
am 29. April 2015 in München
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich, Sie heute zu unserem dritten Symposium der Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der bayerischen Bezirke in Zusammenarbeit mit dem
Bayerischen Bezirketag und dessen Bildungswerk Irsee begrüßen zu können. Dieses
Symposium findet alle zwei Jahre statt, bereits letztes Mal konnten wir die Gastfreundschaft der Israelitischen Kultusgemeinde und ihre Räumlichkeiten nutzen, worüber wir uns
sehr freuen.
Ebenfalls freue ich mich über die große Resonanz, die wir mit unserer Einladung erzielt
haben. Seien Sie alle herzlich willkommen, um mit uns die Entwicklungslinien heranwachsender Menschen und die auch damit verbundenen Herausforderungen der Kinder- und
jugendpsychiatrischen Versorgung zu betrachten.
Eigentlich sollte man meinen, dass die Voraussetzungen in Deutschland für die Entwicklung unserer Kinder historisch gesehen so gut wie nie sind. Die Schrecken des Kriegs liegen 70 Jahre hinter uns, wirtschaftlicher Wohlstand in einem recht stabilen Europa ermöglicht gute Rahmenbedingungen für Familien, Bildung und medizinische Vorsorge.
Wir sind uns sicher darüber einig, dass die Entwicklung unserer Kinder zu verantwortungsvollen Mitmenschen die wichtigste Investition in unsere Zukunft ist.
Umso erschreckender erscheint der ständig wachsende Bedarf in unseren kinder- und
jugend- psychiatrischen Versorgungs- angeboten. Dieser kann kaum so rasch ausgebaut
werden wie er steigt.
Die Fachklinken der Bezirke für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik stellen
mit ihren Fachabteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie, spezialisierten Tagesklinken
und Fachambulanzen etwa die Hälfte der Klinikkapazitäten in der Behandlung psychisch
kranker Kinder und Jugendlicher in Bayern zur Verfügung. Ich freue mich übrigens, dass
Knöbelstraße 10
80538 München
Telefon
(0 89) 21 23 89 - 0
Telefax
(0 89) 29 67 06
E-Mail
[email protected]
auch viele Chefärzte der anderen Hälfte heute anwesend sind, das zeigt mir, dass Sie gut
und vertrauensvoll zum Wohle unserer kleinen Patienten zusammenarbeiten, dafür danke
ich Ihnen herzlich.
Die Kinder- und jugendpsychiatrischen Kapazitäten wurden in den letzten zehn Jahren
verdoppelt, mittlerweile sind im Freistaat etwa 628 Betten und 442 Plätze als bedarfsnotwendig anerkannt. Während also im Jahre 2002 in Bayern je 100.000 Einwohner 2,9 Betten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zur Verfügung standen, sind es 2014 bereits 4,9
Betten je 100.000 Einwohner. Im Bundesvergleich ist das übrigens immer noch wenig, in
Deutschland insgesamt stehen 7,1 Betten je 100.000 Einwohner zur Verfügung.
Eine zusätzliche Inanspruchnahme der klinischen Kapazitäten erleben wir in der jüngeren
Zeit durch zum Teil schwer traumatisierte oder aus anderen Gründen psychiatrisch behandlungsbedürftige unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. In Ballungsräumen sind gelegentlich über 10 Prozent der Betten mit jungen Flüchtlingen belegt. Bei der Beurteilung
des Gesamtbedarfs an kinder- und jugendpsychiatrischer klinischer Versorgung ist dieser
Personenkreis noch gar nicht berücksichtigt worden. Abgesehen davon, dass die angemessene psychiatrische Behandlung junger Flüchtlinge mit vielen verschiedenen Ethnien,
entsprechend vielen Sprachen und kulturellen Hintergründen die Kliniken vor besondere
Herausforderungen stellt, brauchen wir Planungssicherheit und Anerkennung dieses zusätzlichen Bedarfs, um so schnell wie möglich dafür Personal gewinnen und räumliche
Möglichkeiten zur Verfügung stellen zu können.
Bei der Betrachtung der Versorgungskapazitäten und einer Bedarfsprognose ist unbedingt
die ambulante Versorgung zu nennen. Der wichtigste Baustein sind dabei die niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiater und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
und –therapeutinnen. Auch wenn es in den letzten Jahren positive Veränderungen durch
die Zunahme von Niederlassungen gegeben hat, und die vertragsärztliche Bedarfsplanung
nur ein unterversorgtes Gebiet ausweist, nämlich die nördliche Oberpfalz, so ist die gefühlte Situation eine andere. Immer noch sind die Wartezeiten viel zu lang. Ich hoffe sehr,
dass die Parameter der Bedarfsplanung hier bald mehr dem realen Bedarf angepasst
werden, indem endlich berücksichtigt wird, dass sich die Inanspruchnahme der Kinderund Jugendpsychiater in den letzten 20 Jahren sehr verändert hat und noch viel mehr
Niederlassungen ermöglicht werden müssen.
Die Kinder und Jugendpsychiatrischen Ambulanzen, die an den Kliniken angebunden sein
müssen, haben ebenfalls ihr Angebot ausgeweitet: von 2006 bis 2015 hat sich ihre Zahl
Seite 2
von 20 auf 32 erhöht, darin wurden letztes Jahr etwa 46.000 Quartalsfälle behandelt, damit haben sich die Fallzahlen mehr als verdoppelt.
Doch lassen Sie mich nun kurz den bekannten Bedarf referieren und im Anschluss ein
paar Vermutungen über die Ursachen anstellen.
Nach der groß angelegten BELLA-Studie des Robert-Koch-Instituts, die seit 2007 nun zum
fünften Mal fortgeschrieben wird, weisen 22 % der Kinder und Jugendlichen psychische
Belastungen bzw. Störungen auf. Bei bundesweit 23,2 Mio. Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sind demnach rund fünf Millionen Kinder und Jugendliche zumindest psychisch belastet.
Weiter geht man davon aus, dass jedes zehnte Kind eine psychische Störung aufweist,
davon ist wiederum die Hälfte –und das ist positiv geschätzt, es gibt auch andere Zahlen! behandlungsbedürftig. Bayernweit bedeutet dies bei 2,3 Millionen Kindern und Jugendlichen, dass 220.800 Kinder und Jugendliche eine psychische Störung haben, davon ist
etwa die Hälfte, nämlich mindestens 115.000 Kinder behandlungsbedürftig. Jedoch muss
zuvor für eine deutlich höhere Zahl von Kindern und Jugendlichen die diagnostische Abklärung einer eventuell behandlungsbedürftigen Störung angeboten werden.
Nach internationalen Studien haben mindestens 20 % der jungen Menschen mindestens
eine depressive Episode bis sie 18 Jahre alt sind.
Und leider sind psychische Erkrankungen im Kindesalter häufig nicht vorrübergehend, etwa die Hälfte der achtjährigen Kinder, die psychische Probleme haben, haben auch im
Alter von 18 Jahren psychiatrische Erkrankungen.
Wenn ich diese Zahlen und Fakten höre, frage ich mich stets, wie das früher war. Gibt es
wirklich so viel mehr psychisch kranke Kinder und Jugendliche als früher? Oder nehmen
wir sie nur mehr wahr? Es scheint beides richtig: Die Zunahme der Erkrankungen kann
man nur schwer erfassen, da hier die Dunkelziffer sehr unterschiedlich geschätzt wird.
Nach wie vor werden viele psychische Erkrankungen nicht behandelt oder nicht als solche
erkannt. Wesentlich besser lässt sich dagegen die steigende Inanspruchnahme von medizinischen Angeboten feststellen. Mehr Aufklärung und bessere Diagnostik, aber auch
mehr Akzeptanz psychischer Auffälligkeiten als behandelbare Erkrankung haben sicherlich
zu einer steigenden Inanspruchnahme der Behandlungsangebote geführt.
Parallel dazu steigen jedoch leider auch die Risikofaktoren.
Seite 3
Die Erkenntnisse der BELLA-Studie über Risiko- und Schutzfaktoren finde ich besonders
interessant. Was kann vor psychischer Erkrankung schützen, wer ist besonders gefährdet? Denn das gibt mir als Politiker auch einen Handlungsauftrag.
Lassen Sie mich fünf Risikofaktoren herausgreifen:
1.
niedriger sozioökonomischer Status.
2.
Psychische Erkrankung eines Elternteils: diese Kinder haben ein vielfach höheres
Risiko, selbst zu erkranken.
3.
Überforderung der Familien bis hin zu zerbrechenden Strukturen, aber auch übertriebene Erwartungshaltung oder Leistungsdruck von den Eltern sind ein Risiko.
4.
Kinder, die in Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe leben, gelten ganz
besonders als Hochrisikogruppe.
5.
Weiter haben Kinder mit einer geistigen Behinderung ein vielfaches Risiko,
psychisch zu erkranken.
Als Schutzfaktor wird neben einem positiven Familienklima und sozialer Unterstützung
auch die Selbstwirksamkeit genannt, also wenn ein Kind häufig positive Erfahrungen
macht, sich ernst genommen fühlt und Erfolgserlebnisse hat.
Als Politiker sehe ich meinen Auftrag nicht nur darin, für ausreichende medizinische Versorgungskapazitäten ambulant und stationär zu sorgen, sondern vor allem auch darin, Risikofaktoren zu minimieren und die Schutzfaktoren zu unterstützen.
Das 3. Symposium der Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der
bayerischen Bezirke in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Bezirketag und dessen Bildungswerk Irsee widmet sich deshalb der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Unsere Experten haben mir berichtet, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie gerade selbst erst erwachsen wird, sie ist ein junges Fach, wie Sie sicher gleich von Herrn Professor Freisleder
hören werden. Deswegen wollen wir uns über den Entwicklungsstand des Fachgebietes
allgemein informieren, aber auch altersgruppenspezifische und andere besondere Problem-stellungen und Herausforderungen in der psychiatrischen Versorgung von jungen
Menschen betrachten. Alleine schon die verschiedenen Entwicklungsstadien junger Menschen zeigen die notwendige Vielfalt des Versorgungsangebots auf. Wir müssen uns klar
machen: bis ein Mensch erwachsen wird, durchläuft er in Kindheit und Jugend mehr Entwicklungsstadien als in jedem folgenden Lebensabschnitt!
Leider hätte es unser Tagungsprogramm gesprengt, alle Herausforderungen der Kinderund Jugendpsychiatrie zu beleuchten. Wir haben uns daher ganz bewusst auf besondere
Seite 4
Schlaglichter je Altersstufe beschränkt, wie die nicht zu unterschätzende Bedeutung der
Familie und deren Einbezug in die Behandlung des psychisch kranken Kindes, der Nahtstelle zwischen Schule, Jugendhilfe und medizinischer Behandlung, der besonderen Herausforderung bei straffällig gewordenen Jugendlichen und bei Kindern und Jugendlichen
mit Behinderungen.
Wir möchten mit den Beiträgen eine Diskussionsplattform bieten, Probleme und Möglichkeiten aufzeigen und zum Nachdenken anregen. Ich freue mich sehr, dass wir so viele
namhafte und spannende Experten für unser Symposium gewinnen konnten und darf an
dieser Stelle ganz besonders unsere Referenten begrüßen, als ersten Vortragenden heute
und stellvertretend für alle Herrn Professor Franz-Josef Freisleder. Ich danke Ihnen allen
schon jetzt für Ihren Beitrag!
Mit den Informationsständen zu den Behandlungsangeboten der Gesundheitsunternehmen der bayerischen Bezirke, die Sie im Foyer vorfinden, möchten wir alle ganz herzlich
zum Gespräch mit unseren Klinikmitarbeitern einladen. Ich hoffe, Sie haben diese Möglichkeit bereits beim Ankommen wahrnehmen können, es bietet sich in der Mittagspause
und am Ende weitere Gelegenheit dazu.
Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, dem Organisationsteam für die arbeitsintensive Vorbereitung dieser Veranstaltung zu danken.
Doch nun darf ich das Wort weiter an unseren Moderator Herrn Andreas Schneider geben,
der sich als Journalist intensiv mit Gesundheitsthemen befasst.
Ihnen allen interessante Erkenntnisse und herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Seite 5
Herunterladen