Titel WENN DER DRUCK ZU GROSS WIRD Psychische Störungen sind im Vormarsch – und hinterlassen ihre Spuren auch im sozialen Umfeld der Betroffenen Von Volker Hütte Zu nichts mehr Lust haben, nichts mehr genießen können. Eine Empfindung von innerer Lähmung. Zu Hause und im Beruf nichts mehr auf die Reihe kriegen. Die Leere um sich herum spüren, die immer größer wird. Fühlen, dass man nichts mehr fühlt. Ahnen oder gar wissen, dass es sich bei alldem um eine psychische Krise handelt. Hoffen, inständig hoffen, dass diese Krise bald vorübergeht. Auch wenn dieser beschriebene Gemütszustand nur ein Beispiel für viele Varianten ist: Psychische Krisen kennt nahezu jeder Mensch. Viele von uns haben auch gelernt, diese Krisen bei anderen Menschen oder auch bei sich selbst zu akzeptieren, sie gegebenenfalls sogar als Teil eines immer wiederkehrenden Zyklus anzunehmen. Krise ja, psychisch krank aber möchte keiner sein. In vielen Fällen sind psychische Störungen sogar gravierender als körperliche Erkrankungen, denn sie können massiv und langfristig den Alltag der betroffenen Personen beeinträchtigen. Der eigenen Person und der Welt seelisch gewachsen zu sein, ist unbestritten ein wertvolles persönliches Gut. Es hat entscheidenden Einfluss darauf, wie zufrieden der Mensch mit dem eigenen Leben ist. noch zurück. Wenn das Denken, Fühlen und Handeln von Menschen jedoch erheblich von einer – wie auch immer zu definierenden – Norm abweicht und diese Abweichung länger anhält, dann verursacht sie häufig persönliches Leiden. Man spricht dann bereits von einer psychischen Erkrankung. In der Psychiatrie und klinischen Psychologie hat sich seit geraumer Zeit allerdings der Begriff psychische Störung durchgesetzt. Er gilt als wertneutraler und hilft, eine Stigmatisierung zu vermeiden. Außerdem berücksichtigt der Begriff Störung, dass immer noch kein ausreichendes Wissen über die Ursachen und deren Behandlung bestehen. Doch psychische Leiden zu erkennen und zu behandeln ist genauso wichtig, wie einen organischen Defekt, etwa ein Magengeschwür, zu diagnostizieren und zu therapieren. In den Wissenschaften existiert keine einheitliche Definition von psychischer Störung. Man hat sich aber inzwischen auf ihre typischen Eigenschaften einigen können. Demnach sind psychische Störungen nur sehr Die Diagnose einer psychischen Erkrankung ängstigt daher die Betroffenen. Sie ängstigt aber auch deren Umwelt, denn vor seelischem Leid schreckt der Mensch – trotz aller Aufklärungsund Enttabuisierungsversuche – immer 4 Titel eingeschränkt willentlich zu steuern. Sie dauern länger an, sie verursachen Leiden, sie beeinträchtigen das tägliche Leben (Beruf, Partnerschaft, Familie, Freunde) und sie sind nicht selten lebensbedrohend. Konkret kann sich eine psychische Störung darin ausdrücken, dass eine Person bestimmte Gefühle wie Freude oder Zuneigung nicht mehr empfinden kann, dass andere Gefühle wie Angst oder Traurigkeit das Leben bestimmen oder dass sie ständigen Gefühlsschwankungen ausgesetzt ist. Seit jeher ist die Wissenschaft bestrebt, Ordnung in die unterschiedlichen psychischen Störungen zu bringen, sie gleichsam voneinander abzugrenzen und zu klassifizieren. Traditionell ist eine grobe Einteilung in neurotische Störungen (u.a. Ängste, Phobien) und psychotische Störungen (u.a. Verlust des Realitätsbezugs; Wahnvorstellungen) üblich. Das bekannteste verfeinerte Klassifikationsschema hingegen ist das weltweit genutzte ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation WHO, die in der F00-99-Klasse zusammengefasst wird: -Organisch bedingte psychische Störungen (Beispiel: Demenz) -Störungen von Psyche und Verhalten durch psycho- trope Substanzen (Beispiel: Drogenkonsum) -Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen - Affektive Störungen (Beispiele: Depression; Bipolare Störung) -Neurotische Störungen (Beispiele: Angststörung; Phobien) -Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (Beispiel: Essstörungen) -Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (Beispiele: Pyromanie; Kleptomanie) -Intelligenzminderung -Entwicklungsstörungen (Beispiel: Lese- und Rechtschreibstörung) -Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend Psychische Störungen sind nicht nur eine Belastung für die daran erkrankte Person. Sie können, je nach Art und Ausmaß der Störung, das gesamte Umfeld der betroffenen Personen erreichen, vom Familien- und Freundeskreis bis hin zur Schul- oder Arbeitswelt. Psychische Störungen sind zurzeit die vierthäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Seit 1991 stieg die Zahl der Krankheitstage durch psychische Störungen um etwa 33 Prozent. Noch dramatischer vielleicht ist die Aussagekraft eines weiteren statistischen Werts: Seit 20 Jahren ist die Anzahl der Krankenhausfälle von 4 Fällen je 1000 gesetzlich Krankenversicherter auf mittlerweile 9 Fälle angestiegen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt außerdem, dass im Jahr 2020 Depressionen und Angststörungen die zweit- und dritthäufigste Krankheitsursache sein werden. Diese Statistiken wirken sich auf die Arbeitssituation in Deutschland aus. Leistung und Qualität der Arbeit leiden immer öfter (wie die Erkrankten!), Arbeitsabläufe werden gestört. Betroffene sind oft unzuverlässig, eine Zusammenarbeit mit ihnen ist oft nur noch mit Einschränkungen möglich. Kollegen gehen zunehmend auf Distanz zu ihnen, weil sie das veränderte Verhalten nicht oder nur schwer einschätzen können. Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf kommt es zu vermehrten Fehlzeiten, was wiederum zu einer Überlastung der Kollegen führt. Erkrankte gelten dann schnell als Simulanten oder Drückeberger, werden nicht selten gemobbt. Das Betriebsklima verschlechtert sich rapide. Andererseits ist der Umgang mit den Betroffenen nicht selten äußerst kompliziert. Die Krankheitseinsicht fehlt und damit das Bewusstsein, Hilfe annehmen zu müssen. Rücksicht auf labile Menschen wird in unserer stressigen, durchorganisierten und auf Leistungsdruck bauenden Arbeitswelt kaum genommen. 5 Titel Die Wegrationalisierung vieler Arbeitsplätze, die Arbeitsverdichtung, das hemmungslose Verfügen der Arbeitgeber über Zeit und Einsatzorte der Arbeitnehmer sowie die bis an die Belastungsgrenzen reichenden Anforderungen an die Mitarbeiterschaft geben vielmehr Anlass zu Überlegungen, dass die Arbeitsbedingungen in der globalisierten Welt psychische Störungen hervorrufe und fördere. Arbeitgeber, die psychisch erkrankten Menschen ihre Unterstützung anbieten, sind demgegenüber äußerst rar gesät. Kein Wunder also, dass Depressionen und Burnout inzwischen der Hauptgrund für vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf sind, wie das Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung ermittelte. Doch solche Krankheiten werden immer noch häufig nicht rechtzeitig erkannt. Wenn der früher aktive Mitarbeiter über Monate hinweg als energie- und antriebslos, gedrückt und niedergeschlagen erlebt wird, wissen Kollegen und Vorgesetzte oftmals nicht, ob er nicht will oder nicht kann. Nicht jede Stimmungsschwankung ist schließlich eine psychische Störung. Hohe Ausfallzeiten durch Krankheit, auffälliges Verhalten wie Selbstgespräche, Zwänge oder Wahrnehmung unrealistischer Dinge können allerdings ein Hinweis auf eine Erkrankung sein. Auch verändertes Sozialverhalten in Form von sozialem Rückzug oder starker Gereiztheit können wichtige Anzeichen sein. Experten raten in solchen Fällen, sich mit weiteren Personen aus dem Umfeld zu beraten, die Betroffenen auf deren Verhaltensänderungen anzusprechen und sie bei der möglichen Suche nach fachärztlicher Hilfe zu unterstützen. 6 Die Reaktionen darauf reichen von ergebener Zustimmung bis zur energischen Abwehr dieses „Hirngespinstes“. Doch nicht selten ist der tatsächlich erkrankte Mensch – sofern er die Uneinsichtigkeit in die eigene Krankheit abgelegt hat – sogar erleichtert, wenn ihm jemand die Entscheidung abnimmt, die Initiative ergreift und ihn zum Arzt begleitet. Menschen, die ernsthaft unter psychischen Störungen leiden, sind also nur in den seltensten Fällen die einzigen Betroffenen. „Die Belastungen, die eine psychische Erkrankung für die Angehörigen mit sich bringt, sind ohne Hilfe und Beistand kaum zu bewältigen“, weiß auch Edelgard Nolting. Die 1. Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Angehörigen psychisch kranker Menschen in Frankfurt am Main e.V. ist Mutter eines Sohnes, der 1982 im Alter von 16 Jahren psychisch erkrankte. Mit der heutigen Erfahrung hätten die Eltern die alarmierenden Anzeichen vorher erkannt, damals jedoch kam die Diagnose aus heiterem Himmel. Nicht nur Ratlosigkeit und Sorgen waren daraufhin immens, sondern auch die Schuldgefühle. Drei Jahre später stießen die Eltern zu einer Gesprächsgruppe der Frankfurter Werkgemeinschaft. Die Eltern trafen auf Menschen, die wussten, worüber sie sprachen und mit denen sie die Probleme teilen konnten. Aus diesem Gesprächskreis entwickelte sich im Laufe der Jahre (Gründung: Oktober 1988) der Verein, der mittlerweile über 100 Mitglieder hat. „Wir sind vor 20 Jahren mit dem Vorsatz angetreten, Dinge in Frankfurt zu ändern, und das ist uns in einigen Bereichen auch gut gelungen“, gibt Edelgard Nolting ein vorläufiges Fazit. Wichtigstes Anliegen war zunächst die Enttabuisierung. Angst über die psychische Störung eines Angehörigen zu reden, sei häufig der Beginn einer Isolation der Angehörigen, und das sei „so ziemlich das Verkehrteste, das die Angehörigen sich auferlegen“ sollten. Viele Angehörige bringen eine enorme Kraft dazu auf, die Störung zu verheimlichen. „Genau die Kraft braucht man aber, um mit der Krankheit und allem Drumherum fertig zu werden.“ Titel Edelgard Nolting Die Vereinsmitglieder – fast ausnahmslos Angehörige – treffen sich einmal im Monat im Nachbarschaftszentrum Ostend und jeden Freitag findet von 17 bis 19 Uhr eine Telefonberatung statt. Vorstandsmitglieder nehmen an den Beratungen der „Fachgruppe Psychiatrie Frankfurt“ teil, darüber hinaus beteiligt sich der Verein seit 1989 aktiv an der „Frankfurter Psychiatriewoche“. Zur Entlastung der Angehörigen Der Austausch mit den Fachleuten, die Möglichkeit, sich als homogene Gruppe aktiv in den Gestaltungsprozess einzubringen und das dadurch gewonnene Renommee transportiert die Angehörigenarbeit in die Öffentlichkeit. Dadurch erreicht der Verein, dass die massiven Probleme der Angehörigen psychisch kranker Menschen besser wahrgenommen werden. Einrichtungen wie das Internationale Zur Arbeitsgemeinschaft der Angehörigen psychisch kranker Menschen kommen mitunter Menschen, die am Rande ihrer Belastbarkeit sind – oder die Schwelle bereits überschritten haben. ist es zwingend notwendig, die Verantwortung auch auf andere zu übertragen, auf Beratungsstellen der unterschiedlichsten Träger, Behörden und sonstige Familienzentrum. Deshalb muss den Angehörigen immer wieder klar gemacht werden, dass sie nicht nur für die Kranken da sein müssen, dass sie sich auch Zeit für sich selbst nehmen und etwas Gutes gönnen müssen. 7 Titel Am besten kann das durch Weitergabe von Informationen erreicht werden: Für welche psychische Störung sind welche Ärzte und welche Kliniken empfehlenswert? Welcher Rechtsanwalt kann bei welchen juristischen Problemen helfen? Wo gibt es Wohnheime? Was sollte man bei Jugendlichen berücksichtigen, die psychisch erkranken? Positives kann Edelgard Nolting aus ihrer langjährigen Vereinsarbeit berichten. Aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit, aber auch wegen der Häufigkeit der Erkrankungen, wachse besonders bei jungen Menschen die Offenheit gegenüber psychischen Erkrankungen. „Außerdem haben sich die Bedingungen in Frankfurt definitiv verbessert“, lobt die Vereinsvorsitzende. „Die alten KommStrukturen, nach denen die Erkrankten die Kliniken und andere Hilfsangebote aufsuchen mussten, werden immer mehr aufgeweicht, die Geh-Strukturen beginnen sich durchzusetzen. Wir haben uns lange dafür engagiert und begrüßen diese Möglichkeiten nachdrücklich.“ Eine dieser Kliniken, die mit Geh-Strukturen arbeiten, ist der Bamberger Hof. Der Name erinnert an ein ehemaliges Hotel in Frankfurt-Niederrad, in dessen Räumlichkeiten die Klinik einst als direkter Nachmieter eingezogen war. Artur Diethelm ist seit 1979 leitender Arzt des Bamberger Hofs, der ein Betriebszweig des Zentrums für Soziale Psychiatrie Hochtaunus gGmbH ist. „Wir betreuen hier Patienten, die ambulant oder teilstationär behandelt werden können, vor allem Menschen mit schizophrenen, depressiven, aber auch neurotischen Störungen und zunehmend mit dementiven Erkrankungen,“ berichtet er. Neben der regulären ambulanten Behandlung in der Klinik bietet der Bamberger Hof unter dem einprägsamen und öffentlichkeitswirksamen Motto „Heimspiel“ die erwähnte psychiatrische Akutbehandlung in den eigenen vier Wänden – und das täglich. Es geht dabei fast ausschließlich um Patienten, die ansonsten stationär behandelt werden müssten, die deshalb auch in der Regel eine Krankenhauseinweisung vom niedergelassenen Facharzt oder von anderen Kliniken benötigen. Etwa 200 Patienten werden auf diese Weise betreut, die durchschnittliche Behandlungsdauer liegt hier bei 25 Tagen. Deutschlandweit gibt es keine andere psychiatrische Einrichtung, die hinsichtlich eines Hometreatments an diese Zahl herankäme. Aus der vollstationären Einrichtung mit angegliederter Nachtklinik ist schon im Jahr 2000, drei Jahre vor dem Umzug 2003 in den Oeder Weg, eine Klinik mit Hometreatment geworden, also mit ambulanter psychiatrischer Akutbehandlung zuhause. Herzstück des Bamberger Hofs ist die Institutsambulanz mit über 2.000 Patienten im Quartal. Insgesamt 16 Fachärzte sind u.a. verantwortlich für die Versorgung von Migrant/innen und sorgen mit einer breiten Palette muttersprachlicher Angebote für die entsprechende Akzeptanz: Ein griechischer, ein englischsprachiger, zwei italienische und zwei türkische Fachärzte arbeiten in der „Klinik ohne Betten“, ebenso wie eine iranische Psychologin und ein eritreischer Psychologe. Artur Diethelm 8 Titel Für die Patienten ist diese Behandlungsform vorteilhaft, weil sie zum einen nicht aus ihrer vertrauten Umgebung gerissen werden oder, wie es Diethelm ausdrückt, „nicht erst entwurzelt und nachher wieder mühsam verwurzelt werden müssen“. Zum anderen ist dadurch ein am Lebensumfeld orientiertes Arbeiten für Diethelm und seine Kolleg/innen möglich. Die Patienten werden ganzheitlich mit all ihren Ressourcen und Fähigkeiten wahrgenommen, auch mit ihrem sozialen Umfeld wie Familie und Nachbarn. „Von den Patienten wird diese Behandlungsform gut angenommen“, sagt Diethelm und zählt Patientengruppen auf, die den Weg in eine Klinik zur dortigen stationären Behandlung aus unterschiedlichen Gründen kaum antreten würden: Migrant/innen, die aus familiär-kulturellen Gründen einem Klinikaufenthalt skeptisch gegenüberstehen und Menschen mit Versorgungsverpflichtungen wie etwa Mütter mit Kindern oder Erwachsene, die einen Elternteil pflegen. Diethelm sieht es als großen Fortschritt an, dass „durch eine langjährige, gezielte Sensibilisierung der Öffentlichkeit Menschen mit psychischen Störungen sich schneller behandeln lassen als früher“ und dass dadurch die ärztliche Hilfe schneller und erfolgversprechender erfolgen könne. Die Aufnahmezahlen von Patienten mit psychischen Störungen in den Krankenhäusern ist auch deshalb deutlich angestiegen. Gleichzeitig ist die Verweildauer der einzelnen Patienten gesunken. Seit 1975 wurden mehr als 50 Prozent der Krankenhausbetten in Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie abgebaut. Die Versor- gungsverlagerung vom stationären in den ambulanten Bereich, die ja lange vehement gefordert worden war, fand also statt, allerdings ohne den gleichzeitigen Transfer von Ressourcen. Worin aber liegen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die Ursachen für die gewachsene Zahl von Menschen mit psychischen Störungen? Das Wort „multifaktoriell“ kommt bei der Beantwortung dieser Frage beinahe als Standard aus dem Mund der Experten. Veränderungen der Familienstrukturen seien mitverantwortlich, heißt es immer wieder. Alte Familienverbünde haben sich weitgehend aufgelöst, der soziale Zusammenhalt der Menschen wird allgemein kleiner. Die daraus resultierenden möglichen Faktoren Einsamkeit und Isolation setzen der Psyche häufig zu. Das weltweit zu beobachtende Phänomen der Massenmigration hat ebenfalls tragische Folgen in Form von posttraumatischen Belastungsstörungen vieler Migrant/innen. Als bedeutende – hier bereits erwähnte – Ursache wird von den meisten Experten schließlich die stark belastende Situation in der Arbeitswelt angebracht. Neurobiologische Forschungen haben darüber hinaus ergeben, dass psychische Erkrankungen zwar nicht genetisch verursacht, aber doch genetisch beeinflusst sind. So konnten in jüngster Vergangenheit Schizophrenie beeinflussende Gene identifiziert werden. Mit ihrer Entdeckung gibt es Hoffnung für die Entwicklung neuer und besser wirkender Medikamente. Das mag aus einer wissenschaftlich orientierten Sicht eine gute Nachricht sein – an den zumeist gesellschaftlich bedingten Ursachen für psychische Störungen ändert das jedoch gar nichts. Beim Blick in die Zukunft regiert bei vielen Fachleuten daher auch eine skeptische bis pessimistische Grundhaltung. Artur Diethelm etwa prognostiziert, dass es auf dem ersten Arbeitsmarkt bald gar keine Nischen mehr für psychisch Erkrankte geben wird. „Diejenigen, die sich noch halten konnten, werden in die Rente gedrückt werden oder auf andere unerfreuliche Art rausfallen.“ 9 Titel Zur Schätzung der WHO, im Jahr 2020 Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Angehörigen werden Depressionen und Angststörungen die zweit- und dritthäufigste Krankheitsursache sein, mutmaßt Diethelm: „Das wird sogar noch schneller psychisch kranker Menschen in Frankfurt am Main e.V. die Lage. „Der Egoismus rückt immer stärker in den Vordergrund, und parallel dazu wird überall der Druck größer. Manchmal frage ich mich, warum wir nicht alle verrückt geworden sind und warum es noch so viele Menschen gibt, die das alles aushalten können.“ geschehen.“ Noch drastischere Worte findet Edelgard Nolting. „Die Bedingungen und Aussichten in unserer Gesellschaft sind so katastrophal, egal ob es die Arbeitswelt, die Umweltsituation oder das Zusammenleben betrifft“, skizziert die 10 Volker Hütte Eschersheimer Landstraße 296 60320 Frankfurt am Main [email protected]