Das letzte Abendmahl – Mk 14,12-25 Bildbetrachtung EMK-Gesangbuch S. 969 Valente Ngwenya Malangatana The last supper Ich weiss nicht, wie vertraut Euch die Bilder in unserem Gesangbuch sind. Vielleicht blättert Ihr über sie hinweg, weil es ja ein Gesangbuch ist und kein Bilderbuch. Dabei lohnt es sich, einmal bei den Bildern zu verweilen. Als das Gesangbuch vor zehn Jahren im Entstehen war, beschloss man, auch Bilder aufzunehmen. Was wir mit Worten singen, soll durch Bilder ins Auge fallen. Dabei sind viele der Bilder nicht auf den ersten Blick schön. Vielleicht habt Ihr auch schon einmal gedacht: „Warum denn ausgerechnet dieses Bild? Mir würden viel schönere Bilder einfallen zu diesem oder jenem Thema.“ Das letzte Abendmahl zum Beispiel wird nicht etwa aus der Perspektive eines Leonardo Da Vinci präsentiert. Sondern durch einen afrikanischen Künstler, der allein schon die Gesichter ganz anders malt, als wir es gewohnt sind. Es gibt ein Buch, in dem jedes einzelne Bild in unserem Gesangbuch erläutert wird. Walter Klaiber, ehemals Bischof der methodistischen Kirche in Deutschland, hat dazu eine Einleitung geschrieben. Er erklärt, wonach die Bilder ausgesucht wurden. Es sollten nur Grafiken des 20. Jh aufgenommen werden. An die Bilder des 20. Jh muss sich unser Auge erst gewöhnen. Ein Leonardo Da Vinci mag uns zwar vertrauter sein als ein Valente Malangatana. Aber die Bilder gegenwärtiger Künstler erzählen mehr von der Zeit, in der wir heute leben. Sie können uns darum auch besser helfen, die Worte der Bibel mit dem Herzen heutiger Menschen aufzunehmen. Ausserdem sollten auch Bilder vorkommen, die in anderen Kulturen entstanden sind. Wer ein methodistisches Gesangbuch aufschlägt, soll gleich sehen: der Horizont dieser Kirche ist so 1 weit, wie die Wolken ziehen. Die Gemeinde, die sonntags in ihrer Sprache ihre Lieder singt, soll zwischen den Versen immer wieder spüren: die Kirche lebt und singt in vielen Sprachen. Mir leuchten diese Gründe sehr ein. Der Glaube ist kein alter Hut, so altmodisch wie die Gewänder des Mittelalters. Glaube an Christus ist geprägt von dem, was Menschen heute hoffen und was sie heute erleiden. Und der Glaube an Christus ist schon lange nicht mehr ein Exportartikel aus Europa. Die wachsenden Kirchen befinden sich längst woanders: vor allem in Afrika und in Asien. Valente Ngwenya Malangatana ist ein afrikanischer Künstler. Seine Lebensgeschichte ist afrikanisch und seine Bilder sind afrikanisch. Auch wie er Kinder im Malen unterrichtet, ist afrikanisch. Er versammelt sie jeden Sonntag in seinem Haus und lässt sie malen mit allem, was gerade da ist. „Notfalls auch mit einem Ast im Sand, wie er es in seiner Kindheit getan hat.“ Als er das letzte Abendmahl malte, war er 25 Jahre alt. Jung und doch schon vertraut damit, wie es in der Welt zugeht. Daher gibt Malangatana den Moment am Abend vor der Kreuzigung wieder, ohne ihn zu beschönigen. Das Schönste an der Szene ist noch der reich gedeckte Tisch. Aber die ganze Fülle an Lebensmitteln kann dem Schrecken nichts entgegensetzen, der wie ein Gespenst durch die Runde geht. Jesus sieht nicht sanft und freundlich aus, und auch nicht souverän. Er schaut missmutig und enttäuscht zu Judas. Judas hat die Zähne gefährlich entblösst und streckt Jesus seine Hand wie eine Kralle entgegen. Die Gewalt ist spürbar. Die Jünger verstecken sich hintereinander, als ob sie sich alle verdrücken wollten. Malangatana zeigt: Das letzte gemeinsame Mahl ist in Wahrheit der Tiefpunkt auf dem Weg, den die Jünger mit Jesus gegangen sind. Dass es überhaupt noch weiterging nach diesem Tiefpunkt, ist ein Wunder. Die Jünger an einem Tisch, mit Jesus in der Mitte – machen wir uns nichts vor: das ist kein harmloses Gruppenfoto. In einem Gruppenfoto zeigen sich alle von ihrer besten Seite, damit sie später in ihren Erinnerungen zurückblättern können zu einem besonders schönen Augenblick. In Wirklichkeit zeigt das letzte Abendmahl die Jünger in dem schrecklichen Moment der Krise. Jesus sagt seinen Jüngern: „Einer von euch wird mich verraten.“ Und alle, ausnahmslos alle, sind zutiefst verunsichert und fragen: „Bin ich es?“ Es gibt keine Kirchengeschichte ohne Tiefpunkte. Es gibt kein Leben als Jünger, ohne mit der bangen Frage „Bin ich es?“ zu leben. – Das sagt mir die Grafik aus Afrika. Sie zeigt mir auch: die Jünger an Jesu Tisch waren sich ihrer Sache noch überhaupt nicht sicher. Die Grafik aus 2 Afrika weckt in mir Neugier. Was ist eigentlich aus den Jüngern Jesu geworden? Wie ist ihre Geschichte nach dem Tiefpunkt weitergegangen? Simon Petrus: Unter den Jüngern hat er eine Führungsrolle bekommen. Nachdem Jesus gestorben und auferstanden war, hat Petrus zum jüdischen Pfingstfest die erste Predigt gehalten. Er ist Leiter der judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem geworden. Die Legende sagt, er sei im Jahre 67 in Rom unter Kaiser Nero mit dem Kopf nach unten gekreuzigt worden. In der Kunst wird Petrus mit dem Schlüssel dargestellt. Jesus hat ihm die Schlüsselgewalt übertragen. Er soll Recht sprechen und über die rechte Lehre wachen. Die einfachen Leute dagegen stellen sich Petrus als so eine Art himmlischen Siegristen vor, der uns einmal die Himmelspforte aufschliesst, wenn es so weit ist. Andreas: Bruder von Simon Petrus. Der Legende nach ist er Missionar in der heutigen Ukraine und in Griechenland geworden. Am 30. November 60 soll er in Patras das Martyrium erlitten haben. Man hat ihn an einem Kreuz mit schrägstehenden Balken aufgehängt. Solche Kreuze heissen heute noch „Andreas-Kreuze“. Johannes: Der Legende nach wurde Johannes in Rom dem Kaiser Domitian vorgeführt, weil er sich weigerte, den Göttern zu opfern. Johannes wurde zum Tode verurteilt und in einen Kessel mit siedendem Öl geworfen. Da Johannes daran aber keinen Schaden nahm, wurde er auf die griechische Insel Patmos verbannt. Die Legende erzählt weiter, Johannes sei mit 99 Jahren gen Himmel gefahren. Er liess an einem Sonntag, als das Volk zum Gottesdienst versammelt war, neben dem Altar eine viereckige Grube ausheben, stieg hinab, breitete die Arme aus und betete. Daraufhin wurde er von einem Licht umhüllt und ward nicht mehr gesehen. Jakobus der Ältere: Johannes’ älterer Bruder. Kurz vor Ostern 44 soll er auf Befehl von Herodes Agrippa I. in Jerusalem mit dem Schwert hingerichtet worden sein. Die Legende hat ihn zum spanischen Nationalheiligen gemacht. Seine Gebeine wurden angeblich im 7. Jahrhundert von Jerusalem nach Spanien gebracht. Einer anderen Legende zufolge war er schon zu Lebzeiten in Spanien, um dort Mission zu betreiben. Um 830 soll Bischof Theodomir die Gebeine des Apostels Jakob auf dem „Sternenfeld“ gefunden haben, dem „campus stellae“. Daraus wurde der heute weltbekannte Wallfahrtsort „Santiago de Compostella“. Die Pilger des Jakobsweges hefteten sich eine Muschel an den Hut. So wurde die Muschel allgemein zum Pilgerzeichen. Philippus: Die Legende weiss, dass er 20 Jahre lang in Südrussland missioniert hat. Einmal wollte man ihn vor einem Standbild des Gottes Mars opfern. Da erschien unter der Säule des Götzenbildes ein Drache und tötete den Sohn des Priesters, der das Opferfeuer versorgte, und 3 noch zwei andere, die dabei standen. Der Drache hauchte die Herumstehenden an, und alle wurden krank. Da versprach Philippus, er werde die Erkrankten retten, wenn sie statt dem Mars-Bild das Kreuz anbeteten. Man war einverstanden. Philippus schickte den Drachen in die Wüste, heilte die Kranken und machte die drei Toten wieder lebendig. In der Kunst wird er darum mit dem Kreuzstab oder als Drachenkämpfer dargestellt. Thomas der Zwilling: Bekannt geworden als der Jünger, der die Auferstehungsbotschaft anzweifelte, weil er verpasst hatte, wie Jesus den Jüngern erschienen war. Er ist der, der nur mit den Augen und den Händen glauben konnte, nur durch sehen, anfassen und berühren. Man hat seinem Beinamen „Zwilling“ entnehmen wollen, Thomas sei der Zwillingsbruder Jesu gewesen. Der Legende nach war Thomas Missionar in der Türkei, in Persien und in Indien. In Indien soll er sogar als Baumeister gewirkt haben. Dort soll er von Speeren durchbohrt gestorben sein. Jetzt müssten wir eigentlich weitermachen mit Jakobus dem Jüngeren, NathanaelBartolomäus, Thaddäus-Judas, Matthäus-Levi und Simon Kanäus. Aber über diese Jünger ist sehr wenig bekannt und vieles hat man sich einfach zusammen gereimt. Obwohl wir gerne mehr wüssten, wir können es nicht bestreiten: Nach dem letzten Abendmahl verlieren sich die Wege der Jünger im Dunkel der Geschichte. Einige haben kaum Spuren hinterlassen. Ihr Name taucht in unseren Evangelien auf. Aber das ist schon alles. Wie viele Menschen auf dieser Erde wurden sie geboren und sind gestorben, ohne eine Spur zu hinterlassen. Nicht alle Jünger haben sich in das Gedächtnis der Kirche eingeprägt. Nicht alle haben „Geschichte“ gemacht. Thaddäus. Simon Kananäus. Jakobus der Jüngere. Wer waren diese Männer? Was ist aus ihnen geworden nach Jesu Tod? Hand aufs Herz: wir wissen es nicht. Ich sehe in ihnen all jene vertreten, die ebenfalls keine Spuren hinterlassen haben oder keine Spuren hinterlassen werden. Dass sie beim letzten Abendmahl dabei waren, sagt mir: Bei Gott kommt es nicht darauf an, welche Spuren Du hinterlässt. In seinem Buch sind auch die Namen der Menschen festgehalten, an die sich auf Erden niemand mehr erinnert. Es gibt Jünger, die ihren Glauben in weit entlegene Gegenden der damals bekannten Welt getragen haben: nach Südrussland, nach Indien, nach Äthiopien. Viele sind im Ausland einen gewaltsamen Tod gestorben. Manchmal kommt einem die Kirchengeschichte wie eine Folterund Todeskammer vor. Überall, wo Menschen für ihren Glauben ihr Leben in die Wagschale werfen, fühlen sich Menschen und Mächte provoziert. Zu jeder jungen Kirche gehört das Märtyrium dazu. Das Blut der Märtyrer hat den Boden ferner Weltgegenden fruchtbar gemacht, so dass Kirchen wachsen konnten. Das klingt furchtbar. Und viele von den 4 Mächtigen sind später zur Einsicht gekommen, dass es ihnen nicht gut tut, Märtyrer zu produzieren. Die Bewegung, vor denen sie Angst haben, wird dadurch nur gefördert. Wenn man eine Bewegung dagegen ersticken will, dann muss man ihren Anhängern ein angenehmes Leben ermöglichen. Das ist hoch gefährlich, was ich da sage, und ich sage es nur mit grosser Vorsicht. Es rührt an die Wunde, an der wir als Kirche in sicheren Zeiten leiden. Die Wunde des Mitgliederschwundes, die angebliche Kraftlosigkeit unseres Glaubens. Wer will denn schon noch leiden für das, was er glaubt? Die Kirche der ersten Jahrhunderte hat das Andenken der Jünger hoch gehalten. Die Jünger waren längst nicht mehr nur Jünger. Sie waren Apostel – Gesandte, die dem Missionsbefehl des Auferstandenen folgten, wenn es sein musste, bis ans Ende der Welt. Sie haben an der Überlieferung mitgewirkt, haben weitergegeben, was sie mit Jesus erlebt hatten. Und doch werden sie sich alle, wohl bis zu ihrem Tod, an einen ganz dunklen Moment erinnert haben. An ihr letztes Abendmahl mit Jesus. Als das Schreckgespenst des Verrates durch ihre Reihen ging und alle ihre Herzen erfasste. Die Geschichte Jesu ist weiter gegangen. Das Abendmahl wird überall in der Welt gefeiert. Es ist eine Handlung, auf der ein besonderer Segen liegt. Ein Gnadenmittel, wie es in unserer Kirche heisst. Ein Gnadenmittel, von dem niemand ausgeschlossen werden muss. Für eine Kirche, die immer wieder mit Tiefpunkten leben muss. Um so das Wunder zu erfahren, dass Jesu Weg dennoch weitergeht. 5