Kapitel 4 Regelmäßige Polytope, Parkettierungen und ihre Gruppen

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Kapitel 4
Regelmäßige Polytope,
Parkettierungen und ihre
Gruppen
Dieses Kapitel setzt die Untersuchungen von Kapitel 2 zur Symmetrie von Figuren in euklidischen Räumen fort, insbesondere das Studium der zugehörigen
(diskreten) Symmetriegruppen.
Im Abschnitt 4.1 wird zunächst die Sprache der Gruppenoperationen (auch
Gruppenaktion” genannt) eingeführt, die eine flexible Behandlung von Gruppen
”
aus Abbildungen erlaubt. Das Hauptergebnis, die Bahnengleichung” aus Satz
”
4.1.10, kann als eine Abzähltechnik unter Symmetrieannahmen aufgefasst werden.
Zum eigentlichen Thema werden dann zwei relativ unabhängige Themenkreise behandelt. Im Abschnitt 4.2 werden platonische und archimedische Körper im
dreidimensionalen Raum sowie ihre Symmetriegruppen untersucht. Diese Körper”
”
sind Polytope, wie sie in Kapitel 3 allgemein und in beliebiger Dimension eingeführt wurden. Derjenige Teil von Kapitel 4.2, der sich mit den Gruppen beschäftigt, ist weitgehend unabhängig von der Theorie der Polytope bereits auf der
Grundlage von Linearer Algebra (orthogonale Abbildungen in Dimension 3) und
elementarer Gruppentheorie verständlich (aber vielleicht weniger gut motiviert).
Im Abschnitt 4.3 kehren wir in die euklidische Ebene zurück und betrachten
regelmäßige, genauer periodische Zerlegungen, die man Parkettierungen, Pflasterungen oder Kachelungen (engl. tilings) nennt, und besonders ihre Symmetriegruppen. Dieses sind die in Abschnitt 2.6 bereits eingeführten kristallographischen
Gruppen, in der Dimension 2 auch als Ornamentgruppen bezeichnet. Dementsprechend schließt sich Abschnitt 4.3 unmittelbar an die Kapitel 2, Abschnitt 2.5
an.
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Gruppenoperationen
Dieser Abschnitt enthält nach Kapitel 2.3 eine weitere algebraische Ergänzung
und könnte so oder ähnlich auch in jeder einführenden Algebravorlesung vorkommen. Allerdings zeichnet sich der Stoff durch besondere Nähe zur Geometrie aus,
wie gleich deutlich werden wird. Es gibt eine Reihe von Definitionen, die sich alle
gut motivieren lassen bzw. durch frühere Kapitel schon motivert sind, eine größere Anzahl von Beispielen, aber keine schwierigen Sätze und somit keine langen
Beweise.
Viele wichtige Gruppen bestehen aus Abbildungen, z.B. Permutationen einer
endlichen Menge, linearen Abbildungen eines Vektorraumes oder Isometrien eines euklidischen Raumes. Aus der gegebenen Realisierung der Gruppenelemente
als Abbildungen kontruiert man weitere Abbildungen und Gruppen. Wenn z.B.
f : X → X bijektiv ist und A ⊆ X eine beliebige Teilmenge, so ist auch f (A)
definiert, und auf diese Weise liefert f auch eine Abbildung auf den Teilmengen
(d.h. der Potenzmenge) von X. Durch Einschränkung erhält man Abbildungen
auf den Teilmengen einer festen Mächtigkeit (z.B. den zweielementigen Teilmengen), oder im Fall linearer Abbildungen eines Vektorraumes V z.B. auf der Menge
aller Geraden oder Ebenen von V .
Das folgende Konzept einer Gruppenoperation liefert einen allgemeinen Rahmen für die Interpretation von Gruppenelementen als Abbildungen und die Interpretation der Verknüpfung in der Gruppe als Komposition (Verkettung) von
Abbildungen.
Definition 4.1.1 Eine Operation einer Gruppe G auf einer Menge X ist eine
Abbildung
G × X → X, (g, x) �→ g.x ,
die den Bedingungen
(Op1)
(Op2)
genügt.
e.x = x für alle x ∈ X
g.(h.x) = (gh).x für alle g, h ∈ G, x ∈ X
Mit anderen Worten, eine Operation von G auf X ist eine äußere Verknüpfung
von G mit X, die die genannten zusätzlichen Bedingungen erfüllt. Jedes Gruppenelement liefert eine Abbildung x �→ g.x, X → X, und nach (Op2) gehört zu
einem Produkt gh in G die Komposition der einzelnen Abbildungen (erst h, dann
g anwenden).
Beispiele 4.1.2 (Gruppenoperationen)
(1) G = Sn die symmetrische Gruppe vom Grad n und X = {1, . . . , n} mit
σ.m = σ(m) für σ ∈ Sn , m ∈ X.
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(2) Allgemeiner sei X irgendeine Menge,
Per X := {f : X → X | f bijektiv}
die Menge aller Permutationen von X und G ⊆ Per X irgendeine Untergruppe, weiter f.x = f (x) wie eben. Diese Operation heißt die natürliche
Operation von G auf X.
(3) Wenn V ein K-Vektorraum ist, so operiert GL(V ) und jede Untergruppe
davon auf V . Dieses ist ein Spezialfall von (2).
(4) Jede Gruppe G operiert auf sich selbst (X = G) vermöge g.x = gx (Produkt
in G). Die Bedingung (Op 2) ist das Assoziativgesetz.
(5) Seien G und X wie in (2) und H ⊆ G eine Untergruppe von G. Dann
operiert auch H auf X, und zwar einfach durch Einschränkung.
(6) Seien G und X wie in (2). Dann operiert G auf der Potenzmenge P(X)
durch g.Y := g(Y ) = {g(y) | y ∈ Y }.
(7) Wenn allgemeiner eine beliebige Gruppenoperation von G auf X gegeben
ist, so operiert G auch auf P(X) durch g.Y = {g.y | y ∈ Y }.
Wenn eine Operation einer Gruppe auf einer Menge gegeben ist, so kann man in
naheliegender Weise einige abgeleitete Objekte betrachten. Diese werden in der
folgenden Definition zusammengestellt.
Definition 4.1.3 Die Gruppe G operiere auf der Menge X.
a) Für x ∈ X heißt G.x := {g.x | g ∈ G} die Bahn oder der Orbit von x. Die
Mächtigkeit |G.x| nennt man auch die Länge der Bahn.
b) Die Menge
Gx := {g ∈ G | g.x = x}
heißt die Isotropiegruppe oder der Stabilisator von x.
c) Wenn g ∈ G und x ∈ X sind mit g.x = x, so heißt x auch ein Fixpunkt
von g. Wenn g.x = x ist für alle g ∈ G, so nennt man x einen Fixpunkt der
Operation oder auch Fixpunkt von G.
d) Eine Teilmenge Y ⊆ X heißt G-invariant, falls g.y ∈ Y ist für alle g ∈
G, y ∈ Y . Durch Einschränkung haben wir dann eine Operation G × Y →
Y.
Man prüft schnell nach, dass Gx in der Tat eine Untergruppe von G ist. Lediglich
das Inverse erfordert ein kleines Argument: Für x ∈ Gx läßt man das Element
g −1 auf beide Seiten der Gleichung g.x = x operieren und erhält mittels (Op2)
und dann (Op1) die gewünschte Gleichung g −1 .x = x
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Beispiele 4.1.4 (Bahnen, Stabilisatoren, invariante Teilmengen)
(1) Wir betrachten die Operation von Sn auf der Potenzmenge P({1, . . . , n}).
Betrachte speziell das Element x = {1, 2, . . . , k} ∈ P({1, . . . , n}), für eine
feste Zahl k ≤ n. Dann besteht die Bahn von x unter Sn aus allen kelementigen Teilmengen von {1, . . . , n}.
(2) Betrachte, für eine beliebige Gruppe G und eine beliebige Untergruppe H,
die Operation von H auf G durch Linksmultiplikation (siehe die Beispiele
nach 4.1.1, (4) und (5)). Dann sind die Bahnen von H in G genau die
Rechtsnebenklassen Hg, g ∈ G. (Für Linksnebenklassen müssen wir, wie
oben schon angemerkt, Operationen von rechts“ zulassen; dann läuft alles
”
völlig analog.)
(3) Wir betrachten einen (endlich-dimensionalen) Vektorraum V und die natürliche Operation der Gruppe GL(V ) auf V (siehe Beispiel (3) nach 4.1.1). Sei
v0 ∈ V ein beliebiger von Null verschiedener Vektor. Dann besteht die Bahn
von v0 aus allen Vektoren außer dem Nullvektor: GL(V )v0 = V � {0}.
(4) Der Stabilisator von n ∈ X = {1, . . . , n} in der symmetrischen Gruppe Sn
ist kanonisch zu identifizieren mit der Gruppe Sn−1 .
(5) Die Stabilisatoren der Operation von G auf sich selbst durch Linksmultiplikation (Beispiel (3) nach 4.1.1) sind alle trivial.
(6) Die Fixpunkte eines Zyklus σ = (i1 , i2 , . . . , ie ) ∈ Sn sind genau die Ziffern,
die nicht unter den ij vorkommen.
(7) Die Operation von GL(V ) auf dem Vektorraum V hat 0 als Fixpunkt.
(8) Für die natürliche Operation von GL(V ) auf den Teilmengen des Vektorraumes V ist die Menge U (V ) der Untervektorräume von V eine GL(V )invariante Teilmenge von P(V ). Somit operiert GL(V ) in natürlicherWeise
auf U (V ).
(9) Die Isometriegruppe Iso(E) eines euklidischen Vektorraumes operiert auf
den Teilmengen von E. Der Stabilisator Iso(E)M von M ⊆ E ist genau die
Symmetriegruppe von M .
Die Beispiele für Stabilisatoren sind hier recht knapp gehalten; allerdings sind
uns z.B. Punktstabilisatoren in Isometriegruppen bereits von früher geläufig.
Wir wollen uns nun der Gesamtheit der Bahnen einer Gruppenoperation zuwenden, genauer der Frage, wie diese in der Grundmenge X drinliegen“. Ein
”
genauerer Blick auf die bisherigen Beispiele zeigt eine gewisse Gesetzmäßigkeit:
bei der natürlichen Operation von Sn auf P({1, . . . , n}) ergeben sich offenbar die
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Bahnen entsprechend der Mächtigkeit und bilden somit eine Klasseneinteilung
der in Frage stehenden (Potenz-)Menge; ähnlich ist es bei GL(V ) und den Untervektorräumen, mit der Dimension statt der Kardinalität; bei der Operation von
GL(V ) auf V gibt es nur zwei Bahnen, den Nullvektor (als einelementige Teilmenge) und den gesamten Rest, also wieder eine Zerlegung von V . Bei der Operation
der Untergruppe H auf ganz G schließlich ist es zwar nicht offensichtlich, aber
uns von früher bestens bekannt, dass die Bahnen, in diesem Fall Nebenklassen,
eine disjunkte Zerlegung bilden. In diesem Fall kennen wir auch den Grund“: die
”
Nebenklassen sind die Äquivalenzklassen einer geeigneten Äquivalenzrelation.
Wir haben das Wort Grund in Anführungszeichen gesetzt, weil jede Klasseneinteilung auf einer Menge aus den Äquivalenzklassen einer geeigneten Äquivalenzrelation besteht; dieses ist allerdings eine rein formale Einsicht, solange
man keine unabhängige, inhaltliche Beschreibung dieser Relation hat.
Das beschriebene Verhalten von Bahnen ist keine spezielle Eigenschaft der bisher
betrachteten Beispiele. Vielmehr überlegt man sich leicht direkt aus den Axiomen
einer Gruppenoperation, dass die Bahnen immer als Äquivalenzklassen aufgefaßt
werden können und deshalb immer eine Zerlegung der Gesamtmenge bilden. Wir
halten dieses im folgenden Satz fest und geben auch einen vollständigen Beweis.
Satz 4.1.5 Die Gruppe G operiere auf der Menge X. Definiere eine Relation ∼G
auf X durch
x ∼G y ⇐⇒ ∃ g ∈ G : g.x = y .
Dieses ist eine Äquivalenzrelation. Die Äquivalenzklassen sind genau die Bahnen
von G in X. Insbesondere sind zwei Bahnen entweder disjunkt oder sie stimmen
überein.
Beweis: Die Relation ∼G ist reflexiv: Für beliebiges x ∈ X gilt e.x = x, also
x ∼G x.
Die Relation ∼G ist symmetrisch: wenn x ∼G y gilt, also g.x = y für ein
g ∈ G, dann ist auch y = g −1 .x, also y ∼G x.
Die Relation ∼G ist transitiv: aus x ∼G y und y ∼G z folgt die Existenz von
g, h ∈ G mit g.x = y und h.y = z. Hieraus folgt (hg).x = h.(g.x) = z, also
x ∼G z.
Die Äquivalenzklasse von x ∈ X besteht definitionsgemäß aus den y ∈ X mit
x ∼G y, also aus denjenigen y, für die ein g ∈ G exisitert mit g.x = y. Diese y
bilden aber genau die Bahn G.x.
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Korollar und Definition 4.1.6 Für eine Operation einer Gruppe G auf einer
Menge X sind die folgenden beiden Bedingungen äquivalent:
(i) Es gibt ein x ∈ X mit X = G.x.
(ii) Für je zwei Elemente x, y ∈ X gibt es ein g ∈ G mit g.x = y.
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Eine Operation heißt transitiv, wenn diese beiden Eigenschaften erfüllt sind, d.h.
wenn X aus nur einer Bahn unter G besteht.
Beispiele 4.1.7 (Bahnen als Äquivalenzklassen)
(1) Wir betrachten wieder die Operation von Sn auf der Potenzmenge P({1, . . . , n}).
Zwei Teilmengen X, Y ⊆ {1, . . . , n} liegen genau dann in der gleichen Bahn,
wenn sie die gleiche Mächtigkeit |X| = |Y | haben.
(2) Für die Operation der allgemeinen lineare Gruppe GL(V ) eines endlichdimensionalen Vektorraumes V auf der Menge U (V ) der Unterräume von
V liegen zwei Unterraum U, W genau dann in der gleichen Bahn, wenn
beide die gleiche Dimension dim U = dim W haben.
(3) Es sei (V, � , �) ein euklidischer Vektorraum (also � , � ein Skalarprodukt
auf dem reellen Vektorraum V ) und O(V ) = O(V, � , �) seine orthogonale
Gruppe. Dann liegen zwei Vektoren �
v und w genau
dann in der gleichen
�
Bahn, wenn beide die gleiche Länge �v, v� = �w, w� haben.
(4) Die Operation von G auf sich selbst durch Linksmultiplikation ist transitiv, ebenso die Operation von Sn oder bereits ihrer Untergruppe Di2n auf
{1, 2, . . . , n}.
Wenn wir in den Beispielen (1), (2) und (3) die Aussage liegen in der gleichen
”
Bahn“ durch x ∼G y“ mit dem entsprechenden x, y und G ersetzen, so sehen
”
wir zunächst einmal die Korrektheit der entsprechenden Behauptungen, wobei
bei (2) und (3) nicht-triviale, aber an dieser Stelle als bekannt angenommene
Sätze der linearen Algebra eingehen. Weiter setzen die angegebenen Beschreibungen der Relation ∼G noch einmal in Evidenz, dass es sich in der Tat um eine
Äquivalenzrelation handelt.
Der folgende Satz befaßt sich genauer mit der Struktur einer einzelnen Bahn. Die
Bahn von x ∈ X ist das Bild von G unter einer Abbildung G → X, nämlich
der Abbildung g �→ g.x. Diese Abbildung ist in der Regel nicht injektiv; z.B.
ist das Urbild von x genau der Stabilisator von x. Insofern hat der Satz eine
nicht nur formale Verwandtschaft mit dem Homomorphiesatz, genauer mit seiner
Folgerung, dem Isomorphiesatz.
Satz 4.1.8 Die Gruppe G operiere auf der Menge X, es sei x ∈ X. Dann ist die
Abbildung
G/Gx → G.x, gGx �→ g.x
wohldefiniert und bijektiv. Insbesondere ist die Länge der Bahn von x gleich dem
Index des Stabilisators (G : Gx ).
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Beweis: Für diesen Beweis bezeichnen wir die in Frage stehende Abbildung mit
α : G/Gx → G.x.
α ist wohldefiniert: Auf der rechten Seite der Abbildungsvorschrift kommt
ein g ∈ G vor; die Abbildung soll aber auf Nebenklassen gGx definiert werden.
Zu zeigen ist also, dass zwei Elemente g, g � ∈ G, die dieselbe Nebeklasse liefern,
also gGx = g � Gx , das gleiche Bild haben. Es ist g �−1 g ∈ Gx , also g �−1 .(g.x) =
(g �−1 g).x = x, also g � .x = g � .((g �−1 g).x) = (g � (g �−1 g)).x = ((g � g �−1 )g).x = g.x, wie
gewünscht.
α ist injektiv: es seien gGx , hGx ∈ G/Gx , dabei also g, h ∈ G mit α(gGx ) =
α(hGx ). Dann ist g.x = h.x, also (h−1 g).x = x, also h−1 g ∈ Gx , also gGx = hGx ,
wie gewünscht.
α ist surjektiv: eine beliebiges Element y aus der Zielmenge G.x ist nach
Definition von der Form y = g.x für ein g ∈ G. Dann ist α(gGx ) = g.x, also gGx
ein Urbild von y.
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Beispiele 4.1.9 (Bahnen und Nebenklassen)
(1) Fasse wie oben die symmetrische Gruppe Sn−1 als Untergruppe der symmetrischen Gruppe Sn auf. Dann ist der Index (Sn : Sn−1 ) = n. Ein
Vertretersystem für Sn /Sn−1 ist zum Beispiel durch die Transpositionen
(1, n), (2, n), . . . , (n − 1, n) zusammen mit der Identität gegeben.
(2) Der Index 3 = 24/8 = (S4 : Di4 ) zählt die drei wesentlich verschiedenen
Möglichkeiten, die Ecken eines Quadrates durch die Ziffern 1 bis 4 zu numerieren.
(3) Der Stabilisator WF in der Würfelgruppe W (siehe 2.1.8) einer Randfläche
des Würfels kann mit der Symmetriegruppe von F , also eines Quadrates,
identifiziert werden und hat folglich 8 Elemente. Die Bahn W.F besteht also
aus 48/8 = 6 Elementen. In der Tat sind alle 6 Randflächen des Würfels
äquivalent unter W .
(4) Die Symmetriegruppe des Tetraeders T ist die volle symmetrische Gruppe
S4 mit 24 Elementen. Der Stabilisator einer Kante besteht aus 4 Elementen
(welchen?). Der Würfel besitzt 6 = 24/4 Kanten, die alle äquivalent unter
Sym(T ) sind.
Der folgende Satz ist eigentlich eine unmittelbare Zusammenfassung der beiden
vorangegangenen grundlegenden Sätze, nämlich der Zerlegung in Bahnen nach
4.1.5 und der Beschreibung von Bahnen als Mengen von Nebenklassen nach 4.1.8.
Insofern kann man ihn sich jederzeit neu überlegen (und beweisen), wenn man
ihm braucht. Trotzdem ist es üblich, und hat auch gewisse Gründe, ihn als eigenen
Satz zu führen, sogar mit eigenem Namen.
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Satz 4.1.10 (Bahnengleichung) Es sei x1 , x2 , . . . , xr ∈ X ein Repräsentantensystem für die Operation der Gruppe G auf der endlichen Menge X. Dann
gilt
r
�
|X| =
(G : Gxi )
i=1
Aus früheren Kapiteln (und bereits der Analytischen Geometrie) ist uns die Konjugiertheit in Gruppen von Abbildungen gut bekannt, und wir hatten schon die
Gültigkeit der Definition in beliebigen Gruppen festgestellt. Im nächsten Satz
sehen wir, dass diese Äquivalenzrelation ebenfalls von einer Gruppeoperation
herkommt.
Satz und Definition 4.1.11 Sei G eine Gruppe.
a) Durch (g, x) �→ gx := gxg −1 wird eine Operation von G auf sich definiert,
die sogenannte Konjugation. Die Abbildungen
ig : G → G,
x �→ gx = gxg −1
sind Gruppenautomorphismen von G. Sie heißen auch innere Automorphismen von G.
b) Zwei Elemente x, x� bzw. Untergruppen H, H � heißen konjugiert in G, wenn
sie in der gleichen Bahn liegen, d.h. wenn ein g ∈ G existiert mit gxg −1 = x�
bzw. gHg −1 = H � .
Die Bahn von x ∈ G, also {gxg −1 | g ∈ G}, heißt auch die Konjugiertenklasse von x; entsprechend für eine Untergruppe H.
Der folgende einfache Satz liefert eine Fülle von Beispielen für zueinander konjugierte Untergruppen. Er enthält als einen von vielen Spezialfällen die Formel
(2.2) in Kapitel 2.1.
Satz 4.1.12 Gegeben sei eine Operation der Gruppe G auf der Menge X. Es
seien x, y ∈ X zwei Elemente in der gleichen Bahn: y = g.x für ein g ∈ G. Dann
sind die Stabilisatoren Gx und Gy zueinander konjugiert:
Gy = gGx g −1 .
Der Beweis ergibt sich unmittelbar aus der Definition des Stabilisators.
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