Geld- und Währungspolitik Euro und EZB

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Geld- und Währungspolitik
Euro und EZB
Prof. Dr. Paul J.J. Welfens / Samir Kadiric
Schumpeter School of
Business and Economics
Bergische Universität Wuppertal
Gaußstraße 20
42097 Wuppertal
Siehe auch Infos zu research: Prof. Welfens
als Präsident des Europäischen Instituts für
Internationale Wirtschaftsbeziehungen
www.eiiw.eu
1
Geld- und Währungspolitik
Euro und EZB
Organisatorisches
Samir Kadiric (in 2016)
Raum: M-12.11
Tel: +49 – (0)202 – 439-3179 bzw. -1371
e-mail: [email protected]
Sprechstunde: Dienstag, 15:00-16:00 Uhr
Campus Freudenberg, Gebäude FO, EG rechts (EIIW)
Die Folien sind auf unserer Lehrstuhlseite erhältlich:
http://www.welfens.wiwi.uni-wuppertal.de
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Geld- und Währungspolitik,
Euro und EZB
Organisatorisches
Diese Veranstaltung ist ein Teil des
Moduls BWIWI 3.3: Europäische Integration
•
Eine Modulabschlussklausur im Umfang von 6 SWS (= 9 LP) wird
am Ende jeden Semesters gestellt, zusammen mit den Fächern
• Handel, Multinationale Unternehmen, EU-Wirtschaftspolitik
• Konjunktur- und Wachstumspolitik in der EU
Die Vorlesungen werden nur im Wintersemester gehalten.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Geld- und Währungspolitik
Euro und EZB
• Literaturempfehlungen
• GÖRGENS, Egon; RUCKRIEGEL, Karlheinz; SEITZ, Franz (2008): Europäische Geldpolitik
– Theorie, Empirie, Praxis; 5. Auflage, Lucius & Lucius: Stuttgart.
• EZB (2011): Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank; Frankfurt am Main.
• EZB (2012): Durchführung der Geldpolitik Im Euro-Währungsgebiet: Allgemeine
Regelungen für die Geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems; Frankfurt
am Main.
• MISHKIN, Frederic S. (2004): The Economics of Money, Banking and Financial Markets; 7.
Auflage, Pearson Addison-Wesley: Boston.
• Sachverständigenrat: aktuelles Jahresgutachten
• Bank für Internationalen Zahlungsausgleich: aktueller Jahresbericht
• Monatsberichte und Jahresberichte der EZB und der Deutschen Bundesbank
• Ein ebenfalls klausurrelevantes Skript ist am Lehrstuhl erhältlich (Welfens, 2011).
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Geld- und Währungspolitik
Euro und EZB
Aufbau der Veranstaltung (1/4)
1. Theoretische Grundlagen der Geldpolitik
1. Analytische Bausteine: Geldfunktionen, Finanzmärkte,
Geldangebot und -nachfrage, etc.
2. Zins und Zinsstruktur sowie Wirkungen von Nominalzins und
Wechselkurs
3. Realwirtschaftliche und monetäre Interdependenzen
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
5
Geld- und Währungspolitik
Euro und EZB
Aufbau der Veranstaltung (2/4)
2. Integration von Finanzmärkten in der EU
1. Theoretische Aspekte: Definitionen, Vorteile und Risiken von
Integration, Optimale Währungsräume, Finanzmärkte und
Wirtschaftswachstum
2. Die Europäische Union: Grundlagen
3. Entstehung und Entwicklung der Europäischen Wirtschafts- und
Währungsunion (EWWU)
4. Die Maastrichter Konvergenzkriterien
5. Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB)
6. Die EWWU-Erweiterung und das WKM II
7. Finanzmarktentwicklung in den mittel- und osteuropäischen
Staaten
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Geld- und Währungspolitik
Euro und EZB
Aufbau der Veranstaltung (3/4)
3. Geldpolitische Strategien und Instrumente im ESZB
1. Theorie der Geldpolitik (geschlossene und offene
Volkswirtschaft)
2. Monetarismus versus portfoliotheoretische Ansätze
3. Ziele, Träger und Instrumente der Geldpolitik
4. Transmissionsmechanismen der Geldpolitik (wie wirkt
geldpolitischer Impuls auf Realwirtschaft im In- und Ausland)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Geld- und Währungspolitik
Euro und EZB
Aufbau der Veranstaltung (4/4)
4. Eurokrise
1. Ursachen, Entstehung und Dynamik
2. Geldpolitische Reaktionen in der Eurozone und Weltweit
3. Ausblick in die Zukunft
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Geld- und Währungspolitik
Euro und EZB
Quelle: EZB (2011): Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank; Frankfurt am Main, S. 40.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
Theoretische Grundlagen
Prof. Dr. Paul J.J. Welfens / Samir Kadiric
Schumpeter School of
Business and Economics
Bergische Universität Wuppertal
Gaußstraße 20
42097 Wuppertal
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Theoretische Grundlagen
In einer Naturaltauschwirtschaft, in der Güter gegen Güter getauscht
werden, gibt es eine sehr große Zahl an relativen Preisen, so dass hohe
Informationskosten entstehen. Zudem gibt es bei jeder Transaktion
Risiken (z.B. Transport-, Diebstahl- und Lagerrisiko), deren Minderung
eines erheblichen Aufwands bedarf.
Geldfunktionen:
• Allgemeines Tauschmittel = Einsparen von Transaktionskosten
• Recheneinheit
• Wertaufbewahrungsfunktion (Kaufkraft über die Zeit hinweg übertragen;
geht nicht bei hoher Inflation!)
Inflation: permanente Erhöhung des Preisindex
Messung der Inflationsrate: Sie wird erfasst anhand eines geeigneten
(repräsentativen) Preisindex P; Wahl eines Basisjahrs (mit P=100) ist
sinnvoll.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Geldfunktionen:
• Tauschmittel
• Recheneinheit
• Wertaufbewahrungsfunktion (Kaufkraft über die Zeit hinweg
übertragen; geht nicht bei hoher Inflation!)
• Geldfunktionen
– Stoffwertloses Geld ist zu Grenzkosten von nahe Null
bereitstellbar: Vorteil für Gesellschaft, Verlockung für Politik
als Monopol-Geldanbieter im Inland
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Inflation als Problem
• Inflation ist ökonomisch gesehen Abschreibungsrate auf
nominales Geldvermögen M (i für Nominalzins, r Realizins);
– Staat besteuert reale Geldhaltung faktisch mit Inflationsrate:
Wer M/P halten will, der muss die nominale Kassenhaltung um
den Prozentanstieg von P, also die Inflationsrate, erhöhen; wenn
(M/P)/Y 1 beträgt und die Inflationsrate π 50% pro Jahr ist, dann
werden Ressourcen von π (M/P) vom privaten Sektor an den
Staat „geschoben“(M/P ist Steuerbasis, -satz ist π) – ist 50% des
Bruttoinlandsproduktes! Allerdings gilt, dass Md/P eine negative
Funktion von i ist (und i = r+π), positive Funktion von Y ist....
– Inflation sorgt für Allokationsprobleme bzw. Konfusion bei
relativen Preissignalen = Fehlinvestitionen = Wohlfahrtsverlust
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Inflation ein Problem, Deflation auch
• Inflation kann auch zu Umverteilungseffekten führen: zwischen Gläubigern
und Schuldnern – bei Inflationsbeschleunigung profitieren Schuldner im Fall
adaptiver (vergangenheitsorientierter) Inflationserwartungen;
• Bei Hyperinflation (>100% pro Jahr) verliert Geldvermögen real an Wert
einerseits, andererseits festverzinsliche Staatsanleihen massiv an Wert...
• Bei Inflation wird bevorzugt in Realaktiva, also Immobilien und Aktien
investiert; =Umverteilungseffekte zugunsten Immobilien-/Aktienbesitzer.
Weimarer Republik (1920er Jahre) durch Hyperinflation politisch zerstört =
Preis des für Deutschland verlorenen Weltkriegs I (P stieg sehr 1919-22, 23!)
• Deflation = anhaltendes Fallen von P (Weltwirtschaftskrise 1930er, Japan
Dekade nach 1995, Eurozone Ende 2014); Konsumnachfrage verzögert
sich, weil Haushalte auf sinkende Preise warten! Wichtigerer Aspekt: Reale
Verschuldung steigt = weniger Investitionen (?)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Langfristiger Zinssatz USA, Eurozone, Japan, UK: 1999-2012
Long-term interest rates (in %)
7
6
5
Japan
4
United Kingdom
3
United States
2
Euro area
1
0
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Quelle: OECD
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Abbildung: Inflationsraten (Y)
Inflation, consumer prices (annual % )
5
4
3
United States
2
Germany
1
United Kingdom
Japan
12
20
11
20
10
20
09
20
08
20
07
20
06
20
05
20
04
20
03
20
02
20
01
20
00
20
19
-1
99
0
-2
Quelle: Weltbank
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Adaptive Inflationserwartung vs. rationale
Inflationserwartung
• Adaptive Inflationserwartungen sind vergangenheitsorientiert
(„Lernen“ von t-1, t-2..)
• Rationale Inflationserwartungen (Muth) basieren auf
stochastischem Makro-Modell – bei Nutzung aller in t verfügbaren
Informationen; Rationale Erwartungen z.B. Bestandteil von
Neukeynesianischen Makromodellen: mit
Marktunvollkommenheiten; Anpassungskosten auf den Märkten;
dies führt dann trotz im Durchschnitt korrekten
Inflationserwartungen zu realen Effekten von Geldpolitik
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Nominalzins versus Realzins:
• Der Nominalzins ist der im Kreditvertrag vereinbarte Zinssatz i. Der
Realzinssatz r ergibt sich, indem man vom Zins i die Inflationsrate π
abzieht. Bei Preisniveaustabilität stimmen Nominalzins i und
Realzins r überein.
• Herrschen adaptive Inflationsratenerwartungen (πe) vor, die sich an
der vergangenen Inflationsratenentwicklung orientieren, wird bei einer
Inflationsbeschleunigung (Inflationsverlangsamung) ex post eine
höhere (niedrigere) Inflation, als antizipiert, festzustellen sein: Der
Schuldner gewinnt daher in Phasen einer Inflationsbeschleunigung,
während die Gläubigerseite bei einer Inflationsverlangsamung gewinnt.
• Der in der Öffentlichkeit recht populäre Glaube, dass bei Inflation
immer eine Umverteilung zwischen Gläubiger und Schuldner
zugunsten des Letzteren stattfindet, ist also falsch. In einer
Nettoschuldnerposition sind typischerweise die Sektoren Unternehmen
und Staat, so dass Letzterer ggf. ein Interesse an einer
Inflationsbeschleunigung hat.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Tatsächliche und erwartete Inflation (adaptive Erwartungen)
π ,π E
π
πE
2%
t
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Geld als allgemeines Zahlungsmittel
(=Güterkonvertibilität im Innern)
• Solange Geld gesetzliches Zahlungsmittel (=de lege schuldablösend
bei Zahlung) ist, wird Geld für Transaktionszwecke verwendet;
• „Bargeld“ hat keine pekuniäre Verzinsung, wird aber trotzdem
gehalten – es hat also einen Nutzen, es spart Such- &Tauschzeit ein;
Grenznutzen=Zins i
• Es gibt inländisches Geld, ausländische Währung, der relative Preis
zwei Währungen e heißt nominaler Wechselkurs. N Währungen, N1 Kurse!
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Geld als Wertaufbewahrungsmittel;
Inflation= [dP/dt]/P
• Wertaufbewahrung heißt Kaufkraftübertragung über die
Zeit; Problem Inflation
– Geld erfüllt diese Funktion bei sehr hoher Inflation (z.B.
Hyperinflation in 1923 in Deutschland) nicht;
– Bei sehr hoher Inflation kommt es bald zu
Währungssubstitution, wobei man statt in- eine
ausländische Währung hält – auch für Transaktionszwecke
– Flucht in „Betongold“. Statt Geld andere Aktiva bevorzugt,
etwa Immobilien (treibt rel. Preis hoch bzw. Bauinvestition;
Ressourcenverschwendung)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Geldmarkt als Makromarkt
• Der Geldmarkt im volkswirtschaftlichen Sinn ist die
Gegenüberstellung von
– Geldangebot (durch Notenbank bzw.
Geschäftsbankensystem): nominaler Bestand M, real =M/P
(P für Preisniveau)
– Geldnachfrage, was Nachfrage von Haushalten und
Unternehmen für Transaktionszwecke und
Wertaufbewahrungszwecke angeht: etwa als md=Md/P=
m(Y,i) = a1Y –a2i, wobei i Nominalzins
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Geldangebotsseite
• M = vM‘, wobei M‘ die exogene Geldbasis (von Zentralbank
kontrolliert) ist; v ist der Geldangebotsmultiplikator, auf den
Banken und Zentralbank einwirkt. Geldangebotsmultiplikator fällt,
wenn Banken sich untereinander weniger kurzfristige Kredite
geben; auch zu beachten Phänomen, dass Banken hohe
Überschüsse bei Zentralbank halten – jedenfalls in Krisensituation
2008-2013
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Geldangebotsseite: nur teilweise von Zentralbank
kontrollierbar
• M= vM‘ , wobei M‘ sogenannte Geldbasis ist, die von der Zentralbank
kontrolliert wird: Bargeld plus Mindestreservesoll (als eine denkbare
Abgrenzung); Geldbasis von Entstehungsseite =Währungsres.+
heimischer Kredit (Kredit der Zentralbank an Geschäftsbanken)
• v ist der Geldangebotsmultiplikator, auf den neben Zentralbank auch
das Geschäftsbankensystem bzw. private Sektor einwirkt (bei M1, M2 und
M3 siehe etwa Giroguthaben bzw. Termin- bzw. Spareinlagen)
• Es gilt: gM3 = gv‘3 + gM‘ , so dass bei einem Zielwert für gM3 (EZB:4.5%)
Zentralbank nur gM‘ direkt kontrolliert
• 2011/2012 Banken halten bei EZB hohe Überschussreserven!!
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Wie kommt Geld in Umlauf
• Geldbestand von Verwendungsseite
– M = H + eR (mit H für heimischer Kredit – an
Geschäftsbanken; e für Wechselkurs, R für
Devisenreserven)
– Quantitative Easing = expansive Offenmarktpolitik:
Zentralbank kauft Staatsanleihen im privaten Sektor (z.B.
von Banken) an, so dass M ansteigt; FED, Bank of
England, EZB
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Geldnachfrageseite
• Die reale Geldnachfrage m möge positiv vom Realeinkommen
abhängen - denn mit höherem Y wird ein größeres m für
Transaktionszwecke benötigt; sowie negativ vom Nominalzins i. Die
einfachste Erklärung für einen negativen Einfluss von i auf die
Geldnachfrage ist, dass der Nominalzins den Opportunitätskostensatz
der Kassenhaltung darstellt. Etwas genauer lässt sich eine negative
Abhängigkeit der „Spekulationskasse“ vom Zins wie folgt
begründen, d.h. nachfolgend wird die Haltung festverzinslicher
staatlicher Wertpapiere als Alternative der individuellen Geldhaltung
betrachtet.
• M/P = m(Y,i) =mT(Y) + mS(i)
• Vorsichtsmotiv: unvorhergesehene Ausgaben sollen durch die
Einrichtung der Vorsichtskasse abgedeckt werden.
Wenn Y↑ dann Vorsichtskasse ↑; wenn i ↑ wird Vorsichtskasse ↓
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Geldmarktgleichgewicht: Bestimmt Nominalzins und Realkasse
(M/P)
i,r
A
i0
F
i1
G
(M/P)0
(di/dm)0.5 ist Fläche
des Dreiecks EoE1H;
Elastizität (1/E m,i)(m/i)0.5;
Senkung des Zinssatzes
bringt diesen Wohlfahrtsgewinn plus mo x (-di) als
Weiteren betragsmäßigen
Wohlfahrtsgewinn (FE0HG)
(M/P)1
E0
H
E1
md(Y0,i)
Z
0
m0
m1
M/P=m
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Geldwirtschaft
• In einer Geldwirtschaft ist der Geldmarkt das Spiegelbild der
anderen Märkte – denn alle Güterkäufe oder Einkäufe von
Produktionsfaktoren erfolgen gegen Hergabe von Geld
– Wenn man nur Geld- und Gütermarkt als einzige Makromärkte unterscheidet, gilt: Geldangebotsüberschuss (bzw.
Nachfrageüberschuss) impliziert Güternachfrageüberschuss
(Angebotsüberschuss);
– Wenn man nur Geld- und Bondsmarkt unterscheidet, gilt:
Geldangebotsüberschuss impliziert Nachfrageüberschusse auf
Bondsmarkt (Festverzinsliche), also steigt dort Kurs während
die Umlaufrendite (=fester Zins dividiert durch Kurs) bzw.
Effektivzins fällt.
Ist der Geldmarkt im Gleichgewicht, dann auch der
Bondsmarkt im Gleichgewicht (allg. Gestetz von Walras!)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Theoretische Grundlagen
Geldverwendung ist Spiegel der anderen Märkte in der
Geldwirtschaft
Wenn Geldmarkt Angebotsüberschuss hat, dann muss der
Gütermarkt (im 2-Makro-Markt-Modell) einen
Nachfrageüberschuss haben; sofern Nachfrageüberschuss auf
Gütermarkt zu Produktions- und Beschäftigungssteigerung und
höheren Steuereinnahmen führt, kann expansive Geldpolitik der
Zentralbank – sorgt für AÜ auf Geldmarkt – Realwirtschaft
beeinflussen
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
28
Theoretische Grundlagen
Vermögensarten
• Inländisches Geld = gesetzliches Zahlungsmittel;
• Bonds bzw. Staatsanleihen sind langfristige festverzinsliche
Wertpapiere; Emissionsrendite = fixer Zinscoupon (z.B. 10)/100, wobei
Papier zu 100 emittiert; Emissionsrendite also 10%
• Umlaufsrendite von Bonds = fixer Zinscoupon dividiert durch
Wertpapierkurs; wenn Wertpapierkurs sich verdoppelt, dann beträgt
Umlaufsrendite 10/200=5%: Wenn Kurs steigt, sinkt Marktzins; wenn
Kurs fällt, steigt Marktzins (Umlaufsrendite)
• Aktien verbriefen Anteil an einem Unternehmen und Recht auf Gewinne
bzw. Dividendenzahlung: Rendite = Dividenden-rendite
(Dividende/Kurs)+Wachstumsrate des Kurses
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
29
Theoretische Grundlagen
In einer Geldwirtwischaft
ist der Geldmarkt
Spiegelbild aller anderen
Märkte: Denn mit Geld
wird bezahlt! Reales
Geldangebot ist M/P;
reale Geldnachfrage
md(Y, i); i ist Nominalzins.
Steigt i, sinkt
Geldnachfrage.
Gleichgewicht, wenn
M/P = hY/(h‘i); h>0, h‘>0
Geldmarkt
Gesamtwirtschaftlicher Geldmarkt im System der
Makromärkte
Gütermarkt
Arbeitsmarkt
Bondsmarkt
(Kreditmarkt)
Devisenmarkt
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
30
Theoretische Grundlagen
Zinsstrukturkurve
• Bei der Kreditvergabe entscheiden Kreditgeber und nehmer (u.a.) über die Laufzeit des Kredits.
• Trägt man den Zins in Abhängigkeit von der Restlaufzeit
R' auf, dann ergibt sich die sogenannte Zinsstrukturkurve:
mit zunehmender Laufzeit steigt der Zinssatz an.
• Die Zinsstrukturkurve widerspiegelt die Reife einer
Volkswirtschaft bzw. dessen Kreditmarkt.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
31
Theoretische Grundlagen
Finanzmärkte
• Wir unterscheiden Märkte unterschiedlicher Fristigkeit
(„Geldmarkt“ im bankentechnischen Sinn ist kurzfristig, 3
Monate; Interbankenmarkt. Kapitalmarkt steht für langfristigen
Kreditmarkt [oder Aktienmarkt])
• U.U. economies of scale im Anleihemarkt (Größenvorteile;
siehe Jumbo-Anleihe in der Eurozone, nicht realisierbar in DMZeit)
• Der nominale Zins steigt mit zunehmender Anlage- bzw.
Kreditlaufzeit (Halteprämie);
• In Nominalzins i ist ex ante Inflationserwartung πE eingepreist.
Ex post gilt Realzins r=i -π
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
32
Theoretische Grundlagen
Zinsstrukturkurve
• Ein einfacher Zusammenhang stellt darauf ab, dass sich aus der
Zeitpräferenz – d.h. der Gegenwartsvorliebe beim Konsum – ergibt,
dass längeres Warten mit dem Konsumieren, also ein relativ langer
Anlagehorizont des Sparers, eine besondere Prämie verlangt.
• Je länger man den Konsum verschiebt, umso höher ist die Prämie
bzw. der Zins, den der Anleger verlangt. Banken verdienen einen
erheblichen Teil ihrer Gewinne durch Fristentransformation: Sie
nehmen kurzfristige niedrigverzinsliche Einlagen an, während sie im
Aktivgeschäft zu relativ hohen Zinssätzen langfristige Kredite
vergeben. Dieses einfache Grundprinzip profitabler Bankenaktivität
funktioniert offenbar nicht, wenn die Zinsstruktur eine negative
Steigung hätte (inverse Zinsstruktur).
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
33
Theoretische Grundlagen
Zinsstruktur und Bankenprofitabilität
• Je steiler die normale Zinsstrukturkurve ist, desto höher die
Bankengewinne: Banken betreiben Fristentransformation
und können kurzfristige Einlagen – mit niedriger Zins gewinnbringend in langfristige höherverzinsliche Kredite
(Aktivgeschäft) transformieren
• Inverse Zinsstruktur ist längerfristig bedrohlich für
Banken, da Profitabilität bedroht; inverse Struktur führt zu
Konjunkturabschwung
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
34
Theoretische Grundlagen
Hinweis auf Rolle von Banken
• Banken sind u.a. Finanzintermediäre; sie betrieben Fristenund Losgrößentransformation;
• Bankenaufsicht (nationale und internationale Regeln); Basel I (BIZ)
= 8% Eigenkapitalquote als Minimum; Basel II ging auf
risikogewichtete Eigenkapitalerfordernisse über, was zu stärker
risikodifferenzierten Kreditzinsen führen sollte (!!??)
• Aktienmarkt: Aufnahme von Eigenkapital aus Unternehmenssicht;
Anleger erhält Dividendenrendite; + ggf. Kurssteigerungsrate
(realisiert?). Totalverlust denkbar!
• Risikokapitalmärkte (venture capital); D gering, Problem ist Exit,
d.h. Beteiligungsverkauf, der sehr rentabel sein muss für Investor
(Anfangsverluste!!)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
35
Theoretische Grundlagen
Finanzmärkte und Banken
• Normale Zinsstruktur = Nominaler Zins nimmt mit steigender
Restlaufzeit zu; da Zins
i = rnormal+πerwartet
(mit πerwartet für erwartete Inflationsrate) kann der Anstieg des
Zinssatzes mit der Restlaufzeit auch eine im Zeitablauf steigende
Inflationsrate widerspiegeln – davon wird nachfolgend aber gerade
NICHT ausgegangen. Grundsätzlich werden kurz- und langfristige
Laufzeiten als Substitute aus Kreditgeber- und Kreditnehmersicht
betrachtet. Eine geldpolitisch induzierte Senkung des kurzfristigen
Zinssatzes („Geldmarktzins“) bedeutet also – mit Zeitverzögerung –
eine Senkung des mittel- und langfristigen Zinssatzes; langfristiger
Zins heißt Kapitalmarktzins
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
36
Theoretische Grundlagen
Zinsstrukturkurve: mit steigender Restlaufzeit steigt i
i(r)
Notenbankzinserhöhung
verschiebt Kurve hoch;
zunächst nur Einfluss auf
kurzfristigen Zinssatz; aber
Zinserhöhung für
Kurzfristige Kredite zieht
auf Nachfrageseite
Substitution nach sich:
Nachfrage nach
langfristigen Krediten
steigt! (ilang steigt also
auch!)
TS0
i0
B
i’0
i1
A
C
B’
TS1
D
i’1
0
A’
F
R0
(short)
R1
(long)
C’
R2
R
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
37
Theoretische Grundlagen
Inverse Zinsstruktur
• Eine inverse Zinsstruktur liegt vor, wenn der kurzfristige Zinssatz
höher als der langfristige Zinssatz ist.
• Es wird langfristig eine Zinssenkung erwartet.
• Finanzmittel werden kurzfristig bei den Banken zu hohem Zins
angelegt.
• Eine solche Zinsstruktur ist konjunkturpolitisch problematisch, da
Investoren ihre geplanten Finanzinvestitionen zurückstellen.
Kurzfristig kann dadurch die Expansion des
Bruttoinlandsproduktes vermindert werden. Außerdem sinkt die
Profitabilität der Banken.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
38
Theoretische Grundlagen
Inverse (anormale) Zinsstruktur
• Bei inverser Zinsstruktur ist der kurzfristige Zins höher als
der langfristige
• Ergibt sich bei erwarteter langfrist. Zinssenkung
• Inverse Zinsstruktur hat zur Konsequenz, dass
Investitionen zurückgestellt werden ; also
konjunkturdämpfend! Mittel werden kurzfristig bei
Banken zu hohem Zins angelegt!
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
39
Theoretische Grundlagen
Zinsstrukturkurven:
a) normaler Verlauf, b) inverse Struktur
i
normal
invers
0
R‘
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
40
Theoretische Grundlagen
Problem inverse Zinsstruktur
• Statt einer normalen Zinsstruktur, die mit wachsender
Restlaufzeit eine steigende Prämie für Konsumverzicht
enthält oder mit Restlaufzeit steigende
Unsicherheitsprämie (ob man den Kreditbetrag in t+n+1
zurückerhält scheint stärker unsicher als in t+n), kann
auch eine inverse Zinsstruktur gelten; sie kann erklärt
werden über
– Das Eintreten einer fallenden Zinserwartung im Kapitalmarkt
(lange Laufzeit-Bereich), wobei Angebots- und
Nachfragekurven im Geld- und Kapitalmarkt jeweils vom Zins i
und vom erwarteten Zins iE abhängen!
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
41
Theoretische Grundlagen
• Erklärung einer inversen Zinsstruktur I: Ausgangspunkt ist
normale Zinsstruktur-kurve
a) gegebene Zinserwartungen
iK
Markt für kurzfristige Kredite
Markt für langfristige Kredite
i‘
i0‘
SS0
E‘0
SS0
i0
DD 0
E0
DD 0
0
Q0
QK
0
Q0
QL
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
42
Theoretische Grundlagen
• Erklärung einer inversen Zinsstruktur II: Fallen der langfristigen
Zinserwartung; langfristiger Zins i‘ fällt tatsächlich, kurzfristiger
steigt an
b) sinkende langfristige Zinserwartungen
iK
Im Kapitalmarkt
sinkt die
Kreditnachfrage,
das Angebot
erhöht sich; im
kurzfristigen
Kreditmarkt:
Nachfrage
höher, Angebot
fällt
SS1
i‘
i‘0
i1
E‘0
SS1
SS0
E1
i‘1
i0
SS0
E0
E‘1
DD 0
DD 1
DD 1
DD 0
0
Q1 Q0
DD 2
QK
0
Q0 Q1
QL
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
43
Theoretische Grundlagen
Langfristiger Zinssatz USA, Eurozone, Japan, UK: 1999-2012
Long-term interest rates (in %)
7
6
5
Japan
4
United Kingdom
3
United States
2
Euro area
1
0
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Quelle: OECD
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
44
Theoretische Grundlagen
Kurzfristige Zinssätze USA, Eurozone, UK: 1999-2013
Nominal short-term interest rates
Euro area (17 countries)
United Kingdom
United States
19
99
20
00
20
01
20
02
20
03
20
04
20
05
20
06
20
07
20
08
20
09
20
10
20
11
20
12
7
6
5
4
3
2
1
0
Quelle: AMECO
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
45
Theoretische Grundlagen
Abbildung: Inflationsraten (Y)
Inflation, consumer prices (annual % )
5
4
3
United States
2
Germany
1
United Kingdom
Japan
12
20
11
20
10
20
09
20
08
20
07
20
06
20
05
20
04
20
03
20
02
20
01
20
00
20
19
-1
99
0
-2
Quelle: Weltbank
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
46
Theoretische Grundlagen
Notenbankzinssätze (US Federal Funds Rate) USA, Eurozone
Quelle: www.leitzinsen.info
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
Unnormale Situation in USA seit 2009
• Notenbankzinssatz liegt bei fast Null; Geldpolitik expansiv zu schalten
via Senkung des Zentralbankzinssatzes – als Untergrenze der
Marktzinssätze – ist unmöglich; in der Sondersituation eines
Zentralbankzinssatzes nahe 0 griff man in USA 2009-2014 zum
Politikansatz des Quantitative Easing (QE), bei dem die
Zentralbank FED Staatsanleihen und andere Papiere ankaufte
(faktisch expansive Offenmarktpolitik: FED kauft Papiere an,
dadurch steigt Geldmenge); allerdings ohne Inflationseffekte, da
kompensierende Maßnahmen zur Eingrenzung der Liquiditätseffekte
und zudem war Geldangebotsmultiplikator gesunken:
– Geldmenge M= vM‘, wobei M‘ die exogene Geldbasis der
Zentralbank ist (kontrolliert von dieser) und v ist der
Geldangebotsmultiplikator, auf den Zentralbank und
Geschäftsbanken wirken; sinkt v, kann M‘ stark steigen, ohne
Inflationseffekte; ähnlich UK 2009-14; Eurozone 2015| WS 2013/14 | Samir Kadiric
47
Theoretische Grundlagen
Wechselkurs
• Bei internationalem Gütertausch werden die Güterpreise durch
Wechselkurse umgerechnet. Ändern sich die Wechselkurse, so
ändert sich auch (c.p.) der in Auslandswährung ausgedrückte Preis
der Güter.
• Zwischen Wechselkurs und Außenhandel bestehen also diese
wechselseitigen Beziehungen:
– Die Wechselkurse beeinflussen Exporte und Importe.
– Das Verhältnis von Exporten und Importen beeinflusst
wiederum die Wechselkurse.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
48
Theoretische Grundlagen
Wechselkurs
Fallbeispiel:
• Ein deutscher Computergroßhändler kauft zu unterschiedlichen
Zeitpunkten Computer aus den USA. Er muss pro Computer 1.000
USD bezahlen
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
49
Theoretische Grundlagen
• Angebotsüberschuss auf Devisenmarkt (infolge Rechtsverschiebung der
Angebotskurve, z.B. wegen Exportsteigerung - oder wegen höherer
Kapitalimporte, d.h. Ausländer kaufen Aktiva)
e(€/$)
SS0
SS1
E0
F
e0
e1
Parität
G
0
$0
$
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
50
Theoretische Grundlagen
Monatliche Entwicklung des Wechselkurses des US-Dollars gegenüber dem
Euro von Oktober 2012 bis Oktober 2013 (Euro / US Dollar)
Quelle: Finanzen.net
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
51
Theoretische Grundlagen
Wechselkurs
• Außenhandelsungleichgewichte bestehen, wenn der Wert der
exportierten Güter ungleich dem Wert der importierten Güter ist.
• Werden z.B. mehr Güter in Dollar exportiert als importiert, ist das
Angebot an Dollar größer als die Nachfrage nach Dollar und der
Dollarkurs wird sinken.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
52
Theoretische Grundlagen
Offene Volkswirtschaft
• P = eP* gemäß Kaufkraftparitätentheorie (KKP); wenn also bei
gegebenem V bzw. V* (im Ausland) die Geldmenge im Inland
schneller relativ zu Y steigt als im Ausland die Relation M*/Y*,
dann verlangt Kaufkraftparitätentheorie eine Abwertung gemäß
• e = P/P* (hier ist e in Preisnotierung: €/$); KKP gilt eigentlich nur
für handelsfähige Güter
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
53
Theoretische Grundlagen
Vermögensanlage im Inland vs. Anlage im Ausland:
Gleichgewichtsbedingung gemäß Zinsparität (in- und
ausländische – kurzfristige - Bonds vollständige Substitute,
risikoneutrale Anleger)
• Zinsparität (wenn in- und ausländische Bonds vollständige Substitute
sind und vollständige Kapitalmobilität herrscht); Zins Inland sei gleich
der Rendite im Ausland, die aus Summe von i* und Swapsatz [f-e]/e
besteht (gedeckte Parität, was Arbitragegeschäft entspricht!)
– i = i* + [f-e]/e; f ist Terminkurs, e Kassakurs €/$
– Mit eE für erwarteten Kassakurs gilt (spekulativ!):
Offene Zinsparität i= i* + (eE1-e0)/e0
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
54
Theoretische Grundlagen
Zinsparität (kurzfristig)
• Während die Kaufkraftparität in strenger Form – bei Freihandel – nur
langfristig gilt, wird die Zinsparität jederzeit in der „gedeckten“ Form
gelten:
– i = i* + (f‘-e)/e, wobei f‘ der Terminkurs ist, e ist der KassaWechselkurs (f‘-e)/e heißt Swapsatz; diese Bedingung
bedeutet, dass Rendite im In-l und Ausland gleich sind
– Offene Zinsparität: i = i* + (E(e) – e)/e; E(e) ist erwarteter
Kassakurs für Zeitpunkt t+1
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
55
Theoretische Grundlagen
Kaufkraftparität und Zinsparität
• Es lässt sich zeigen, dass beide Gleichungen langfristig
miteinander kompatibel sind:
– Hinweis 1: Abwertungsrate der Währung = Differenz von
inländischer und ausländischer Inflationsrate (nach KKP)
– Hinweis 2: i = Realzins plus erwartete bzw. tatsächliche
Inflationsrate (langfristig erwartete und tatsächliche Inflation
gleich!)
– Es gilt langfristig, dass r= r*; gilt auch wegen
Direktinvestitionen
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
56
Theoretische Grundlagen
Beachte Rolle von Risikoprämie (R‘) und lange Frist
• Bei Risikoprämie für Inland gilt Zinsparität in der Form
i = i* + aE + R‘
R‘ kann z.B. durch politische Instabilität bedingt sein
Wenn Inland kleines Land ist, so ist i* exogen; die
Abwertungserwartung aE hängt langfristig nach Kaufkraftparität
(KKP: P=eP*) von internationalem Inflationsdifferenzial ab. Es
gelte i=r+π; i*=r+π*;
a= π-π* (KKP!); für R‘=0 ergibt sich dann r=r*, und zwar auch
ohne Direktinvestitionsflüsse!
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
57
Theoretische Grundlagen
Zinsparität versus Kaufkraftparität (T-Güter=handelsfähige;
N-Güter sind nichthandelsfähig, y=Pro-Kopf-Einkommen; ge=: [de/dt]/e)
• Kurzfristig gilt Zinsparität jeder Zeit (gedeckte Form), i, i* und
Wechselkurse e, f kurzfristig anpassend (mit Blick auf e, f bei
flexiblem Wechselkurs: i=i* +[E(e1)-e0]/e0; i=i* +[(f-e)/e]
• Langfristig gilt Kaufkraftparität eP*=P bzw. (bei Freihandel; wegen
Arbitrage auf Gütermärkten - seien alle Güter handelbar!);
gleichgewichtiger Kurs e=P/P* bzw. ge=π-π*; ggf. kann mittelfristig
erwartungsgesteuerte Abweichung vom langfristigen
Gleichgewichtskurs gemäß Kaufkraftparität (KKP) erfolgen;
Zinsparität konsistent mit KKP, falls i=r+π, i*=r*+ π*
• KKP für Länder (mit T-Gütern, N-Gütern) mit unterschiedlichem
Einkommensniveau modifiziert: PT = фePT*; ф≠1?
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
58
Theoretische Grundlagen
Abwertungssatz €/$ und kurzfristige Zinsdifferenz Eurozone zu
USA (Hinweis auf Zinsparität i=i*+a)
6
4
2
0
kurzfristige Zinsdifferenz
Abwertungssatz Euro / US Dollar
Q3
-2
0
Q4 1 0
-2
01
Q1 0
-2
0
Q2 1 1
-2
0
Q3 1 1
-2
0
Q4 1 1
-2
0
Q1 1 1
-2
0
Q2 1 2
-2
0
Q3 1 2
-2
0
Q4 1 2
-2
0
Q1 1 2
-2
0
Q2 1 3
-2
01
3
-2
-4
-6
Quelle: OECD
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
59
Theoretische Grundlagen
Zinselemente: Zinspyramide (ZB=Zentralbank)
Inflationserwartumg
Laufzeitprämie
(ggf. Währungspr.)
Investorgrade-Rating
zu erreichen wichtig
für Land/Firmen
Währungsprämie zu
zahlen von Emittenten
aus Ländern mit „Abwertungswährung“
Bonität des Schuldners
(AAA = bestes Rating)
Bankrefinanzierungskosten (ZB-Zins)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
60
Theoretische Grundlagen
Vermögensobjekte
• Risikoscheue Anleger wünschen hohe Rendite des
Gesamtvermögens („Portfolios“) und zugleich geringes Risiko;
zudem hohe Liquidität = Fähigkeit, ohne Kursverlust
Vermögensobjekt zu verkaufen. Aktiva haben unterschiedliche
Ertragssätze und jeweils eigene Risiken bzw. Chancen.
• Wir unterscheiden Vermögensobjekte:
– Finanzaktiva (Geld, inländische Bonds, ausländische
Bonds)
– Realkapital bzw. Aktien und Immobilien bzw. Immobilienfonds
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
61
Theoretische Grundlagen
Portfoliotheoretische Analyse der Geldnachfrage: Nutzen
hängt positiv ab von Rendite, negativ vom
Portfoliorisiko (Varianz!)
• Es gibt alternative Vermögensobjekte (Substitute in Bezug auf
Rendite)
• Investor bzw. Anleger strebt ein Portfolio – eine Mix der Aktiva an -,
das hohe Rendite & geringes Wertverlust (s. Standardabw. der Kurse)
darstellt
• Vermögensarten unterliegen unterschiedlichen Entwertungsrisiken:
Realkapital – also Aktien/Unternehmen und Immobilien – anders als
Finanzaktiva; Realaktiva sind inflationsgesichert, da Wert in der Regel
parallel zum Güterpreisniveau steigt; allerdings sind z.B. Immobilien
wenig liquide
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
62
Theoretische Grundlagen
Magisches Anleger-Zieldreieck
Rendite (+)
Liquidität (+)
Risiko (-)
(Varianz
der Rendite)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
63
Theoretische Grundlagen
Vermögensarten
• Inländisches Geld = gesetzliches Zahlungsmittel;
• Bonds sind festverzinsliche Wertpapiere; Emissionsrendite = fixer
Zinscoupon (z.B. 10)/100, wobei Papier zu 100 emittiert;
Emissionsrendite also 10%
• Umlaufsrendite von Bonds = fixer Zinscoupon dividiert durch
Wertpapierkurs; wenn Wertpapierkurs sich verdoppelt, dann beträgt
Umlaufsrendite 10/200=5%: Wenn Kurs steigt, sinkt Marktzins;
wenn Kurs fällt, steigt Marktzins (Umlaufsrendite)
• Aktien verbriefen Anteil an einem Unternehmen und Recht auf
Gewinne bzw. Dividendenzahlung: Rendite = Dividenden-rendite
(Dividende/Kurs)+Wachstumsrate des Kurses
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
64
Theoretische Grundlagen
Alternative Anlageobjekte: Aus Anlegersicht (Bondsmarkt
entspricht dem Kreditmarkt): Portfolioperspektive
Aus Unternehmenssicht sind Aktien und Bonds Finanzierungsalternativen;
indem Zentralbank Bonds- und Aktienmarkt beeinflusst, Investitionsimpuls
Vermögensobjekte
Geld (Liquidität)
Bonds
Aktien
Immobilien
Zwischen Vermögensobjekten besteht mit Blick auf Rendite ein Substitutionsverhältnis,
mit Blick auf Risiko sind Finanzaktiva (Geld plus Bonds) komplementär zu Realkapital
(Aktien plus Immobilien). Finanzaktiva unterliegen besonders dem Entwertungsrisiko der
Inflation, Immobilien bzw. Aktien (Realkapital) auch veränderten Nachfragebedingungen,
aber auch physischem Zerstörungsrisiko; bei Aktien bzw. Firmen auch
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
technologiebedingte Entwertung möglich [ANLEGERSICHT]
65
Theoretische Grundlagen
Anlegerperspektiven gemäß Portfoliotheorie
• Renditeerhöhung bei
Aktivum j löst im Interesse
von Maximierung des
Portfolioertrags
Umschichtung von k nach j
aus: Anteil von j steigt! Wenn
expansive Geldpolitik Zins
senkt, erhöht sich z.B. die
Nachfrage nach Aktien
• Finanzaktiva und Realaktiva
sind unter Risikoaspekten
aus Sicht der Portfoliotheorie
(TOBIN) komplementär:
Wenn Geldbestand – z.B.
wegen expansiver
Geldpolitik steigt – wird
daher die Nachfrage nach
Realkapital steigen
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
66
Theoretische Grundlagen
Nochmals Risikodiversifizierung und Rendite
• Ein Portfolio wird nach Anlagearten bzw. -objekten und
Währungen differenzierte Anlagestrategie wiederspiegeln.
• Risikodiversifizierung z.B. am Aktienmarkt erfordert bei
Kleinbetrag des Anlegers Investment in Aktienfonds, sonst
mehrere Einzelfirmen, ggf. sektoral & ländermäßig gemischt; bei
internationalen Anlagen ist Wechselkursrisiko zu beachten
• Im Interesse der Gesamtrendite werden auch hochverzinsliche
Aktiva gehalten – mit erhöhtem Risiko (z.B. schwaches Rating,
Abwertungsrisiko im Anlageland = Aufwertung der eigenen
Währung=Verlust; ausländischer Zinsertrag in Währung des
Investors gerechnet ist dann weniger wert als zuvor!
Auslandsertrag= i* +Abwertungsrate der eigenen Währung
[Aufwertung bedeutet negative Abwertungsrate in %])
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
67
Theoretische Grundlagen
Quantitätsgleichung als denkbare Theoriebasis der
Geldpolitik
• (1) MV = PY; M Geldmenge; V(i) ist Umlaufgeschwindigkeit als positive
Funktion des nominalen Zinssatzes, P Preisniveau, Y reales BIP
(1.1) P = V(M/Y)
• (2) gM + gV = gP + gY (wenn i konstant, dann V konstant, dann gV=0)
• Bei Unterbeschäftigung in Ausgangslage kann bei konstantem V eine
Erhöhung von Wachstumsrate der Geldmenge zu einem Anstieg des
realen Wirtschaftswachstums führen, langfristig aber zu Erhöhung der
Inflationsrate
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
68
Theoretische Grundlagen
Quantitätsgleichung; M V = PY
• Bei gegebener Umlaufgeschwindigkeit V wirkt Erhöhung von
Geldmenge M kurz- und mittelfristig auf Preisniveau P oder
Output-Niveau Y (reales Bruttoinlandsprodukt)
• Frage nach Transmissionsweg und zeitlicher Abfolge der Effekte:
z.B. Expansion von M führt zu größerer nominaler Nachfrage auf
Gütermarkt; Nachfrageüberhang, was Mehrproduktion induziert (Y
steigt) und dann steigt das Preisniveau P
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
69
Theoretische Grundlagen
Geldbestand und Wirtschaftsaktivität (Y ist reales
Bruttoinlandsprodukt): Perspektive Fishersche Verkehrsgleichung
• Haushalte bieten Produktionsfaktoren an, Unternehmen
produzieren/verkaufen Güter
Haushalte
Geld- und Güterkreislauf
Unternehmen
Fishersche Verkehrsgleichung: MV = PY; mit V=V(i,…)
Umlaufgeschwindigkeit V hängt vom Zinssatz und anderen Variablen ab; i
= r + πE , wobei r den Realzins bezeichnet, πE die erwartete Inflationsrate
bezeichnet. Der Nominalzins ist der Opportunitätskostensatz der
Kassenhaltung, je höher i, desto schneller zirkuliert Geld. Bei
Hyperinflation kann die tatsächliche bzw. erwartete Inflationsrate als
Opportunitätskostensatz genommen werden (r irrelevant klein!)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
70
Theoretische Grundlagen
Einfacher Ansatz der Geldpolitik
• M V(...) = PY
• In Wachstumsraten gilt für Fall eines exogenen V
gM + gV = gP + gY
• Nimmt man zur Vereinfachung an, dass mittelfristig V konstant sei,
also gV=0, dann wirken geldpolitische Impulse – z.B. gM>0
(expansive Geldpolitik) – auf die rechte Seite der Gleichung: auf
die Inflationsrate gP oder/und die Wachstumsrate des Outputs; in
vollbeschäftigter Wirtschaft wird jeder Anstieg der
Geldmengenwachstumsrate relativ schnell zu höherer Inflation
führen; bei Unterbeschäftigung wird eher gY steigen
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
71
Theoretische Grundlagen
Anmerkungen zur Fisherschen Verkehrsgleichung
(Quantitätsgleichung; einfache Variante, bei der V=V(i))
• MV(i)=PY; V ist die Umlaufsgeschwindigkeit mit Dimension 1/Periode
– Alternativ: M =[1/V(i)]PY, wobei 1/V:= kV bzw.
Kassenhaltungskoeffizienten; kV=M/[PY] hat wegen
Dimension von M, nämlich „Währungseinheiten zum
Zeitpunkt x“ bzw. PY „Währungseinheiten pro Periode“ die
Dimension Periode: gibt an, wie lange eine
Währungseinheit als Kasse gehalten wird
– M = kV(i)PY, wobei M Geldangebot, die rechte Seite
Geldnachfrage bezeichnet; Geldmarktgleichgewicht!
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
72
Theoretische Grundlagen
Zentralbankratsaufgabe: MV(…)=PY; statt Y ggf. Ypot
• Geldmengenwachstumsrate wirkt kurz-, mittel- und langfristig auf gY
bzw. gP (allerdings ist gV kurzfristig nicht konstant)!
• gM+ gV = gP + gY
• Wenn die Umlaufgeschwindigkeit konstant wäre und stabile
Trendwachstumsrate (auf Produktionspotenzial abzustellen) gY# =2%
bestünde, dann kann Ziel-Geldmengenwachstumsrate seitens ZB aus
Zielinflationsrate einfach hergeleitet werden!
• Da Geldpolitik kurzfristig auf Zins wirkt - expansive Geldpolitik
reduziert i und damit V(i) -, wird erst mittelfristig Impuls auf rechter
Seite der Gleichung wirksam! Zunächst – bei Unterauslastung bei Y
(steigt!) – später bei Preisniveau P
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
73
Theoretische Grundlagen
Geldpolitik und Inflation
• Bei einer hohen Trendinflationsrate (gP) ist vor dem
Hintergrund der Quantitätsgleichung klar, dass eine zu
hohe Wachstumsrate der inländischen Geldmenge
ursächlich ist:
• gP = [gM + gV] - gY
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
74
Theoretische Grundlagen
Hinweis auf Stabilität der Geldnachfrage
• Wenn V=V(i,Y,...) eine stabile Funktion weniger
Variablen ist – und V demnach kurz- und mittelfristig
prognostiziert werden kann -, dann kann man wegen
MV(i,Y,...) =PY eine effektive Geldpolitik betreiben und P
bzw. Y systematisch zu beeinflussen versuchen;
• Sofern V instabil wäre, keine systematische Geldpolitik
möglich. Hier auch Entscheidung, ob M1, M2 oder M3; mit
relevanter Größe V1, V2, V3=PY/M
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
75
Theoretische Grundlagen
Welche Geldmengenabgrenzung bei gM?
• M1= Bargeld plus Sichteinlagen – am ehesten für
Transaktionszwecke gebraucht (Transaktionsgeldmenge); sie ist
konjunkturpolitisch relevant.
• M2=M1+Termineinlange
• M3=M2+Spareinlagen(+Geldmarktfonds), was eher der
Wertaufbewahrungsfunktion nahe kommt; im Zinszyklus (Phasen
hoher Zinsen vs. Phasen niedriger Zinsen) kommt es zu
Umschichtungen: z.B. wird zinssensibles M3 in Hochzinsphasen
stark ansteigen, während M1 bei Wachstumsrate abnimmt (z.B.
Bargeld wird auf Terminkonto umgeschichtet): Breite
Geldmengenabgrenzung eher gut steuerbar!!
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
76
Theoretische Grundlagen
Frage nach Stabilität der Geldnachfrage neuerlich
• A) In 90er Jahre offenbar – laut einigen empirischen
Untersuchungen Geldnachfragefunktion instabil;
• B) Auch wird postuliert, dass bei niedriger Inflationsrate
Geldpolitik (vs. Abwertung...)keinen signifikanten bzw.
minimalen Einfluss habe;
• M.E. wichtig, dass Aktienmarktrally der 90er Jahre
(Aktienkurs P‘ stieg stark), als liquiditätsabsorbierend
Depotumschlaghäufigkeit wuchs, zu beachten ist: Bessere
Spezifikation der Geldnachfrage lässt eher Finden einer
stabilen Geldnachfragefunktion erwarten!! Geldpolitische
Strategie dann weiterhin sinnvoll!
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
77
Theoretische Grundlagen
Volkswirtschaftlicher Geldmarkt
• M = V‘ PY, wobei V‘(i):=1/V(i); dV/di>0
– M ist nominales Geldangebot;
– V‘ PY ist nominale Geldnachfrage;
– oder mit m(Y,i), wobei dies die reale Geldnach-frage ist;
Gleichgewichtsbedingung M/P= m(Y,i); im Weiteren e
Wechselkurs, * Auslandsvariable
• Bei Währungssubstitution:Geldangebot M+ eθM*, wobei θ Anteil von
M* in Land 1(Inland); Abwertung impliziert dann Erhöhung von P: [M+
eθM*]/V‘(i)= PY
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
78
Theoretische Grundlagen
Geldpolitik und Effekte (Bonds sind festverzinsliche
Anleihen)
• Geldpolitik ist liquiditätsmäßige Intervention der Zentralbank
– Expansive Geldpolitik bringt Senkung von Nominalzins i und
Realzinssatz r; steigt M, steigt Nachfrage nach Bonds...
– Vermindertes r erhöht Investition
– Höhere Investition zu höherem Y via steigende gesamtwirtschaftliche Nachfrage C(...)+ I(r)+ G + Xnet(Y,Y*,q*)
– Da reduziertes i zu realer Abwertung bzw. q*-Anstieg im
keynesianischen Modell führt, steigt Nettoexport, daher Y
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
79
Theoretische Grundlagen
Notenbank kann insbes. Zins steuern; P‘ ist Aktienkursniveau
Zinssenkung und Effekte (T Steuern, A‘ Realvermögen,
Realkasse m:=M/P; e nominaler Wechselkurs in €/$;
A‘=m+KP‘/P)
Y = C(Y-T, A‘) +I(r, m...) + G + [X(Y*, eP*/P) – q*J(Y, eP*/P)]; q*=eP*/P
Notenbank-Zinssenkung
Stimuliert
Investition
Erhöht Aktienkurs, zumal
wg. Anlegersubstitution
Erleichtert
Staat die
Finanzierung
von Defizit,
ggf. Steuersenkung (Y
& P‘ steigen)
Wirkt auf
Wechselkurs (Abwertung), da Kapitalabfluss
ins Ausland
steigt
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
80
Theoretische Grundlagen
Expansive Geldpolitik (dM/dt>0 in statischer Wirtschaft;
Erhöhung von gM in wachsender Wirtschaft) wirkt...
• Kurzfristig über Nominalzinssenkung (Liquiditätseffekt); Zins fällt
nominal und real; Geldangebotsüberschuss wegen Geldpolitik,
Wi.subjekte fragen dann verstärkt Bonds nach; Kurs steigt, Umlaufrendite
bzw. Zins fällt; wenn i sinkt, dann sinkt V(i...); & es kommt zu
Abwertung(dX‘>0)
• Mittelfristig über Realzinssenkung bzw. höhere Investition I(r), daher
dY>0: Einkommenseffekt; P‘>0, Aktienkurs steigt schon bei
beginnendem dY>0; also C(Y, m+KP‘/P) steigt!...
• Langfristig steigt bei Anstieg des Kapazitätsauslastungsgrades die
Inflationsrate bzw. i: Inflationserwartungseffekt; di>0 wegen
Inflationsanstieg heißt „Fisher-Effekt“
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
81
Theoretische Grundlagen
• Frage nach Transmissionsansatz für Geldpolitik
Erhöhung von M
bzw. gM in wachsender Wirtschaft
Zins-, Aktienkurs-,
Wechselkursreaktionen
Preis- und
Output- & Erwartungsreaktionen
(s. auch Budgetdefizit)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
82
Theoretische Grundlagen
Expansive Geldpolitik
Zunächst Überschussliquidität der Banken: fließt in Finanzmärkte:
Zinssenkung löst Portfolioumschichtungen aus
Zinssenkung
real & Aktienkursanstieg stimulieren Investitionen
Zinssenkung löst
reale Abwertung
aus; Nettoexportplus
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
83
Theoretische Grundlagen
Langfristiger Einfluss der Geldpolitik auf die Inflation,
aber…
• Die Geldpolitik
– beeinflusst langfristig die Inflationsrate
– ABER: kurzfristig spielt die Entwicklung des
Kreditangebotes - Einfluss der Banken! - eine wesentliche
Rolle, da neues Geld (außer Bargeld) durch Kreditvergabe
der Banken in Umlauf kommt
– Mittelfristig spielt auch Wechselkurs eine Rolle: Abwertung
erhöht den Inflationsdruck
– Mit steigendem Kapazitätsauslastungsgrad: dP/dt>0
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
84
Theoretische Grundlagen
Portfoliotheoretischer Ansatz der Geldpolitik /
Transmission geldpolitischer Impulse
• Aktiva als Substitute in Bezug auf Rendite betrachtet; wenn man
Portfolio mit Aufteilung Aktien, Geld, Bonds 30%, 10%, 60% hat, dann
wird bei Zinsanstieg ein Erhöhung des Bondsanteils erfolgen;
Verminderung Anteil Realkasse, Aktien
• Finanzaktiva und Realaktiva nach Tobin in Bezug auf Risiko
komplementär (Risiken negativ korreliert): Wenn durch expansive
Geldpolitik Finanzaktivablock steigt, erhöht sich Nachfrage nach
Realkapital: „Vermögenseffekt“; falls PK/P - Tobins „Q“ - steigt, ist dies
positiver Investitionsimpuls bedeutet, I(r, PK/P) erhöht sich: also
Investition steigt an
• Preis für existierendes Realkapital PK kann mit Aktienkurs P‘
(Aktien=Reflex von K)gleichgesetzt werden, P =Preisniveau für
neuproduzierte Güter, also auch für Investitionsgüter
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
85
Theoretische Grundlagen
Mechanismus bei Tobins Q:= P‘/P; dabei P‘ Aktienkursindex
• Neue Kapitalgüter (Investitionsgüter) sind Substitute zu
Bestandskapital, also Maschinen und Anlagen in bestehenden Firmen
(repräsentiert durch Aktien); wenn P‘/P ansteigt, so haben sich
Investitionsgüter relativ zu bestehendem Sachkapital verbilligt; es
lohnt sich also zu investieren –
Aktienmarktboom=Investitionsanstieg!
• HINWEIS zu Eurozone: In €-zone sind Kapital-kosten in allen Ländern
gleich, D hat früheren Vorteil niedriger Kapitalkosten aus D-MarkZeiten verloren
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
86
Theoretische Grundlagen
Geldpolitische Transmissionskanäle
MONETÄRE
IMPULSE
Rationierungseffekt
Kr editmenge
Wechselkurseffekt
Portfolioanpassung
Änderung relativer
Preise und der
Vermögensbestände
Substitutionseffekt
Erwartungseffekte
Vermögenseffekt
Außenbeitrag
Kapitalverkehr
Änderung der Ausgaben
Output &
Beschäftigung
Preisniveau
Zinsen
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
87
Theoretische Grundlagen
Geld-, Kredit-, Aktien-, Güter- und Arbeitsmarkt
Arbeitsmarkt
Zentralbank
Devisenmarkt
Banken
Basisgeldwachstum bzw.
Geldangebot
Kreditangebot
Kreditnachfrage
Zins
i bzw. r
Aktienmarkt
Geldnachfrage
Inflationserwartung
Geldmarkt
Arbeitsnachfrage
Gütermarkt
Produktion Y
bzw.
Kapazitätsauslastung
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
88
Theoretische Grundlagen
NOMINALES BIP Eurozone, M1, M3 in 2012 (nach EZB)
12000
10000
8000
6000
4000
2000
0
M1
Quelle: EZB
M3
nominales BIP
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
89
Theoretische Grundlagen
Jährliche Wachstumsrate (Q) der Geldmenge M1 bzw. M3 (6 Q
verzögert), Eurozone und Inflationsrate
jährliche Wachstumsrate von M1
jährliche Wachstumsrate von M3
(verzögert um 6Q)
Inflationsrate
20
06
2 0 Q1
06
2 0 Q3
07
2 0 Q1
07
2 0 Q3
08
2 0 Q1
08
2 0 Q3
09
2 0 Q1
09
2 0 Q3
10
2 0 Q1
10
2 0 Q3
11
2 0 Q1
11
2 0 Q3
12
2 0 Q1
12
2 0 Q3
13
Q1
18,00
16,00
14,00
12,00
10,00
8,00
6,00
4,00
2,00
0,00
-2,00
-4,00
Quelle: Eurostat
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
90
Theoretische Grundlagen
Jährliche Wachstumsrate des realen BIPs (Eurozone) und von
M1 (jeweils Quartalsdaten)
8,00
7,00
6,00
5,00
jährl. Wachstumsrate von M1
4,00
3,00
2,00
jährl Wachstumsrate des realen
BIPs
1,00
0,00
2011 2011 2011 2011 2012 2012 2012 2012 2013 2013
Q1
Q2 Q3
Q4
Q1 Q2
Q3
Q4 Q1
Q2
Quelle: Eurostat
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
91
Theoretische Grundlagen
Trendwachstumsrate (gleitende Fünfjahresdurchschnitte) von M3 (um
zwei Jahre verzögert), realem Bruttoinlandsprodukt und
Inflationsrate, Deutschland und Frankreich
Frankreich: GY, GM3(-2), GP; MA 5th order
Germany: GY, GM3(-2), GP; MA 5th order
10
15
GY
GM3(-2)
GP
GY
GM3(-2)
GP
8
10
6
4
5
2
1960
1970
1980
Time
1990
2000
1960
1970
1980
Time
1990
2000
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
92
Theoretische Grundlagen
Trendwachstumsrate (gleitende Fünfjahresdurchschnitte) von M3 (um
zwei Jahre verzögert), realem Bruttoinlandsprodukt und
Inflationsrate, USA
USA: GY, GM3(-2), GP; MA 5th order
10
GY
GM3(-2)
GP
8
6
4
2
1960
1970
1980
Time
1990
2000
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
93
Theoretische Grundlagen
Nominalzins und Inflationsrate in Deutschland bzw. in der Eurozone
(1999-2001) und in den USA
Deutschland, EU-12: Langfr. Zinssatz und Inflation
10
USA: Langfr. Zinssatz und Inflation
2
4
6
4
Prozent
Prozent
8
6
10
8
12
Langfr. Zinssatz
Inflation
0
1960
1970
1980
2
Langfr. Zinssatz (D-alt)
Inflation (D)
Langfr. Zinssatz (EU-12)
Inflation (EU-12)
1990
2000
1960
1970
1980
1990
2000
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
94
Theoretische Grundlagen
Realkapitalwachstumsrate, Deutschland, USA, UK, Frankreich
Wachstumsrate des Realkapitalbestands
3
2
1
0
P
ro
z
e
n
t
4
5
6
Deutschland
Frankreich
Verein. Kgr.
USA
1960
1970
1980
1990
2000
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
Wachstumsrate von M1 und M3
(Jahreswerte) in Eurozone 1999-2014
| WS 2013/14 | Samir Kadiric
96
Theoretische Grundlagen
• Outputlücke in ausgewählten Ländern auf Basis von Wachstumsraten:
Divergenz von Output- und Potentialwachstumsrate
Outputlücke
4
Outputlücke
3
2
1
0
-2
-1
Y-Y(MA 5th order), Y: Index 1995=100
2
1
0
-1
-3
-2
Y-Y(MA 5th order), Y: Index 1995=100
Verein. Kgr.
USA
Rep. Irland
Deutschland
USA
Frankreich
1960
1970
1980
1990
2000
1960
1970
1980
1990
2000
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
97
Theoretische Grundlagen
Weltwährungssystem I
Weltwährungssystem
Dominantes
Reservewährungsland
WechselkursRegime: fixe vs.
flexible Kurs
Regeln für Zahlungsbilanzkrisen (auch
Rolle von IMF)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
Besondere Rolle der IWF-Kunstwährung
Sonderziehungsrechte (SZR)= Korb von
Währungen ($, Yen, Euro); Rolle der AIIB
• China drängt seit 2014/2015 stark darauf, dass Renmimbi als
Währung in SZR aufgenommen wird; USA dagegen, fordern
insbesondere als Preis größere Kapitalverkehrsliberalisierung; China
geht seit 2015 in diese Richtung, macht China aber stärker abhängig
von Launen des Weltkapitalmarktes
• 2015: Gründung der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB)
(multilateral, Standort: Peking, Haupteigner ist China) wird Chinas
Rolle auf internationalen Kapitalmärkten stärken; viele EU-Länder,
auch Deutschland, Mitglied von AIIB, das 100 Mrd. $ Eigenkapital hat
– also ggf. mehr als 2000 Mrd. $ an Projekten wohl finanzierbar, was
Chinas Rolle in Asien und weltweit stärkt; AIIB hat in Europa in
London seine Niederlassung, stärkt Bankenplatz London (UK hatte
das zur Bedingung für Mitgliedschaft von UK in AIIB gemacht);
schlecht für Frankfurt und den €
| WS 2013/14 | Samir Kadiric
98
Theoretische Grundlagen
Weltwährungssystem und regionale Währungsintegration
IWF als globale Organisation
Euro-Zone als
Währungsunion bzw.
Teilmenge der EU-Länder
Bankenstabilität
(ja oder nein!?)
$ versus € (& Yen bzw.
Yuan)
Flexible Wechselkurse
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
99
Theoretische Grundlagen
Weltwährungssystem II
• USA als dominante Wirtschaftsmacht; Dollar dominiert als
Anlage- und Reservewährung;
• China und einige andere asiatische Länder hängen effektiv
am Dollar dran; das könnte bei einer kräftigen anhaltenden
$-Aufwertung große Probleme für Eurozone bedeuten (hoher
Ölpreis hält US-Dollar zeitweise noch künstlich hoch);
Ölkäufe sind in $ zu zahlen!!
• 2014/2015 fiel jedoch Ölpreis auf unter 50 $/barrel
• Abwertung des € temporär 2015 wegen QE in Eurozone
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
100
Theoretische Grundlagen
Abwertungsproblem beim Dollar/Aufwertung bei Yuan
• Die USA haben seit Mitte 90er Jahre eine langjährig zunehmende
Leistungsbilanzdefizitquote (2004: gut 5% des USBruttoinlandsprodukts, 2013 etwa 3% = Anpassung)
• 2002/03/04 Dollarabwertung um etwa 15%, was offenbar zu wenig
ist, um nachhaltige Verminderung der Defizitquote zu erreichen.
Relation Auslandsschuld zu BIP der USA bei etwa 25% in 2004,
könnte langfristig auf deutlich über 50% ansteigen!
• Beim Renmimbi (Yuan), der relativ fest an US-Dollar hängt, wäre
eine Aufwertung sinnvoll, da China hohe Überschüsse im
Außenhandel hat. Reale Aufwertung – ggf. nur einmalig (um 1525%) – würde Boom in China dämpfen; anderen Ländern Asiens
Aufwertung zu $ erleichtern. Dies wiederum würde USDefizitproblem lösen helfen. Allerdings war in 2015 Chinas
Überschussquote stark zurück gegangen
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
101
Theoretische Grundlagen
Funktionen einer internationalen Währung
Funktion
Sektor
Privat
Staatlich
Zahlungseinheit
Rechnungsstellung
Wechselkursfixierung
Wertaufbewahrung
Finanzielle Aktiva
Währungsreserven
Tauschmittel
Vehikelwährung/Währungssubstitution Währungsinterventionen
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
102
Theoretische Grundlagen
Anteil der Währungsreserven
€ versus $
Währungsreserveland
• €-Anteil stieg von 18% in 1999
auf 25% in 2009
• Chinesischer Renmimbi neuer
Herausforderer seit 2015 (AIIB)
• Inflation gering
• Stabiles Bankensystem (bei
liberalem Kapitalverkehr)
• Großes Land/ Handelspartner
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
103
Theoretische Grundlagen
Internationale Bondemissionen nach Währungen (%)
Währung
Bestand
1993 1998 2000
Wertpapiere (Gesamt)
US Dollar
Japanische Yen
Schweizer Franken
Eurozone*
Andere EU-Währungen+
Pfund Sterling
41,1
13,2
7,3
24,8
7,9
7,6
45,9
11,3
3,8
27,2
8,5
7,9
48,7
8,2
2,2
30,1
8,2
7,8
Anteil an Neuemissionen
1998
1999
2000
54,1
5,6
3,3
24,6
8,9
8,3
45,2
5,3
2,0
36,8
8,0
7,7
44,0
8,3
1,7
33,9
9,2
9,1
* Enthält Daten der Währungen der 11 ursprünglichen Mitglieder
der Eurozone und Währungskörbe,
wie dem ECU.
+ Enthält die Währungen von Dänemark, Schweden und Großbritannien.
Quelle: Bank for International Settlements,
Quarterly Review of International Banking and Financial Market Developments, March 2001.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
104
Theoretische Grundlagen
Internationale Währungsreserven – Änderung und Bestand
1997
Insgesamt
Industrieländer
Asien 1
Lateinamerika 2
Osteuropa 3
Übrige Länder
Insgesamt
Reserven in Dollar
Reserven in anderer Währung
1998
1999
2000
Stand
Ende 2000
Mrd. US-Dollar
Veränderungen zu jeweiligen
Wechselkursen
56,1
55,9
129,6
139,5
-12,0
-11,3
40,7
54,5
8,5
82,2
79,1
46,4
10,9
-8,3
-8,0
2,4
4,9
5,1
0,6
21,2
43,8
8,2
17,2
15,0
Veränderungen zu konstanten
Wechselkursen4
113,5
18,6
181,0
172,1
72,5
51,3
140,3
130,3
41,0
-32,1
40,7
41,8
1908,7
774,8
688,4
127,6
95,2
222,7
1908,7
1450,5
458,2
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
105
Theoretische Grundlagen
Neuere Entwicklung auf Finanzmärkten/Bankensektor
(Edwards/Mishkin, 1995)
• Banken mit traditioneller Rolle der Finanzintermediation: kurzfristige
Einlagen in langfristige Kredite umwandeln;
• Bankensystem sensibel: Vertrauenskrise bei einer Bank kann zu
Systeminstabilität führen; latentes Problem, dass Bank bei sinkender
Rendite dazu neigt, verstärkt riskante Geschäfte einzugehen, um
Rentabilität zu stärken! Herausforderung für die Bankenaufsicht
• In den USA und einigen EU-Ländern in den 80er und 90er Jahren ging
die Bedeutung der Banken (ohne Sparkassen und
Genossenschaftsbanken) zurück; in USA standen Banken 1974 für 35%
der Kreditaufnahme von Nichtbanken, 1995 noch bei 22%; Phänomen
der Disintermediation: Kapitalmärkte+, ähnlich in UK
• In der Eurozone spielen Banken weiterhin große Rolle; EZB seit
2014 für Bankenaufsicht (große B.) zuständig
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
106
Theoretische Grundlagen
Bankendynamik im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts
(USA)
• Unternehmen haben sich verstärkt über Schuldverschreibungen
(u.a. hochverzinsliche junk bonds) an den Banken vorbei
finanziert: 1993 Anstieg auf 60 Mrd. $ - zuvor Krise (nach MilkenSkandal)
• Banken gehen verstärkt Risiken im Kreditgeschäft ein; sie sind
auch verstärkt in Off-balance-sheet-Aktivitäten – z.B. Markt für
Derivative – gegangen; adäquate Bankenaufsicht kann Risiken
beschränken. Bankenaufsicht in USA in 2000-2008 sehr
schwach, in Deutschland, Spanien, Zypern, Irland und
anderen Ländern auch; bis Nov. 2014 nationale Aufsichten in EU.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
107
Theoretische Grundlagen
Formen regionaler Integration
•
•
•
•
•
•
•
•
Präferenzzone
Freihandelszone
Zollunion
Gemeinsamer Markt
Gemeinsame Marktordnung
Wirtschaftsunion
Wirtschafts- und Währungsunion
Politische Union
Quelle: Ohr/Theurl: Europäische Wirtschaftspolitik
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
108
Theoretische Grundlagen
Ökonomische Integration
Integrationsstufe der EU
Freihandelszone
Zollunion
Wirtschaftsunion
EU-Binnenmarkt
Wirtschafts- und
Währungsunion
Politisch-Institutionelle
Integration
Europäische
Union
?
Intergouvernementale
Kooperation
Supranationale
Kooperation
Politische Union
Zunehmender Grad an Integration
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
109
Theoretische Grundlagen
Die vier Grundfreiheiten
Artikel 23 – 60 EGV
•
Der freie Warenverkehr
•
Der freie Dienstleistungsverkehr
–
Niederlassungsfreiheit für Unternehmen
•
Der freie Personenverkehr
•
Der freie Kapital- und Zahlungsverkehr (Art. 56-60
EGV)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
110
Theoretische Grundlagen
Effekte durch Integration (1)
• Handelsschaffung und -ablenkung (Viner, 1950)
• Optimierung der Ressourcenallokation
• Steigerung der ökonomischen Effizienz
(z.B. Kostendegression durch Massenproduktion, technischer
Fortschritt)
• Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt
(u.a. erhöhte Angebotsvielfalt)
• Eventuelle Intensivierung gemeinsamer Politiken
• Law of one price
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
111
Theoretische Grundlagen
Effekte durch Integration (2)
• Nullsummenspiel
• Positives Summenspiel
• Erhöhter Koordinierungsbedarf der integrierten Partner
• Gefahr der inneren Spannungen
• Kampf der Wirtschaftsblöcke?
• Globaler Ausblick
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
112
Theoretische Grundlagen
Integration von Finanzmärkten
• Aspekte der Nicht-Diskriminierung
• Baele et al (2004): All market participants
– “face a single set of rules when they decide to deal with
financial products and/or services;
– have equal access to these financial products and/or
services and
– are treated equally when they are active in the market.”
• Lemmen (1998) unterscheidet zwischen „perfect financial
integration“ und „no integration“; a matter of degree
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
113
Theoretische Grundlagen
Unterschiedliche Grade an Finanzmarktintegration
a) unverbundene Finanzmärkte
c) vollständige Integration
b) unvollständige Integration
A
B
A
C
D
D
C
A
B
C
D
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
114
Theoretische Grundlagen
Grad an Finanzmarktintegration
Abbau von Barrieren
Anzahl der teilnehmenden Staaten
Gemeinsame
Währung
Gemeinsame
Zentralbank
Absolut Fixe
Wechselkurse
Freiheit des
Kapital- und
Zahlungsverkehrs
Abbau von
Kapitalverkehrskontrollen
Keine
Finanzintegration
Perfekte
Finanzintegration
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
115
Theoretische Grundlagen
Effekte der Finanzmarktintegration (1)
• Finanzmarktintegration bringt
– Wettbewerbsintensivierung → Innovation von Finanzprodukten →
Möglichkeit zur Portfoliodiversifikation steigt
– Marktvergrößerung (bei economies of scale der Intermediation=sinkender
Realzins)
– Angleichung der Zinssätze für Emittenten gleicher Bonität bzw. bei
gleicher Laufzeit (unterschiedliche Bonitäten werden jedoch durch
unterschiedliche Risikoprämien eingepreist)
– Welche Märkte bieten erhöhte Investitionsattraktivität (z.B. emerging
markets); Widerspiegelung durch makroökonomische Indikatoren
• Bei flexiblen Wechselkursen spielt kurzfristig u.a. Zinsparität i=i* + aE eine
Rolle
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
116
Theoretische Grundlagen
Effekte der Finanzmarktintegration (2)
• Internationalisierung von (FM-)Unternehmen
• Verbesserung des Investment Grades?
• Erhöhter Wettbewerb → Marktkonsolidierung →
Marktkonzentration → langfristig weniger Wettbewerb?
• Höhere Regulation → weniger Markt
• Mehr Zentralisierung in globalen FM-Unternehmen
(Finanzzentren London und Frankfurt/M.) → Effiziente
Entscheidungen vor Ort nicht angemessener?
• Erhöhte Gefahr von Ansteckungseffekten?
• Wie kontrollierbar sind die erweiterten Finanzmärkte?
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
117
Theoretische Grundlagen
Effekte der Finanzmarktintegration (3)
0
starke
Integration
1
schwache Integration
i1/i2
i1=i2
t
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
118
Theoretische Grundlagen
Integration von Finanzmärkten in der EU
Stabilitäts- und
Wachstumspakt
Geldmarkt
Devisenmärkte
(u.a. $)
EZB und ESZB
Portfolio
Allokation
(AssetNachfrage)
Bankensektor
Andere Finanzintermediäre
Anleihenmärkte
Aktienmärkte
Staatssektor
Unternehmen
Wachstumsmärkte
Druck durch
Basel II
Traditionelle
Märkte
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
119
Theoretische Grundlagen
Währungs- und Finanzmarktintegration
• Geld, Bonds, Aktien, Immobilien, Mobilien (Schiffe, Flugzeuge)
im In- und Ausland;
• Internationale Finanzmarktintegration hängt u.a. ab von
Liberalisierung des Kapitalverkehrs
• Volle Finanzmarktintegration bei in- und ausländische Bonds
erkennbar an gleicher Höhe der Zinssätze (bei gleicher Inflation
in Land I und Land II); so etwa im Goldstandard, aber auch in
der Eurozone
• In Eurozone (seit 1999) im Gegensatz zu DM-Zeiten besteht
währungsmäßiges Diversifizierungsproblem: Anleger muss in
Pfund, SFR, $, Schw.K. ausweichen
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
120
Theoretische Grundlagen
Auswirkungen der Finanzmarktintegration in der Eurozone (1)
Anzahl der Monetären Finanzinstitute im Euro-Währungsgebiet
1998
in %
2000
2002
2004
2006
in %
98-06
absolut
98-06
in %
Kreditinstitute
8.320
84,4
7.521
6.906
6.406
6.130
80,5
-2.190
-26,3
Geldmarktfonds
1.516
15,3
1.599
1.620
1.670
1.470
19,3
-46
-3,0
20
0,2
21
18
19
16
0,2
-4
-20,0
9.856
100
9.141
8.544
8.095
7.616
100
-2.240
Zentralbanken
und
sonstige
Finanzinstitute
MFIs gesamt
Quelle: EZB
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
121
Theoretische Grundlagen
Auswirkungen der Finanzmarktintegration in der Eurozone (2)
1997
1997-2001
2001 2002 2006 Veränderung
(in %)
2002-2006
1997-2006
Veränderung Veränderung
(in %)
(in %)
Deutschland
17
20
20
22
15,00
10,00
29,41
Italien
25
29
31
26
13,79
-16,13
4,00
Luxemburg
23
28
30
29
17,86
-3,33
26,09
Großbritannien
24
29
30
36
17,24
20,00
50,00
Spanien
32
45
44
40
28,89
-9,09
25,00
Österreich
44
45
46
44
2,22
-4,35
0,00
Irland
41
43
46
45
4,65
-2,17
9,76
Frankreich
40
47
45
52
14,89
15,56
30,00
Schweden
58
55
56
58
-5,45
3,57
0,00
Dänemark
70
68
68
65
-2,94
-4,41
-7,14
Griechenland
56
67
67
66
16,42
-1,49
17,86
Portugal
46
60
61
68
23,33
11,48
47,83
Finnland
88
80
79
82
-10,00
3,80
Belgien
54
78
82
84
30,77
2,44
Niederlande
79
83
83
85
4,82
2,41
Asset shares of
the five largest
banks in the EU
European
-6,82 Commission
Economic Papers,
55,56
No. 226
7,59
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
122
Theoretische Grundlagen
Auswirkungen der Finanzmarktintegration in der Eurozone (3)
Country/
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
Year
97-03
index
change
Germany
114
133
140
151
158
163
173
+59
Italy
201
210
220
190
260
270
240
+39
Luxembourg
210
222
236
242
275
296
315
+105
UK
208
221
250
264
282
307
347
+139
Spain
285
329
441
581
551
529
521
+236
Austria
515
515
511
548
561
618
557
+42
Ireland
500
473
480
486
512
553
562
+62
France
449
485
509
587
606
551
597
+148
Sweden
830
790
790
800
760
800
760
-70
Portugal
577
575
566
986
991
963
1044
+467
Denmark
1431
1442
1499
863
1119
1145
1114
-317
Greece
885
1165
986
1122
1113
1164
1130
+245
Netherlands
1654
1802
1700
1694
1762
1788
1744
+90
Belgium
699
909
1518
1506
1587
1905
2065
+1366
Finland
2150
2120
1960
2050
2240
2050
2420
+270
Herfindahl
index for
bank´s total
assets and
index change
European
Commission
Economic Papers,
No. 226
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
123
Theoretische Grundlagen
Auswirkungen der Finanzmarktintegration in der Eurozone (4)
Number of domestic and foreign companies listed on stock markets in the
Euro area, the USA and Japan
1990 1995 1998 2000 2001 2002 1990-2000 2000-2002
Euro area
4276 5106 4546 5516 6357 6271 +29 %
+14 %
USA
6765 8160 8449 7851 7069 6586 +16 %
-16 %
Japan
1752 1791 1890 2096 2141 2153 +20 %
+3 %
Stock market capitalisation of the Euro area, the USA and Japan (% of GDP)
1990 1995 1998 2000 2002 2005 2006 1990-2000
2002-06
Eurozone
20
27
73
84
46
65
76
+320%
+65%
USA
54
94
145
155
106
139
146
+187%
+38%
Japan
90
74
55
72
50
107
108
-20%
+116%
Source: ECB
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
124
Theoretische Grundlagen
Finanzmärkte und Finanzmarktintegration
• Banken: Werben um (kurz- u. mittelfristige) Einlagen im
Passivgeschäft; (langfristige) Kreditvergabe im Aktivgeschäft
=Intermediation; USA/UK: Kredit-Verbriefung+ 90er J.
• Internationalisierung der Finanzmärkte
• Finanzinnovationen; z.T. Transaktionen außerhalb der Bilanz/offbalance-sheet activities; mehr Derivatgeschäfte!
• Relativer Rückgang der Kreditvergabe an Unternehmen in den
USA und Europa (financial disintermediation 70s,80s)
• Bankensystem ist sensibel: kann bei Schocks wie Domi-nosteine
zusammenfallen; zudem: bei sinkender Rendite besteht Anreiz,
verstärkt in riskantere Geschäfte zu gehen, was Herausforderung für
Bankenaufsicht (BAFIN..) bedeutet
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
125
Theoretische Grundlagen
Währungsunion bedeutet
• A) Völlig Fixierung der nominalen Wechselkurse zwischen Land I und
II; oder
• B) Übergang auf Gemeinschaftswährung mit gemeinsamer
Zentralbank
– Sowohl bei A wie bei B stellt sich die Frage, welches
Wechselkurssystem man gegenüber Land III hat: Vereinfacht also Fix
vs. Flexibel
• Unter welchen Umständen lohnt es sich für alle beteiligten Länder,
sich zu einer Währungsunion zusammenzuschließen bzw. einer
bestehenden Union beizutreten?
• Abwägung Vorteile bzw. Kosten/Risiken
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
126
Theoretische Grundlagen
Nachhaltige Vorteile der Währungsunion
• Einsparung von Transaktionskosten – und Wegfall von
Kursrisiko in „Euroland“ - beim Außenhandel (Intra-Handel in
Eurozone müsste relativ ansteigen!)
• Schaffung eines integrierten, wettbewerbsintensiveren
Kapitalmarkts (geringerer Zins i bzw. r)
• Länder mit früher traditionell hoher Inflationsrate erreichten in
00/01/02 etwa Preisstabilität (Wohl-fahrts-gewinn): „Mehr
Preisstabilität“ in EU als früher
• Eurozone ist „grosses Land“, das internationale Unruhezeiten gut
abwettern kann: €zone ist krisenfester
Nationale Inflationsraten differieren, obwohl
Konjunkturzyklen in €Zone stark harmonisiert
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
127
Theoretische Grundlagen
Temporäre Vorteile im Anpassungsprozess zur EWU
• Konvergenz zu einheitlichem nominalen Zinssatz i in allen
Euro-Starterländern, wobei Konvergenz hin zum niedrigen
deutschen Zinsniveau: Reale Geldnachfrage steigt (P sinkt in
Land j temporär)
• Für wachstumsstarke €-Länder – mit relativ hoher Inflation –
ergibt sich ein niedriger Realzins r (Kapitalkosten): Investitionen
steigen deutlich an
• Länder mit hoher Staatsschuld profitieren (bes. Italien, Belgien,
Griechenland) bei Schuldendienst
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
128
Theoretische Grundlagen
Problematik / Nachteile der Währungsunion
• Aufgabe der Souveränität der nationalen Notenbanken in den Bereichen:
– Geldangebotsteuerung M
– Festlegung der Zinssätze
– Festlegung der Wechselkurse zu Drittstaaten
• Unterschiedliche Wirkungsweise der Geld- und Währungspolitiken in den
Mitgliedstaaten (untersch. Konjunkturzyklen)
• Höhere Bedeutung der nationalen Fiskalpolitik
• Unterschiedliche Absorptionsfähigkeit von Schocks
• Es bleibt also unklar, ob nur geeignete Starterländer sich in der Eurozone
zusammengefunden haben; weitgehend faktischer Verlust des
Wechselkursinstruments und einheitliche EZB-Geldpolitik. Portugal nach
Anstieg der Lohnstückkosten in 2001/02 mit Problemen – Abwertungsoption
national nicht verfügbar…
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
129
Theoretische Grundlagen
Problematik / optimaler Währungsraum?!
Kriterien für einen optimalen Währungsraum:
• Preis- und Lohnflexibilität sowie hohe Faktormobilität (Mundell)
• Diversifikation der Produktion (Kenen)
• Offenheitsgrad der Volkswirtschaft (McKinnon)
• Homogene Präferenzen, Gemeinsame Interessen
• Ohne weiteres ist gemäß Theorie optimaler Währungsräume nur
McKinnon-Kriterium erfüllt: Länder mit hohem Offenheitsgrad v (hoher
Anteil handelsfähiger Güter am BIP) können auf Wechselkursinstrument
verzichten. Denn hohes v bedeutet, dass nach Abwertung starker
Preisanstieg via verteuerte Importe, weshalb bei natürlich hohem
gewerkschaftlichen Lohndruck der Abwertungsvorteil rasch weg wäre.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
130
Theoretische Grundlagen
Problematik / optimaler Währungsraum?!
• Starterländer nach McKINNON-Kreterium weithin ok („Vorarbeit
Zollunion, Binnenmarkt“)
• Währungsunion =Tendenz zu stärkerer regionaler Spezialisierung,
was Probleme bei Schocks bringt
– Kommt es zu technologischer Konvergenz? Dann weniger IntraEuroland-Konflikte; Konvergenz + erhöhte Spezialisierung würde
Euroland anfälliger für Schocks machen
• Faktormobilität steigt, aber stark asymmetrisch – bei Kapital. Dann
aber ist erhöhte Lohnflexibilität gefordert; entsteht die in der
Währungsunion?
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Prof. Dr. Paul J.J. Welfens / Samir Kadiric
Schumpeter School of
Business and Economics
Bergische Universität Wuppertal
Gaußstraße 20
42097 Wuppertal
131
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• Wichtige Meilensteine in der Entwicklung der EU
• 1949: Europarat (Straßburg)
• 1952: EGKS
• 1957: EWG, Euratom
• 1965: EG = EGKS+EWG+Euratom
• 1970: Werner-Plan, EWWU in drei Stufen, wurde bald wieder verworfen
• 1972: Europ. Währungsverbund
• 1987: EEA
• 1990: Die EWWU beginnt (erste von drei Stufen)
• 1992: Europäische Binnenmarkt, Schengener Abkommen
• 1999: Start der EWWU
• 2004: Osterweiterung der EU
• 2007: Südosterweiterung der EU
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
132
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• Die Erweiterung der EWG
• 1957: Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Italien und
Deutschland
• 1973: Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich
• 1981: Griechenland
• 1986: Spanien und Portugal
• 1995: Österreich, Finnland und Schweden
• 2004: Zypern, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland,
Litauen, Malta, Polen, die Slowakei und Slowenien
• 2007: Rumänien, Bulgarien
• 2012: Kroatien
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
133
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
1950er Jahre
• Mehr realwirtschaftliche als monetäre Integration
• Die Verträge der EG von 1951 und 1957 sahen als primäres
Integrationsziel die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes vor. Die
allgemeine Wirtschafts- und Währungspolitik wurde lediglich als
„Angelegenheit von gemeinsamem Interesse“ betrachtet, die unter
anderem durch „Empfehlungen an die Mitgliedstaaten“ zu koordinieren
sei. Der „Beratende Währungsausschuss“ wurde mit der
Aufgabeeingerichtet, die Währungs- und Finanzlage der Mitgliedstaaten
zu beobachten.
• Eine Übertragung nationaler Zuständigkeiten für die Geld- und
Währungspolitik und damit zentraler politischer Befugnisse auf eine
supranationale Institution erschien damals noch nicht möglich.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
134
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• Das ist Bretton Woods
| WS 2013/14 | Samir Kadiric
135
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• Bretton Woods (1)
• Die Finanz- und Währungskonferenz der Vereinten Nationen fand 1944 im
amerikanischen Bretton Woods statt; dort wurden die Gründung der
Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Keimzelle der
Weltbankgruppe) und des Internationalen Währungsfonds beschlossen. Das auf
der Konferenz gleichfalls vereinbarte System fester Wechselkurse wurde 1973
aufgegeben, nachdem die USA die Goldeinlösungspflicht für den Dollar
widerrufen hatten.
• Zwischen 1958 und 1973 galt das Bretton-Woods-System fester
Wechselkurse, bei dem die westeuropäischen Währungen mit einer festen,
grundsätzlich anpassbaren, Parität an den US-Dollar gebunden waren. Dieser
stand seinerseits in einer festen Relation zum Gold (die Gold-Parität des Dollars
wurde aber bereits 1971 von Präsident Nixon aufgehoben). Die Partnerländer der
USA waren gehalten, über Interventionen auf dem Devisenmarkt den Dollar
gegebenenfalls zu stützen. D.h. wenn der Dollar unter die Paritätslinie fiel bzw.
wenn eine Dollar-Abwertung drohte, musste z.B. die Deutsche Bundesbank
intervenieren, also Dollar ankaufen. Dadurch stiegen die Währungsreserven an,
zugleich kam es zu einer, meist unerwünschten, Erhöhung der inländischen
Geldmenge. Für die auf Preisniveaustabilität ausgerichtete Bundesrepublik
Deutschland waren hohen Stützungskäufe zugunsten des Dollars in den späten
60er und frühen 70er Jahren ein erhebliches stabilitätspolitisches Problem.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
136
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• Bretton Woods (2)
• Internationales Währungssystem nach dem zweiten Weltkrieg bis Anfang der 70er Jahre.
Benannt nach einem am 27. 7. 1944 in der Stadt Bretton Woods im US Bundesstaat New
Hampshire unterzeichneten internationalen Abkommen, welches eine umfassende
Neuordnung der Weltwirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg anstrebte. Das B-W-System ist
als Reaktion auf die durch Abwertungswettläufe und Protektionismus gekennzeichnete
Periode zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg zu verstehen.
• Ziel war eine reibungslose und von Handelsbarrieren befreite Abwicklung des Welthandels
unter engen Schwankungsbändern der Wechselkurse (Zielzonen-System). Konzipiert nach
dem Gold-Devisen Standard mit dem US Dollar als Leitwährung.
• Kernbestandteile des in Bretton Woods vereinbarten Währungssystems waren:
–
–
–
–
Festlegung einer Parität von 35 US Dollar pro Unze Gold und
Verpflichtung der USA zum An- und Verkauf von Dollar zu diesem Preis,
Festlegung der Wechselkurse (Paritäten) der übrigen Währungen gegenüber dem US Dollar,
Verpflichtungen der Notenbanken dieser übrigen Währungen, die Wechselkurse innerhalb einer
Bandbreite von 1 Prozent um diese Paritäten zu stabilisieren,
– die Möglichkeit der Veränderung der Paritäten im Falle von fundamentalen
Zahlungsbilanzproblemen einzelner Länder (Realignments) und schließlich
– die Errichtung des internationalen Währungsfonds (IWF) zur internationalen Kreditgewährung
bei vorübergehenden Zahlungsbilanzproblemen.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
137
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• Bretton Woods (3)
• Das Bretton Woods Währungssystem brach in den 70er Jahren zusammen.
• Erstens aufgrund des Sachverhaltes, dass eine nationale Währung (US-Dollar)
zugleich als letztes internationales Zahlungsmittel fungierte. Das Leitwährungsland,
die USA, war bei der Wahl seiner nationalen Geld- und Finanzpolitik von
außenwirtschaftlichen Zwängen befreit. Seine Politik hat aber gravierende
Rückwirkungen auf alle anderen Länder, es bestimmt dadurch nämlich die
Entwicklung der Inflationsraten aller anderen Länder. Sollte die internationale
Liquiditätsversorgung nicht zu knapp werden, so war das Leitwährungsland geradezu
zu einer defizitären Leistungsbilanz gezwungen. Wollten andere Länder über eine
längere Periode hinweg mehr Leistungen importieren, als exportieren, so mussten
sich diese Länder die hierzu erforderlichen Devisenreserven erst einmal verdient
haben. In sofern spaltete das Bretton Woods System die Staaten in zwei Gruppen: die
USA und den Rest der am System beteiligten Welt.
• Ein zu hohes Defizit des Leitwährungslandes führt andererseits zu Weltinflation. Die
USA verfolgten gegen Ende der 60er Jahre – u. a. bedingt durch den Vietnam Krieg –
eine inflationäre Politik (Grund: öffentliche Haushaltsdefizite, expansive Geldpolitik),
und waren nur sehr beschränkt zur Goldkonvertibilität des US-Dollar bereit. Die
anderen Länder aber waren umgekehrt nicht mehr bereit, die so entstandene
Inflationsrate der USA zu akzeptieren, wozu das Festkurssystem sie gezwungen hätte
bzw. die Leistungsbilanzdefizite der USA durch eigene Leistungsbilanzüberschüsse zu
finanzieren. Folge war der Zusammenbruch des Systems.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
138
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• Bretton Woods (4)
• Das zweite Problem war die zögerliche Anpassung der Paritäten,
auf Veränderungen fundamentaler wirtschaftlicher Einflussfaktoren
in den einzelnen Ländern (u. a. Goldunter- bzw.
Dollarüberdeckung), die dem System keine Glaubwürdigkeit
verleihen konnten. Als Resultat entstanden destabilisierende
Spekulationen, und nach einigen Versuchen, das System mit
Veränderungen der Paritäten (Realignment) und/oder erweiterten
Bandbreiten zu retten, kam Anfang der 70er Jahre der
Zusammenbruch des B.-W.-S.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
139
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• 1960er Jahre
• Im Jahr 1962 machte die Europäische Kommission im Rahmen ihres
Aktionsprogramms für die zweite Stufe der Zollunion erstmals Vorschläge zur
Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion. Das Festkurssystem von
Bretton Woods und die vorteilhaften Wirkungen der Wechselkursstabilität für das
Funktionieren des Gemeinsamen Marktes waren aber damals noch intakt. Aus
diesem wie auch aus politischen Gründen waren die Mitgliedstaaten damals nicht
bereit, diese Vorschläge der Europäischen Kommission aufzugreifen. 1964 kam
es jedoch zur Gründung des „Ausschusses der Präsidenten der Zentralbanken
der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“
(„Gouverneursausschuss“), dem bei der Koordinierung der Geld- und
Währungspolitik in der Gemeinschaft eine wichtige Rolle zufallen sollte.
• Im Verlauf der zunehmenden Spannungen im Weltwährungssystem, die auch die
Gemeinschaft in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre erfassten und mit
erheblichen Eingriffen in den freien Waren- und Kapitalverkehr einhergingen,
erschien eine engere wirtschafts- und währungspolitische Zusammenarbeit in
Europa immer dringlicher.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
140
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• 1970er Jahre (1)
• Anknüpfend an ein neues Memorandum der Europäischen Kommission vom
Februar 1969 („Barre-Plan“) entwickelte deshalb eine Arbeitsgruppe unter Leitung
des damaligen Iuxemburgischen Ministerpräsidenten Werner einen Plan zur
Gründung einer WWU („Werner-Plan“). Auf der Grundlage dieses Plans
verabschiedete der Rat im März 1971 eine Grundsatzentscheidung über die
stufenweise Verwirklichung der WWU bis zum Jahr 1980. Diese Entscheidung
konzentrierte sich auf die Maßnahmen für die erste Stufe und ließ damit
wesentliche Teile des von der Werner-Gruppe vorgeschlagenen Konzepts – so
insbesondere auch die konkrete Ausgestaltung der Zwischen- und Endstufe – offen.
• Offiziell ist der Plan am 22. März 1971 in Kraft getreten und sah folgende Stufen
vor:
– Beschränkungsfreies Personen-, Güter-, Dienstleistungen- und Kapitalverkehr zwischen
Mitgliedsländern
– Schaffung einer Wechselkursunion mit absolut festen Wechselkursen ohne Bandbreiten
– Wichtige wirtschaftspolitische Befugnisse sollten von der nationalen auf die Gemeinschaftsebene
übertragen werden.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
141
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• 1970 Jahre (2)
• Die Zentralbanken der EG-Mitgliedstaaten wurden ersucht, die
Wechselkursschwankungen zwischen ihren Währungen schon ab 1. Januar 1971
(Beginn der ersten Stufe der WWU nach dem Werner-Plan) versuchsweise in einer
maximalen Bandbreite von ± 1,2 % zu halten. Diese Bandbreite sollte durch
aufeinander abgestimmte Dollar-Interventionen verteidigt werden.
• Die Dollarkrise von 1971 verhinderte jedoch die Umsetzung dieser Entschließung
des EG-Ministerrats. Einige Länder, unter ihnen die Bundesrepublik, gaben die
feste Bindung an den Dollar vorübergehend auf und ließen ihre Währungen frei
schwanken. Mit dem Washingtoner Währungsabkommen vom Dezember 1971
(„Smithsonian Agreement“) wurde auf internationaler Ebene der Versuch einer
Wiederherstellung stabiler Wechselkursbeziehungen unternommen. Für die EG
hatte dieses Übereinkommen jedoch den Nachteil, dass – durch die allgemeine
Erweiterung der Bandbreiten auf ± 2,25 % gegenüber dem Dollar – der Spielraum
für Wechselkursschwankungen zwischen den EG-Währungen auf ± 4,5 %,
beziehungsweise auf 9 %, wenn man vom Extremfall einer völligen Umkehr der
Positionen im Zeitverlauf ausgeht, gestiegen war. Diese Ausdehnung der Margen
und ihre Konsequenzen etwa für die EG-Agrarpolitik gaben Bestrebungen neuen
Auftrieb, im EG-Raum eine Sonderregelung mit engeren Bandbreiten zu schaffen.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
142
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• 1970er Jahre (3)
• Am 21. März 1972 verabschiedete der EG-Ministerrat eine Entschließung,
mit der unter anderem die Errichtung des Europäischen
Wechselkursverbunds und des Europäischen Fonds für
währungspolitische Zusammenarbeit (EFWZ) beschlossen wurde. Im
Wechselkursverbund sollten sich die EG-Mitgliedstaaten dazu
verpflichten, ihre Währungen untereinander nur innerhalb einer
Bandbreite von ± 2,25 % schwanken zu lassen. Gegenüber
Drittwährungen – vor allem dem 1973 freigegebenen Dollar – konnten
sich die verbundenen europäischen Währungen frei bewegen. Die
Entschließung des Ministerrats wurde durch das Basler Abkommen
zwischen den EG-Notenbanken vom 10. April 1972 konkretisiert und am
24. April 1972 in Kraft gesetzt.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
143
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• 1970er Jahre (4)
• Die ersten Erfahrungen mit der Stabilisierung der innergemeinschaftlichen
Wechselkurse zeigten, dass ein System fester Wechselkurse auf Dauer nur
zwischen Ländern mit einer ausreichend konvergenten Wirtschaftsentwicklung und
wirtschaftspolitischen Grundorientierung funktionieren kann. In ihrer „Bilanz der
ersten Stufe“ vom April 1973 kam die Europäische Kommission daher zu dem
Ergebnis, dass die geplanten Integrationsfortschritte nur teilweise verwirklicht
worden waren. Sie hielt es insbesondere für erforderlich, echte wirtschaftspolitische
Befugnisse auf die Gemeinschaftsorgane zu übertragen. Da aber die
Mitgliedstaaten dazu nicht bereit waren, konnte eine Entscheidung über den Eintritt
in die zweite Stufe der WWU nach dem Werner-Plan nicht getroffen werden.
• Letztlich scheiterte das damalige WWU-Projekt jedoch an grundlegenden
Meinungsunterschieden über die mit der WWU zu verfolgenden Ziele. Hinzu
kamen unterschiedliche wirtschaftspolitische Reaktionen der Länder auf die erste
Ölkrise und die fehlende Bereitschaft, sich einem gemeinsamen Stabilitätsziel zu
unterwerfen.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
144
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• 1970er Jahre (5)
• Durch Austritte aus dem Wechselkursverbund war die Gemeinschaft
Ende 1978 wechselkurspolitisch in zwei Gruppen gespalten: einen
Hartwährungsblock um die D-Mark mit den Benelux-Währungen und
der dänischen Krone, dem die übrigen vier frei schwankenden
Währungen gegenüberstanden, wobei das irische Pfund mit einer
festen Parität an das Pfund Sterling gebunden war. Um der Gefahr
einer Desintegration zu begegnen, wurde die konjunkturelle
Stabilisierung in der EG in den Jahren 1977 und 1978 zum Anlass
genommen, ein auf die gesamte Gemeinschaft anwendbares Konzept
der währungs- und insbesondere wechselkurspolitischen
Zusammenarbeit zu entwickeln.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
145
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
1970er Jahre (6)
• Diese Bemühungen führten im Frühjahr 1979 zur Schaffung des
Europäischen Währungssystems. Das Europäische Währungssystem
(EWS) stellt eine Weiterentwicklung des Europäischen
Wechselkursverbundes dar, da die Bandbreitenregelung, die
Interventionsverpflichtungen und andere wesentliche Elemente des
Wechselkursverbundes übernommen wurden. Die Konzeption des
Wechselkursmechanismus des EWS (oder WKM I) besteht aus folgenden
wesentlichen Elementen:
− aus einem bilateralen Paritätengitter und maximalen Schwankungsmargen von ±
2,25% um die Leitkurse der teilnehmenden Währungen.
− Relativ feste Wechselkurse mit Interventions-/Wechselkursmechanismus
− Die Europäische Währungseinheit ECU (Währungskorb der 11 EU-Währungen mit
periodischer Festlegung der Anteile einzelner Währungen)
− Das Europäische Währungsinstitut (EWI), 1994-1999, ersetzte den EFWZ und den
EG-Notenbankgouverneursausschuss
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
146
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• 1980er Jahre
• Dieser Erfolg des EWS hat dazu beigetragen, dass der Gedanke der WWU ab
Mitte der achtziger Jahre eine Renaissance erlebte. Die Kommission stellte im Juni
1985 in einem „Weißbuch“ erstmals die zur Vollendung des Binnenmarktes
erforderlichen Maßnahmen zusammen. Diese Bemühungen führten zur
„Einheitlichen Europäischen Akte“ (EEA), die am 17. beziehungsweise 28. Februar
1986 in Luxemburg unterzeichnet wurde. Sie trat nach der Ratifizierung durch die
Mitgliedstaaten am 1. Juli 1987 in Kraft und stellte die erste grundlegende Reform
des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGVertrag) dar. Von besonderer Bedeutung dabei war die Verpflichtung der
Mitgliedstaaten, den Binnenmarkt bis Ende 1992 zu vollenden. Ferner wurde mit
der EEA erstmals die Europäische Union als Endziel der europäischen Integration
konkret ins Auge gefasst. Auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Währungspolitik
verpflichtete die EEA die Mitgliedstaaten außerdem zu einer verstärkten
Zusammenarbeit, um die für die Weiterentwicklung der Gemeinschaft erforderliche
Konvergenz zu erreichen.
• Im Juni 1988 beauftragte der Europäische Rat eine Arbeitsgruppe mit der Prüfung
der konkreten Etappen zur Verwirklichung der Europäischen Union. Als Ergebnis
legte die Arbeitsgruppe, der unter Vorsitz von Kommissionspräsident Delors die
EG-Notenbankpräsidenten und drei unabhängige Experten angehörten, im April
1989 einen Bericht vor („Delors-Bericht“), in dem die Realisierung der WWU in drei
Stufen vorgeschlagen wurde.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
147
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• Drei Stufen zu EWWU – Stufe 1
• Die Erste Stufe oder die Vorbereitungsphase begann am 1. Juli 1990 und
dauerte bis zum 31. Dezember 1993. Die Ziele dieser Phase waren die
Vollendung des Europäischen Binnenmarktes sowie die Liberalisierung des
Kapitalverkehrs. Außerdem war vorgesehen, dass die Währungen aller
Europäischen Mitgliedstaaten an dem Wechselkursmechanismus (WKM I) des
Europäischen Währungssystems (EWS) teilnehmen sollten. Darüber hinaus
wurde eine bessere Abstimmung und Koordinierung der Geldpolitiken angestrebt.
• Die Barrieren zum freien Kapitalverkehr der EU-12-Länder werden abgebaut. Der
Rat empfiehlt die Preisstabilität als oberstes Ziel anzuerkennen und stets darauf
hin zu arbeiten.
• Der Vertrag von Maastricht wird im Februar 1992 unterzeichnet und tritt im
November 1993 in Kraft.
• Protokolle zum Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) und zur
Europäischen Zentralbank (EZB) und zum Europäischen Währungsinstitut (EWI)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
148
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• Drei Stufen zu EWWU – Stufe 2
• Die Zweite Stufe, die Konvergenzphase, begann dementsprechend am 1.
Januar 1994 und dauerte bis zum 31. Dezember 1998. Das vorrangige Ziel dieser
Phase war es die wirtschaftliche und die monetäre Konvergenz zwischen den EUMitgliedsländern zu fördern. Die Erfüllung verschiedener Kriterien und
Voraussetzungen war vorgesehen. Entscheidend dafür waren die so genannten
Maastrichter Konvergenzkriterien!
• Das EWI wird gegründet. Die Hauptaufgaben sind:
− Stärkung der Zusammenarbeit der nationalen Zentralbanken und in der
Geldpolitik
− Vorbereitung zur Gründung des ESZB
− Entwicklung einer gemeinsamen Geldpolitik
− Vorbereitung zur Erstellung einer gemeinsamen Währung
− Erarbeitung eines neuen Wechselkursmechanismus (EWS II)
• Der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) wird verabschiedet.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
149
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
• Drei Stufen zu EWWU – Stufe 3
• Die dritte Stufe, die Währungsunion, begann zum 1. Januar 1999. Von
den 15 Mitgliedsländern kamen elf in die dritte Stufe, Griechenland konnte
schließlich am 1. Januar 2001 beitreten. Es folgte eine unwiderrufliche
Festlegung der Wechselkurse und die Einführung des Euro als
Recheneinheit (1 EURO musste gleich 1 ECU sein). Euro wurde parallel
zu nationalen Währungen eingeführt ist aber seit 1. Juli 2002 als alleiniges
gesetzliches Zahlungsmittel im Verkehr. Die nationale Geldpolitik wurde
auf das Gemeinschaftsniveau, bzw. auf das Eurosystem angehoben. Nach
ihrer Gründung im Juli 1999 übernahm die Europäische Zentralbank volle
geldpolitische Verantwortung, somit wurde zwischen den beteiligten
Ländern unwiderruflich eine Währungsunion etabliert. Mit dem Beginn der
dritten Stufe wurde das EWS I beendet und vom Europäischen
Währungssystem II (EWS II) abgelöst.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
150
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Maastrichter Konvergenzkriterien
• K1(K2): Inflationsrate (Zins) höchstens 1,5 (2) Prozentpunkte
über den drei Ländern mit niedrigster Inflation
• K3: Defizitquote [staatliche Neuverschuldung relativ zu
Bruttoinlandsprodukt]<3%
• K4: Schuldenquote [Staatsschuld/BIP]<60%
• K5: Wechselkurs 2 Jahre ohne Abwertung
• K6: Nationale Notenbank politisch unabhängig
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
151
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Maastrichter Konvergenzkriterien: Stand der Konvergenz in den
Mitgliedsstaaten vor dem Euro-Start
Inflation
HVPI
(a)
Finanzlage der öffentlichen Hand
Bestehen eines
übermäßigen
Defizits(b)
Januar
1998
Defizit (in
% des BIP)
(c)
1997
Schuldenstand
(in % des BIP)
1997
Veränderung gegenüber dem Vorjahr
1997
Referenzwert
B
DK
D
EL
E
F
IRL
I
L
NL
A
P
FIN
S
UK
EUR
3
2,7 (e)
1,4
1,9
1,4
5,2
1,8
1,2
1,2
1,8
1,4
1,8
1,1
1,8
1,3
1,9
1,8
1,6
ja
Nein
ja
Ja
ja
ja
Nein
ja
Nein
Nein
ja
ja
Nein
ja
ja
(g)
(g)
(g)
(g)
(g)
(g)
(g)
(g)
(g)
2,1
-0,7
2,7
4,0
2,6
3,0
-0,9
2,7
-1,7
1,4
2,5
2,5
0,9
0,8
1,9
2,4
1996
Wechselkurse
Langfrist.
Zinssätze
Teilnahme am
WKM
(d)
März
1998
Januar
1998
1995
60
122,2
65,1
61,3
108,7
86,8
58,0
66,3
121,6
6,7
72,1
66,1
62,0
55,8
76,6
53,4
72,1
7,8 (f)
-4,7
-5,5
0,8
-2,9
-1,3
2,4
-6,4
-2,4
0,1
-5,0
-3,4
-3,0
-1,8
-0,1
-1,3
-0,9
-4,3
-2,7
2,4
1,5
4,6
2,9
-9,6
-0,2
0,7
-1,9
0,3
-0,9
-0,4
-0,9
0,8
2,0
-2,2
-4,9
7,8
0,7
2,9
4,2
-6,8
-0,7
0,2
1,2
3,8
2,1
-1,5
-1,4
3,5
3,0
ja
ja
ja
ja
(h)
ja
ja
ja
ja
(j)
ja
ja
ja
ja
ja
(k)
nein
nein
5,7
6,2
5,6
9,8 (i)
6,3
5,5
6,2
6,7
5,6
5,5
5,6
6,2
5,9
6,5
7,0
| WS 2014/15
| Samir Kadiric
6,1
152
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Die Konvergenzkriterien
• Wie kann man den ‚Erfolgsgrad‘ der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion messen?
• Wurde unter dem Einfluss der EWWU entsprechend
Konvergenz hinsichtlich einschlägiger makroökonomischer
Indikatoren von den einzelnen Mitgliedsländern erreicht?
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
153
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Konvergenzkriterium: Inflationsrate
25,00
20,00
15,00
10,00
5,00
0,00
1980
1985
1990
1995
2000
-5,00
Eurozone
Quelle: AMECO
Germany
Italy
France
Netherlands
Spain
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
154
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Konvergenzkriterium: Staatsverschuldung
1996
1999
2002
2004
2006
1999-2006
6,2
6,2
7,5
7,5
7,5
21%
Irland
74,1
52,4
32,6
29,9
25,1
-52%
Dänemark
65,0
52,6
47,2
42,7
28,6
-46%
Finnland
57,1
47,1
42,5
45,1
39,1
-17%
Spanien
68,0
63,5
55,0
48,9
39,7
-37%
Großbritannien
52,6
46,0
38,3
41,6
43,7
-5%
Schweden
76,0
65,5
52,4
51,2
46,5
-29%
Niederlande
75,3
63,8
52,6
55,7
50,2
-21%
Österreich
63,9
64,9
66,7
65,2
n.a.
n.a.
Frankreich
57,1
58,6
59,0
65,6
64,6
10%
Portugal
63,6
56,8
58,5
61,9
67,4
19%
Deutschland
59,8
61,1
60,9
66,0
68,0
11%
Eurozone
75,2
72,2
69,5
71,3
69,6
-4%
Belgien
128,3
114,4
105,4
95,6
87,7
-23%
Griechenland
111,3
104,4
112,2
110,5
104,1
0%
Italien
122,1
114,9
108,0
105,8
107,6
-6%
Luxemburg
Quelle: EZB Jahresberichte
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
155
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Konvergenzkriterium: Staatshaushalte(-defizit)
2004
2005
2006
-1,1
-1,0
-1,5
Irland
1,5
1,1
2,3
Dänemark
2,7
4,9
4,1
Finnland
2,3
2,7
2,9
Spanien
-0,2
1,1
1,4
Großbritannien
-3,2
-3,3
-2,8
1,8
3,0
3,0
Niederlande
-1,8
-0,3
0,1
Österreich
-1,2
-1,5
n.a.
Frankreich
-3,7
-2,9
-2,7
Portugal
-3,2
-6,0
-4,6
Deutschland
-3,7
-3,2
-2,1
Eurozone
-2,8
-2,4
-2,1
0,0
-2,3
0,0
Griechenland
-7,8
-5,2
-2,6
Italien
-3,4
-4,1
-5,7
Luxemburg
Schweden
Belgien
Quelle: EZB Jahresberichte
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
156
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Konvergenzkriterium: Langfristige Zinssätze (10 Jahre Laufzeit)
14
12
10
8
6
4
2
0
1993
1994
1995
1996
Eurozone
Quelle: Ameco
1997
Germany
1998
Italy
1999
Frankreich
2000
2001
Netherlands
2002
2003
2004
Spain
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
157
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Konvergenzkriterium: Kurzfristige Zinssätze (3 Monate Laufzeit)
25,00
20,00
15,00
10,00
5,00
0,00
1980
1985
Eurozone
Quelle: Ameco
1990
Germany
1995
Italy
France
2000
Netherlands
Spain
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
158
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Inflation (HICP) in der Eurozone
Referenzwert
Quelle: ECB Statistical Data Warehouse
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
159
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Übergang zur Einheitswährung (1)
• Es muss ein Umtauschkurs festgelegt werden – ACHTUNG:
Euroeinführung ist keine Währungsreform, da keine
Entwertung!:
• Wenn der Umrechnungskurs „zu hoch“ ist, dann ist die
internationale Wettbewerbsfähigkeit bzw. Exportdynamik und
Vollbeschäftigung gefährdet (BRD?); oder, falls zu niedrig kann
das Exportplus zu hoch sein (denn: 2 Jahre keine Abwertung
vor dem Eurostart)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
160
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Übergang zur Einheitswährung (2)
• Kurs des Euro zum Dollar!
• Auf Wechselkurs wirken verschiedene Faktoren ein
– Z.B. relative Zinshöhe (i/i*); Anstieg von i führt zu erhöhtem
euroländischen Kapitalimporten, also Aufwertung des Euros
gegenüber dem Dollar;
– Wechselkurserwartung (Abwertungserwartung beim Euro
stimuliert Kapitalexport der Eurozone)
– Leistungsbilanzposition der USA bzw. der Eurozone; sofern USA
hohe Defizitposition hat, wird Euro längerfristig aufgewertet
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
161
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Übergang zur Einheitswährung (3)
• Konvergenz zu einheitlichem nominalen Zinssatz i in allen
Euro-Starterländern, wobei Konvergenz hin zum niedrigen
deutschen Zinsniveau: Reale Geldnachfrage steigt (P sinkt in
Land j temporär)
• Für wachstumsstarke €-Länder – mit relativ hoher Inflation –
ergibt sich ein niedriger Realzins r (Kapitalkosten):
Investitionen steigen deutlich an!
• Länder mit hoher Staatsschuld profitieren (bes. Italien, Belgien,
Griechenland) bei Schuldendienst
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
162
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Übergang zur Einheitswährung (4)
• Es kam in der unmittelbaren Phase vor Euro-Start zu einer
Nominalzinskonvergenz in den als €-starterkandidaten
angesehenen Ländern: Einmalige Wertpapierkursgewinne in
den Ländern mit früher hoher Inflation (Zins sinkt bis auf DMNiveau, umlaufende Papiere mit hohem Zinscoupon werden
wertvoller)
• Staat profitiert in „Inflations- bzw. Ex-Abwertungsländern“ mit
sinkendem Zins davon, dass der Schuldenbestand – abhängig
von (kurzer) Laufzeit zu reduziertem Zins refinanziert werden
kann; Staat kann Steuern senken
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
163
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Übergang zur Einheitswährung (5)
• Inflationsländer, die €-Kandidatenländer sein wollten, mussten
durch restriktive Geldpolitik die Inflationsrate drücken, was
zu erhöhter Arbeitslosigkeit führte
• Anpassungsbedarf bei Erwartungsbildung bzw.
Tarifvertragsparteien, anderen Marktakteuren
• Risikoprämie bei Ex-Abwertungsländern (z.B. Italien,
Spanien) entfiel kurz vor €-Start, Realzins sank – dies fördert
Investitionen und stimuliert Börse
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
164
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Übergang zur Einheitswährung (6) - Kapitalexport in
Drittländer steigt
• Da innerhalb der Eurozone z.B. aus deutscher Sicht keine
hochverzinslichen Staatsanleihen (wie früher in Italien)
verfügbar sind, werden renditeorientierte Kunden verstärkt in
riskante hochverzinsliche Industrieobligationen gehen; oder
verstärkt außerhalb der €-Zone investieren (währungsmäßig
diversifizieren). Es profitieren emerging markets, UK und ggf.
USA, ggf. $-Aufwertung als einmaliger Anpassungseffekt!!!
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
165
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Übergang zur Einheitswährung (7) - endogene
Marktstruktur
• Die Schaffung des Euros führt zu mehr Markttransparenz und
wettbewerbsintensiveren größeren Märkten in der Eurozone
• Herausbildung größerer Unternehmen, wobei in Industrie mit
economies of scale mehr statische
Massenproduktionsvorteile realisiert
• Größere Bondsmärkte für €-denominierte Wertpapiere
(Jumboemissionen leichter!)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
166
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Übergang zur Einheitswährung (8)
Euro als wertstabiles Transaktionsmittel
(€ Bargeld: 2002)
Euro als Recheneinheit
(seit 1999)
€ als Wertaufbewahrungsmittel in Eurozone
(z.T. Währungsreserve)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
167
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Übergang zur Einheitswährung (9)
Produktions- und Beschäftigungseffekte – abhängig von Konversionskurs
Endogene Marktstruktureffekte in
Eurozone
Erhöhter Kapitalexport in Drittlände(u.a.
wegen Portfoliodiversifizierung)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
168
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Stabilitäts- und Wachstumspakt (1)
• Welche Regeln müssen die Länder der Eurozone
einhalten?
• Hier begegnen uns zwei bekannte (fiskalpolitische)
Kriterien aus dem Katalog der Maastrichter
Konvergenzkriterien
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
169
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Stabilitäts- und Wachstumspakt (2)
• Ziele:
– Schutz vor Inflation: Historische Erfahrung & empirische Analyse –
Länder mit hoher Schuldenquote neigen zu Inflationspolitik
(nichtantizipierte Inflation – bzw. geringer r -entwertet Realwert d.
Staatsschuld)
– Vermeidung von Bail-out-Problem, d.h. dass reiche EU-Länder für
arme Länder mit übermäßiger Verschuldung den Schuldendienst
übernehmen müssen (Problem ist, dass nationale Geldpolitik nach
EZB-Start hohe nationale Defizite insbes. kleiner Länder nicht
sanktionieren kann!)
– Externe Stabilität des Euros sichern
– Konjunkturpolitische Symmetrie mit Überschuss im Aufschwung
und Defiziten bei schwacher Wirtschaftsentwicklung bzw.
Rezession.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
170
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Stabilitäts- und Wachstumspakt (3)
• Der Stabilitäts- und Wachstumspakt entstand primär auf Drängen
von Deutschland im Jahr 1997 und wurde von den EU-Ländern
verabschiedet, damit die Fiskal-Konvergenzkriterien auch noch
nach dem Euro-Start gelten (BRD: u.a. Furcht vor BailoutProblem mit Blick u.a. auf Italien mit Schuldenquote von über
100%).
• Mehr als 3% Defizitquote nur erlaubt, wenn Y um mehr als 0,75%
im Jahresverlauf sinkt oder gY≥-2%
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
171
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Stabilitäts- und Wachstumspakt (4)
Instrumente:
• 104 EWG-Vertrag als Regelbasis
• Defizitquote nicht höher als 3% (/BIP)
• Staatsverschuldung nicht höher als 60% (/BIP)
• Mittelfristig in etwa ausgeglichener oder überschüssiger Haushalt
erwünscht
• Jährliche Stabilitätsprogramme
• ECFIN entscheidet bei übernormativem Defizit („Sünderland darf nicht
mitentscheiden“); ECFIN hat 1999-2009 versagt (>80 Verstöße gegen
SWP)
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
172
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Stabilitäts- und Wachstumspakt (5)
Stabilitätsprogramme (stability programmes): Mittelfristige Regierungspläne
und Prognosen von Ländern des Euro-Währungsgebiets über die Entwicklung
von wirtschaftlichen Eckdaten im Hinblick auf die Erreichung des
mittelfristigen Ziels eines nahezu ausgeglichenen oder einen Überschuss
aufweisenden Haushalts gemäß dem Stabilitäts- und Wachstumspakt. Diese
Programme gehen auf Maßnahmen zur Konsolidierung des Budgets und auf
die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein. Die Stabilitätsprogramme
werden jährlich überarbeitet und von der Europäischen Kommission und
dem Wirtschafts- und Finanzausschuss (WFA) überprüft. Die Ergebnisse
dieser Prüfung dienen dem ECOFIN-Rat als Beurteilungsgrundlage, wobei
insbesondere bewertet wird, ob das im Programm enthaltene mittelfristige
Haushaltsziel im Einklang steht mit dem Ziel eines nahezu ausgeglichenen
oder einen Überschuss aufweisenden Haushalts und einen angemessenen
Sicherheitsspielraum zur Vermeidung eines übermäßigen Defizits vorsieht.
Staaten, die den Euro noch nicht eingeführt haben, müssen laut dem Stabilitätsund Wachstumspakt jährlich ein Konvergenzprogramm vorlegen.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
173
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Stabilitäts- und Wachstumspakt (6)
• Erste Defizitsünder: Wenn 2 Jahre hintereinander >3%, drohen
Sanktionen – bis 0,5% des nationalen BIP
• Portugal 2000/2001: Defizitverfahren von Seiten der Kommission
eingeleitet, Land hat Konsolidierung geschafft
• Deutschland 2002/03/04 ebenso wie Frankreich; für 2005 mehr als
3% erwartet. Im November 2003 konnten D&F ein Aussetzen des
Defizitverfahrens erreichen: Gegen große Länder wirkt der Pakt als
offenbar nicht. Glaubwürdigkeitslücke entstanden. Übertragbarkeit
der Einhaltung der Kriterien für andere Länder fragwürdig: Warum
sollen sich vor allem die kleinen Länder daran halten?
• Statistische Falschangaben durch Griechenland
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
174
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Stabilitäts- und Wachstumspakt (6a)
• Problematik Deutschlands in 2003/04
• Europäische Kommission hat Defizitverfahren gegen Portugal,
Deutschland, Frankreich laufen.
• Gelingt Defizitquote <3% (Annahme: keine Rezession) nicht,
droht dem betreffenden bis zu 0.5% des Bruttoinlandsprodukts als
Strafzahlung, zudem droht Ansehensverlust
• Wenn Deutschland Defizitreduktion nur über starke Reduktion
des Staatsverbrauchs erreicht, führt Konsolidierung zu BIPRückgang in BRD & Eurozone
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
175
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Stabilitäts- und Wachstumspakt (7)
• Konflikt große vs. kleine Länder
• Glaubwürdigkeit von Verträgen geschwächt nach innen &
außen
• Ökonomisch durchaus richtig, keine starke Konsolidierung
bei Stagnation zu machen; Fehler in D jedoch handwerklich
fehlerhafte Steuerreform (1% des BIPs in 2001)
• Reform des Stab.- u. Wachstumspaktes nötig
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
176
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Stabilitäts- und Wachstumspakt (8)
• Probleme der Währungsunion: Stabilitätspakt (>3% Defizit
nur zulässig, wenn reale BIP um 0.75% im Jahresverlauf
fällt)
• Stabilitäts- und Wachstumspakt (3%-Obergrenze bei der
Defizitquote) kaum durchsetzbar; Portugal als erstes
Sünderland, gefolgt von Deutschland und Frankreich – BRD
überschritt 2002 und 2003 die 3%-Grenze, was eigentlich zu
Sanktionen führen sollte (bis zu 0.5% des BIPs als
Strafzahlung); Defizit auch 2004 >3%. D & F sitzen über sich
selbst zu Gericht…; Sondereffekte?
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
177
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Stabilitäts- und Wachstumspakt (9)
• Faktisches Beerdigen des Stabilitäts- & Wachstumspaktes in
2003
• Da in 2003 große Länder Deutschland & Frankreich im
ECFIN trotz zweijährigem Überschreiten der Defizitgrenze –
mit Überschreiten der Defizitgrenze in 2004 (als 3. Jahr) –
ohne Sanktion davonkamen, ist der Pakt tot. Kein Land
nimmt Pakt noch ernst; wenn bei großen Ländern Pakt
suspendiert wird, dann klarer Präzedenzfall gegeben.
Konsolidierungspolitik in Land X nicht mehr innenpolitisch
durchsetzbar, wenn Pakt nicht gilt!
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
178
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Stabilitäts- und Wachstumspakt (10)
• Reformerfordernisse Stabilitätspakt
• Frage nach einfachen und vernünftigen Regeln, die auch
stabilitätspolitisch Sinn machen;
• Problematisch ist, wenn Defizit ggf. in strukturell und konjunkturell
differenziert wird, da hier z.B. bei Produktionslücke (Ypot-Y) große
Schätzprobleme, also Streitpotenziale, bestehen; Produktionslücke
ist positiv bei Unterauslastung, negativ im Fall eines positiven
Angebotsschocks bzw. Innovationen
• Anreize zur Einhaltung der Regeln gegeben?
Hinweis auf Berechnung des Produktionspotenzials bzw.
Produktionslücke
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
179
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Problemaspekte Euro-Geldpolitik & nationale
Fiskalpolitiken
• Wenn eine einheitliche Euro-Geldpolitik, aber nationale
Fiskalpolitiken betrieben werden, kann es zu Problemen kommen:
– Vor allem kleine Länder können exzessive Defizitpolitik verfolgen,
ohne dass nationale Geldpolitik bzw. jetzt EZB-Geldpolitik zur
Strafe Zins erhöht; EZB-Politik hat Inflation in der Eurozone als
Ganzes im Auge
– Stabilitätspolitisches Gemeinschaftsinteresse wird von einzelnen
Mitgliedsländern nicht beachtet, die Schuldenquote stark
ansteigen lassen, was Zinssätze für alle erhöht!=Crowding-out
Problem! I(r) sinkt!
• Crowding-out: Staatliche Kreditnachfrage steigt, r erhöht, I
sinkt…
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
180
Entwicklungsstufen der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion
Welche Akteure müssen zusammenwirken?
EZB: angemessene Geldpolitik
Europäische Kommission: klare Verfahrensweise bei
Defizitsündern nötig
Nationale Fiskalpolitik: Defizitziel einhalten
Tarifvertragsparteien: nötig mehr Lohndifferenzierung=mehr Jobs=+bei Wachstum
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
Das ESZB und das Eurosystem
Prof. Dr. Paul J.J. Welfens / Samir Kadiric
Schumpeter School of
Business and Economics
Bergische Universität Wuppertal
Gaußstraße 20
42097 Wuppertal
181
Das ESZB und das Eurosystem
• ESZB = EZB plus nationale Zentralbanken
• „Eurosystem“ = EZB plus nationale
Zentralbanken der EU-Länder, die an Eurozone
teilnehmen
• EZB geleitet von EZB-Rat = Direktorium (EZBPräsident + Vizepräsident + 4 Personen)
• EZB-Ziel = Priorität ist die Sicherung der
Preisniveaustabilität, zudem soll die allgemeine
Wirtschaftspolitik der EU unterstützt werden
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
182
Das ESZB und das Eurosystem
Ziele des ESZB (1)
• Art. 105 (1) EGV: Das vorrangige Ziel des ESZB ist es, die
Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung
des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die
allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, um zur
Verwirklichung der in Artikel 2 festgelegten Ziele der Gemeinschaft
beizutragen. Das ESZB handelt im Einklang mit dem Grundsatz einer
offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, wodurch ein
effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird, und hält sich dabei
an die in Artikel 4 genannten Grundsätze.
• Preisstabilität ist definiert als eine maximale Preissteigerungsrate von
2% gemessen am HVPI pro Jahr.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
183
Das ESZB und das Eurosystem
Ziele des ESZB (2)
• Art. 2 EGV: Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines
Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie
durch die Durchführung der in den Artikeln 3 und 4 genannten
gemeinsamen Politiken und Maßnahmen in der ganzen Gemeinschaft
eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des
Wirtschaftslebens, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß
an sozialem Schutz, die Gleichstellung von Männern und Frauen, ein
beständiges, nichtinflationäres Wachstum, einen hohen Grad von
Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein
hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität, die
Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen
und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den
Mitgliedstaaten zu fördern.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
184
Das ESZB und das Eurosystem
Die EZB
• hat das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb
des Euroraums zu genehmigen.
• legt die Geldpolitik des Euro-Währungsgebiets fest.
• Zusammen mit den nationalen Zentralbanken ist sie befugt, sich an
internationalen Währungseinrichtungen zu beteiligen. Die EZB
entscheidet, wie das Eurosystem im Bereich der internationalen
Zusammenarbeit vertreten wird.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
185
Das ESZB und das Eurosystem
Das Eurosystem
• Laut EG-Vertrag (Artikel 105 Absatz 2) hat das Eurosystems folgende
Aufgaben:
• die Geldpolitik des Euro-Währungsgebiets festzulegen und
auszuführen,
• Devisengeschäfte durchzuführen,
• die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und
zu verwalten und
• das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern.
• Entsprechende Behörden sollen Kreditinstitute beaufsichtigen und die
Stabilität des Finanzsystems gewährleisten.
• Ist ‚vierfach‘ unabhängig: Institutionelle, personelle, finanzielle und
funktionelle Unabhängigkeit
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
186
Das ESZB und das Eurosystem
Unabhängigkeit des Eurosystems (1)
• Institutionelle Unabhängigkeit
− Freiheit der nationalen Zentralbanken, der EZB und deren Organe
− Kein Weisungsrecht, ‚Beeinflussung‘ / Zensur von Entscheidungen
• Personelle Unabhängigkeit
− Festgelegte Amtszeiten
− Also keine kürzeren Amtszeiten, bzw. jederzeitige
Abberufungsmöglichkeiten
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
187
Das ESZB und das Eurosystem
Unabhängigkeit des Eurosystems (2)
• Finanzielle Unabhängigkeit
− Zentralbanken sollten mit eigenen finanziellen Mitteln haushalten und
auskommen müssen
• Funktionelle Unabhängigkeit
− Preisniveaustabilität oberste Priorität, andere Ziele nur bei
Zielkonformität umzusetzen
− Verbot von Kreditgewährung an den Staat
− Vollständige Kontrolle sämtlicher geldpolitischer Verfahren und
Instrumente durch das Eurosystem
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
188
Das ESZB und das Eurosystem
Quelle: EZB (2011): Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank; Frankfurt am Main, S.19.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
Geldpolitik: Definition, Instrumente,
Ziele und verschiedene Strategien
Prof. Dr. Paul J.J. Welfens / Samir Kadiric
Schumpeter School of
Business and Economics
Bergische Universität Wuppertal
Gaußstraße 20
42097 Wuppertal
189
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Strategische Fragen der Geldpolitik (Friedman;
Kydland/Prescott, 1977)
• Milton Friedman (Monetarist) behauptet, dass in Sachen Konjunkturpolitik
Geldpolitik wirksamer als Fiskalpolitik sei; zugleich plädiert er für
regelgebundene Politik, da Staat mit antizyklischen Impulsen tendenziell
eher Wirtschaft destabilisiere: kann als Regel bedeuten, das
gM = gYpot + gP#
• Frage, ob Geldpolitik diskretionär – fallweise eingreifend - sein soll vs.
regelgebunden, wird in Literatur unter Glaubwürdigkeitsaspekten
diskutiert: Problem der Zeitinkonsistenz optimaler Politik: was optimal
in t0 als Ankündigung für t1 ist, wird in t1 nicht optimal sein (...)=
Unterminierung der Glaubwürdigkeit von Politik. Daher sei
regelgebundene Politik vorziehenswert zu diskretionärer Strategie. Dann
aber kaum Reaktionsmöglichkeiten!
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
190
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Definitionen (1)
• Auf Grund der einer Zentralbank (ZB) zur Verfügung stehenden Mitteln, wie
beispielweise das Recht Banknoten in Umlauf zu bringen und Geschäfte mit den
Geschäftsbanken abzuschließen, hat sie die Macht die Wirtschaft eines Landes
nachhaltig zu beeinflussen.
• „Die praktische Geldpolitik umfasst die Gesamtheit der erfolgten und
beabsichtigten Maßnahmen zur Regelung und Steuerung der Geldmenge, der
Zinssätze und der Liquidität einer Volkswirtschaft“ .
• Auf Grund dieser Machtposition ist die sorgfältige Auswahl der zu verfolgenden
Strategie von essentieller Bedeutung. Demnach sind zwei Grundtypen zu
unterscheiden.
o diskretionäre Geldpolitik
o regelgebundene Geldpolitik
Quelle: PETO, Rudolf (2002): Geldtheorie und Geldpolitik; 2. Auflage, Oldenburg Verlag: München.
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Definitionen (2)
• Eine diskretionäre Geldpolitik liegt dann vor, wenn die Zentralbank die
geldpolitischen Maßnahmen von Fall zu Fall, also je nach konjunktureller
Lage, nach eigener Entscheidung ergreifen kann. Die Geldpolitik ist somit
situationsabhängig und dient in der Regel dem Ziel konjunkturelle
Schwankungen zu dämpfen.
• Der wesentliche Vorteil der diskretionären Geldpolitik liegt
dementsprechend in ihrer hohen Flexibilität, auf unterschiedliche
Probleme mit unterschiedlichen geldpolitischen Maßnahmen zu
reagieren.
• Der größte Nachteil dieser Geldpolitik ist allerdings auch, dass sie auf
Grund ihrer Flexibilität aus Sicht der Marktakteure unberechenbar ist.
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192
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Definitionen (3)
• Im Rahmen einer regelgebundenen Geldpolitik verpflichtet eine
Zentralbank sich ex-ante auf die Einhaltung bestimmter Handlungsregeln.
Sie kündigt im Voraus an, wie auf die verschiedenen wirtschaftlichen
Situationen reagiert wird und ist gleichzeitig verpflichtet ihre Ankündigung
auch einzuhalten.
• Der Vorteil einer regelgebundenen Geldpolitik ist eine absolute
Erwartungssicherheit seitens der Marktakteure. Sie wissen von vornherein
wie die Zentralbank agieren wird und können dies dementsprechend in
ihren Plänen berücksichtigen.
• Auf Grund der Regelbindung kann die Zentralbank jedoch auf die
unterschiedlichen Probleme nicht differenziert reagieren.
• Eine regelgebundene Geldpolitik ist konsistent und kann eher zu einer
dauerhaften Stabilisierung der Wirtschaft beitragen.
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Definitionen (4)
• Die Diskussion um „diskretionäre vs regelgebundene“ Geldpolitik wird
noch durch das Problem der Zeitinkonsistenz geldpolitischer
Entscheidungen verschärft. Mit der Zeitinkonsistenz der Geldpolitik
bezeichnet man die zeitliche Verzögerung (time lag), die zwischen einem
Eintritt der Störung und ihrer Beseitigung durch die geldpolitischen
Maßnahmen auftritt. In der Geldpolitik muss deshalb der Faktor Zeit
berücksichtigt werden.
• Die bisherigen Untersuchungen zeigen eine große Schwankungsbreite in
Bezug auf die Frage, wie lange die zeitlichen Verzögerungen monetärer
Maßnahmen in Realität sind. Es wird von einer zeitlichen Verzögerung
von durchschnittlich eins bis drei Jahren ausgegangen. Das Problem der
Zeitinkonsistenz spricht eher für eine regelgebundene Geldpolitik.
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194
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Instrumente der Geldpolitik (1)
• Mindestreserve
• Offenmarktgeschäfte
• Ständige Fazilitäten
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Instrumente der Geldpolitik - Mindestreserve
• Die EZB verlangt von Kreditinstituten, auf Girokonten bei den NZBen
Pflichteinlagen zu unterhalten: Diese werden als „Mindestreserven“
oder „Mindestreserve-Soll“ bezeichnet. Die Höhe der von jedem
Institut zu unterhaltenden Mindestreserven richtet sich nach seiner
Mindestreservebasis. Diese ist in Relation zu bestimmten
Bilanzposten definiert.
• Das Mindestreserve-Soll eines Instituts wird ermittelt, indem die
Mindestreservebasis mit einem Mindestreservesatz multipliziert wird.
Die EZB wendet einen einheitlichen positiven Reservesatz auf den
überwiegenden Teil der in der Mindestreservebasis enthaltenen
Bilanzposten an.
• Mit Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion auf
2 % festgesetzt. Im Dezember 2011 senkte die EZB den
Mindestreservesatz der EZB von 2,00 % auf 1,00 %.
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Instrumente der Geldpolitik – Offenmarktgeschäfte (1)
• Mit „Geldmarkt“ wird der Markt bezeichnet, bei dem die Laufzeit der
Geschäfte im Allgemeinen kürzer als ein Jahr ist.
Offenmarktgeschäfte spielen eine wichtige Rolle bei der
Zinssatzsteuerung, der Signalisierung des geldpolitischen Kurses und
der Liquiditätssteuerung am Geldmarkt.
• Die Kreditgewährung über Offenmarktgeschäfte erfolgt
normalerweise in Form von befristeten Transaktionen. Befristete
Transaktionen sind Geschäfte, bei denen die Zentralbank Aktiva im
Rahmen einer Rückkaufsvereinbarung kauft oder einen Kredit gegen
Vermögenswerte gewährt, die als Sicherheiten übergeben werden.
Sie stellen also temporäre Offenmarktgeschäfte dar, bei denen Mittel
nur für eine begrenzte, im Voraus festgelegte Zeit zur Verfügung
gestellt werden.
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Instrumente der Geldpolitik – Offenmarktgeschäfte (2)
• Offenmarktgeschäfte umfassen nicht nur An- und Verkäufe von
Wertpapieren, sondern alle Geschäfte des Eurosystems, die
entsprechend ihrem Ziel, ihrer Regelmäßigkeit und den angewandten
Verfahren variieren können und in folgende vier Kategorien unterteilt
werden: Hauptrefinanzierungsgeschäfte, längerfristige
Refinanzierungsgeschäfte, Feinsteuerungsoperationen und
strukturelle Operationen.
• Aktueller Bericht, EZB-Monatsbericht 09/2007, S. 33-37 „Die
zusätzlichen Offenmarktgeschäfte der EZB im Zeitraum vom 8.
August bis zum 5. September 2007“
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198
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Instrumente der Geldpolitik – Hauptrefinanzierungsgeschäfte
• Ihnen kommt bei der Steuerung der Zinssätze und der Liquidität am Markt
sowie der Signalisierung des geldpolitischen Kurses (über den vom EZB-Rat
festgesetzten Hauptrefinanzierungssatz) eine Schlüsselrolle zu. Über sie
wird dem Bankensystem auch der Großteil der Liquidität bereitgestellt.
Hauptrefinanzierungsgeschäfte werden dezentral von den NZBen
durchgeführt.
• Hauptrefinanzierungsgeschäfte sind liquiditätszuführende Geschäfte. Sie
werden wöchentlich durchgeführt. Im Jahr 2003 beschloss der EZB-Rat, ihre
Laufzeit ab März 2004 von zwei Wochen auf eine Woche zu verkürzen.
• Hauptrefinanzierungsgeschäfte werden über Standardtender abgewickelt.
Innerhalb des Handlungsrahmens des Eurosystems sind „Standardtender“
Geschäfte, die nach einem im Voraus angekündigten Zeitplan und innerhalb
von 24 Stunden von der Tenderankündigung bis zur Bestätigung des
Zuteilungsergebnisses durchgeführt werden. Alle Geschäftspartner, die die
allgemeinen Zulassungskriterien erfüllen, können an diesen Geschäften
teilnehmen. Im Prinzip sind alle im Euroraum ansässigen Kreditinstitute
potenziell zugelassene Geschäftspartner des Eurosystems.
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199
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Instrumente der Geldpolitik - Mengen- und Zinstender
• Das Eurosystem kann zwischen Festsatztendern (Mengentendern) und Tendern
mit variablem Zinssatz (Zinstendern) wählen. Bei beiden Tenderverfahren
entscheidet die EZB über die Höhe der bereitgestellten Liquidität.
• Bei einem Mengentender gibt der EZB-Rat den Zinssatz vor, und die
Geschäftspartner geben Gebote über den Betrag ab, den sie zu diesem Festsatz
zu kaufen bzw. zu verkaufen bereit sind. Dies bedeutet im Allgemeinen eine Prorata-Zuteilung der individuellen Bankgebote, die vom Verhältnis zwischen dem
Gesamtbietungsaufkommen und dem gesamten Zuteilungsbetrag abhängt.
• Bei einem Zinstender geben die Geschäftspartner Gebote über den Betrag und
den Zinssatz ab, zu dem sie Geschäfte mit den NZBen abschließen wollen. Der
EZB-Rat kann bei Zinstendern einen Mindestbietungssatz festsetzen, um ein
Signal hinsichtlich des geldpolitischen Kurses zu geben. Die Gebote werden mit
den höchsten Zinssätzen zuerst zugeteilt, gefolgt von den Geboten mit den
sukzessive niedrigeren Zinssätzen, bis der gesamte Zuteilungsbetrag
ausgeschöpft ist. Beim niedrigsten akzeptierten Zinssatz, dem „marginalen
Zuteilungssatz“, werden die Gebote anteilig entsprechend dem von der EZB
beschlossenen gesamten Zuteilungsbetrag zugeteilt. Der Zuteilungssatz ist gleich
dem bei der jeweiligen individuellen Bietung angebotenen Zinssatz.
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200
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Instrumente der Geldpolitik – Fazilitäten
• Unter „Fazilität“ bzw. „ständiger Fazilität“ (standing facility) versteht die
Möglichkeiten der EZB, den Geldmarkt durch Senkung oder Erhöhung
der so genannten Leitzinsen zu steuern.
• Neben der „Einlagefazilität“ verfügt die EZB als zweites direktes
Steuerungsinstrument über die so genannte
„Spitzenrefinanzierungsfazilität“. Damit legt die EZB den Zinssatz für
Kredite an Geschäftsbanken (Refinanzierungsgelder) fest.
• Einlagenfazilität: Kreditinstitut können jederzeit Guthaben bis zum
nächsten Geschäftstag beim Eurosystem zu einem vorher festgelegten
Zinssatz anlegen.
• Spitzenrefinanzierungsfazilität: Kreditinstitut können über Nacht Liquidität
zu einem vorher festgelegten Zinssatz beschaffen.
• (Stichworte: Diskontsatz, Lombardsatz, Leitzinssatz)
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201
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Instrumente der Geldpolitik - Ständige Fazilitäten
• Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität ist in der Regel
deutlich höher als der entsprechende Marktzinssatz, und der Zinssatz für
die Einlagefazilität in der Regel deutlich niedriger als der Marktzinssatz.
Infolgedessen nutzen Kreditinstitute die ständigen Fazilitäten
normalerweise nur, wenn es keine Alternativen gibt. Da der Zugang zu
diesen Fazilitäten – abgesehen von den geforderten Sicherheiten bei der
Spitzenrefinanzierungsfazilität – keinen Beschränkungen unterliegt, bilden
ihre Zinssätze im Allgemeinen eine Ober- und Untergrenze des
Tagesgeldsatzes am Geldmarkt. Durch die Festsetzung der Zinssätze für
die ständigen Fazilitäten bestimmt der EZB-Rat den Korridor, innerhalb
dessen der Tagesgeldsatz am Geldmarkt schwanken kann.
• Ober- und Untergrenze des Tagesgeldsatzes EONIA (Euro Overnight
Index Average)
• Nicht zu verwechseln mit dem EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate):
Geldmarkt-Referenzzinssatz für Banken in der Eurozone (Laufzeit: 1
Woche, Ermittlung aufgrund des Durchschnitts der von repräsentativen
Banken verlangten Zinssätze)
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202
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Ziele der Geldpolitik (1)
• Die Geldpolitik kann unterschiedliche Ziele verfolgen. Einige der Ziele sind z.B. das
Wachstums- und das Beschäftigungsziel. Auf Grund der Geldeigenschaften sind
diese wirtschaftspolitischen Ziele jedoch mit dem Einsatz der Geldpolitik schwer zu
verfolgen.
• Ein weiteres weit verbreitetes der Geldpolitik aufgesetztes Ziel, ist die
Preisniveaustabilität. In den sechziger und siebziger Jahren konnte ein Anstieg der
Inflation in westlichen Wirtschaften beobachtet werden. Hohe Inflationsraten führten
zu Unsicherheiten in Bezug auf die relativen Preise sowie die zukünftige
Preisentwicklung. Dies erschwerte die Entscheidung der Wirtschaftssubjekte und
senkte die Effektivität einer Volkswirtschaft. Die wirtschaftlichen Kosten der Inflation
wurden erkannt und in zahlreichen empirischen Untersuchungen bestätigt.
• Die Geldwertstabilität wurde als primäres Ziel der Europäischen Geldpolitik
definiert.
• Die Zeitinkonsistenz wird dabei berücksichtigt, so dass das Hauptziel der
Geldpolitik folglich definiert wird: mittelfristig für einen hohen Grad an Preisstabilität
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
zu sorgen.
203
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Ziele der Geldpolitik (2)
• Seit Anfang der achtziger Jahre setzte sich, in fast allen fortgeschrittenen
Volkswirtschaften, eine stärker auf die Inflationsbekämpfung ausgerichtete
Geldpolitik. Eine feste Verankerung der Inflationserwartungen führt dazu,
dass die Inflationsvolatilität und somit auch die makroökonomische
Unsicherheit verringert werden. Dies wiederum erhöht die
Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften und verbessert die
Wirtschaftsleistung insgesamt.
• Die empirische Evidenz zeigt, dass eine auf Preisstabilität ausgerichtete
Geldpolitik zu einem stabilen gesamtwirtschaftlichen Umfeld beiträgt . Das
Ziel die Preisstabilität zu erreichen, bedeutet allerdings nicht, dass eine
Inflationsrate von 0% angestrebt wird. In den entwickelten Ländern wird
unter Preisstabilität in der Regel eine Preisänderungsrate von 1% bis 2%
im Jahr verstanden.
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204
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Ziele der Geldpolitik (3)
• Die stabilitätsorientierte Geldpolitik ist eine auf die stabile
gesamtwirtschaftliche Entwicklung ausgerichtete Politik, die versucht die
Fähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems zu erhalten oder zu
verbessern, so dass die gesamtwirtschaftlichen Störungen schneller und
mit geringeren Nebeneffekten absorbiert werden können.
• Wie einige Studien zeigen, ist jedoch die finanzielle Instabilität auch unter
preisstabilitätsorientierten Wirtschaftspolitiken möglich. Diese kündigen
sich vor allem durch ein rasantes Wachstum des Kreditvolumens
kombiniert mit einem starken Anstieg der Vermögenspreise an. Dies wurde
durch die jetzige Finanz- und Wirtschaftskrise bestätigt.
• BORIO, Claudio; LOWE, Philip (2002): Asset Prices, financial and monetary stability - exploring the nexus; Bank for
International Settlements, Monetary and Economic Department, BIS Working Paper, No. 114, Basel; July 2002.
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205
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (1)
• Das Wissen der Zentralbanken über den genauen
Transmissionsprozess ist in der Praxis nicht vollständig. Aus diesem
Grund empfiehlt es sich eine angemessene geldpolitische Strategie, die
das Ziel und die Instrumente zum Erreichen des Ziels vorgibt, zu
verfolgen. Dabei wird bei den geldpolitischen Entscheidungen versucht,
alle relevanten Informationen sowie modeltheoretische Unsicherheiten,
zu berücksichtigen.
• Eine geldpolitische Strategie sollte darüber hinaus grundsätzlich so
gestaltet sein, dass sie auch in einem wandelnden ökonomischen
Umfeld stand halten kann. Die ständigen Anpassungen auf Grund der
nur geringfügig veränderten Umweltbedingungen müssen vermieden
werden.
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206
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (2)
• Die Hauptaufgabe der Zentralbank ist es das Endziel zu verwirklichen. Ein
Grundproblem für die Zentralbank besteht darin, dass sie nur verzögert und indirekt auf
das Endziel einwirken kann. Auf Grund der langen zeitlichen Wirkungsverzögerung
eigener geldpolitischer Instrumente sowie der Vielzahl exogener Faktoren, die ebenfalls
auf das Endziel einwirken können, empfiehlt es sich bei der praktischen Durchführung
ihrer Geldpolitik sich an verschiedenen Indikatoren und Zwischenzielen zu orientieren.
• Die Zwischenziele und Indikatoren sind somit eine Orientierungshilfe bei der Erreichung
des Endziels. Um ihre Funktion erfüllen zu können, müssen diese Variablen bestimmte
Eigenschaften besitzen.
• Die Indikatoren müssen, nach Möglichkeit, nur auf Maßnahmen der Zentralbank
reagieren, in einem engen Zusammenhang mit dem Endziel stehen und jederzeit
einfach und genau messbar sein. Die geldpolitischen Zwischenziele sind in der Regel
monetäre Variablen, die der Zentralbank als Leitlinie für ihre laufenden geldpolitischen
Aktionen dienen.
• In der Praxis existiert kein “richtiges“ monetäres Zwischenziel, sondern eine Vielzahl
verschiedener Variablen, die in Betracht kommen, wie z.B. Wechselkurs, Geldmenge,
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
nominales BIP und der Zinssatz.
207
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (3)
Der Transmissionsprozess monetärer Impulse
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
208
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (4) - Wechselkursziel
• Die Steuerung des Wechselkurses hat als geldpolitische Strategie eine
lange Geschichte. Die Zentralbank richtet ihre Geldpolitik dabei so aus,
dass der Wechselkurs zwischen eigener und einer anderen, fremden
Währung stabil gehalten wird. Die Inlandswährung wird somit an eine
externe, wertstabile, robuste und anerkannte Währung gekoppelt.
• Die Wahl des Wechselkurses als Zwischenzielgröße bietet eine Reihe von
Vorteilen. Die Zentralbank richtet ihre geldpolitischen Maßnahmen alleine
an der festen Wechselkursparität aus. Bei einer Abwertungstendenz der
eigenen Währung beschließt die Zentralbank eine Zinserhöhung,
demzufolge auch den Kurs einer restriktiven Geldpolitik einzuschlagen.
Die zinssenkende Maßnahmen, also eine expansive Geldpolitik, sind bei
einem Aufwertungsdruck zu ergreifen. Die fixe Wechselkursparität kann
somit erhalten bleiben.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (5) - Wechselkursziel
• Ein weiterer Vorteil dieser Zwischenzielstrategie liegt darin, dass die
Einhaltung des Wechselkurses ohne große Zeitverzögerung ermittelt
werden kann. Die Risiken einer zeitinkonsistenten geldpolitischen
Entscheidung werden hierdurch minimiert. Die Wechselkurssteuerung hat
also den Vorteil, dass es sich um eine einfache und klare Regel handelt.
• Die Idee einer Kopplung der eigenen Währung an eine andere Währung,
an eine sogenannte Ankerwährung, beruht darin, dass die Preisstabilität
des Ankerwährungslandes somit importiert werden kann. Die Zentralbank
orientiert ihre Geldpolitik an der Geldpolitik des Ankerwährungslandes,
praktisch verzichtet sie auf ihre eigene Geldpolitik. Mit einem
Wechselkursziel ist immer auch ein Verlust an geldpolitischer Autonomie
verbunden. Wenn die Ankerwährung eine glaubwürdige und stabile
Währung ist, kommt es zu einem Glaubwürdigkeits- und Stabilitätsimport
aus dem Ankerwährungsland
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (6) - Wechselkursziel
• Das Wechselkursziel hat sich in der Tat als ein effektives Mittel zur
Bekämpfung der Inflation herausgestellt. Allerdings dürfen bei einer
Fixierung des nominalen Wechselkurses auch bestimmte Risiken nicht
außer Acht gelassen werden. Es werden zwar die Glaubwürdigkeit und die
Stabilität des Ankerwährungslandes importiert, jedoch werden auch die
Schocks und die Instabilität ebenfalls weitergeleitet.
• Eine Aufwertung der Ankerwährung zieht die an sich gebundene
Inlandswährung mit. Eine Aufwertung der eigenen Währung verschlechtert
die Wettbewerbsfähigkeit des Landes.
• Darüber hinaus tritt in den fixen Wechselkurssystemen der BalassaSamuelson-Effekt (BS-Effekt) auf, der eine nicht zu vernachlässigende
Preissteigerung zur Folge haben kann.
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
211
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (7) - Wechselkursziel
• Die Verwendung des Wechselkurses als Zwischenziel ist speziell für
die kleinen Länder mit großem Offenheitsgrad vorteilhaft. Für eine
große Region, wie z.B. den Euro-Währungsraum, ist eine solche
Wechselkursbindung nicht zweckmäßig.
• Die kleinen EU-Länder (Estland, Litauen) haben mit Currency BoardSystemen (CBS), einer speziellen Form der Wechselkursfixierung, in
der Vergangenheit durchaus positive Erfahrungen gemacht.
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (9) – Geldmengenziel
• Der Erfolg einer geldmengenorientierten Politik hängt im Wesentlichen
von einer starken und zuverlässigen Beziehung zwischen der
Endzielgröße (Preisstabilität) und des Geldmengenaggregats. Eine stabile
Geldnachfrage beziehungsweise Umlaufgeschwindigkeit bedeutet, dass
sich die Geldmengenentwicklung durch einige wenige Faktoren erklären
lässt und das die Zusammenhänge im Zeitablauf stabil bleiben.
• Wenn diese Zusammenhänge schwach sind, dann muss ein Erreichen
des Geldmengenziels nicht zwangsläufig zur erwünschten Preisstabilität
führen. In diesem Fall ist eine geldmengenorientierte Strategie ineffektiv.
Die Gründe für einen schwächeren Zusammenhang sind die
Deregulierungen der Finanzmärkte sowie die Finanzmarktinnovationen.
Unter dem letzteren versteht man die Entstehung neuer Finanzprodukte,
neuer Geschäftsfelder von Banken (z.B. Verbriefung) sowie das Auftreten
neuer Finanzinstitute (z.B. Hedgefonds).
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (10) – Geldmengenziel
• Die Verwendung der Geldmenge als Zwischenziel ist mit mehreren Vorteilen
verknüpft:
Die Inflation wird aus mittel- und langfristiger Sicht durch die
Geldmengenentwicklung bestimmt. Mit der Verwendung der Geldmenge als
Zwischenziel erhält die Zentralbank rechtzeitig Informationen über die zukünftige
Preisentwicklung.
Die Steuerung der Geldmenge verfolgt klare und relativ einfache Regeln. Wenn die
aktuelle Wachstumsrate der Geldmenge über der erwünschten liegt, dann kann die
Zentralbank die Liquiditätsversorgung knapp halten und eine Zinserhöhung
einleiten. Im umgekehrten Fall kann die Zentralbank eine Zinssenkung durchführen
und die Liquiditätsversorgung erhöhen.
Auf Grund eines einzigen Indikators, an dem sich die Zentralbank orientiert, können
die Marktteilnehmer den geldpolitischen Kurs frühzeitig erkennen. Dies verringert die
Gefahr einer Überraschungsinflation und erhöht somit die Glaubwürdigkeit der
Geldpolitik.
• Frage nach der Wahl des Geldmengenaggregats (M1, M2 oder M3)?!
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
| WS 2014/15 | Samir Kadiric
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (12) – Nominales BIP
• Als ein Vorteil des Konzepts wird die enge Verbindung mit den
gesamtwirtschaftlichen Zielgrößen angesehen. Des Weiteren wird dem Konzept
der Vorteil zugeschrieben, dass mit dem potenziellen nominellen
Bruttoinlandsprodukt für die Zielperiode gearbeitet wird, im Unterschied hierzu nutzt
eine geldmengenorientierte Strategie einen langfristigen Trend als Basis. Dies
ermöglicht der Strategie des nominellen BIP-Ziels die exogenen Schocks besser zu
absorbieren.
• Als Nachteile einer nominellen BIP-Regel werden in der Literatur mehrere Aspekte
genannt. Das nominelle BIP ist als Zwischenziel zwar nah am Endziel, aber umso
weiter entfernt von der Zentralbank. Dies lässt Zweifel an der Effektivität der
geldpolitischen Maßnahmen aufkommen. Ein weiterer gravierender Nachteil des
nominellen BIP-Zwischenziels ist die Datenverfügbarkeit. Die Daten für das reale
BIP sind mit einer erheblichen Zeitverzögerung verfügbar und unterliegen starken
Revisionen, die im Nachhinein oft durchgeführt werden.
• Offiziell wurde die Strategie des nominellen BIP bislang von keiner Zentralbank
verfolgt.
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (13) – Zinsziel
• Die Zentralbank übt ihre Geldpolitik über die veränderten Zinsen aus, die
eine Auswirkung auf das gesamtwirtschaftliche Umfeld haben. Deshalb
wird der Zins als ein weiteres Instrument für ein Zwischenziel angesehen.
Die expansiven geldpolitischen Maßnahmen senken das Zinsniveau und
schaffen Anreize für eine stärkere Investitionsnachfrage, die wiederum zu
einem Konjunkturaufschwung beitragen kann. Wenn die Wirtschaft
überhitzt ist, kann die Zentralbank mittels einer restriktiven Geldpolitik das
Zinsniveau anheben und somit die Güternachfrage abschwächen. Ein
hervorzuhebender Vorteil einer Zinsgröße als Zwischenzielvariable ist
zum Einen, dass die Informationen über die Zinsentwicklung täglich
verfügbar sind und zum Anderen diese Informationen keinen statistischen
Revisionen unterliegen.
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (16) – Zinsziel
• Die dahinter stehende Überlegung lässt sich folgendermaßen erklären. Der
langfristige reale Gleichgewichtszins ist der Zins, bei dem eine Volkswirtschaft voll
ausgelastet ist und das Inflationsziel eingehalten wird. Liegt die Inflationsrate unter
dem Inflationsziel und ist die Produktionskapazität nicht voll ausgelastet, dann soll
der Taylor-Zins unter dem nominalen Gleichgewichtszins fixiert werden und
umkehrt.
• Problematisch sind folgende Punkte:
– der gleichgewichtige Realzinssatz, der einen wichtigen Bestandteil der Taylor-Regel darstellt,
kann empirisch nicht exakt oder nur schwer ermittelt werden
– es bestehen unterschiedliche Möglichkeiten die Produktionslücke zu schätzen
– die Festlegung der Gewichte von der Produktions- und Inflationslücke führt zu Schwierigkeiten
– der Entscheidungsfindungsprozess kann durch verschiedene Schockarten im Rahmen der
Taylor-Regel in Konflikt geraten. Bei einem Nachfrageschock ist die Entwicklung von der
Inflations- und Produktionslücke gleichgerichtet. Im Falle eines Angebotsschocks, wie z.B. bei
einem Anstieg der Rohstoffpreise, würden die Inflations- und Produktionslücke sich auseinander
entwickeln
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (17) – Inflationssteuerung
(Inflation Targeting)
• Inflation Targeting stellt ein relativ neues Konzept unter den geldpolitischen
Strategien dar.
• Dieses Konzept beinhaltet folgende charakteristische Elemente:
a) die Wahl der zu steuernden Preisgröße sowie die öffentliche Ankündigung eines
mittelfristigen numerischen Zielwerts für dieselbe
•
in der Regel wird die Inflationsrate am Verbraucherpreisindex gemessen
•
Das Inflationsziel wird dabei entweder in Form von einem exakten Zielwert wie z.B. 2,5%,
einer Obergrenze wie z.B. <3% oder als angestrebte Bandbreite wie z.B. 1%-3%
angekündigt
b) Herausarbeitung eines Konzepts mit einer modellgestützten Inflationsprognose in die
eine Vielzahl von Indikatoren eingehen
•
Die Inflationsprognose wird auf der Basis mehrerer Makromodelle mit unterschiedlichen
theoretischen Grundannahmen durchgeführt. Alle für die Inflationsentwicklung relevanten
Informationen werden berücksichtigt. Die Inflationsprognose der Zentralbank wird mit dem
Inflationsziel verglichen. Wenn die prognostizierte Inflationsrate über dem Zielwert liegt,
werden die restriktiven geldpolitischen Maßnahmen, und umgekehrt.
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222
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (18) – Inflationssteuerung
(Inflation Targeting)
• Die Strategie der Inflationssteuerung ähnelt der Geldmengenstrategie, da beide
Konzepte sich an einer numerischen Zielgröße orientieren. Im Gegensatz zur
Geldmengenstrategie weist die Inflationssteuerung eine Reihe von Vorteilen auf:
– So ist im Rahmen des I-T ein stabiler Zusammenhang zwischen der Geldmenge und
der Inflation nicht mehr notwendig.
– Außerdem konzentriert sich die Inflationssteuerung nicht nur auf eine Variable, die
Geldmenge, sondern berücksichtigt bei ihren modellgestützten Inflationsprognosen
eine Vielzahl von anderen Variablen.
– Die Inflationssteuerung stellt im Hinblick auf die Informationsnutzung demnach einen
allgemeineren Ansatz als die Geldmengensteuerung dar. Darüber hinaus ist die
Inflationssteuerung für die Öffentlichkeit leichter zu verstehen und die Zentralbank
kann, auf Grund eines klar definierten numerischen Inflationsziels, bei einer
Zielverfehlung unmittelbar zur Rechenschaft gezogen werden.
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Geldpolitische Strategien (19) – Inflationssteuerung (Inflation Targeting)
• Das Konzept der Inflationssteuerung unterliegt auch Kritikpunkten:
– eine zu starre Regel; führt zu Sozialproduktschwankungen; Gefahr einer Deflation
• Auf die folgenden Kritikpunkte muss, vor allem im Falle von Schwellenländern, besonders
geachtet werden
– Die Inflation kann mit Hilfe von gp Maßnahmen nur schwer und auf mittel- bzw. langfristige Sicht
kontrolliert werden. Die Länder mit einer hohen Inflationsrate sind durch eine geringe Stabilität und
einem unvorhersehbaren Transmissionsprozess charakterisiert. Unter diesen Umständen ist es
sehr wahrscheinlich, dass die Inflationssteuerung ihr Inflationsziel oft verfehlen würde. Dies würde
der Kredibilität und der Glaubwürdigkeit der Zentralbank enorm schaden. Aus diesem Grund
empfiehlt es sich, die Inflationssteuerung erst nachdem ein gewisser Grad an Stabilität erreicht
wurde, einzuführen
– Die Inflationssteuerung setzt die Fiskaldisziplin und einen soliden Finanzmarkt voraus, welche vor
allem in den Schwellenländern weitestgehend nicht entwickelt sind
– Letztendlich basiert die Inflationssteuerungsstrategie auf den flexiblen Wechselkursen. Starke
Schwankungen oder Abwertungen des nominalen Wechselkurses sollten demnach vermieden
werden. Eine starke Abwertung des Wechselkurses könnte in Schwellenländern zum Anstieg der
Auslandsverschuldung führen und somit eine Finanzkrise und eine Instabilität der Wirtschaft
begünstigen. Die Zentralbanken in Schwellenländern müssen demnach den Wechselkurs ständig
berücksichtigen, allerdings muss dieser der Preisstabilität, als primäres Ziel, untergeordnet
bleiben
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Die geldpolitische Strategie der EZB (1)
• Mit dem Beginn der dritten Stufe am 1. Januar 1999 übernahm die EZB die alleinige
Verantwortung für die Gestaltung und Durchführung der Geldpolitik in der EWWU.
Dabei fand sich die EZB in einer beispiellosen Lage. Vor allem in der Anfangsphase
war es für die EZB besonders wichtig Vertrauenskapital aufzubauen.
• Im Oktober 1998 gab der EZB-Rat die stabilitätsorientierte geldpolitische Strategie
des Eurosystems bekannt. Diese Strategie besteht aus folgenden drei
Hauptelementen:
– einer quantitativen Festlegung der Preisstabilität und
– den „beiden Säulen“ der Strategie, nämlich
• einer breit fundierten Beurteilung der künftigen Preisperspektiven
(wirtschaftliche oder kurzfristige Säule)
• einer herausragenden Rolle der Geldmenge mit dem Referenzwert für M3
(monetäre oder langfristige Säule)
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225
Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Die geldpolitische Strategie der EZB (2)
• Die Preisstabilität
• Den Kernpunkt der geldpolitischen Strategie des Eurosystems stellt die quantitative
Definition der Preisstabilität dar. Der EZB-Rat hat beschlossen, die Preisstabilität als
quantitative Größe zu definieren und diese zu veröffentlichen.
• Folgende Definition wurde beschlossen: „Preisstabilität wird definiert als Anstieg des
Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für das Euro-Währungsgebiet von
unter 2% gegenüber dem Vorjahr“. Nach einer Überprüfung der geldpolitischen
Strategie im Mai 2003 bestätigte der EZB-Rat diese Definition. Er stellte jedoch
dabei klar, dass die EZB darauf abzielt, die Preissteigerungsrate mittelfristig unter,
jedoch nahe 2% zu halten.
• Die Definition “von unter, jedoch nahe“ bedeutet, dass die Preissteigerungen sowohl
über als auch deutlich unter 2% des HVPI mit der Preisstabilität nicht vereinbar sind.
• Die Definition der Preisstabilität bezieht sich auf den gesamten EuroWährungsraum.
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Die geldpolitische Strategie der EZB (3)
• Die Zwei-Säulen Strategie
Vorrangiges Ziel: Preisstabilität
EZB-Rat beurteilt gesammelte Informationen
und trifft geldpolitische Entscheidungen
Analyse der
gesamtwirtschaftlichen
und finanziellen
Indikatoren,
Überprüfung
„wirtschatliche Analyse“
Volkswirtschaftliche
Analyse der monetären
Indikatoren,
„monetäre Analyse“
Daten
Quelle: vgl. EZB (2011): Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank; Frankfurt am Main, S.90.
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Die geldpolitische Strategie der EZB (4)
• Die Zwei-Säulen Strategie
• Die erste Säule wird als wirtschaftliche Analyse bezeichnet. Hierbei werden vor allem die
aktuellen wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen und die hieraus resultierenden
kurzfristigen Inflationsrisiken analysiert. Im Mittelpunkt dieser Analyse stehen vor allem
die kurzfristigen Konjunkturindikatoren, wie z.B. die Produktionslücke, generell das
Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, eine Reihe von Kostenindikatoren an den
Güter-, Dienstleistungs- und Arbeitsmärkten, die Wechselkursentwicklung sowie die
Entwicklung der Rohstoffpreise und der Außenbeitrag. Darüber hinaus wird auch eine
Reihe von Finanzmarktindikatoren untersucht, wie z.B. Zinsstrukturkurven, Renditen von
Staatsanleihen, Aktienkursindices und Derivatenmärkte. Neben den Konjunktur- und
Finanzmarktindikatoren werden seitens der EZB regelmäßige Branchen- und
Verbraucherumfragen durchgeführt. Diese dienen einer besseren Darstellung der
Preiserwartungen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Säule werden von den Experten der
EZB mehrmals im Jahr die sogenannten gesamtwirtschaftlichen Projektionen erstellt.
Diese basieren auf einer Reihe von Annahmen und stellen somit bedingte Projektionen
dar. Auf diese Weise versucht die EZB ihre geldpolitischen Entscheidungen der
Öffentlichkeit noch transparenter wiederzugeben.
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Die geldpolitische Strategie der EZB (5)
• Die Zwei-Säulen Strategie
• Die zweite Säule, die als monetäre Analyse bezeichnet wird, konzentriert sich auf
die Beurteilung der langfristigen Inflationsrisiken. Sie basiert auf der weithin
akzeptierten Erkenntnis, dass die Inflation langfristig ein monetäres Phänomen ist.
• In der zweiten Säule spielt die Entwicklung der Geldmenge M3 eine überragende
Funktion. Die EZB hat sich für dieses breite monetäre Geldmengenaggregat
entschieden, da es in einem langfristig stabilen Zusammenhang zur
Preisentwicklung steht. Den Referenzwert für das M3-Wachstum hat die EZB bei
4,5% festgelegt.
• Neben des Geldmengenaggregats M3 werden im Rahmen der monetären Analyse
auch die einzelnen Komponenten von M3, sowie die engeren
Geldmengenaggregate M1 und M2 untersucht. Das eng gefasste
Geldmengenaggregat M1 kann beispielsweise verlässliche Informationen zur
aktuellen Konjunkturentwicklung liefern. Des Weiteren könnte ein rasantes Geldund Kreditwachstum wichtige Frühwarninformationen über das Entstehen von
finanziellen Instabilitäten oder sogar Vermögensblasen liefern
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Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele
und verschiedene Strategien
Die geldpolitische Strategie der EZB (6)
• Bei ihrer Beurteilung der Inflationsrisiken versucht die EZB sämtliche
Informationen, die für die Durchführung geldpolitscher Maßnahmen von
Bedeutung sein könnten, heranzuziehen. Dies beruht darauf, dass bei der
preisorientierten Geldpolitik sowohl die kurzfristigen als auch die langfristigen
Inflationsrisiken berücksichtigt werden sollten. Die unterschiedlichen
Zeithorizonte bei der Analyse der Preisentwicklung bilden somit den zentralen
Ausgangspunkt der Zwei-Säulen Strategie der EZB.
• Mit ihrer diversifizierten Zwei-Säulen Analyse versucht die EZB eine robuste
Strategie zu entwickeln, um somit dem unsicheren Umfeld Rechnung tragen zu
können. Die Betrachtung monetärer und nicht-monetärer Informationen soll die
Wahrscheinlichkeit geldpolitischer Fehlentscheidungen verringern. Allerdings
könnten bei diesem Ansatz vor allem dann Probleme entstehen, wenn von
beiden Säulen unterschiedliche Signale bezüglich der zukünftigen
Preisentwicklung ausgehen.
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Wechselkurssysteme im Überblick
Prof. Dr. Paul J.J. Welfens / Samir Kadiric
Schumpeter School of
Business and Economics
Bergische Universität Wuppertal
Gaußstraße 20
42097 Wuppertal
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Wechselkurssysteme im Überblick
• Ein Wechselkurs stellt das Austauschverhältnis zwischen
zwei Währungen dar. Das Wechselkurssystem legt
dementsprechend die Regeln fest, nach denen sich ein
Wechselkurs bildet. Man könnte zwischen zwei Extrema
unterscheiden, zwischen einem System flexibler
Wechselkurse und einem System absolut fester
Wechselkurse.
• In der währungspolitischen Realität befindet sich aber
zwischen den beiden eine Bandbreite von verschiedenen
Wechselkurssystemen. Im Folgenden sollen diese nach ihrer
Bindungsintensität dargestellt werden
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Wechselkurssysteme im Überblick
• System flexibler Wechselkurse (free floating) ist das System mit der
geringsten Wechselkursbindung. Der Wechselkurs bildet sich ohne
Devisenmarkt-interventionen der Zentralbank und wird als Marktergebnis
akzeptiert.
• Kernpunkte des Systems sind:
– Frei gebildeter Kurs durch Angebot und Nachfrage
– Geldpolitik orientiert sich am bspw. Geldmengenwachstum
– Wird bevorzugt, wenn kein stabiles Wechselkurssystem prognostiziert
werden kann
– Unzureichende Währungsreserven
– Schwierig zu gestaltende Makrostabilität
– Wechselkursflexibilität sorgt für Zahlungsausgleich, dadurch werden
Anpassungen ‚weicher‘ aufgefangen
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Wechselkurssysteme im Überblick
• Bei einem kontrollierten Schwanken (managed floating) existieren
keine Wechselkursparitäten, Bandbreiten und andere währungspolitische
Regelelemente. Jedoch akzeptiert die Zentralbank nicht bedingungslos
den Wechselkurs als Marktergebnis. Sie greift nur fallweise ein, mit dem
Ziel Wechselkursschwankungen kurzfristig zu minimieren. Mittelfristig
interveniert sie, wenn eine Unterbewertung der eigenen Währung
vorliegt.
• Die Stufenflexibilität (adjustable peg) sieht einen festen Wechselkurs,
mit oder ohne Bandbreiten, vor. Allerdings kann unter bestimmten
Bedingungen die Änderung der Leitkurse oder der Bandbreiten
vorgenommen werden. Beispiele für einen adjustable peg zeigen sich im
Bretton-Woods-System bis 1973, dem Wechselkursmechanismus I und
dem Wechselkursmechanismus II im Europäischen Währungssystem
(EWS).
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Wechselkurssysteme im Überblick
• Die Gleitende Parität (crawling peg) sieht ebenfalls klare Regeln für die
Abwertung der Parität vor. Allerdings ist der Abwertungsspielraum hier
deutlich geringer. Die Zentralbank kann nur durch relativ geringe Paritätsbzw. Leitkursänderungen intervenieren. Die Interventionspunkte werden
regelmäßig, beispielsweise einmal im Monat, festgelegt.
• Kompromiss zwischen den Vorteilen des Wechselkursankers beim Abbau
der Inflationsraten und der Wechselkursflexibilität bei der Sicherung der
internationalen Wettbewerbsfähigkeit
• Wechselkursänderungsrate wird angekündigt und festgelegt
– π > π*
– Abwertungsrate > erwartetes Inflationsgefälle vom Inland zum Ausland, d.h.
reale Aufwertung der Inlandswährung
– Abwertungsrate gleicht Inflationsrate aus
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Wechselkurssysteme im Überblick
• Im System absolut fester Wechselkurse (fixed peg) wird der Wechselkurs
einmalig und unwiderruflich festgelegt und bleibt zudem im Zeitablauf konstant. Dies
geschieht meistens vertraglich zwischen zwei oder mehreren Währungsräumen. Die
Zentralbank muss jeder Veränderung des nominalen Wechselkurses
entgegenwirken und für diesen garantieren.
• Kernpunkte des Systems sind:
– Stabile, jedoch anpassungsfähige Paritäten
– Reale Aufwertung durch hohe Exporte
– (Hyper-)Inflationsgefahr langfristig gebannt, durch Anlehnung an die Anti-Inflationspolitik anderer
Länder (Konvergenzkriterium)
– „Import“ der Glaubwürdigkeit des geldpolitischen Kurses
• Bedingung:
– Ausreichend Währungsreserven
– Makroökonomische Stabilisierungspolitik
• Verzicht auf eigene Geldpolitik!
• Was passiert beim Scheitern der Politik?
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Wechselkurssysteme im Überblick
Devisenmarkt und Kontrollierbarkeit der Geldmenge im
Fixkurssystem
• Betrachtet wird kleine offene Volkswirtschaft im Fixkurssystem: Es
ist von der Regierung eine Parität (Fixkurs) festgelegt, die von der
Zentralbank durch Interventionen zu verteidigen ist;
– Bei Angebotsüberschuss am Devisenmarkt muss
Zentralbank Devisen aufkaufen (Währungsreserven
steigen), was die inländische Geldmenge erhöht!!! Alternative
ist AUFWERTUNG der Währung, was Exporteure ablehnen
werden!
– Bei Nachfrageüberschuss Verkauf von Devisenreserven als
Interventionsmaßnahme (solange noch Reserven da sind);
Alternative ist Abwertung der Währung=Inflationsdruck
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Wechselkurssysteme im Überblick
Monetärer Ansatz der Zahlungsbilanztheorie (Harry G. Johnson; Mundell): Zeigt
u.a. wie Inflation im Fixkurssystem auf Inland übergreift! K Kapitalbestand, G
Staatsnachfrage, eo Parität
• Betrachtet wird eine offene Volkswirtschaft bei Freihandel und Fixkurssystem;
zudem Markt für handelsfähige (T-)Güter und nichthandelsfähige (N-)Güter; sowie
Geldmarkt. Preisniveau definiert als P=[PT ]α [PN]1-α. 0<α<1; Definition von P in (1)
einzusetzen!
• (1)
M =Pm(Y,i) Geldmarktgleichgewicht/MM-Kurve
• (2)
Ts(PT, PN, KT) = Td(PT, PN, M); TT-Kurve (Gleichgewicht auf T-Markt)
• (3) Ns(PT, PN, KN) = Nd(PT, PN, M) + G; [Gleichgewicht auf N-Markt]
• Entsteht Geldnachfrageüberschuss – wegen Anstieg von P via Anstieg von PT* (wegen
Fixkurs bzw. Arbitragebedingung PT=eoPT* steigt PT*!) – so steigt T-Produktion. Beachte
T-Marktgleichgewicht heißt Außenbeitrag 0; eingetretener T-Angebotsüberschuss
bedeutet als positiver Außenbeitrag &
– Angebotsüberschuss auf Devisenmarkt; Intervention, Z.bank kauft Devisen an!
– Interventionsbedingt Anstieg der Geldmenge: Ex post wird Anfangsanstieg von
PT bzw. P monetär ratifiziert!!! Zentralbank kann Geldmenge nicht kontrollieren!
So gesehen gilt Gleichung MV= PY, wobei M hier endogen ansteigt bzw. P
erhöht
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Wechselkurssysteme im Überblick
Currency Board-System
• Eine strenge Variante des Fixkurssystems
• Monetäre Basis einer Volkswirtschaft ändert sich nur dadurch, dass das Currency Board die
eigene Währung im Austausch gegen eine bestimmte ausländische Währung (Ankerwährung)
zu einem fixen Wechselkurs kauft oder verkauft.
• Die monetäre Basis ist in voller Höhe durch Devisen in der Ankerwährung gedeckt.
• Konvertibilität der inländischen Währung gegenüber der Reservewährung, d.h. eine Einlösung
in andere konvertible Währungen ist durch Umtausch der Reservewährung in diese Währung
möglich.
• Die Entwicklung der Währungsreserven und damit die Zahlungsbilanzsituation verändert die
monetäre Basis und bestimmt die Geldmengenentwicklung.
• Zentralbank kann nicht zur Finanzierung von Budgetdefiziten herangezogen werden
• Zentralbank hat keine Möglichkeit zur Devisenmarktintervention
• Das geringe Wechselkursrisiko impliziert niedrigere Zinssätze für Auslandskredite und
erleichtert Direktinvestitionen.
• Nachteile sind:
–
Keine eigenständige Geldpolitik
–
Verzicht auf den Wechselkurs als Gegensteuerungsmöglichkeit zu Störungen (Schocks) auf dem Gütermarkt
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Ausgewählte Literatur
• BERNANKE, Ben S.; MISHKIN, Frederic S. (1997): Inflation Targeting: A New Framework for Monetary
Policy?; National Bureau of Economic Research, Working Paper 5893, NBER, January 1997: Cambridge.
• DEUTSCHE BUNDESBANK (1999): Taylor-Zins und Monetary Conditions Index; Monatsbericht April 1999;
S. 47-63.
• DUWENDAG, Dieter ET AL (1999): Geldtheorie und Geldpolitik in Europa – Eine problemorientierte
Einführung mit einem Kompendium monetärer Fachbegriffe; 5. Auflage, Springer-Verlag: Berlin Heidelberg.
• EZB (1999): Die stabilitätsorientierte geldpolitische Strategie des Eurosystems; Monatsbericht Januar 1999,
Frankfurt am Main; S. 43-56.
• EZB (2001): Fragen im Zusammenhang mit geldpolitischen Regeln; Monatsbericht Oktober 2001, Frankfurt
am Main; S. 43-58.
• EZB (2002): Die zwei Säulen der geldpolitischen Strategie der EZB; Monatsbericht November 2002, Frankfurt
am Main; S. 41-53.
• EZB (2003): Ergebnisse der von der EZB durchgeführten Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie;
Monatsbericht Juni 2003, Frankfurt am Main; S. 87-102.
• EZB (2006): Europäische Zentralbank – Geschichte, Rolle und Aufgaben; zweite überarbeitete Auflage 2006,
Frankfurt am Main.
• EZB (2007a): Die Geschichte des Euro: Ein Überblick über die Entstehung des Euro-Banknoten und –
Münzen; Frankfurt am Main.
• EZB (2007b): Financial Integration in Europe; Frankfurt am Main.
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239
Ausgewählte Literatur
• EZB (2009a): Zentralbankkommunikation in Zeiten erhöhter Unsicherheiten; Monatsbericht November 2009,
Frankfurt am Main; S. 77-86.
• EZB (2009b): Geldpolitische Systeme und gesamtwirtschaftliche Stabilität; Monatsbericht Dezember 2009,
Frankfurt am Main; S. 19-22.
• EZB (2011a): Die Europäische Zentralbank, das Eurosystem, das Europäische System der Zentralbanken;
Frankfurt am Main.
• EZB (2011b): Preisstabilität: Warum ist sie für dich wichtig?; Frankfurt am Main.
• EZB (2011c): Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank; Frankfurt am Main.
• EZB (2012): Durchführung der Geldpolitik Im Euro-Währungsgebiet: Allgemeine Regelungen für die
Geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems; Frankfurt am Main.
• EZB (2013): The International Role Of The Euro; ; Frankfurt am Main.
• GERDESMEIER, Dieter (2006): Geldtheorie und Geldpolitik - Eine praxisorientierte Einführung; 2. Auflage,
Bankakademie-Verlag: Frankfurt am Main.
• GÖRGENS, Egon; RUCKRIEGEL, Karlheinz; SEITZ, Franz (2008): Europäische Geldpolitik – Theorie, Empirie,
Praxis; 5. Auflage, Lucius & Lucius: Stuttgart.
• JANSSEN, Ole Johann (2002): Currency Board-Systeme – Theoretische Aspekte und Erfahrungen; Duncker &
Humblot: Berlin.
• JARCHOW, Hans-Joachim (2003): Theorie und Politik des Geldes; 11. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht:
Göttingen.
• MARIA-DOLORES, Ramon (2005): Monetary Policy Rules in Accession Countries to EU: Is the Taylor-Rule a
pattern?; Economics Bulletin, Vol. 5, No. 5, September 2005; S. 1-16.
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Ausgewählte Literatur
• MISHKIN, Frederic S. (2002): Inflation Targeting; in: SNOWDON, Brian; VANE, Howard R. (Hrsg.) (2002): An
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• MISHKIN, Frederic S. (2004): The Economics of Money, Banking and Financial Markets; 7. Auflage, Pearson
Addison-Wesley: Boston.
• MISHKIN, Frederic S. (2007): Who Did We Get Here?; in: MISHKIN, S. Frederic (Hrsg.) (2007): Monetary
Policy Strategy; Cambridge: London; S. 1-28.
• MORITZ, Karl-Heinz (2001): Geldtheorie und Geldpolitik; Kompaktstudium Wirtschaftswissenschaften, Band
13, 2. Auflage, Franz Vahlen: München.
• PETO, Rudolf (2002): Geldtheorie und Geldpolitik; 2. Auflage, Oldenbourg Verlag: München.
• SCHWEICKERT, Rainer (1993): Geld- und Wechselkurspolitik in Entwicklungsländern – Eine Analyse
alternativer Stabilisierungs- und Anpassungsstrategien; Institut
• SPAHN, Heinz-Peter (2006): Geldpolitik – Finanzmärkte, neue Makroökonomie und zinspolitische Strategien;
Verlag Vahlen: München.
• SVENSSON, Lars E.O. (1999): Inflation targeting as a monetary policy rule; Journal of Monetary Economics,
Vol. 43, No. 3, June 1999; S. 607-654.
• SVENSSON, Lars E.O. (2007): Inflation Targeting; Centre for European Policy Studies, CEPS Working
Paper, No. 144, May 2007.
• VOLLMER, Uwe (2005): Geld- und Währungspolitik; Verlag Vahlen: München.
• WEBER, A. Axel (2008): Perspektiven der europäischen Geldpolitik; Nordrhein-Westfälische Akademie der
Wissenschaften, Ferdinand Schöningh: Paderborn.
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