Geld- und Währungspolitik Euro und EZB Prof. Dr. Paul J.J. Welfens / Samir Kadiric Schumpeter School of Business and Economics Bergische Universität Wuppertal Gaußstraße 20 42097 Wuppertal Siehe auch Infos zu research: Prof. Welfens als Präsident des Europäischen Instituts für Internationale Wirtschaftsbeziehungen www.eiiw.eu 1 Geld- und Währungspolitik Euro und EZB Organisatorisches Samir Kadiric (in 2016) Raum: M-12.11 Tel: +49 – (0)202 – 439-3179 bzw. -1371 e-mail: [email protected] Sprechstunde: Dienstag, 15:00-16:00 Uhr Campus Freudenberg, Gebäude FO, EG rechts (EIIW) Die Folien sind auf unserer Lehrstuhlseite erhältlich: http://www.welfens.wiwi.uni-wuppertal.de | WS 2014/15 | Samir Kadiric 2 Geld- und Währungspolitik, Euro und EZB Organisatorisches Diese Veranstaltung ist ein Teil des Moduls BWIWI 3.3: Europäische Integration • Eine Modulabschlussklausur im Umfang von 6 SWS (= 9 LP) wird am Ende jeden Semesters gestellt, zusammen mit den Fächern • Handel, Multinationale Unternehmen, EU-Wirtschaftspolitik • Konjunktur- und Wachstumspolitik in der EU Die Vorlesungen werden nur im Wintersemester gehalten. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 3 Geld- und Währungspolitik Euro und EZB • Literaturempfehlungen • GÖRGENS, Egon; RUCKRIEGEL, Karlheinz; SEITZ, Franz (2008): Europäische Geldpolitik – Theorie, Empirie, Praxis; 5. Auflage, Lucius & Lucius: Stuttgart. • EZB (2011): Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank; Frankfurt am Main. • EZB (2012): Durchführung der Geldpolitik Im Euro-Währungsgebiet: Allgemeine Regelungen für die Geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems; Frankfurt am Main. • MISHKIN, Frederic S. (2004): The Economics of Money, Banking and Financial Markets; 7. Auflage, Pearson Addison-Wesley: Boston. • Sachverständigenrat: aktuelles Jahresgutachten • Bank für Internationalen Zahlungsausgleich: aktueller Jahresbericht • Monatsberichte und Jahresberichte der EZB und der Deutschen Bundesbank • Ein ebenfalls klausurrelevantes Skript ist am Lehrstuhl erhältlich (Welfens, 2011). | WS 2014/15 | Samir Kadiric 4 Geld- und Währungspolitik Euro und EZB Aufbau der Veranstaltung (1/4) 1. Theoretische Grundlagen der Geldpolitik 1. Analytische Bausteine: Geldfunktionen, Finanzmärkte, Geldangebot und -nachfrage, etc. 2. Zins und Zinsstruktur sowie Wirkungen von Nominalzins und Wechselkurs 3. Realwirtschaftliche und monetäre Interdependenzen | WS 2014/15 | Samir Kadiric 5 Geld- und Währungspolitik Euro und EZB Aufbau der Veranstaltung (2/4) 2. Integration von Finanzmärkten in der EU 1. Theoretische Aspekte: Definitionen, Vorteile und Risiken von Integration, Optimale Währungsräume, Finanzmärkte und Wirtschaftswachstum 2. Die Europäische Union: Grundlagen 3. Entstehung und Entwicklung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) 4. Die Maastrichter Konvergenzkriterien 5. Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) 6. Die EWWU-Erweiterung und das WKM II 7. Finanzmarktentwicklung in den mittel- und osteuropäischen Staaten | WS 2014/15 | Samir Kadiric 6 Geld- und Währungspolitik Euro und EZB Aufbau der Veranstaltung (3/4) 3. Geldpolitische Strategien und Instrumente im ESZB 1. Theorie der Geldpolitik (geschlossene und offene Volkswirtschaft) 2. Monetarismus versus portfoliotheoretische Ansätze 3. Ziele, Träger und Instrumente der Geldpolitik 4. Transmissionsmechanismen der Geldpolitik (wie wirkt geldpolitischer Impuls auf Realwirtschaft im In- und Ausland) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 7 Geld- und Währungspolitik Euro und EZB Aufbau der Veranstaltung (4/4) 4. Eurokrise 1. Ursachen, Entstehung und Dynamik 2. Geldpolitische Reaktionen in der Eurozone und Weltweit 3. Ausblick in die Zukunft | WS 2014/15 | Samir Kadiric 8 Geld- und Währungspolitik Euro und EZB Quelle: EZB (2011): Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank; Frankfurt am Main, S. 40. | WS 2014/15 | Samir Kadiric Theoretische Grundlagen Prof. Dr. Paul J.J. Welfens / Samir Kadiric Schumpeter School of Business and Economics Bergische Universität Wuppertal Gaußstraße 20 42097 Wuppertal 9 Theoretische Grundlagen In einer Naturaltauschwirtschaft, in der Güter gegen Güter getauscht werden, gibt es eine sehr große Zahl an relativen Preisen, so dass hohe Informationskosten entstehen. Zudem gibt es bei jeder Transaktion Risiken (z.B. Transport-, Diebstahl- und Lagerrisiko), deren Minderung eines erheblichen Aufwands bedarf. Geldfunktionen: • Allgemeines Tauschmittel = Einsparen von Transaktionskosten • Recheneinheit • Wertaufbewahrungsfunktion (Kaufkraft über die Zeit hinweg übertragen; geht nicht bei hoher Inflation!) Inflation: permanente Erhöhung des Preisindex Messung der Inflationsrate: Sie wird erfasst anhand eines geeigneten (repräsentativen) Preisindex P; Wahl eines Basisjahrs (mit P=100) ist sinnvoll. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 10 Theoretische Grundlagen Geldfunktionen: • Tauschmittel • Recheneinheit • Wertaufbewahrungsfunktion (Kaufkraft über die Zeit hinweg übertragen; geht nicht bei hoher Inflation!) • Geldfunktionen – Stoffwertloses Geld ist zu Grenzkosten von nahe Null bereitstellbar: Vorteil für Gesellschaft, Verlockung für Politik als Monopol-Geldanbieter im Inland | WS 2014/15 | Samir Kadiric 11 Theoretische Grundlagen Inflation als Problem • Inflation ist ökonomisch gesehen Abschreibungsrate auf nominales Geldvermögen M (i für Nominalzins, r Realizins); – Staat besteuert reale Geldhaltung faktisch mit Inflationsrate: Wer M/P halten will, der muss die nominale Kassenhaltung um den Prozentanstieg von P, also die Inflationsrate, erhöhen; wenn (M/P)/Y 1 beträgt und die Inflationsrate π 50% pro Jahr ist, dann werden Ressourcen von π (M/P) vom privaten Sektor an den Staat „geschoben“(M/P ist Steuerbasis, -satz ist π) – ist 50% des Bruttoinlandsproduktes! Allerdings gilt, dass Md/P eine negative Funktion von i ist (und i = r+π), positive Funktion von Y ist.... – Inflation sorgt für Allokationsprobleme bzw. Konfusion bei relativen Preissignalen = Fehlinvestitionen = Wohlfahrtsverlust | WS 2014/15 | Samir Kadiric 12 Theoretische Grundlagen Inflation ein Problem, Deflation auch • Inflation kann auch zu Umverteilungseffekten führen: zwischen Gläubigern und Schuldnern – bei Inflationsbeschleunigung profitieren Schuldner im Fall adaptiver (vergangenheitsorientierter) Inflationserwartungen; • Bei Hyperinflation (>100% pro Jahr) verliert Geldvermögen real an Wert einerseits, andererseits festverzinsliche Staatsanleihen massiv an Wert... • Bei Inflation wird bevorzugt in Realaktiva, also Immobilien und Aktien investiert; =Umverteilungseffekte zugunsten Immobilien-/Aktienbesitzer. Weimarer Republik (1920er Jahre) durch Hyperinflation politisch zerstört = Preis des für Deutschland verlorenen Weltkriegs I (P stieg sehr 1919-22, 23!) • Deflation = anhaltendes Fallen von P (Weltwirtschaftskrise 1930er, Japan Dekade nach 1995, Eurozone Ende 2014); Konsumnachfrage verzögert sich, weil Haushalte auf sinkende Preise warten! Wichtigerer Aspekt: Reale Verschuldung steigt = weniger Investitionen (?) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 13 Theoretische Grundlagen Langfristiger Zinssatz USA, Eurozone, Japan, UK: 1999-2012 Long-term interest rates (in %) 7 6 5 Japan 4 United Kingdom 3 United States 2 Euro area 1 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Quelle: OECD | WS 2014/15 | Samir Kadiric 14 Theoretische Grundlagen Abbildung: Inflationsraten (Y) Inflation, consumer prices (annual % ) 5 4 3 United States 2 Germany 1 United Kingdom Japan 12 20 11 20 10 20 09 20 08 20 07 20 06 20 05 20 04 20 03 20 02 20 01 20 00 20 19 -1 99 0 -2 Quelle: Weltbank | WS 2014/15 | Samir Kadiric 15 Theoretische Grundlagen Adaptive Inflationserwartung vs. rationale Inflationserwartung • Adaptive Inflationserwartungen sind vergangenheitsorientiert („Lernen“ von t-1, t-2..) • Rationale Inflationserwartungen (Muth) basieren auf stochastischem Makro-Modell – bei Nutzung aller in t verfügbaren Informationen; Rationale Erwartungen z.B. Bestandteil von Neukeynesianischen Makromodellen: mit Marktunvollkommenheiten; Anpassungskosten auf den Märkten; dies führt dann trotz im Durchschnitt korrekten Inflationserwartungen zu realen Effekten von Geldpolitik | WS 2014/15 | Samir Kadiric 16 Theoretische Grundlagen Nominalzins versus Realzins: • Der Nominalzins ist der im Kreditvertrag vereinbarte Zinssatz i. Der Realzinssatz r ergibt sich, indem man vom Zins i die Inflationsrate π abzieht. Bei Preisniveaustabilität stimmen Nominalzins i und Realzins r überein. • Herrschen adaptive Inflationsratenerwartungen (πe) vor, die sich an der vergangenen Inflationsratenentwicklung orientieren, wird bei einer Inflationsbeschleunigung (Inflationsverlangsamung) ex post eine höhere (niedrigere) Inflation, als antizipiert, festzustellen sein: Der Schuldner gewinnt daher in Phasen einer Inflationsbeschleunigung, während die Gläubigerseite bei einer Inflationsverlangsamung gewinnt. • Der in der Öffentlichkeit recht populäre Glaube, dass bei Inflation immer eine Umverteilung zwischen Gläubiger und Schuldner zugunsten des Letzteren stattfindet, ist also falsch. In einer Nettoschuldnerposition sind typischerweise die Sektoren Unternehmen und Staat, so dass Letzterer ggf. ein Interesse an einer Inflationsbeschleunigung hat. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 17 Theoretische Grundlagen Tatsächliche und erwartete Inflation (adaptive Erwartungen) π ,π E π πE 2% t | WS 2014/15 | Samir Kadiric 18 Theoretische Grundlagen Geld als allgemeines Zahlungsmittel (=Güterkonvertibilität im Innern) • Solange Geld gesetzliches Zahlungsmittel (=de lege schuldablösend bei Zahlung) ist, wird Geld für Transaktionszwecke verwendet; • „Bargeld“ hat keine pekuniäre Verzinsung, wird aber trotzdem gehalten – es hat also einen Nutzen, es spart Such- &Tauschzeit ein; Grenznutzen=Zins i • Es gibt inländisches Geld, ausländische Währung, der relative Preis zwei Währungen e heißt nominaler Wechselkurs. N Währungen, N1 Kurse! | WS 2014/15 | Samir Kadiric 19 Theoretische Grundlagen Geld als Wertaufbewahrungsmittel; Inflation= [dP/dt]/P • Wertaufbewahrung heißt Kaufkraftübertragung über die Zeit; Problem Inflation – Geld erfüllt diese Funktion bei sehr hoher Inflation (z.B. Hyperinflation in 1923 in Deutschland) nicht; – Bei sehr hoher Inflation kommt es bald zu Währungssubstitution, wobei man statt in- eine ausländische Währung hält – auch für Transaktionszwecke – Flucht in „Betongold“. Statt Geld andere Aktiva bevorzugt, etwa Immobilien (treibt rel. Preis hoch bzw. Bauinvestition; Ressourcenverschwendung) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 20 Theoretische Grundlagen Geldmarkt als Makromarkt • Der Geldmarkt im volkswirtschaftlichen Sinn ist die Gegenüberstellung von – Geldangebot (durch Notenbank bzw. Geschäftsbankensystem): nominaler Bestand M, real =M/P (P für Preisniveau) – Geldnachfrage, was Nachfrage von Haushalten und Unternehmen für Transaktionszwecke und Wertaufbewahrungszwecke angeht: etwa als md=Md/P= m(Y,i) = a1Y –a2i, wobei i Nominalzins | WS 2014/15 | Samir Kadiric 21 Theoretische Grundlagen Geldangebotsseite • M = vM‘, wobei M‘ die exogene Geldbasis (von Zentralbank kontrolliert) ist; v ist der Geldangebotsmultiplikator, auf den Banken und Zentralbank einwirkt. Geldangebotsmultiplikator fällt, wenn Banken sich untereinander weniger kurzfristige Kredite geben; auch zu beachten Phänomen, dass Banken hohe Überschüsse bei Zentralbank halten – jedenfalls in Krisensituation 2008-2013 | WS 2014/15 | Samir Kadiric 22 Theoretische Grundlagen Geldangebotsseite: nur teilweise von Zentralbank kontrollierbar • M= vM‘ , wobei M‘ sogenannte Geldbasis ist, die von der Zentralbank kontrolliert wird: Bargeld plus Mindestreservesoll (als eine denkbare Abgrenzung); Geldbasis von Entstehungsseite =Währungsres.+ heimischer Kredit (Kredit der Zentralbank an Geschäftsbanken) • v ist der Geldangebotsmultiplikator, auf den neben Zentralbank auch das Geschäftsbankensystem bzw. private Sektor einwirkt (bei M1, M2 und M3 siehe etwa Giroguthaben bzw. Termin- bzw. Spareinlagen) • Es gilt: gM3 = gv‘3 + gM‘ , so dass bei einem Zielwert für gM3 (EZB:4.5%) Zentralbank nur gM‘ direkt kontrolliert • 2011/2012 Banken halten bei EZB hohe Überschussreserven!! | WS 2014/15 | Samir Kadiric 23 Theoretische Grundlagen Wie kommt Geld in Umlauf • Geldbestand von Verwendungsseite – M = H + eR (mit H für heimischer Kredit – an Geschäftsbanken; e für Wechselkurs, R für Devisenreserven) – Quantitative Easing = expansive Offenmarktpolitik: Zentralbank kauft Staatsanleihen im privaten Sektor (z.B. von Banken) an, so dass M ansteigt; FED, Bank of England, EZB | WS 2014/15 | Samir Kadiric 24 Theoretische Grundlagen Geldnachfrageseite • Die reale Geldnachfrage m möge positiv vom Realeinkommen abhängen - denn mit höherem Y wird ein größeres m für Transaktionszwecke benötigt; sowie negativ vom Nominalzins i. Die einfachste Erklärung für einen negativen Einfluss von i auf die Geldnachfrage ist, dass der Nominalzins den Opportunitätskostensatz der Kassenhaltung darstellt. Etwas genauer lässt sich eine negative Abhängigkeit der „Spekulationskasse“ vom Zins wie folgt begründen, d.h. nachfolgend wird die Haltung festverzinslicher staatlicher Wertpapiere als Alternative der individuellen Geldhaltung betrachtet. • M/P = m(Y,i) =mT(Y) + mS(i) • Vorsichtsmotiv: unvorhergesehene Ausgaben sollen durch die Einrichtung der Vorsichtskasse abgedeckt werden. Wenn Y↑ dann Vorsichtskasse ↑; wenn i ↑ wird Vorsichtskasse ↓ | WS 2014/15 | Samir Kadiric 25 Theoretische Grundlagen Geldmarktgleichgewicht: Bestimmt Nominalzins und Realkasse (M/P) i,r A i0 F i1 G (M/P)0 (di/dm)0.5 ist Fläche des Dreiecks EoE1H; Elastizität (1/E m,i)(m/i)0.5; Senkung des Zinssatzes bringt diesen Wohlfahrtsgewinn plus mo x (-di) als Weiteren betragsmäßigen Wohlfahrtsgewinn (FE0HG) (M/P)1 E0 H E1 md(Y0,i) Z 0 m0 m1 M/P=m | WS 2014/15 | Samir Kadiric 26 Theoretische Grundlagen Geldwirtschaft • In einer Geldwirtschaft ist der Geldmarkt das Spiegelbild der anderen Märkte – denn alle Güterkäufe oder Einkäufe von Produktionsfaktoren erfolgen gegen Hergabe von Geld – Wenn man nur Geld- und Gütermarkt als einzige Makromärkte unterscheidet, gilt: Geldangebotsüberschuss (bzw. Nachfrageüberschuss) impliziert Güternachfrageüberschuss (Angebotsüberschuss); – Wenn man nur Geld- und Bondsmarkt unterscheidet, gilt: Geldangebotsüberschuss impliziert Nachfrageüberschusse auf Bondsmarkt (Festverzinsliche), also steigt dort Kurs während die Umlaufrendite (=fester Zins dividiert durch Kurs) bzw. Effektivzins fällt. Ist der Geldmarkt im Gleichgewicht, dann auch der Bondsmarkt im Gleichgewicht (allg. Gestetz von Walras!) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 27 Theoretische Grundlagen Geldverwendung ist Spiegel der anderen Märkte in der Geldwirtschaft Wenn Geldmarkt Angebotsüberschuss hat, dann muss der Gütermarkt (im 2-Makro-Markt-Modell) einen Nachfrageüberschuss haben; sofern Nachfrageüberschuss auf Gütermarkt zu Produktions- und Beschäftigungssteigerung und höheren Steuereinnahmen führt, kann expansive Geldpolitik der Zentralbank – sorgt für AÜ auf Geldmarkt – Realwirtschaft beeinflussen | WS 2014/15 | Samir Kadiric 28 Theoretische Grundlagen Vermögensarten • Inländisches Geld = gesetzliches Zahlungsmittel; • Bonds bzw. Staatsanleihen sind langfristige festverzinsliche Wertpapiere; Emissionsrendite = fixer Zinscoupon (z.B. 10)/100, wobei Papier zu 100 emittiert; Emissionsrendite also 10% • Umlaufsrendite von Bonds = fixer Zinscoupon dividiert durch Wertpapierkurs; wenn Wertpapierkurs sich verdoppelt, dann beträgt Umlaufsrendite 10/200=5%: Wenn Kurs steigt, sinkt Marktzins; wenn Kurs fällt, steigt Marktzins (Umlaufsrendite) • Aktien verbriefen Anteil an einem Unternehmen und Recht auf Gewinne bzw. Dividendenzahlung: Rendite = Dividenden-rendite (Dividende/Kurs)+Wachstumsrate des Kurses | WS 2014/15 | Samir Kadiric 29 Theoretische Grundlagen In einer Geldwirtwischaft ist der Geldmarkt Spiegelbild aller anderen Märkte: Denn mit Geld wird bezahlt! Reales Geldangebot ist M/P; reale Geldnachfrage md(Y, i); i ist Nominalzins. Steigt i, sinkt Geldnachfrage. Gleichgewicht, wenn M/P = hY/(h‘i); h>0, h‘>0 Geldmarkt Gesamtwirtschaftlicher Geldmarkt im System der Makromärkte Gütermarkt Arbeitsmarkt Bondsmarkt (Kreditmarkt) Devisenmarkt | WS 2014/15 | Samir Kadiric 30 Theoretische Grundlagen Zinsstrukturkurve • Bei der Kreditvergabe entscheiden Kreditgeber und nehmer (u.a.) über die Laufzeit des Kredits. • Trägt man den Zins in Abhängigkeit von der Restlaufzeit R' auf, dann ergibt sich die sogenannte Zinsstrukturkurve: mit zunehmender Laufzeit steigt der Zinssatz an. • Die Zinsstrukturkurve widerspiegelt die Reife einer Volkswirtschaft bzw. dessen Kreditmarkt. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 31 Theoretische Grundlagen Finanzmärkte • Wir unterscheiden Märkte unterschiedlicher Fristigkeit („Geldmarkt“ im bankentechnischen Sinn ist kurzfristig, 3 Monate; Interbankenmarkt. Kapitalmarkt steht für langfristigen Kreditmarkt [oder Aktienmarkt]) • U.U. economies of scale im Anleihemarkt (Größenvorteile; siehe Jumbo-Anleihe in der Eurozone, nicht realisierbar in DMZeit) • Der nominale Zins steigt mit zunehmender Anlage- bzw. Kreditlaufzeit (Halteprämie); • In Nominalzins i ist ex ante Inflationserwartung πE eingepreist. Ex post gilt Realzins r=i -π | WS 2014/15 | Samir Kadiric 32 Theoretische Grundlagen Zinsstrukturkurve • Ein einfacher Zusammenhang stellt darauf ab, dass sich aus der Zeitpräferenz – d.h. der Gegenwartsvorliebe beim Konsum – ergibt, dass längeres Warten mit dem Konsumieren, also ein relativ langer Anlagehorizont des Sparers, eine besondere Prämie verlangt. • Je länger man den Konsum verschiebt, umso höher ist die Prämie bzw. der Zins, den der Anleger verlangt. Banken verdienen einen erheblichen Teil ihrer Gewinne durch Fristentransformation: Sie nehmen kurzfristige niedrigverzinsliche Einlagen an, während sie im Aktivgeschäft zu relativ hohen Zinssätzen langfristige Kredite vergeben. Dieses einfache Grundprinzip profitabler Bankenaktivität funktioniert offenbar nicht, wenn die Zinsstruktur eine negative Steigung hätte (inverse Zinsstruktur). | WS 2014/15 | Samir Kadiric 33 Theoretische Grundlagen Zinsstruktur und Bankenprofitabilität • Je steiler die normale Zinsstrukturkurve ist, desto höher die Bankengewinne: Banken betreiben Fristentransformation und können kurzfristige Einlagen – mit niedriger Zins gewinnbringend in langfristige höherverzinsliche Kredite (Aktivgeschäft) transformieren • Inverse Zinsstruktur ist längerfristig bedrohlich für Banken, da Profitabilität bedroht; inverse Struktur führt zu Konjunkturabschwung | WS 2014/15 | Samir Kadiric 34 Theoretische Grundlagen Hinweis auf Rolle von Banken • Banken sind u.a. Finanzintermediäre; sie betrieben Fristenund Losgrößentransformation; • Bankenaufsicht (nationale und internationale Regeln); Basel I (BIZ) = 8% Eigenkapitalquote als Minimum; Basel II ging auf risikogewichtete Eigenkapitalerfordernisse über, was zu stärker risikodifferenzierten Kreditzinsen führen sollte (!!??) • Aktienmarkt: Aufnahme von Eigenkapital aus Unternehmenssicht; Anleger erhält Dividendenrendite; + ggf. Kurssteigerungsrate (realisiert?). Totalverlust denkbar! • Risikokapitalmärkte (venture capital); D gering, Problem ist Exit, d.h. Beteiligungsverkauf, der sehr rentabel sein muss für Investor (Anfangsverluste!!) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 35 Theoretische Grundlagen Finanzmärkte und Banken • Normale Zinsstruktur = Nominaler Zins nimmt mit steigender Restlaufzeit zu; da Zins i = rnormal+πerwartet (mit πerwartet für erwartete Inflationsrate) kann der Anstieg des Zinssatzes mit der Restlaufzeit auch eine im Zeitablauf steigende Inflationsrate widerspiegeln – davon wird nachfolgend aber gerade NICHT ausgegangen. Grundsätzlich werden kurz- und langfristige Laufzeiten als Substitute aus Kreditgeber- und Kreditnehmersicht betrachtet. Eine geldpolitisch induzierte Senkung des kurzfristigen Zinssatzes („Geldmarktzins“) bedeutet also – mit Zeitverzögerung – eine Senkung des mittel- und langfristigen Zinssatzes; langfristiger Zins heißt Kapitalmarktzins | WS 2014/15 | Samir Kadiric 36 Theoretische Grundlagen Zinsstrukturkurve: mit steigender Restlaufzeit steigt i i(r) Notenbankzinserhöhung verschiebt Kurve hoch; zunächst nur Einfluss auf kurzfristigen Zinssatz; aber Zinserhöhung für Kurzfristige Kredite zieht auf Nachfrageseite Substitution nach sich: Nachfrage nach langfristigen Krediten steigt! (ilang steigt also auch!) TS0 i0 B i’0 i1 A C B’ TS1 D i’1 0 A’ F R0 (short) R1 (long) C’ R2 R | WS 2014/15 | Samir Kadiric 37 Theoretische Grundlagen Inverse Zinsstruktur • Eine inverse Zinsstruktur liegt vor, wenn der kurzfristige Zinssatz höher als der langfristige Zinssatz ist. • Es wird langfristig eine Zinssenkung erwartet. • Finanzmittel werden kurzfristig bei den Banken zu hohem Zins angelegt. • Eine solche Zinsstruktur ist konjunkturpolitisch problematisch, da Investoren ihre geplanten Finanzinvestitionen zurückstellen. Kurzfristig kann dadurch die Expansion des Bruttoinlandsproduktes vermindert werden. Außerdem sinkt die Profitabilität der Banken. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 38 Theoretische Grundlagen Inverse (anormale) Zinsstruktur • Bei inverser Zinsstruktur ist der kurzfristige Zins höher als der langfristige • Ergibt sich bei erwarteter langfrist. Zinssenkung • Inverse Zinsstruktur hat zur Konsequenz, dass Investitionen zurückgestellt werden ; also konjunkturdämpfend! Mittel werden kurzfristig bei Banken zu hohem Zins angelegt! | WS 2014/15 | Samir Kadiric 39 Theoretische Grundlagen Zinsstrukturkurven: a) normaler Verlauf, b) inverse Struktur i normal invers 0 R‘ | WS 2014/15 | Samir Kadiric 40 Theoretische Grundlagen Problem inverse Zinsstruktur • Statt einer normalen Zinsstruktur, die mit wachsender Restlaufzeit eine steigende Prämie für Konsumverzicht enthält oder mit Restlaufzeit steigende Unsicherheitsprämie (ob man den Kreditbetrag in t+n+1 zurückerhält scheint stärker unsicher als in t+n), kann auch eine inverse Zinsstruktur gelten; sie kann erklärt werden über – Das Eintreten einer fallenden Zinserwartung im Kapitalmarkt (lange Laufzeit-Bereich), wobei Angebots- und Nachfragekurven im Geld- und Kapitalmarkt jeweils vom Zins i und vom erwarteten Zins iE abhängen! | WS 2014/15 | Samir Kadiric 41 Theoretische Grundlagen • Erklärung einer inversen Zinsstruktur I: Ausgangspunkt ist normale Zinsstruktur-kurve a) gegebene Zinserwartungen iK Markt für kurzfristige Kredite Markt für langfristige Kredite i‘ i0‘ SS0 E‘0 SS0 i0 DD 0 E0 DD 0 0 Q0 QK 0 Q0 QL | WS 2014/15 | Samir Kadiric 42 Theoretische Grundlagen • Erklärung einer inversen Zinsstruktur II: Fallen der langfristigen Zinserwartung; langfristiger Zins i‘ fällt tatsächlich, kurzfristiger steigt an b) sinkende langfristige Zinserwartungen iK Im Kapitalmarkt sinkt die Kreditnachfrage, das Angebot erhöht sich; im kurzfristigen Kreditmarkt: Nachfrage höher, Angebot fällt SS1 i‘ i‘0 i1 E‘0 SS1 SS0 E1 i‘1 i0 SS0 E0 E‘1 DD 0 DD 1 DD 1 DD 0 0 Q1 Q0 DD 2 QK 0 Q0 Q1 QL | WS 2014/15 | Samir Kadiric 43 Theoretische Grundlagen Langfristiger Zinssatz USA, Eurozone, Japan, UK: 1999-2012 Long-term interest rates (in %) 7 6 5 Japan 4 United Kingdom 3 United States 2 Euro area 1 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Quelle: OECD | WS 2014/15 | Samir Kadiric 44 Theoretische Grundlagen Kurzfristige Zinssätze USA, Eurozone, UK: 1999-2013 Nominal short-term interest rates Euro area (17 countries) United Kingdom United States 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 20 08 20 09 20 10 20 11 20 12 7 6 5 4 3 2 1 0 Quelle: AMECO | WS 2014/15 | Samir Kadiric 45 Theoretische Grundlagen Abbildung: Inflationsraten (Y) Inflation, consumer prices (annual % ) 5 4 3 United States 2 Germany 1 United Kingdom Japan 12 20 11 20 10 20 09 20 08 20 07 20 06 20 05 20 04 20 03 20 02 20 01 20 00 20 19 -1 99 0 -2 Quelle: Weltbank | WS 2014/15 | Samir Kadiric 46 Theoretische Grundlagen Notenbankzinssätze (US Federal Funds Rate) USA, Eurozone Quelle: www.leitzinsen.info | WS 2014/15 | Samir Kadiric Unnormale Situation in USA seit 2009 • Notenbankzinssatz liegt bei fast Null; Geldpolitik expansiv zu schalten via Senkung des Zentralbankzinssatzes – als Untergrenze der Marktzinssätze – ist unmöglich; in der Sondersituation eines Zentralbankzinssatzes nahe 0 griff man in USA 2009-2014 zum Politikansatz des Quantitative Easing (QE), bei dem die Zentralbank FED Staatsanleihen und andere Papiere ankaufte (faktisch expansive Offenmarktpolitik: FED kauft Papiere an, dadurch steigt Geldmenge); allerdings ohne Inflationseffekte, da kompensierende Maßnahmen zur Eingrenzung der Liquiditätseffekte und zudem war Geldangebotsmultiplikator gesunken: – Geldmenge M= vM‘, wobei M‘ die exogene Geldbasis der Zentralbank ist (kontrolliert von dieser) und v ist der Geldangebotsmultiplikator, auf den Zentralbank und Geschäftsbanken wirken; sinkt v, kann M‘ stark steigen, ohne Inflationseffekte; ähnlich UK 2009-14; Eurozone 2015| WS 2013/14 | Samir Kadiric 47 Theoretische Grundlagen Wechselkurs • Bei internationalem Gütertausch werden die Güterpreise durch Wechselkurse umgerechnet. Ändern sich die Wechselkurse, so ändert sich auch (c.p.) der in Auslandswährung ausgedrückte Preis der Güter. • Zwischen Wechselkurs und Außenhandel bestehen also diese wechselseitigen Beziehungen: – Die Wechselkurse beeinflussen Exporte und Importe. – Das Verhältnis von Exporten und Importen beeinflusst wiederum die Wechselkurse. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 48 Theoretische Grundlagen Wechselkurs Fallbeispiel: • Ein deutscher Computergroßhändler kauft zu unterschiedlichen Zeitpunkten Computer aus den USA. Er muss pro Computer 1.000 USD bezahlen | WS 2014/15 | Samir Kadiric 49 Theoretische Grundlagen • Angebotsüberschuss auf Devisenmarkt (infolge Rechtsverschiebung der Angebotskurve, z.B. wegen Exportsteigerung - oder wegen höherer Kapitalimporte, d.h. Ausländer kaufen Aktiva) e(€/$) SS0 SS1 E0 F e0 e1 Parität G 0 $0 $ | WS 2014/15 | Samir Kadiric 50 Theoretische Grundlagen Monatliche Entwicklung des Wechselkurses des US-Dollars gegenüber dem Euro von Oktober 2012 bis Oktober 2013 (Euro / US Dollar) Quelle: Finanzen.net | WS 2014/15 | Samir Kadiric 51 Theoretische Grundlagen Wechselkurs • Außenhandelsungleichgewichte bestehen, wenn der Wert der exportierten Güter ungleich dem Wert der importierten Güter ist. • Werden z.B. mehr Güter in Dollar exportiert als importiert, ist das Angebot an Dollar größer als die Nachfrage nach Dollar und der Dollarkurs wird sinken. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 52 Theoretische Grundlagen Offene Volkswirtschaft • P = eP* gemäß Kaufkraftparitätentheorie (KKP); wenn also bei gegebenem V bzw. V* (im Ausland) die Geldmenge im Inland schneller relativ zu Y steigt als im Ausland die Relation M*/Y*, dann verlangt Kaufkraftparitätentheorie eine Abwertung gemäß • e = P/P* (hier ist e in Preisnotierung: €/$); KKP gilt eigentlich nur für handelsfähige Güter | WS 2014/15 | Samir Kadiric 53 Theoretische Grundlagen Vermögensanlage im Inland vs. Anlage im Ausland: Gleichgewichtsbedingung gemäß Zinsparität (in- und ausländische – kurzfristige - Bonds vollständige Substitute, risikoneutrale Anleger) • Zinsparität (wenn in- und ausländische Bonds vollständige Substitute sind und vollständige Kapitalmobilität herrscht); Zins Inland sei gleich der Rendite im Ausland, die aus Summe von i* und Swapsatz [f-e]/e besteht (gedeckte Parität, was Arbitragegeschäft entspricht!) – i = i* + [f-e]/e; f ist Terminkurs, e Kassakurs €/$ – Mit eE für erwarteten Kassakurs gilt (spekulativ!): Offene Zinsparität i= i* + (eE1-e0)/e0 | WS 2014/15 | Samir Kadiric 54 Theoretische Grundlagen Zinsparität (kurzfristig) • Während die Kaufkraftparität in strenger Form – bei Freihandel – nur langfristig gilt, wird die Zinsparität jederzeit in der „gedeckten“ Form gelten: – i = i* + (f‘-e)/e, wobei f‘ der Terminkurs ist, e ist der KassaWechselkurs (f‘-e)/e heißt Swapsatz; diese Bedingung bedeutet, dass Rendite im In-l und Ausland gleich sind – Offene Zinsparität: i = i* + (E(e) – e)/e; E(e) ist erwarteter Kassakurs für Zeitpunkt t+1 | WS 2014/15 | Samir Kadiric 55 Theoretische Grundlagen Kaufkraftparität und Zinsparität • Es lässt sich zeigen, dass beide Gleichungen langfristig miteinander kompatibel sind: – Hinweis 1: Abwertungsrate der Währung = Differenz von inländischer und ausländischer Inflationsrate (nach KKP) – Hinweis 2: i = Realzins plus erwartete bzw. tatsächliche Inflationsrate (langfristig erwartete und tatsächliche Inflation gleich!) – Es gilt langfristig, dass r= r*; gilt auch wegen Direktinvestitionen | WS 2014/15 | Samir Kadiric 56 Theoretische Grundlagen Beachte Rolle von Risikoprämie (R‘) und lange Frist • Bei Risikoprämie für Inland gilt Zinsparität in der Form i = i* + aE + R‘ R‘ kann z.B. durch politische Instabilität bedingt sein Wenn Inland kleines Land ist, so ist i* exogen; die Abwertungserwartung aE hängt langfristig nach Kaufkraftparität (KKP: P=eP*) von internationalem Inflationsdifferenzial ab. Es gelte i=r+π; i*=r+π*; a= π-π* (KKP!); für R‘=0 ergibt sich dann r=r*, und zwar auch ohne Direktinvestitionsflüsse! | WS 2014/15 | Samir Kadiric 57 Theoretische Grundlagen Zinsparität versus Kaufkraftparität (T-Güter=handelsfähige; N-Güter sind nichthandelsfähig, y=Pro-Kopf-Einkommen; ge=: [de/dt]/e) • Kurzfristig gilt Zinsparität jeder Zeit (gedeckte Form), i, i* und Wechselkurse e, f kurzfristig anpassend (mit Blick auf e, f bei flexiblem Wechselkurs: i=i* +[E(e1)-e0]/e0; i=i* +[(f-e)/e] • Langfristig gilt Kaufkraftparität eP*=P bzw. (bei Freihandel; wegen Arbitrage auf Gütermärkten - seien alle Güter handelbar!); gleichgewichtiger Kurs e=P/P* bzw. ge=π-π*; ggf. kann mittelfristig erwartungsgesteuerte Abweichung vom langfristigen Gleichgewichtskurs gemäß Kaufkraftparität (KKP) erfolgen; Zinsparität konsistent mit KKP, falls i=r+π, i*=r*+ π* • KKP für Länder (mit T-Gütern, N-Gütern) mit unterschiedlichem Einkommensniveau modifiziert: PT = фePT*; ф≠1? | WS 2014/15 | Samir Kadiric 58 Theoretische Grundlagen Abwertungssatz €/$ und kurzfristige Zinsdifferenz Eurozone zu USA (Hinweis auf Zinsparität i=i*+a) 6 4 2 0 kurzfristige Zinsdifferenz Abwertungssatz Euro / US Dollar Q3 -2 0 Q4 1 0 -2 01 Q1 0 -2 0 Q2 1 1 -2 0 Q3 1 1 -2 0 Q4 1 1 -2 0 Q1 1 1 -2 0 Q2 1 2 -2 0 Q3 1 2 -2 0 Q4 1 2 -2 0 Q1 1 2 -2 0 Q2 1 3 -2 01 3 -2 -4 -6 Quelle: OECD | WS 2014/15 | Samir Kadiric 59 Theoretische Grundlagen Zinselemente: Zinspyramide (ZB=Zentralbank) Inflationserwartumg Laufzeitprämie (ggf. Währungspr.) Investorgrade-Rating zu erreichen wichtig für Land/Firmen Währungsprämie zu zahlen von Emittenten aus Ländern mit „Abwertungswährung“ Bonität des Schuldners (AAA = bestes Rating) Bankrefinanzierungskosten (ZB-Zins) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 60 Theoretische Grundlagen Vermögensobjekte • Risikoscheue Anleger wünschen hohe Rendite des Gesamtvermögens („Portfolios“) und zugleich geringes Risiko; zudem hohe Liquidität = Fähigkeit, ohne Kursverlust Vermögensobjekt zu verkaufen. Aktiva haben unterschiedliche Ertragssätze und jeweils eigene Risiken bzw. Chancen. • Wir unterscheiden Vermögensobjekte: – Finanzaktiva (Geld, inländische Bonds, ausländische Bonds) – Realkapital bzw. Aktien und Immobilien bzw. Immobilienfonds | WS 2014/15 | Samir Kadiric 61 Theoretische Grundlagen Portfoliotheoretische Analyse der Geldnachfrage: Nutzen hängt positiv ab von Rendite, negativ vom Portfoliorisiko (Varianz!) • Es gibt alternative Vermögensobjekte (Substitute in Bezug auf Rendite) • Investor bzw. Anleger strebt ein Portfolio – eine Mix der Aktiva an -, das hohe Rendite & geringes Wertverlust (s. Standardabw. der Kurse) darstellt • Vermögensarten unterliegen unterschiedlichen Entwertungsrisiken: Realkapital – also Aktien/Unternehmen und Immobilien – anders als Finanzaktiva; Realaktiva sind inflationsgesichert, da Wert in der Regel parallel zum Güterpreisniveau steigt; allerdings sind z.B. Immobilien wenig liquide | WS 2014/15 | Samir Kadiric 62 Theoretische Grundlagen Magisches Anleger-Zieldreieck Rendite (+) Liquidität (+) Risiko (-) (Varianz der Rendite) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 63 Theoretische Grundlagen Vermögensarten • Inländisches Geld = gesetzliches Zahlungsmittel; • Bonds sind festverzinsliche Wertpapiere; Emissionsrendite = fixer Zinscoupon (z.B. 10)/100, wobei Papier zu 100 emittiert; Emissionsrendite also 10% • Umlaufsrendite von Bonds = fixer Zinscoupon dividiert durch Wertpapierkurs; wenn Wertpapierkurs sich verdoppelt, dann beträgt Umlaufsrendite 10/200=5%: Wenn Kurs steigt, sinkt Marktzins; wenn Kurs fällt, steigt Marktzins (Umlaufsrendite) • Aktien verbriefen Anteil an einem Unternehmen und Recht auf Gewinne bzw. Dividendenzahlung: Rendite = Dividenden-rendite (Dividende/Kurs)+Wachstumsrate des Kurses | WS 2014/15 | Samir Kadiric 64 Theoretische Grundlagen Alternative Anlageobjekte: Aus Anlegersicht (Bondsmarkt entspricht dem Kreditmarkt): Portfolioperspektive Aus Unternehmenssicht sind Aktien und Bonds Finanzierungsalternativen; indem Zentralbank Bonds- und Aktienmarkt beeinflusst, Investitionsimpuls Vermögensobjekte Geld (Liquidität) Bonds Aktien Immobilien Zwischen Vermögensobjekten besteht mit Blick auf Rendite ein Substitutionsverhältnis, mit Blick auf Risiko sind Finanzaktiva (Geld plus Bonds) komplementär zu Realkapital (Aktien plus Immobilien). Finanzaktiva unterliegen besonders dem Entwertungsrisiko der Inflation, Immobilien bzw. Aktien (Realkapital) auch veränderten Nachfragebedingungen, aber auch physischem Zerstörungsrisiko; bei Aktien bzw. Firmen auch | WS 2014/15 | Samir Kadiric technologiebedingte Entwertung möglich [ANLEGERSICHT] 65 Theoretische Grundlagen Anlegerperspektiven gemäß Portfoliotheorie • Renditeerhöhung bei Aktivum j löst im Interesse von Maximierung des Portfolioertrags Umschichtung von k nach j aus: Anteil von j steigt! Wenn expansive Geldpolitik Zins senkt, erhöht sich z.B. die Nachfrage nach Aktien • Finanzaktiva und Realaktiva sind unter Risikoaspekten aus Sicht der Portfoliotheorie (TOBIN) komplementär: Wenn Geldbestand – z.B. wegen expansiver Geldpolitik steigt – wird daher die Nachfrage nach Realkapital steigen | WS 2014/15 | Samir Kadiric 66 Theoretische Grundlagen Nochmals Risikodiversifizierung und Rendite • Ein Portfolio wird nach Anlagearten bzw. -objekten und Währungen differenzierte Anlagestrategie wiederspiegeln. • Risikodiversifizierung z.B. am Aktienmarkt erfordert bei Kleinbetrag des Anlegers Investment in Aktienfonds, sonst mehrere Einzelfirmen, ggf. sektoral & ländermäßig gemischt; bei internationalen Anlagen ist Wechselkursrisiko zu beachten • Im Interesse der Gesamtrendite werden auch hochverzinsliche Aktiva gehalten – mit erhöhtem Risiko (z.B. schwaches Rating, Abwertungsrisiko im Anlageland = Aufwertung der eigenen Währung=Verlust; ausländischer Zinsertrag in Währung des Investors gerechnet ist dann weniger wert als zuvor! Auslandsertrag= i* +Abwertungsrate der eigenen Währung [Aufwertung bedeutet negative Abwertungsrate in %]) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 67 Theoretische Grundlagen Quantitätsgleichung als denkbare Theoriebasis der Geldpolitik • (1) MV = PY; M Geldmenge; V(i) ist Umlaufgeschwindigkeit als positive Funktion des nominalen Zinssatzes, P Preisniveau, Y reales BIP (1.1) P = V(M/Y) • (2) gM + gV = gP + gY (wenn i konstant, dann V konstant, dann gV=0) • Bei Unterbeschäftigung in Ausgangslage kann bei konstantem V eine Erhöhung von Wachstumsrate der Geldmenge zu einem Anstieg des realen Wirtschaftswachstums führen, langfristig aber zu Erhöhung der Inflationsrate | WS 2014/15 | Samir Kadiric 68 Theoretische Grundlagen Quantitätsgleichung; M V = PY • Bei gegebener Umlaufgeschwindigkeit V wirkt Erhöhung von Geldmenge M kurz- und mittelfristig auf Preisniveau P oder Output-Niveau Y (reales Bruttoinlandsprodukt) • Frage nach Transmissionsweg und zeitlicher Abfolge der Effekte: z.B. Expansion von M führt zu größerer nominaler Nachfrage auf Gütermarkt; Nachfrageüberhang, was Mehrproduktion induziert (Y steigt) und dann steigt das Preisniveau P | WS 2014/15 | Samir Kadiric 69 Theoretische Grundlagen Geldbestand und Wirtschaftsaktivität (Y ist reales Bruttoinlandsprodukt): Perspektive Fishersche Verkehrsgleichung • Haushalte bieten Produktionsfaktoren an, Unternehmen produzieren/verkaufen Güter Haushalte Geld- und Güterkreislauf Unternehmen Fishersche Verkehrsgleichung: MV = PY; mit V=V(i,…) Umlaufgeschwindigkeit V hängt vom Zinssatz und anderen Variablen ab; i = r + πE , wobei r den Realzins bezeichnet, πE die erwartete Inflationsrate bezeichnet. Der Nominalzins ist der Opportunitätskostensatz der Kassenhaltung, je höher i, desto schneller zirkuliert Geld. Bei Hyperinflation kann die tatsächliche bzw. erwartete Inflationsrate als Opportunitätskostensatz genommen werden (r irrelevant klein!) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 70 Theoretische Grundlagen Einfacher Ansatz der Geldpolitik • M V(...) = PY • In Wachstumsraten gilt für Fall eines exogenen V gM + gV = gP + gY • Nimmt man zur Vereinfachung an, dass mittelfristig V konstant sei, also gV=0, dann wirken geldpolitische Impulse – z.B. gM>0 (expansive Geldpolitik) – auf die rechte Seite der Gleichung: auf die Inflationsrate gP oder/und die Wachstumsrate des Outputs; in vollbeschäftigter Wirtschaft wird jeder Anstieg der Geldmengenwachstumsrate relativ schnell zu höherer Inflation führen; bei Unterbeschäftigung wird eher gY steigen | WS 2014/15 | Samir Kadiric 71 Theoretische Grundlagen Anmerkungen zur Fisherschen Verkehrsgleichung (Quantitätsgleichung; einfache Variante, bei der V=V(i)) • MV(i)=PY; V ist die Umlaufsgeschwindigkeit mit Dimension 1/Periode – Alternativ: M =[1/V(i)]PY, wobei 1/V:= kV bzw. Kassenhaltungskoeffizienten; kV=M/[PY] hat wegen Dimension von M, nämlich „Währungseinheiten zum Zeitpunkt x“ bzw. PY „Währungseinheiten pro Periode“ die Dimension Periode: gibt an, wie lange eine Währungseinheit als Kasse gehalten wird – M = kV(i)PY, wobei M Geldangebot, die rechte Seite Geldnachfrage bezeichnet; Geldmarktgleichgewicht! | WS 2014/15 | Samir Kadiric 72 Theoretische Grundlagen Zentralbankratsaufgabe: MV(…)=PY; statt Y ggf. Ypot • Geldmengenwachstumsrate wirkt kurz-, mittel- und langfristig auf gY bzw. gP (allerdings ist gV kurzfristig nicht konstant)! • gM+ gV = gP + gY • Wenn die Umlaufgeschwindigkeit konstant wäre und stabile Trendwachstumsrate (auf Produktionspotenzial abzustellen) gY# =2% bestünde, dann kann Ziel-Geldmengenwachstumsrate seitens ZB aus Zielinflationsrate einfach hergeleitet werden! • Da Geldpolitik kurzfristig auf Zins wirkt - expansive Geldpolitik reduziert i und damit V(i) -, wird erst mittelfristig Impuls auf rechter Seite der Gleichung wirksam! Zunächst – bei Unterauslastung bei Y (steigt!) – später bei Preisniveau P | WS 2014/15 | Samir Kadiric 73 Theoretische Grundlagen Geldpolitik und Inflation • Bei einer hohen Trendinflationsrate (gP) ist vor dem Hintergrund der Quantitätsgleichung klar, dass eine zu hohe Wachstumsrate der inländischen Geldmenge ursächlich ist: • gP = [gM + gV] - gY | WS 2014/15 | Samir Kadiric 74 Theoretische Grundlagen Hinweis auf Stabilität der Geldnachfrage • Wenn V=V(i,Y,...) eine stabile Funktion weniger Variablen ist – und V demnach kurz- und mittelfristig prognostiziert werden kann -, dann kann man wegen MV(i,Y,...) =PY eine effektive Geldpolitik betreiben und P bzw. Y systematisch zu beeinflussen versuchen; • Sofern V instabil wäre, keine systematische Geldpolitik möglich. Hier auch Entscheidung, ob M1, M2 oder M3; mit relevanter Größe V1, V2, V3=PY/M | WS 2014/15 | Samir Kadiric 75 Theoretische Grundlagen Welche Geldmengenabgrenzung bei gM? • M1= Bargeld plus Sichteinlagen – am ehesten für Transaktionszwecke gebraucht (Transaktionsgeldmenge); sie ist konjunkturpolitisch relevant. • M2=M1+Termineinlange • M3=M2+Spareinlagen(+Geldmarktfonds), was eher der Wertaufbewahrungsfunktion nahe kommt; im Zinszyklus (Phasen hoher Zinsen vs. Phasen niedriger Zinsen) kommt es zu Umschichtungen: z.B. wird zinssensibles M3 in Hochzinsphasen stark ansteigen, während M1 bei Wachstumsrate abnimmt (z.B. Bargeld wird auf Terminkonto umgeschichtet): Breite Geldmengenabgrenzung eher gut steuerbar!! | WS 2014/15 | Samir Kadiric 76 Theoretische Grundlagen Frage nach Stabilität der Geldnachfrage neuerlich • A) In 90er Jahre offenbar – laut einigen empirischen Untersuchungen Geldnachfragefunktion instabil; • B) Auch wird postuliert, dass bei niedriger Inflationsrate Geldpolitik (vs. Abwertung...)keinen signifikanten bzw. minimalen Einfluss habe; • M.E. wichtig, dass Aktienmarktrally der 90er Jahre (Aktienkurs P‘ stieg stark), als liquiditätsabsorbierend Depotumschlaghäufigkeit wuchs, zu beachten ist: Bessere Spezifikation der Geldnachfrage lässt eher Finden einer stabilen Geldnachfragefunktion erwarten!! Geldpolitische Strategie dann weiterhin sinnvoll! | WS 2014/15 | Samir Kadiric 77 Theoretische Grundlagen Volkswirtschaftlicher Geldmarkt • M = V‘ PY, wobei V‘(i):=1/V(i); dV/di>0 – M ist nominales Geldangebot; – V‘ PY ist nominale Geldnachfrage; – oder mit m(Y,i), wobei dies die reale Geldnach-frage ist; Gleichgewichtsbedingung M/P= m(Y,i); im Weiteren e Wechselkurs, * Auslandsvariable • Bei Währungssubstitution:Geldangebot M+ eθM*, wobei θ Anteil von M* in Land 1(Inland); Abwertung impliziert dann Erhöhung von P: [M+ eθM*]/V‘(i)= PY | WS 2014/15 | Samir Kadiric 78 Theoretische Grundlagen Geldpolitik und Effekte (Bonds sind festverzinsliche Anleihen) • Geldpolitik ist liquiditätsmäßige Intervention der Zentralbank – Expansive Geldpolitik bringt Senkung von Nominalzins i und Realzinssatz r; steigt M, steigt Nachfrage nach Bonds... – Vermindertes r erhöht Investition – Höhere Investition zu höherem Y via steigende gesamtwirtschaftliche Nachfrage C(...)+ I(r)+ G + Xnet(Y,Y*,q*) – Da reduziertes i zu realer Abwertung bzw. q*-Anstieg im keynesianischen Modell führt, steigt Nettoexport, daher Y | WS 2014/15 | Samir Kadiric 79 Theoretische Grundlagen Notenbank kann insbes. Zins steuern; P‘ ist Aktienkursniveau Zinssenkung und Effekte (T Steuern, A‘ Realvermögen, Realkasse m:=M/P; e nominaler Wechselkurs in €/$; A‘=m+KP‘/P) Y = C(Y-T, A‘) +I(r, m...) + G + [X(Y*, eP*/P) – q*J(Y, eP*/P)]; q*=eP*/P Notenbank-Zinssenkung Stimuliert Investition Erhöht Aktienkurs, zumal wg. Anlegersubstitution Erleichtert Staat die Finanzierung von Defizit, ggf. Steuersenkung (Y & P‘ steigen) Wirkt auf Wechselkurs (Abwertung), da Kapitalabfluss ins Ausland steigt | WS 2014/15 | Samir Kadiric 80 Theoretische Grundlagen Expansive Geldpolitik (dM/dt>0 in statischer Wirtschaft; Erhöhung von gM in wachsender Wirtschaft) wirkt... • Kurzfristig über Nominalzinssenkung (Liquiditätseffekt); Zins fällt nominal und real; Geldangebotsüberschuss wegen Geldpolitik, Wi.subjekte fragen dann verstärkt Bonds nach; Kurs steigt, Umlaufrendite bzw. Zins fällt; wenn i sinkt, dann sinkt V(i...); & es kommt zu Abwertung(dX‘>0) • Mittelfristig über Realzinssenkung bzw. höhere Investition I(r), daher dY>0: Einkommenseffekt; P‘>0, Aktienkurs steigt schon bei beginnendem dY>0; also C(Y, m+KP‘/P) steigt!... • Langfristig steigt bei Anstieg des Kapazitätsauslastungsgrades die Inflationsrate bzw. i: Inflationserwartungseffekt; di>0 wegen Inflationsanstieg heißt „Fisher-Effekt“ | WS 2014/15 | Samir Kadiric 81 Theoretische Grundlagen • Frage nach Transmissionsansatz für Geldpolitik Erhöhung von M bzw. gM in wachsender Wirtschaft Zins-, Aktienkurs-, Wechselkursreaktionen Preis- und Output- & Erwartungsreaktionen (s. auch Budgetdefizit) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 82 Theoretische Grundlagen Expansive Geldpolitik Zunächst Überschussliquidität der Banken: fließt in Finanzmärkte: Zinssenkung löst Portfolioumschichtungen aus Zinssenkung real & Aktienkursanstieg stimulieren Investitionen Zinssenkung löst reale Abwertung aus; Nettoexportplus | WS 2014/15 | Samir Kadiric 83 Theoretische Grundlagen Langfristiger Einfluss der Geldpolitik auf die Inflation, aber… • Die Geldpolitik – beeinflusst langfristig die Inflationsrate – ABER: kurzfristig spielt die Entwicklung des Kreditangebotes - Einfluss der Banken! - eine wesentliche Rolle, da neues Geld (außer Bargeld) durch Kreditvergabe der Banken in Umlauf kommt – Mittelfristig spielt auch Wechselkurs eine Rolle: Abwertung erhöht den Inflationsdruck – Mit steigendem Kapazitätsauslastungsgrad: dP/dt>0 | WS 2014/15 | Samir Kadiric 84 Theoretische Grundlagen Portfoliotheoretischer Ansatz der Geldpolitik / Transmission geldpolitischer Impulse • Aktiva als Substitute in Bezug auf Rendite betrachtet; wenn man Portfolio mit Aufteilung Aktien, Geld, Bonds 30%, 10%, 60% hat, dann wird bei Zinsanstieg ein Erhöhung des Bondsanteils erfolgen; Verminderung Anteil Realkasse, Aktien • Finanzaktiva und Realaktiva nach Tobin in Bezug auf Risiko komplementär (Risiken negativ korreliert): Wenn durch expansive Geldpolitik Finanzaktivablock steigt, erhöht sich Nachfrage nach Realkapital: „Vermögenseffekt“; falls PK/P - Tobins „Q“ - steigt, ist dies positiver Investitionsimpuls bedeutet, I(r, PK/P) erhöht sich: also Investition steigt an • Preis für existierendes Realkapital PK kann mit Aktienkurs P‘ (Aktien=Reflex von K)gleichgesetzt werden, P =Preisniveau für neuproduzierte Güter, also auch für Investitionsgüter | WS 2014/15 | Samir Kadiric 85 Theoretische Grundlagen Mechanismus bei Tobins Q:= P‘/P; dabei P‘ Aktienkursindex • Neue Kapitalgüter (Investitionsgüter) sind Substitute zu Bestandskapital, also Maschinen und Anlagen in bestehenden Firmen (repräsentiert durch Aktien); wenn P‘/P ansteigt, so haben sich Investitionsgüter relativ zu bestehendem Sachkapital verbilligt; es lohnt sich also zu investieren – Aktienmarktboom=Investitionsanstieg! • HINWEIS zu Eurozone: In €-zone sind Kapital-kosten in allen Ländern gleich, D hat früheren Vorteil niedriger Kapitalkosten aus D-MarkZeiten verloren | WS 2014/15 | Samir Kadiric 86 Theoretische Grundlagen Geldpolitische Transmissionskanäle MONETÄRE IMPULSE Rationierungseffekt Kr editmenge Wechselkurseffekt Portfolioanpassung Änderung relativer Preise und der Vermögensbestände Substitutionseffekt Erwartungseffekte Vermögenseffekt Außenbeitrag Kapitalverkehr Änderung der Ausgaben Output & Beschäftigung Preisniveau Zinsen | WS 2014/15 | Samir Kadiric 87 Theoretische Grundlagen Geld-, Kredit-, Aktien-, Güter- und Arbeitsmarkt Arbeitsmarkt Zentralbank Devisenmarkt Banken Basisgeldwachstum bzw. Geldangebot Kreditangebot Kreditnachfrage Zins i bzw. r Aktienmarkt Geldnachfrage Inflationserwartung Geldmarkt Arbeitsnachfrage Gütermarkt Produktion Y bzw. Kapazitätsauslastung | WS 2014/15 | Samir Kadiric 88 Theoretische Grundlagen NOMINALES BIP Eurozone, M1, M3 in 2012 (nach EZB) 12000 10000 8000 6000 4000 2000 0 M1 Quelle: EZB M3 nominales BIP | WS 2014/15 | Samir Kadiric 89 Theoretische Grundlagen Jährliche Wachstumsrate (Q) der Geldmenge M1 bzw. M3 (6 Q verzögert), Eurozone und Inflationsrate jährliche Wachstumsrate von M1 jährliche Wachstumsrate von M3 (verzögert um 6Q) Inflationsrate 20 06 2 0 Q1 06 2 0 Q3 07 2 0 Q1 07 2 0 Q3 08 2 0 Q1 08 2 0 Q3 09 2 0 Q1 09 2 0 Q3 10 2 0 Q1 10 2 0 Q3 11 2 0 Q1 11 2 0 Q3 12 2 0 Q1 12 2 0 Q3 13 Q1 18,00 16,00 14,00 12,00 10,00 8,00 6,00 4,00 2,00 0,00 -2,00 -4,00 Quelle: Eurostat | WS 2014/15 | Samir Kadiric 90 Theoretische Grundlagen Jährliche Wachstumsrate des realen BIPs (Eurozone) und von M1 (jeweils Quartalsdaten) 8,00 7,00 6,00 5,00 jährl. Wachstumsrate von M1 4,00 3,00 2,00 jährl Wachstumsrate des realen BIPs 1,00 0,00 2011 2011 2011 2011 2012 2012 2012 2012 2013 2013 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Quelle: Eurostat | WS 2014/15 | Samir Kadiric 91 Theoretische Grundlagen Trendwachstumsrate (gleitende Fünfjahresdurchschnitte) von M3 (um zwei Jahre verzögert), realem Bruttoinlandsprodukt und Inflationsrate, Deutschland und Frankreich Frankreich: GY, GM3(-2), GP; MA 5th order Germany: GY, GM3(-2), GP; MA 5th order 10 15 GY GM3(-2) GP GY GM3(-2) GP 8 10 6 4 5 2 1960 1970 1980 Time 1990 2000 1960 1970 1980 Time 1990 2000 | WS 2014/15 | Samir Kadiric 92 Theoretische Grundlagen Trendwachstumsrate (gleitende Fünfjahresdurchschnitte) von M3 (um zwei Jahre verzögert), realem Bruttoinlandsprodukt und Inflationsrate, USA USA: GY, GM3(-2), GP; MA 5th order 10 GY GM3(-2) GP 8 6 4 2 1960 1970 1980 Time 1990 2000 | WS 2014/15 | Samir Kadiric 93 Theoretische Grundlagen Nominalzins und Inflationsrate in Deutschland bzw. in der Eurozone (1999-2001) und in den USA Deutschland, EU-12: Langfr. Zinssatz und Inflation 10 USA: Langfr. Zinssatz und Inflation 2 4 6 4 Prozent Prozent 8 6 10 8 12 Langfr. Zinssatz Inflation 0 1960 1970 1980 2 Langfr. Zinssatz (D-alt) Inflation (D) Langfr. Zinssatz (EU-12) Inflation (EU-12) 1990 2000 1960 1970 1980 1990 2000 | WS 2014/15 | Samir Kadiric 94 Theoretische Grundlagen Realkapitalwachstumsrate, Deutschland, USA, UK, Frankreich Wachstumsrate des Realkapitalbestands 3 2 1 0 P ro z e n t 4 5 6 Deutschland Frankreich Verein. Kgr. USA 1960 1970 1980 1990 2000 | WS 2014/15 | Samir Kadiric Wachstumsrate von M1 und M3 (Jahreswerte) in Eurozone 1999-2014 | WS 2013/14 | Samir Kadiric 96 Theoretische Grundlagen • Outputlücke in ausgewählten Ländern auf Basis von Wachstumsraten: Divergenz von Output- und Potentialwachstumsrate Outputlücke 4 Outputlücke 3 2 1 0 -2 -1 Y-Y(MA 5th order), Y: Index 1995=100 2 1 0 -1 -3 -2 Y-Y(MA 5th order), Y: Index 1995=100 Verein. Kgr. USA Rep. Irland Deutschland USA Frankreich 1960 1970 1980 1990 2000 1960 1970 1980 1990 2000 | WS 2014/15 | Samir Kadiric 97 Theoretische Grundlagen Weltwährungssystem I Weltwährungssystem Dominantes Reservewährungsland WechselkursRegime: fixe vs. flexible Kurs Regeln für Zahlungsbilanzkrisen (auch Rolle von IMF) | WS 2014/15 | Samir Kadiric Besondere Rolle der IWF-Kunstwährung Sonderziehungsrechte (SZR)= Korb von Währungen ($, Yen, Euro); Rolle der AIIB • China drängt seit 2014/2015 stark darauf, dass Renmimbi als Währung in SZR aufgenommen wird; USA dagegen, fordern insbesondere als Preis größere Kapitalverkehrsliberalisierung; China geht seit 2015 in diese Richtung, macht China aber stärker abhängig von Launen des Weltkapitalmarktes • 2015: Gründung der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) (multilateral, Standort: Peking, Haupteigner ist China) wird Chinas Rolle auf internationalen Kapitalmärkten stärken; viele EU-Länder, auch Deutschland, Mitglied von AIIB, das 100 Mrd. $ Eigenkapital hat – also ggf. mehr als 2000 Mrd. $ an Projekten wohl finanzierbar, was Chinas Rolle in Asien und weltweit stärkt; AIIB hat in Europa in London seine Niederlassung, stärkt Bankenplatz London (UK hatte das zur Bedingung für Mitgliedschaft von UK in AIIB gemacht); schlecht für Frankfurt und den € | WS 2013/14 | Samir Kadiric 98 Theoretische Grundlagen Weltwährungssystem und regionale Währungsintegration IWF als globale Organisation Euro-Zone als Währungsunion bzw. Teilmenge der EU-Länder Bankenstabilität (ja oder nein!?) $ versus € (& Yen bzw. Yuan) Flexible Wechselkurse | WS 2014/15 | Samir Kadiric 99 Theoretische Grundlagen Weltwährungssystem II • USA als dominante Wirtschaftsmacht; Dollar dominiert als Anlage- und Reservewährung; • China und einige andere asiatische Länder hängen effektiv am Dollar dran; das könnte bei einer kräftigen anhaltenden $-Aufwertung große Probleme für Eurozone bedeuten (hoher Ölpreis hält US-Dollar zeitweise noch künstlich hoch); Ölkäufe sind in $ zu zahlen!! • 2014/2015 fiel jedoch Ölpreis auf unter 50 $/barrel • Abwertung des € temporär 2015 wegen QE in Eurozone | WS 2014/15 | Samir Kadiric 100 Theoretische Grundlagen Abwertungsproblem beim Dollar/Aufwertung bei Yuan • Die USA haben seit Mitte 90er Jahre eine langjährig zunehmende Leistungsbilanzdefizitquote (2004: gut 5% des USBruttoinlandsprodukts, 2013 etwa 3% = Anpassung) • 2002/03/04 Dollarabwertung um etwa 15%, was offenbar zu wenig ist, um nachhaltige Verminderung der Defizitquote zu erreichen. Relation Auslandsschuld zu BIP der USA bei etwa 25% in 2004, könnte langfristig auf deutlich über 50% ansteigen! • Beim Renmimbi (Yuan), der relativ fest an US-Dollar hängt, wäre eine Aufwertung sinnvoll, da China hohe Überschüsse im Außenhandel hat. Reale Aufwertung – ggf. nur einmalig (um 1525%) – würde Boom in China dämpfen; anderen Ländern Asiens Aufwertung zu $ erleichtern. Dies wiederum würde USDefizitproblem lösen helfen. Allerdings war in 2015 Chinas Überschussquote stark zurück gegangen | WS 2014/15 | Samir Kadiric 101 Theoretische Grundlagen Funktionen einer internationalen Währung Funktion Sektor Privat Staatlich Zahlungseinheit Rechnungsstellung Wechselkursfixierung Wertaufbewahrung Finanzielle Aktiva Währungsreserven Tauschmittel Vehikelwährung/Währungssubstitution Währungsinterventionen | WS 2014/15 | Samir Kadiric 102 Theoretische Grundlagen Anteil der Währungsreserven € versus $ Währungsreserveland • €-Anteil stieg von 18% in 1999 auf 25% in 2009 • Chinesischer Renmimbi neuer Herausforderer seit 2015 (AIIB) • Inflation gering • Stabiles Bankensystem (bei liberalem Kapitalverkehr) • Großes Land/ Handelspartner | WS 2014/15 | Samir Kadiric 103 Theoretische Grundlagen Internationale Bondemissionen nach Währungen (%) Währung Bestand 1993 1998 2000 Wertpapiere (Gesamt) US Dollar Japanische Yen Schweizer Franken Eurozone* Andere EU-Währungen+ Pfund Sterling 41,1 13,2 7,3 24,8 7,9 7,6 45,9 11,3 3,8 27,2 8,5 7,9 48,7 8,2 2,2 30,1 8,2 7,8 Anteil an Neuemissionen 1998 1999 2000 54,1 5,6 3,3 24,6 8,9 8,3 45,2 5,3 2,0 36,8 8,0 7,7 44,0 8,3 1,7 33,9 9,2 9,1 * Enthält Daten der Währungen der 11 ursprünglichen Mitglieder der Eurozone und Währungskörbe, wie dem ECU. + Enthält die Währungen von Dänemark, Schweden und Großbritannien. Quelle: Bank for International Settlements, Quarterly Review of International Banking and Financial Market Developments, March 2001. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 104 Theoretische Grundlagen Internationale Währungsreserven – Änderung und Bestand 1997 Insgesamt Industrieländer Asien 1 Lateinamerika 2 Osteuropa 3 Übrige Länder Insgesamt Reserven in Dollar Reserven in anderer Währung 1998 1999 2000 Stand Ende 2000 Mrd. US-Dollar Veränderungen zu jeweiligen Wechselkursen 56,1 55,9 129,6 139,5 -12,0 -11,3 40,7 54,5 8,5 82,2 79,1 46,4 10,9 -8,3 -8,0 2,4 4,9 5,1 0,6 21,2 43,8 8,2 17,2 15,0 Veränderungen zu konstanten Wechselkursen4 113,5 18,6 181,0 172,1 72,5 51,3 140,3 130,3 41,0 -32,1 40,7 41,8 1908,7 774,8 688,4 127,6 95,2 222,7 1908,7 1450,5 458,2 | WS 2014/15 | Samir Kadiric 105 Theoretische Grundlagen Neuere Entwicklung auf Finanzmärkten/Bankensektor (Edwards/Mishkin, 1995) • Banken mit traditioneller Rolle der Finanzintermediation: kurzfristige Einlagen in langfristige Kredite umwandeln; • Bankensystem sensibel: Vertrauenskrise bei einer Bank kann zu Systeminstabilität führen; latentes Problem, dass Bank bei sinkender Rendite dazu neigt, verstärkt riskante Geschäfte einzugehen, um Rentabilität zu stärken! Herausforderung für die Bankenaufsicht • In den USA und einigen EU-Ländern in den 80er und 90er Jahren ging die Bedeutung der Banken (ohne Sparkassen und Genossenschaftsbanken) zurück; in USA standen Banken 1974 für 35% der Kreditaufnahme von Nichtbanken, 1995 noch bei 22%; Phänomen der Disintermediation: Kapitalmärkte+, ähnlich in UK • In der Eurozone spielen Banken weiterhin große Rolle; EZB seit 2014 für Bankenaufsicht (große B.) zuständig | WS 2014/15 | Samir Kadiric 106 Theoretische Grundlagen Bankendynamik im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts (USA) • Unternehmen haben sich verstärkt über Schuldverschreibungen (u.a. hochverzinsliche junk bonds) an den Banken vorbei finanziert: 1993 Anstieg auf 60 Mrd. $ - zuvor Krise (nach MilkenSkandal) • Banken gehen verstärkt Risiken im Kreditgeschäft ein; sie sind auch verstärkt in Off-balance-sheet-Aktivitäten – z.B. Markt für Derivative – gegangen; adäquate Bankenaufsicht kann Risiken beschränken. Bankenaufsicht in USA in 2000-2008 sehr schwach, in Deutschland, Spanien, Zypern, Irland und anderen Ländern auch; bis Nov. 2014 nationale Aufsichten in EU. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 107 Theoretische Grundlagen Formen regionaler Integration • • • • • • • • Präferenzzone Freihandelszone Zollunion Gemeinsamer Markt Gemeinsame Marktordnung Wirtschaftsunion Wirtschafts- und Währungsunion Politische Union Quelle: Ohr/Theurl: Europäische Wirtschaftspolitik | WS 2014/15 | Samir Kadiric 108 Theoretische Grundlagen Ökonomische Integration Integrationsstufe der EU Freihandelszone Zollunion Wirtschaftsunion EU-Binnenmarkt Wirtschafts- und Währungsunion Politisch-Institutionelle Integration Europäische Union ? Intergouvernementale Kooperation Supranationale Kooperation Politische Union Zunehmender Grad an Integration | WS 2014/15 | Samir Kadiric 109 Theoretische Grundlagen Die vier Grundfreiheiten Artikel 23 – 60 EGV • Der freie Warenverkehr • Der freie Dienstleistungsverkehr – Niederlassungsfreiheit für Unternehmen • Der freie Personenverkehr • Der freie Kapital- und Zahlungsverkehr (Art. 56-60 EGV) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 110 Theoretische Grundlagen Effekte durch Integration (1) • Handelsschaffung und -ablenkung (Viner, 1950) • Optimierung der Ressourcenallokation • Steigerung der ökonomischen Effizienz (z.B. Kostendegression durch Massenproduktion, technischer Fortschritt) • Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt (u.a. erhöhte Angebotsvielfalt) • Eventuelle Intensivierung gemeinsamer Politiken • Law of one price | WS 2014/15 | Samir Kadiric 111 Theoretische Grundlagen Effekte durch Integration (2) • Nullsummenspiel • Positives Summenspiel • Erhöhter Koordinierungsbedarf der integrierten Partner • Gefahr der inneren Spannungen • Kampf der Wirtschaftsblöcke? • Globaler Ausblick | WS 2014/15 | Samir Kadiric 112 Theoretische Grundlagen Integration von Finanzmärkten • Aspekte der Nicht-Diskriminierung • Baele et al (2004): All market participants – “face a single set of rules when they decide to deal with financial products and/or services; – have equal access to these financial products and/or services and – are treated equally when they are active in the market.” • Lemmen (1998) unterscheidet zwischen „perfect financial integration“ und „no integration“; a matter of degree | WS 2014/15 | Samir Kadiric 113 Theoretische Grundlagen Unterschiedliche Grade an Finanzmarktintegration a) unverbundene Finanzmärkte c) vollständige Integration b) unvollständige Integration A B A C D D C A B C D | WS 2014/15 | Samir Kadiric 114 Theoretische Grundlagen Grad an Finanzmarktintegration Abbau von Barrieren Anzahl der teilnehmenden Staaten Gemeinsame Währung Gemeinsame Zentralbank Absolut Fixe Wechselkurse Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs Abbau von Kapitalverkehrskontrollen Keine Finanzintegration Perfekte Finanzintegration | WS 2014/15 | Samir Kadiric 115 Theoretische Grundlagen Effekte der Finanzmarktintegration (1) • Finanzmarktintegration bringt – Wettbewerbsintensivierung → Innovation von Finanzprodukten → Möglichkeit zur Portfoliodiversifikation steigt – Marktvergrößerung (bei economies of scale der Intermediation=sinkender Realzins) – Angleichung der Zinssätze für Emittenten gleicher Bonität bzw. bei gleicher Laufzeit (unterschiedliche Bonitäten werden jedoch durch unterschiedliche Risikoprämien eingepreist) – Welche Märkte bieten erhöhte Investitionsattraktivität (z.B. emerging markets); Widerspiegelung durch makroökonomische Indikatoren • Bei flexiblen Wechselkursen spielt kurzfristig u.a. Zinsparität i=i* + aE eine Rolle | WS 2014/15 | Samir Kadiric 116 Theoretische Grundlagen Effekte der Finanzmarktintegration (2) • Internationalisierung von (FM-)Unternehmen • Verbesserung des Investment Grades? • Erhöhter Wettbewerb → Marktkonsolidierung → Marktkonzentration → langfristig weniger Wettbewerb? • Höhere Regulation → weniger Markt • Mehr Zentralisierung in globalen FM-Unternehmen (Finanzzentren London und Frankfurt/M.) → Effiziente Entscheidungen vor Ort nicht angemessener? • Erhöhte Gefahr von Ansteckungseffekten? • Wie kontrollierbar sind die erweiterten Finanzmärkte? | WS 2014/15 | Samir Kadiric 117 Theoretische Grundlagen Effekte der Finanzmarktintegration (3) 0 starke Integration 1 schwache Integration i1/i2 i1=i2 t | WS 2014/15 | Samir Kadiric 118 Theoretische Grundlagen Integration von Finanzmärkten in der EU Stabilitäts- und Wachstumspakt Geldmarkt Devisenmärkte (u.a. $) EZB und ESZB Portfolio Allokation (AssetNachfrage) Bankensektor Andere Finanzintermediäre Anleihenmärkte Aktienmärkte Staatssektor Unternehmen Wachstumsmärkte Druck durch Basel II Traditionelle Märkte | WS 2014/15 | Samir Kadiric 119 Theoretische Grundlagen Währungs- und Finanzmarktintegration • Geld, Bonds, Aktien, Immobilien, Mobilien (Schiffe, Flugzeuge) im In- und Ausland; • Internationale Finanzmarktintegration hängt u.a. ab von Liberalisierung des Kapitalverkehrs • Volle Finanzmarktintegration bei in- und ausländische Bonds erkennbar an gleicher Höhe der Zinssätze (bei gleicher Inflation in Land I und Land II); so etwa im Goldstandard, aber auch in der Eurozone • In Eurozone (seit 1999) im Gegensatz zu DM-Zeiten besteht währungsmäßiges Diversifizierungsproblem: Anleger muss in Pfund, SFR, $, Schw.K. ausweichen | WS 2014/15 | Samir Kadiric 120 Theoretische Grundlagen Auswirkungen der Finanzmarktintegration in der Eurozone (1) Anzahl der Monetären Finanzinstitute im Euro-Währungsgebiet 1998 in % 2000 2002 2004 2006 in % 98-06 absolut 98-06 in % Kreditinstitute 8.320 84,4 7.521 6.906 6.406 6.130 80,5 -2.190 -26,3 Geldmarktfonds 1.516 15,3 1.599 1.620 1.670 1.470 19,3 -46 -3,0 20 0,2 21 18 19 16 0,2 -4 -20,0 9.856 100 9.141 8.544 8.095 7.616 100 -2.240 Zentralbanken und sonstige Finanzinstitute MFIs gesamt Quelle: EZB | WS 2014/15 | Samir Kadiric 121 Theoretische Grundlagen Auswirkungen der Finanzmarktintegration in der Eurozone (2) 1997 1997-2001 2001 2002 2006 Veränderung (in %) 2002-2006 1997-2006 Veränderung Veränderung (in %) (in %) Deutschland 17 20 20 22 15,00 10,00 29,41 Italien 25 29 31 26 13,79 -16,13 4,00 Luxemburg 23 28 30 29 17,86 -3,33 26,09 Großbritannien 24 29 30 36 17,24 20,00 50,00 Spanien 32 45 44 40 28,89 -9,09 25,00 Österreich 44 45 46 44 2,22 -4,35 0,00 Irland 41 43 46 45 4,65 -2,17 9,76 Frankreich 40 47 45 52 14,89 15,56 30,00 Schweden 58 55 56 58 -5,45 3,57 0,00 Dänemark 70 68 68 65 -2,94 -4,41 -7,14 Griechenland 56 67 67 66 16,42 -1,49 17,86 Portugal 46 60 61 68 23,33 11,48 47,83 Finnland 88 80 79 82 -10,00 3,80 Belgien 54 78 82 84 30,77 2,44 Niederlande 79 83 83 85 4,82 2,41 Asset shares of the five largest banks in the EU European -6,82 Commission Economic Papers, 55,56 No. 226 7,59 | WS 2014/15 | Samir Kadiric 122 Theoretische Grundlagen Auswirkungen der Finanzmarktintegration in der Eurozone (3) Country/ 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Year 97-03 index change Germany 114 133 140 151 158 163 173 +59 Italy 201 210 220 190 260 270 240 +39 Luxembourg 210 222 236 242 275 296 315 +105 UK 208 221 250 264 282 307 347 +139 Spain 285 329 441 581 551 529 521 +236 Austria 515 515 511 548 561 618 557 +42 Ireland 500 473 480 486 512 553 562 +62 France 449 485 509 587 606 551 597 +148 Sweden 830 790 790 800 760 800 760 -70 Portugal 577 575 566 986 991 963 1044 +467 Denmark 1431 1442 1499 863 1119 1145 1114 -317 Greece 885 1165 986 1122 1113 1164 1130 +245 Netherlands 1654 1802 1700 1694 1762 1788 1744 +90 Belgium 699 909 1518 1506 1587 1905 2065 +1366 Finland 2150 2120 1960 2050 2240 2050 2420 +270 Herfindahl index for bank´s total assets and index change European Commission Economic Papers, No. 226 | WS 2014/15 | Samir Kadiric 123 Theoretische Grundlagen Auswirkungen der Finanzmarktintegration in der Eurozone (4) Number of domestic and foreign companies listed on stock markets in the Euro area, the USA and Japan 1990 1995 1998 2000 2001 2002 1990-2000 2000-2002 Euro area 4276 5106 4546 5516 6357 6271 +29 % +14 % USA 6765 8160 8449 7851 7069 6586 +16 % -16 % Japan 1752 1791 1890 2096 2141 2153 +20 % +3 % Stock market capitalisation of the Euro area, the USA and Japan (% of GDP) 1990 1995 1998 2000 2002 2005 2006 1990-2000 2002-06 Eurozone 20 27 73 84 46 65 76 +320% +65% USA 54 94 145 155 106 139 146 +187% +38% Japan 90 74 55 72 50 107 108 -20% +116% Source: ECB | WS 2014/15 | Samir Kadiric 124 Theoretische Grundlagen Finanzmärkte und Finanzmarktintegration • Banken: Werben um (kurz- u. mittelfristige) Einlagen im Passivgeschäft; (langfristige) Kreditvergabe im Aktivgeschäft =Intermediation; USA/UK: Kredit-Verbriefung+ 90er J. • Internationalisierung der Finanzmärkte • Finanzinnovationen; z.T. Transaktionen außerhalb der Bilanz/offbalance-sheet activities; mehr Derivatgeschäfte! • Relativer Rückgang der Kreditvergabe an Unternehmen in den USA und Europa (financial disintermediation 70s,80s) • Bankensystem ist sensibel: kann bei Schocks wie Domi-nosteine zusammenfallen; zudem: bei sinkender Rendite besteht Anreiz, verstärkt in riskantere Geschäfte zu gehen, was Herausforderung für Bankenaufsicht (BAFIN..) bedeutet | WS 2014/15 | Samir Kadiric 125 Theoretische Grundlagen Währungsunion bedeutet • A) Völlig Fixierung der nominalen Wechselkurse zwischen Land I und II; oder • B) Übergang auf Gemeinschaftswährung mit gemeinsamer Zentralbank – Sowohl bei A wie bei B stellt sich die Frage, welches Wechselkurssystem man gegenüber Land III hat: Vereinfacht also Fix vs. Flexibel • Unter welchen Umständen lohnt es sich für alle beteiligten Länder, sich zu einer Währungsunion zusammenzuschließen bzw. einer bestehenden Union beizutreten? • Abwägung Vorteile bzw. Kosten/Risiken | WS 2014/15 | Samir Kadiric 126 Theoretische Grundlagen Nachhaltige Vorteile der Währungsunion • Einsparung von Transaktionskosten – und Wegfall von Kursrisiko in „Euroland“ - beim Außenhandel (Intra-Handel in Eurozone müsste relativ ansteigen!) • Schaffung eines integrierten, wettbewerbsintensiveren Kapitalmarkts (geringerer Zins i bzw. r) • Länder mit früher traditionell hoher Inflationsrate erreichten in 00/01/02 etwa Preisstabilität (Wohl-fahrts-gewinn): „Mehr Preisstabilität“ in EU als früher • Eurozone ist „grosses Land“, das internationale Unruhezeiten gut abwettern kann: €zone ist krisenfester Nationale Inflationsraten differieren, obwohl Konjunkturzyklen in €Zone stark harmonisiert | WS 2014/15 | Samir Kadiric 127 Theoretische Grundlagen Temporäre Vorteile im Anpassungsprozess zur EWU • Konvergenz zu einheitlichem nominalen Zinssatz i in allen Euro-Starterländern, wobei Konvergenz hin zum niedrigen deutschen Zinsniveau: Reale Geldnachfrage steigt (P sinkt in Land j temporär) • Für wachstumsstarke €-Länder – mit relativ hoher Inflation – ergibt sich ein niedriger Realzins r (Kapitalkosten): Investitionen steigen deutlich an • Länder mit hoher Staatsschuld profitieren (bes. Italien, Belgien, Griechenland) bei Schuldendienst | WS 2014/15 | Samir Kadiric 128 Theoretische Grundlagen Problematik / Nachteile der Währungsunion • Aufgabe der Souveränität der nationalen Notenbanken in den Bereichen: – Geldangebotsteuerung M – Festlegung der Zinssätze – Festlegung der Wechselkurse zu Drittstaaten • Unterschiedliche Wirkungsweise der Geld- und Währungspolitiken in den Mitgliedstaaten (untersch. Konjunkturzyklen) • Höhere Bedeutung der nationalen Fiskalpolitik • Unterschiedliche Absorptionsfähigkeit von Schocks • Es bleibt also unklar, ob nur geeignete Starterländer sich in der Eurozone zusammengefunden haben; weitgehend faktischer Verlust des Wechselkursinstruments und einheitliche EZB-Geldpolitik. Portugal nach Anstieg der Lohnstückkosten in 2001/02 mit Problemen – Abwertungsoption national nicht verfügbar… | WS 2014/15 | Samir Kadiric 129 Theoretische Grundlagen Problematik / optimaler Währungsraum?! Kriterien für einen optimalen Währungsraum: • Preis- und Lohnflexibilität sowie hohe Faktormobilität (Mundell) • Diversifikation der Produktion (Kenen) • Offenheitsgrad der Volkswirtschaft (McKinnon) • Homogene Präferenzen, Gemeinsame Interessen • Ohne weiteres ist gemäß Theorie optimaler Währungsräume nur McKinnon-Kriterium erfüllt: Länder mit hohem Offenheitsgrad v (hoher Anteil handelsfähiger Güter am BIP) können auf Wechselkursinstrument verzichten. Denn hohes v bedeutet, dass nach Abwertung starker Preisanstieg via verteuerte Importe, weshalb bei natürlich hohem gewerkschaftlichen Lohndruck der Abwertungsvorteil rasch weg wäre. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 130 Theoretische Grundlagen Problematik / optimaler Währungsraum?! • Starterländer nach McKINNON-Kreterium weithin ok („Vorarbeit Zollunion, Binnenmarkt“) • Währungsunion =Tendenz zu stärkerer regionaler Spezialisierung, was Probleme bei Schocks bringt – Kommt es zu technologischer Konvergenz? Dann weniger IntraEuroland-Konflikte; Konvergenz + erhöhte Spezialisierung würde Euroland anfälliger für Schocks machen • Faktormobilität steigt, aber stark asymmetrisch – bei Kapital. Dann aber ist erhöhte Lohnflexibilität gefordert; entsteht die in der Währungsunion? | WS 2014/15 | Samir Kadiric Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Prof. Dr. Paul J.J. Welfens / Samir Kadiric Schumpeter School of Business and Economics Bergische Universität Wuppertal Gaußstraße 20 42097 Wuppertal 131 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • Wichtige Meilensteine in der Entwicklung der EU • 1949: Europarat (Straßburg) • 1952: EGKS • 1957: EWG, Euratom • 1965: EG = EGKS+EWG+Euratom • 1970: Werner-Plan, EWWU in drei Stufen, wurde bald wieder verworfen • 1972: Europ. Währungsverbund • 1987: EEA • 1990: Die EWWU beginnt (erste von drei Stufen) • 1992: Europäische Binnenmarkt, Schengener Abkommen • 1999: Start der EWWU • 2004: Osterweiterung der EU • 2007: Südosterweiterung der EU | WS 2014/15 | Samir Kadiric 132 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • Die Erweiterung der EWG • 1957: Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Italien und Deutschland • 1973: Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich • 1981: Griechenland • 1986: Spanien und Portugal • 1995: Österreich, Finnland und Schweden • 2004: Zypern, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei und Slowenien • 2007: Rumänien, Bulgarien • 2012: Kroatien | WS 2014/15 | Samir Kadiric 133 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion 1950er Jahre • Mehr realwirtschaftliche als monetäre Integration • Die Verträge der EG von 1951 und 1957 sahen als primäres Integrationsziel die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes vor. Die allgemeine Wirtschafts- und Währungspolitik wurde lediglich als „Angelegenheit von gemeinsamem Interesse“ betrachtet, die unter anderem durch „Empfehlungen an die Mitgliedstaaten“ zu koordinieren sei. Der „Beratende Währungsausschuss“ wurde mit der Aufgabeeingerichtet, die Währungs- und Finanzlage der Mitgliedstaaten zu beobachten. • Eine Übertragung nationaler Zuständigkeiten für die Geld- und Währungspolitik und damit zentraler politischer Befugnisse auf eine supranationale Institution erschien damals noch nicht möglich. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 134 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • Das ist Bretton Woods | WS 2013/14 | Samir Kadiric 135 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • Bretton Woods (1) • Die Finanz- und Währungskonferenz der Vereinten Nationen fand 1944 im amerikanischen Bretton Woods statt; dort wurden die Gründung der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Keimzelle der Weltbankgruppe) und des Internationalen Währungsfonds beschlossen. Das auf der Konferenz gleichfalls vereinbarte System fester Wechselkurse wurde 1973 aufgegeben, nachdem die USA die Goldeinlösungspflicht für den Dollar widerrufen hatten. • Zwischen 1958 und 1973 galt das Bretton-Woods-System fester Wechselkurse, bei dem die westeuropäischen Währungen mit einer festen, grundsätzlich anpassbaren, Parität an den US-Dollar gebunden waren. Dieser stand seinerseits in einer festen Relation zum Gold (die Gold-Parität des Dollars wurde aber bereits 1971 von Präsident Nixon aufgehoben). Die Partnerländer der USA waren gehalten, über Interventionen auf dem Devisenmarkt den Dollar gegebenenfalls zu stützen. D.h. wenn der Dollar unter die Paritätslinie fiel bzw. wenn eine Dollar-Abwertung drohte, musste z.B. die Deutsche Bundesbank intervenieren, also Dollar ankaufen. Dadurch stiegen die Währungsreserven an, zugleich kam es zu einer, meist unerwünschten, Erhöhung der inländischen Geldmenge. Für die auf Preisniveaustabilität ausgerichtete Bundesrepublik Deutschland waren hohen Stützungskäufe zugunsten des Dollars in den späten 60er und frühen 70er Jahren ein erhebliches stabilitätspolitisches Problem. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 136 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • Bretton Woods (2) • Internationales Währungssystem nach dem zweiten Weltkrieg bis Anfang der 70er Jahre. Benannt nach einem am 27. 7. 1944 in der Stadt Bretton Woods im US Bundesstaat New Hampshire unterzeichneten internationalen Abkommen, welches eine umfassende Neuordnung der Weltwirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg anstrebte. Das B-W-System ist als Reaktion auf die durch Abwertungswettläufe und Protektionismus gekennzeichnete Periode zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg zu verstehen. • Ziel war eine reibungslose und von Handelsbarrieren befreite Abwicklung des Welthandels unter engen Schwankungsbändern der Wechselkurse (Zielzonen-System). Konzipiert nach dem Gold-Devisen Standard mit dem US Dollar als Leitwährung. • Kernbestandteile des in Bretton Woods vereinbarten Währungssystems waren: – – – – Festlegung einer Parität von 35 US Dollar pro Unze Gold und Verpflichtung der USA zum An- und Verkauf von Dollar zu diesem Preis, Festlegung der Wechselkurse (Paritäten) der übrigen Währungen gegenüber dem US Dollar, Verpflichtungen der Notenbanken dieser übrigen Währungen, die Wechselkurse innerhalb einer Bandbreite von 1 Prozent um diese Paritäten zu stabilisieren, – die Möglichkeit der Veränderung der Paritäten im Falle von fundamentalen Zahlungsbilanzproblemen einzelner Länder (Realignments) und schließlich – die Errichtung des internationalen Währungsfonds (IWF) zur internationalen Kreditgewährung bei vorübergehenden Zahlungsbilanzproblemen. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 137 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • Bretton Woods (3) • Das Bretton Woods Währungssystem brach in den 70er Jahren zusammen. • Erstens aufgrund des Sachverhaltes, dass eine nationale Währung (US-Dollar) zugleich als letztes internationales Zahlungsmittel fungierte. Das Leitwährungsland, die USA, war bei der Wahl seiner nationalen Geld- und Finanzpolitik von außenwirtschaftlichen Zwängen befreit. Seine Politik hat aber gravierende Rückwirkungen auf alle anderen Länder, es bestimmt dadurch nämlich die Entwicklung der Inflationsraten aller anderen Länder. Sollte die internationale Liquiditätsversorgung nicht zu knapp werden, so war das Leitwährungsland geradezu zu einer defizitären Leistungsbilanz gezwungen. Wollten andere Länder über eine längere Periode hinweg mehr Leistungen importieren, als exportieren, so mussten sich diese Länder die hierzu erforderlichen Devisenreserven erst einmal verdient haben. In sofern spaltete das Bretton Woods System die Staaten in zwei Gruppen: die USA und den Rest der am System beteiligten Welt. • Ein zu hohes Defizit des Leitwährungslandes führt andererseits zu Weltinflation. Die USA verfolgten gegen Ende der 60er Jahre – u. a. bedingt durch den Vietnam Krieg – eine inflationäre Politik (Grund: öffentliche Haushaltsdefizite, expansive Geldpolitik), und waren nur sehr beschränkt zur Goldkonvertibilität des US-Dollar bereit. Die anderen Länder aber waren umgekehrt nicht mehr bereit, die so entstandene Inflationsrate der USA zu akzeptieren, wozu das Festkurssystem sie gezwungen hätte bzw. die Leistungsbilanzdefizite der USA durch eigene Leistungsbilanzüberschüsse zu finanzieren. Folge war der Zusammenbruch des Systems. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 138 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • Bretton Woods (4) • Das zweite Problem war die zögerliche Anpassung der Paritäten, auf Veränderungen fundamentaler wirtschaftlicher Einflussfaktoren in den einzelnen Ländern (u. a. Goldunter- bzw. Dollarüberdeckung), die dem System keine Glaubwürdigkeit verleihen konnten. Als Resultat entstanden destabilisierende Spekulationen, und nach einigen Versuchen, das System mit Veränderungen der Paritäten (Realignment) und/oder erweiterten Bandbreiten zu retten, kam Anfang der 70er Jahre der Zusammenbruch des B.-W.-S. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 139 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • 1960er Jahre • Im Jahr 1962 machte die Europäische Kommission im Rahmen ihres Aktionsprogramms für die zweite Stufe der Zollunion erstmals Vorschläge zur Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion. Das Festkurssystem von Bretton Woods und die vorteilhaften Wirkungen der Wechselkursstabilität für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes waren aber damals noch intakt. Aus diesem wie auch aus politischen Gründen waren die Mitgliedstaaten damals nicht bereit, diese Vorschläge der Europäischen Kommission aufzugreifen. 1964 kam es jedoch zur Gründung des „Ausschusses der Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ („Gouverneursausschuss“), dem bei der Koordinierung der Geld- und Währungspolitik in der Gemeinschaft eine wichtige Rolle zufallen sollte. • Im Verlauf der zunehmenden Spannungen im Weltwährungssystem, die auch die Gemeinschaft in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre erfassten und mit erheblichen Eingriffen in den freien Waren- und Kapitalverkehr einhergingen, erschien eine engere wirtschafts- und währungspolitische Zusammenarbeit in Europa immer dringlicher. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 140 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • 1970er Jahre (1) • Anknüpfend an ein neues Memorandum der Europäischen Kommission vom Februar 1969 („Barre-Plan“) entwickelte deshalb eine Arbeitsgruppe unter Leitung des damaligen Iuxemburgischen Ministerpräsidenten Werner einen Plan zur Gründung einer WWU („Werner-Plan“). Auf der Grundlage dieses Plans verabschiedete der Rat im März 1971 eine Grundsatzentscheidung über die stufenweise Verwirklichung der WWU bis zum Jahr 1980. Diese Entscheidung konzentrierte sich auf die Maßnahmen für die erste Stufe und ließ damit wesentliche Teile des von der Werner-Gruppe vorgeschlagenen Konzepts – so insbesondere auch die konkrete Ausgestaltung der Zwischen- und Endstufe – offen. • Offiziell ist der Plan am 22. März 1971 in Kraft getreten und sah folgende Stufen vor: – Beschränkungsfreies Personen-, Güter-, Dienstleistungen- und Kapitalverkehr zwischen Mitgliedsländern – Schaffung einer Wechselkursunion mit absolut festen Wechselkursen ohne Bandbreiten – Wichtige wirtschaftspolitische Befugnisse sollten von der nationalen auf die Gemeinschaftsebene übertragen werden. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 141 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • 1970 Jahre (2) • Die Zentralbanken der EG-Mitgliedstaaten wurden ersucht, die Wechselkursschwankungen zwischen ihren Währungen schon ab 1. Januar 1971 (Beginn der ersten Stufe der WWU nach dem Werner-Plan) versuchsweise in einer maximalen Bandbreite von ± 1,2 % zu halten. Diese Bandbreite sollte durch aufeinander abgestimmte Dollar-Interventionen verteidigt werden. • Die Dollarkrise von 1971 verhinderte jedoch die Umsetzung dieser Entschließung des EG-Ministerrats. Einige Länder, unter ihnen die Bundesrepublik, gaben die feste Bindung an den Dollar vorübergehend auf und ließen ihre Währungen frei schwanken. Mit dem Washingtoner Währungsabkommen vom Dezember 1971 („Smithsonian Agreement“) wurde auf internationaler Ebene der Versuch einer Wiederherstellung stabiler Wechselkursbeziehungen unternommen. Für die EG hatte dieses Übereinkommen jedoch den Nachteil, dass – durch die allgemeine Erweiterung der Bandbreiten auf ± 2,25 % gegenüber dem Dollar – der Spielraum für Wechselkursschwankungen zwischen den EG-Währungen auf ± 4,5 %, beziehungsweise auf 9 %, wenn man vom Extremfall einer völligen Umkehr der Positionen im Zeitverlauf ausgeht, gestiegen war. Diese Ausdehnung der Margen und ihre Konsequenzen etwa für die EG-Agrarpolitik gaben Bestrebungen neuen Auftrieb, im EG-Raum eine Sonderregelung mit engeren Bandbreiten zu schaffen. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 142 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • 1970er Jahre (3) • Am 21. März 1972 verabschiedete der EG-Ministerrat eine Entschließung, mit der unter anderem die Errichtung des Europäischen Wechselkursverbunds und des Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit (EFWZ) beschlossen wurde. Im Wechselkursverbund sollten sich die EG-Mitgliedstaaten dazu verpflichten, ihre Währungen untereinander nur innerhalb einer Bandbreite von ± 2,25 % schwanken zu lassen. Gegenüber Drittwährungen – vor allem dem 1973 freigegebenen Dollar – konnten sich die verbundenen europäischen Währungen frei bewegen. Die Entschließung des Ministerrats wurde durch das Basler Abkommen zwischen den EG-Notenbanken vom 10. April 1972 konkretisiert und am 24. April 1972 in Kraft gesetzt. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 143 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • 1970er Jahre (4) • Die ersten Erfahrungen mit der Stabilisierung der innergemeinschaftlichen Wechselkurse zeigten, dass ein System fester Wechselkurse auf Dauer nur zwischen Ländern mit einer ausreichend konvergenten Wirtschaftsentwicklung und wirtschaftspolitischen Grundorientierung funktionieren kann. In ihrer „Bilanz der ersten Stufe“ vom April 1973 kam die Europäische Kommission daher zu dem Ergebnis, dass die geplanten Integrationsfortschritte nur teilweise verwirklicht worden waren. Sie hielt es insbesondere für erforderlich, echte wirtschaftspolitische Befugnisse auf die Gemeinschaftsorgane zu übertragen. Da aber die Mitgliedstaaten dazu nicht bereit waren, konnte eine Entscheidung über den Eintritt in die zweite Stufe der WWU nach dem Werner-Plan nicht getroffen werden. • Letztlich scheiterte das damalige WWU-Projekt jedoch an grundlegenden Meinungsunterschieden über die mit der WWU zu verfolgenden Ziele. Hinzu kamen unterschiedliche wirtschaftspolitische Reaktionen der Länder auf die erste Ölkrise und die fehlende Bereitschaft, sich einem gemeinsamen Stabilitätsziel zu unterwerfen. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 144 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • 1970er Jahre (5) • Durch Austritte aus dem Wechselkursverbund war die Gemeinschaft Ende 1978 wechselkurspolitisch in zwei Gruppen gespalten: einen Hartwährungsblock um die D-Mark mit den Benelux-Währungen und der dänischen Krone, dem die übrigen vier frei schwankenden Währungen gegenüberstanden, wobei das irische Pfund mit einer festen Parität an das Pfund Sterling gebunden war. Um der Gefahr einer Desintegration zu begegnen, wurde die konjunkturelle Stabilisierung in der EG in den Jahren 1977 und 1978 zum Anlass genommen, ein auf die gesamte Gemeinschaft anwendbares Konzept der währungs- und insbesondere wechselkurspolitischen Zusammenarbeit zu entwickeln. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 145 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion 1970er Jahre (6) • Diese Bemühungen führten im Frühjahr 1979 zur Schaffung des Europäischen Währungssystems. Das Europäische Währungssystem (EWS) stellt eine Weiterentwicklung des Europäischen Wechselkursverbundes dar, da die Bandbreitenregelung, die Interventionsverpflichtungen und andere wesentliche Elemente des Wechselkursverbundes übernommen wurden. Die Konzeption des Wechselkursmechanismus des EWS (oder WKM I) besteht aus folgenden wesentlichen Elementen: − aus einem bilateralen Paritätengitter und maximalen Schwankungsmargen von ± 2,25% um die Leitkurse der teilnehmenden Währungen. − Relativ feste Wechselkurse mit Interventions-/Wechselkursmechanismus − Die Europäische Währungseinheit ECU (Währungskorb der 11 EU-Währungen mit periodischer Festlegung der Anteile einzelner Währungen) − Das Europäische Währungsinstitut (EWI), 1994-1999, ersetzte den EFWZ und den EG-Notenbankgouverneursausschuss | WS 2014/15 | Samir Kadiric 146 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • 1980er Jahre • Dieser Erfolg des EWS hat dazu beigetragen, dass der Gedanke der WWU ab Mitte der achtziger Jahre eine Renaissance erlebte. Die Kommission stellte im Juni 1985 in einem „Weißbuch“ erstmals die zur Vollendung des Binnenmarktes erforderlichen Maßnahmen zusammen. Diese Bemühungen führten zur „Einheitlichen Europäischen Akte“ (EEA), die am 17. beziehungsweise 28. Februar 1986 in Luxemburg unterzeichnet wurde. Sie trat nach der Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten am 1. Juli 1987 in Kraft und stellte die erste grundlegende Reform des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGVertrag) dar. Von besonderer Bedeutung dabei war die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, den Binnenmarkt bis Ende 1992 zu vollenden. Ferner wurde mit der EEA erstmals die Europäische Union als Endziel der europäischen Integration konkret ins Auge gefasst. Auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Währungspolitik verpflichtete die EEA die Mitgliedstaaten außerdem zu einer verstärkten Zusammenarbeit, um die für die Weiterentwicklung der Gemeinschaft erforderliche Konvergenz zu erreichen. • Im Juni 1988 beauftragte der Europäische Rat eine Arbeitsgruppe mit der Prüfung der konkreten Etappen zur Verwirklichung der Europäischen Union. Als Ergebnis legte die Arbeitsgruppe, der unter Vorsitz von Kommissionspräsident Delors die EG-Notenbankpräsidenten und drei unabhängige Experten angehörten, im April 1989 einen Bericht vor („Delors-Bericht“), in dem die Realisierung der WWU in drei Stufen vorgeschlagen wurde. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 147 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • Drei Stufen zu EWWU – Stufe 1 • Die Erste Stufe oder die Vorbereitungsphase begann am 1. Juli 1990 und dauerte bis zum 31. Dezember 1993. Die Ziele dieser Phase waren die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes sowie die Liberalisierung des Kapitalverkehrs. Außerdem war vorgesehen, dass die Währungen aller Europäischen Mitgliedstaaten an dem Wechselkursmechanismus (WKM I) des Europäischen Währungssystems (EWS) teilnehmen sollten. Darüber hinaus wurde eine bessere Abstimmung und Koordinierung der Geldpolitiken angestrebt. • Die Barrieren zum freien Kapitalverkehr der EU-12-Länder werden abgebaut. Der Rat empfiehlt die Preisstabilität als oberstes Ziel anzuerkennen und stets darauf hin zu arbeiten. • Der Vertrag von Maastricht wird im Februar 1992 unterzeichnet und tritt im November 1993 in Kraft. • Protokolle zum Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) und zur Europäischen Zentralbank (EZB) und zum Europäischen Währungsinstitut (EWI) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 148 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • Drei Stufen zu EWWU – Stufe 2 • Die Zweite Stufe, die Konvergenzphase, begann dementsprechend am 1. Januar 1994 und dauerte bis zum 31. Dezember 1998. Das vorrangige Ziel dieser Phase war es die wirtschaftliche und die monetäre Konvergenz zwischen den EUMitgliedsländern zu fördern. Die Erfüllung verschiedener Kriterien und Voraussetzungen war vorgesehen. Entscheidend dafür waren die so genannten Maastrichter Konvergenzkriterien! • Das EWI wird gegründet. Die Hauptaufgaben sind: − Stärkung der Zusammenarbeit der nationalen Zentralbanken und in der Geldpolitik − Vorbereitung zur Gründung des ESZB − Entwicklung einer gemeinsamen Geldpolitik − Vorbereitung zur Erstellung einer gemeinsamen Währung − Erarbeitung eines neuen Wechselkursmechanismus (EWS II) • Der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) wird verabschiedet. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 149 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion • Drei Stufen zu EWWU – Stufe 3 • Die dritte Stufe, die Währungsunion, begann zum 1. Januar 1999. Von den 15 Mitgliedsländern kamen elf in die dritte Stufe, Griechenland konnte schließlich am 1. Januar 2001 beitreten. Es folgte eine unwiderrufliche Festlegung der Wechselkurse und die Einführung des Euro als Recheneinheit (1 EURO musste gleich 1 ECU sein). Euro wurde parallel zu nationalen Währungen eingeführt ist aber seit 1. Juli 2002 als alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel im Verkehr. Die nationale Geldpolitik wurde auf das Gemeinschaftsniveau, bzw. auf das Eurosystem angehoben. Nach ihrer Gründung im Juli 1999 übernahm die Europäische Zentralbank volle geldpolitische Verantwortung, somit wurde zwischen den beteiligten Ländern unwiderruflich eine Währungsunion etabliert. Mit dem Beginn der dritten Stufe wurde das EWS I beendet und vom Europäischen Währungssystem II (EWS II) abgelöst. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 150 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Maastrichter Konvergenzkriterien • K1(K2): Inflationsrate (Zins) höchstens 1,5 (2) Prozentpunkte über den drei Ländern mit niedrigster Inflation • K3: Defizitquote [staatliche Neuverschuldung relativ zu Bruttoinlandsprodukt]<3% • K4: Schuldenquote [Staatsschuld/BIP]<60% • K5: Wechselkurs 2 Jahre ohne Abwertung • K6: Nationale Notenbank politisch unabhängig | WS 2014/15 | Samir Kadiric 151 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Maastrichter Konvergenzkriterien: Stand der Konvergenz in den Mitgliedsstaaten vor dem Euro-Start Inflation HVPI (a) Finanzlage der öffentlichen Hand Bestehen eines übermäßigen Defizits(b) Januar 1998 Defizit (in % des BIP) (c) 1997 Schuldenstand (in % des BIP) 1997 Veränderung gegenüber dem Vorjahr 1997 Referenzwert B DK D EL E F IRL I L NL A P FIN S UK EUR 3 2,7 (e) 1,4 1,9 1,4 5,2 1,8 1,2 1,2 1,8 1,4 1,8 1,1 1,8 1,3 1,9 1,8 1,6 ja Nein ja Ja ja ja Nein ja Nein Nein ja ja Nein ja ja (g) (g) (g) (g) (g) (g) (g) (g) (g) 2,1 -0,7 2,7 4,0 2,6 3,0 -0,9 2,7 -1,7 1,4 2,5 2,5 0,9 0,8 1,9 2,4 1996 Wechselkurse Langfrist. Zinssätze Teilnahme am WKM (d) März 1998 Januar 1998 1995 60 122,2 65,1 61,3 108,7 86,8 58,0 66,3 121,6 6,7 72,1 66,1 62,0 55,8 76,6 53,4 72,1 7,8 (f) -4,7 -5,5 0,8 -2,9 -1,3 2,4 -6,4 -2,4 0,1 -5,0 -3,4 -3,0 -1,8 -0,1 -1,3 -0,9 -4,3 -2,7 2,4 1,5 4,6 2,9 -9,6 -0,2 0,7 -1,9 0,3 -0,9 -0,4 -0,9 0,8 2,0 -2,2 -4,9 7,8 0,7 2,9 4,2 -6,8 -0,7 0,2 1,2 3,8 2,1 -1,5 -1,4 3,5 3,0 ja ja ja ja (h) ja ja ja ja (j) ja ja ja ja ja (k) nein nein 5,7 6,2 5,6 9,8 (i) 6,3 5,5 6,2 6,7 5,6 5,5 5,6 6,2 5,9 6,5 7,0 | WS 2014/15 | Samir Kadiric 6,1 152 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Die Konvergenzkriterien • Wie kann man den ‚Erfolgsgrad‘ der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion messen? • Wurde unter dem Einfluss der EWWU entsprechend Konvergenz hinsichtlich einschlägiger makroökonomischer Indikatoren von den einzelnen Mitgliedsländern erreicht? | WS 2014/15 | Samir Kadiric 153 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Konvergenzkriterium: Inflationsrate 25,00 20,00 15,00 10,00 5,00 0,00 1980 1985 1990 1995 2000 -5,00 Eurozone Quelle: AMECO Germany Italy France Netherlands Spain | WS 2014/15 | Samir Kadiric 154 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Konvergenzkriterium: Staatsverschuldung 1996 1999 2002 2004 2006 1999-2006 6,2 6,2 7,5 7,5 7,5 21% Irland 74,1 52,4 32,6 29,9 25,1 -52% Dänemark 65,0 52,6 47,2 42,7 28,6 -46% Finnland 57,1 47,1 42,5 45,1 39,1 -17% Spanien 68,0 63,5 55,0 48,9 39,7 -37% Großbritannien 52,6 46,0 38,3 41,6 43,7 -5% Schweden 76,0 65,5 52,4 51,2 46,5 -29% Niederlande 75,3 63,8 52,6 55,7 50,2 -21% Österreich 63,9 64,9 66,7 65,2 n.a. n.a. Frankreich 57,1 58,6 59,0 65,6 64,6 10% Portugal 63,6 56,8 58,5 61,9 67,4 19% Deutschland 59,8 61,1 60,9 66,0 68,0 11% Eurozone 75,2 72,2 69,5 71,3 69,6 -4% Belgien 128,3 114,4 105,4 95,6 87,7 -23% Griechenland 111,3 104,4 112,2 110,5 104,1 0% Italien 122,1 114,9 108,0 105,8 107,6 -6% Luxemburg Quelle: EZB Jahresberichte | WS 2014/15 | Samir Kadiric 155 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Konvergenzkriterium: Staatshaushalte(-defizit) 2004 2005 2006 -1,1 -1,0 -1,5 Irland 1,5 1,1 2,3 Dänemark 2,7 4,9 4,1 Finnland 2,3 2,7 2,9 Spanien -0,2 1,1 1,4 Großbritannien -3,2 -3,3 -2,8 1,8 3,0 3,0 Niederlande -1,8 -0,3 0,1 Österreich -1,2 -1,5 n.a. Frankreich -3,7 -2,9 -2,7 Portugal -3,2 -6,0 -4,6 Deutschland -3,7 -3,2 -2,1 Eurozone -2,8 -2,4 -2,1 0,0 -2,3 0,0 Griechenland -7,8 -5,2 -2,6 Italien -3,4 -4,1 -5,7 Luxemburg Schweden Belgien Quelle: EZB Jahresberichte | WS 2014/15 | Samir Kadiric 156 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Konvergenzkriterium: Langfristige Zinssätze (10 Jahre Laufzeit) 14 12 10 8 6 4 2 0 1993 1994 1995 1996 Eurozone Quelle: Ameco 1997 Germany 1998 Italy 1999 Frankreich 2000 2001 Netherlands 2002 2003 2004 Spain | WS 2014/15 | Samir Kadiric 157 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Konvergenzkriterium: Kurzfristige Zinssätze (3 Monate Laufzeit) 25,00 20,00 15,00 10,00 5,00 0,00 1980 1985 Eurozone Quelle: Ameco 1990 Germany 1995 Italy France 2000 Netherlands Spain | WS 2014/15 | Samir Kadiric 158 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Inflation (HICP) in der Eurozone Referenzwert Quelle: ECB Statistical Data Warehouse | WS 2014/15 | Samir Kadiric 159 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Übergang zur Einheitswährung (1) • Es muss ein Umtauschkurs festgelegt werden – ACHTUNG: Euroeinführung ist keine Währungsreform, da keine Entwertung!: • Wenn der Umrechnungskurs „zu hoch“ ist, dann ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit bzw. Exportdynamik und Vollbeschäftigung gefährdet (BRD?); oder, falls zu niedrig kann das Exportplus zu hoch sein (denn: 2 Jahre keine Abwertung vor dem Eurostart) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 160 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Übergang zur Einheitswährung (2) • Kurs des Euro zum Dollar! • Auf Wechselkurs wirken verschiedene Faktoren ein – Z.B. relative Zinshöhe (i/i*); Anstieg von i führt zu erhöhtem euroländischen Kapitalimporten, also Aufwertung des Euros gegenüber dem Dollar; – Wechselkurserwartung (Abwertungserwartung beim Euro stimuliert Kapitalexport der Eurozone) – Leistungsbilanzposition der USA bzw. der Eurozone; sofern USA hohe Defizitposition hat, wird Euro längerfristig aufgewertet | WS 2014/15 | Samir Kadiric 161 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Übergang zur Einheitswährung (3) • Konvergenz zu einheitlichem nominalen Zinssatz i in allen Euro-Starterländern, wobei Konvergenz hin zum niedrigen deutschen Zinsniveau: Reale Geldnachfrage steigt (P sinkt in Land j temporär) • Für wachstumsstarke €-Länder – mit relativ hoher Inflation – ergibt sich ein niedriger Realzins r (Kapitalkosten): Investitionen steigen deutlich an! • Länder mit hoher Staatsschuld profitieren (bes. Italien, Belgien, Griechenland) bei Schuldendienst | WS 2014/15 | Samir Kadiric 162 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Übergang zur Einheitswährung (4) • Es kam in der unmittelbaren Phase vor Euro-Start zu einer Nominalzinskonvergenz in den als €-starterkandidaten angesehenen Ländern: Einmalige Wertpapierkursgewinne in den Ländern mit früher hoher Inflation (Zins sinkt bis auf DMNiveau, umlaufende Papiere mit hohem Zinscoupon werden wertvoller) • Staat profitiert in „Inflations- bzw. Ex-Abwertungsländern“ mit sinkendem Zins davon, dass der Schuldenbestand – abhängig von (kurzer) Laufzeit zu reduziertem Zins refinanziert werden kann; Staat kann Steuern senken | WS 2014/15 | Samir Kadiric 163 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Übergang zur Einheitswährung (5) • Inflationsländer, die €-Kandidatenländer sein wollten, mussten durch restriktive Geldpolitik die Inflationsrate drücken, was zu erhöhter Arbeitslosigkeit führte • Anpassungsbedarf bei Erwartungsbildung bzw. Tarifvertragsparteien, anderen Marktakteuren • Risikoprämie bei Ex-Abwertungsländern (z.B. Italien, Spanien) entfiel kurz vor €-Start, Realzins sank – dies fördert Investitionen und stimuliert Börse | WS 2014/15 | Samir Kadiric 164 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Übergang zur Einheitswährung (6) - Kapitalexport in Drittländer steigt • Da innerhalb der Eurozone z.B. aus deutscher Sicht keine hochverzinslichen Staatsanleihen (wie früher in Italien) verfügbar sind, werden renditeorientierte Kunden verstärkt in riskante hochverzinsliche Industrieobligationen gehen; oder verstärkt außerhalb der €-Zone investieren (währungsmäßig diversifizieren). Es profitieren emerging markets, UK und ggf. USA, ggf. $-Aufwertung als einmaliger Anpassungseffekt!!! | WS 2014/15 | Samir Kadiric 165 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Übergang zur Einheitswährung (7) - endogene Marktstruktur • Die Schaffung des Euros führt zu mehr Markttransparenz und wettbewerbsintensiveren größeren Märkten in der Eurozone • Herausbildung größerer Unternehmen, wobei in Industrie mit economies of scale mehr statische Massenproduktionsvorteile realisiert • Größere Bondsmärkte für €-denominierte Wertpapiere (Jumboemissionen leichter!) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 166 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Übergang zur Einheitswährung (8) Euro als wertstabiles Transaktionsmittel (€ Bargeld: 2002) Euro als Recheneinheit (seit 1999) € als Wertaufbewahrungsmittel in Eurozone (z.T. Währungsreserve) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 167 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Übergang zur Einheitswährung (9) Produktions- und Beschäftigungseffekte – abhängig von Konversionskurs Endogene Marktstruktureffekte in Eurozone Erhöhter Kapitalexport in Drittlände(u.a. wegen Portfoliodiversifizierung) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 168 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Stabilitäts- und Wachstumspakt (1) • Welche Regeln müssen die Länder der Eurozone einhalten? • Hier begegnen uns zwei bekannte (fiskalpolitische) Kriterien aus dem Katalog der Maastrichter Konvergenzkriterien | WS 2014/15 | Samir Kadiric 169 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Stabilitäts- und Wachstumspakt (2) • Ziele: – Schutz vor Inflation: Historische Erfahrung & empirische Analyse – Länder mit hoher Schuldenquote neigen zu Inflationspolitik (nichtantizipierte Inflation – bzw. geringer r -entwertet Realwert d. Staatsschuld) – Vermeidung von Bail-out-Problem, d.h. dass reiche EU-Länder für arme Länder mit übermäßiger Verschuldung den Schuldendienst übernehmen müssen (Problem ist, dass nationale Geldpolitik nach EZB-Start hohe nationale Defizite insbes. kleiner Länder nicht sanktionieren kann!) – Externe Stabilität des Euros sichern – Konjunkturpolitische Symmetrie mit Überschuss im Aufschwung und Defiziten bei schwacher Wirtschaftsentwicklung bzw. Rezession. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 170 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Stabilitäts- und Wachstumspakt (3) • Der Stabilitäts- und Wachstumspakt entstand primär auf Drängen von Deutschland im Jahr 1997 und wurde von den EU-Ländern verabschiedet, damit die Fiskal-Konvergenzkriterien auch noch nach dem Euro-Start gelten (BRD: u.a. Furcht vor BailoutProblem mit Blick u.a. auf Italien mit Schuldenquote von über 100%). • Mehr als 3% Defizitquote nur erlaubt, wenn Y um mehr als 0,75% im Jahresverlauf sinkt oder gY≥-2% | WS 2014/15 | Samir Kadiric 171 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Stabilitäts- und Wachstumspakt (4) Instrumente: • 104 EWG-Vertrag als Regelbasis • Defizitquote nicht höher als 3% (/BIP) • Staatsverschuldung nicht höher als 60% (/BIP) • Mittelfristig in etwa ausgeglichener oder überschüssiger Haushalt erwünscht • Jährliche Stabilitätsprogramme • ECFIN entscheidet bei übernormativem Defizit („Sünderland darf nicht mitentscheiden“); ECFIN hat 1999-2009 versagt (>80 Verstöße gegen SWP) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 172 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Stabilitäts- und Wachstumspakt (5) Stabilitätsprogramme (stability programmes): Mittelfristige Regierungspläne und Prognosen von Ländern des Euro-Währungsgebiets über die Entwicklung von wirtschaftlichen Eckdaten im Hinblick auf die Erreichung des mittelfristigen Ziels eines nahezu ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalts gemäß dem Stabilitäts- und Wachstumspakt. Diese Programme gehen auf Maßnahmen zur Konsolidierung des Budgets und auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein. Die Stabilitätsprogramme werden jährlich überarbeitet und von der Europäischen Kommission und dem Wirtschafts- und Finanzausschuss (WFA) überprüft. Die Ergebnisse dieser Prüfung dienen dem ECOFIN-Rat als Beurteilungsgrundlage, wobei insbesondere bewertet wird, ob das im Programm enthaltene mittelfristige Haushaltsziel im Einklang steht mit dem Ziel eines nahezu ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalts und einen angemessenen Sicherheitsspielraum zur Vermeidung eines übermäßigen Defizits vorsieht. Staaten, die den Euro noch nicht eingeführt haben, müssen laut dem Stabilitätsund Wachstumspakt jährlich ein Konvergenzprogramm vorlegen. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 173 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Stabilitäts- und Wachstumspakt (6) • Erste Defizitsünder: Wenn 2 Jahre hintereinander >3%, drohen Sanktionen – bis 0,5% des nationalen BIP • Portugal 2000/2001: Defizitverfahren von Seiten der Kommission eingeleitet, Land hat Konsolidierung geschafft • Deutschland 2002/03/04 ebenso wie Frankreich; für 2005 mehr als 3% erwartet. Im November 2003 konnten D&F ein Aussetzen des Defizitverfahrens erreichen: Gegen große Länder wirkt der Pakt als offenbar nicht. Glaubwürdigkeitslücke entstanden. Übertragbarkeit der Einhaltung der Kriterien für andere Länder fragwürdig: Warum sollen sich vor allem die kleinen Länder daran halten? • Statistische Falschangaben durch Griechenland | WS 2014/15 | Samir Kadiric 174 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Stabilitäts- und Wachstumspakt (6a) • Problematik Deutschlands in 2003/04 • Europäische Kommission hat Defizitverfahren gegen Portugal, Deutschland, Frankreich laufen. • Gelingt Defizitquote <3% (Annahme: keine Rezession) nicht, droht dem betreffenden bis zu 0.5% des Bruttoinlandsprodukts als Strafzahlung, zudem droht Ansehensverlust • Wenn Deutschland Defizitreduktion nur über starke Reduktion des Staatsverbrauchs erreicht, führt Konsolidierung zu BIPRückgang in BRD & Eurozone | WS 2014/15 | Samir Kadiric 175 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Stabilitäts- und Wachstumspakt (7) • Konflikt große vs. kleine Länder • Glaubwürdigkeit von Verträgen geschwächt nach innen & außen • Ökonomisch durchaus richtig, keine starke Konsolidierung bei Stagnation zu machen; Fehler in D jedoch handwerklich fehlerhafte Steuerreform (1% des BIPs in 2001) • Reform des Stab.- u. Wachstumspaktes nötig | WS 2014/15 | Samir Kadiric 176 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Stabilitäts- und Wachstumspakt (8) • Probleme der Währungsunion: Stabilitätspakt (>3% Defizit nur zulässig, wenn reale BIP um 0.75% im Jahresverlauf fällt) • Stabilitäts- und Wachstumspakt (3%-Obergrenze bei der Defizitquote) kaum durchsetzbar; Portugal als erstes Sünderland, gefolgt von Deutschland und Frankreich – BRD überschritt 2002 und 2003 die 3%-Grenze, was eigentlich zu Sanktionen führen sollte (bis zu 0.5% des BIPs als Strafzahlung); Defizit auch 2004 >3%. D & F sitzen über sich selbst zu Gericht…; Sondereffekte? | WS 2014/15 | Samir Kadiric 177 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Stabilitäts- und Wachstumspakt (9) • Faktisches Beerdigen des Stabilitäts- & Wachstumspaktes in 2003 • Da in 2003 große Länder Deutschland & Frankreich im ECFIN trotz zweijährigem Überschreiten der Defizitgrenze – mit Überschreiten der Defizitgrenze in 2004 (als 3. Jahr) – ohne Sanktion davonkamen, ist der Pakt tot. Kein Land nimmt Pakt noch ernst; wenn bei großen Ländern Pakt suspendiert wird, dann klarer Präzedenzfall gegeben. Konsolidierungspolitik in Land X nicht mehr innenpolitisch durchsetzbar, wenn Pakt nicht gilt! | WS 2014/15 | Samir Kadiric 178 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Stabilitäts- und Wachstumspakt (10) • Reformerfordernisse Stabilitätspakt • Frage nach einfachen und vernünftigen Regeln, die auch stabilitätspolitisch Sinn machen; • Problematisch ist, wenn Defizit ggf. in strukturell und konjunkturell differenziert wird, da hier z.B. bei Produktionslücke (Ypot-Y) große Schätzprobleme, also Streitpotenziale, bestehen; Produktionslücke ist positiv bei Unterauslastung, negativ im Fall eines positiven Angebotsschocks bzw. Innovationen • Anreize zur Einhaltung der Regeln gegeben? Hinweis auf Berechnung des Produktionspotenzials bzw. Produktionslücke | WS 2014/15 | Samir Kadiric 179 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Problemaspekte Euro-Geldpolitik & nationale Fiskalpolitiken • Wenn eine einheitliche Euro-Geldpolitik, aber nationale Fiskalpolitiken betrieben werden, kann es zu Problemen kommen: – Vor allem kleine Länder können exzessive Defizitpolitik verfolgen, ohne dass nationale Geldpolitik bzw. jetzt EZB-Geldpolitik zur Strafe Zins erhöht; EZB-Politik hat Inflation in der Eurozone als Ganzes im Auge – Stabilitätspolitisches Gemeinschaftsinteresse wird von einzelnen Mitgliedsländern nicht beachtet, die Schuldenquote stark ansteigen lassen, was Zinssätze für alle erhöht!=Crowding-out Problem! I(r) sinkt! • Crowding-out: Staatliche Kreditnachfrage steigt, r erhöht, I sinkt… | WS 2014/15 | Samir Kadiric 180 Entwicklungsstufen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion Welche Akteure müssen zusammenwirken? EZB: angemessene Geldpolitik Europäische Kommission: klare Verfahrensweise bei Defizitsündern nötig Nationale Fiskalpolitik: Defizitziel einhalten Tarifvertragsparteien: nötig mehr Lohndifferenzierung=mehr Jobs=+bei Wachstum | WS 2014/15 | Samir Kadiric Das ESZB und das Eurosystem Prof. Dr. Paul J.J. Welfens / Samir Kadiric Schumpeter School of Business and Economics Bergische Universität Wuppertal Gaußstraße 20 42097 Wuppertal 181 Das ESZB und das Eurosystem • ESZB = EZB plus nationale Zentralbanken • „Eurosystem“ = EZB plus nationale Zentralbanken der EU-Länder, die an Eurozone teilnehmen • EZB geleitet von EZB-Rat = Direktorium (EZBPräsident + Vizepräsident + 4 Personen) • EZB-Ziel = Priorität ist die Sicherung der Preisniveaustabilität, zudem soll die allgemeine Wirtschaftspolitik der EU unterstützt werden | WS 2014/15 | Samir Kadiric 182 Das ESZB und das Eurosystem Ziele des ESZB (1) • Art. 105 (1) EGV: Das vorrangige Ziel des ESZB ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, um zur Verwirklichung der in Artikel 2 festgelegten Ziele der Gemeinschaft beizutragen. Das ESZB handelt im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, wodurch ein effizienter Einsatz der Ressourcen gefördert wird, und hält sich dabei an die in Artikel 4 genannten Grundsätze. • Preisstabilität ist definiert als eine maximale Preissteigerungsrate von 2% gemessen am HVPI pro Jahr. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 183 Das ESZB und das Eurosystem Ziele des ESZB (2) • Art. 2 EGV: Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie durch die Durchführung der in den Artikeln 3 und 4 genannten gemeinsamen Politiken und Maßnahmen in der ganzen Gemeinschaft eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Gleichstellung von Männern und Frauen, ein beständiges, nichtinflationäres Wachstum, einen hohen Grad von Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 184 Das ESZB und das Eurosystem Die EZB • hat das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb des Euroraums zu genehmigen. • legt die Geldpolitik des Euro-Währungsgebiets fest. • Zusammen mit den nationalen Zentralbanken ist sie befugt, sich an internationalen Währungseinrichtungen zu beteiligen. Die EZB entscheidet, wie das Eurosystem im Bereich der internationalen Zusammenarbeit vertreten wird. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 185 Das ESZB und das Eurosystem Das Eurosystem • Laut EG-Vertrag (Artikel 105 Absatz 2) hat das Eurosystems folgende Aufgaben: • die Geldpolitik des Euro-Währungsgebiets festzulegen und auszuführen, • Devisengeschäfte durchzuführen, • die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten und • das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern. • Entsprechende Behörden sollen Kreditinstitute beaufsichtigen und die Stabilität des Finanzsystems gewährleisten. • Ist ‚vierfach‘ unabhängig: Institutionelle, personelle, finanzielle und funktionelle Unabhängigkeit | WS 2014/15 | Samir Kadiric 186 Das ESZB und das Eurosystem Unabhängigkeit des Eurosystems (1) • Institutionelle Unabhängigkeit − Freiheit der nationalen Zentralbanken, der EZB und deren Organe − Kein Weisungsrecht, ‚Beeinflussung‘ / Zensur von Entscheidungen • Personelle Unabhängigkeit − Festgelegte Amtszeiten − Also keine kürzeren Amtszeiten, bzw. jederzeitige Abberufungsmöglichkeiten | WS 2014/15 | Samir Kadiric 187 Das ESZB und das Eurosystem Unabhängigkeit des Eurosystems (2) • Finanzielle Unabhängigkeit − Zentralbanken sollten mit eigenen finanziellen Mitteln haushalten und auskommen müssen • Funktionelle Unabhängigkeit − Preisniveaustabilität oberste Priorität, andere Ziele nur bei Zielkonformität umzusetzen − Verbot von Kreditgewährung an den Staat − Vollständige Kontrolle sämtlicher geldpolitischer Verfahren und Instrumente durch das Eurosystem | WS 2014/15 | Samir Kadiric 188 Das ESZB und das Eurosystem Quelle: EZB (2011): Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank; Frankfurt am Main, S.19. | WS 2014/15 | Samir Kadiric Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Prof. Dr. Paul J.J. Welfens / Samir Kadiric Schumpeter School of Business and Economics Bergische Universität Wuppertal Gaußstraße 20 42097 Wuppertal 189 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Strategische Fragen der Geldpolitik (Friedman; Kydland/Prescott, 1977) • Milton Friedman (Monetarist) behauptet, dass in Sachen Konjunkturpolitik Geldpolitik wirksamer als Fiskalpolitik sei; zugleich plädiert er für regelgebundene Politik, da Staat mit antizyklischen Impulsen tendenziell eher Wirtschaft destabilisiere: kann als Regel bedeuten, das gM = gYpot + gP# • Frage, ob Geldpolitik diskretionär – fallweise eingreifend - sein soll vs. regelgebunden, wird in Literatur unter Glaubwürdigkeitsaspekten diskutiert: Problem der Zeitinkonsistenz optimaler Politik: was optimal in t0 als Ankündigung für t1 ist, wird in t1 nicht optimal sein (...)= Unterminierung der Glaubwürdigkeit von Politik. Daher sei regelgebundene Politik vorziehenswert zu diskretionärer Strategie. Dann aber kaum Reaktionsmöglichkeiten! | WS 2014/15 | Samir Kadiric 190 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Definitionen (1) • Auf Grund der einer Zentralbank (ZB) zur Verfügung stehenden Mitteln, wie beispielweise das Recht Banknoten in Umlauf zu bringen und Geschäfte mit den Geschäftsbanken abzuschließen, hat sie die Macht die Wirtschaft eines Landes nachhaltig zu beeinflussen. • „Die praktische Geldpolitik umfasst die Gesamtheit der erfolgten und beabsichtigten Maßnahmen zur Regelung und Steuerung der Geldmenge, der Zinssätze und der Liquidität einer Volkswirtschaft“ . • Auf Grund dieser Machtposition ist die sorgfältige Auswahl der zu verfolgenden Strategie von essentieller Bedeutung. Demnach sind zwei Grundtypen zu unterscheiden. o diskretionäre Geldpolitik o regelgebundene Geldpolitik Quelle: PETO, Rudolf (2002): Geldtheorie und Geldpolitik; 2. Auflage, Oldenburg Verlag: München. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 191 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Definitionen (2) • Eine diskretionäre Geldpolitik liegt dann vor, wenn die Zentralbank die geldpolitischen Maßnahmen von Fall zu Fall, also je nach konjunktureller Lage, nach eigener Entscheidung ergreifen kann. Die Geldpolitik ist somit situationsabhängig und dient in der Regel dem Ziel konjunkturelle Schwankungen zu dämpfen. • Der wesentliche Vorteil der diskretionären Geldpolitik liegt dementsprechend in ihrer hohen Flexibilität, auf unterschiedliche Probleme mit unterschiedlichen geldpolitischen Maßnahmen zu reagieren. • Der größte Nachteil dieser Geldpolitik ist allerdings auch, dass sie auf Grund ihrer Flexibilität aus Sicht der Marktakteure unberechenbar ist. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 192 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Definitionen (3) • Im Rahmen einer regelgebundenen Geldpolitik verpflichtet eine Zentralbank sich ex-ante auf die Einhaltung bestimmter Handlungsregeln. Sie kündigt im Voraus an, wie auf die verschiedenen wirtschaftlichen Situationen reagiert wird und ist gleichzeitig verpflichtet ihre Ankündigung auch einzuhalten. • Der Vorteil einer regelgebundenen Geldpolitik ist eine absolute Erwartungssicherheit seitens der Marktakteure. Sie wissen von vornherein wie die Zentralbank agieren wird und können dies dementsprechend in ihren Plänen berücksichtigen. • Auf Grund der Regelbindung kann die Zentralbank jedoch auf die unterschiedlichen Probleme nicht differenziert reagieren. • Eine regelgebundene Geldpolitik ist konsistent und kann eher zu einer dauerhaften Stabilisierung der Wirtschaft beitragen. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 193 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Definitionen (4) • Die Diskussion um „diskretionäre vs regelgebundene“ Geldpolitik wird noch durch das Problem der Zeitinkonsistenz geldpolitischer Entscheidungen verschärft. Mit der Zeitinkonsistenz der Geldpolitik bezeichnet man die zeitliche Verzögerung (time lag), die zwischen einem Eintritt der Störung und ihrer Beseitigung durch die geldpolitischen Maßnahmen auftritt. In der Geldpolitik muss deshalb der Faktor Zeit berücksichtigt werden. • Die bisherigen Untersuchungen zeigen eine große Schwankungsbreite in Bezug auf die Frage, wie lange die zeitlichen Verzögerungen monetärer Maßnahmen in Realität sind. Es wird von einer zeitlichen Verzögerung von durchschnittlich eins bis drei Jahren ausgegangen. Das Problem der Zeitinkonsistenz spricht eher für eine regelgebundene Geldpolitik. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 194 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Instrumente der Geldpolitik (1) • Mindestreserve • Offenmarktgeschäfte • Ständige Fazilitäten | WS 2014/15 | Samir Kadiric 195 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Instrumente der Geldpolitik - Mindestreserve • Die EZB verlangt von Kreditinstituten, auf Girokonten bei den NZBen Pflichteinlagen zu unterhalten: Diese werden als „Mindestreserven“ oder „Mindestreserve-Soll“ bezeichnet. Die Höhe der von jedem Institut zu unterhaltenden Mindestreserven richtet sich nach seiner Mindestreservebasis. Diese ist in Relation zu bestimmten Bilanzposten definiert. • Das Mindestreserve-Soll eines Instituts wird ermittelt, indem die Mindestreservebasis mit einem Mindestreservesatz multipliziert wird. Die EZB wendet einen einheitlichen positiven Reservesatz auf den überwiegenden Teil der in der Mindestreservebasis enthaltenen Bilanzposten an. • Mit Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion auf 2 % festgesetzt. Im Dezember 2011 senkte die EZB den Mindestreservesatz der EZB von 2,00 % auf 1,00 %. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 196 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Instrumente der Geldpolitik – Offenmarktgeschäfte (1) • Mit „Geldmarkt“ wird der Markt bezeichnet, bei dem die Laufzeit der Geschäfte im Allgemeinen kürzer als ein Jahr ist. Offenmarktgeschäfte spielen eine wichtige Rolle bei der Zinssatzsteuerung, der Signalisierung des geldpolitischen Kurses und der Liquiditätssteuerung am Geldmarkt. • Die Kreditgewährung über Offenmarktgeschäfte erfolgt normalerweise in Form von befristeten Transaktionen. Befristete Transaktionen sind Geschäfte, bei denen die Zentralbank Aktiva im Rahmen einer Rückkaufsvereinbarung kauft oder einen Kredit gegen Vermögenswerte gewährt, die als Sicherheiten übergeben werden. Sie stellen also temporäre Offenmarktgeschäfte dar, bei denen Mittel nur für eine begrenzte, im Voraus festgelegte Zeit zur Verfügung gestellt werden. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 197 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Instrumente der Geldpolitik – Offenmarktgeschäfte (2) • Offenmarktgeschäfte umfassen nicht nur An- und Verkäufe von Wertpapieren, sondern alle Geschäfte des Eurosystems, die entsprechend ihrem Ziel, ihrer Regelmäßigkeit und den angewandten Verfahren variieren können und in folgende vier Kategorien unterteilt werden: Hauptrefinanzierungsgeschäfte, längerfristige Refinanzierungsgeschäfte, Feinsteuerungsoperationen und strukturelle Operationen. • Aktueller Bericht, EZB-Monatsbericht 09/2007, S. 33-37 „Die zusätzlichen Offenmarktgeschäfte der EZB im Zeitraum vom 8. August bis zum 5. September 2007“ | WS 2014/15 | Samir Kadiric 198 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Instrumente der Geldpolitik – Hauptrefinanzierungsgeschäfte • Ihnen kommt bei der Steuerung der Zinssätze und der Liquidität am Markt sowie der Signalisierung des geldpolitischen Kurses (über den vom EZB-Rat festgesetzten Hauptrefinanzierungssatz) eine Schlüsselrolle zu. Über sie wird dem Bankensystem auch der Großteil der Liquidität bereitgestellt. Hauptrefinanzierungsgeschäfte werden dezentral von den NZBen durchgeführt. • Hauptrefinanzierungsgeschäfte sind liquiditätszuführende Geschäfte. Sie werden wöchentlich durchgeführt. Im Jahr 2003 beschloss der EZB-Rat, ihre Laufzeit ab März 2004 von zwei Wochen auf eine Woche zu verkürzen. • Hauptrefinanzierungsgeschäfte werden über Standardtender abgewickelt. Innerhalb des Handlungsrahmens des Eurosystems sind „Standardtender“ Geschäfte, die nach einem im Voraus angekündigten Zeitplan und innerhalb von 24 Stunden von der Tenderankündigung bis zur Bestätigung des Zuteilungsergebnisses durchgeführt werden. Alle Geschäftspartner, die die allgemeinen Zulassungskriterien erfüllen, können an diesen Geschäften teilnehmen. Im Prinzip sind alle im Euroraum ansässigen Kreditinstitute potenziell zugelassene Geschäftspartner des Eurosystems. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 199 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Instrumente der Geldpolitik - Mengen- und Zinstender • Das Eurosystem kann zwischen Festsatztendern (Mengentendern) und Tendern mit variablem Zinssatz (Zinstendern) wählen. Bei beiden Tenderverfahren entscheidet die EZB über die Höhe der bereitgestellten Liquidität. • Bei einem Mengentender gibt der EZB-Rat den Zinssatz vor, und die Geschäftspartner geben Gebote über den Betrag ab, den sie zu diesem Festsatz zu kaufen bzw. zu verkaufen bereit sind. Dies bedeutet im Allgemeinen eine Prorata-Zuteilung der individuellen Bankgebote, die vom Verhältnis zwischen dem Gesamtbietungsaufkommen und dem gesamten Zuteilungsbetrag abhängt. • Bei einem Zinstender geben die Geschäftspartner Gebote über den Betrag und den Zinssatz ab, zu dem sie Geschäfte mit den NZBen abschließen wollen. Der EZB-Rat kann bei Zinstendern einen Mindestbietungssatz festsetzen, um ein Signal hinsichtlich des geldpolitischen Kurses zu geben. Die Gebote werden mit den höchsten Zinssätzen zuerst zugeteilt, gefolgt von den Geboten mit den sukzessive niedrigeren Zinssätzen, bis der gesamte Zuteilungsbetrag ausgeschöpft ist. Beim niedrigsten akzeptierten Zinssatz, dem „marginalen Zuteilungssatz“, werden die Gebote anteilig entsprechend dem von der EZB beschlossenen gesamten Zuteilungsbetrag zugeteilt. Der Zuteilungssatz ist gleich dem bei der jeweiligen individuellen Bietung angebotenen Zinssatz. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 200 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Instrumente der Geldpolitik – Fazilitäten • Unter „Fazilität“ bzw. „ständiger Fazilität“ (standing facility) versteht die Möglichkeiten der EZB, den Geldmarkt durch Senkung oder Erhöhung der so genannten Leitzinsen zu steuern. • Neben der „Einlagefazilität“ verfügt die EZB als zweites direktes Steuerungsinstrument über die so genannte „Spitzenrefinanzierungsfazilität“. Damit legt die EZB den Zinssatz für Kredite an Geschäftsbanken (Refinanzierungsgelder) fest. • Einlagenfazilität: Kreditinstitut können jederzeit Guthaben bis zum nächsten Geschäftstag beim Eurosystem zu einem vorher festgelegten Zinssatz anlegen. • Spitzenrefinanzierungsfazilität: Kreditinstitut können über Nacht Liquidität zu einem vorher festgelegten Zinssatz beschaffen. • (Stichworte: Diskontsatz, Lombardsatz, Leitzinssatz) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 201 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Instrumente der Geldpolitik - Ständige Fazilitäten • Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität ist in der Regel deutlich höher als der entsprechende Marktzinssatz, und der Zinssatz für die Einlagefazilität in der Regel deutlich niedriger als der Marktzinssatz. Infolgedessen nutzen Kreditinstitute die ständigen Fazilitäten normalerweise nur, wenn es keine Alternativen gibt. Da der Zugang zu diesen Fazilitäten – abgesehen von den geforderten Sicherheiten bei der Spitzenrefinanzierungsfazilität – keinen Beschränkungen unterliegt, bilden ihre Zinssätze im Allgemeinen eine Ober- und Untergrenze des Tagesgeldsatzes am Geldmarkt. Durch die Festsetzung der Zinssätze für die ständigen Fazilitäten bestimmt der EZB-Rat den Korridor, innerhalb dessen der Tagesgeldsatz am Geldmarkt schwanken kann. • Ober- und Untergrenze des Tagesgeldsatzes EONIA (Euro Overnight Index Average) • Nicht zu verwechseln mit dem EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate): Geldmarkt-Referenzzinssatz für Banken in der Eurozone (Laufzeit: 1 Woche, Ermittlung aufgrund des Durchschnitts der von repräsentativen Banken verlangten Zinssätze) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 202 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Ziele der Geldpolitik (1) • Die Geldpolitik kann unterschiedliche Ziele verfolgen. Einige der Ziele sind z.B. das Wachstums- und das Beschäftigungsziel. Auf Grund der Geldeigenschaften sind diese wirtschaftspolitischen Ziele jedoch mit dem Einsatz der Geldpolitik schwer zu verfolgen. • Ein weiteres weit verbreitetes der Geldpolitik aufgesetztes Ziel, ist die Preisniveaustabilität. In den sechziger und siebziger Jahren konnte ein Anstieg der Inflation in westlichen Wirtschaften beobachtet werden. Hohe Inflationsraten führten zu Unsicherheiten in Bezug auf die relativen Preise sowie die zukünftige Preisentwicklung. Dies erschwerte die Entscheidung der Wirtschaftssubjekte und senkte die Effektivität einer Volkswirtschaft. Die wirtschaftlichen Kosten der Inflation wurden erkannt und in zahlreichen empirischen Untersuchungen bestätigt. • Die Geldwertstabilität wurde als primäres Ziel der Europäischen Geldpolitik definiert. • Die Zeitinkonsistenz wird dabei berücksichtigt, so dass das Hauptziel der Geldpolitik folglich definiert wird: mittelfristig für einen hohen Grad an Preisstabilität | WS 2014/15 | Samir Kadiric zu sorgen. 203 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Ziele der Geldpolitik (2) • Seit Anfang der achtziger Jahre setzte sich, in fast allen fortgeschrittenen Volkswirtschaften, eine stärker auf die Inflationsbekämpfung ausgerichtete Geldpolitik. Eine feste Verankerung der Inflationserwartungen führt dazu, dass die Inflationsvolatilität und somit auch die makroökonomische Unsicherheit verringert werden. Dies wiederum erhöht die Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften und verbessert die Wirtschaftsleistung insgesamt. • Die empirische Evidenz zeigt, dass eine auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik zu einem stabilen gesamtwirtschaftlichen Umfeld beiträgt . Das Ziel die Preisstabilität zu erreichen, bedeutet allerdings nicht, dass eine Inflationsrate von 0% angestrebt wird. In den entwickelten Ländern wird unter Preisstabilität in der Regel eine Preisänderungsrate von 1% bis 2% im Jahr verstanden. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 204 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Ziele der Geldpolitik (3) • Die stabilitätsorientierte Geldpolitik ist eine auf die stabile gesamtwirtschaftliche Entwicklung ausgerichtete Politik, die versucht die Fähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems zu erhalten oder zu verbessern, so dass die gesamtwirtschaftlichen Störungen schneller und mit geringeren Nebeneffekten absorbiert werden können. • Wie einige Studien zeigen, ist jedoch die finanzielle Instabilität auch unter preisstabilitätsorientierten Wirtschaftspolitiken möglich. Diese kündigen sich vor allem durch ein rasantes Wachstum des Kreditvolumens kombiniert mit einem starken Anstieg der Vermögenspreise an. Dies wurde durch die jetzige Finanz- und Wirtschaftskrise bestätigt. • BORIO, Claudio; LOWE, Philip (2002): Asset Prices, financial and monetary stability - exploring the nexus; Bank for International Settlements, Monetary and Economic Department, BIS Working Paper, No. 114, Basel; July 2002. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 205 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (1) • Das Wissen der Zentralbanken über den genauen Transmissionsprozess ist in der Praxis nicht vollständig. Aus diesem Grund empfiehlt es sich eine angemessene geldpolitische Strategie, die das Ziel und die Instrumente zum Erreichen des Ziels vorgibt, zu verfolgen. Dabei wird bei den geldpolitischen Entscheidungen versucht, alle relevanten Informationen sowie modeltheoretische Unsicherheiten, zu berücksichtigen. • Eine geldpolitische Strategie sollte darüber hinaus grundsätzlich so gestaltet sein, dass sie auch in einem wandelnden ökonomischen Umfeld stand halten kann. Die ständigen Anpassungen auf Grund der nur geringfügig veränderten Umweltbedingungen müssen vermieden werden. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 206 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (2) • Die Hauptaufgabe der Zentralbank ist es das Endziel zu verwirklichen. Ein Grundproblem für die Zentralbank besteht darin, dass sie nur verzögert und indirekt auf das Endziel einwirken kann. Auf Grund der langen zeitlichen Wirkungsverzögerung eigener geldpolitischer Instrumente sowie der Vielzahl exogener Faktoren, die ebenfalls auf das Endziel einwirken können, empfiehlt es sich bei der praktischen Durchführung ihrer Geldpolitik sich an verschiedenen Indikatoren und Zwischenzielen zu orientieren. • Die Zwischenziele und Indikatoren sind somit eine Orientierungshilfe bei der Erreichung des Endziels. Um ihre Funktion erfüllen zu können, müssen diese Variablen bestimmte Eigenschaften besitzen. • Die Indikatoren müssen, nach Möglichkeit, nur auf Maßnahmen der Zentralbank reagieren, in einem engen Zusammenhang mit dem Endziel stehen und jederzeit einfach und genau messbar sein. Die geldpolitischen Zwischenziele sind in der Regel monetäre Variablen, die der Zentralbank als Leitlinie für ihre laufenden geldpolitischen Aktionen dienen. • In der Praxis existiert kein “richtiges“ monetäres Zwischenziel, sondern eine Vielzahl verschiedener Variablen, die in Betracht kommen, wie z.B. Wechselkurs, Geldmenge, | WS 2014/15 | Samir Kadiric nominales BIP und der Zinssatz. 207 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (3) Der Transmissionsprozess monetärer Impulse | WS 2014/15 | Samir Kadiric 208 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (4) - Wechselkursziel • Die Steuerung des Wechselkurses hat als geldpolitische Strategie eine lange Geschichte. Die Zentralbank richtet ihre Geldpolitik dabei so aus, dass der Wechselkurs zwischen eigener und einer anderen, fremden Währung stabil gehalten wird. Die Inlandswährung wird somit an eine externe, wertstabile, robuste und anerkannte Währung gekoppelt. • Die Wahl des Wechselkurses als Zwischenzielgröße bietet eine Reihe von Vorteilen. Die Zentralbank richtet ihre geldpolitischen Maßnahmen alleine an der festen Wechselkursparität aus. Bei einer Abwertungstendenz der eigenen Währung beschließt die Zentralbank eine Zinserhöhung, demzufolge auch den Kurs einer restriktiven Geldpolitik einzuschlagen. Die zinssenkende Maßnahmen, also eine expansive Geldpolitik, sind bei einem Aufwertungsdruck zu ergreifen. Die fixe Wechselkursparität kann somit erhalten bleiben. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 209 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (5) - Wechselkursziel • Ein weiterer Vorteil dieser Zwischenzielstrategie liegt darin, dass die Einhaltung des Wechselkurses ohne große Zeitverzögerung ermittelt werden kann. Die Risiken einer zeitinkonsistenten geldpolitischen Entscheidung werden hierdurch minimiert. Die Wechselkurssteuerung hat also den Vorteil, dass es sich um eine einfache und klare Regel handelt. • Die Idee einer Kopplung der eigenen Währung an eine andere Währung, an eine sogenannte Ankerwährung, beruht darin, dass die Preisstabilität des Ankerwährungslandes somit importiert werden kann. Die Zentralbank orientiert ihre Geldpolitik an der Geldpolitik des Ankerwährungslandes, praktisch verzichtet sie auf ihre eigene Geldpolitik. Mit einem Wechselkursziel ist immer auch ein Verlust an geldpolitischer Autonomie verbunden. Wenn die Ankerwährung eine glaubwürdige und stabile Währung ist, kommt es zu einem Glaubwürdigkeits- und Stabilitätsimport aus dem Ankerwährungsland | WS 2014/15 | Samir Kadiric 210 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (6) - Wechselkursziel • Das Wechselkursziel hat sich in der Tat als ein effektives Mittel zur Bekämpfung der Inflation herausgestellt. Allerdings dürfen bei einer Fixierung des nominalen Wechselkurses auch bestimmte Risiken nicht außer Acht gelassen werden. Es werden zwar die Glaubwürdigkeit und die Stabilität des Ankerwährungslandes importiert, jedoch werden auch die Schocks und die Instabilität ebenfalls weitergeleitet. • Eine Aufwertung der Ankerwährung zieht die an sich gebundene Inlandswährung mit. Eine Aufwertung der eigenen Währung verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. • Darüber hinaus tritt in den fixen Wechselkurssystemen der BalassaSamuelson-Effekt (BS-Effekt) auf, der eine nicht zu vernachlässigende Preissteigerung zur Folge haben kann. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 211 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (7) - Wechselkursziel • Die Verwendung des Wechselkurses als Zwischenziel ist speziell für die kleinen Länder mit großem Offenheitsgrad vorteilhaft. Für eine große Region, wie z.B. den Euro-Währungsraum, ist eine solche Wechselkursbindung nicht zweckmäßig. • Die kleinen EU-Länder (Estland, Litauen) haben mit Currency BoardSystemen (CBS), einer speziellen Form der Wechselkursfixierung, in der Vergangenheit durchaus positive Erfahrungen gemacht. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 212 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien | WS 2014/15 | Samir Kadiric 213 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (9) – Geldmengenziel • Der Erfolg einer geldmengenorientierten Politik hängt im Wesentlichen von einer starken und zuverlässigen Beziehung zwischen der Endzielgröße (Preisstabilität) und des Geldmengenaggregats. Eine stabile Geldnachfrage beziehungsweise Umlaufgeschwindigkeit bedeutet, dass sich die Geldmengenentwicklung durch einige wenige Faktoren erklären lässt und das die Zusammenhänge im Zeitablauf stabil bleiben. • Wenn diese Zusammenhänge schwach sind, dann muss ein Erreichen des Geldmengenziels nicht zwangsläufig zur erwünschten Preisstabilität führen. In diesem Fall ist eine geldmengenorientierte Strategie ineffektiv. Die Gründe für einen schwächeren Zusammenhang sind die Deregulierungen der Finanzmärkte sowie die Finanzmarktinnovationen. Unter dem letzteren versteht man die Entstehung neuer Finanzprodukte, neuer Geschäftsfelder von Banken (z.B. Verbriefung) sowie das Auftreten neuer Finanzinstitute (z.B. Hedgefonds). | WS 2014/15 | Samir Kadiric 214 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (10) – Geldmengenziel • Die Verwendung der Geldmenge als Zwischenziel ist mit mehreren Vorteilen verknüpft: Die Inflation wird aus mittel- und langfristiger Sicht durch die Geldmengenentwicklung bestimmt. Mit der Verwendung der Geldmenge als Zwischenziel erhält die Zentralbank rechtzeitig Informationen über die zukünftige Preisentwicklung. Die Steuerung der Geldmenge verfolgt klare und relativ einfache Regeln. Wenn die aktuelle Wachstumsrate der Geldmenge über der erwünschten liegt, dann kann die Zentralbank die Liquiditätsversorgung knapp halten und eine Zinserhöhung einleiten. Im umgekehrten Fall kann die Zentralbank eine Zinssenkung durchführen und die Liquiditätsversorgung erhöhen. Auf Grund eines einzigen Indikators, an dem sich die Zentralbank orientiert, können die Marktteilnehmer den geldpolitischen Kurs frühzeitig erkennen. Dies verringert die Gefahr einer Überraschungsinflation und erhöht somit die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik. • Frage nach der Wahl des Geldmengenaggregats (M1, M2 oder M3)?! | WS 2014/15 | Samir Kadiric 215 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien | WS 2014/15 | Samir Kadiric 216 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (12) – Nominales BIP • Als ein Vorteil des Konzepts wird die enge Verbindung mit den gesamtwirtschaftlichen Zielgrößen angesehen. Des Weiteren wird dem Konzept der Vorteil zugeschrieben, dass mit dem potenziellen nominellen Bruttoinlandsprodukt für die Zielperiode gearbeitet wird, im Unterschied hierzu nutzt eine geldmengenorientierte Strategie einen langfristigen Trend als Basis. Dies ermöglicht der Strategie des nominellen BIP-Ziels die exogenen Schocks besser zu absorbieren. • Als Nachteile einer nominellen BIP-Regel werden in der Literatur mehrere Aspekte genannt. Das nominelle BIP ist als Zwischenziel zwar nah am Endziel, aber umso weiter entfernt von der Zentralbank. Dies lässt Zweifel an der Effektivität der geldpolitischen Maßnahmen aufkommen. Ein weiterer gravierender Nachteil des nominellen BIP-Zwischenziels ist die Datenverfügbarkeit. Die Daten für das reale BIP sind mit einer erheblichen Zeitverzögerung verfügbar und unterliegen starken Revisionen, die im Nachhinein oft durchgeführt werden. • Offiziell wurde die Strategie des nominellen BIP bislang von keiner Zentralbank verfolgt. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 217 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (13) – Zinsziel • Die Zentralbank übt ihre Geldpolitik über die veränderten Zinsen aus, die eine Auswirkung auf das gesamtwirtschaftliche Umfeld haben. Deshalb wird der Zins als ein weiteres Instrument für ein Zwischenziel angesehen. Die expansiven geldpolitischen Maßnahmen senken das Zinsniveau und schaffen Anreize für eine stärkere Investitionsnachfrage, die wiederum zu einem Konjunkturaufschwung beitragen kann. Wenn die Wirtschaft überhitzt ist, kann die Zentralbank mittels einer restriktiven Geldpolitik das Zinsniveau anheben und somit die Güternachfrage abschwächen. Ein hervorzuhebender Vorteil einer Zinsgröße als Zwischenzielvariable ist zum Einen, dass die Informationen über die Zinsentwicklung täglich verfügbar sind und zum Anderen diese Informationen keinen statistischen Revisionen unterliegen. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 218 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien | WS 2014/15 | Samir Kadiric 219 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien | WS 2014/15 | Samir Kadiric 220 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (16) – Zinsziel • Die dahinter stehende Überlegung lässt sich folgendermaßen erklären. Der langfristige reale Gleichgewichtszins ist der Zins, bei dem eine Volkswirtschaft voll ausgelastet ist und das Inflationsziel eingehalten wird. Liegt die Inflationsrate unter dem Inflationsziel und ist die Produktionskapazität nicht voll ausgelastet, dann soll der Taylor-Zins unter dem nominalen Gleichgewichtszins fixiert werden und umkehrt. • Problematisch sind folgende Punkte: – der gleichgewichtige Realzinssatz, der einen wichtigen Bestandteil der Taylor-Regel darstellt, kann empirisch nicht exakt oder nur schwer ermittelt werden – es bestehen unterschiedliche Möglichkeiten die Produktionslücke zu schätzen – die Festlegung der Gewichte von der Produktions- und Inflationslücke führt zu Schwierigkeiten – der Entscheidungsfindungsprozess kann durch verschiedene Schockarten im Rahmen der Taylor-Regel in Konflikt geraten. Bei einem Nachfrageschock ist die Entwicklung von der Inflations- und Produktionslücke gleichgerichtet. Im Falle eines Angebotsschocks, wie z.B. bei einem Anstieg der Rohstoffpreise, würden die Inflations- und Produktionslücke sich auseinander entwickeln | WS 2014/15 | Samir Kadiric 221 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (17) – Inflationssteuerung (Inflation Targeting) • Inflation Targeting stellt ein relativ neues Konzept unter den geldpolitischen Strategien dar. • Dieses Konzept beinhaltet folgende charakteristische Elemente: a) die Wahl der zu steuernden Preisgröße sowie die öffentliche Ankündigung eines mittelfristigen numerischen Zielwerts für dieselbe • in der Regel wird die Inflationsrate am Verbraucherpreisindex gemessen • Das Inflationsziel wird dabei entweder in Form von einem exakten Zielwert wie z.B. 2,5%, einer Obergrenze wie z.B. <3% oder als angestrebte Bandbreite wie z.B. 1%-3% angekündigt b) Herausarbeitung eines Konzepts mit einer modellgestützten Inflationsprognose in die eine Vielzahl von Indikatoren eingehen • Die Inflationsprognose wird auf der Basis mehrerer Makromodelle mit unterschiedlichen theoretischen Grundannahmen durchgeführt. Alle für die Inflationsentwicklung relevanten Informationen werden berücksichtigt. Die Inflationsprognose der Zentralbank wird mit dem Inflationsziel verglichen. Wenn die prognostizierte Inflationsrate über dem Zielwert liegt, werden die restriktiven geldpolitischen Maßnahmen, und umgekehrt. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 222 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (18) – Inflationssteuerung (Inflation Targeting) • Die Strategie der Inflationssteuerung ähnelt der Geldmengenstrategie, da beide Konzepte sich an einer numerischen Zielgröße orientieren. Im Gegensatz zur Geldmengenstrategie weist die Inflationssteuerung eine Reihe von Vorteilen auf: – So ist im Rahmen des I-T ein stabiler Zusammenhang zwischen der Geldmenge und der Inflation nicht mehr notwendig. – Außerdem konzentriert sich die Inflationssteuerung nicht nur auf eine Variable, die Geldmenge, sondern berücksichtigt bei ihren modellgestützten Inflationsprognosen eine Vielzahl von anderen Variablen. – Die Inflationssteuerung stellt im Hinblick auf die Informationsnutzung demnach einen allgemeineren Ansatz als die Geldmengensteuerung dar. Darüber hinaus ist die Inflationssteuerung für die Öffentlichkeit leichter zu verstehen und die Zentralbank kann, auf Grund eines klar definierten numerischen Inflationsziels, bei einer Zielverfehlung unmittelbar zur Rechenschaft gezogen werden. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 223 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Geldpolitische Strategien (19) – Inflationssteuerung (Inflation Targeting) • Das Konzept der Inflationssteuerung unterliegt auch Kritikpunkten: – eine zu starre Regel; führt zu Sozialproduktschwankungen; Gefahr einer Deflation • Auf die folgenden Kritikpunkte muss, vor allem im Falle von Schwellenländern, besonders geachtet werden – Die Inflation kann mit Hilfe von gp Maßnahmen nur schwer und auf mittel- bzw. langfristige Sicht kontrolliert werden. Die Länder mit einer hohen Inflationsrate sind durch eine geringe Stabilität und einem unvorhersehbaren Transmissionsprozess charakterisiert. Unter diesen Umständen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Inflationssteuerung ihr Inflationsziel oft verfehlen würde. Dies würde der Kredibilität und der Glaubwürdigkeit der Zentralbank enorm schaden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Inflationssteuerung erst nachdem ein gewisser Grad an Stabilität erreicht wurde, einzuführen – Die Inflationssteuerung setzt die Fiskaldisziplin und einen soliden Finanzmarkt voraus, welche vor allem in den Schwellenländern weitestgehend nicht entwickelt sind – Letztendlich basiert die Inflationssteuerungsstrategie auf den flexiblen Wechselkursen. Starke Schwankungen oder Abwertungen des nominalen Wechselkurses sollten demnach vermieden werden. Eine starke Abwertung des Wechselkurses könnte in Schwellenländern zum Anstieg der Auslandsverschuldung führen und somit eine Finanzkrise und eine Instabilität der Wirtschaft begünstigen. Die Zentralbanken in Schwellenländern müssen demnach den Wechselkurs ständig berücksichtigen, allerdings muss dieser der Preisstabilität, als primäres Ziel, untergeordnet bleiben | WS 2014/15 | Samir Kadiric 224 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Die geldpolitische Strategie der EZB (1) • Mit dem Beginn der dritten Stufe am 1. Januar 1999 übernahm die EZB die alleinige Verantwortung für die Gestaltung und Durchführung der Geldpolitik in der EWWU. Dabei fand sich die EZB in einer beispiellosen Lage. Vor allem in der Anfangsphase war es für die EZB besonders wichtig Vertrauenskapital aufzubauen. • Im Oktober 1998 gab der EZB-Rat die stabilitätsorientierte geldpolitische Strategie des Eurosystems bekannt. Diese Strategie besteht aus folgenden drei Hauptelementen: – einer quantitativen Festlegung der Preisstabilität und – den „beiden Säulen“ der Strategie, nämlich • einer breit fundierten Beurteilung der künftigen Preisperspektiven (wirtschaftliche oder kurzfristige Säule) • einer herausragenden Rolle der Geldmenge mit dem Referenzwert für M3 (monetäre oder langfristige Säule) | WS 2014/15 | Samir Kadiric 225 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Die geldpolitische Strategie der EZB (2) • Die Preisstabilität • Den Kernpunkt der geldpolitischen Strategie des Eurosystems stellt die quantitative Definition der Preisstabilität dar. Der EZB-Rat hat beschlossen, die Preisstabilität als quantitative Größe zu definieren und diese zu veröffentlichen. • Folgende Definition wurde beschlossen: „Preisstabilität wird definiert als Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für das Euro-Währungsgebiet von unter 2% gegenüber dem Vorjahr“. Nach einer Überprüfung der geldpolitischen Strategie im Mai 2003 bestätigte der EZB-Rat diese Definition. Er stellte jedoch dabei klar, dass die EZB darauf abzielt, die Preissteigerungsrate mittelfristig unter, jedoch nahe 2% zu halten. • Die Definition “von unter, jedoch nahe“ bedeutet, dass die Preissteigerungen sowohl über als auch deutlich unter 2% des HVPI mit der Preisstabilität nicht vereinbar sind. • Die Definition der Preisstabilität bezieht sich auf den gesamten EuroWährungsraum. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 226 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Die geldpolitische Strategie der EZB (3) • Die Zwei-Säulen Strategie Vorrangiges Ziel: Preisstabilität EZB-Rat beurteilt gesammelte Informationen und trifft geldpolitische Entscheidungen Analyse der gesamtwirtschaftlichen und finanziellen Indikatoren, Überprüfung „wirtschatliche Analyse“ Volkswirtschaftliche Analyse der monetären Indikatoren, „monetäre Analyse“ Daten Quelle: vgl. EZB (2011): Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank; Frankfurt am Main, S.90. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 227 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Die geldpolitische Strategie der EZB (4) • Die Zwei-Säulen Strategie • Die erste Säule wird als wirtschaftliche Analyse bezeichnet. Hierbei werden vor allem die aktuellen wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen und die hieraus resultierenden kurzfristigen Inflationsrisiken analysiert. Im Mittelpunkt dieser Analyse stehen vor allem die kurzfristigen Konjunkturindikatoren, wie z.B. die Produktionslücke, generell das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, eine Reihe von Kostenindikatoren an den Güter-, Dienstleistungs- und Arbeitsmärkten, die Wechselkursentwicklung sowie die Entwicklung der Rohstoffpreise und der Außenbeitrag. Darüber hinaus wird auch eine Reihe von Finanzmarktindikatoren untersucht, wie z.B. Zinsstrukturkurven, Renditen von Staatsanleihen, Aktienkursindices und Derivatenmärkte. Neben den Konjunktur- und Finanzmarktindikatoren werden seitens der EZB regelmäßige Branchen- und Verbraucherumfragen durchgeführt. Diese dienen einer besseren Darstellung der Preiserwartungen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Säule werden von den Experten der EZB mehrmals im Jahr die sogenannten gesamtwirtschaftlichen Projektionen erstellt. Diese basieren auf einer Reihe von Annahmen und stellen somit bedingte Projektionen dar. Auf diese Weise versucht die EZB ihre geldpolitischen Entscheidungen der Öffentlichkeit noch transparenter wiederzugeben. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 228 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Die geldpolitische Strategie der EZB (5) • Die Zwei-Säulen Strategie • Die zweite Säule, die als monetäre Analyse bezeichnet wird, konzentriert sich auf die Beurteilung der langfristigen Inflationsrisiken. Sie basiert auf der weithin akzeptierten Erkenntnis, dass die Inflation langfristig ein monetäres Phänomen ist. • In der zweiten Säule spielt die Entwicklung der Geldmenge M3 eine überragende Funktion. Die EZB hat sich für dieses breite monetäre Geldmengenaggregat entschieden, da es in einem langfristig stabilen Zusammenhang zur Preisentwicklung steht. Den Referenzwert für das M3-Wachstum hat die EZB bei 4,5% festgelegt. • Neben des Geldmengenaggregats M3 werden im Rahmen der monetären Analyse auch die einzelnen Komponenten von M3, sowie die engeren Geldmengenaggregate M1 und M2 untersucht. Das eng gefasste Geldmengenaggregat M1 kann beispielsweise verlässliche Informationen zur aktuellen Konjunkturentwicklung liefern. Des Weiteren könnte ein rasantes Geldund Kreditwachstum wichtige Frühwarninformationen über das Entstehen von finanziellen Instabilitäten oder sogar Vermögensblasen liefern | WS 2014/15 | Samir Kadiric 229 Geldpolitik: Definition, Instrumente, Ziele und verschiedene Strategien Die geldpolitische Strategie der EZB (6) • Bei ihrer Beurteilung der Inflationsrisiken versucht die EZB sämtliche Informationen, die für die Durchführung geldpolitscher Maßnahmen von Bedeutung sein könnten, heranzuziehen. Dies beruht darauf, dass bei der preisorientierten Geldpolitik sowohl die kurzfristigen als auch die langfristigen Inflationsrisiken berücksichtigt werden sollten. Die unterschiedlichen Zeithorizonte bei der Analyse der Preisentwicklung bilden somit den zentralen Ausgangspunkt der Zwei-Säulen Strategie der EZB. • Mit ihrer diversifizierten Zwei-Säulen Analyse versucht die EZB eine robuste Strategie zu entwickeln, um somit dem unsicheren Umfeld Rechnung tragen zu können. Die Betrachtung monetärer und nicht-monetärer Informationen soll die Wahrscheinlichkeit geldpolitischer Fehlentscheidungen verringern. Allerdings könnten bei diesem Ansatz vor allem dann Probleme entstehen, wenn von beiden Säulen unterschiedliche Signale bezüglich der zukünftigen Preisentwicklung ausgehen. | WS 2014/15 | Samir Kadiric Wechselkurssysteme im Überblick Prof. Dr. Paul J.J. Welfens / Samir Kadiric Schumpeter School of Business and Economics Bergische Universität Wuppertal Gaußstraße 20 42097 Wuppertal 230 Wechselkurssysteme im Überblick • Ein Wechselkurs stellt das Austauschverhältnis zwischen zwei Währungen dar. Das Wechselkurssystem legt dementsprechend die Regeln fest, nach denen sich ein Wechselkurs bildet. Man könnte zwischen zwei Extrema unterscheiden, zwischen einem System flexibler Wechselkurse und einem System absolut fester Wechselkurse. • In der währungspolitischen Realität befindet sich aber zwischen den beiden eine Bandbreite von verschiedenen Wechselkurssystemen. Im Folgenden sollen diese nach ihrer Bindungsintensität dargestellt werden | WS 2014/15 | Samir Kadiric 231 Wechselkurssysteme im Überblick • System flexibler Wechselkurse (free floating) ist das System mit der geringsten Wechselkursbindung. Der Wechselkurs bildet sich ohne Devisenmarkt-interventionen der Zentralbank und wird als Marktergebnis akzeptiert. • Kernpunkte des Systems sind: – Frei gebildeter Kurs durch Angebot und Nachfrage – Geldpolitik orientiert sich am bspw. Geldmengenwachstum – Wird bevorzugt, wenn kein stabiles Wechselkurssystem prognostiziert werden kann – Unzureichende Währungsreserven – Schwierig zu gestaltende Makrostabilität – Wechselkursflexibilität sorgt für Zahlungsausgleich, dadurch werden Anpassungen ‚weicher‘ aufgefangen | WS 2014/15 | Samir Kadiric 232 Wechselkurssysteme im Überblick • Bei einem kontrollierten Schwanken (managed floating) existieren keine Wechselkursparitäten, Bandbreiten und andere währungspolitische Regelelemente. Jedoch akzeptiert die Zentralbank nicht bedingungslos den Wechselkurs als Marktergebnis. Sie greift nur fallweise ein, mit dem Ziel Wechselkursschwankungen kurzfristig zu minimieren. Mittelfristig interveniert sie, wenn eine Unterbewertung der eigenen Währung vorliegt. • Die Stufenflexibilität (adjustable peg) sieht einen festen Wechselkurs, mit oder ohne Bandbreiten, vor. Allerdings kann unter bestimmten Bedingungen die Änderung der Leitkurse oder der Bandbreiten vorgenommen werden. Beispiele für einen adjustable peg zeigen sich im Bretton-Woods-System bis 1973, dem Wechselkursmechanismus I und dem Wechselkursmechanismus II im Europäischen Währungssystem (EWS). | WS 2014/15 | Samir Kadiric 233 Wechselkurssysteme im Überblick • Die Gleitende Parität (crawling peg) sieht ebenfalls klare Regeln für die Abwertung der Parität vor. Allerdings ist der Abwertungsspielraum hier deutlich geringer. Die Zentralbank kann nur durch relativ geringe Paritätsbzw. Leitkursänderungen intervenieren. Die Interventionspunkte werden regelmäßig, beispielsweise einmal im Monat, festgelegt. • Kompromiss zwischen den Vorteilen des Wechselkursankers beim Abbau der Inflationsraten und der Wechselkursflexibilität bei der Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit • Wechselkursänderungsrate wird angekündigt und festgelegt – π > π* – Abwertungsrate > erwartetes Inflationsgefälle vom Inland zum Ausland, d.h. reale Aufwertung der Inlandswährung – Abwertungsrate gleicht Inflationsrate aus | WS 2014/15 | Samir Kadiric 234 Wechselkurssysteme im Überblick • Im System absolut fester Wechselkurse (fixed peg) wird der Wechselkurs einmalig und unwiderruflich festgelegt und bleibt zudem im Zeitablauf konstant. Dies geschieht meistens vertraglich zwischen zwei oder mehreren Währungsräumen. Die Zentralbank muss jeder Veränderung des nominalen Wechselkurses entgegenwirken und für diesen garantieren. • Kernpunkte des Systems sind: – Stabile, jedoch anpassungsfähige Paritäten – Reale Aufwertung durch hohe Exporte – (Hyper-)Inflationsgefahr langfristig gebannt, durch Anlehnung an die Anti-Inflationspolitik anderer Länder (Konvergenzkriterium) – „Import“ der Glaubwürdigkeit des geldpolitischen Kurses • Bedingung: – Ausreichend Währungsreserven – Makroökonomische Stabilisierungspolitik • Verzicht auf eigene Geldpolitik! • Was passiert beim Scheitern der Politik? | WS 2014/15 | Samir Kadiric 235 Wechselkurssysteme im Überblick Devisenmarkt und Kontrollierbarkeit der Geldmenge im Fixkurssystem • Betrachtet wird kleine offene Volkswirtschaft im Fixkurssystem: Es ist von der Regierung eine Parität (Fixkurs) festgelegt, die von der Zentralbank durch Interventionen zu verteidigen ist; – Bei Angebotsüberschuss am Devisenmarkt muss Zentralbank Devisen aufkaufen (Währungsreserven steigen), was die inländische Geldmenge erhöht!!! Alternative ist AUFWERTUNG der Währung, was Exporteure ablehnen werden! – Bei Nachfrageüberschuss Verkauf von Devisenreserven als Interventionsmaßnahme (solange noch Reserven da sind); Alternative ist Abwertung der Währung=Inflationsdruck | WS 2014/15 | Samir Kadiric 236 Wechselkurssysteme im Überblick Monetärer Ansatz der Zahlungsbilanztheorie (Harry G. Johnson; Mundell): Zeigt u.a. wie Inflation im Fixkurssystem auf Inland übergreift! K Kapitalbestand, G Staatsnachfrage, eo Parität • Betrachtet wird eine offene Volkswirtschaft bei Freihandel und Fixkurssystem; zudem Markt für handelsfähige (T-)Güter und nichthandelsfähige (N-)Güter; sowie Geldmarkt. Preisniveau definiert als P=[PT ]α [PN]1-α. 0<α<1; Definition von P in (1) einzusetzen! • (1) M =Pm(Y,i) Geldmarktgleichgewicht/MM-Kurve • (2) Ts(PT, PN, KT) = Td(PT, PN, M); TT-Kurve (Gleichgewicht auf T-Markt) • (3) Ns(PT, PN, KN) = Nd(PT, PN, M) + G; [Gleichgewicht auf N-Markt] • Entsteht Geldnachfrageüberschuss – wegen Anstieg von P via Anstieg von PT* (wegen Fixkurs bzw. Arbitragebedingung PT=eoPT* steigt PT*!) – so steigt T-Produktion. Beachte T-Marktgleichgewicht heißt Außenbeitrag 0; eingetretener T-Angebotsüberschuss bedeutet als positiver Außenbeitrag & – Angebotsüberschuss auf Devisenmarkt; Intervention, Z.bank kauft Devisen an! – Interventionsbedingt Anstieg der Geldmenge: Ex post wird Anfangsanstieg von PT bzw. P monetär ratifiziert!!! Zentralbank kann Geldmenge nicht kontrollieren! So gesehen gilt Gleichung MV= PY, wobei M hier endogen ansteigt bzw. P erhöht | WS 2014/15 | Samir Kadiric 237 Wechselkurssysteme im Überblick Currency Board-System • Eine strenge Variante des Fixkurssystems • Monetäre Basis einer Volkswirtschaft ändert sich nur dadurch, dass das Currency Board die eigene Währung im Austausch gegen eine bestimmte ausländische Währung (Ankerwährung) zu einem fixen Wechselkurs kauft oder verkauft. • Die monetäre Basis ist in voller Höhe durch Devisen in der Ankerwährung gedeckt. • Konvertibilität der inländischen Währung gegenüber der Reservewährung, d.h. eine Einlösung in andere konvertible Währungen ist durch Umtausch der Reservewährung in diese Währung möglich. • Die Entwicklung der Währungsreserven und damit die Zahlungsbilanzsituation verändert die monetäre Basis und bestimmt die Geldmengenentwicklung. • Zentralbank kann nicht zur Finanzierung von Budgetdefiziten herangezogen werden • Zentralbank hat keine Möglichkeit zur Devisenmarktintervention • Das geringe Wechselkursrisiko impliziert niedrigere Zinssätze für Auslandskredite und erleichtert Direktinvestitionen. • Nachteile sind: – Keine eigenständige Geldpolitik – Verzicht auf den Wechselkurs als Gegensteuerungsmöglichkeit zu Störungen (Schocks) auf dem Gütermarkt | WS 2014 /15| Samir Kadiric 238 Ausgewählte Literatur • BERNANKE, Ben S.; MISHKIN, Frederic S. (1997): Inflation Targeting: A New Framework for Monetary Policy?; National Bureau of Economic Research, Working Paper 5893, NBER, January 1997: Cambridge. • DEUTSCHE BUNDESBANK (1999): Taylor-Zins und Monetary Conditions Index; Monatsbericht April 1999; S. 47-63. • DUWENDAG, Dieter ET AL (1999): Geldtheorie und Geldpolitik in Europa – Eine problemorientierte Einführung mit einem Kompendium monetärer Fachbegriffe; 5. Auflage, Springer-Verlag: Berlin Heidelberg. • EZB (1999): Die stabilitätsorientierte geldpolitische Strategie des Eurosystems; Monatsbericht Januar 1999, Frankfurt am Main; S. 43-56. • EZB (2001): Fragen im Zusammenhang mit geldpolitischen Regeln; Monatsbericht Oktober 2001, Frankfurt am Main; S. 43-58. • EZB (2002): Die zwei Säulen der geldpolitischen Strategie der EZB; Monatsbericht November 2002, Frankfurt am Main; S. 41-53. • EZB (2003): Ergebnisse der von der EZB durchgeführten Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie; Monatsbericht Juni 2003, Frankfurt am Main; S. 87-102. • EZB (2006): Europäische Zentralbank – Geschichte, Rolle und Aufgaben; zweite überarbeitete Auflage 2006, Frankfurt am Main. • EZB (2007a): Die Geschichte des Euro: Ein Überblick über die Entstehung des Euro-Banknoten und – Münzen; Frankfurt am Main. • EZB (2007b): Financial Integration in Europe; Frankfurt am Main. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 239 Ausgewählte Literatur • EZB (2009a): Zentralbankkommunikation in Zeiten erhöhter Unsicherheiten; Monatsbericht November 2009, Frankfurt am Main; S. 77-86. • EZB (2009b): Geldpolitische Systeme und gesamtwirtschaftliche Stabilität; Monatsbericht Dezember 2009, Frankfurt am Main; S. 19-22. • EZB (2011a): Die Europäische Zentralbank, das Eurosystem, das Europäische System der Zentralbanken; Frankfurt am Main. • EZB (2011b): Preisstabilität: Warum ist sie für dich wichtig?; Frankfurt am Main. • EZB (2011c): Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank; Frankfurt am Main. • EZB (2012): Durchführung der Geldpolitik Im Euro-Währungsgebiet: Allgemeine Regelungen für die Geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems; Frankfurt am Main. • EZB (2013): The International Role Of The Euro; ; Frankfurt am Main. • GERDESMEIER, Dieter (2006): Geldtheorie und Geldpolitik - Eine praxisorientierte Einführung; 2. Auflage, Bankakademie-Verlag: Frankfurt am Main. • GÖRGENS, Egon; RUCKRIEGEL, Karlheinz; SEITZ, Franz (2008): Europäische Geldpolitik – Theorie, Empirie, Praxis; 5. Auflage, Lucius & Lucius: Stuttgart. • JANSSEN, Ole Johann (2002): Currency Board-Systeme – Theoretische Aspekte und Erfahrungen; Duncker & Humblot: Berlin. • JARCHOW, Hans-Joachim (2003): Theorie und Politik des Geldes; 11. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen. • MARIA-DOLORES, Ramon (2005): Monetary Policy Rules in Accession Countries to EU: Is the Taylor-Rule a pattern?; Economics Bulletin, Vol. 5, No. 5, September 2005; S. 1-16. | WS 2014/15 | Samir Kadiric 240 Ausgewählte Literatur • MISHKIN, Frederic S. (2002): Inflation Targeting; in: SNOWDON, Brian; VANE, Howard R. (Hrsg.) (2002): An Encyclopedia of Macroeconomics; Edward Elgar Publishing: Northampton; S. 361-367. • MISHKIN, Frederic S. (2004): The Economics of Money, Banking and Financial Markets; 7. Auflage, Pearson Addison-Wesley: Boston. • MISHKIN, Frederic S. (2007): Who Did We Get Here?; in: MISHKIN, S. Frederic (Hrsg.) (2007): Monetary Policy Strategy; Cambridge: London; S. 1-28. • MORITZ, Karl-Heinz (2001): Geldtheorie und Geldpolitik; Kompaktstudium Wirtschaftswissenschaften, Band 13, 2. Auflage, Franz Vahlen: München. • PETO, Rudolf (2002): Geldtheorie und Geldpolitik; 2. Auflage, Oldenbourg Verlag: München. • SCHWEICKERT, Rainer (1993): Geld- und Wechselkurspolitik in Entwicklungsländern – Eine Analyse alternativer Stabilisierungs- und Anpassungsstrategien; Institut • SPAHN, Heinz-Peter (2006): Geldpolitik – Finanzmärkte, neue Makroökonomie und zinspolitische Strategien; Verlag Vahlen: München. • SVENSSON, Lars E.O. (1999): Inflation targeting as a monetary policy rule; Journal of Monetary Economics, Vol. 43, No. 3, June 1999; S. 607-654. • SVENSSON, Lars E.O. (2007): Inflation Targeting; Centre for European Policy Studies, CEPS Working Paper, No. 144, May 2007. • VOLLMER, Uwe (2005): Geld- und Währungspolitik; Verlag Vahlen: München. • WEBER, A. Axel (2008): Perspektiven der europäischen Geldpolitik; Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Ferdinand Schöningh: Paderborn. | WS 2014/15 | Samir Kadiric Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit | WS 2014/15 | Samir Kadiric