Therapie der akuten Herzinsuffizienz S. Rex, G. Marx Interessenskonflikt: S. Rex hat von der Firma Edwards Lifesciences GmbH, München, Deutschland, Honora­ re für Vorträge und beratende Tätigkeiten erhalten. G. Marx ist für die Durchführung wissenschaftlicher Projekte von Edwards Life Sciences und Pulsion Medical Systems finanziell unterstützt worden. Unabhängig hiervon hat GM Honorare im Rahmen von Vortragstätigkeiten von diesen Firmen erhalten und ist Berater von Edwards Life Sciences. Vorbemerkungen In Europa sind 5 % aller Krankenhausaufnahmen auf eine akute Herzinsuffizienz zurück­ zuführen. 10 % aller Krankenhausbetten sind mit Patienten belegt, die wegen einer Herzinsuffizienz stationär behandelt werden müssen. Obwohl ca. 2 % aller öffentlichen Gesundheitsausgaben in die Versorgung der Patienten mit Herzinsuffizienz fließen, ist die Prognose der akuten Herzinsuffizienz nach wie vor als sehr schlecht zu bezeichnen: 40 % der Patienten, die wegen einer akuten Herzinsuffizienz stationär behandelt werden müs­ sen, sind nach einem Jahr verstorben oder müssen in dieser Zeit erneut stationär aufge­ nommen werden [10, 54]. Im Bereich der Intensivmedizin tritt eine akute Linksherzinsuffizienz bei ca. 1/3 aller Patienten im Verlauf der intensivmedizinischen Behandlung auf [5]. Der auf einem links­ ventrikulären (LV) Versagen beruhende kardiogene Schock weist nach wie vor eine Leta­ lität von ca. 50 % auf [58]. Das akute Rechtsherzversagen ist zwar insgesamt selten, kommt aber bei bestimmten Patientengruppen v.a. im Bereich der Intensivmedizin über­ proportional häufig vor und ist mit einer ähnlich schlechten Prognose wie das Linksherz­ versagen assoziiert (siehe unten). Für das „klassische“ Linksherzversagen z.B. auf dem Boden einer Myokardischämie oder im Rahmen einer Exazerbation einer chronischen Herzinsuffizienz liegt eine recht gute Evidenzbasis vor, die 2008 in den aktuellsten „European Society of Cardiology Guide­ lines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure“ zusammengefasst wurde [10]. Im Bereich der Anästhesiologie und perioperativen Intensivmedizin tritt eine akute Herzinsuffizienz aber gehäuft auch bei Patienten auf, die von dieser Guideline wenn überhaupt nur am Rande erwähnt werden, so z.B. bei Patienten mit Sepsis oder nach Herzchirurgie, bei denen die Evidenzlage hinsichtlich der Behandlung der Herzinsuffi­ zienz deutlich schwächer ist. Die vorliegende Übersicht widmet sich zunächst der allge­ meinen Herangehensweise an die akute Herzinsuffizienz, um dann die „Sonderfälle“ septische Kardiomyopathie, „Low Cardiac Output Syndrome“ nach Herzchirurgie und akutes Rechtsherzversagen aufzugreifen. I) Akute Herzinsuffizienz I.1 Ätiologie Die Ätiologie der akuten Herzinsuffizienz ist vielschichtig [Tabelle 1]. Es ist jedoch von herausragender Bedeutung, die zugrundeliegende Ursache der akuten Herzinsuffizienz zu diagnostizieren, um die Patienten so früh wie möglich einer kausalen Therapie zuführen zu können. Dabei hilft es, den Patienten zur weiteren Stratifizierung schon bei der initia­ len Evaluation in eine der sechs Kategorien einzuteilen, in denen die akute Herzinsuffi­ zienz gewöhnlich auftritt [Abb. 1] [10]. 133 Ursache Ätiologie Ischämie • Akutes Koronarsyndrom bei KHK • Mechanische Komplikationen des akuten Myokardinfarktes (Papillarmuskelabriß, Ventrikelseptumdefekt) • Rechtsherzinfarkt • Koronarembolie (linksatriales Myxom, linksatrialer Thrombus) • Aortendissektion mit Involvierung der Koronarien Valvulär • Stenose • Insuffizienz • Endokarditis • Aortendissektion Myopathie • Akute Myokarditis • Postpartale Kardiomyopathie • Stress-Kardiomyopathie (Tako-Tsubo, „apical ballooning“) Hypertonie/Arrhythmie • Hypertensive Krise • Akute Herzrhythmusstörungen Akute Dekompensation einer chronischen Herzinsuffizienz • Mangelnde Compliance • Volumenüberladung • Infektionen (v.a. Pneumonie) • Cerebrovaskulärer Insult • Operation • Niereninsuffizienz • Asthma, COPD • Alkoholabusus • Drogenabusus Verschiedenes • Sepsis • Thyreotoxikose • Anämie • Shunts • Perikardtamponade • Lungenarterienembolie • Herzkontusion • Kokainintoxikation • „Post Cardiac Arrest Syndrome“ • “Low Cardiac Output Syndrome” nach Herzchirurgie • Hypothermie • Ertrinkungsunfall Tab. 1: Ätiologie der akuten Herzinsuffizienz. Nach [10, 5]. Abb. 1: Klinische Klassifikation der akuten Herzinsuffizienz. Nach [10]. (RHV = Rechtsherzversagen). 134 I.2 Diagnostik der akuten Herzinsuffizienz Die Diagnose „akute Herzinsuffizienz“ wird primär klinisch gestellt [Abb. 2]. Apparative Zusatzuntersuchungen dienen in erster Linie dem Ausschluß von Differentialdiagnosen. Hierbei sei daran erinnert, dass das Fehlen von Stauungszeichen in der Röntgen-ThoraxUntersuchung keinesfalls einen erhöhten LV Füllungsdruck ausschließt [37] und dass insbesondere die Bestimmung des Brain Natriuretic Peptide (BNP) bei intensivmedizini­ schen Patienten eine sehr niedrige Spezifität und damit eine deutlich eingeschränkte Aussagekraft besitzt [11]. Mittels sorgfältiger Anamnese, körperlicher Untersuchung, EKG, Röntgen-Thorax, laborchemischen Untersuchungen und Echokardiographie muß schon bei der initialen Evaluation des Patienten die Ursache der Herzinsuffizienz diagnos­ tiziert werden, um den Patienten ohne Zeitverzögerung einer kausalen Therapieoption zuführen zu können (Bsp.: Reperfusion bei Ischämie). Abb. 2: Algorithmus zur initialen Evaluation des Patienten mit vermuteter akuter Herzinsuffizienz (Class of Recommendation I, Level of Evidence C). Nach [10]. I.3 Therapie der akuten Herzinsuffizienz Parallel zur Diagnosefindung muss unmittelbar mit der Therapie begonnen werden, die folgende Ziele verfolgt: Stabilisierung des Patienten, Wiederherstellung der Oxygenie­ rung, Verbesserung von Hämodynamik und Organperfusion, Limitierung von Schäden an Herz und Niere, Minimierung der Aufenthaltsdauer auf Intensivstation [10]. Die hierzu erforderlichen Maßnahmen sind in Tabelle 2 geschildert. Die ESC schlägt dabei ein Vor­ gehen vor, welches sich primär am systolischen Blutdruck orientiert [Abb. 3]. 135 Therapieziel Maßnahme Wirkprinzi­pien Nebenwir­ kungen Kontraindi­ kationen CoR/LoE Analgesie, Anxiolyse Morphin (2,5-5mg als Bolus) Analgesie, Linderung von Dyspnoe, leichte Sedierung, Anxiolyse Atemdepression, Übelkeit, Erbrechen Bradykardie, Hypotonie, Bewußtseinsstörungen - Verbesserung der Oxy­ genierung (SaO2 > 95%) Sauerstoff Ggf. Atemdepression bei Patienten mit schwerer COPD Keine absolu­‑ ten Kontraindi­ kationen I/C Nicht-invasive Beatmung (CPAP, 5-10 cmH2O) FRC, Atemarbeit LV Nachlast RV Nachlast Austrocknung der Schleimhäute Agitation Aspiration Rechtsherzversagen Unkooperativer Patient Fehlende Schutzreflexe Apnoe IIa/B Therapie der Stauung und der Hypervolämie Diuretika (Furosemid 40 mg Bolus, ggf. Perfusor) Wasser- und Natriumausscheidung Elektrolytstörungen (Hypokaliämie, Hyponatriämie) Hypovolämie, Hypotonie Keine absoluten Kontraindikationen I/B Reduktion der erhöhten Füllungsdrücke Vasodilatatoren Nitroglycerin (10-200µg/min) Natriumnitro­ prussid (0,3-5 µg/ kg/min) Vorlast, Nachlast Hypotonie Kopfschmerzen Tachyphylaxie RRsyst. < 90mmHg Aortenstenose I/B CoR = Class of recommendation; LoE = Level of evidence; FRC = funktionelle Residualkapazität; LV = linksventrikulär; RV = rechtsventrikulär Tab. 2: Initiale Therapie der akuten Herzinsuffizienz. Nach [10,54]. Abb. 3: Algorithmus zur Therapie der akuten Herzinsuffizienz, in Orientierung an den systolischen Blutdruck. Nach [10]. NIV = Nicht-invasive Beatmung; SBP = systolischer Blutdruck; NTG = Nitroglycerin; NNP = Natriumnitroprus­ sid; PDEI = Phosphodiesterase-Hemmstoff; ACEI = ACE-Hemmer; ARB = Angiotensin-Rezeptor-Blocker; PAK = Pulmonalarterienkatheter 136 Grundsätzlich ist die Indikation zur Therapie mit Inotropika sehr kritisch zu stellen [Tabelle 3]. Auf der einen Seite gefährdet eine unbehandelte Hypotonie im Schock die Perfusion aller vitalen Organe und gerade auch des Herzens, so dass der Einsatz von Katecholaminen zumindest in der Akut-Phase des Schockgeschehens zwingend erforder­ lich scheint, wenigstens zur Überbrückung der Zeit, bis kausale Maßnahmen wie z.B. die Revaskularisation greifen oder andere Maßnahmen wie z.B. eine mechanische Kreislaufunter­stützung verfügbar sind. Auf der anderen Seite erhöhen alle Katecholamine und Vasopressoren den myokardialen Sauerstoffbedarf und verschlechtern dadurch die myokardiale Sauerstoffbilanz. In der Tat gibt es zunehmend Hinweise, dass der Einsatz von positiv inotropen Substanzen bei akut herzinsuffizienten Patienten mit einer Zunahme der Sterblichkeit verbunden ist [1, 42], a.e. über die chronische Erhöhung der intrazellu­ lären Calciumkonzentration, die die Genexpression verändern, Apoptose-Mechanismen aktivieren und maligne ventrikuläre Arrhythmien triggern kann [66]. Daher sollten Ino­ tropika/Vasopressoren nur bei Patienten zum Einsatz kommen, bei denen ein erniedrigter Blutdruck, und/oder ein erniedrigter Herzzeitvolumenindex sowie gleichzeitig Zeichen einer systemischen Minderperfusion und/oder Stauung vorliegen (Zentralisation, Azidose, Nierenversagen, Leberinsuffizienz, eingeschränkter Bewußtseinsstatus). Therapie­ ziel Medikament Wirkprinzi­pien Neben­wirkungen Kontraindi­kationen / Anmerkungen CoR/LoE Wieder­ herstellung eines adäquaten HZV Inotropika/ Vasopressoren s.u. Tachykardie, Arrhythmien Letalität; s.u. Keine absoluten Kontraindika­ tionen IIa/B Dobutamin 2-20 µg/kg/min (β-adrenerg) Kontraktilität Nachlast Dopamin < 2 µg/kg/min (D-Rezeptoren) 3-5 µg/kg/min (β-adrenerg) > 5 µg/kg/min (α-adrenerg) Renale Vasodilatation Kontraktilität, Nachlast Nachlast IIa/B Im kardio­ genen Schock erhöhte Letali­ tät gegenüber Noradre­nalin IIb/C Milrinon 0,125-0,75 µg/kg/min PDE-III-Inhibitor Kontraktilität, Nachlast, Inodilatator Ggf. Hypotonie Auch wirksam bei Patienten mit chronischer β-BlockerTherapie IIb/B Levosimendan 0,1 µg/kg/min (ggf. vorher Bolus von 6-12 µg/kg) Ca++-Sensitizer Kontraktilität, Nachlast, Inodilatator Ggf. Hypotonie Auch wirksam bei Patienten mit chronischer β-BlockerTherapie IIa/B Noradrenalin (α >> β) 0,2 -1,0 µg/kg/min Kontraktilität, Nachlast, Vasopressor Zur Kombi­ nation mit Ino­ tropika, nicht „first-line“ IIb/C Adrenalin (α = β) 0,05-0,5 µg/kg/min Kontraktilität, Nachlast, Inopressor „Rescue Therapy“ IIb/C CoR = Class of recommendation; LoE = Level of evidence; PDE-III = Phosphodiesterase Typ III Tab. 3: Therapie der akuten Herzinsuffizienz mit Inotropika und Vasopressoren. Nach [10]. 137 Es gibt nur wenige Studien, die die Überlegenheit eines Katecholamins über andere unter­ sucht haben. In einer jüngst veröffentlichten Studie an Schockpatienten war der Gebrauch von Dopamin generell mit einer erhöhten Tachyarrhythmierate und in der Subgruppe der Patienten mit kardiogenem Schock sogar mit einem Letalitätszuwachs verbunden [6]. Diese Evidenz lag zum Zeitpunkt der Erstellung der ESC-Guidelines noch nicht vor. Levosimendan konnte in Studien an Patienten mit therapierefraktärem, infarktbedingten kardiogenen Schock im Vergleich zu Enoximon die Letalität senken [15] und im Ver­ gleich zu Dobutamin/Noradrenalin eine nachhaltige Verbesserung der Hämodynamik bewirken [62]. Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass β-adrenerge Substanzen bei den mehrheitlich β-blockierten Patienten eine nur reduzierte Wirksamkeit aufweisen. Bei Patienten mit akut dekompensierter chronischer Herzinsuffizienz und vorherrschen­ der kompensatorischer Vasokonstriktion sind primär Vasodilatantien u./o. Inodilatatoren einzusetzen, um die Nachlast und hierdurch den myokardialen Sauerstoffverbrauch zu senken. Levosimendan bietet als Inodilatator bei diesem Patientengut ein attraktives Wirkspektrum. So konnte in zwei frühen Studien bei Patienten mit akuter Herzinsuffi­ zienz für Levosimendan ein Überlebensvorteil gegenüber Dobutamin [13] bzw. Placebo [47] gezeigt werden, der allerdings in einer neueren Studie an mehr als 1300 Patienten nicht mehr reproduziert werden konnte [41]. Nur in der Subgruppe der β-blockierten Patienten reduzierte Levosimendan im Vergleich zu Dobutamin die Mortalität [40]. Vasokonstriktoren kommen erst bei Vasoplegie zum Einsatz, die nach neueren Erkennt­ nissen nicht selten im infarktbedingten kardiogenen Schock auftritt, da sowohl IschämieReperfusion als auch Störungen der Mikrozirkulation eine systemische Inflammation provozieren, die in einer Vasoplegie münden kann [24]. Die Identifizierung der im individuellen Patienten jeweils dominierenden pathophysiolo­ gischen Störung ist daher Grundvoraussetzung jeder zielgerichteten Therapie und ist ohne erweitertes hämodynamisches Monitoring (Echokardiographie u./o. Pulmonalarterien­ katheter) nur schwerlich möglich [58]. II) Die septische Kardiomyopathie Häufig kommt es im Rahmen der Sepsis auch zu einer Beeinträchtigung der myokardialen Kontraktilität [45]. Die Ursachen hierfür sind nicht abschließend geklärt, gehen aber v.a. auf die Interaktionen verschiedener inflammatorischer Kaskaden mit dem koronaren Endothel und dem Myokardgewebe zurück. Die septische Kardiomyopathie ist grundsätz­ lich ein reversibles Geschehen und betrifft bevorzugt den linken Ventrikel. Sie läßt sich echokardiographisch als globale LV Hypokinesie darstellen. Nach jüngeren Untersuchun­ gen tritt sie in bis zu 60 % aller Patienten mit septischem Schock auf [68]. Während ­frühere Autoren im Auftreten einer septischen Kardiomyopathie sogar einen Überlebens­ vorteil sahen [55], scheint sie bei adäquater Therapie nach aktueller Studienlage keinen Einfluß auf die Letalität zu haben [68]. Ohne erweitertes hämodynamisches Monitoring wie z.B. der Echokardiographie oder der Messung des Herzzeitvolumens ist die septische Kardiomyopathie nur schwierig nachzu­ weisen. Patienten, die trotz adäquater Volumensubstitution weiterhin hypotensiv bleiben, können ein erniedrigtes, normales oder erhöhtes Herzzeitvolumen aufweisen. Daher wird in Situationen, in denen das Herzzeitvolumen nicht gemessen wird/werden kann, der Einsatz von Substanzen mit sowohl inotroper als auch vasopressorischer Wirkung emp­ fohlen (wie z.B. Noradrenalin und (als zweite Wahl) Adrenalin). Dobutamin soll laut „Surviving Sepsis Campaign“ und auch nach den aktuellsten Emp­ fehlungen der Deutschen Sepsis-Gesellschaft immer dann eingesetzt werden, wenn trotz adäquater kardialer Füllung und ausreichender Volumentherapie das Herzzeit­ volumen erniedrigt ist [8, 56]. 138 Eine kritische Erniedrigung des Herzzeitvolumens kann hierbei u.U. auch aus einer trotz Bluttransfusion erniedrigten zentralvenösen Sauerstoffsättigung abgleitet werden [59]. Methode der Wahl zur Diagnose einer septischen Kardiomyopathie ist aber die transtho­ rakale (ggf. transösophageale) Echokardiographie, mit Hilfe derer auch eine Verschlech­ terung der myokardialen Pumpfunktion unter einer Vasopressoren-Therapie frühzeitig aufgedeckt werden kann [68]. III) Die akute Linksherzinsuffizienz in der postoperativen Phase nach herzchirurgischen Eingriffen: Das „Low Cardiac Output Syndrome” III.1 Epidemiologie und Definition Es gibt nur wenig prospektive Daten zur Inzidenz einer kardiovaskulären Insuffizienz nach herzchirurgischen Eingriffen. In einer aktuellen Erhebung aus der Schweiz fand sich in 45 % aller elektiv operierten Patienten ein postoperatives myokardiales Stunning und in fast einem Drittel der Patienten ein kardiogener Schock [60]. Von einem postoperativen „Low Cardiac Output Syndrome“ (LCOS) spricht man, wenn Patienten während oder nach der Entwöhnung von der Herz-Lungen-Maschine einen kardiogenen Schock ent­ wickeln (willkürlich definiert als die Kombination aus einem erniedrigten Herzzeitvolu­ men (Cardiac Index je nach Autor < 2,4 oder < 2,2 l · min-1 · m-2) und dem Nachweis einer eingeschränkten Endorgan-Perfusion) [19, 60]. III.2 Ätiologie Das LCOS kann primär linksventrikulär, primär rechtsventrikulär (siehe weiter unten) oder biventrikulär bedingt sein. Die Gründe für ein postoperatives LCOS sind vielschich­ tig und umfassen: Stunning nach kardioplegischem Herzstillstand, myokardiale Dysfunk­ tion durch den Ischämie-Reperfusionsschaden, Aktivierung inflammatorischer und koagulatorischer Kaskaden wie auch das Fortbestehen intraoperativ nicht korrigierter/ korrigierbarer kardialer Pathologien. Daneben muß die postoperative myokardiale Dys­ funktion von einer nach Einsatz der extrakorporalen Zirkulation gehäuft auftretenden Vasoplegie abgegrenzt werden. III.3 Diagnostik Zur (Differential)Diagnose, Ursachenabklärung, Differenzierung in primär links- bzw. rechtsventrikuläres Versagen wie auch zum Therapiemonitoring ist der Einsatz eines erweiterten hämodynamischen Monitorings inkl. Echokardiographie und Pulmonalarte­ rienkatheter (PAK) geboten, v.a. bei Hoch-Risiko-Patienten mit komplexen herzchirurgi­ schen Eingriffen, bei Patienten mit einem schweren LCOS und bei Patienten mit pulmo­ naler Hypertonie [4]. III.4 Therapie Grundsätzlich gelten für die Therapie des linksventrikulären LCOS die gleichen Überle­ gungen wie in den ESC-Empfehlungen zur Therapie der akuten Herzinsuffizienz geschil­ dert [10]. Aufgrund der anders gelagerten und zum Teil komplexen Ätiologie scheint aber ein adaptiertes Vorgehen gerechtfertigt, wie es von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie im Kontext einer S3-Leitlinie empfohlen wird [Tabelle 4] [4]. 139 Empfehlung Evidenzgrad Empfehlungs­ grad Eine Vorlastoptimierung ist die Grundvoraussetzung für eine medikamen­ töse oder apparative Therapie der Linksherzinsuffizienz. D A Werden nach einer Vorlastoptimierung die Zielwerte nicht erreicht, ist eine Therapie mit positiv inotropen Mitteln indiziert. Die Auswahl der Substanz richtet sich nach der patientenindividuellen Situation. D B PDE-III-Hemmer sind bei Patienten mit bestehender ß-Blockade und/ oder einer inadäquaten hämodynamischen Reaktion auf eine Dobutamin­ gabe zu bevorzugen. C O Zur Vor- und Nachlastsenkung bei akuter Herzinsuffizienz wird der Ein­ satz von Nitraten zur Therapie empfohlen. B B Ist ein Vasopressor indiziert, ist Noradrenalin als einziger zugelassener Vasopressor das Mittel der Wahl. C A Der Einsatz von Low-Dose-Dopamin zur Prophylaxe oder Therapie eines Nierenversagens ist obsolet. A A Die protektiven Einflüsse von Dopexamin auf die hepatosplanchnikuläre Durchblutung und die Erhöhung der Kreatininclearance bei kardiochirur­ gischen Patienten ist nicht nachgewiesen. Die Gabe von Dopexamin wird daher nicht empfohlen. A B Levosimendan soll zur Prävention hämodynamischer Komplikationen bei Patienten mit eingeschränkter LVEF und bei Patienten mit bestehendem LCOS eingesetzt werden. Die empfohlene Dosierung liegt bei 0,1 µg/ kgKG/min über 24 h. Auf eine Bolusgabe soll verzichtet werden. Aktuell keine Zulassung in Deutschland, daher Down-Grading im Emp­ fehlungsgrad. B O Empfehlungsgrade: A = sehr starke Empfehlung („soll“); B = starke Empfehlung („sollte“); O = offene Emp­ fehlung („kann“) Tab. 4: Empfehlungen zur Therapie der postoperativen Linksherzinsuffizienz nach herzchirurgischen Eingrif­ fen. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie [4]. Obwohl sich jährlich allein in den westlichen Ländern mehr als 500.000 Menschen einer Herzoperation unterziehen, liegen keine Daten aus größeren randomisierten und kontrol­ lierten Studien vor, die eindeutige Empfehlungen zur Wahl eines Inotropikums in dieser Situation zuließen [19]. Bei Patienten nach einem kardiochirurgischen Eingriff hatten Adrenalin und Dobutamin vergleichbare Effekte auf Blutdruck, ZVD, PCWP, SVR, PVR und LV Schlagarbeit, allerdings erhöhte Dobutamin die Herzfrequenz stärker [3]. Adrenalin, Dobutamin und Dopamin erhöhen postoperativ alle den myokardialen Sauer­ stoffbedarf, wobei lediglich unter Dobutamin eine kompensatorische Steigerung des koronaren Blutflusses beobachtet wurde [14]. Die Phosphodiesterase-Typ-III-Inhibitoren sind hingegen potente Inodilatatoren, die zu einer Abnahme der Füllungsdrücke, des PVR und SVR führen, bei geringerer Zunah­ me des myokardialen Sauerstoffbedarfs [20]. In einer der wenigen randomisierten Studien zu diesem Komplex war der Gebrauch von Milrinon im Vergleich zu Dobutamin mit­ einer geringeren Steigerung der Herzfrequenz und einer niedrigeren Inzidenz von Arrhythmien verbunden [12]. Die präemptive Gabe von Milrinon kann sowohl bei Kindern [26] als auch bei Erwachsenen die Inzidenz eines postoperativen LCOS senken [31]. Zu Levosimendan liegen derzeit noch die wenigsten Daten vor. Über die Öffnung ATP-abhängiger Kalium-Kanäle kann Levosimendan u.U. vor einer Myokard-Ischämie und ihren Folgen schützen. In einer Meta-Analyse an 440 Patienten aus 10 einzelnen Studien war der Gebrauch von Levosimendan mit einer Reduktion der postoperativen Letalität, der Troponin-Freisetzung und der Inzidenz an Vorhofflimmern verbunden [34]. 140 Häufig wird die postoperative Katecholamintherapie bei herzchirurgischen Patienten durch die Fortführung der chronischen Medikation mit Beta-Rezeptoren-Blockern bis zum OP-Tag kompliziert. In diesem Fall kommt es zu einem deutlich verminderten und teilweise auch veränderten Ansprechen auf adrenerge Substanzen, so dass u.U. auf PDEIII-Inhibitoren oder Levosimendan ausgewichen werden muß [40]. Eine europäische Expertengruppe sieht zusammenfassend für die Therapie des LCOS mit Inotropika die oben genannten drei Optionen: Dobutamin bzw. Adrenalin, Milrinon oder Levosimendan [43]. Allerdings kann für keine dieser einzelnen Substanzen eine klare evidenz-basierte Überlegenheit dargestellt werden. Häufig werden zudem Kombinationen der einzelnen Substanzen untereinander oder mit Noradrenalin empfohlen. Die S3-Leitli­ nie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und der Deut­ schen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie zur Therapie des akuten ­postherzchirurgischen Linksherzversagens sind in Tabelle 4 dargelegt. Hierbei sollen die folgenden hämodynamischen Zielgrößen angestrebt werden [4]: • ScvO2 > 70 % oder SvO2 > 65 % • MAP > 65 mmHg • Cardiac Index > 2,0 l · min-1 · m-2 • ZVD 8-12 mmHg (abhängig von der Beatmung) • Linksventrikulärer enddiastolischer Flächenindex 6-9 cm² · m-2 • Intrathorakaler Blutvolumenindex 850-1000 ml · m-2 • Globaler enddiastolischer Volumenindex 640-800 ml · m-2 • Pulmonalarterieller Verschlussdruck 12-15 mmHg • Diurese > 0,5 ml · kgKG-1 · h-1 • Laktat < 3 mmol/l Bei Versagen der pharmakologischen Ansätze ist das LCOS eine der Domänen der mechanischen Kreislaufunterstützung. Hierbei stehen verschiedene Systeme zur Verfü­ gung: intraaortale Ballonpulsation (IABP), veno-arterielle extrakorporale Membranoxy­ genierung (va-ECMO), ventrikuläre Assist-Devices (VAD). Zum Einsatz der mechani­ schen Kreislaufunterstützungssysteme existieren keine evidenz-gestützten Empfehlungen, so dass sich ihr Einsatz eher an der vorherrschenden Pathophysiologie und an der ­Erfahrung des jeweiligen Zentrums orientiert. Die IABP augmentiert den koronaren Perfu­sionsdruck und senkt die LV Nachlast. Ihr Einsatz ist dementsprechend bei korona­ rer Hypoperfusion und bei Zuständen indiziert, bei denen das Therapiekonzept auf­ einer nachhaltigen Senkung der LV Nachlast beruht, etwa bei der akuten Mitralinsuffizi­ enz und dem Ventrikelseptumdefekt [43]. Die va-ECMO wird vielerorts als „Bridge-­ to-recovery“ und als „Bridge-to-decision“ eingesetzt. Für eine weitergehende Diskussion dieses Verfahrens und auch der Kunstherzsysteme sei auf Spezialliteratur verwiesen [64, 65, 23]. IV) Akutes Rechtsherzversagen IV.1 Epidemiologie und Ätiologie Die genaue Inzidenz des akuten Rechtsherzversagens ist unbekannt, mutmaßlich deshalb, weil häufig nicht an diese Diagnose gedacht wird und die Echokardiographie auch wei­ terhin nicht flächendeckend zur Abklärung einer hämodynamischen Instabilität eingesetzt wird. Insbesondere in der perioperativen Intensivmedizin sind jedoch zahlreiche Erkran­ kungen/Operationen überproportional häufig mit einer Rechtsherzinsuffizienz assoziiert. In erster Linie sind hierbei zu nennen: ALI/ARDS, Lungenembolie, akute Myokard­ infarkte mit Beteiligung der RCA und/oder des RCX und herzchirurgische Eingriffe. Bei diesen Erkrankungen kommt der rechtsventrikulären (RV) Funktion zudem eine 141 prognosedeterminierende Bedeutung zu. Beispielsweise zeigen auch unter Anwendung protektiver Beatmungsverfahren noch 25-30 % aller ALI/ARDS-Patienten eine RV Insuf­ fizienz (Letalität: 30-40 %) [70, 29, 52]. Bei der Lungenembolie ist das Auftreten eines schweren akuten Cor pulmonale mit einer Letalität von knapp 60 % assoziiert [69]. Bei vielen h­ erzchirurgischen Patienten liegt bereits präoperativ eine (zumeist sekundäre) PHT vor, die intraoperativ (v.a. bei Einsatz der extrakorporalen Zirkulation) exazerbieren kann. Daneben tritt in der Herzchirurgie postoperativ regelhaft eine kontraktile Dysfunktion­ des RV auf, zum einen als Ausdruck des myokardialen Stunnings nach intraoperativer Myokardischämie, zum anderen daher, weil in Rückenlage die RCA die höchstgelegene Koronararterie ist und damit bei inadäquater Entlüftung der Ventrikel Luft am ehesten in die RCA embolisiert. In einer Untersuchung gingen 48 % aller postoperativen LCOSFälle nach Herzchirurgie auf ein Rechtsherzversagen zurück (Letalität: 44 %). Nach Herztransplantationen gehen 50 % der akuten Komplikationen auf ein akutes Rechtsherz­ versagen zurück, welches damit 42 % der perioperativen Mortalität ausmacht [21]. Auch nach Implantation eines linksventrikulären Unterstützungssystems (LVAD) wird ein Rechtsherzversagen in 30-50 % der Fälle beobachtet, mit einer Letalität von 46 % [39]. Grundsätzlich können drei Mechanismen – einzeln oder in Kombination – zu einem Rechtsherzversagen führen. Sie sind in Abbildung 4 (zusammen mit hierfür typischen Erkrankungen) aufgeführt. Abb. 4: Ätiologie des akuten Rechtsherzversagens. IV.2 Pathophysiologie Aufgrund seiner geringen kontraktilen Reserven kompensiert der rechte Ventrikel im Gegensatz zum linken Ventrikel akute Steigerungen der Nachlast und eine Abnahme der Kontraktilität nur sehr eingeschränkt, so dass rasch eine Zunahme des rechtsseitigen Ven­ trikelvolumens resultiert. Da der rechte Ventrikel aufgrund seiner dünnen Wand eine hohe Compliance besitzt, zeichnet sich seine Frank-Starling-Kurve durch eine flache Steigung aus (geringe Vorlast-Abhängigkeit). Die Zunahme des end-diastolischen Ventrikelvolu­ mens resultiert daher nicht in einer Steigerung des Schlagvolumens, sondern in einer 142 Dilatation des rechten Ventrikels. Ohne geeignete therapeutische Maßnahmen mündet die RV Dilatation rasch in einem akuten Rechtsherzversagen, wobei zwei unterschiedli­ che Mechanismen interagieren [Abb. 5]: 1) Durch die Reduktion des RV Schlagvolumens („Vorwärtsversagen“) gelangt weniger Blut über die pulmonale Strombahn, so dass die LV Vorlast sinkt (serielle ventrikuläre Interdependenz). Da beide Ventrikel von dem nur wenig dehnbaren Perikard umgeben sind, kann die Volumenzunahme des rechten Ventrikels nur auf Kosten einer Volumen­ abnahme des linken Ventrikels erfolgen. Hierbei kommt es zu einer Verschiebung des interventrikulären Septums nach links [Abb. 1], wodurch die LV Compliance und damit die LV Füllung weiter abnehmen (parallele ventrikuläre Interdependenz, diastolische ventrikuläre Interaktion). Durch die veränderte Septum-Geometrie kommt es aber auch zu einer Einschränkung der septalen Kontraktilität, so dass der Beitrag des Septums an der Generierung des RV Schlagvolumens abnimmt (parallele ventrikuläre Interdependenz, systolische ventrikuläre Interaktion). In jedem Fall resultiert eine Abnahme des Herzzeitvolumens (HZV) und damit ein Abfall des aortalen Blutdrucks, der zu einer Reduktion des koronaren Perfusionsdrucks und damit des myokardialen O2-Angebots führt [Abb. 5A]. 2) Gleichzeitig ist aber durch die Dilatation des rechten Ventrikels und angesichts der gesteigerten Nachlast der O2-Verbrauch des rechten Ventrikels erhöht. Es resultiert eine RV Ischämie mit konsekutiver Abnahme der RV Kontraktilität, die ihrerseits zu einer weiteren Dilatation des rechten Ventrikels führt („Teufelskreis“) [Abb. 5 B]. Abb. 5: Pathophysiologie des akuten Rechstherzversagens (Nähere Erläuterungen siehe Text). Von großer Bedeutung ist auch die aus der RV Dilatation resultierende venöse Stauung, die zu einem rasch progredienten Leber- und Nierenversagen führen kann. Auf eine chronische Rechtsherzbelastung reagiert der rechte Ventrikel zunächst mit einer Hypertrophie und damit einer Zunahme der kontraktilen Reserven. Nach Ausschöpfung/ Überschreitung der kompensatorischen Reserven kommen jedoch die gleichen pathophy­ siologischen Mechanismen wie bei der akuten Rechtsherzbelastung zum Tragen. IV.3 Diagnostik Der klinische Goldstandard in der bettseitigen Diagnostik des akuten Rechtsherzversa­ gens ist die Echokardiographie, welche transthorakal oder (bei beatmeten Patienten vorzugsweise) transösophageal durchgeführt wird. Ein geübter Untersucher kann binnen 143 Sekunden die Diagnose einer gestörten RV Funktion stellen. Schon der simple Vergleich zwischen end-diastolischer Größe von RV und LV hat einen exzellenten prädiktiven Wert in der Diagnose der RV Dysfunktion [38]. Daneben wird auch die gleichzeitige Beurtei­ lung der linksseitigen Herzfunktion und der ventrikulären Interaktion ermöglicht. Auch gelingt mit der Echokardiographie in den allermeisten Fällen die Identifikation der dem akuten Rechtsherzversagen zugrundeliegenden Ursache. Der PAK stellt derzeitig das einzige Überwachungsverfahren dar, mit dem die RV Nach­ last kontinuierlich überwacht werden kann. Die Indikation zur Anlage eines PAK ist­ daher bei Patienten mit RV Dysfunktion grundsätzlich gerechtfertigt, insbesondere dann, wenn das zum Einsatz kommende Therapiekonzept auf der Senkung der RV Nachlast beruht [4]. IV.4 Therapie Wann immer möglich, sollte durch eine exakte Diagnosestellung eine kausale Therapie des akuten Rechtsherzversagens angestrebt werden, wie z.B. die Revaskularisation bei RV Infarkt oder die Thrombolyse/Embolektomie bei Lungenembolie. In vielen Fällen ist jedoch ein kausaler Therapieansatz nicht verfügbar oder sind auch neben dem kausalen Therapieansatz supportive Maßnahmen erforderlich. Die medikamentöse Therapie des akuten Rechtsherzversagens stützt sich im wesentlichen auf drei Säulen: 1) selektive pulmonale Vasodilatation, 2) systemische Vasokonstriktion und 3) positiv-inotrope Unterstützung. IV.4.1 Selektive pulmonale Vasodilatation Aufgrund der zentralen Bedeutung der Nachlast für die Pathophysiologie des Rechtsherz­ versagens kommt dem Therapiekonzept der pulmonalen Vasodilatation eine herausragen­ de Rolle zu. Bis dato sind allerdings keine Vasodilatatoren bekannt, die ausschließlich in der pulmonalen Zirkulation wirken. Die intravenöse Gabe von Vasodilatatoren führt nicht nur zu einer pulmonalen, sondern auch zu einer systemischen Vasodilatation und damit konsekutiv zu einer arteriellen Hypotonie. Hierdurch kann die Koronarperfusion auf ein kritisch niedriges Niveau abfallen und ein Shift des intraventrikulären Septums nach links provoziert werden. Daneben durchbrechen systemisch applizierte Vasodilatatoren den Mechanismus der hypoxisch-pulmonalen Vasokonstriktion und führen daher bei Patien­ ten mit ALI/ARDS zu einer Zunahme des intrapulmonalen Rechts-Links-Shunts mit konsekutiver Verschlechterung der Oxygenierung [44]. Aus diesen Gründen sollten systemische Vasodilatatoren bei Patienten mit Rechtsherz­ versagen und/oder ARDS – wenn überhaupt - nur zurückhaltend verwendet werden, beginnend mit niedrigen Dosierungen und/oder in Kombination mit systemischen Vaso­ pressoren. Eine selektive Wirkung auf die pulmonale Strombahn kann jedoch erzielt werden, wenn Vasodilatatoren inhaliert und damit an den Wirkort, die Gefäße in den Alveolarwänden, transportiert werden. Zweckmäßigerweise werden Vasodilatatoren eingesetzt, die sich durch eine kurze Halbwertszeit auszeichnen. Bei diesen ist der Übertritt in die systemi­ sche Zirkulation vernachlässigbar, so daß nur ein geringes Risiko für das Auftreten einer arteriellen Hypotension besteht. IV.4.1.A Inhaliertes Stickstoffmonoxid (iNO) Nach Inhalation diffundiert NO rasch über die alveolo-kapilläre Membran in die darunter liegenden glatten Muskelzellen der pulmonalen Gefässe. Durch die Aktivierung der lösli­ chen Guanylat-Cyclase wird GTP zu cGMP umgewandelt, welches eine Relaxation der glatten Muskulatur induziert. Die physiologischen Wirkungen von cGMP sind auf den Syntheseort beschränkt, da cGMP rasch durch Phosphodiesterasen (PDE) hydrolysiert wird, in erster Linie durch PDE-5 [28]. Nach Diffusion in die Blutbahn reagiert NO mit 144 Oxyhämoglobin zu Methämoglobin und Nitrat und mit Desoxyhämoglobin zu EisenNitrosyl-Hämoglobin. In der Atemluft reagiert NO bei Zufuhr hoher Dosen mit O2 zum potentiell toxischen NO2 und Sauerstoffradikalen. iNO wird eingesetzt in der Behandlung des ARDS und der perioperativen pulmonalen Hypertonie unterschiedlicher Ätiologie, v.a. in der kongenitalen Herzchirurgie, bei Herz­ transplantationen und bei der Implantation eines LVAD. Zur Behandlung der PHT wurden Konzentrationen von bis zu 80 ppm vorgeschlagen. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, daß höhere Konzentrationen als 20 ppm wahrscheinlich nur die Toxizität von iNO steigern, ohne einen weiteren hämodynamischen Benefit zu zeitigen. Bei Patienten mit ARDS kann die Oxigenierung in den meisten Fällen mit Konzentrationen von 5-10 ppm (oder sogar weniger) verbessert werden [9]. Obwohl mit iNO oft deutliche Effekte auf die pulmonale Hämodynamik und die Oxygenierung erzielt werden können, steht bis heute der Nachweis eines Überlebensvorteils für die Therapie erwachsener Patienten aus. Für das akute Rechtsherzversagen, etwa nach Herztransplantation oder i.R. einer LVADImplantation, liegen auch heute noch keinerlei Daten vor, die eine evidenzbasierte Emp­ fehlung ermöglichen würden. Der Einsatz von iNO bleibt daher in diesen Fällen der klinischen Erfahrung der einzelnen Zentren vorbehalten [17]. Die inhalative Gabe von NO bedarf spezieller Beatmungsgeräte bzw. Applikatoren und erfordert ein kontinuierliches Monitoring von NO2 und Methämoglobin. iNO kann prak­ tisch nur bei beatmeten Patienten eingesetzt werden. Eine beträchtliche Zahl an Patienten sind sogenannte „Non-Responder“ [9]. Nach Beendigung der NO-Zufuhr können Rebound-Effekte auf den pulmonalen Gefäßtonus auftreten. Die Kosten für iNO sind seit der FDA-Zulassung für die Therapie der persistierenden PHT des Neugeborenen drastisch gestiegen. Daher werden derzeit intensiv Alternativen zu iNO getestet [36]. IV.4.1.B Inhaliertes Iloprost Iloprost ist ein Carbacyclin-Derivat des Prostacyclins (PGI2). PGI2 vermittelt sowohl eine Relaxation der glatten Gefäßmuskulatur als auch eine potente Hemmung der Thrombozy­ tenaggregation. Über die Bindung an einen spezifischen Prostanoid-Rezeptor (IP) wird die Adenylat-Cyclase stimuliert und dadurch die intrazelluläre cAMP-Konzentration erhöht. cAMP wird v.a. durch die PDE-III hydrolysiert. Iloprost ist im Gegensatz zu PGI2 auch bei Raumtemperatur stabil und muß nicht lichtgeschützt verwahrt/appliziert werden. Die Halbwertzeit von Iloprost wird mit 6-9 Minuten angegeben. Die pulmonal-vasodila­ tierenden Effekte halten jedoch für eine Dauer von 20-60 Minuten an, so daß eine inter­ mittierende Verneblung möglich ist [51]. Auch wenn Iloprost nach Bolusgabe vorüberge­ hend in der systemischen Zirkulation nachgewiesen werden kann („Spill-Over“), sind die Effekte auf den systemischen Gefäßtonus deutlich geringer als auf den pulmonalen Gefäßwiderstand [51]. Ähnlich wie PGI2 scheint inhaliertes Iloprost ein potenterer pulmo­ naler Vasodilatator zu sein als iNO [25]. Für den Bereich der Herzchirurgie konnten zwei kleinere Studien die Effektivität von inhaliertem Iloprost demonstrieren [32, 57]. Bis heute ist die optimale Dosis für inhaliertes Iloprost in der Behandlung der akuten RV Insuffizienz nach herzchirurgischen Eingriffen unbekannt, da keine Dosis-WirkungsUntersuchungen vorliegen. In unserer klinischen Routine setzen wir 20 (-40) µg ein. IV.4.1.C Phosphodiesterase-Typ-V-Inhibitoren (PDEI-V) Sildenafil ist ein selektiver Hemmstoff der PDE-V. Sildenafil erhöht die intrazelluläre Konzentration von cGMP, und vermittelt damit eine Relaxation in den glatten Muskelzel­ len der Gefäße [16]. Da PDE-V besonders reichlich in pulmonalen Endothelien vor­ kommt, wird spekuliert, daß Sildenafil vorzugsweise den pulmonalen Gefäßtonus beein­ flusst. Sildenafil kann die pulmonal vasodilatierenden Effekte von iNO [2] und auch von inhaliertem Iloprost [18] potenzieren. Offensichtlich zeichnen sich PDEI-V durch eine gewisse Non-Selektivität gegenüber cGMP und cAMP aus. Sildenafil hat in der Zwi­ schenzeit eine große Bedeutung in der Therapie von Patienten mit chronischem pulmona­ lem Hypertonus erlangt [16]. 145 Bei der akuten pulmonalen Hypertonie resultierte die Inhalation von Sildenafil im Tier­ versuch in einer selektiven pulmonalen Vasodilatation [27]. In der kongenitalen Herz­ chirurgie verursachte intravenöses Sildenafil einen signifikanten Abfall des arteriellen Blutdrucks und eine Verschlechterung der Oxygenierung [63]. Kürzlich wurde berichtet, dass Sildenafil die Kontraktilität im hypertrophierten rechten Ventrikel steigert [49]. Dies könnte Sildenafil unter bestimmten Umständen zum Inodilatator werden lassen. Sildenafil steht kommerziell derzeit nur zur oralen Anwendung zur Verfügung. Die Effek­ te einer enteralen Applikation von Sildenafil auf die perioperative Hämodynamik sind bislang allerdings nicht systematisch untersucht worden. In einer Gruppe von acht Erwachsenen mit PHT nach Mitralklappenchirurgie oder Implantation eines LVAD erleichterten 25-50 mg orales Sildenafil die Entwöhnung von Milrinon, iNO und intrave­ nösen Vasodilatatoren [67]. Die Therapie in diesen Fällen sollte ggf. sogar mit noch niedrigeren Dosierungen (12,5 mg) erfolgen, um systemische Nebenwirkungen zu ver­ meiden [50]. Solange prospektive Daten in größeren Patientenkollektiven fehlen, sollte Sildenafil zur Therapie der perioperativen RV Insuffizienz nur zurückhaltend und unter engmaschigem Monitoring der pulmonalen und globalen Hämodynamik eingesetzt werden. IV.4.2 Systemische Vasokonstriktion Der Gebrauch von systemischen Vasopressoren in der Therapie des akuten Rechtsherz­ versagens verfolgt zwei Ziele: a) den rechtskoronaren Perfusionsdruck zu erhöhen und b) die interventrikulären Druckverhältnisse wiederherzustellen und damit der Verschie­ bung des Ventrikelseptums zur linken Seite entgegenzuwirken. Vasopressoren erhöhen sowohl den Widerstand im System- als auch im Lungenkreislauf. Die Effektivität der gewählten Vasopressor-Therapie hängt daher davon ab, wie die ein­ zelnen Substanzen das Verhältnis zwischen pulmonal- und systemisch-vaskulärem Wider­ stand beeinflussen. Hierbei spielt auch die zugrunde liegende Ursache des Rechtsherz­ versagens eine wichtige Rolle. Im Falle einer akuten Druckbelastung des rechten Ventri­ kels durch eine mechanische Obstruktion wie z.B. bei der Lungenembolie werden Vasokonstriktoren einen nur geringen zusätzlichen Effekt auf die rechstventrikuläre Nachlast ausüben. Dagegen überwiegen die vorteilhaften Effekte der Vasopressoren auf den koronaren Perfusionsdruck und die ventrikuläre Interdependenz [71]. Im Falle einer akuten reaktiven pulmonalen Hypertonie (z.B. i.R. einer hypoxisch pulmonalen Vaso­ konstriktion oder nach extrakorporaler Zirkulation) kann dagegen die Reagibilität der pulmonalen Gefäße/Arteriolen auf Vasopressoren gesteigert sein, was den Nutzen der systemischen Vasokonstriktion gefährden kann. Es gibt nur wenige Daten, die die Über­ legenheit eines bestimmten Vasokonstriktors belegen könnten. Im Tierexperiment führte Vasopressin zu einem Anstieg der RV Nachlast bei gleichzeitiger Reduktion der RV Kon­ traktilität [35]. Vasopressin sollte daher bei Patienten mit akutem Rechtsherzversagen nur sehr zurückhaltend und unter engmaschiger Überwachung der RV Funktion eingesetzt werden. IV.4.3Inotropika Positiv inotrope Medikamente sind hinsichtlich ihrer Effektivität in der Therapie des akuten Rechtsherzversagens bislang nur ungenügend analysiert. Auch in der klinischen Praxis besteht bezüglich der Auswahl dieser Medikamente häufig eine Kontroverse. Adrenalin und Noradrenalin sind als Inopressoren zu bezeichnen, da sowohl α- als auch β-adrenerge Rezeptoren stimuliert werden. Inopressoren sind wahrscheinlich bei einem isolierten Rechtsherzversagen besonders effektiv. Da der rechte Ventrikel nur einge­ schränkte kontraktile Reserven hat, dürfen die Effekte einer β1-Rezeptor-Stimulation auf die RV Kontraktilität allerdings nicht überschätzt werden. Höhere Adrenalin-Dosen ver­ ursachen oftmals (v.a. wenn das Rechtsherzversagen auf einer fixierten Obstruktion der pulmonalen Strombahn beruht) einen hyperkontraktilen, hypovolämen linken Ventrikel 146 und induzieren nicht selten ausgeprägte Tachyarrhythmien, so dass eine hämodynamische Verbesserung nur schwerlich eintreten kann. Die mit dem Einsatz von Inopressoren asso­ ziierte pulmonale Vasokonstriktion kann ihre Effektivität limitieren, so daß ggf. zusätzlich inhalative Vasodilatatoren zum Einsatz kommen müssen. In einem Tiermodell des akuten Rechtsherzversagens steigerte Dobutamin in einer Dosis bis zu 5 µg · kg-1 · min-1 die RV Kontraktilität und das Herzzeitvolumen, während die RV Nachlast gesenkt wurde [30]. In einer anderen Untersuchung konnten allerdings für Dobutamin-Dosierungen bis zu 10 µg · kg-1 · min-1 keine vasodilatierenden Eigenschaften in der pulmonalen Zirkulation nachgewiesen werden [53]. Es ist daher unklar, ob Do­‑ butamin ein reines Inotropikum ist oder auch als Inodilatator wirkt. Inodilatatoren wie der PDE-III-Inhibitor Milrinon bewirken eine Kombination aus Inotropiesteigerung und Senkung der RV Nachlast [7]. Die fehlende Selektivität für die vasodilatatorische Komponente zieht aber meist eine systemische Hypotension nach sich, so dass eine zusätzlich Vasopressoren-Gabe erforderlich wird. Um eine systemische Vaso­ dilatation zu vermeiden, wurde die inhalative Applikation von Milrinon vorgeschlagen [22, 33]. Theoretisch sind systemisch gegebene Inodilatatoren v.a. dann vorteilhaft, wenn gleichzeitig ein Linksherzversagen vorliegt, bei welchem die Senkung der Nachlast ein wesentliches Therapieprinzip ist. Die Kombination aus positiver Inotropie und pulmonaler Vasodilatation läßt auch den Inodilatator Levosimendan in der Therapie des akuten Rechtsherzversagens attraktiv erscheinen. In einem Tiermodell mit der Kombination aus pulmonaler Hypertonie und RV Stunning konnte Levosimendan das RV-pulmonalarterielle Coupling optimieren und den rechtskoronaren Blutfluss steigern, ohne dabei die diastolische Funktion des rechten Ven­ trikels zu beeinträchtigen [46]. Bei Patienten mit ARDS und septischem Schock konnte Levosimendan den pulmonal vaskulären Widerstand vermindern und den Herzindex wie auch die RV Ejektionsfraktion verbessern [48]. Bei Patienten im kardiogenen Schock auf dem Boden eines RV Infarktes, die auf die konventionelle Therapie mit Dobutamin und Noradrenalin nicht mehr ansprachen, wurde durch die Gabe von Levosimendan eine anhaltende Verbesserung der globalen und pulmonalen Hämodynamik erreicht [61]. IV.4.4 Sonstige Therapieansätze Weitere Therapieansätze des akuten Rechtsherzversagens umfassen: die Rhythmusstabi­ lisierung, die Optimierung der RV Vorlast unter echokardiographischer Kontrolle, die Adjustierung der maschinellen Beatmung zur gleichzeitigen Vermeidung hoher Plateau­ drücke und einer Hyperkapnie sowie in Einzelfällen die Implantation mechanischer Kreislaufunterstützungssysteme (va-ECMO, RVAD). V) Zusammenfassung Die akute Herzinsuffizienz ist im Bereich der perioperativen Intensivmedizin ein sehr häufiges Krankheitsbild mit einer sehr ernsten Kurz- und Langzeitprognose. Die Ätiolo­ gie ist vielschichtig, die Pathophysiologie komplex. Nur durch eine genaue Diagnosestel­ lung mit Hilfe v.a. der Echokardiographie und des erweiterten hämodynamischen Moni­ torings ist es möglich, die betroffenen Patienten rasch einer zielgerichteten Therapie zuführen zu können. Hierbei sollte der Einsatz von Inotropika differenziert und restriktiv erfolgen. Literatur 1. 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