Diplomarbeit Pharmakotherapie des Diabetes Mellitus Typ I eingereicht von Samuel Palmer Zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut für klinische und experimentelle Pharmakologie unter Anleitung von ao. Univ. Prof. Dr. med. univ. Josef Donnerer Graz, 30.04.2015 I Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe, und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am 30.04.2015 Samuel Palmer eh II Danksagungen Ich möchte mich herzlich bei Univ. Prof. Dr. Josef Donnerer bedanken, für die freundliche und schnelle Unterstützung im Entstehungsprozess dieser Arbeit. Besonders bedanken möchte ich mich bei meinen Eltern, die mich während meiner ganzen Studienzeit tatkräftig unterstützt und mir mein Studium so erleichtert haben. Ein besonderer Dank gilt auch meiner Schwester, die mir immer ein guter Beistand ist und mir während des Studiums in vielen schweren Situationen geholfen hat. III Zusammenfassung Einleitung: Diabetes Mellitus ist eine der häufigsten Stoffwechselerkrankungen weltweit. Er lässt sich grob in vier Gruppen unterteilen: Typ I, Typ II, Gestationsdiabetes und andere Typen mit spezifischen Ursachen. Der in dieser Arbeit betrachtete Typ I Diabetes macht etwa 10% aller Formen von Diabetes aus. Sowohl Typ I als auch Typ II haben ähnliche Komplikationen, wie zum Beispiel Arteriosklerose oder Neuropathien. Da es beim Typ I durch den Verlust der insulinproduzierenden Zellen des Pankreas zu einem absoluten Insulinmangel kommt, ist eine lebenslange Insulinsubstitution und somit eine pharmakologische Therapie neben der Umstellung der Ernährung in jedem Fall obligat. Methoden: Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um ein Literaturrecherche zur bestehenden Wissenslage über die Pharmakotherapie bei Diabetes Mellitus Typ I. Hierfür wurden ausgewählte Lehrbücher, Fachzeitschriften, Literaturdatenbanken und Suchmaschinen im Internet verwendet. Ergebnisse: Die pharmakologische Therapie bei Diabetes Mellitus Typ I besteht im Wesentlichen aus der Insulinsubstitution. Zu der herkömmlichen Methode der subkutanen Injektion per Spritze oder Pen entwickelten sich zusätzliche Methoden, wie die Insulinpumpe. In den letzten Jahren wurden auch Möglichkeiten für die inhalative Applikation entwickelt, welche sich aber bisher noch nicht auf dem Markt durchgesetzt haben. Das Therapieschema der Wahl besteht heutzutage in der intensivierten Therapie, welche wiederum in zwei Gruppen, MDI (= multiple daily injections) und CSII (= continuous subcutaneous insulin infusion), eingeteilt werden kann. Bei den prandial eingesetzten Insulinen werden den schnell wirkenden Insulinanaloga dem Humaninsulin ebenbürtige Fähigkeiten in der Blutzuckersenkung zugeschrieben. Die Kosteneffektivität der Behandlung mit schnell wirkenden Analoga liegt teils auf einer Ebene mit dem herkömmlichen Humaninsulin, diese Analoga wurden aber in einigen Studien auch als kostenintensiver dargestellt. Der Vorteil der lang wirkenden Insulinanaloga liegt laut den meisten Studien im niedrigeren Hypoglykämierisiko im Vergleich zu dem NPH-Insulin. IV Diskussion: Die einzige pharmakologische Therapie bei Diabetes Mellitus Typ I besteht in der Insulinsubstitution. Obwohl es einige verschiedene Arten der Applikation gibt, gehören zurzeit die subkutane Injektion per Pen oder Spritze sowie die kontinuierliche Infusion durch die Pumpe zu den Methoden der Wahl. Bezüglich der Therapieschemata ist die intensivierte Therapie der konventionellen vorzuziehen, da sie die Risiken von Spätkomplikationen des Diabetes Mellitus wesentlich stärker senkt. Seitens der eingesetzten Insuline ist sowohl bei den schnell wirksamen als auch bei den lang wirksamen Insulinanaloga meist die gleiche Wirkung im Blutzuckermanagement im Vergleich zu den jeweils konventionellen Medikamenten zu beobachten. V Abstract Introduction: Diabetes Mellitus is one of the most prevalent metabolic diseases worldwide. Roughly, it can be classified into four groups: Type I, type II, gestational diabetes and other types with specific causes. Type I diabetes, which is the main topic of this paper, is responsible for approximately 10% of all cases of diabetes. Both type I and type II diabetes have similar complications, for example arteriosclerosis or neuropathy. Since an absolute lack of insulin occurs in Diabetes Mellitus type I, which is caused by a loss of insulin producing islets of Langerhans of the pancreas, a lifelong insulin substitution and thus a pharmacological therapy, apart from changing nutrition, is obligatory in either case. Methods: The study at hand is a literature review, which presents the current level of knowledge of the pharmacological therapy of Diabetes Mellitus type I. Therefore selected medical books, professional magazines, literature data bases and search engines on the internet were used. Results: The pharmacological therapy of diabetes type I mainly consists of an insulin substitution. Besides the conventional subcutaneous injection via syringe or pen, other additional methods, like an insulin pump are emerging. In recent years, methods for an inhalative application have been developed, which haven’t established themselves on the market yet. Nowadays, the therapy of choice is the intensified therapy, which can be classified into two groups, MDI (= multiple daily injections) and CSII (= continuous subcutaneous insulin infusion). Concerning the insulin which is used prandially, the fast acting analogs seem to have the same abilities in lowering blood sugar. The cost effectiveness of a treatment with fast acting analogues is partially on the same level like a treatment with conventional human insulin, but in some studies these analogues are described as more cost intensive. Concerning the basal insulins, the advantage of the long acting analogues, compared to NPH-insulin, lies within the smaller rate of hypoglycemia. Discussion: The only pharmacological therapy concerning Diabetes Mellitus type I consists in substituting insulin. Although there are several different kinds of application, subcutaneous injection by pen or syringe and continuous infusion by pump are the methods of choice currently. Concerning therapy schemes, the intensified therapy is preferred to the VI conventional one, since it reduces the risk of late complications from Diabetes Mellitus considerably. With regard to the insulin used, short acting insulin analogues as well as long acting insulin analogues often have the same effect in managing blood glucose compared to the conventional preparations. VII Inhaltsverzeichnis Danksagungen III Zusammenfassung IV Abstract VI Inhaltsverzeichnis VIII Abkürzungsverzeichnis IX Tabellenverzeichnis XI Abkürzungsverzeichnis XII 1. Einführung 1 Diabetes Mellitus Typ I 1 1.1 Epidemiologie 1 1.2 Ätiologie 2 1.3 Pathogenese 2 1.4 Klinik 3 1.5 Diagnostik 4 1.6 Insulin 5 1.7 Therapie des Diabetes Mellitus Typ I 7 1.8 Komplikationen des Diabetes Mellitus Typ I 8 1.8.1 Akute Komplikationen 8 1.8.2 Chronische Komplikationen 9 2. Materialien und Methoden 15 3. Pharmakotherapie 16 3.1 Darreichungsformen des Insulin 16 3.2 Schnell wirkende Insuline 23 3.3 Schnell wirkende Insulinanaloga 24 3.4 Verzögerungsinsuline 30 3.5 Lang wirkende Insuline 31 3.6 Konservative Insulintherapie 36 3.7 Intensivierte Insulintherapie 38 3.8 Nebenwirkungen der Insulintherapie 43 4. Diskussion 45 5. Literaturverzeichnis 48 VIII Abkürzungsverzeichnis ADA American Diabetes Association ADN Autonome diabetische Neuropathie BMI Body Mass Index CIPII Continuous intraperitoneal insulin infusion CP Conventional pump CSII Continuous subcutaneous insulin infusion DCCT Diabetes Control and Complications Trial DDG Deutsche Diabetes Gesellschaft DFS Diabetisches Fußsyndrom DTSQ Diabetes Treatment Satisfaction Score EDIC Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications EMEA European Medicines Agency FDA Food and Drug Administration GADA Anti GAD (Glutamatdekarboxylase) Antikörper GFR glomeruläre Filtrationsrate GLUT-4 Glukosetransporter Typ 4 HRQOL health related quality of life IA-2 Autoantikörper gegen Tyrosinphosphatase IAA Insulin-Auto-Antikörper ICA zytoplasmatische Inselzell-Antikörper ICER Incremental cost-effectiveness ratio ICT intensivierte konventionelle Insulintherapie IFG impaired fasting glucose IGT impaired glucose tolerance ILP Insulin Lispro INH Inhaled Insulin IRS Insulinrezeptor-Substrat KE Kohlenhydrateinheit KHK Koronare Herzerkrankung LADA late onset autoimmunity diabetes in the adult MDI Multiple daily injections IX NPDR nichtproliferative diabetische Retinopathie NPH Neutrales Protamin Hagedorn oGTT oraler Glukose Toleranz Test pAVK periphere Arterielle Verschlusskrankheit PDK phosphatidylinositol-dependent protein kinase PDR proliferative diabetische Retinopathie PI3K Phosphatidylinositol-3-Kinase PIP2 Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat PIP3 Phosphatidylinositol-3,4,5-triphosphat PKB Proteinkinase B PKC Proteinkinase C PP Patch pump QUALY Quality adjusted life year RER raues endoplasmatisches Retikulum RHI Regular Human Insulin WHO World Health Organisation X Tabellenverzeichnis Tab. 1 Zustände des Blutzuckers 4 Tab. 2 Manifestationen diabetischer Mikro- und Makroangiopathien 9 Tab. 3 Stadien der diabetischen Nephropathie laut DDG 11 Tab. 4 Einteilung der diabetischen Neuropathien nach Thomas und Tomlinson 12 Tab. 5 Wagner Klassifikation des DFS-Schweregrades 13 Tab. 6 verschiedene Systeme zur Insulininhalation 20 Tab. 7 Eigenschaften des Normalinsulins 24 Tab. 8 Eigenschaften der schnellwirksamen Insulinanaloga 25 Tab. 9 Eigenschaften der Verzögerungsinsuline 31 Tab. 10 Eigenschaften der lang-wirkenden Insulinanaloga 32 Tab. 11 Mischinsuline. Normalinsuline und NPH-Insulin 36 Tab. 12 Mischinsuline. Insulinanaloga und NPH-Insulin 37 Tab. 13 Anhaltswerte zur Insulindosierung 39 Tab. 14 Symptome der Hypoglykämie 44 XI Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Struktur des Prä-Insulins im RER 6 Abb. 2 Struktur des Humaninsulins 6 Abb. 3 verschiedene Insulin-Pen Modelle 17 Abb. 4 Schema einer konventionellen Insulinpumpe 19 Abb. 5 Das Exubera®-System 20 Abb. 6 Schema einer implantierten Insulinpumpe 22 Abb. 7 Struktur von Insulin lispro 25 Abb. 8 Struktur von Insulin aspart 25 Abb. 9 Struktur von Insulin glulisin 25 Abb. 10 Struktur von Insulin detemir 32 Abb. 11 Struktur von Insulin glargin 32 Abb. 12 Zirkadiane Rhythmik des Insulinbedarf bzw. der Insulinempfindlichkeit 37 XII 1. Einführung Diabetes Mellitus Typ I Der Begriff Diabetes Mellitus stammt von dem altgriechischen Wort „diabainein“, įȚĮȕĮȓȞİȚȞ, für „hindurchgehen“ oder „hindurchfließen“ und dem lateinischen Wort „mellitus“ für „honigsüß“ und bedeutet so viel wie „honigsüßer Durchfluß“ (1). Es ist eine vererbbare Stoffwechselerkrankung mit chronischem Verlauf, die mit einer Erhöhung des Blutzuckerspiegels einhergeht. Grob kann der Diabetes Mellitus in Typ I, Typ II, Gestationsdiabetes und andere Typen mit spezifischen Ursachen unterteilt werden (WHO = World Health Organisation und ADA = American Diabetes Association, 1997) (2). Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit richtet sich dabei auf den Diabetes Mellitus Typ I, welcher bei etwa 10% der Patienten mit Diabetes Mellitus auftritt und durch einen absoluten Insulinmangel gekennzeichnet ist (E 10.0- nach ICD-10) (3). Im Gegensatz zum wesentlich häufigeren Typ II, bedarf es bei Typ I Diabetes immer einer Substitution mit Insulin. 1.1 Epidemiologie Der Diabetes Mellitus ist einer der häufigsten Stoffwechselerkrankungen weltweit. Im Jahr 2008 litten laut WHO in etwa 347 Millionen Menschen auf der Erde an einer Form des Diabetes Mellitus, was ungefähr 9,5% der erwachsenen Bevölkerung ausmacht (4). Am Typ I Diabetes leiden zwischen 5 und 10% der Diabetespatienten (2)(5)(6). Die Inzidenz dieser Erkrankung steigt stetig vor allem bei den Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen (6), in welchen er auch den Hauptteil der Diabeteserkrankungen ausmacht (85% bei den unter 20 Jährigen) (6). In Deutschland liegt die Inzidenz vom Typ I Diabetes bei 15/100000/Jahr (7). Hierbei muss beachtet werden dass es mitunter starke Schwankungen der Inzidenz auf internationaler Ebene gibt: Von 0,1/100000/Jahr in China bis zu 36,5/100000/Jahr in Finnland (6). Die Prävalenz von Typ I beträgt in Mitteleuropa ungefähr 0,3% (8). 1 1.2 Ätiologie Typ I Diabetes wird durch eine Destruktion der insulinproduzierenden Zellen des Pankreas verursacht. Anhand der Ätiologie lässt sich deshalb der Typ I in zwei Arten unterteilen (2): •immunologisch bedingter Typ I •idiopathisch bedingter Typ I Eine Sonderform des immunologischen Typ I ist der LADA (=late onset autoimmunity diabetes in the adult). 1.3 Pathogenese Ausgelöst wird der Typ I Diabetes größtenteils durch eine Autoimmuninsulitis, welche im Pankreas die ß-Zellen der Langerhans-Inseln zerstört. Wenn dadurch in etwa 80% der ß-Zellen zerstört sind, kommt es zu einer klinischen Manifestation des Typ I (5)(8)(9)(10)(11)(12). Dafür, dass bei Typ I Diabetes auch eine genetische Komponente vorhanden ist, spricht unter anderem die Konkordanz bei eineiigen Zwillingen, die 40 bis 60% beträgt (9)(12). Die genetische Prädisposition besteht in einer HLA-Typisierung, bei der Gene für HLA-DR beziehungsweise HLA-DQ codieren (2)(5)(8)(9)(10)(11)(12)(13). Dies führt zu einem erhöhtem Risiko an Diabetes Mellitus Typ I zur erkranken. Es können auch Autoantikörper (ICA =zytoplasmatische Inselzell-Antikörper, IAA =Insulin-AutoAntikörper, GADA =Anti GAD (Glutamatdekarboxylase) Antikörper, IA-2 =Autoantikörper gegen Tyrosinphosphatase) im Serum, vor allem bei neu diagnostizierten Typ I Diabetikern mit nachweisbarer Insulitis, entdeckt werden (2)(9). Das Erkrankungsrisiko innerhalb der nächsten fünf Jahre liegt bei 20%, wenn GADA und IA-2 positiv getestet wurden (Nachweis bei >90% der Typ I Diabetiker) (2)(9)(12). Es muss dennoch beachtet werden, dass etwa 75% der Typ I Diabetiker keine familiäre Prädisposition besitzen und dass die entsprechenden Gene auch in einem gewissen Anteil der gesunden, nicht diabetischen Bevölkerung gefunden werden können (9). Der letztendliche Auslöser für die Autoimmunreaktion, die zur ß-Zellzerstörung führt, ist noch unbekannt (10). Als exogener Faktor werden Virusinfekte (Masern, Röteln), Toxine oder Chemikalien angesehen (10)(12). Das vorwiegende Manifestationsalter beim Typ I liegt vor dem 25. Lebensjahr, meist zwischen dem 15. und 25., auch wenn es je nach Geschwindigkeit des ß-Zellverlustes, in jedem Alter zu einer Manifestation kommen kann (8)(9)(12). Die Sonderform LADA 2 zeichnet sich dadurch aus, dass hier der Verlust der ß-Zellen langsamer als normal verläuft, eine mögliche Stoffwechselentgleisung somit länger vermieden werden kann und es deshalb erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter zu einer Manifestation des Diabetes kommt (9)(12). Beim LADA handelt es sich meist um Personen, die nicht als klassischer Typ I Diabetiker erscheinen (höheres Lebensalter, adipös, initial nicht insulinabhängig), also klinisch als Typ II Diabetiker manifestieren (9). Sie können aber dennoch zur Gruppe der Typ I Diabetiker gerechnet werden, da bei ihnen die Autoantikörper, welche bei Typ I üblich sind, nachgewiesen werden können (9). Ebenso muss die sogenannte „honeymoon period“ beachtet werden, eine Remissionsphase innerhalb der ersten zwei Jahre nach Diagnosestellung, in der der Bedarf an Insulin deutlich sinkt (5)(9)(12). 1.4 Klinik Die Ausprägung der Symptome bei Diabetes Mellitus Typ I richtet sich nach dem Grad des Insulinmangels, beziehungsweise dem Grad der ß-Zelldestruktion (12). Es lassen sich einige „klassische“ Symptome des Diabetes Mellitus aufzeigen: Die Polyurie aufgrund der osmotischen Wirkung der Glukose, eine abrupte Gewichtsabnahme und die Polydipsie (eine Folge der Polyurie) (8)(13)(14). Der „Standard“ Typ I Patient hat, im Gegensatz zum Patienten mit Diabetes Typ II, meist Normalgewicht und leidet häufiger unter Inappetenz (9). Zudem kommen noch unspezifische Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Leistungseinbrüche, Nachlassen von Libido und Potenz, und andere hinzu (13). In einigen Fällen ist es möglich, dass sich der Typ I mit einem Coma diabeticum erst manifestiert (12). Hauterscheinungen wie Pruritus (unter anderem aufgrund der Exikose; meist ano-genital), bakterielle oder mykotische Infektionen (vermehrte Infektanfälligkeit), Rubeosis diabetica (diabetische Gesichtsröte), können bei längerer Nicht-Behandlung des Diabetes ebenso auftreten (2)(12)(13). Im Laufe der Erkrankung sind aber auch schwerwiegende Akut- und Spätkomplikationen möglich, welche in Punkt 1.8 besprochen werden. 3 1.5 Diagnostik Zur Feststellung eines Diabetes Mellitus Typ I dient in erster Linie die mehrmalige Bestimmung des Blutzuckers (12). Im Normalfall werden der Nüchternblutzucker und der Blutzucker per oGTT (= oraler Glukose Toleranz Test) bestimmt. Je nach Ergebnis dieser Tests gibt es drei mögliche Zustände: Der Normal-Wert, den Prä-Diabetes und Diabetes Mellitus (15)(16). In der folgenden Tabelle werden die Werte für die einzelnen Zustände laut DDG (= Deutsche Diabetes Gesellschaft) und ADA (= American Diabetes Association) aufgezeigt (15)(16): Tab. 1 Zustände des Blutzuckers Nüchtern-Plasma- Oraler Glukose Glukose venös Toleranz Test HbA1c (oGTT) (2h-Wert) Normal Pre-Diabetes Diabetes Mellitus < 100mg/dl <140mg/dl (< 5,6mmol/l) (< 7,8mmol/l) 100mg/dl-125mg/dl 140-199mg/dl (= abnorme Nüchtern (= gestörte Glukose = IFG) Glukosetoleranz = IGT) (5,6 – 6,9mmol/l) (7,8 – 11,1mmol/l) >126mg/dl >200mg/dl (> 7,0mmol/l) (> 11,1mmol/l) < 5,7% 5,8%-6,4% > 6,5% Entnommen aus (15)(16) Vor dem oGTT sollte der Patient für zehn Stunden nüchtern gewesen sein. Nach der Messung des Blutzuckerwertes im Nüchtern-Zustand trinkt der erwachsene Patient eine Lösung, welche 75g Glukose enthält und in etwa 250 bis 300ml Wasser gelöst ist (2)(12)(13). Zwei Stunden nach dem Trinken der Lösung wird der Blutzuckerwert erneut bestimmt. Vor der Durchführung eines oGTT sollte der Patient über den Zeitraum von drei Tagen auf eine kohlenhydratreiche Ernährung achten und ungefähr 150g Kohlenhydrate pro Tag (2)(12)(13). Als Maß der Qualität der Stoffwechseleinstellung eines Diabetikers gilt die Bestimmung des HbA1c-Wertes. Dieses glykosylierte Hämoglobin ist ein Indikator für die durchschnittliche Glukosekonzentration der letzten acht bis zehn Wochen (12). Der Normbereich des HbA1cWertes liegt zwischen 4 bis 6% (12). Das Therapieziel ist es, einen Wert von unter 7,5% zu erreichen (5)(16). Dies sollte verständlicherweise ohne schwerwiegende Hypoglykämien 4 ablaufen. Die Bestimmung von Autoantikörpern (ICA, IAA, GADA, IA-2) bei Risikopatienten ist zurzeit bei Routineuntersuchungen nicht angezeigt und wird meist für klinische Studien verwendet (2). Die Untersuchung des Urins per Harnstreifen stellt ebenfalls ein Mittel in der Diagnostik des Diabetes Mellitus Typ I dar. Bei dieser Methode kann der Glukosegehalt im Urin festgestellt werden. Die Nierenschwelle liegt bei etwa 180mg/dl Blutzucker (gesunde Person) (2)(12), die physiologische Glukosurie bis 15mg/dl (2). Diese Methode hat allerdings an Bedeutung verloren. Ein wichtigerer Aspekt der Urinuntersuchung bei Patienten mit bekannten Diabetes Mellitus Typ I wäre die jährliche Bestimmung von Mikroalbumin als Anzeichen einer beginnenden Nephropathie, welche in diesem Stadium noch therapeutisch beeinflussbar ist (12)(17). Dies ist beziehungsweise sollte eine Routineuntersuchung sein, da etwa 40% der Typ I Diabetiker eine diabetische Nephropathie entwickeln und rund 30 bis 45% der Typ I Diabetiker mit bekannter Mikroalbuminurie innerhalb von 10 Jahren eine Proteinurie entwickeln (18). 1.6 Insulin Das Hormon Insulin wird in den ß-Zellen der Langerhans-Inseln des Pankreas produziert (10)(14). Es ist ein Peptid Hormon, bestehend aus einer A-Kette mit 21 und einer B-Kette mit 30 Aminosäuren, welche über zwei Disulfidbrücken miteinander verbunden sind (10). Zusätzlich enthält das Peptid noch ein Disulfidmolekül in der A-Kette (10). Das erste Translationsprodukt in der Entstehungskette ist zunächst das Prä-Pro-Insulin. Dieses Polypeptid besteht aus 110 Aminosäuren (= ein Signalpeptid, A-Kette, C-Peptid, B-Kette) (9). Das Signalpeptid dient zur Passage der Membran des rauen endoplasmatischen Retikulums (=rER) (10). In diesem liegt schließlich das Insulin in seiner Prä-Form vor (9)(10)(14). 5 Abb. 1 Struktur des Prä-Insulins im RER. (19) In dieser Form gelangt es in den Golgi-Apparat wo das C-Peptid abgetrennt wird und das Insulin nun in seiner bioaktiven Form vorliegt (9)(10)(14). Gemeinsam mit dem C-Peptid wird das Insulin in sekretorische Granula gespeichert und bei Bedarf per Exocytose sezerniert (9)(10)(14). Abb. 2 Struktur von Humaninsulin. (10) Da das C-Peptid mit sezerniert wird, kann man anhand einer C-Peptid Messung die B-ZellFunktion des Patienten sogar bei einer Insulinbehandlung bestimmen (9)(12). Dies ist vor allem bei der Unterscheidung zwischen einem Typ I und einem Typ II Diabetes von Bedeutung (9)(12). Der Vorteil bei der C-Peptid Messung besteht in der höheren Halbwertszeit des C-Peptids (rund 30 Minuten) gegenüber des Insulins (fünf bis sechs Minuten) (9)(14). Jedoch sollte vor allem bei Niereninsuffizienten acht gegeben werden, da hier die C-Peptid Ausscheidung verändert sein kann und somit die Messwerte verfälscht werden können. Gesamt gesehen hat das Insulin eine anabole Wirkung, in dem es die Aufnahme und Speicherung von Glukose, Lipiden und Aminosäuren verstärkt, sowie deren Abbau hemmt 6 (12). Die für diese Diplomarbeit wichtigste Funktion des Insulins ist die Regelung des Blutglukosespiegels, welche vor allem in den Zellen von Skelettmuskulatur, Leber und Fettgewebe stattfindet (10)(12). In den genannten Geweben haben die Zellen eine wesentlich höhere Anzahl an Insulinrezeptoren als in eher Insulin unempfindlichen Zellen (9). Zum Beispiel haben Erythrozyten in etwa 40 Insulinrezeptoren, wohingegen die in der Blutglukoseregelung hoch aktiven Hepatozyten über bis zu 300000 Rezeptoren verfügen (9). Das Insulin bindet an einen Rezeptor, welcher aus zwei Į- und aus zwei ȕ-Untereinheiten besteht (9)(10). Durch die Bindung des Insulins an diesen Rezeptor wird eine Kaskade in Gang gesetzt, die mit der Autophosphorylierung der ȕ-Untereinheiten beginnt (9)(10). Dadurch können IRS-1 und IRS-2 (=Insulinrezeptor-Substrat 1 und 2) Adapterproteine ankoppeln und von der Rezeptor Tyrosinkinase selbst phosphoryliert werden (9)(10). Der für die Stoffelwechseleffekte Lipidstoffwechsel) Weg läuft des Insulins über das wichtige IRS-2, (Kohlenhydrat-, welches Eiweiß-, zunächst PI3K (=Phosphatidylinositol-3-Kinase) koppelt (9)(10). Anschließend wird durch das aktivierte PI3K das PIP2 (=Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat) zu PIP3 (=Phosphatidylinositol3,4,5-triphosphat) (9)(10). Durch das PIP3 wird die PDK (=phosphatidylinositol-dependent protein kinase) gebunden und aktiviert. Diese wiederum aktiviert dann PKB (=Proteinkinase B) und PKC (=.Proteinkinase C) (9)(10). Durch diese beiden Kinasen werden letztendlich die Stoffwechseleffekte des Insulins vermittelt; vor allem der erhöhte Transport von GLUT-4 (=Glukose-Transporter 4) in die Zellmembran (9)(10)(14). 1.7 Therapie des Diabetes Mellitus Typ I Aufgrund des Verlusts von Insulin produzierenden ß-Zellen in den Langerhans-Inseln des Pankreas leidet ein Typ 1 Diabetiker unter einem absoluten Insulinmangel. Deshalb ist eine Substitution mit Insulin, im Gegensatz zum Typ 2 Diabetes, bei der Therapie obligat (5)(10)(11)(12). Therapieziel ist es, den Blutzuckerspiegel bestmöglich zu normalisieren damit Akut- (siehe 1.8.1) und Spätkomplikationen (siehe 1.8.2) weitestgehend vermieden werden können, um so die Lebensqualität der Patienten zu erhalten. Als Therapieschemata dienen hierbei unter anderem die konventionelle Insulintherapie und die ICT (=intensivierte konventionelle Insulintherapie) (10)(11). Bei der konventionellen Insulintherapie wird, unter Dosisanpassungen, die Tagesdosis in zwei Portionen verabreicht: Einmal vor dem Frühstück 7 als Mischung aus Normalinsulin und einem Insulin mit mittlerer Wirkdauer, insgesamt 2/3 der Insulintagesdosis, und einmal vor dem Abendessen ebenfalls ein Mischinsulin, 1/3 der Insulintagesdosis (5)(10)(11). Bei der ICT wird zu jeder Mahlzeit Insulin gegeben, kurzwirksames Insulin, und die basale Insulinsekretion durch eine weitere Insulingabe, intermediäres oder langwirksames Insulin, ersetzt (5)(10)(11). Als Parameter für den „unmittelbaren“ Therapieerfolg kann der Blutzucker und vor allem der HbA1c-Wert verwendet werden. Die entsprechenden Werte sind dabei laut DDG (20) wie folgt: Für HbA1c wird ein Wert von <7,5% angestrebt, für den Blutzuckerspiegel ein Wert von 90 bis 120mg/dl im nüchternen Zustand und 110 bis 140mg/dl im postprandialen Zustand. Des Weiteren ist auch eine Ernährungsberatung für Typ I Diabetiker indiziert (11). Diese ist von Nöten, da der Patient den Kohlenhydratgehalt seiner Nahrung gut einschätzen muss, so dass die entsprechende Insulinmenge adäquat eingestellt werden kann (11). 1 Berechnungseinheit (BE) entspricht in etwa 10 bis 12g Glukose Äquivalent (11). Dies ist vor allem bei der ICT wichtig, da sie auf eine variablere Insulinverabreichung ausgelegt ist, wohingegen bei der konventionellen Insulintherapie umgekehrt die Mahlzeiten der Insulinwirkung, nur zwei Injektionen pro Tag, angepasst werden muss und somit mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt geeigneter sind (5)(10)(11). 1.8 Komplikationen des Diabetes Mellitus Typ I 1.8.1 Akutkomplikationen Eine der schwersten Akutkomplikationen des Diabetes Mellitus stellt das Coma Diabeticum dar. Im Falle des Typ I handelt es sich hierbei meist um ein ketoazidotisches Koma (2)(12). Diese Stoffwechselentgleisung kann bei einigen Patienten die Erstmanifestation eines bisher nicht diagnostizierten Diabetes sein (2)(12). Als andere Ursachen in Frage kommen würden eine Unterdosierung beziehungsweise kompletter Einnahmeverzicht von Insulin(-analoga), Diätfehler (zu kohlenhydratreiche Nahrung) oder ein erhöhter Insulinbedarf aufgrund von Infektionen, Stress und Therapie mit diabetogenen Medikamenten (2)(12). Klinisch äußert sich das ketoazidotische Koma durch die über einige Tage immer stärker werdenden typischen Symptome (vor allem Polyurie und Polydipsie). Die Exikose wird durch gastrointestinale Symptome verstärkt. Die 8 Symptomatik kann sich bis zum hypovolämischen Schock und starker Bewusstseinsstörung (Somnolenz bis Koma) steigern (2)(12). Als weitere Akutkomplikation ist die Hypoglykämie zu nennen, welche meist durch eine Überdosierung im Rahmen einer Insulintherapie vorkommt (siehe hierzu 3.8). 1.8.2 Spätkomplikationen Die Spätkomplikationen eines Diabetes Mellitus äußern sich vor allem im vaskulären Bereich. An solchen Komplikationen versterben ungefähr 70 bis 80% aller Diabetiker (12). Ein Typ I Diabetiker hat gegenüber einem gleichaltrigen Gesunden ein zehnfach erhöhtes Risiko ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden (21). Diese Angiopathien lassen sich in diabetische Mikroangiopathien und diabetische Makroangiopathien einteilen (2)(12): Tab. 2 Manifestationsformen diabetischer Mikro- und Makroangiopathien Art der Angiopathie Manifestation diabetische Makroangiopathie pAVK Schlaganfall KHK, Myokardinfarkt diabetische Mikroangiopathie diabetische Neuropathie diabetische Nephropathie diabetische Retino- und Makulopathie Kombination aus diabetischer Neuropathie diabetisches Fußsyndrom (DFS) und Makroangiopathie Entnommen aus (12) Die Arteriosklerose ist eine der häufigsten Todesursachen bei Diabetikern, denn etwa 55% der Patienten versterben an einem Herzinfarkt (2). Sie ist zwar typisch für den Diabetes, aber nicht spezifisch für diese Erkrankung, tritt bei Diabetikern wesentlich früher auf als bei Nicht-Diabetikern und zeigt auch von der Verteilung her eine bevorzugte Lokalisation (2)(12). So betrifft sie vor allem die großen und mittleren Arterien sowie Beckenarterien und Koronararterien. Klinisch äußert sich die Arteriosklerose bei Typ I Diabetikern im Grunde 9 so wie bei Nicht-Diabetikern. Hierbei wären Myokardinfarkt, KHK (= koronare Herzerkrankung), Schlaganfall und die pAVK (= periphere arterielle Verschlusskrankheit) zu nennen (2)(12)(13). Es ist allerdings Vorsicht geboten, da ein Myokardinfarkt symptomlos beziehungsweise stumm ausfallen kann (Angina pectoris fehlt) (2)(12)(13). Aus diesem Grund sind regelmäßige Belastungs-EKGs (alle ein bis zwei Jahre) indiziert. Ebenso aufgrund einer Neuropathie kann die für die pAVK typische Claudicatio intermittens fehlen (2)(12). Die Prognose der Makroangiopathie bei Diabetikern ist somit schlechter als bei Personen ohne Diabetes. So ist die Wahrscheinlichkeit eines kardiovaskulären Ereignisses bei Diabetikern im Vergleich zur Normalbevölkerung um das drei bis sechsfache, bei der pAVK um das zwei bis vierfache erhöht (2)(12). Im Gegensatz zur Makroangiopathie handelt es sich bei der diabetischen Mikroangiopathie um einen diabetesspezifischen Vorgang welcher in allen Kapillaren vorzufinden ist. Die diabetische Mikroangiopathie äußert sich meist in Nephropathie, Neuropathie, oder Retinopathie (12). Beim Ausmaß der diabetischen Nephropathie sind die Erkrankungsdauer (Diabetes), die Stoffwechsellage (vor allem Blutzucker), sowie das Vorliegen und Höhe eines etwaigen Hypertonus von Bedeutung. Sie betrifft etwa 40% der Typ I Diabetiker (12)(17). Die Inzidenz einer Mikroalbuminurie, welche als beginnende Nierenschädigung angesehen werden kann, beträgt in einigen Studien 12,8% bis 14,5% für den Zeitraum von 7 Jahren (22). Laut DDG Richtlinien sehen die Stadien der Diabetischen Nephropathie (Tabelle 3) wie folgt aus (23): 10 Tab. 3 Stadien der diabetischen Nephropathie Stadien UrinAlbumin/Kreatinin Quotient in mg/g Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) ml/min Bemerkungen Nierenschädigung mit normaler Nierenfunktion a. Mikroalbuminurie ƃ 20–200 Ƃ 30–300 >90 b. Makroalbuminurie ƃ >200 Ƃ >300 >90 S-Kreatinin im Normbereich, Blutdruck im Normbereich steigend Nierenschädigung mit Niereninsuffizienz a. leichtgradig ƃ >200; Ƃ >300 60-89 b. mäßiggradig abnehmend 30-59 c. hochgradig abnehmend 15-29 S-Kreatinin grenzwertig oder erhöht, Hypertonie, Hypoglykämie-Neigung <15 d. terminal Entnommen aus (23) Patienten bei denen ein Typ I Diabetes diagnostiziert wurde sollten demnach eine routinemäßige, jährliche Untersuchung der Nierenfunktion erhalten, da im Stadium einer Mikroalbuminurie noch therapeutisch eingegriffen werden kann (12). Die Messungen sollten am Morgenurin erfolgen (23). Für die Blutzuckereinstellung wird ein HbA1c-Wert zwischen 6,5% und 7,5% empfohlen (5)(12)(16). Ebenso sollte der Blutdruck gut eingestellt werden. Im Gegensatz zu Typ II Diabetikern, findet man bei Typ I Diabetikern selten eine Retinooder Makulopathie bei Diagnosestellung (2)(12)(13). Dennoch entwickeln bis zu 90% der Typ I Diabetiker eine Retino- beziehungsweise Makulopathie nach 15 bis 20 Jahren (2). In 11 den westlichen Industrienationen ist der Diabetes mit etwa 30% die häufigste Ursache für Erblindungen (2)(12)(13). Sie lässt sich in die nichtproliferative diabetische Retinopathie (=NPDR) und die proliferative diabetische Retinopathie (=PDR) einteilen. Die Makulopathie wird in fokales Makulaödem, diffuses Makulaödem und in die ischämische Makulopathie unterteilt. Neben einer geeigneten Blutzuckereinstellung, sollte hier ebenso auf einen gut eingestellten Blutdruck geachtet werden (2)(12). Die diabetische Neuropathie betrifft vor allem ältere Patienten, die schon länger an einem Diabetes Mellitus leiden. Es wird davon ausgegangen, dass nach einer Krankheitsdauer von 10 Jahren rund 50 % der Diabetiker eine Neuropathie entwickeln beziehungsweise aufweisen (2). Es wird ebenso von einer Prävalenz von 8 bis 54% bei Typ I Diabetikern berichtet (24). Laut DDG existieren bisher keine epidemiologischen Untersuchungen zu den einzelnen Formen der diabetischen Neuropathie (24). Es lassen sich mehrere Formen der diabetischen Neuropathie abgrenzen (12)(25): Die symmetrische sensomotorische Polyneuropathie, die asymmetrische, proximale vorwiegend motorische(amyotrophe) Neuropathie, die Mononeuropathie und die autonome Neuropathie. Tabelle 4 zeigt die Einteilung der oben genannten Formen nach Thomas und Thomlinson: Tab. 4 Einteilung der diabetischen Neuropathien nach Thomas und Thomlinson. Symmetrische Sensible oder sensomotorische Neuropathie Neuropathien Autonome diabetische Neuropathie Symmetrische proximale Neuropathie der unteren Extremität Fokale und multifokale Kraniale Neuropathie Neuropathien Mononeuropathie des Stammes (diabetische Radikulopathie) und der Extremitäten Asymmetrische proximale Neuropathie der unteren Extremität (diabetische Amyotrophie) Mischformen Entnommen aus (24) Die häufigste Form ist die symmetrische sensomotorische Neuropathie. Sie macht etwa 80% der diabetischen Neuropathien aus (2) und ist distal betont vor allem an der unteren Extremität (Unterschenkel, Füße). Es kommt hierbei neben Dysästhesien auch zu Hypo- und Parästhesien, die sich in brennenden Schmerzen, Taubheitsgefühl, Ameisenlaufen und 12 Kältegefühl zeigen. Motorische Störungen und Areflexie können auch eine Folge sein (2)(12)(24)(25). Die Autonome diabetische Neuropathie (=ADN) betrifft das vegetative Nervensystem, wobei mehr oder weniger alle Organsysteme in unterschiedlichem Maße betroffen sein können. Die Mononeuropathie kann sowohl Hirnnerven als auch periphere Nerven betreffen (2)(12)(24)(25). Die asymmetrische, amyotrophe Neuropathie verursacht meist unterschiedlich stark ausgeprägte Schmerzen und Schwäche im Bereich der Oberschenkel und des Beckens (2)(12)(24)(25). Die ADN wird je nach betroffenem Organsystem symptomatisch behandelt (12). Der diabetische Fuß beziehungsweise das diabetische Fußsyndrom (=DFS) ist eine weitere Spätkomplikation in Folge einer Diabetes Mellitus Erkrankung. Zwischen 0,8 bis 10% aller Diabetes Patienten weisen ein diabetisches Fußsyndrom auf (26). Lauterbach et al. gaben die Prävalenz einer DFS speziell für Typ I Diabetes mit 7,6% an, wobei 2576 Typ I Diabetiker in Großbritannien überprüft wurden (27). Einteilen lässt sich das DFS je nach Ursache in einen neuropathisch diabetischen Fuß und in einen ischämischen Fuß (2)(12). Eine kombinierte Form findet man bei etwa 33% der Patienten mit DFS (2)(12). Tab. 5 Wagner Klassifikation des DFS-Schweregrades Grad Läsion 0 Risikofuß ohne Läsion 1 Oberflächliches Ulkus 2 Ulkus reicht bis Sehne oder Kapsel 3 Ulkus reicht bis Knochen oder Gelenk 4 begrenzte Nekrose im Vorfuß- oder Fersenbereich 5 Nekrose des gesamten Fußes Entnommen aus (26) Je nach der in Tabelle 5 gezeigten Schweregrade ist bei dem DFS eine entsprechende Therapie zu wählen, die von regelmäßigen Kontrollen und Druckentlastung durch geeignete Schuhwahl bis hin zur Amputation reicht (26). 13 Die neuropathische Form, welche vor allem bei Typ I Patienten zu finden ist (12), äußert sich durch warme, trockene, rosige Haut mit vorhandenen Fußpulsen. Aufgrund der gestörten Sensibilität, wie auch des gestörten Schmerz- und Temperaturempfindens, sind Ulzera an druckbelasteten Stellen schmerzlos (Mallum perforans) (2)(12)(13). Bei der ischämischen Form finden sich im Gegensatz dazu keine tastbaren Fußpulse. Die Haut ist meist kühl und blass. Hier kommt es zu schmerzhaften Läsionen/ Gangränen. 14 2. Material und Methoden Diese Diplomarbeit ist eine Literaturrecherche zur bestehenden Wissenslage über die pharmakologische Therapie von Diabetes Mellitus Typ I. Hierbei wurde der Bestand der Bibliothek der Medizinischen Universität Graz händisch nach Lehrbüchern und Magazinen durchsucht, welche sich mit dem Thema Diabetes Mellitus, mit Gewichtung auf den Typ I, und im speziellen der pharmakologischen Therapie dieser Erkrankung beschäftigen. Es wurde deutsche sowie englischsprachige Fachliteratur verwendet und entliehen. Für diese Arbeit wurde vermehrt auf Literaturdatenbanken im Internet zugegriffen. Im Besonderen wurden vor allem die Datenbank PubMed sowie die Literatursuche über google scholar verwendet. Die entsprechenden Studien und Artikel wurden anhand folgender Suchbegriffe beziehungsweise Schlagwörter, auch in Kombination miteinander, gefunden: Diabetes Mellitus Typ I, Insulin, (intensivierte/konventionelle) Therapie, Struktur, Humaninsulin, Normalinsulin, NPH, aspart, lispro, glulisin, detemir, glargin, Kosteneffektivität, Pumpen, inhalierbar, Nebenwirkungen. Der Zugang zur PubMed Datenbank wurde durch den Medonline Account der Medizinischen Universität Graz ermöglicht. 15 3. Insulintherapie Die heute angewandte Pharmakotherapie bei Diabetes Mellitus Typ I beschränkt sich hauptsächlich auf die Insulintherapie. Hierbei gibt es zwei Therapieschemata die voneinander unterschieden werden. Die konventionelle Insulintherapie und die intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT). Die Bandbreite der dabei verwendeten Insuline reicht vom Humaninsulin bis zu lang wirkenden Insulinanaloga wie zum Beispiel Insulin glargin (11). Die Herstellung von Humaninsulin kann heutzutage auf zwei unterschiedliche Weisen erfolgen: Zum einen kann Humaninsulin aus Schweineinsulin gewonnen werden. Die beiden Insuline unterscheiden sich nur in der an Position B30 gelegenen Aminosäure (Alanin beim Schwein, Threonin beim Mensch) voneinander (14). Der Austausch der beiden unterschiedlichen Aminosäuren erfolgt auf dem enzymatischen Weg. Die andere Möglichkeit ist die gentechnische Herstellung per bakteriellen Expressionssystem (14). 3.1 Darreichungsformen des Insulin Das für die Therapie nötige exogene Insulin kann intravenös, intramuskulär oder subkutan zugeführt werden, aber auch einige alternative Wege sind möglich (5)(9)(10). Die heute im klinischen und privaten Gebrauch häufig benutze Art der Insulingabe ist die subkutane Injektion. Allerdings ist sie auch mit dem Nachteil behaftet, dass viele Patienten die Injektionen als Bürde oder unangenehm empfinden, was auch zum Auslassen einer Dosis und somit zu einer schlechteren Blutzuckerkontrolle führen kann (28). Für die Injektion sind einige Alternativen vorhanden. Hier wäre die Injektion per Insulin-Pen oder per Spritze zu nennen. Bei der gebräuchlichen Methode per Insulin-Pen (so benannt aufgrund der Form), wird, wie bei den sonstigen Injektionen auch, meist eine Hautfalte im Bauchbereich verwendet auf die der Pen gedrückt und das Insulin injiziert wird (5). Der Oberarm, beziehungsweise der seitliche Oberschenkel sind als Injektionsort auch möglich, hier kommt es aber zu einem langsameren Wirkungseintritt als im Bauchbereich (5). Neben dem Bauch können auch noch die Außenseite des Oberschenkels sowie das Gesäß als Injektionsstelle verwendet werden. Es wird empfohlen bei jeder Injektion in der gleichen Region einen Abstand von ungefähr einem Fingerbreit zu wählen (5). Der Insulin-Pen bietet den Vorteil, dass im Gegensatz zu Spritzen die Dosierung genauer gewählt werden kann (die Einzeldosen 16 müssen nicht manuell aufgezogen werden, wie es bei den herkömmlichen Spritzen der Fall ist), was vor allem für Patienten die in einer ICT sind, eine Erleichterung darstellt (28). Abb. 3 Eine Auswahl an verschiedenen Insulin-Pen-Modellen. (28) Eine dem Insulin-Pen ähnliche, aber nadelfreie Methode bietet die Insulingabe per JetInjector. Hierbei wird das Insulin mit Hochgeschwindigkeit (meist >100m/s) über die Haut dem subkutanen Gewebe zugeführt (29). In einer von Engverda et al. (29) mit 18 gesunden Teilnehmern durchgeführten doppelblinden, doppel-dummy, randomisierten crossover Studie mit dem schnell wirkenden Insulin aspart, konnte gezeigt werden, dass bei der Insulingabe per Jet-Injector gegenüber der Injektion per Insulin-Pen, der maximale Glukose senkende Effekt wesentlich schneller erreicht wird. Des Weiteren ist die Dauer der Insulinwirkung gegenüber dem Pen um 30 bis 40 Minuten verkürzt, was folglich auch die postprandiale Hyperinsulinämie verkürzt und somit gut geeignet für das Management des postprandialen Blutzuckers ist (29). In einer weiteren doppel-blinden, doppel-dummy, randomisierten crossover Studie von Engverda et al. (30) wurde wieder die Insulingabe per Jet Injector und per Insulin-Pen verglichen. In dieser Studie wurden als Probanden allerdings je 12 Typ I und 12 Typ II Diabetiker getestet. Es konnte beim Jet-Injector abermals eine schnellere Insulinabsorption festgestellt werden. Folglich konnte eine mäßige Abnahme der frühen postprandialen Hyperglykämie 17 verzeichnet werden. Nach einer Stunde gab es diesbezüglich keine statistisch relevanten Unterschiede zwischen den beiden Methoden mehr (30). Eine andere Methode der subkutanen Einbringung des Insulins sind die Insulinpumpen. Es werden gewöhnlich nur schnell wirksame Insuline oder Normalinsulin in den Pumpen verwendet (31). Zudem erfordert die Handhabung dieser Pumpen aufgrund der vielen technischen Einstellungen ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit (9). Von Vorteil ist allerdings, dass bei den Pumpen Dosiereinstellungen sowohl für Basalinsulin als auch für eine Bolusgabe möglich sind (31). Spezielle Dosierungen für Zwischenmahlzeiten sind auch einstellbar. Für Patienten, die sich für die ICT entscheiden, können sie eine mögliche gute Alternative sein, da durch die kontinuierliche Gabe von Insulin die mehrmals täglichen Injektionen per Pen, Jet oder Spritze entfallen (31). Außerdem kann durch die Veränderung der Infusionsrate bei Nacht dem sogenannten „Dawn-Phänomen“ (Ein Anstieg des Blutzuckers am frühen Morgen aufgrund von Hypoglykämien in der Nacht, hervorgerufen durch ein gerade in den Nachtstunden auf dem Wirkgipfel angekommenen Verzögerungsoder langwirkendem Insulin) entgegen gewirkt werden (9)(10)(12)(13). Für den Einsatz von CSII (=continuous subcutaneous insulin infusion) bei einem Patienten sprechen der ansonsten gleichbleibend erhöhte HbA1c trotz einer ICT, wiederholte Hypoglykämien und eine wesentliche glykämische Variabilität (32). Die CSII ist deshalb vor allem für Patienten geeignet die mit dem MDI Schema (MDI = multiple daily injections) nicht zurechtkommen oder eine noch intensivere Therapie aufgrund von mikrovaskulären Komplikationen benötigen (31). Der Vorteil einer CSII bei Typ I Diabetikern gegenüber MDI besteht im niedrigeren HbA1c-Wert, der niedrigeren täglichen Insulindosis, einer höheren Flexibilität hinsichtlich der Mahlzeiten, einer geringeren Wahrscheinlichkeit von Hypoglykämien und dem Verzicht auf tägliche Injektionen (31). In einer durchgeführten Meta-Analyse von elf randomisierten, kontrollierten Studien welche jeweils CSII (mit schnell wirksamen Insulinanalogon) mit MDI verglichen, konnte eine signifikante Erniedrigung des HbA1c bei CSII gegenüber MDI festgestellt werden (0,3 Prozentpunkte zugunsten des CSII; 95% CI, 0.1–0.4; p < .001) (31). Allerdings konnte in dieser Meta-Analyse kein signifikanter Unterschied bezüglich der Rate ernsthafter Hypoglykämien gefunden werden (31). Die konventionelle Insulinpumpe (=CP) besteht normalerweise aus dem Gehäuse (welches das Insulinreservoir, Batterien, die Elektronik und die eigentliche Pumpe enthält), einer Nadel die ins subkutane Gewebe eingeführt ist und einem Katheter (meist ungefähr 60 cm), 18 welcher die beiden Teile miteinander verbindet (33). Im Vergleich dazu liegt die PatchPump (=PP) direkt der Haut auf, ohne erkennbaren Katheter (im Inneren ist aber dennoch ein etwa 5cm langer Katheter enthalten) (33). In einer von Lujif et al. durchgeführten multinationalen, randomisierten, crossover, open label Studie mit 20 Typ 1 Diabetikern wurde eine CP mit einer PP, hinsichtlich der Blutglukose- und Plasmainsulin-Werte nach Bolus-Insulin Infusion, verglichen (33). Es zeigte sich, dass mit der Liegedauer der Pumpe beziehungsweise des Katheters die Insulinabsorption steigt, nicht aber die Menge des absolut absorbierten Insulins. Dies wurde bei beiden Pumpentypen festgestellt. Ein Unterschied zwischen CP und PP hinsichtlich der Vergleichswerte war in dieser Studie nicht ersichtlich (33). Abb. 4 Schema einer konventionellen Insulinpumpe (34): 1 Motor 2 Display für Uhrzeit und Angabe der derzeitigen Insulinabgabe 3 Ampulle mit Insulinvorrat 4 Batterie 5 Adapter zur Verbindung mit Katheter 6 Katheterkupplung 7 Katheter und Kanüle 8 Bedienfeld zur Programmierung Eine Alternative zu den oben genannten subkutanen Methoden der Verabreichung von Insulin, ist der pulmonale Weg über inhalatives Insulin. Die in den getesteten Geräten verwendeten Insuline sind entweder in Trockenpulver- oder in flüssiger Form (21)(33). Der Anteil des Insulins der nach der Inhalation zur Absorption bereit steht, liegt in etwa bei 10 bis 15% (21). Der Vorteil für Patienten mit Typ I Diabetes besteht vor allem darin, sich die Injektionen für das prandiale Insulin zu ersparen, da die für die Inhalation gedachten Insuline schnell wirksam und von kurzer Dauer sind. Tabelle 6 zeigt die am stärksten erforschten Systeme zur Insulininhalation. 19 Tab. 6 Systeme zur Insulininhalation Inhalations- Insulin- Insulindosis- Inhalations Methode Größe System Zubereitung Äquivalent* Gerät der (in cm)° Inhalation Exubera® Technosphere® AERx iDMS® Trockenpulver, 1mg = 3 U Blister 3mg = 8 U Trockenpulver, 6TU = 1.56U Mikrosphäre, 12TU = 3.12U Patronen 24TU = 6.24U Flüßiginsulin, 1 AERx unit = 1U mechanisch 20x4 abhängig mechanisch Benützer 10x5 abhängig elektronisch Blister AIR® Benützer Geführtes 8x4 System Trockenpulver, 6mg = 2U Kapseln 9mg = 6U mechanisch Atem 7x2 Gesteuert Entnommen aus (21) *im Vergleich zu Normalinsulin, °ungefähre Größe TU= technosphere unit Das Exubera®-System, von Pfizer und Nektar Therapeutics, wurde 2006 von der FDA (=Food and Drug Administration) und der EMEA (=European Medicines Agency) zugelassen. Das Trockenpulver Insulin kommt in Blistern zu 1mg und 3mg was 3U beziehungsweise 8U Normalinsulin entspricht. Die meisten Studien bezüglich inhalativer Insuline wurden mit dem Exubera®-System durchgeführt (21). Abb. 5 Das Exubera®-System. (35) 20 In einer Studie von Rave et al. (36) wurde das Zeit-Aktions-Profil von inhalierbaren Insulin (Exubera®, INH) mit Normalinsulin (Regular Human Insulin, RHI) und einem schnell wirksamen Insulinanalogon (Insulin lispro, ILP) verglichen. In dieser open label, randomisierten, dreifachen crossover Studie, nahmen 18 männliche gesunde Probanden teil (Nichtraucher, Alter 28 ± 4 Jahre, BMI 23.6 ± 2,0kg/m2) (36). Es zeigte sich, dass das INH im Vergleich zu den subkutan applizierten Insulinen eine deutlich kürzere Dauer bis zum halbmaximalen Effekt als ILP (32 min vs. 41 min) oder RHI (48 min) hat (36). Die Dauer bis zum maximalen Effekt sind bei INH und ILP in etwa vergleichbar (143 vs. 137 min). Verglichen mit RHI (193 min) war das INH aber noch deutlich schneller (36). Die Wirkdauer in Betracht ziehend, wies das INH vergleichbare Werte mit dem RHI auf (387 min vs. 415 min), aber deutlich mehr als ILP (313 min) (36). Diese Charakteristiken bescheinigten dem inhalierbaren Insulin eine passende Alternative für das prandiale Insulin zu sein. Diese Art der Insulingabe wies zusätzlich eine höhere Akzeptanz bei den Patienten auf, als die subkutane Injektion (37). So zeigte sich in zwei dreimonatigen, open label Phase II Studien, dass die Verbesserung des Wertes der Patientenzufriedenheit bei der Gruppe mit dem inhalativen Insulin (35%) deutlich höher war als bei der Gruppe mit dem normalen subkutanen Insulin (12%) (%- Zahlen bei Typ I Diabetikern) (37). Den Patienten, welche die dreimonatige Studie vollendeten, wurde eine einjährige Verlängerung angeboten in der sich die Verbesserung der Gesamtzufriedenheit bei den Exubera-Patienten ebenfalls als höher erwies als die der Patienten mit subkutanem Insulin (38% vs. 4%) (37) Trotz dieser eigentlich positiven Werte entschloss sich Pfizer® wegen zu geringer Absatzzahlen Exubera® 2007 vom Markt zu nehmen (10). Die Besonderheit des Technosphere® Systems besteht darin, dass die Entwickler eine Plazebo Formulation entwickelt haben, die es ermöglicht doppel-blinde, Plazebo kontrollierte Studien zu entwickeln (bisher aber nur für Diabetes Mellitus Typ II) (21). Im Jahr 2014 hat die FDA AFREZZA®, welches auf dem Technosphere® Technik beruht, für den Gebrauch bei erwachsenen Diabetikern zugelassen, fordert aber noch weitere PostMarketing Studien (38). Gedacht ist AFREZZA® als Alternative zu den sonstigen prandialen Insulinen die subkutan injiziert werden müssen. Allerdings zeigte sich, dass der HbA1c -Spiegel durch AFREZZA® gegenüber subkutanen Insulin aspart nach 24 Wochen weniger stark gesenkt werden konnte (38). 21 Das AERx insulin diabetes management system (=AERx® iDMS) gibt dem Benutzer eine elektronische Anleitung bei der Inhalation des Insulins. Es wird dabei ein Aerosol eingeatmet, das aus einer flüssigen Insulinvorbereitung stammt. Das AIR® insulin system benutzt ebenso wie Exubera® und Technosphere® ein Trockenpulver, aber mit größeren, weniger dichten Partikeln (21). Zudem hat beziehungsweise hatte es den Vorteil der besseren Handlichkeit, wesentlich kleinere Gerätegröße, gegenüber Exubera®. Die Entwicklung von AERx® iDMS und AIR® insulin system wurde trotz teils weit vorangeschrittener Erforschung nicht weiter verfolgt und die Produkte schafften es nicht zur Marktreife (39)(40). Als zusätzliche Möglichkeit der Insulinapplikation, neben der subkutanen und inhalativen, ist die intraperitoneale Injektion zu nennen. Hierbei wird eine implantierbare Pumpe verwendet (Abbildung 5 zeigt ein Schema solch einer Pumpe). Die Absorption des Insulins erfolgt primär über den Portalkreislauf und kommt damit dem physiologischen Verlauf des Abb. 6 Abbildung einer implantierbaren Pumpe in situ (41) Insulins nahe (28). Eine Studie zum Vergleich von intraperitonealen zu subkutanem Insulin bezüglich der Inzidenz von Hypoglykämien, des HbA1c-Wertes und dem Glukoseprofil bei Typ 1 Diabetikern, wurde von Logtenberg et al. (41) durchgeführt. Es handelte sich um eine open label, prospektive, crossover, randomisierte, 16-monatige Studie in der 24 Typ 1 22 Diabetiker untersucht wurden (41). Es wurde jeweils sechs Monate mit intraperitonealem und sechs Monate mit subkutanem Insulin behandelt (41). Es konnte keine signifikante Verminderung der hypoglykämischen Ereignisse beim CIPII (= continuous intraperitoneal insulin infusion) gegenüber dem subkutanen Insulin (3 Probanden per MDIs, 21 per CSII) aufgezeigt werden, beim HbA1c-Wert (von 8.6 ± 1.1 zu 7.5 ± 0.7% innerhalb drei Monate) konnte jedoch eine Senkung von 0,76%, verglichen mit subkutanem Insulin, beobachtet werden (41). Zusätzlich verbrachten die Patienten mit CIPII weniger Zeit in hyperglykämischen (in der Studie definiert als >10.0 mmol/l Blutglukose) und mehr Zeit in euglykämischen Zuständen (zwischen 4,0 und 10,0 mmol/l Blutglukose) (33). Alle Probanden entschieden sich dazu die CIPII weiterzuführen. 2012 wurde ein Follow-Up (42) zu der oben genannten Studie durchgeführt. Die hypoglykämischen Ereignisse waren diesmal deutlich erniedrigt, das HbA1c konnte eine stabile Tendenz aufweisen (42). Ebenso war die Zufriedenheit der Probanden mit der Behandlung bei CIPII höher als bei der Therapie mit subkutanem Insulin, sowohl bei der 2006er Studie als auch beim Follow-Up. Die HRQOL (= health related quality of life) erhöhte sich bei Umstellung auf CIPII ebenso und blieb im Follow-Up 2012 stabil (42). 3.2 schnell wirkende Insuline Zu der Gruppe der schnell wirkenden Insuline gehören die klaren Lösungen von Humaninsulin, welche als Normalinsulin bezeichnet werden (10). In diesen Lösungen liegt Insulin als Hexamer vor. Nach der Injektion in das subkutane Gewebe kann das Insulin erst dann ausreichend schnell in die Kapillaren gelangen, wenn es zu einem Monomer zerfallen ist. Die dafür nötige Zeit der Verdünnung durch die Gewebsflüssigkeit ist der Grund für die verzögerte Insulinresorption (9)(10)(14). Deshalb muss auch ein gewisser Spritz-EssAbstand bei der Injektion von Normalinsulin beachtet werden: In etwa 20 bis 30 Minuten (10). Die pharmakologischen Eigenschaften des Normalinsulins können aus Tabelle 6, die Struktur aus Abb. 2 (siehe 1.6) entnommen werden. 23 Tab. 7 Eigenschaften des Normalinsulins Präparat Handelsname Wirkungs- Maximale Wirkungs- eintritt (min) Wirkung (h) dauer (h) Normalinsulin Actrapid® Human, ca. 30 1-2 5-8 Insuman® Rapid, Berlinsulin H Normal®, Huminsulin® Normal, Insulin B. Braun Rapid® Entnommen aus (11) Das Normalinsulin wurde im Jahr 1923 von der Firma Hoechst zum ersten Mal als Medikament zur Behandlung des Diabetes Mellitus industriell in Deutschland hergestellt (43). Zunächst wurde Insulin nur aus dem Pankreas von Rindern und Schweinen gewonnen. Seit 1983 wird zunehmend gentechnisch hergestelltes Insulin in der Therapie verwendet (43)(44). Die tierischen Insuline wurden im gleichen Maße verdrängt und sind heutzutage kaum mehr auf dem Markt zu finden. 3.3 schnell wirkende Insulinanaloga Die gentechnologisch hergestellten, schnell wirkenden Insulinanaloga sind bis auf die vertauschten beziehungsweise ersetzten Aminosäuren mit dem Humaninsulin identisch. Bei Insulin lispro werden die an Position B28 (Prolin) und Position B29 (Lysin) gelegenen Aminosäuren miteinander vertauscht (Abb. 7). Bei Insulin aspart wird Prolin (B 28) durch Aspartat-Säure ersetzt (Abb. 8). Bei Insulin glulisin wird Asparagin durch Lysin (B 3) und Lysin durch Glutaminsäure (B 29) ersetzt (Abb. 9) (9)(10). Diese Veränderungen verursachen eine geringere Stabilität der Hexamere, was einen schnelleren Zerfall zu Monomeren und somit eine schnellere Resorption zur Folge hat (9)(10)(14). Aus diesem Grund kann der Spritz-Ess-Abstand deutlich reduziert (<15 min) werden (9), beziehungsweise die Injektion kann direkt vor der Mahlzeit erfolgen (10). 24 Tab. 8 Eigenschaften der schnell wirksamen Insulinanaloga Präparat Insulin lispro Handelsname Humalog®, Wirkungseintritt Maximale Wirkungsdauer (min) Wirkung (h) (h) 10-15 0,5-1 2-5 Liprolog® Insulin aspart NovoRapid® 10-15 0,5-1 2-5 Insulin glulisin Apidra® 10-15 0,5-d 2-5 Entnommen aus (11) Abb. 7 Struktur von Insulin lispro. Die veränderte Aminosäurereihenfolge ist rot markiert. (10) Abb. 8 Struktur von Insulin aspart. Die geänderte Aminosäure ist rot markiert. (10) Abb. 9 Struktur von Insulin glulisin. Die geänderten Aminosäuren sind rot markiert. (10) 25 Als erstes der in Tabelle 7 ersichtlichen, schnell wirksamen Insulinanaloga wurde Insulin lispro im Jahre 1996 (46) von der Firma Lilly auf den Markt gebracht. Handelsnahmen in Europa sind Humalog® oder Liprolog® (11). Mehrere Studien verglichen den Einfluss von Insulin lispro auf den Blutzuckerhaushalt im Vergleich zu Normalinsulin. So zeigte Renner et al. (47) in einer offenen, randomisierten, crossover Studie mit 113 Typ I Diabetikern (die Insulinzufuhr erfolgte bei allen Teilnehmern per Pumpe), dass der HbA1c-Wert bei beiden Insulinarten fiel (Insulin lispro: 6,8 േ 0,9%, Normalinsulin: 6,9 േ 1,0%) (47). Die Werte der postprandialen Blutzuckerwerte waren unter Insulin lispro Behandlung signifikant tiefer (p < 0.001 für jede Mahlzeit). Hinsichtlich der Rate von unerwünschten Ereignissen, dem Auftreten von Hypoglykämien (Insulin lispro 12,4 േ 13,9, Normalinsulin 11,0 േ 11,2) oder von Katheterverstopfungen, konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Behandlungsarten festgestellt werden (47). Die randomisierte, crossover, open label Studie mit 463 Jugendlichen im Alter von 9 bis 18 Jahren von Holcombe et al. (48) zeigte ebenfalls signifikant tiefere postprandiale Blutzuckerwerte (gemessen zwei Stunden postprandial: 9,7 ± 4,0 mmol/L vs. 10,6 ± 4,3 mmol/L, r; p < 0,001 (Frühstück), 8,6 ± 3,5 mmol/L vs. 9,3 ± 3,7 mmol/L; P = 0,003 (Abendessen)). Die HbA1c-Werte bei Insulin lispro - und Normalinsulin - Behandlung waren wie in der oben genannten Studie (47) nicht signifikant unterschiedlich (48). In der Studie von Holcombe et al. wurde aber des Weiteren ein wesentlich geringeres Auftreten von nächtlichen Hypoglykämien und eine geringere allgemeine Hypoglykämierate pro 30 Tage pro Person, festgestellt (4,02 ± 4,5 (Insulin lispro) vs. 4,37 ± 4,5 (Normalinsulin); P = 0,023) (48). In einer Studie von Philotheou et al. aus dem Jahre 2011 (49) wurde die Effizienz und die Sicherheit von Insulin lispro mit der von Insulin glulisin, einem weiteren schnell wirksamen Insulinanalogon, im Rahmen einer Basis-Bolus Therapie bei insgesamt 572 Kindern und Jugendlichen (zwischen 4 bis 17 Jahren) mit Diabetes Mellitus Typ I verglichen (49). Es handelte sich hierbei um eine multizentrische, offene, zentral randomisierte, parallelgruppen Studie, bei der die Teilnehmer präprandial, etwa 0 bis 15 Min. entweder Insulin lispro (n= 295) oder Insulin glulisin (n= 277) erhielten (49). Die Behandlungszeit betrug 26 Wochen. Es zeigte sich, dass die Effizienz bezüglich der Einstellung des HbA1c-Wertes bei Insulin lispro (+0,16 േ 0,07%) und Insulin glulisin (+0,10 േ 0,08%) in etwa vergleichbar ist (49). 26 Ebenso verhielt es sich bei dem Sicherheitsprofil (Anzahl der symptomatischen Hypoglykämien oder anderer unerwünschte Ereignisse die eine Behandlung nötig machen) (49). Allerdings erreichten jene Probanden die mit Insulin glulisin behandelt wurden häufiger den von der ADA empfohlenen HbA1c-Wert für das entsprechende Alter (38% vs. 32% am Ende der Studie). Dieser Unterschied war in der Altersgruppe der 13 bis 17 jährigen am größten (31,1% vs. 21,1 % bei einem HbA1c-Wert von <7,5%) (49). Bei den Ergebnissen dieser Studie sollte auch die Tatsache, dass die Patientengruppen zwei unterschiedliche Basalinsuline (NPH-Insulin und Insulin glargin) benutzten, erwähnt werden. Wie die Ergebnisse der oben angeführten Studien deutlich zeigen, ist Insulin lispro eine gute, sogar effektivere Alternative zum Normalinsulin in der Therapie des Diabetes Mellitus Typ I. Dies äußert sich in der Kontrolle des postprandialen Blutzuckerspiegels, welcher durch Insulin lispro vor allem aufgrund der schnelleren Resorption (9)(10)(11)(14) besser kontrollierbar scheint als durch Normalinsulin. Insulin aspart wurde im Jahr 1999 von der Firma Novo Nordisk auf den Markt gebracht (Handelsname: NovoRapid®) (50). In einer Studie von Chup et al., wurde Insulin aspart mit Normalinsulin hinsichtlich des Kohlenhydratstoffwechsels, der Patientenzufriedenheit, des Lipoproteinstoffwechsels, klinischer Parameter (zum Beispiel: Blutdruck, Body Mass Index, Pulsfrequenz) und anderer biochemischer Parameter (unter anderem Mineralstoffwechsel, Nierenfunktion, etc.) verglichen (51). Es handelte sich um eine kontrollierte, offene Studie mit 21 Typ I Diabetikern welche sich bei Studienbeginn in einer Behandlung mit einer Insulinpumpe, mit Phosphat gepuffertes Normalinsulin zur besseren Durchgängigkeit, befanden. Bezüglich des Lipoproteinstoffwechsels, klinischer und anderer biochemischer Parameter konnte kein Unterschied zwischen den beiden Insulin-Präparaten festgestellt werden (51). Einen merkbaren Unterschied gab es bei dem HbA1c-Wert. Hier konnte eine Verminderung von 8,01% (zu Beginn der Studie, unter Normalinsulin) auf 7,53% (Ende der Studie, 12 Monate unter Insulin aspart), also eine Differenz von -0,48 %, festgestellt werden (51). Dies zeigt, dass Insulin aspart in der Therapie mit kontinuierlicher subkutaner Insulininfusion effektiver als das Normalinsulin ist. Eine Vergleichsstudie zwischen Insulin aspart, Insulin lispro und phosphat-gepufferten Normalinsulin von Bode et al. (52) konnte bei der Veränderung des HbA1c-Werts gegenüber dem Ausgangswert keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Gruppen nachweisen. Bei der Bewertung der Blutzuckerprofile konnte aber nach den 27 Mahlzeiten ein allgemein niedrigerer Wert bei Insulin aspart und Insulin lispro beobachtet werden, signifikant beim Wert zwei Stunden nach dem Abendessen, was die Bedeutung der schnell wirkenden Insulinanaloga für die Regelung der postprandialen Blutglukose unterstreicht (52). Auftretende, symptomatische Hypoglykämien, die auch durch entsprechende Blutzuckerwerte bestätigt wurden, waren bei den drei Gruppen in etwa gleich häufig (52). Bei den Hypoglykämien die nur durch die Symptome begründet wurden, lag die Häufigkeit bei Insulin aspart signifikant niedriger als bei Insulin lispro und Normalinsulin (52). Über die gesamte Dauer der Studie war der Anteil an Patienten mit komplett hypoglykämiefreien Nächten in der Insulin aspart-Gruppe am höchsten (41%), verglichen mit der Normalinsulin Gruppe (20%) und der Insulin lispro-Gruppe (25%) (52). Die Häufigkeit an unerwünschten Effekten war in allen drei Gruppen ähnlich. Die Markteinführung von Insulin glulisin erfolgte 2004 durch Sanofi-Aventis (Handelsname Apidra®) (53). Auch hier sind vergleichende Studien mit Normalinsulin zu finden. So testeten Rave et al. in einer Einzeldosis-, randomisierten, vierfach crossover Studie das Verhalten von Insulin glulisin und Normalinsulin bezüglich der Regelung des postprandialen Blutzuckerspiegels (54). Die unterschiedlichen Insulin Behandlungen waren: Insulin glulisin unmittelbar vor dem Essen, unmittelbar nach dem Essen und Normalinsulin 30 Minuten vor dem Essen und unmittelbar vor dem Essen. Es zeigte sich, dass Insulin glulisin (Injektion unmittelbar vor der Mahlzeit) eine bessere postprandiale Blutzuckerkontrolle bietet als das Normalinsulin (54). Mit den beiden Insulin glulisin Behandlungsmethoden (Injektion unmittelbar vor und 30 min nach der Mahlzeit) wurden wegen der schnelleren Absorption wesentlich früher, 55 min beziehungsweise 57 min, eine höhere Insulinkonzentration erreicht, 82IU/ml beziehungsweise 79IU/ml, als mit den jeweiligen Behandlungen mit Normalinsulin (Injektion 30 min vor und unmittelbar vor der Mahlzeit), 82 min beziehungsweise 97 min für 46IU/ml beziehungsweise 45IU/ml (54). Das unmittelbar vor der Mahlzeit gegebene Insulin glulisin war in der Blutzuckerkontrolle dem unmittelbar vor dem Essen gegebenen Normalinsulin überlegen (54). Die maximale postprandiale Glukosekonzentration betrug beim Insulin glulisin 180mg/dl, der höchste Ausschlag in der Blutzuckerkurve 65mg/dl und die Zeit bis zu diesem Ausschlag 48 Minuten, wohingegen die entsprechenden Werte beim Normalinsulin (unmittelbar vor dem Essen injiziert) allesamt höher lagen, aber nicht signifikant: 209mg/dl maximale Glukosekonzentration, 28 89mg/dl maximaler Ausschlag und 70 Minuten bis zu diesem Ausschlag (54). Die Kontrolle der Blutglukose nach einer Mahlzeit war beim Normalinsulin welches ordnungsgemäß 30 Minuten vor dem Essen injiziert wurde vergleichbar mit dem Insulin glulisin (kurz vor dem Essen injiziert). Die entsprechenden Werte für das Normalinsulin waren folgende: 177mg/dl Blutglukose, 64 mg/dl maximale Auslenkung, dafür aber eine Zeit von 115 min bis zu dieser Auslenkung trotz der längeren Einwirkdauer (54). Diese Ergebnisse zeigen, dass Insulin glulisin eine gute, wenn nicht sogar bessere, Alternative zur postprandialen Blutglukosekontrolle ist als das Normalinsulin, da es die physiologische Wirkweise des Insulins besser nachahmen und die anfallende Glukose schneller verwerten kann. Kawamori et al. verglichen Insulin glulisin (n=132) mit Insulin lispro (n=135) in einer offenen, randomisierten, parallelgruppen, vergleichenden Nicht-Unterlegenheitsstudie (55). Als Basal-Insulin wurde Insulin glargin verwendet. Es zeigte sich, dass Insulin glulisin dem Insulin lispro in Hinblick auf die Veränderung des HbA1c-Wertes nicht unterlegen war (+0,10% in der glulisin Gruppe und 0,04% in der lispro Gruppe) (55). Die Werte für Blutglukose zwei Stunden postprandial und die tägliche Dosis an schnell wirksamen Insulinen ergaben keine nennenswerten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (55). Die Dosis von basalen Insulin konnte allerdings in der glulisin Gruppe signifikant gegenüber der lispro Gruppe gesenkt werden (-0,54U vs. 0,26U) (55). Bezüglich des Auftretens von unerwünschten Nebeneffekten (hauptsächlich symptomatische Hypoglykämien), Bildung von Insulinantikörpern im Studienverlauf und Therapiezufriedenheit (in beiden Gruppen kam es zu keiner Veränderung) im Studienverlauf konnte kein signifikanter Unterschied festgestellt werden (55). Diese Ergebnisse wiesen die Nicht-Unterlegenheit des glulisin gegenüber lispro nach. In einer Evaluation von Cameron et. al. (56) bezüglich der Kosten-Effektivität von Insulinanaloga bei Diabetes Mellitus wurde aufgezeigt, dass eine Behandlung mit Insulin aspart gegenüber einer Behandlung mit Normalinsulin kosteneffektiver ist, wohingegen eine Behandlung mit Insulin lispro zwar effektiver, aber auch kostenintensiver gegenüber dem Normalinsulin ist (56). Es sollte aber erwähnt werden, dass die Studie sich auf kanadische Preise beziehungsweise das kanadische Gesundheitssystem bezieht und so eventuell nicht vollständig auf Europa anwendbar ist. Eine ähnlich gelagerte Studie von Pratoomsoot et al. (57), beschäftigte sich mit dem Vergleich von Insulin lispro und Normalinsulin bezüglich Langzeitbenefit in Hinsicht auf 29 klinische und ökonomische Aspekte bei Diabetes Typ I Patienten in Großbritannien. Pratoomsoot et al. kamen zu der Einschätzung, dass die direkten Kosten für eine lebenslange Behandlung mit Insulin lispro in etwa £70 576, € 96 393 (Währungsumrechnung mit (58)), betragen, gegenüber £72 529, € 99 060 (58), bei Normalinsulin (57), was Insulin lispro kosteneffektiver machen würde als Normalinsulin. Laut den Autoren wird dieser Unterschied vor allem durch die niedrigere Rate an ernsthaften Hypoglykämien verursacht (57). Die in Punkt 3.3 aufgezeigten Studien vermitteln, dass die schnell wirksamen Insulinanaloga vor allem im Rahmen der postprandialen Blutzuckerkontrolle dem Normalinsulin voraus beziehungsweise überlegen sind und die Therapie auch zum Teil günstiger oder kosteneffektiver ist als die von Normalinsulin (56)(57), was sie zu einer guten Alternative in der Therapie von Diabetes Mellitus Typ I machen. 3.4 Verzögerungsinsuline Die Verzögerungsinsuline wurden hergestellt um die Wirkung bei der Insulingabe gegenüber dem Normalinsulin zu verlängern. Bei der Herstellung der NPH-Insuline (NPH= Neutrales Protamin Hagedorn) wird das saure Insulin neutralisiert, in dem das basische Protamin in entsprechender Menge der Insulinlösung, die Lösung enthält noch pro Insulinhexamer zwei Zinkmoleküle und einen Phosphatpuffer, hinzugefügt wird (9)(10). Infolge dessen entsteht ein Verzögerungseffekt, da die entstandenen einheitlichen Kristalle langsamer in Lösung gehen als das Normalinsulin und somit länger resorbiert werden, was letztendlich die längere Wirkung ausmacht (10)(14). Da der entstandene Komplex, eine milchig weiße Trübung, schwer löslich ist und in wässriger Lösung als Suspension vorliegt, muss vor Gebrauch der NPH-Insuline geschüttelt werden (9)(14). 30 Tab. 9 Eigenschaften der Verzögerungsinsuline Präparat Handelsname Wirkungs Maximale Wirkungsdauer eintritt Wirkung (h) (h) 4-6 11-20 (min) NPH-Insuline* Protaphane®, ½ -1 h Insuman® basal, Berlinsulin H Basal®, Huminsulin basal, Insulin B. Braun Basal® Entnommen aus (11) * NPH= Neutrales Protamin Hagedorn Aufgrund der langen Wirksamkeit der NPH-Insuline wird es bei der intensivierten Insulin Therapie des Diabetes Mellitus Typ I als Basalinsulin und bei der konventionelle Insulin Therapie als Mischinsulin, in Kombination mit Normalinsulin oder einem schnell wirksamen Analogon, verwendet (11). Der Vorteil von NPH-Insulin liegt in der Mischbarkeit mit Normalinsulin beziehungsweise mit schnell wirksamen Insulinanaloga. In dieser Form wird es bei Patienten, die sich in einer konventionellen Insulintherapie befinden, verwendet (siehe 3.6.) 3.5 lang wirkende Insulinanaloga Die lang wirkenden Insulinanaloga sind zur Abdeckung des Basalinsulinbedarfs gedacht (2). Beim Insulin detemir wird an die Position B 29 Myristinsäure (Fettsäure) angehängt (Abb. 10) (9)(10)(14). Nach der subkutanen Injektionen bindet sich Insulin detemir in der Subkutis und im Plasma mit einer hohen Affinität an Albumin, wodurch die Resorption verzögert und die Wirkung verlängert wird (9)(10)(14). Insulin glargin wird dadurch gebildet, indem zwei Argininmoleküle an Position B 30 gehängt werden und Glycin Asparagin an Position A 21 ersetzt (Abb. 11). Es hat in wässriger Lösung einen pH-Wert von 4 und fällt nach der Injektion im subkutanen Gewebe (pH-Wert von 7,4) unter Bildung 31 von amorphen Präzipitaten aus (9)(10)(14). Die langsame Resorption dieser Präzipitate macht die lange Wirkungsdauer von Insulin glargin aus. Tab. 10 Eigenschaften der lang wirkenden Insulinanaloga Präparat Handelsname Wirkungseintritt Maximale Wirkungsdauer (min) Wirkung (h) (h) Insulin detemir Levemir® Ca. 1h 5-8 h 12-16 Insulin glargin Ca. 1 h 4 24-30 Lantus® Entnommen aus (11) Abb. 10 Struktur von Insulin detemir. Hinzugefügte Myristinsäure rot markiert. (10) Abb. 11 Struktur von Insulin glargin. Geänderte Aminosäuren rot markiert. (10) Insulin glargin war das erste langwirkende Insulinanalogon welches entwickelt wurde. Im Jahr 2000 brachte es die Firma Sanofi-Aventis in Europa mit dem Handelsnamen Lantus® auf den Markt (53). Roostami et al., führten 2012 eine randomisierte, offene Studie zum Vergleich der Effizienz von Insulin glargin und NPH-Insulin durch (59). Es wurden 20 Kinder mit Insulin glargin und Insulin aspart als Bolusinsulin behandelt, sowie 20 Kinder mit NPH-Insulin und Normalinsulin. Bezüglich der HbA1c-Werte wiesen die beiden Behandlungsschemata keine signifikanten Unterschiede auf (59). In der glargin Gruppe fiel der HbA1c von 8,8 auf 8,4%, in der NPH-Gruppe von 8,6 auf 8,2% (59). Der Nüchternblutzucker verringerte sich während 32 der Studie in beiden Gruppen, der Unterschied zwischen den beiden war allerdings nicht signifikant: Von 217 ± 101mg/dl auf 169 ± 55mg/dl in der glargin Gruppe und von 196 ±75 mg/dl auf 173±2mg/dl in der NPH-Gruppe (59). Bei der Anzahl an Hypoglykämien konnte ebenfalls kein nennenswerter Unterschied aufgezeigt werden (59). Kanazawa et al. verglichen ebenfalls das Insulin glargin mit NPH-Insulin (60). Es handelte sich um eine Studie mit 72 Typ I und 46 Typ II Diabetikern welche sich bis zu Studienbeginn in einer intensivierten Therapie mit NPH als Basalinsulin befanden und für 18 Monate auf glargin umgestellt wurden. Hier zeigte sich aber eine signifikante Verbesserung des HbA1cWertes, von 8,9 ± 2,6% zu Beginn, auf 7,8 ± 1,5% zum Ende der Studie, bei den Typ I Diabetikern (60). Das Ergebnis der Typ II Diabetiker fiel ähnlich positiv aus. Die Rate an leichten bis mittleren Hypoglykämien war bei NPH – Insulin knapp, aber nicht signifikant, höher als bei glargin (60). Neben dieser positiven Eigenschaft des glargin wurde auch beobachtet, dass es bei Insulin glargin möglich war die Dosis zu erhöhen ohne einen hypoglykämischen Schock zu riskieren im Gegensatz zum NPH-Insulin (60), was neben dem niedrigeren HbA1c ebenfalls für die bessere Effektivität des glargin spricht. In einer Studie von Renard et. al. wurde Insulin glargin mit dem etwas neueren Insulin detemir hinsichtlich der Blutglukosevariabilität und der Nicht-Unterlegenheit verglichen (61). Es handelte sich um eine randomisierte multizentrische crossover Studie mit 88 Typ I Diabetikern. Die Nicht-Unterlegenheit wurde mit einem Mittelwert von 1.016 bewiesen (61). Sekundäre Ergebnisse wie maximale Blutglukoseauslenkung, Dosis und Anzahl täglicher Insulininjektionen und die Variabilität der Blutglukose vor dem Abendessen, brachten keine Unterschiede zwischen den beiden Analoga hervor, obwohl eine leichte Neigung zu einer höheren Anzahl an täglichen Injektionen bei Insulin detemir zu beobachten war (61). Abali S. et al. führten 2013 eine retrospektive Studie (62) mit 114 Kindern und Jugendlichen, Mindestalter vier Jahre, durch. Sie verglichen die beiden lang wirkenden Insulinanaloga bezüglich des HbA1C, der gesamten beziehungsweise der basalen Insulindosis, der Häufigkeit der Injektionen des Basalinsulins und des BMI (= Body Mass Index) (62). Die Studienteilnehmer waren alle vor Studienbeginn mindestens zwei Jahre in einer BasalBolus-Therapie, wobei das Bolusinsulin entweder Insulin glulisin oder aspart war (62). Die Wirkung auf die Blutglukose, hier der HbA1c-Wert, erwies sich in beiden Gruppen als ähnlich: 8,9ௗ±ௗ2,1% vs. 8,5ௗ±ௗ1,7% bei detemir beziehungsweise glargin; pௗ=ௗ0.497 (62). 33 Allerdings waren die Dosis der Bolusinsuline, 0,52 vs. 0,41U/kg/d, pௗ<ௗ0.001, und die Tagesdosis des Gesamtinsulins, 1,11 vs. 0,93U/kg/d, pௗ<ௗ0.001, in der detemir Gruppe jeweils höher als in der glargin Gruppe (62). Ebenfalls war die Rate an Zweitinjektionen des Basalinsulins bei den Patienten die mit Insulin detemir behandelt wurden größer (62,5 vs. 32,9%, pௗ=ௗ0.004) (62). Insgesamt betrachtet, hat das Insulin glargin in etwa die gleiche Wirkung für die Blutzuckerkontrolle wie das Insulin detemir, dafür werden aber weniger große Dosen benötigt. Insulin detemir kam im Jahr 2004, von Novo Nordisk entwickelt, unter dem Namen Levemir® auf den Markt (63). Mehrere Studien verglichen den Einfluss auf den Blutzuckerspiegel und die Effektivität von Insulin detemir mit NPH-Insulin. So konnten Bartley et al. in einer 2008 veröffentlichten Studie zeigen, dass Insulin detemir als Basalinsulin dem NPH-Insulin überlegen ist (64). In dieser zweijährigen, multinationalen, randomisierten, Parallelgruppen, open label Studie nahmen 497 Typ I Diabetiker teil: 331 in der detemir Gruppe, 166 in der NPH Gruppe. Das HbA1c sank in beiden Gruppen, aber signifikant stärker in der detemir Gruppe: -0,94 Prozentpunkte beim detemir gegenüber -0,72 Prozentpunkte beim NPH (64). Auch beim Nüchternblutzucker konnte eine stärkere Senkung bei Insulin detemir beobachtet werden: -3,01mmol/l gegenüber -1,93mmol/l (64). Das Risiko einer ernsthaften Hypoglykämie war in der detemir Gruppe ebenfalls geringer als in der NPH Gruppe: 0,2 Ereignisse/ Patient/ Jahr gegenüber 0,8 Ereignisse/ Patient/ Jahr (64). Thalange et al. zeigten eine Nicht-Unterlegenheit des Insulin detemir dem NPH-Insulin gegenüber in einer randomisierten, multinationalen, open label, parallelgruppen Studie mit 347 Kindern im Alter von 2 bis 16 Jahren über den Zeitraum von 52 Wochen (65). Insulin detemir zeigte einen ähnlichen Wert in der Blutzuckerkontrolle wie das NPH-Insulin. Sowohl der HbA1c- als auch der Nüchternblutzucker-Wert zeigten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen (65). Bei der Anzahl der Hypoglykämien erwies sich detemir dem NPH-Insulin aufgrund einer signifikant niedrigeren Rate als überlegen (65). Ebenso wiesen die Kinder, welche mit detemir behandelt wurden, eine Reduktion der Standardabweichung bezüglich des Gewichts auf (Orientierung an Alter und Geschlecht), wohingegen die Kinder mit NPH-Insulin eine leichtere Steigerung erfuhren (65): -0,12 bei detemir und +0,04 bei NPH-Insulin. 34 Dündar et al. verglichen in ihrer Studie die Effektivität von Insulin detemir und glargin mit der des NPH-Insulins bei Kindern und Jugendlichen, Alter 12,7 ± 3,4 Jahre, die schon vor Studienbeginn in einer ICT mit NPH-Insulin als Basalinsulin waren und in Folge der Studie zu einem der beiden lang wirkenden Analoga wechselten (66). Die Blutzuckerkontrolle erwies sich in beiden Gruppen ähnlich, sowohl untereinander als auch im Vergleich zum NPH-Insulin. Es gab keine nennenswerte Änderung des Nüchternblutzuckers im NPH-und im Analoga-Behandlungszeitraum (66). Ebenso konnte kein signifikanter Unterschied in der Rate ernsthafter Hypoglykämien festgestellt werden (zwischen den beiden Gruppen und im Vergleich zu NPH) (66). Bei den nächtlichen Hypoglykämien jedoch konnte ein nicht signifikanter Rückgang unter der Behandlung mit den lang wirkenden Insulinanaloga verzeichnet werden (66). Signifikante Unterschiede zeigten sich in der Verminderung des HbA1c-Wertes unter der Insulinanalogatherapie. Es erfolgte auch eine Zunahme des BMI bei den Patienten beider Gruppen sowohl vor als auch nach der Therapie mit Insulin detemir und Insulin glargin, wobei die Zunahme des BMI unter der Therapie mit Insulin detemir signifikant niedriger als die bei NPH-Insulin und Insulin glargin war (66). Hinsichtlich der Kosten einer Behandlung mit lang wirkenden Insulinanaloga stellten Kostev et al., einen Vergleich auf zwischen Insulin glargin und NPH-Insulin bezüglich des Ressourcenverbrauchs und der angeglichenen Behandlungskosten im Rahmen einer ICT (67). Dazu verglichen sie Daten von 2297 Typ I Diabetikern die zwischen Juni 2000 und September 2008 eine ICT entweder mit NPH-Insulin, 1218 Patienten, oder mit Insulin glargin, 1079 Patienten, erhielten (67). Man kam zu dem Ergebnis, dass Insulin glargin nach der Anpassung von Parametern wie HbA1c-Wert, Alter, Geschlecht, Dauer der Diabetes Erkrankung, Region und BMI eine jährliche Ersparnis von € 423,94, Währungsumrechnung mit (58), gegenüber NPH-Insulin bringt, was in der Studie aber als nicht signifikant bewertet wurde (67). Dennoch wurde Insulin glargin aufgrund der niedrigeren Hypoglykämierate und des besseren glukosesenkenden Effektes für die ICT favorisiert. Cameron et al. stellten neben einer Kostenanalyse der schnell wirkenden Insuline auch eine für die Behandlung mit lang wirkenden Insulinanaloga an (56). Die Kosten für eine lebenslange Therapie mit Insulin glargin und detemir waren jeweils höher als die einer lebenslangen Therapie mit NPH-Insulin: Can$ 70 751 (€ 51 507) beziehungsweise Can$ 67 328 (€ 49 015) beim Vergleich glargin gegenüber NPH und 35 Can$ 72 714 (€ 52 936) beziehungsweise Can$ 68 370 (€ 49 773) beim Vergleich detemir gegenüber NPH. Von den Erstellern der Analyse konnte keine bessere Kosteneffektivität der lang wirkenden Insulinanaloga gegenüber dem herkömmlichen NPH-Insulin festgestellt werden (56). Die angegebenen Preise in Euro wurden mit der Quelle (58) berechnet. Wie in 3.3 bereits erwähnt, sollte hierbei in Betracht gezogen werden, dass es sich um kanadische Preise im dortigen Gesundheitssystem handelt, welche eventuell nicht gleich auf europäische Verhältnisse übertragbar sind. Die in Punkt 3.5 genannten Studien zeigen, dass die beiden langwirksamen Insulinanaloga glargin und detemir durchaus eine Alternative zum NPH-Insulin darstellen. Bezüglich der Blutzuckerkontrolle erweisen sie sich dem NPH ebenbürtig. Es scheint, dass der Mehrwert in der geringeren Rate an Hypoglykämien liegt. Zudem weist vor allem Insulin detemir eine deutlich geringere, unerwünschte Gewichtszunahme der Patienten während der entsprechenden Behandlungszeiträume auf. 3.6 konventionelle Insulintherapie Bei der konventionellen Insulintherapie erfolgen in der Regel zwei Insulininjektionen. Einmal vor dem Frühstück und einmal vor dem Abendessen mit einem Spritz-Ess-Abstand von etwa 30 Minuten (11). Das injizierte Insulin ist meist ein Mischinsulin, bestehend aus einem Intermediär- und einem Normalinsulin. Hierbei macht das Normalinsulin beziehungsweise ein schnell wirksames Insulinanalogon in etwa 20 bis 50% und das NPHInsulin 50 bis 80% des Mischinsulins aus (10). Tabelle 11 und 12 zeigen eine Auswahl dieser Mischinsuline. Tab. 11 Mischinsuline. Mischung aus Normal- und NPH-Insulin. Mischverhältnis Präparatname Normal-/ Verzögerungsinsulin 15%/ 85% Insuman comb 15 25%/ 75% Insuman comb 25 30%/ 70% Actraphane HM30, Berlinsulin HM 30, Huminsuin Profil III, Insulin B. Braun ratiopharm Comb 30 / 70 50%/ 50% Actraphane HM 50, Insuman comb 50 Entnommen aus (9)(12) 36 Tab. 12 Mischinsuline. Mischung aus Insulinanaloga und NPH-Insulin. Mischverhältnis Präparatname Analog-/ Verzögerungsinsulin 30%/ 70% Novo Mix 30 25%/ 75% Humalog Mix 25, Liprolog Mix 25 50%/ 50% Humalog Mix 50, Liprolog Mix 50 Entnommen aus (9)(12) Je nach verwendeten Mischinsulin muss der Spritz-Ess-Abstand eingehalten werden oder nicht. Die Injektion am Morgen sollte 2/3 der täglichen Insulindosis ausmachen, die abendliche Injektion 1/3 (2)(10)(11)(12). Diese Einteilung liegt am erhöhten Insulinbedarf am Morgen und der höheren Insulinempfindlichkeit am Abend (siehe Abbildung 12). Abb. 12 Zirkadiane Rhythmik des Insulinbedarfs (5) Aufgrund der hohen Mengen des verabreichten Insulins sind Patienten dazu angehalten Zwischenmahlzeiten einzunehmen und infolge dessen einen Mahlzeitenplan einzurichten um einer möglichen Hypoglykämie entgegen zu wirken (11). Die Menge der einzelnen Mahlzeiten richtet sich nach der verabreichten Insulinmenge. Das heißt, bei der 37 konventionellen Insulintherapie muss ein starres Mahlzeitenschema mit genau berechneter Kohlenhydratmenge eingehalten werden, damit die Therapie erfolgversprechend ist (2)(12). Zur besseren Einschätzung des Kohlenhydratgehalts einer Mahlzeit seitens der Patienten wird auch die sogenannte Kohlenhydrateinheit verwendet: 1 Kohlenhydrateinheit = 1 KE = 10 bis 12g reine Kohlenhydrate (11)(12). Diese konventionelle Art der Therapie wird vor allem bei Patienten angewendet, für die eine ICT nicht oder nicht mehr in Frage kommt. Bei der konventionellen, wie auch bei der intensivierten Insulintherapie, muss zuerst der individuelle Insulinbedarf des Patienten bestimmt werden (5)(10)(12). Für gewöhnlich liegt der durchschnittliche Insulinbedarf eines Typ I Diabetikers bei 0,6 bis 0,7 Einheiten/kg Körpergewicht/ Tag (9). Es gilt zu beachten, dass übergewichtige und sich in der Pubertät befindende Patienten eine höhere Dosis aufgrund der höheren Insulinresistenz des peripheren Gewebes benötigen: In etwa ein bis zwei Einheiten/kg Körpergewicht/Tag (9). Bezüglich der Vermeidung von Langzeitkomplikationen (siehe 1.8.2) ist die konventionelle Insulintherapie der intensivierten Insulintherapie unterlegen, wie die großangelegte Langzeitstudie DCCT gezeigt hat (siehe 3.7). 3.7 intensivierte Insulintherapie Die intensivierte Insulintherapie ist im Verhältnis zur konventionellen wesentlich variabler. Hier orientiert man sich mit den Insulininjektionen an den Mahlzeiten und nicht umgekehrt. Bei der intensivierten Insulintherapie wird der prandiale Insulinbedarf durch die Injektion von Normalinsulin oder anderen kurzwirksamen Insulinen jeweils zu den drei Hauptmahlzeiten gedeckt (5)(10)(11). Etwaige Zwischenmahlzeiten sollten allerdings in die Berechnung der prandialen Insulininjektionen auch miteinfließen. Für den basalen Insulinbedarf wird ein- bis dreimal täglich ein Verzögerungsinsulin gespritzt (5)(10)(11). Diese Form läuft auch unter dem Kürzel ICT (=intensified conventional insulin therapy). Eine weitere Art der intensivierten Therapie wäre jene der kontinuierlichen subkutanen Insulininfusion per Insulinpumpe (=CSII). Hier wird meist ein Normalinsulin beziehungsweise ein schnell wirkendes Insulinanalogon verwendet, welches in einem Reservoir in der Insulinpumpe lagert (siehe 3.1, Abb. 4 Aufbau einer konventionellen 38 Insulinpumpe) (5)(10)(11). In Deutschland und in Österreich liegt der Anteil an Typ I Diabetikern welche eine Insulinpumpe benutzen zwischen 15 und 18% (68). Für die Festlegung der Insulindosis bei einer ICT müssen die Faktoren individuelles Insulindefizit, individuelle Insulinempfindlichkeit (bezüglich BMI, körperlicher Aktivität, Erkrankungen, andere Medikamente), die pharmakologischen Eigenschaften des verwendeten Insulinpräparats und der Kohlenhydratgehalt und die Nahrungszufuhr miteinbezogen werden (20). Aufgrund von Erfahrungswerten lassen sich einige Richtwerte für die Dosierung angeben (Tabelle 13): Tab. 13 Anhaltswerte zur Insulindosierung basaler Insulinbedarf ca. 0.7-1.5 IE/h prandialer Insulinbedarf ca. 1-2,5 IE/KE Entnommen aus (12)(13)(20) Generell lässt sich sagen, dass eine IE Normalinsulin beziehungsweise schnell wirkendes Insulinanalogon den Blutzucker um etwa 30 bis 50mg/dl senkt (12)(13)(20), umgekehrt wird er um den gleichen Betrag bei der Einnahme von 10-12g Kohlenhydraten, ungefähr 1 KE, gesteigert (12)(13)(20). Etwaige Blutzuckerwerte, die über dem für die Therapie festgelegten Wert liegen, sollten mit der Injektion eines Korrekturinsulins behandelt werden. Für dessen Dosis verwendet man die sogenannte „30-er-Regel“ beziehungsweise „40-er-Regel“, welche sich auf die Senkung der Blutglukose pro IE Normal- oder schnell wirkendes Insulin beziehen (20). Ein wichtiger Punkt in der Auswahl zwischen herkömmlicher intensivierter Therapie, der ICT mit MDI, und der CSII, ist auch die Angst vor beziehungsweise die Abneigung gegen die täglichen Injektionen beim Schema mit MDI. Dies kann unter Umständen zu einer schlechteren Einstellung des Blutzuckers führen (69). In diesen Fällen ist die Verwendung einer Insulinpumpe klar indiziert. Cemeroglu et al. veröffentlichen dahingehend eine Studie (69), in der sie 150 Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 17 Jahren bezüglich der Angst vor Injektion, vor Selbsttestung und vor Veränderungen des Infusionsortes, befragten. 32,7% (69) der Patienten gaben an Angst vor oder bei der Injektion und Veränderungen des Infusionsortes zu haben; bei den Teilnehmern unter 11 Jahren antworteten die Erziehungsberechtigten. Der Wert bei der Angst vor Selbsttestung lag bei 10% (69). Es 39 zeigte sich, dass jene Patienten mit einer starken Angst vor Nadeln auch entsprechend höhere HbA1C-Werte haben, da sie weniger häufig ihre Werte messen (69). Mehrere Studien verglichen die Effektivität der herkömmlichen intensivierten Insulin Therapie (ICT) per Pen- oder Spritzeninjektion (MDI) mit der Insulinpumpentherapie (CSII). Maiorino et al. veröffentlichten hierüber 2014 eine Studie mit 125 teilnehmenden jugendlichen Typ I Diabetikern, welche vor Studienbeginn mit dem MDI Schema behandelt wurden (70). 38 dieser Patienten wurden auf die Therapie mit CSII umgestellt (von zuvor 43 ausgewählten), der Rest diente als Kontrollgruppe (70). Der Beobachtungszeitraum betrug drei Monate. Die beobachtete Senkung des HbA1C-Wertes war in beiden Gruppen ähnlich, -0.3%, die Patientenzufriedenheit stieg bei den CSII Patienten an und fiel bei den MDI Patienten, der Unterschied betrug 9,9 Punkte im DTSQ (= Diabetes Treatment Satisfaction Score) (70). Ebenso sank die Rate der wahrgenommenen Hypo- und Hyperglykämien bei den CSII Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe, -2,0 beziehungsweise -2,5 (70). In der CSII Gruppe konnte auch eine signifikante Senkung der durchschnittlichen Glukoseauslenkung und der allgemeinen Hypoglykämien beobachtet werden (70). In einer von Karagianni et al. veröffentlichten Studie zeigte sich, wie bei Maiorino et al. (70), eine Verminderung der Hypoglykämierate bei den CSII Patienten (71). An der Studie mit einem sechsmonatigen Beobachtungszeitraum, nahmen insgesamt 34 Patienten teil. 17 in der MDI Gruppe und 17 in der CSII Gruppe (vormals mit MDI behandelt). Die Patientenzufriedenheit mit der neuen Therapieform CSII konnte sich gegenüber der MDI Methode steigern (71). Beim HbA1C-Wert konnte während der Studienzeit auch eine signifikante Senkung beobachtet werden. In Sachen Gesamtinsulinverbrauch konnte in der MDI Gruppe keine Veränderung verzeichnet werden, wohingegen der Verbrauch bei den CSII Patienten sank (71). Die Vorteile einer intensivierten Insulintherapie inklusive einer intensiven Überwachung der Glukosewerte gegenüber einer konventionellen Therapie zeigte die großangelegte Langzeitstudie DCCT (=Diabetes Control and Complications Trial) in den USA und Kanada (72). Hierbei wurden 1441 Typ I Diabetiker im Alter von 13 bis 39 Jahren über einen Zeitraum von 10 Jahren, 1983-1993, beobachtet. Es ergaben sich deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Langzeitkomplikationen des Diabetes Mellitus (72). Die intensivierte 40 Insulintherapie erwies sich hierbei als Möglichkeit, das Risiko einer diabetischen Retinopathie um bis zu 76% zu senken (72). Bei Patienten die zu Beginn der Studie eine schwach ausgeprägte Retinopathie hatten, konnte der Fortschritt der Leiden um 56% verlangsamt werden (72). Ebenso nachgewiesen werden konnten erniedrigte Risiken für die Entwicklung einer diabetischen Nephropathie, um 50% verringertes Risiko, und einer diabetischen Neuropathie, um 60% verringertes Risiko (72). Die Follow-Up Studie der DCCT, die EDIC (=Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications) konnte im Jahr 2005 zudem bei den Patienten die in der DCCT eine intensivierte Therapie erhielten, eine Verringerung des Risikos kardiovaskulärer Ereignisse um 42% und die Verringerung des Risikos eines nichttödlichen Herzinfarkts, Schlaganfalls oder eines kardiovaskulär verursachten Todes um 57%, nachweisen (72). An der EDIC nahmen 90% der Patienten aus der DCCT teil. Bezüglich der Kosteneffektivität einer intensivierten Insulin Therapie verglichen Petkova et al. in einer 2013 veröffentlichten Studie die Kosteneffektivität der intensivierten Therapie per CSII und per analoger Insulininjektion miteinander (73). Die Studie wurde in Bulgarien mit 34 Typ I Diabetikern im Kindesalter durchgeführt. 17 Teilnehmer wurden mit einer Insulinpumpe behandelt, schon vor Beginn der Studie, die restlichen Teilnehmer erhielten eine ICT mit Insulinpen (73). Der Beobachtungszeitraum betrug sieben Monate. Die Kosteneffektivität der CSII wurde wie folgt angegeben und berechnet: Jährliche Kosten für besagte Therapie geteilt durch die Senkung des HbA1C-Wertes (73). Der Kosteneffektivitätsquotient in der Kontrollgruppe erwies sich mit € 913,13 (Wert in € mit Quelle (58) berechnet) als wesentlich niedriger verglichen mit der CSII Gruppe (€ 2544,19) (73). Laut den Studienerstellern würde die CSII ab einer Senkung des HbA1C von -1.30% effektiv für das bulgarische Gesundheitssystem sein, da ab diesem Wert das Mehrkosten – Effektivität Verhältnis (=ICER= incremental cost-effectiveness ratio), bezogen auf die Mehrkosten des CSII gegenüber den normalen MDI, unter dem staatlichen Grenzwert liegen würde (73). Anhand dieser Ergebnisse ging man von der CSII als möglicher kosteneffektiver Methode aus. Eine weitere Studie zum Vergleich der Kosteneffektivität von CSII und MDI in Kanada, veröffentlichten St. Charles et al. 2009 (74). Als Variable zur Bestimmung des ICER wurde die Veränderung des HbA1C-Wertes verwendet. 41 Ferner wurde ein Zeitrahmen von 60 Jahren angewendet, bei Anschaffungskosten von Can $ 6347,18 (§ € 4529) für CSII und Can $ $4649,69 (§ € 3318) für MDI. Die errechneten direkten Gesamtlebenskosten waren bei einer Therapie mit CSII um Can $ 15 591 (§ € 11 126) höher als bei Therapie mit MDI (74). Darüber hinaus wies die Behandlung mit CSII einer Verbesserung der QUALYs (= quality adjusted life years) gegenüber der mit MDI, 10,029 vs. 9,374, auf (74). Das ICER für CSII pro zusätzlichem Lebensjahr betrug Can $27 264 (§ € 19 456), dasjenige pro QUALY Can $23 797 (§ € 16 982), jeweils im Vergleich zur Methode MDI (74). Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen auch Cohen et al. in ihrer 2007 veröffentlichten Studie (75). Hier wurden die Kosten im australischen Gesundheitssystem miteinander verglichen. Teilnehmende Personen waren Erwachsene, Durchschnittsalter 43 Jahre, und Jugendliche, Durchschnittsalter 17 Jahre (75). Als Variable wurde ebenso wie bei den oben genannten Studien (73) (74) die Senkung des HbA1C-Wertes verwendet. Die lebenslangen Kosten für eine CSII Behandlung waren für Erwachsene im Schnitt $A 34 642 (§ € 24 128) teurer als die Therapie mit MDI, für Jugendliche lagen die Kosten um $A 41 779 (§ € 29 099) höher (75). Die ICERs pro zusätzlich gewonnenem Lebensjahr betrugen für Erwachsene $A 88 220 (§ € 61 445) und für Jugendliche $A 77 851 (§ € 54 223) (75). Da auch eine Verbesserung der QUALYs bei den CSII Patienten gegenüber denen mit MDI beobachtet werden konnte, + 0,393 bei Erwachsenen und + 0,537 bei Jugendlichen (75), ist davon auszugehen, dass für einen großen Teil der Patienten die Methode der CSII ein gutes Preis-Leistungsverhältnis darstellt. Die Werte in € für die Studien (74) und (75) wurden jeweils mit der Quelle (58) berechnet. Die Auswahl an Studien bezüglich der Kosteneffektivität der Methoden der intensivierten Insulintherapie (73)(74)(75) zeigen, dass die direkten Kosten für die herkömmlichen MDIs zwar deutlich geringer als die der CSII ausfallen, jene aber durch die besseren Ergebnisse in der HbA1C Senkung eine dementsprechend höheren Zuwachs der QUALYs verzeichnen können. Dies wirkt sich letztendlich auch auf das Preis-Leistungsverhältnis der Therapieformen aus. 42 3.8 Nebenwirkungen der Insulintherapie Die Nebenwirkungen einer Insulintherapie sind vor allem durch den Eingriff des Insulins in den Stoffwechsel begründet. Hierbei ist in erster Linie der Eingriff in den GlukoseStoffwechsel zu nennen. Da Insulin aber auch ein Hormon ist, welches den Fettstoffwechsel beeinflusst und die Lipolyse hemmt, kann es im Rahmen der Insulintherapie ebenfalls zu einer allgemeinen Gewichtszunahme und zu Lipodystrophien im Injektionsbereich kommen (10)(14). Zu allergischen Reaktionen kommt es aufgrund der Verwendung hochgereinigter, nicht mehr tierischer Präparate nur noch selten. Diese Allergien können sowohl durch Humaninsulin, als auch durch dessen Analoga, sowie von anderen Bestandteilen der Präparate verursacht werden (10)(14). Solche Unverträglichkeiten äußern sich vor allem als Lokalreaktion der Haut oder Subkutis, wesentlich seltener als generalisierte Reaktion (=anaphylaktischer Schock) (20). Aufgrund der obligaten Insulintherapie bei Typ I Diabetikern spielt die Hypoglykämie die wichtigste Rolle bei den Nebenwirkungen. Ab einer Verringerung des kapillaren Blutzuckers unter 50mg/dl beziehungsweise 70mg/dl (76) spricht man von einer Hypoglykämie (2)(5)(9)(10)(12)(13)(14). Sie lässt sich in die spontane Hypoglykämie, zum Beispiel verursacht durch ein Insulinom oder Lebererkrankungen, in die reaktive (postprandiale) Hypoglykämie, zum Beispiel bei vegetativer Labilität oder nach Magenoperationen und in die exogene Hypoglykämie, hervorgerufen durch Überdosierung von Insulin oder Sulfonylharnstoffen, einteilen. Die Schwelle für den Eintritt von Symptomen ist in der Literatur meist bei etwa 50mg/dl angegeben, sie ist aber abhängig von Dauer und Geschwindigkeit des Einsetzens der Hypoglykämie (12). Es kann somit durchaus sein, dass Patienten mit einem geringeren Blutzuckerwert als den genannten symptomfrei bleiben. Die Art der Symptome ist vielfältig und lässt sich wie in Tabelle 14 beschrieben darstellen. 43 Tab. 14 Symptome der Hypoglykämie Art/ Phase Symptome und Zeichen Vegetativ Heißhunger, Übelkeit, Erbrechen, Schwäche, Unruhe, Schwitzen, Tachykardie, Tremor, Mydriasis, Hypertonus Psychisch Angst, Unruhe, Beklommenheit, Kritiklosigkeit, Verwirrtheit, Somnolenz, depressive Verstimmung, verstärkte Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, Teilnahmelosigkeit, Apathie, psychotische oder delirante Zustände Neurologisch Kopfschmerzen, Müdigkeit, Parästhesien, Seh- und Sprachstörungen, Paresen, zerebrale Krampfanfälle, hypoglykämischer Schock = hypoglykämisches Koma, zentrale Atemund Kreislaufstörungen Entnommen aus (2)(12)(13) Laut DDG-Leitlinien ist von einer milden Hypoglykämie die Rede, wenn sich Patienten durch Kohlenhydrateinnahme selbst behandeln können (20). Eine schwere Hypoglykämie liegt vor, wenn die Behandlung nicht mehr selbst möglich ist, sondern durch Fremdpersonen erfolgen muss (20). Die Hypoglykämie beziehungsweise die Rate von Hypoglykämien ist auch ein wichtiger Vergleichspunkt in vielen Studien über Therapieformen und Medikamente bezüglich des Diabetes Mellitus Typ I. So konnten einige Studien, (47)(51)(52), eine ähnliche Hypoglykämierate beim Normalinsulin wie auch bei den Insulinanaloga nachweisen. Studien zum Vergleich von NPH-Insulin und lang wirkenden Insulinanaloga, (59)(60)(61)(66) beobachteten ebenfalls mehrheitlich eine ähnliche Hypoglykämierate zwischen dem NPH-Insulin und den lang wirkenden Insulinanaloga. 44 4. Diskussion Aufgrund der Pathogenese liegt der Fokus der pharmakologischen Therapie bei Diabetes Mellitus Typ I ausschließlich auf der Insulinsubstitution, welche, wie in der vorangegangenen Arbeit zu sehen ist, mit unterschiedlichen Präparaten und Therapieschemata bewerkstelligt werden kann. Schon bei der Art der Insulinapplikation gibt es mehrere Möglichkeiten zwischen denen gewählt werden kann. Die immer noch gebräuchlichste Methode ist die der subkutanen Injektion per Spritze, Jet-Injector oder Insulin Pen. Wobei der Pen hier aufgrund der besseren Dosierbarkeit der benötigten Insulinmenge und der wesentlich kleineren Nadel für Diabetiker geeigneter erscheint, vor allem solche mit Angst vor einer Injektion. Der Jet-Injector erzielte in einigen Studien zwar ähnliche Werte wie der Pen, kann aber bei unsachgemäßer Handhabung schmerzhafter als dieser sein, was für viele Patienten auch ein Argument gegen den Jet-Injector darstellt. Neben dieser Methode ist die Verwendung von Insulinpumpen unter Typ I Diabetikern am gebräuchlichsten. Durch die genaue Eingabe der nötigen Mengen von Basalinsulin, prandialem Insulin und eventueller Korrekturdosen, erlaubt sie dem Benutzer eine größere Bewegungsfreiheit. Zudem fallen auch die mehrmals täglichen Injektionen weg, da die Insulinapplikation durch eine kontinuierliche subkutane Infusion (=CSII) erfolgt. Allerdings ist die hohe Variabilität der Pumpen auch ein Nachteil, da es ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Versiertheit nicht nur seitens des Patienten, sondern auch des Arztes, erfordert, die Pumpe korrekt zu bedienen und zu warten. Hinzu kommen noch die direkten Kosten für das Material, welche bei der Pumpe deutlich höher ausfallen als bei Pen oder Spritze. Diese Kosten relativieren sich aber in Bezug auf die dadurch gewonnen QUALYs. Eine der neuesten Methoden der Insulinapplikation ist die Inhalation von Insulin. Erstmals durch die Firma Pfizer auf den Markt gebracht, konnte sich diese Methode aber bisher nicht auf dem Markt durchsetzen, was auch durch den Rückzug des inhalativen Insulins durch Pfizer ersichtlich ist. Zwar hat man hier wieder die Möglichkeit die tägliche Injektion zu umgehen, dafür waren aber die bisher erforschten Geräte zur Inhalation in einer recht unpraktischen Größe. Der wesentlichere Nachteil ist aber der der schlechten Bioverfügbarkeit des inhalierten Insulins. Nur ein geringer Anteil, zwischen 10 und 15%, des inhalierten Insulins steht anschließend zur Absorption in der Lunge bereit. Für die doch hohen Kosten dieses Medikaments ist dies eine zu geringe Rate. Die Alternative der intraperitonealen Insulingabe per implantierter Pumpe erzielte zwar auch gute Ergebnisse in 45 punkto Patientenzufriedenheit, allerdings ist sie heutzutage nicht wirklich weit verbreitet und aufgrund der Erfordernisse bezüglich Implantation und Wartung den subkutanen Vorgehen unterlegen. Hinsichtlich der Therapieschemata ist die intensivierte Insulintherapie, per MDI oder CSII, der konventionellen Insulintherapie eindeutig vor zu ziehen. Dies liegt zum einen an der größeren Variabilität mit der in einer ICT auf Blutzuckerschwankungen reagiert werden kann, wohingegen Diabetiker bei der konventionellen Therapie umgekehrt ihre Mahlzeiten der Insulindosis anpassen müssen. Zum anderen ist es durch die großangelegte Studie DCCT und ihrer Follow-Up Studie, der EDIC, erwiesen, dass durch eine intensivierte Insulintherapie inklusive entsprechender Überwachung des Blutzuckerstatus, eine wesentliche Verminderung des Risikos von Spätkomplikationen des Diabetes Mellitus erreicht werden kann. Bei der ICT stellt sich die Frage nach der Wahl zwischen MDI oder CSII. Die Methode der MDI hat gegenüber der CSII den Vorteil der geringeren direkten Kosten, besonders für Ausrüstungsgegenstände wie Pumpe, Katheter und Kanülen. In einigen Studien erzielte die CSII aber höhere Werte bezüglich der QUALYs und vor allem der Patientenzufriedenheit. Bei den schnell wirksamen Insulinen wurden, neben dem Humaninsulin, seit Mitte der 1990er Jahre einige schnell wirkende Analoga erforscht und veröffentlicht. Hinsichtlich des HbA1C-Wertes liefern die schnell wirkenden Insulinanaloga eine ähnliche Wirkung wie das konventionelle Insulin. Ihren Vorteil ziehen diese Alternativen vor allem aus der besseren Steuerung der postprandialen Blutzuckerwerte, so dass in diesem Bereich das Risiko an Hypoglykämien niedriger ist. Zudem haben die Patienten mit den schnell wirkenden Analoga eine größere Bewegungsfreiheit bezüglich der Insulineinnahme, da der Spritz-EssAbstand, im Gegensatz zum Normalinsulin, nicht mehr nötig ist. Die neueren Basalinsuline glargin und detemir weisen zwar ähnliche Werte in der Blutzuckerkontrolle auf wie das konventionelle NPH-Insulin, haben dafür aber höhere direkte Anschaffungskosten als das NPH-Insulin. Um kosteneffektiv sein zu können, müssen diese Medikamente deshalb eine bestimmte Reduzierung des HbA1C Wertes erreichen, wodurch das NPH-Insulin hierbei als die etwas bessere Alternative erscheint. In Bezug auf die Hypoglykämieraten, vor allem in der Nacht, können detemir und glargin aber bessere Werte aufweisen. Da Hypoglykämien als häufigste Nebenwirkung in der Therapie mit Insulinen gilt, sollte dieser Punkt bei der Auswahl eines geeigneten Basalinsulins ebenfalls neben der Kostenfrage in Betracht gezogen werden. 46 Generell lässt sich sagen, dass das Problem bei vielen Studien die in dieser Arbeit verwendet wurden, der zu geringe Umfang bezüglich der Studiendauer und der Teilnehmerzahl ist. Aufgrund dessen ist die Aussagekraft dieser Studien begrenzt. Solche Probleme machen groß angelegte Studien wie die DCCT und ihr Follow-Up, die EDIC, deshalb umso wichtiger. Abschließend bleibt zu sagen, dass die pharmakologische Therapie des Diabetes Mellitus Typ I durchaus effektiv ist beziehungsweise sein kann. Hierfür ist aber eine gute Zusammenarbeit zwischen dem behandelnden Arzt und dem Patienten von Nöten um ein zufriedenstellendes Ergebnis sicherzustellen. Die vorhandenen Therapiemöglichkeiten werden immer weiter optimiert, so dass für die Zukunft einfachere, kosteneffektivere und leichter handhabbare Therapien zu erwarten sind. 47 5. Literaturverzeichnis (1) Wikipedia, Diabetes Mellitus [Internet], [zitiert am 29.12.2014]. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Diabetes_mellitus (2) Herold Gerd et al., Innere Medizin: Köln; 2013 (3) Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, ICD-10-WHO Version 2013, Kapitel IV Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90) [Internet], [zitiert am 29.12.2014]. URL: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10who/kodesuche/onlinefassungen/htmlamtl2013/block-e10-e14.htm (4) Forbes J. 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