Prof. C. Greiner, Dr. H. van Hees Wintersemester 2012/2013 Übungen zur Theoretischen Physik 1 – Lösungen zu Blatt 10 Hausübungen (Abgabe: 01.02.2013) (H23) Stab und Relativitätstheorie (4 Punkte) Wir denken uns den Stab in der y z-Ebene eines kartesischen Koordinatensystem gelegen. Im System S sind die Raum-Zeit Koordinaten seiner beiden Enden durch 0 0 L 1 t1 , ~x1 = 0; t2 , ~x2 = L sin(π/6) = (1) p 2 cos(π/6) 3 gegeben. Die Länge ist durch die gleichzeitige Messung der Koordinaten beider Endpunkte bestimmt, d.h. für t1 = t2 . Die Länge ist also einfach |~x2 | = L, da der Stab im System S ruht. Für einen Beobachter im System S’ ist die Weltlinie der Enden des Stabes durch die entsprechende Lorentz-Transformation gegeben: 0 t10 = γ t1 , ~x1 = 0 , −γ v t1 (2) 0 p L/2 t20 = γ [t2 − v L 3/(2c 2 )], ~x 02 = . p γ 3L/2 − v t2 Æ Dabei haben wir den Lorentzfaktor γ = 1/ 1 − v 2 /c 2 eingeführt. Um die Länge und den Winkel zur z 0 -Achse des Stabes zu bestimmen, mißt ein Beobachter in S’ die Koordinaten der beiden Stabenden zur gleichen Zeit bzgl. seines Bezugssystems, d.h. es gilt t10 = t20 bzw. p p vL 3 ! 0 0 2 t2 − t1 = γ [t2 − t1 − v L 3/(2c )] = 0 ⇒ t2 − t1 = . (3) 2c 2 Damit folgt 0 0 = L/2 . L/2 ~x 02 − ~x 01 = p p γ L 3/2(1 − v 2 /c 2 ) L 3/(2γ ) (4) Der Beobachter mißt also die Relativkoordinaten x20 − x10 = x2 − x1 = 0, y20 − y10 = y2 − y1 = L 2 , z20 − z10 = z2 − z1 γ = p L 3 2γ . (5) Die Relativkoordinate senkrecht zur Geschwindigkeit zwischen den beiden Inertialsystemen bleibt Æ 2 2 also ungeändert, und die Parallelkomponente erweist sich um den Faktor 1/γ = 1 − v /c verkürzt (Längenkontraktion). Die Länge des Stabes in S’ ist demnach s p 3v 2 13 0 0 0 L = |~x 2 − ~x 1 | = L 1 − 2 = L ≈ 4.51 m. (6) 4 4c Der Winkel zwischen dem Stab und der z 0 -Achse ergibt sich dann aus s 0 0 z − z 3 1 2 1 0 0 cos α = ⇒ α = arccos p = 1− ≈ 33.7◦ . L0 4 − 3v 2 /c 2 13 (7) (H24) Kann Cäsars Ermordung heute noch „retrokausal“ verhindert werden? (6 Punkte) Es gilt für die drei Ereignisse im Ruhesystem der Erde S bzw. im Ruhesystem S’ der Enterprise1 tC = tC0 = 0, xC = xC0 = 0; tA = 2000 y, Aus tB0 = γ (tB − xA = 0; v c2 xB ) = 0 tB = 2000 y, xB = ±2 · 106 ly. (8) (9) folgt v/c = c tB /xB = ±2000/2·106 = ±0.001. Man sieht, daß v das gleiche Vorzeichen wie die Position des Raumschiffs xB besitzt. Also bewegt sich die Enterprise von der Erde weg. Man erhält v xB0 = γ xB − c tB ≈ 1.999999 · 106 ly. (10) c Zur Zeit tC0 = 0 findet die Ermordung Cäsars am Ort xC0 = 0 statt. Gleichzeitig wird ein Warnsignal aus der Enterprise am Ort xB0 gesendet. Aber es kann Cäsar leider nicht warnen, da eine unendlich große Signalgeschwindigkeit benötigt würde. Es ist klar, daß durch keine wie auch immer geartete gemäß der speziellen Relativitätstheorie mögliche Bewegung der Enterprise Cäsar eine Warnung „aus der Zukunft“ zukommen lassen kann, denn das Raumschiff kann sich nur mit einer Geschwindigkeit v mit |v| < c relativ zur Erde bewegen. Das invariante Abstandsquadrat der Ereignisse (xc , ic tC ) und (xA, itA) ist sC A = −c 2 (tC − tA)2 < 0, d.h. die Ereignisse liegen zueinander zeitartig. Daraus folgt, daß auch tA0 − tC0 > 0 sein muß, d.h. auch bzgl. des Ruhsystems der Enterprise S’ findet unabhängig von der Relativgeschwindigkeit der Enerprise zur Erde die Ermordung Cäsars in der Vergangenheit statt, so daß Cäsar auch vom Raumschiff aus gesehen schon lange tot war, bevor die Crew noch ein Signal zu seiner Warnung schicken kann. Man kann auch mit der Unmöglichkeit, ein Signal mit Überlichtgeschwindigkeit zu senden, argumentieren. Soll das Signal bzgl. dem Ruhesystem der Erde jetzt, also zur Zeit tB = tA ausgesandt werden, ist der Ereignisabstand (xC − xB , ic(tc − t b ))·(xC − xB , ic(tc − t b )) > 0. Die beiden Ereignisse liegen also raumartig zueinander, und zwar in jedem Bezugssystem, so daß nur ein überlichtschnelles Signal zur Zeit von Cäsars Ermordung bei ihm eintreffen könnte. Solch ein Signal existiert jedoch im Rahmen der Speziellen Relativitätstheorie nicht. Der kausale Zusammenhang zwischen Ereignissen ist also in der speziell-relativistischen Raumzeit unabhängig vom Bezugssystem, wie es für ein physikalisch sinnvolles Modell der Raumzeit sein muß. 1 Die Einheit ly bedeutet „light years“, also Lichtjahre, d.h. die Distanz, die die Wellenfront einer elektromagnetischen Welle im Vakuum in einem Jahr zurücklegt.