E 45120 ISSN 1869-0874 Onkologische Welt 6/2012 Hämato-Onkologie Myelodysplastisches Syndrom Gynäkologische Onkologie Das vaginale Melanom Uro-Onkologie DGU-Kongressnachlese Supportivtherapie Kieferosteonekrose Fatigue Dermato-Onkologie www.schattauer.de www.onkologische-welt.de Onkologische Welt 2012; 3: 249–304 Dezember Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Af be lib im er c S. m ep 30 CR t 3 C Melanom Meeting 2012 249 Zu diesem Heft Zu diesem Heft Des Pudels Kern Im Editorial der vergangenen Ausgabe der Onkologischen Welt habe ich über die Do`s und Don`t`s bei der Werbung mit Prominenten am Beispiel der Krebsvorsorge-Kampagne der Bayerischen Krebshilfe geschrieben. Trotz allerlei Lästerei über die Werbe(un)wirksamkeit mancher Promis stehe ich dem Thema Krebsvorsorge grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings habe ich selbst noch nie an einer Vorsorgeuntersuchung teilgenommen und habe beim gegenwärtigen Stand der Dinge auch nicht vor, dies zu tun. Ich teile diese irrationale Haltung mit den meisten Bundesbürgern: Finde ich gut, aber nur bei anderen. Es ist gut möglich, dass ich auch auf absehbare Zeit meine Meinung zum Wert von Krebsvorsorge-Untersuchungen nicht ändern werde. Das ist keine blanke Ignoranz, sondern geschieht auch auf der Basis Evidenz-basierter Erkenntnisse. Eine aktuelle, vorab publizierte Studie der Cochrane Collaboration im renommierten British Medical Journal fand keine ausreichende Evidenz, dass allgemeine Vorsorgeuntersuchungen dazu beitragen, die Morbidität und Mortalität kardiovaskulärer und onkologischer Erkrankungen zu senken (Krogsbøll LT et al. BMJ 2012; 345:e7191e doi: 10.1136/bmj.e7191). Ausgewertet wurden 14 Studien mit insgesamt 182 880 Teilnehmern. Ein weiterer Befund war die Tatsache, dass wichtige und für die Teilnehmer negative Folgen oft entweder gar nicht untersucht oder darüber nicht berichtet wurde. Ausgerechnet Cochrane! Ausgerechnet Cochrane, die Hohepriester der Evidenz-basierten Medizin, rütteln an einem heiligen Gral der onkologischen Fachgesellschaften und der Gesundheitspolitik! Aber die Diskussion über den Wert beispielsweise der Brustkrebsvorsorge ist nicht neu. Kritiker werden sich in ihren Argumenten bestätigt fühlen, dass bei dem Thema Krebsvorsorge nichts ist, was nicht sein darf. Brustkrebs-Patientinnen, die nach Evidenz-basierten Leitlinien behandelt werden, haben einen besseren Outcome als Frauen mit einer Therapie nach individueller Entscheidung des Arztes. Ähnliches wurde für viele weitere onkologische Indikationen nachgewiesen. Warum soll ich mich also an der Krebsvorsorge beteiligen, obwohl es keine klare Evidenz dafür gibt? Dr. Alexander Kretzschmar Was macht gute Medizin wirklich aus? Aber vielleicht liegt des Pudels Kern ganz woanders. Beispielsweise könnten Sie der Ansicht sein, dass die Evidenz-basierte Medizin nicht unbedingt den Behandlungsalltag und die Lebenswelt der Patienten widerspiegelt. Damit bestätigen Sie die Erfahrung vieler Kollegen. Dies soll nicht den Wert einer strukturierten, an rationale Entscheidungsparameter orientierten Behandlungsstrategie infrage stellen. Das Cochrane-Dilemma zeigt aber, dass gute Medizin mehr ist als statistische Signifikanz. Und vielleicht trägt diese Metaanalyse als höchster Grad der medizinischen Evidenzfindung (!) dazu bei, die Krebsvorsorge weiter zu verbessern. Weiter wursteln als wäre nichts geschehen, ist keine Lösung. Wie auch immer Sie sich entscheiden und Ihren Patienten die Teilnahme an Krebsvorsorge-Untersuchungen empfehlen oder nicht. Sie mögen Recht haben. Dr. Alexander Kretzschmar, München © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Inhalt Contents 251 Zu diesem Heft 249 A. Kretzschmar Des Pudels Kern Hämato-Onkologie 253 MDS Forum Hämato-Onkologie: Diagnostik, Risikostratifizierung und Pathophysiologie 255 Lenalidomid und Multiples Myelom, TKI und CML, DNA-Sequenzierung, NHL-Therapie 259 Forum Hämato-Onkologie: Bendamustin und Multiples Myelom 260 Meningeosis neoplastica, CML-Diagnostik, Myelodysplastische Syndrome, Morbus Hodgkin und aggressive T-Zell-Lymphome, Multiples Myelom, Lymphom-Register, akute myeloische Leukämie Gynäkologische Onkologie 266 S. Poth; A. Eck; A. P. Labanaris; J. H. Witt; D. Porres; A. Heidenreich; V. Zugor 269 Steigende Inzidenz bei Schwangerschaftskarzinomen, MRT vs. Mammographie, Mamma-Ca: „pathologische Response“ als primärer Endpunkt? 272 ESMO 2012: Trastuzumab bei Mamma-Ca, Skelettmetastasen 273 Forum Brustkrebs: Nanopartikel-basiertes Paclitaxel 274 Eribulin bei stark vorbehandeltem metastasiertem Mamma-Ca Das vaginale Melanom – eine seltene Tumorentität Uro-Onkologie 275 DGU-Kongress 2012: Blasenkarzinom, mCRC, DGU-Studienregister mit WHO-Akkreditierung, mRCC 280 Blasenkarzinom, Antitumorvakzin 282 Tomotherapie, Prostata-Ca, mRCC Supportivtherapie 285 I. J. Diel 293 B. Senf und J. Hübner 296 Skelettmetastasen, febrile Neutropenie, Durchbruchschmerz Osteonekrose des Kiefers durch osteoprotektive Medikamente Fatige Dermato-Onkologie 298 Vismodegib und Basalzellkarzinom, malignes Melanom und Kombinationstherapien 299 Melanoma-Meeting 2012: Melanom als chronische Erkrankung? Adjuvante Therapie 301 Weißer Hautkrebs, malignes Melanom Gastro-Onkologie 303 Forum Gastro-Onkologie: Aflibercept beim mCRC Titelbild Amadeo Modigliani 1884-1920, Porträt von Pablo Picasso; ©www.visipix.com © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 4. MDS Forum Hämato-Onkologie 253 Myelodysplastisches Syndrom (MDS) Neue Erkenntnisse zu Diagnostik und Risikostratifizierung Es zeichnet sich ab, dass molekulare Marker zukünftig Diagnose, Risikostratifizierung und Therapieentscheidung beim MDS beeinflussen werden. Mit der revidierten Form des Internationalen Prognostischen Scoring Systems (IPSS) lässt sich der MDS-Verlauf präziser voraussagen als mit dem bisherigen Goldstandard. Der IPSS in ursprünglicher Form hat nach Ansicht von erhebliche Schwächen, erklärte Prof. Detlev Haase, Göttingen, auf dem 4. MDS Forum. So können Patienten mit seltenen zytogenetischen Anomalien nicht eingeordnet werden, die Bedeutung von Doppelanomalien wird nicht berücksichtigt, und die Zytogenetik ist im Vergleich zum Blastenanteil zu gering gewichtet. In einer Studie erwies sich eine gemäß IPSS ungünstige Zytogenetik als prognostisch mindestens ebenso unvorteilhaft wie ein erhöhter Blastenanteil (1). Neuer zytogenetischer Prognose-Score Inzwischen wurde ein verbesserter zytogenetischer Prognosescore entwickelt, der alle zytogenetischen Kritikpunkte am IPSS berücksichtigt (2). Das neue zytogenetische Prognosesystem wurde in den revidierten IPSS (IPSS-r) aufgenommen, der eine deutlich höhere Aussagekraft als der IPSS hat und den MDS-Verlauf präziser voraussagt. Der IPSS-r basiert auf über 7000 Patienten, an dem alle als relevant eingestuften Variablen getestet wurden (3). MDS-Patienten wurden in 5 Risikogruppen differenziert, die sich bezüglich Überleben bzw. AML-Transformationsrisiko klar unterscheiden. Dabei wurden laut die prognostisch bedeutsamen Schwellenwerte für Hämoglobin (≥10, 8 bis <10, <8 g/dl), Neutrophile (≥800/μl vs. <800/μl) und Thrombozyten (≥100/nl, 50 bis <100/nl, <50/nl) definiert, außerdem neue Blastenschwellen ermittelt, die laut Haase viel niedriger sind als bisher angenommen (≤2%, >2 bis <5%, 5 bis 10%, >10%). Der Zytogenetik wurde von allen prädiktiven Variablen das höchste statistische Gewicht eingeräumt. Neue molekulare MDS-Veränderungen Moderne Verfahren wie hochauflösende SNP (Single Nucleotide Polymorphism)-Microarrays oder Next Generation Sequencing gestatten einen tieferen Einblick in molekulare Veränderungen von DNA, Transkriptom oder Proteom als die klassischen Methoden Zytogenetik und Sanger-Sequenzierung, so Dr. Daniel Nowak, Mannheim. Mit hochauflösenden SNP-ArrayTechniken werden wesentlich häufiger zytogenetische Veränderungen gefunden als mit der routinemäßigen Karyotypisierung. Zudem konnte damit gezeigt werden, dass Regionen uniparentaler Disomie (Verdopplung eines elterlichen Allels bei Deletion des anderen Allels) ein häufiges Merkmal von Knochenmarkzellen bei MDS sind. Wie Nowak weiter ausführte, ist der MDSForschung in den vergangenen Jahren mit Hilfe des Next Generation Sequencing ein Durchbruch gelungen. Es wurden zahlreiche mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostisch relevante Mutationen entdeckt, die beispielsweise Transkription, Epigenetik oder Splicing beeinflussen. Eine wichtige Rolle in der MDS-Pathogenese spielt die aberrante DNA-Methylierung. Mit genomweiten Methylierungsanalysen lassen sich Methylierungsprofile erstellen, die MDS-Patienten von Gesunden, aber auch unterschiedlichen MDS-Subtypen differenzieren können. Besonders häufig sind bei MDS Gene mutiert, die an der epigenetischen Regulation beteiligt sind, wie beispielsweise TET2, das bei rund 20% der MDS-Patienten nachweisbar ist, ASXL1 (15%), EZH2 (6%) oder DNMT3A (6%) (4, 5). Weiter wurden laut Dr. Felicitas Thol, Hannover, viele Mutationen des Splice-Apparats identifiziert, wie SRSF2 (11,6%), U2AF1 (11,6%) oder SF3B1 (6,5%) (6). Entdeckung neuer Mutationen bedeutet Durchbruch Laut Thol haben Mutationsanalysen bereits heute Relevanz für Diagnose und Prognoseabschätzung. So kann der Nachweis von SF3B1 auf eine MDS mit Ringsideroblasten hindeuten. Darüber hinaus ist SF3B1 mit einer günstigen Prognose assoziiert (7). TET verhält sich dagegen prognostisch neutral. Von diesen beiden Ausnahmen abgesehen, sind die häufigen Mutationen prognostisch ungünstig, sagte Thol. Eine besonders schlechte Prognose hinsichtlich Überleben und AML-Transformation verbindet sich mit ASXL-1-Mutationen (8). Mittlerweile gibt es erste Hinweise auf den prädiktiven Wert eines molekularen Markers: MDS-Hochrisiko-Patienten mit TET2-Mutation scheinen besonders gut auf hypomethylierende Therapien wie Azacitidin (Vidaza®) anzusprechen (9). Günter Springer, Frankfurt/Main Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Schanz J et al. J Clin Oncol 2011; 29: 1963-1970. Schanz et al. J Clin Oncol 2012; 30: 820-829. Greenberg PL et al. Blood 2012; 120: 2454-2465. Bejar R et al. J Clin Oncol 2011; 29: 504-515. Bejar R et al. N Engl J Med 2011; 364: 2496-2506. Yoshida K et al. Nature 2011; 478: 64-69. Malcovati L et al. Blood 2011; 118: 6239-6246. Thol F et al. J Clin Oncol 2011; 29: 2499-2506. Itzykson R et al. Leukemia 2011; 25: 1147-1152. Quelle: 4. MDS FORUM „30 Jahre Myelodysplastische Syndrom: Neues Wissen schneller in die Anwendung bringen“ vom 28. bis 29. September 2012, Düsseldorf. Veranstalter: GMIHO Gesellschaft für Medizinische Innovation – Hämatologie und Onkologie mbH und Deutsches MDS-Register, Berlin. Unterstützt von Celgene Deutschland, München. © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 4. MDS Forum Hämato-Onkologie 254 Myelodysplastisches Syndrom (MDS) Neue Erkenntnisse zur Pathophysiologie Der Ursprung der MDS liegt wahrscheinlich im Kompartiment der hämatopoetischen Stammzellen (HSC) im Knochenmark. Neben DNA-Schäden sind weitere Faktoren, wie beispielsweise Stroma oder Epigenetik, pathophysiologisch bedeutsam. Am Anfang der Krankheitsentwicklung scheint eine Störung gesunder HSC bzw. hämatopoetischer Progenitorzellen zu stehen, erklärte Prof. Uwe Platzbecker, Dresden, im Rahmen des 4. MDS-Forums. Im weiteren Verlauf soll die Akquisition zusätzlicher molekularer Alterationen zum Fortschreiten der Erkrankung führen. In den vergangenen Jahren wurden molekulare Aberrationen identifiziert, die zum Verständnis der Pathogenese des MDS (▶ Abb. 1) beitragen können. So wurde gezeigt, dass sich HSC-Gen-Expressionsmuster von Kontrollen und MDS-Patienten bzw. bei MDS stadienabhängig erheblich unterscheiden (1, 2). Diese Beobachtung steht nach Einschätzung von Platzbecker möglicherweise im Zusammenhang mit der aberranten DNA-Methylierung. Deren eine Zunahme beim Fortschreiten vom Niedrigrisiko- zum Hochrisiko-MDS/ AML wurde als ein Mechanismus gedeutet, der zur Abschaltung von Tumorsuppressorgenen führt (3). Nach Untersuchungen mit Whole-GenomeSequencing im Knochenmark ist MDS eine ebenso klonale Krankheit wie die sekundäre AML (4). Im Rahmen der Krankheitsevolution entstehen multiple Mutationscluster, die in einem dynamischen Prozess zusätzliche Mutationen akquirieren, sodass Subklone mit zunehmender Zahl von Mutationen entstehen. Letztlich bilde sich ein dominanter Klon, der zur Progression führt. Im Rahmen der MDS-Pathogenese können das Knochenmarkstroma und im Speziellen die MSC eine wichtige Rolle spielen. Dafür gibt es nach Einschätzung von Dr. Thomas Schröder, Düsseldorf, Hinweise. Im Knochenmark wurde eine räumliche und funktionelle Nähe zwischen HSC und MSC (6) sowie eine enge Wechselbeziehung über lösliche und membrangebundene Faktoren nachgewiesen (7). Einer aktuellen Hypothese zufolge sollen Differenzierung und Wachstum von MSC nach einer ersten Schädigung beeinträchtigt sein, sodass sie nicht mehr befähigt sind, die Hämatopoese zu unterstützen. In eigenen Untersuchungen wies Schröders Arbeitsgruppe nach, dass • MSC von MDS-Patienten morphologisch und funktionell verändert • und die Interaktionen zwischen MSC und HSC gestört sind. Beispielsweise bildeten gesunde HSC, die auf MSC von MDS-Patienten kultiviert wurden, signifikant weniger Primärkolonien. Dieser Effekt zeigte sich auch bei Kultivierung von MDS-HSC auf MDS-MSC, nicht aber bei CoKultivierung von MDS-HSC mit MSC gesunder Kontrollen. Eine Erklärung für diese Effekte könnte in der dysregulierten Expression von Chemo- und Zytokinen bestehen, die die Düsseldorfer Gruppe bei MSC von MDS-Patienten beobachteten. Allerdings gibt es auch Hinweise, dass es sich bei den MSC-Veränderungen nur um sekundäre reaktive Alterationen infolge der klonalen Expansion der HSC bzw. hämatopoetischer Progenitorzellen handelt. Günter Springer, Frankfurt/Main Weitere Veränderungen: Hypermethylierung Tumorsuppressorgene AML Onkoproteine Erste Veränderungen: Zellzyklus Transkription Schädigung: Chemikalien Strahlung (Alter) gesunde Stammzelle MDS-Spätstadium MDS-Frühstadium vermehrte Apoptose beeinträchtigte Differenzierung dysplastische Hämatopoese periphere Zytopenien keine Blastenexpansion Fortschreiten der Erkrankung Abb. 1 Schematische Darstellung der MDS-Pathophysiologie. verminderte Apoptose beeinträchtigte Differenzierung vermehrte Proliferation dysplastische Hämatopoese periphere Zytopenien Blastenexpansion Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Hofmann WK et al. Blood 2002; 100: 3553-3560. Pellagatti A et al. Blood 2006; 108: 337-345. Jiang J et al. Blood 2009; 113: 1315-1325. Walter MJ et al. N Engl J Med 2012; 366: 1090-1098. Tehranchi R et al. N Engl J Med 2012; 363: 1025-1037. Mendez-Ferrer S et al. Nature 2010; 466: 829-834. Ehninger G et al. JEM 2011; 208: 421-428. Aivado M et al. PNAS 2007; 104: 1307-1312. Chen C et al. Leukemia 2010; 24: 1875-1884. Quelle: 4. MDS FORUM „30 Jahre Myelodysplastische Syndrom: Neues Wissen schneller in die Anwendung bringen“ vom 28. bis 29. September 2012, Düsseldorf. Veranstalter: GMIHO Gesellschaft für Medizinische Innovation – Hämatologie und Onkologie mbH und Deutsches MDS-Register, Berlin. Unterstützt von Celgene Deutschland, München. Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Internationale Literatur 255 Multiples Myelom Erhaltungstherapie mit Lenalidomid nach Transplantation Beim multiplen Myelom besteht die einzige Heilungsmöglichkeit in der Hochdosischemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation. Eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid verlängerte hier die progressionsfreie Zeit. Mc Carthy et al. beobachteten die Patienten weiter und analysierten den Einfluss auf die Gesamtüberlebenszeit. Eine weitere Zielvariable der Untersuchung war die Häufigkeit von Zweittumoren, die nach der Kombinationstherapie mit Melphalan und Lenalidomid vermehrt aufgetreten waren. Die doppelblinde, placebokontrollierte Phase-3-Studie bestätigte dies, trotzdem erreichten die Patienten unter der Lenalidomid-Erhaltungstherapie ein längeres Gesamtüberleben. Studienteilnehmer waren 460 Patienten im Alter von 18 bis 70 Jahre n im Durie-Salmon-Stadium >1 mit kompletter, partieller oder marginaler Response nach der Transplantation. Die Induktionstherapie hatte bei den meisten Patienten bereits Lenalidomid, Thalidomid, Bortezomib oder Kombinationen enthalten. Die Erhaltungstherapie begann ab Tag 100 mit Placebo (n = 229) oder Lenalidomid 5–15 mg/d. Nach 18 Monaten wurde die Verblindung aufgehoben, weil sich ein signifikanter Vorteil mit Lenalidomid zeigte. Insgesamt 47 Patienten (20%) der Verumgruppe und 101 Patienten (44%) unter Placebo erlitten einen Progress oder starben (p<0,001). Dies entsprach einer Risikoreduktion um 63% durch die Erhal- tungstherapie. Die mediane progressionsfreie Zeit betrug 39 und 21 Monate. Die günstigen Ergebnisse bestätigten sich für die Folgezeit. 34 Monate nach Transplantation betrug die Rezidivrate mit Lenalidomid 37% und mit Placebo 58%. Die rezidivfreien Zeit dauerte 46 vs. 27 Monate (p<0,001). Tendenziell profitierten besonders Patienten, die bereits eine Induktion mit Lenalidomid erhalten hatten. Ein positiver Effekt wurde für die Patienten mit inkompletter Remission nach der Stammzelltransplantation vermutet. Das 3-Jahres-Gesamtüberleben betrug 88% (Lenalidomid) und 80% (Placebo) (HR 0,62; 95% KI 0,40–0,95, p = 0,03). Eine Stratifizierung nach dem b2-Mikroglobulin-Ausgangswert ergab keinen Zusammenhang. Myeloproliferative Erkrankungen Janus-Kinase-Inhibitoren: Therapie der Zukunft? Tyrosinkinase-Hemmer haben die Therapie der Chronisch Myeloischen Leukämie revolutioniert. Klinische Studien zeigten auch bei anderen myeloproliferativen Erkrankungen hohe Remissionsraten. Sonbol et al. fassten die aktuelle Datenlage nun in einem Review zusammen. Bei Patienten mit BCR-ABL-1-negativen myeloproliferativen Erkrankungen wurden inzwischen verschiedene onkogene Tyrosinkinasen nachgewiesen, darunter die Janus-Kinasen (JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2). Zusammen mit dem STAT-System (signal transducers and activators of transcription) bilden sie den JAKSTAT-Signalweg. Dieser führt zu einer Expression von Genen, die für die Proliferation, Apoptose, Migration und Zelldifferenzierung, Nebenwirkungen traten häufiger unter Lenalidomid auf. Dies waren vor allem Neutropenien und nicht-hämatologische Begleitprobleme des Schweregrades 3. Schwerere nicht hämatologische Komplikationen waren in den Gruppen nicht unterschiedlich häufig. Zweittumoren waren mit Lenalidomid häufiger: 8 Patienten bekamen eine hämatologische Zweitneoplasie und 10 einen soliden Tumor (3,5% und 4,3%). In der Placebogruppe waren dies 1 und 5 Patienten (0,4% und 2,2%). Neben der größeren Häufigkeit war auch die Zeit bis zum Auftreten eines Zweittumors unter Lenalidomid kürzer (15 vs. 21 Monate). Einer verlängerten progressionsfreien und Gesamtüberlebenszeit stand die höhere Rate an Zweitneoplasien gegenüber. Mc Carthy et al. verglichen die kumulativen Wahrscheinlichkeiten. 40% der Lenalidomidgruppe und 58% der Placebopatienten hatten zum Analysezeitpunkt ein Rezidiv, einen Zeittumor oder waren gestorben (p<0,001; HR 0,53; 95% KI 0,41–0,69). Dies entsprach einer Risikoreduktion von 47% und einem Ereignis-freien Überleben von 43 und 27 Monaten. Dr. med. Susanne Krome, Melle Literatur 1. Mc Carthy P.L. et al. Lenalidomide after stem-cell transplantation for multiple myeloma. N Engl J Med 2012; 366: 1770–1781. aber auch für die Produktion angiogenetischer und inflammatorischer Proteine verantwortlich sind. Ruxolitinib Ruxolitinib ist ein selektiver JAK1- und JAK2-Inhibitor und der erste von der FDA zugelassene Tyrosinkinaseinhibitor zur Behandlung der PMF. Zwei klinische Phase-III-Studien (COMFORT-I und COMFORT-II) zeigten eine signifikante Abnahme der Splenomegalie und des Symptom-Scores. Als häufigste Nebenwirkungen wurden gastrointestinale Symptome und eine Verschärfung von Anämie und Thrombozytopenie beobachtet. © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Internationale Literatur 256 Die Ergebnisse der Überlebensanalysen waren inkonsistent. Patienten mit PV hatten in einer klinischen Phase-II-Studie hohe Ansprechraten. In 59% der Fälle trat eine komplette Response mit Rückbildung der Splenomegalie und Normalisierung der Leukozytenund Thrombozytenzahlen auf. In einer globalen Phase-III-Studie wird derzeit die Wirksamkeit von Ruxolitinib bei der PV geprüft. Das Medikament war auch bei ET wirksam. Die Behandlung von 39 Patienten führte bei 49% während 15 Monaten zu einer Normalisierung der Thrombozytenwerte. Lestaurtinib Lestaurtinib hemmt die Tropomyosinkinaserezeptor-Kinase A und wurde für die Behandlung des Prostatakarzinoms entwickelt. Wegen seiner gleichzeitigen JAK2-Inhibition wurde es auch bei myeloproliferativen Erkrankungen getestet. Lestaurtinib zeigte eine vergleichsweise mäßige Effektivität bei Myelofibrose-Patienten. Bei ET und PV besserte es substanziell die klinische Symptomatik, aber verringerte nicht die Häufigkeit von thromboembolischen Komplikationen. Pacritinib CYT387 Viel versprechend waren bisherige Studienergebnisse für Pacritinib, einem hochselektiven JAK“- und JAK2V617F-Inhibitor. Bei Patienten mit PMF bildete sich eine Splenomegalie zurück (57%) und verringerte sich der Symptom-Score (40-65%). Möglicherweise sei der Inhibitor für PMF-Patienten mit beeinträchtiger Hämatopoiese besonders bedeutsam, denn relevante therapieinduzierte Neutropenien oder Thrombozytopenien traten nicht auf. Gastrointestinale Nebenwirkungen waren allerdings häufig. CYT387 führte in einer Dosis-Findungs-Studie zu einer signifikanten und anhaltenden Abnahme von Milzgröße, Symptomen und Anämie. 20% der Patienten hatten einen selbstlimitierenden First-dose-Effekt mit Schwindel, Flush und Hypotension. SAR302503 Erste klinische Studien mit dem JAK-Hemmer SAR302503 (59 Patienten mit PV und ET) ergaben Ansprechraten um 50% bei Vorliegen einer Splenomegalie, Throbozythämie oder Leukozytose. Mehr als die Hälfte der Patienten hatten weniger Nachtschweiß, Pruritus oder Erschöpfungssymptome. Welche JAK-Mutationen sind relevant? Besonders relevant ist die JAK2V617F-Mutation. Sie wurde bei BCR-ABL1-negativen Patienten in unterschiedlicher Häufigkeit nachgewiesen. 65-97% mit einer Polyzythämia vera (PV), 23-57% mit einer Essenziellen Thrombozythämie (ET) und 34-57% mit einer primären Myelofibrose (PMF) hatten die Aberration. Die exprimierenden Zellen weisen ein Zytokin-unabhängiges Wachstumsverhalten und/oder eine Zytokin-Hyperreagibilität auf. Das Ausmaß der Allellast war bei der PV mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine myelofibrotische Transformation, ausgepräg- tere Splenomegalie, stärkere Leukozytose und thromboembolische Komplikationen assoziiert. Im Gegensatz dazu waren bei der PMF die Überlebensdaten bei einer geringen Allellast ungünstiger. Seltener ist die JAK2-Exon-Mutation bei PV. Verglichen mit JAK2V617F-positiven Patienten hatten die Betroffenen höhere Hämoglobinspiegel, geringere Thrombozytenund Leukozytenwerte, aber vergleichbare Komplikations- und Mortalitätsdaten. MPLMutationen kodieren den Thrombopoietin-Rezeptor. Sie wurden bei der PMF (5-9%) und der ET (1-3%) gefunden, wirken profilerationssteigernd und stimulieren den JAK-STAT-Signal- XLO19 Die Studien mit dem hochselektiven JAK2-Inhibitor XLO19 wurden abgebrochen, weil schwere neurotoxische Nebenwirkungen mit einer Häufigkeit über 70% aufgetreten waren. Verschiedene weitere JAK-Inhibitoren werden derzeit geprüft. Dr. med. Susanne Krome, Melle Literatur 1. Sonbol MB et al. Comprehensive review of JAK inhibitors in myeloproliferative neoplasms. Ther Adv Hematol 2012; DOI: 10.1177/2040620712461047 (Eprint ahead). weg. MPL-Mutationen waren mit ausgeprägteren Anämien vergesellschaftet. LNK-Mutationen dysregulieren das JAK-STAT-System. Defiziente Mäuse entwickelten eine Splenomegalie, Thrombozytose, extramedulläre Hämatopoiese und Zytokin-Hyperreagibilität. Trotz ihrer pathogenetischen Relevanz erklären JAK-Mutationen nicht vollständig die Entstehung myeloprolerativer Krankheiten. Andere genetische Variationen seien ebenfalls bedeutsam und trügen zur „Gesamtlast“ bei. Dies werde insbesondere dadurch deutlich, dass eine erfolgreiche Therapie mit JAK-Inhibitoren in der Regel nicht mit der Mutationslast korrelierte. Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Internationale Literatur 257 Fortschritte bei der DNA-Sequenzierung Nicht mehr nur aus rein akademischem Interesse Die Analyse der Nukleotid-Abfolge ist längst nicht mehr von rein akademischem Interesse. Moderne Methoden weisen immer mehr Korrelationen zu Krankheitsbildern nach und sind für die Therapie und Prognose bedeutsam. Pathologen an der Universität Stanford/USA prognostizieren, dass die Fortentwicklung der Technik und der Verfall der Preise für die Sequenzierung eines Genoms die klinische Nutzung der gewonnenen Daten erheblich erleichtern. Die Geschichte der DNA-Sequenzierung ist lang. Jahrzehnte galt die enzymatische Kettenabbruch-Synthese nach Sanger als Goldstandard. Neuere Verfahren werden als Sequenzierung der nächsten Generation (NGS) bezeichnet und haben die Möglichkeiten durch Automatisierung, digitale Prozesse und parallele Sequenzierung erheblich gesteigert. Inzwischen gelingt eine Sequenzierung des gesamten menschlichen Genoms innerhalb von Tagen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die parallele Untersuchung von Millionen DNAFragmenten in einem Sequenzierungslauf. Die typische Analyse eines Tumorgenoms beginnt mit der Aufdeckung von Varianten. Deren funktionelle und klinische Relevanz muss in einem weiteren Schritt bewertet werden. Dabei gewinnt die Exom-Sequenzierung, also die Differenzierung der Gesamtheit aller Exons, zunehmend an Bedeutung. Die komplette Erbgutbestimmung erlaubt nämlich den Abgleich mit dem neoplastischen Genom. Dafür eignen sich insbesondere Haut- oder gesunde Blutzelllinien. Die Kosten für die Genomanalytik sinken rapide Eine wesentliche Hürde besteht dabei noch in der Informationsfülle. Die exorbitanten Datenmengen übersteigen die Kapazitäten der Rechensysteme. Neben der Analyse der TumorDNA und des Gesamtgenoms ist auch eine gezielte Anwendung möglich. Das TargetedSequencing untersucht gezielt Hotspots der Tumorgene oder deckt wiederkehrende Genfusionen auf. Für die nächsten Jahre erwarten Merkel et al. eine weitere Zunahme der Forschung, aber auch der Anwendungen. Ein wichtiges Argument dafür sei die Kostenentwicklung (▶ Abb. 1). Die Übersicht von 2001 bis 2012 100 Mio. $ 10 Mio. $ Abb. 1 Die Kosten pro Genom sinken sehr viel stärker als nach dem Moore`schen Gesetz über die Zunahme der Leistung von Großrechnern zu erwarten wäre. Moore‘sches Gesetz 1 Mio. $ zeigt eine erhebliche Preisabnahme. Der markante Einschnitt 2008 sei durch die Einführung der NGS in die klinischen Labors erklärbar. Deutlich wird der Preissturz im Vergleich zum Mooreschen Gesetz, der erwarteten Beziehung von Produktionsleistung und Kosten. Merker et al. nehmen an, dass eine Genom-Sequenzierung schon bald für $ 1000 zu haben sein wird. Hämatoonkologie profitiert besonders Besondere Erfahrungen liegen auf dem Gebiet der hämatologischen Neoplasien vor. So sei 2008 das erste komplette Tumorgenom bei einem Patienten mit einer Akuten Myeloischen Leukämie entschlüsselt worden. Die Studie habe 10 Gene mit nicht synonymen somatischen Mutationen identifiziert. Insgesamt 8 waren zuvor nicht bekannt und ihre klinische Relevanz ist bislang nicht geklärt. Eine Interpretation als das Tumorwachstum stimulierende „Driver-Mutations“ oder als neutrale „Passenger-Mutations“ werden diskutiert. 2010 wurde eine weitere Aberration aufgedeckt. Das DNA-Methyltransferase-Gen DNMT3A war bei 20% der untersuchten AML-Fälle mutiert. Die Aberration war unabhängig vom Lebensalter mit dem Gesamtüberleben assoziiert und soll bei Patienten unter 60 Jahre in Kombination mit einer Hochdosis-Induktionschemotherapie mit einer günstigeren Prognose vergesellschaftet sein. Die hochparallele Sequenzierung eignet sich besonders für das Screening nach Immunglobulin- und T-Zell-Rezeptor-Rearrangements und somit für die Charakterisierung klonaler Lymphozytenpopulationen. Zahlreiche Mutationen wurden identifiziert. Patienten können zahlreiche Aberrationen aufweisen, die aber möglicherweise ähnliche pathophysiologische Prozesse unterhielten. Dr. med. Susanne Krome, Melle 100000 $ Literatur 10000 $ 1000 $ 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 1. Merker JD et al. Next-generation sequencing in hematologic malignancies: what will be the dividends? Ther Adv Hematol 2012; DOI: 10.1177/2040620712458948 (Eprint ahead) © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Internationale Literatur 258 Non Hodgkin Lymphom Paradigmenwechsel beim follikulären Lymphom? Die Behandlungsrichtlinien sind eindeutig: Das lokalisierte follikuläre Non Hodgkin Lymphom wird strahlentherapeutisch behandelt. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Dr. Silvia Montoto vom Barts Cancer Institute, Queen Mary University of London/Großbritannien, kommentiert die Ergebnisse der LymphoCare-Studie, die genau dies festgestellt hat. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) sieht für Patienten mit einem Stadium I F-NHL Zweierlei vor: ein Staging mit Ganzkörper-CT und/oder -PET plus Knochenmarkpunktion sowie eine InvolvedField-Bestrahlung (IF-R) mit mindestens 30 Gy. Damit entsprechen die Leitlinien den internationalen Empfehlungen. LymphoCare ist eine amerikanische Langzeituntersuchung zu Behandlung, Prognose und Verläufen von follikulären NHL. Von 2004-2007 wurden Daten von 2728 Patienten erfasst. Montoto diskutiert die Gründe für die Diskrepanz zwischen Empfehlungen und Realität (2). Sie sieht die Ursache einerseits in der nahezu dogmatischen Vorstellung der Unheilbarkeit follikulärer Lymphome als Rechtfertigung für ein Watchful-Waiting. In den Frühstadien könne eine IF-Radiatio durchaus zur Heilung führen. Somit sei ein abwartendes Verhalten nicht gerechtfertigt. Theorie trifft auf Praxis Auch das zweite „klassische Axiom“ hält sie für falsch. Dass sich die Prognose der follikulären Lymphome im Verlauf der Jahre nicht verbessert habe, ist durch verschiedene Studien mit verlängerten Überlebensdaten belegt. Ein Teil der Ärzte ist also offenbar zu fatalistisch, der andere Teil möglicherweise geblendet von der unbestrittenen Effektivität der Antikörpertherapie mit Rituximab und nimmt deshalb von der kurativen Option einer IF-R Abstand. Laut LymphoCare war die Flexibilität der Hämatologen im Umgang mit den Staging- Friedberg et al. berichteten nun, dass den Leitlinienempfehlungen häufig nicht nachgekommen wurde (1). So hätten von 471 Patienten mit einem Stadium I nur 206 eine Knochenmarkanalyse und die Ganzkörper-CT/-PET erhalten. Auch das Therapiemanagement unterschied sich erheblich. Nur ein Viertel der Patienten wurde bestrahlt, bei einem Drittel erfolgte eine Rituximab-basierte Behandlung und bei einem weiteren keine Therapie. www.onkologische-welt.de Staging-Empfehlungen mit besserem Outcome Empfehlungen bemerkenswert. Weniger als ein Viertel der Patienten erhielten die den Leitlinien entsprechenden Untersuchungen. Diese hatten günstigere Verläufe als die nicht regelrecht voruntersuchten Patienten. Dies unterstreicht, so Montoto, die Relevanz eines korrekten und umfassenden Ausgangsbefunds für das Gesamtergebnis. Die Einführung der FDGPET habe das Lymphom-Management erheblich revolutioniert. Im Unterschied zu Friedberg votiert Montoto für diese Methode: Neben der Erfassung zusätzlicher Herde im Sinne eines Up-Stagings sei die prognostische Bedeutung unbestritten. Das Ansprechen auf die initiale Therapie in der PET hatte bei fortgeschrittenen Lymphomen einen hohen prädiktiven Wert. Schon deshalb sei die initiale FDG-PET notwendig. Auch Montoto stellt die Frage nach der besten Behandlung früher follikulärer Lymphome neu und schlägt zwei Vergleichsstudien vor: erstens IF-R vs. Watchful-Waiting im Stadium 0 und zweitens IF-R vs. Rituximab oder Radioimmunotherapie im Stadium I. Die Ergebnisse seien für die Diskussion eines Paradigmenwechsels in der Therapie früher follikulärer Non Hodgkin Lymphome essenziell. Dr. med. Susanne Krome, Melle Literatur 1. Friedberg JW et al. Effectiveness of first-line management strategies for stage I follicular lymphoma: Analysis of the National LymphoCare Study. J Clin Oncol 2012; 30: 3368-3375. 2. Montoto, S. Management of localized-stage follicular lymphoma: Changing the paradigm. J Clin Oncol 2012; 30: 3328-3329. Jede Ausgabe mit Volltext im Internet Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Forum HämatoOnkologie 259 Multiples Myelom Bendamustin als effektiver Partner für moderne Therapieregime Bendamustin hat sich als Basismedikament zur Behandlung von niedrig malignen Lymphomen etabliert. Registerdaten aus dem hämato-onkologischen Alltag zeigen, dass Bendamustin heute in der Praxis bei indolenten Lymphomen und der chronischen lymphatischen Leukämie als häufigstes Zytostatikum eingesetzt wird (1). Auch beim Multiplen Myelom zeigt Bendamustin zunehmend sein hohes Potenzial. Kombinationen mit modernen Substanzen wie Proteasom-Inhibitoren und IMiDs werden zurzeit untersucht. Aktuelle Daten wurden auf der DGHO-Jahrestagung vorgestellt. Neue Ergebnisse werden zum ASH 2012 erwartet. Kombination mit neuen Substanzen „Wir haben seit vielen Jahren gute Erfahrungen mit Bendamustin beim MM“, meinte Dr. Wolfram Pönisch, Leipzig. Die Zulassung von Bendamustin in dieser Indikation beruht auf einer Phase-III-Studie bei 131 unvorbehandelten Patienten. Im Vergleich von Melphalan/Prednison (MP) mit Bendamustin/Prednison (BP) wurde mit BP ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben (PFS) als unter MP erzielt (14 Monate vs. 10 Monate; p<0,03) (2). Das maximale Therapieansprechen wurde im BP-Arm auch schneller erreicht. Die Rate kompletter Remissionen war unter BP mit 32% signifikant höher als im Vergleichsarm (13%; p<0,01). Die Verträglichkeit beider Regime war vergleichbar (3). Damit könnte Bendamustin eine Alternative zu Melphalan sein. Tab. 1 Studienergebnisse mit Bortezomib, Bendamustin und Kortikosteroid bei rezidiviertem und/oder refraktärem MM Mit seiner guten Verträglichkeit und fehlenden Kreuzresistenz mit anderen alkylierenden Substanzen eignet sich Bendamustin für Kombinationen mit den neuen Substanzen Bortezomib, Lenalidomid oder Thalidomid. In der Rezidivsituation und bei refraktären Patienten zeigten Bendamustin-haltige Kombinationen in mehreren Studien eine gute Effektivität. Bei Patienten mit normaler Knochenmarkfunktion ließen sich mit der Kombination von Bendamustin, Prednisolon und Bortezomib (BPV) in einer retrospektiven Analyse eine Gesamtansprechrate von 69% und ein PFS von 11 Monaten erzielen (4). Dies entspricht den Daten anderer Studien zu dieser Kombination (▶ Tab. 1). Ebenso gibt es zur Kombination von Bendamustin mit Lenalidomid und Kortikosteroiden erste Daten aus teils noch laufenden Phase-I- und Phase-II-Studien. Sogar bei stark vorbehandelten Patienten (im Median 3 Vortherapien) erbrachte diese hochwirksame Kombination noch Ansprechraten von 52% und zeigte darüber hinaus, dass sie Resistenzen gegen Lenalidomid überwinden kann (5). Eine weitere aktuelle Studie zeigt für diese Kombination Ansprechraten von 76% und ein PFS von zehn Monaten (6). Autor Abstract Studie Berenson ASH 11, 1857 Phase I/II 40 50 9,0 Rodon EHA 12, 835 Phase II 73 59 k.A. Ludwig EHA 12, 847 Phase II 71 59 13,0 Offidani EHA 12, 858 Phase II 44 77 k.A. Hrusovsky ASH 05, 5122 retrosp. 17 70 6,0+ Pönisch retrosp. 45 76 11,0 DGHO 12, 489 n Unproblematisch auch bei Niereninsuffizienz Viele MM-Patienten haben alters- und krankheitsbedingt eine verminderte Nierenfunktion. Bendamustin kann auch bei niereninsuffizienten Patienten einschließlich dialysepflichtigen Patienten eingesetzt werden. Dies belegt eine retrospektive Analyse unvorbehandelter MMPatienten mit Leichtketten-induzierter CastNephropathie (7). Die Kombination aus Bendamustin, Prednisolon und Bortezomib zeigte ein Gesamtansprechen von 83%. Das erste Therapieansprechen wurde nach median 14 Tagen erreicht. Entsprechend schnell verbesserte sich auch die Nierenfunktion, so dass oft eine terminale Niereninsuffizienz mit Dialysepflicht verhindert werden konnte. Nach 12 Monaten waren 57% der Patienten progressionsfrei, das Gesamtüberleben lag nach 18 Monaten bei 61%. „Bendamustin als Chemotherapie beim MM dient nicht nur als Basis des Therapieerfolges, sondern sichert auch die Lebensqualität der Patienten“, so Pönisch. Bettina Reich, Hamburg Literatur 1. Abenhardt W et al. Tumorregister Lymphatische Neoplasien (TLN) der niedergelassenen Hämato-/ Onkologen in Deutschland. München, 2011; www.iomedico.org: unveröffentlichte Daten 2. Pönisch W et al. J Cancer Res Clin Oncol 2006; 132(4): 205-212. 3. Knop S et al. Haematologica 2005; 90(9): 1287-1288. 4. Pönisch W et al. Jahrestagung der DGHO 2012, Abstract 227, Poster 489. 5. Lentzsch S et al. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2011; 118: Abstract 304. 6. Pönisch W et al. EHA 2012, Abstract 848. 7. Pönisch W et al. Blood (ASH) 2011, 118: Abstract 2938. ORR (%) PFS (Monate) ORR = Gesamtansprechrate; PFS = progressionsfreies Überleben; k.A. = keine Angabe Quelle: Satellitensymposium „Lebensqualität sichern – Multiples Myelom erfolgreich therapieren“ am 21. Oktober 2012 anlässlich der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie am 21. Oktober 2012, Stuttgart. Veranstalter: Mundipharma, Limburg Hinweis: Mit freundl. Unterstützung von Mundipharma, Limburg © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. HämatoOnkologie 260 Meningeosis neoplastica Spezifische Behandlung ist von der Prognose abhängig Durchschnittlich weniger als 10% aller onkologischen Patienten entwickeln eine Meningeosis neoplastica. Ob eine spezifische Therapie sinnvoll ist, hängt von der sehr unterschiedlichen Gesamtprognose ab. Die Beteiligung der Hirnhäute ist eine seltene Komplikation von verschiedenen Malignomen, die durch ihre extrem variable klinische Symptomatik manchmal schwer zu diagnostizieren ist. Sie kann isoliert auftreten oder im Rahmen einer ZNS-Metastasierung. Am häufigsten kommt die Meningeosis bei verschiedenen aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen, insbesondere beim okulären Lymphom oder BurkittLymphom, beim malignen Melanom und bei primären Hirntumoren vor. Radikuläre Schmerzen, sensible Ausfälle und Lähmungen sind Zeichen eines spinalen Befalls. Sind basale Anteile des Liquorraums betroffen, können Hirnnervensymptome wie Doppelbilder (N. oculomotorius, N. abducens) oder Neuropathie (N. trigeminus) auftreten. Ein Hemisphärenbefall äußert sich in Kopfschmerzen, kognitiven Defiziten, neuropsychiatrischen Auffälligkeiten oder Krampfanfällen. Die Diagnose lässt sich mittels Kernspintomo- graphie und/oder Liquorzytologie bzw. -Durchflusszytometrie stellen. Systemische und intrathekale Therapien Während bei Leukämien und Lymphomen Langzeitremissionen erzielt werden können, hat die Meningeosis bei soliden Tumoren eine schlechte Prognose, vor allem, wenn sie nicht isoliert auftritt. Von der Einschätzung der Prognose hängt ab, ob eine spezifische Behandlung eingeleitet wird, um Symptome zu lindern oder auch das Überleben zu verlängern, wie Priv.-Doz. Dr. Martin Bommer, Ulm, ausführte. Für die systemische Therapie eignen sich nur Substanzen, die die Blut-Hirn-Schranke passieren können: Lipophile, unipolare und kleine Moleküle (< 400 Da). Alkylantien, Anti- Neue Anforderungen an die CML-Diagnostik Bei TKI-Absetzversuch engmaschig monitorieren Bei der Diagnose einer chronischen myeloischen Leukämie (CML) bleibt die Zytogenetik Goldstandard. Dank der heute mit den potenten Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) erreichten tiefen Remissionen nimmt der Stellenwert der molekularen Diagnostik jedoch immer weiter zu. Sie ist unverzichtbar für das Therapie-Monitoring und bei Patienten mit langfristig anhaltender tiefer Remission, bei denen ein TKI-Absetzversuch gemacht wird. Die Einführung von Imatinib (Glivec®) hat das Überleben von CML-Patienten dramatisch verbessert: „Die Lebenserwartung unterscheidet sich nicht mehr wesentlich von der der Allge- meinbevölkerung. Auch sehen wir immer häufiger nicht CML-bedingte Todesursachen bei unseren Patienten“, berichtete Dr. Jolanta Dengler, Heidelberg. Allerdings zeigt das metaboliten, Lapatinib, Dasatinib und Temsirolimus gehören zu den Substanzen, die gut ins ZNS penetrieren. Es sind jedoch auch bei gut liquorgängigen Substanzen wie Cytarabin hohe Dosen erforderlich, um die Blut-Hirnschranke zu überwinden. Mit einer intrathekalen Therapie lässt sich Blut-Hirn-Schranke umgehen. Geeignet dafür sind jedoch nur wenige Substanzen: Methotrexat, Cytarabin oder liposomales Cytarabin. Am längsten hält die zytotoxische Konzentration im Liquor bei liposomalem Cytarabin an, nämlich 14-21 Tage. Dies hat den Vorteil, dass weniger Punktionen notwendig sind. In der Studie , die zur Zulassung von liposomalem Cytarabin (DepoCyte®) in den USA führte, konnte die Zeit bis zur neurologischen Progression sowohl im Vergleich zu Methotrexat als auch zu Standard-Cytarabin bei Patienten mit Meningeosis lymphomatosa verlängert werden (1). Dr. med. Angelika Bischoff, Planegg Literatur 1. Glantz M et al. A randomized trial of a slow-release formulation of cytarabine for the treatment of lymphomatous meningitis. J Clin Oncol 1999; 17: 3110–3116. Quelle: 20. Münchener Fachpresse-Workshop „Neues und Wissenswertes aus der Onkologie“am 26. Juli 2012, München. Unterstützt von Amgen GmbH, München, und Mundipharm GmbH, Limburg., 8-Jahres-Update der IRIS-Studie, dass nur etwa die Hälfte der Patienten langfristig mit Imatinib behandelt werden kann; viele benötigen eine Therapieumstellung. „Glücklicherweise stehen uns heute mit den TKIs der zweiten Generation neue Therapieoptionen zur Verfügung“, so Dengler. Inzwischen wurde Nilotinib (Tasigna®) auf Basis der ENESTnd-Daten für die First-lineTherapie der CML zugelassen. In dieser Studie führte der TKI (300 mg bzw. 400 mg 2x/d) nach einem Jahr zu doppelt so hohen Raten einer majoren molekularen Remission (MMR) wie Imatinib (44% bzw. 43% vs. 22%). Das kürzlich vorgestellte 3-Jahres-Update zeigt, dass die Effektivität des Zweitgenerations-TKI langfristig nicht nachlässt, betonte Prof. Martin C. Müller, Mannheim: Eine tiefe Remission nach MR4.5 (BCR-ABL-Reduktion <0,0032%) Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. HämatoOnkologie 261 erreichten 31,9% bzw. 27,8% der mit Nilotinib, aber nur 15,2% der mit Imatinib behandelten Patienten. Ein weiterer Vorteil von Nilotinib ist das schnellere Ansprechen, das für Patienten prognostisch bedeutsam ist. Schon eine frühe Landmark-Analyse der IRIS-Studie hatte klar gemacht, dass Patienten, die nach einem Jahr einen BCR-ABL-Wert <1% erreichten, länger ereignisfrei überlebten als Patienten, die über diesem Schwellenwert lagen. Mittlerweile gibt es neue Daten, die zeigen, dass sich gerade das frühe Ansprechen bereits nach sechs und drei Monaten in einer besseren Prognose niederschlägt. So haben Patienten, bei denen der BCR-ABL-Wert schon nach drei Monaten maximal 10% beträgt, eine 5-Jahres-Überlebensrate von 95%, Patienten mit höheren Werten dagegen nur von 87%, berichtete Müller. Die prognostische Bedeutung des frühen Ansprechens wird auch durch eine aktuelle Auswertung der ENESTnd-Studie bestätigt: Diejenigen Patienten, die nach drei Monaten weiterhin einen BCR-ABL-Wert >10% aufwiesen, überlebten signifikant kürzer als Patienten mit einem niedrigeren Wert. Ein solches molekulargenetisch definiertes Therapieversagen war bei 30% der mit Imatinib, aber bei nur 9% der mit Nilotinib behandelten Patienten festzustellen. Immer mehr komplette molekulare Remissionen Diese Daten sind ausgesprochen erfreulich: Man erwartet, prognostizierte Müller, dass immer mehr Patienten im Verlauf der Therapie mit Zweitgenerations-TKIs eine komplette molekulare Remission erreichen. Daraus leitet sich die Berechtigung für ein Absetzen der Behandlung ab. Erste positive Daten zu dieser rationale stammen aus der STIM-(STop IMatinib)Studie, in der Patienten, die seit über zwei Jahren in kompletter molekularer Remission (CMR) waren, den TKI absetzten. Insgesamt 41% der Patienten blieben in CMR, 59% erlitten einen Rückfall, der meist bereits früh innerhalb der ersten sechs Monate auftrat. Das Follow-up von mittlerweile median 34 Monaten zeigt, dass die Rückfallrate später nicht weiter anstieg. Bei den rezidivierten Patienten war die erneute Imatinib-Gabe wiederum erfolgreich, betonte Dengler. Inzwischen ist eine europaweite Absetzstudie angelaufen, welche diesen neuen Ansatz bei einer größeren Patientenzahl und auch für andere TKIs untermauern soll. Myelodysplastische Syndrome (MDS) Eisenüberladung schädigt das Knochenmark zusätzlich Die Knochenmarksinsuffizienz und Transfusionsabhängigkeit verschlechtern schon per se die Prognose von MDS-Patienten. Dazu kommen ungünstige Effekte der Eisenüberladung, zu denen auch eine direkte Schädigung des Knochenmarks gehört. Durch Eisenchelation lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen. Retrospektive Daten sprechen dafür, dass damit auch ein Überlebensvorteil verbunden ist. Das Serum-Ferritin ist nicht nur ein Marker für die Transfusionshäufigkeit und damit indirekt für die Schwere der Knochenmarkserkrankung, sondern zeigt eine dosisabhängige Korrelation mit der Langzeitprognose, wie Daten des European Leukemia Net zeigen (1). Von der Senkung des Serum-Ferritin durch Eisenchelatoren erhofft man sich deshalb einen Überlebensvorteil, so Prof. Norbert Gattermann, Düsseldorf. Tatsächlich geht aus einer retrospektiven Analyse des Düsseldorfer MDSRegisters hervor, dass Eisenchelation die Überlebensprognose der Patienten an die der nicht transfusionspflichtigen Patienten angleichen kann. Dies muss allerdings noch prospektiv bestätigt werden (2). Standardisierung der BCRABL-Diagnostik angestrebt Wichtig in der Absetzsituation ist allerdings ein engmaschiges molekulares Monitoring der Patienten jeden Monat, betonte Müller. Damit gewinnt auch die Standardisierung dieser Methodik immer mehr an Bedeutung, um Therapieergebnisse laborunabhängig vergleichen zu können, Ärzte und Patienten nicht zu verwirren und suboptimale Therapieentscheidungen zu vermeiden. „Nur mithilfe der standardisierten Diagnostik konnte der prädiktive Wert früher tiefer Remissionen für das Überleben gezeigt werden“, so Müller. Derzeit findet in Europa im Rahmen des EUTOS-Projekts eine Standardisierung der BCR-ABL-Diagnostik statt, an der sich 64 Labors in 28 Ländern beteiligen. In den meisten europäischen Ländern existiert bereits ein standardisiertes Labor, informierte Müller. Er wies darauf hin, dass Europa damit sehr viel besser aufgestellt ist als die USA. Dr. Katharina Arnheim, Freiburg Quelle: Novartis Oncology Presse-Laborworkshop „Auf dem Weg zur Heilung in der CML – Anforderungen an die molekulare Diagnostik“ am 2. August 2012, Mannheim. Klinische Effekte der Eisenchelation sind eine Reduktion von Organschäden und infektiologischen Komplikationen, aber auch eine Verbesserung der Knochenmarksfunktion. Letzteres lässt sich am plausibelsten damit erklären, dass die Eisenüberladung einen oxidativen Stress für die Zellen der Hämatopoese bedeutet. Mit Eisenchelatoren kann dieser vermindert und die Knochenmarksfunktion verbessert werden. Die retrospektive Auswertung der 341 MDS-Patienten der EPIC-Studie (Evaluation of Patients‘ Iron Chelation with Exjade) ergab, dass sich bei 22,6% der Patienten die Erythropoese verbesserte, indem entweder der Transfusionsbedarf abnahm, der HämoglobinWert anstieg oder beides (3). Bei 14% der Patienten stieg darüber hinaus die Thrombozyten- und bei 19,6% die Neutrophilenzahl. Dabei korrelierte die Response mit der Abnahme des Serum-Ferritin. © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. HämatoOnkologie 262 Erhöhtes SerumFerritin verschlechtert ASZT-Outcome Ein erhöhter Ferritinspiegel gilt nicht nur beim MDS allgemein als negativer Prognosefaktor, sondern verschlechtert auch die Ergebnisse der allogenen Stammzelltransplantation (ASZT), wie Prof. Christian Junghanß, Rostock, ausführte. Man darf deshalb zum einen die Patienten im Vorfeld einer Transplantation nicht übertransfundieren, andererseits sollte man frühzeitig mit einer Eisenchelation beginnen. Deferasirox (Exjade®) senkt den Ferritinspiegel bei MDS-Patienten signifikant (4). Das Therapieziel ist eine Konzentration <1000 ng/ ml. Empfohlen wird eine Dosis von 20 mg/kg pro Tag, bei einem Bedarf von mehr als vier Erythrozytenkonzentraten/Monat 30 mg/kg. Im Verlauf kann die Dosis bei Bedarf auch auf 40 mg/kg erhöht bzw. 10 mg/kg verringert werden. Wie Prof. Mathias Schmid, Zürich/ Schweiz, betonte, setzt er bei Patienten mit ausgeprägter Zytopenie bevorzugt orales Deferasirox ein und wegen des Risikos für Blutungen und Infektionen nur ungern Eisenchelatoren, die als subkutane Infusion verabreicht werden. Dr. Angelika Bischoff, Planegg Morbus Hodgkin und aggressive T-Zell-Lymphome Zielgerichtete Therapie mit Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Zwar gilt das Hodgkin-Lymphom als gut behandelbare Erkrankung, eine schlechte Prognose aber haben Patienten, bei denen es zum Rezidiv kommt. „Jeder zweite Patient mit rezidivierendem Hodgkin-Lymphom kann leider nicht gerettet werden“, so Prof. Peter Borchmann, Köln. „Wir brauchen deshalb Therapiefortschritte“, erklärte der Mediziner bei der Jahrestagung der DGHO in Stuttgart. Als neue Option stellte er das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Brentuximab-Vedotin vor. Das innovative Konjugat besteht aus dem monoklonalen Antikörper Brentuximab, der spezifisch gegen den CD30-Antiörper gerichtet ist sowie das Zytostatikum Monomethyl-Auristan (MMAE), das mit dem Antikörper über einen Linker verbunden ist. Bei CD30 handelt sich um einen Tumor-Nekrose-Faktor-Rezeptor, der vermehrt auf den Reed-Sternberg-Zellen des Hodgkin-Lymphoms sowie den Zellen einiger Non-Hodgkin-Lymphome exprimiert ist. Dazu gehört unter anderem das systemische anaplastisch-großzellige Lymphom. Bei diesen Tumoren ist mit dem AntikörperWirkstoff-Konjugat eine zielgerichtete Therapie möglich. Denn Brentuximab bindet spezifisch an die CD30-tragende Zelle, wodurch das Konjugat in die Zellen internalisiert wird. Der Linker wird durch lysosomale Enzyme gespalten und das Zytostatikum MMAE wird freigesetzt.„Es wird regelrecht in die Zelle eingeschleust“, so Borchmann. Das Zytostatikum zerstört den Spindelapparat, hemmt damit die Zellteilung und treibt die Zelle in die Apoptose. „Man erreicht so eine hohe Konzentration des Zytostatikums in der Tumorzelle, ohne entsprechend hohe systemische Nebenwirkungen“, berichtet der Kölner Hämatologe in Stuttgart. „Außergewöhnliche Ansprechraten“ Die Behandlung mit Brentuximab-Vedotin führt nach seinen Angaben zu „außergewöhnlichen Ansprechraten“ bei Patienten mit rezidiviertem und refraktärem Hodgkin-Lymphom. Literatur 1. De Swart L et al. Blood 2011; 118: Abstract 2775. 2. Neukirchen J. EHA 2012, Abstract 359. 3. Gattermann N et al. Haematologica 2012; 97(9): 1364-1371. 4. Gattermann N et al. Leuk Res 2010; 34: 1143-1150. Quelle: Symposium „Kontroverse klinische Kasuistiken – Therapiemanagement bei Eisenüberladung und GIST“ im Rahmen der Jahrestagung 2012 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie am 19. Oktober 2012, Stuttgart. Veranstalter Novartis GmbH, Nürnberg. So wurde in einer Phase-II-Studie bei 94% der Patienten eine Reduktion der Tumormasse erzielt, 33% erreichten eine komplette Remission, die Gesamtansprechrate lag bei 75%. „Das sind bisher unerreicht gute Ergebnisse“, so Borchmann. „Der Tumor schmilzt zum Teil wie Butter in der Sonne“. In den USA ist die neue Therapieoption bereits zugelassen, in Europa wird die Zulassung laut Borchmann erwartet. Auch beim sALCL stellt das AntikörperWirkstoff-Konjugat laut Dr. Georg Hopfinger, Salzburg, eine Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten dar. In ersten Studien führte das Konjugat zu einem „ermutigenden Gesamtansprechen von 86%. Insgesamt 59% der Patienten erreichten eine komplette Remission. Bemerkenswert ist laut Hopfinger das progressionsfreie Überleben im Vergleich zur Vortherapie. Denn es konnte durch Brentuximab-Vedotin von 5,9 Monaten unter der zuletzt verabreichten Behandlung auf 14,3 Monate verlängert werden. Christine Vetter, Köln Quelle: Satellitensymposium „Brentuximab Vedotin – Eine neue zielgerichtete Therapieoption beim Hodgkin-Lymphom und aggressiven T-Zell-Lymphomen“ im Rahmen der Jahrestagung 2012 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie (DGHO) am 20. Oktober 2012, Stuttgart. Veranstalter: Takeda Pharma, Aachen. Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. HämatoOnkologie 263 Neue Ansätze beim Multiplen Myelom Outcomeverbesserung durch Lenalidomid-Erhaltungstherapie Autologe Stammzelltransplantation (ASZT) und Kombinationsregime mit Novels haben die Prognose beim Multiplen Myelom (MM) erheblich verbessert. Mit dazu beigetragen hat auch das beim MM neue Konzept der Erhaltungstherapie. Die Einführung neuer Substanzen hat das Gesamt-Überleben von MM-Patienten in den vergangenen 30 Jahren erheblich verbessert, wobei jüngere Patienten (<60 Jahre) besonders profitierten. Das weist laut Prof. Hermann Einsele, Würzburg, darauf hin, dass auch die ASZT entscheidend zu dieser positiven Entwicklung beigetragen hat. Strategien bei nicht transplantablen Patienten zielten erfolgreich darauf ab, die konventionelle Chemotherapie mit Melphalan/Prednison (MP) durch Inkorporation neuer Substanzen wie Thalidomid, Bortezomib oder Lenalidomid (Revlimid®) zu optimieren. Ergebnisse bei Patienten >60 Jahre Das zeigt beispielhaft die Studie MM-015, die in drei Armen das konventionelle MP-Regime mit der Dreierkombination MP/Lenalidomid (MPR) bzw. dem MPR-Regime mit anschließender kontinuierlicher Lenalidomid-Therapie (MPR-R) bis zum Progress verglich. Durch die Lenalidomid-Induktionstherapie wurden sowohl Geschwindigkeit und Qualität des Ansprechens sowie die Gesamtresponserate verbessert. „Die Erhaltungstherapie mit Lenalidomid resultierte zudem in einer sehr deutlichen Verbesserung des progressionsfreien Überlebens“, berichtete Einsele: Dieses betrug im www.onkologische-welt.de MP-Arm nur median zwölf Monate, stieg mit dem MPR-Regime auf 15 Monate und konnte bei zusätzlicher Lenalidomid-Erhaltung noch einmal auf 31 Monate verdoppelt werden. Beim Gesamt-Überleben gibt es derzeit auf Grund des noch nicht ausreichenden Followup lediglich einen positiven Trend: Die 4-Jahres-Überlebensrate beträgt im MP-Arm 58%, mit dem MPR-Regime 61% und mit MPR-R 69%. Einsele wies darauf hin, dass das Risiko für Zweitkarzinome unter MPR-R leicht erhöht war. Allerdings: Das Risiko für einen Progress oder Tod war im Studienverlauf erheblich höher als das für ein invasives Zweitmalignom. Der Hämatologe bezeichnete die Verträglichkeit auch der längerfristigen Lenalidomid-Gabe als gut: Nur 8% der Patienten brachen die Erhaltungstherapie ab. Weitere Daten zur Erhaltungstherapie soll die Studie MM-020 liefern, in der Lenalidomid/Dexamethason bis zum Progress mit Lenalidomid/Dexamethason über 18 Zyklen und MP-Thalidomid über zwölf Zyklen verglichen wird. Therapieoptimierung bei jüngeren Patienten Auch bei jüngeren Patienten wurden die Therapiestrategien laut Einsele verfeinert, um die Raten kompletter Remissionen nach ASZT wei- ter zu steigern. Dabei werden die neuen Substanzen sowohl im Rahmen der Induktionstherapie als auch zur Konsolidierung und Erhaltung eingesetzt. Dass sich ein solches Konzept auszahlt, zeigen zwei Phase-III-Studien mit der Lenalidomid-Erhaltungstherapie: In der französischen Studie IFM2005-02 erhielten Patienten, bei denen sechs Monate nach ASZT zumindest eine Stabilisierung eingetreten war, zwei Zyklen Lenalidomid zur Konsolidierung und anschließend randomisiert bis zum Progress weiterhin das IMiD oder Placebo (1). Die 4-Jahres-Rate für das progressionsfreie Überleben wurde signifikant von 22% mit Placebo auf 43% verbessert. Bei einem Follow-Up von median 45 Monaten gibt es bislang noch keinen signifikanten Unterschied im GesamtÜberleben. Anders in der CALGB-Studie 100104, in der mit der Lenalidomid-Erhaltung sowohl die Zeit bis zur Progression (46 vs. 27 Monate) als auch das Gesamt-Überleben im Vergleich zu Placebo signifikant verbessert wurden (2): Die 3-Jahres-Überlebensrate stieg um absolut 8% von 80% im Kontrollarm auf 88%. Dr. Katharina Arnheim, Freiburg Literatur 1. Attal M et al. N Engl J Med 2012; 366: 1782-1791. 2. Mc Carthy PL et al. N Engl J Med 2012; 366: 1700-1781. Quelle: Satellitensymposium „Neues und Bewährtes beim Multiplen Myelom und MDS“ im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie am 20. Oktober 2012, Stuttgart. Veranstalter: Celgene GmbH, München. Jede Ausgabe mit Volltext im Internet © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. HämatoOnkologie 264 Multiples Myelom Längeres Überleben dank Proteasom-Inhibition Knochenschmerzen, Müdigkeit, Leistungsminderung, die ersten Symptome sind eher unspezifisch. Das erklärt, warum es im Mittel rund ein halbes Jahr dauert, bis die Diagnose „Multiples Myelom“ gestellt wird. Die Prognose der Patienten hat sich aber in den vergangenen Jahren deutlich gebessert: „Während die mittlere Lebenserwartung früher bei nur rund einem Jahr lag, ist sie inzwischen auf fünf Jahre gestiegen“, berichtete Prof. Monika Engelhardt, Freiburg, auf der DGHO-Jahrestagung in Stuttgart. Dennoch überleben 25% der Patienten nur ein bis drei Jahre. Nach der Diagnosestellung ist laut Dr. Hans Salwender, Hamburg, zunächst zu klären, ob eine Transplantation als Therapiemaßnahme in Frage kommt. Ist das nicht der Fall, sei es auf Grund des hohen Alters des Patienten und/ oder seiner Multimorbidität oder auch weil der Patient den Eingriff ablehnt, kann die Gabe des Proteasom-Inhibitors Bortezomib die Prognose der Patienten bessern. In der VISTA-Studie wurde mit der Kombination Bortezomib/Melphalan/Prednison (VMP) ein signifikant besseres Ansprechen und auch eine längere Remissionsdauer gegenüber der alleinigen Gabe von Melphalan/Prednison (MP) registriert. So er- Bortezomib s.c. mit geringerem Neuropathierisiko Viele Patienten entwickeln unter der Behandlung mit Bortezomib eine periphere Neuropathie oder eine therapieassoziierte Polyneuropathie. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer solchen Nebenwirkung kann durch die jüngst zugelassene neue Darreichungsform des Wirkstoffs als subkutane Injektion nun jedoch erheblich reduziert werden. In einer Vergleichsstudie erhielten 222 Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem multiplem Myelom jeweils 1 bis 8 Drei-Wochen-Zyklen Bortezomib (Velcade®) i.v. oder s.c. Die Rate der peripheren Neuropathien war mit 38% bei der subkutanen Gabe signifikant geringer als bei der intravenösen Applikation (53%). „Das ist ein relevanter Schritt nach vorne“ beurteilte Prof. Hartmut Goldschmidt, Heidelberg, die neue Option auf einer Pressekonferenz. Einbußen der Wirksamkeit gibt es bei der subkutanen Darreichung laut Goldschmidt nicht. Das Gesamtansprechen war in beiden Gruppen vergleichbar, ebenso wie die mediane Zeit bis zum Ansprechen und die Ein-Jahresüberlebensrate. Die Therapieabbruchrate auf Grund von Nebenwirkungen war unter Bortezomib s.c. mit 31% vs. 43% deutlich niedriger als bei der i.v.-Gabe, ebenso die Abbruchrate infolge schwerer Nebenwirkungen (22 vs. 27%). Als vorteilhaft bei der neuen Therapieoption hob Dr. Hans Peter Lipp, Tübingen, hervor, dass Bortezomib s.c. unkompliziert handhabbar ist, die Injektion kann wahlweise und wechselnd ins Abdomen oder in den Oberschenkel erfolgen. Die Wirkstoffdosis ist bei beiden Applikationsformen gleich. Christine Vetter, Köln Literatur 1. Moreau P et al. Lancet Oncol 2011; 12 (5): 431-440. Quelle: Pressekonferenz „Bessere Verträglichkeit bei bewährter Wirksamkeit – Velcade®s.c. zur Therapie des multiplen Myeloms“ am 25. September 2012, Frankfurt/Main. Veranstalter: Janssen-Cilag, Neuss. reichten 30% der Patienten im experimentellen Studienarm eine komplette Remission, aber nur 4% in der Kontrollgruppe (1). Das Erreichen einer kompletten Remission ist laut Salwender auch bei älteren Patienten ein Signal für ein besseres Überleben. Das bestätigen die 5-Jahres-Daten der VISTA-Studie (2) mit einer Überlebensrate von 46% unter dem VMP-Regime und 34,4% unter MP. „Das entspricht einer Reduktion des Sterberisikos um 31% durch den Proteasom-Inhibitor“, betonte der Mediziner. Welche Therapie beim Rezidiv? Kommt es zum Rezidiv, so gibt es nach seinen Angaben keine vorgegebene Sequenztherapie. Vielmehr stehen 25 Regime zur Auswahl, das beste Vorgehen ist anhand der individuellen Situation des Patienten zu entscheiden, wobei durchaus auch wieder VMP als Option zu erwägen ist. Salwender: „Patienten der VISTAStudie, bei denen die Primärtherapie mit VMP erfolgreich verlaufen ist, sprachen beim Rezidiv zu 47% auf die erneute Gabe an“. Als Alternativen nannte er eine Thalidomidoder auch eine Lenolidomid-basierte Behandlung. Davon abgesehen sind verschiedene neue Substanzen in Entwicklung und können wahrscheinlich die künftigen Therapieoptionen beim multiplen Myelom noch erweitern. Die Überlebensraten sind, so Priv.-Doz. Dr. Stefan Knop, Würzburg, am besten, je effektiver die Erstlinientherapie ist: „Wirksame Rezidivtherapien können Nachteile bei der Erstlinienbehandlung nicht mehr ausgleichen“. Christine Vetter, Köln Literatur 1. San Miguel JF et al. N Engl J Med 2008; 359: 2487-2498. 2. San Miguel JF et al. ASH 2011, San Diego, Abstract #476. Quelle: Satellitensymposium „Therapiesequenz multiples Myelom 2012: Quo vadis?“ bei der Jahrestagung 2012 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie (DGHO) am 21. Oktober 2012, Stuttgart, Veranstalter: Janssen-Cilag, Neuss. Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. HämatoOnkologie 265 Lymphom-Register Auch CLL-Patienten häufig mit Bendamustin behandelt Seit drei Jahren gibt es das Tumorregister Lymphatische Neoplasien (TLN) mit Daten von bisher fast 3000 Patienten aus 110 deutschen Praxen und Ambulanzen erfasst. Bei einem Symposium in Jena wurden Einblicke in die Registerdaten gewährt. Leider nahmen bei keiner Tumorentität oder Therapielinie mehr als 25% der Patienten an klinischen Studien teil, obwohl dies oft wünschenswert wäre, wie Dr. Wolfgang Abenhardt, München, betonte. Neben den aktuellen Therapiestandards, deren Wirkungen und Nebenwirkungen werden anamnestische Angaben und patientenbezogene Outcomes festgehalten, so Abenhardt. „Einzige Bedingung für den Einschluss ist, dass die aktuelle First- oder Second-LineTherapie vor höchstens vier Wochen begann.“ Ende Februar 2012 waren Daten von 2382 Patienten auswertbar: • 593 mit aggressiven Non-Hogdkin-Lymphomen (aNHL), • 736 mit indolenten Non-Hodgkin-Lymphomen (iNHL), • • 568 mit Chronischer Lymphatischer Leukämie (CLL) und 485 mit Multiplem Myelom (MM). „Die First-Line-Therapie der aNHL-Patienten erfolgte zu 73% mit CHOP-R“, so Abenhardt. Deutlich weniger häufig und eher bei älteren Patienten, wurde Bendamustin/Rituximab (BR) eingesetzt. In der Zweitlinie wurde in den vergangenen Jahre BR am häufigsten angewendet, gefolgt von CHOP-R (mit steigender Tendenz) und der Monotherapie mit Rituximab. Zu den iNHL zählten neben Follikulären Lymphomen (FL, 52%) vor allem MantelzellLymphome, Marginalzonen-Lymphome und Immunozytome mit je 12-14%. Die iNHL-Patienten wurden in der Erstlinie meist mit BR (59%) oder CHOP-R (19%) behandelt; in der Zweitlinie war das Verhältnis noch weiter zu Gunsten von BR verschoben. Patienten mit CLL erhielten – entgegen der Indikation – als Primärtherapie am häufigsten (38%) BR (Tendenz steigend), zu 19% Fludara- Decitabin zur Therapie der AML zugelassen Therapeutische Lücke bei älteren AML-Patienten geschlossen Decitabin (Dacogen®) ist jetzt zur Therapie von Patienten ab 65 Jahren mit neu diagnostizierter de novo oder sekundärer akuter myeloischer Leukämie (AML) zugelassen, für die eine Standard-Induktionstherapie nicht in Frage kommt. Durch das Votum der European Medicines Agency (EMA) wird auch die therapeutische Lücke für AMLPatienten mit ≥30% Blastenanteil im Knochenmark geschlossen. Die Zulassung beruht auf einer Studie, die Decitabin mit der Standardtherapie für ältere AML-Patienten, niedrig-dosiertem Cytarabin oder unterstützender Behandlung verglich (1). Eingeschlossen waren 485 Patienten ≥65 Jahre mit neu diagnostizierter AML und Blastenanteil ≥20%. In 74,5% war der Blastenanteil >30%, in 36,0% mit Hochrisiko-Zytogenetik. Die Patienten erhielten alle 4 Wochen an 5 aufeinander folgenden Tagen Decitabin 20 mg/m2 i.v. (n = 242) oder alle 4 Wochen an 10 aufeinander folgenden Tagen niedrig-dosiertes Cytarabin s.c. (20 mg/m2, n = 215) oder unterstützende Behandlung (n = 28). Unter Decitabin erreichten 18% der Patienten eine komplette Remission (CR) oder eine CR ohne vollständige Erholung der Thrombozytenzahl (CRp). Unter niedrig-dosiertem Cy- bin/Cyclophosphamid/Rituximab (FCR), Bendamustin allein zu 9,5%. Änlich das Bild in der Second-Line-Therapie: Etwa 21% der FL-Patienten waren im Stadium I/II und 20% der CLL-Patienten im Binet-Stadium A – beides eigentlich keine Therapieindikationen. „Meist gab es nachvollziehbare Gründe für die Behandlung – wie schwere B-Symptomatik, Splenomegalie, mediastinales Lymphom, inoperables mesenteriales Lymphom, große Tumormasse, hohe Lymphozytendynamik“, so Abenhardt. „Das erklärt nicht alle Fälle, aber dies ist die Behandlungsrealität im alltäglichen Patientenkollektiv.“ Von den MM-Patienten waren ca. 70% in Stadium III , ein Viertel hatte schon eine Stammzelltransplantation hinter sich. MM-Patienten wurden in der Erstlinie meist Bortezomib/Melphalan/Prednisolon (VMP) oder mit Bortezomib ± Prednisolon behandelt, in zweiter Linie mit Bortezomib ± Prednisolon, Lenalidomid/Prednisolon oder VMP. Jeweils etwa 40% der MM-Patienten bekamen unterstützend i.v. Zoledronat oder Pamidronat. Simone Reisdorf, Erfurt Quelle: Symposium „Hämatologie im Spiegel der Zeit“ vom 07. bis 08. September 2012 in Jena. Veranstalter: Mundipharma GmbH, Limburg tarabin bzw. unterstützender Behandlung waren es 8%. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug im Decitabin-Arm 3,7 Monate und in der Vergleichsgruppe 2,1 Monate. Das mediane Gesamtüberleben (OS) wurde unter Decitabin um 54% (7,7 vs. 5,0 Monate) vs. niedrig-dosiertem Cytarabin bzw. unterstützender Therapie verbessert. Ein Überlebensvorteil zeigte sich auch bei Patienten ≥75 Jahre oder mit niedrigem Leistungsstatus (ECOG PS 2) (p = 0,035 bzw. 0,025) (1). Anzahl und Schweregrad der Nebenwirkungen unter Decitabin waren mit denen von niedrig-dosiertem Cytarabin vergleichbar. Am häufigsten traten Thrombozytopenien (40%), Anämien (34%), Neutropenien (32%) und Pneumonien (21%) auf. Red. Literatur 1. Kantarijan HM et al. J Clin Oncol 2012; 30(21): 2670-2677. © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 266 Gynäkologische Onkologie Das vaginale Melanom Eine seltene Tumorentität S. Poth1; A. Eck1; A. P. Labanaris1; J. H. Witt1; D. Porres2; A. Heidenreich2; V. Zugor1 1Klinik für Urologie und Kinderurologie, Prostatazentrum Nordwest, St. Antonius-Hospital, Gronau; 2Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen Schlüsselwörter Keywords Vaginales Melanom, Zystektomie, Ureterhautfistel Malignant melanoma of the vagina, cyst excision, ureter skin fistula Zusammenfassung Summary In der Fachliteratur sind derzeit keine prospektiven Studien über vaginale Melanome publiziert worden. Es finden sich nur einzelne Fallberichte. Alle diese Artikel beschreiben die Seltenheit des Tumors, die hohe Aggressivität und die schlechte Prognose. Diese seltene Tumorentität wird interdisziplinär behandelt und wird in den meisten Fällen in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert. Die Therapie erfolgt multidisziplinär und beinhaltet die chirurgische Resektion, Radiatio und eventuell eine Chemotherapie. Wir berichten über eine 81-jährige Patientin mit einem primären vaginalen Melanom, die durch uns und urologische Universitätsklinik Aachen operativ versorgt wurde. Die Patientin zeigt auch ein Jahr nach der Operation eine komplette klinische Tumorfreiheit. In contemporary literature, no descriptions of prospective studies are available regarding primary malignant melanoma of the vagina. Studies on this topic include only case reports. All these reports exhibit its rare nature and aggressive behaviour as well as its poor prognosis. This rare disease entity requires a multidisciplinary approach and its diagnosis is usually made in an advanced stage. The therapeutic strategy includes its surgical resection, radiation and chemotherapy. Herein we present a case of an 81 year old patient with a primary malignant melanoma of the vagina that was multidisciplinary treated from the urology departments of Gronau and Aachen. During one year follow-up, and after surgical resection of the tumour, the patient exhibited total remission. Korrespondenzadresse Priv.-Doz. Dr. med. V. Zugor Ltd. Arzt Inkontinenz/Kinderurologie Abteilung für Urologie und Kinderurologie Prostatazentrum Nordwest Uroonkologischer Schwerpunkt St. Antonius-Hospital Möllenweg 22 48599 Gronau Tel.: 0 25 62 / 9 15 71 14 Fax: 0 25 62 / 9 15 21 05 E-Mail: [email protected] Vaginal melanoma – a rare tumour entity Onkologische Welt 2012; 3: 266–268 Einleitung Primäre Vaginalkarzinome sind selten und machen nur 1-2% der malignen Tumoren des weiblichen Genitaltrakts aus. Mehr als doppelt so häufig ist der sekundäre Befall der Vagina durch Ausbreitung anderer Ma- lignome des weiblichen Genitaltrakts oder von Rektum- und Blasenkarzinomen. Vaginalkarzinome sind zu 90% Plattenepithelkarzinome, die restlichen 10% verteilen sich auf Adenokarzinome, Melanome und Rhabdomyosarkome (Kindesalter, Altersgipfel 2. bis 3. Lebensjahr, vom obe- ren Anteil der Vaginalwand ausgehender, traubenförmiger Tumor). Das primäre Melanom der Vagina ist mit weltweit weniger als 300 publizierten Fällen ein äußerst seltenes Malignom und wird meist erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Die daraus resultierende schlechte Prognose sowie die verschiedenen Therapieansätze bei sehr geringen Fallzahlen erfordern eine genaue Dokumentation und eine interdisziplinäre Behandlung. Kasuistik Es handelte sich um eine 81-jährige Patientin, die seit Monaten irritative Miktionsbeschwerden und eine Hämaturie sowie Harnwegsinfekte hatte. In der weiteren Vorgeschichte wurde bei der Patientin ein Herzschrittmacher bei Bradyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern, eine COPD und ein Z.n. Ablatio mamma links und anschließender Radio-Chemotherapie auf Grund eines Mammakarzinoms (06/00), Stadium pT4, N2, pR1, M0, G2 evaluiert. Klinisch konnte die Patientin in psychisch und physisch gutem Zustand objektiviert werden. Nach der stationären Aufnahme erfolgte die erweiterte Diagnostik, zystoskopisch konnte eine große Raumforderung im Bereich der Urethra und Blase diagnostiziert werden. (▶ Abb. 1) Das rechte Ostium konnte nicht dargestellt werden. Vaginaler Ultraschall erbrachte eine große Raumforderung im Bereich der Vagina mit Infiltration der Harnblase und Urethra. Auch ein vaginaler Ultraschall zeigte eine Raumforderung vaginal ausgehend bis in das Blasenlumen infiltrierend. In den darauffolgenden Tagen erfolgte die transurethrale Resektion der Blasenraumforderung, diese erbrachte histologisch und immunhisto- Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. S. Poth et al.: Das vaginale Melanom – eine seltene Tumorentität chemisch den Verdacht auf ein vaginales Melanom mit Infiltration der Vaginalschleimhaut sowie Urethra und Blasenhals. Eine weitere bildgebende Diagnostik wie abdominelle Sonografie und Ausscheidungsurografie brachte unauffällige Verhältnisse bis auf eine infravesikale Raumforderung in der Größe von 4,7 bis 3,8 cm. (▶ Abb. 2) Weiteres Staging bezüglich der systemischen Ausbreitung erbrachte keinen Anhalt für Fernmetastasen. (▶ Abb. 3) Bei diesen seltenen Tumorentitäten und dem fortgeschrittenen Alter erfolgte die Einweisung in das urologische Universitätsklinikum Aachen. Hier wurde eine offene radikale Zystektomie mit Urethrektomie, paraaortale und pelvine Lymphadenektomie und eine kutane Harnableitung durch beidseitige Ureterokutaneostomie durchgeführt. Histologisch konnte ein primäres malignes Melanom der vaginalen Schleimhaut mit Infiltration des Urethras und Blasenhalses objektiviert werden. Tumorfreie Adnexe und Lymphknoten. Postoperativ entwickelte die Patientin eine vaginale Dehiszenz, diese wurde in einer zweiten Sitzung in der Klinik in Gronau durch eine Omentum-majus-Plastik erfolgreich saniert. Die Patientin befindet sich in einer engmaschigen uroonkologischen Nachsorge und zeigt auch 1 Jahr nach Diagnosesicherung eine komplette Rezidivfreiheit. Eine weitere Therapie in Form einer Radiatio oder Chemotherapie wurde von der Patientin nicht gewünscht. Diskussion Das primäre maligne Melanom der Vagina ist eine seltene Erkrankung mit zurzeit weniger als 300 publizierten Fällen. Wie bei allen seltenen Erkrankungen besteht die Problematik im Fehlen von randomisierten und prospektiven Studien. Diese Erkrankung wird meisten im fortgeschrittenen Stadium erkannt, deswegen hat diese Erkrankung nicht nur auf Grund der Seltenheit eine schlechte Prognose. Außer dem primären malignem Melanom der Vagina sind auch maligne Melanome als sekundäre Beteiligung des Vaginal- und Urogenitaltrakts ein häufiger Befund bei Autopsien. Diese sind aber selten Fazit für die Praxis Abb. 1 Blasentumorifiltration (Cystoskopie) Abb. 2 Ausscheidungsurografie mit infravesikalen Raumforderung im lokal-begrenzten Stadium klinisch auffällig. Urinzytologie, Probexzision und Computertomografie oder Magnetresonanztomografie (MRT) wurden als Methoden zur Diagnosestellung beim primären oder sekundären Melanom des Urogenitaltrakts angewendet. Im vorliegenden Fall bleibt letztendlich offen, ob die Patientin ein metachrones Das vaginale Melanom ist eine sehr seltene Erkrankung mit schlechter Prognose, weil zum Zeitpunkt der Diagnose meist eine disseminierte Erkrankung vorliegt. Die chirurgische Resektion gilt als Therapie der Wahl, auch dieser Fallbericht zeigt, wie wichtig regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen sind, da die Prognose beim Eintreten der klinischen Symptomatik bereits infaust sein kann. Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit multimodalen Konzepten könnte die Prognose dieser Tumorentität unter Umständen verbessern. Es sind weitere retrospektive und prospektive Studien erforderlich um diese Tumorentität zu erforschen. Malignom mit unterschiedlichen Tumorentitäten hat, wie zum Beispiel ein neurogenes malignes Melanom mit Infiltration der Harnblase urethrovaginal, verursacht durch eine Metastase des Mammakarzinoms oder durch ein fragliches Magenkarzinom (histologisch nicht gesichert). Rein hypothetisch besteht auch die Möglichkeit eines primären malignen Melanoms oder einer so genannten paraneoplastischen Tumorerkrankung. Die Behandlung von vaginalen Melanomen hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Lokalisation des Tumors, der Art des histologischen Tumors und des allgemeinen Gesundheitszustands der Patientin. Die primären Behandlungsmethoden für vaginale Tumore umfassen chirurgische Exzision, Radiatio und/oder Chemotherapie. Abb. 3 Computertomografie mit pelvine Tumorlokalisation © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 267 268 S. Poth et al.: Das vaginale Melanom – eine seltene Tumorentität Unserer Fallbericht zeigt, dass rezidivierende und therapieresistente Harnwegsinfekte eine weitere Diagnostik, wie zum Beispiel vaginale Sonografie, Zystoskopie und vaginale Einstellung rechtfertigen. Hinter solchen Befunden können sich häufig Blasenkarzinome und selten Entitäten wie vaginale Tumore verstecken. Unsere Patientin wurde jahrelang lediglich antibiotisch behandelt, ohne eine weitere Diagnostik zu veranlassen. Auch ältere Patienten können durch chirurgische Resektion und eine multimodale Therapie behandelt werden. Literatur 1. Lin LT, Liu CB, Chen SN, Chiang AJ, Liou WS, Yu KJ. J. Primary malignant melanoma of the vagina with repeated local recurrences and brain metastasis. Chin Med Assoc 2011; 74(8): 376-379. 2. Wang PH, Sheu BC. Is recurrent vaginal melanoma a lethal disease?J Chin Med Assoc 2011; 74(8): 333. 3. Frumovitz M, Etchepareborda M, Sun CC, Soliman PT, Eifel PJ, Levenback CF, Ramirez PT. Primary malignant melanoma of the vagina. Obstet Gynecol 2010; 116(6): 1358-1365. 4. Yoshii T, Horiguchi A, Shirotake S, Tobe M, Tasaki S, Hayakawa M, Sumitomo M, Asano T. Case of primary amelanotic malignant melanoma of the female urethra. Nihon Hinyokika Gakkai Zasshi 2010; 101(6): 734-737. 5. Piura B, Rabinovich A, Yanai-Inbar I. Primary malignant melanoma of the vagina: case report and review of literature. Eur J Gynaecol Oncol 2002; 23 (3): 195-198. Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Internationale Literatur 269 Schwangerschaftskarzinome Steigende Inzidenz wirft Fragen auf Tumoren in der Schwangerschaft sind eine Rarität, aber nach der australischen Studie erkranken 19 von 10 000 Frauen mehr als der Durchschnitt, wenn sie schwanger sind. Das steigende Lebensalter der Mütter erklärte dies nicht vollständig. Auch Schwangerschaftshormone könnten eine wichtige pathophysiologische Bedeutung haben. Lebensalter erklärt nicht alles Von 1798 Tumordiagnosen wurden 499 während und 1299 in der postpartalen Periode erkannt. Unabhängig von der Entität stieg die Wahrscheinlichkeit mit der Schwangerschaftsdauer. Der Häufigkeitsgipfel war im zweiten Monat nach der Entbindung erreicht (▶ Abb. 1). Insgesamt 30 Frauen hatten Mehrfachkarzinome. Maligne Melanome (n = 599) und Mammakarzinome (n = 377) waren die Haupttumorarten. Zusammen mit Schilddrüsenneoplasien, gynäkologischenTumoren und Hämoblastosen machten sie 85,8% der bösartigen Neubildungen aus. Mit Ausnahme kolo- rektaler Karzinome lag überwiegend ein lokalisiertes Stadium vor. Der Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung zeigte, dass das Lebensalter der Mütter die Inzidenzzunahme nicht ausreichend erklärte. Unter Berücksichtigung des Jahrgangs waren die Wahrscheinlichkeiten immer noch signifikant gesteigert (Faktor 2,2 für maligne Melanome, 1,54 für endokrine Malignome, 1,36 für hämatopoietische Neubildungen, 1,23 für Mammakarzinome und 1,2 für gynäkologische Tumoren). In multivariater Analyse waren ein höheres Lebensalter der Schwangeren, ein hoher Sozialstatus, Multiparität und frühere Karzinome die Hauptrisikofaktoren. Schwangere >40 Jahre hatten das höchste Risiko. Mütter mit schwangerschaftsassoziierten Karzinomen hatten öfter Kaiserschnitte und wurden häufiger stationär aufgenommen. Die Rate der besonders großen Kinder war im Vergleich zu nicht tumorkranken Müttern erhöht. Dies galt auch unter Berücksichtigung einer möglichen diabetischen Stoffwechsellage. Schwangere mit einem assoziierten Karzinom hatten neben der bösartigen Erkrankung auch häufiger andere schwere Komplikationen. Dies zeigte eine Subanalyse für die Jahre 2001 bis 2008. Insbesondere Septikämien kamen häufiger vor. Thromboembolische Ereignisse waren nur bei Müttern öfter, deren Tu- Dr. med. Susanne Krome, Melle Literatur 1. Lee YY et al. Incidence and outcomes of pragnancy-associated cancer in Australia, 1994-2008: a population-based linkage study. BJOG 2012; DOI: 10.1111/j.1471-0528.2012.03475.x (Eprint ahead). 16 14,5 14 Abb. 1 Das Risiko schwangerschaftsassoziierter Tumore steigt, unabhängig von der Tumorentität, mit der Schwangerschaftsdauer. Der Häufigkeitsgipfel lag im zweiten Monat nach der Entbindung. 11,6 12 Prozent Karzinome treten in höherem Lebensalter bekanntermaßen häufiger auf. Gleichzeitig nimmt in der westlichen Welt die Zahl der schwangeren Frauen über 35 Jahre stetig zu. Das führte zu der Frage, ob auch die Inzidenz schwangerschaftsassoziierter Tumoren steigt. Sie sind definiert als bösartige Neubildungen, die während der Schwangerschaft oder spätestens 12 Monate nach der Entbindung diagnostiziert werden. Die Daten waren inkonsistent: Maligne Melanome sollen bei 1-1000 und Mammakarzinome bei 1-3000 auf 10 000 Schwangerschaften vorkommen. Lee et al. gewannen ihre Informationen aus den drei wichtigsten medizinischen Datenbanken: der Perinatal Data Collection, dem Central Cancer Registry und der Admitted Data Collection. Von 1994 bis 2008 hatten 1 309 501 Frauen 781 907 Schwangerschaften. Das Lebensalter der Schwangeren stieg kontinuierlich. Ihr Anteil >35 Jahre nahm im Untersuchungszeitraum von 13,2 auf 23,6% zu. Gleichzeitig waren schwangerschaftsassoziierte Tumoren häufiger. 191,5 vs. 112,3 von 100 000 Müttern erkrankten (p<0,001). Die Inzidenzzunahme korrelierte signifikant mit dem steigenden Lebensalter. moren während der Schwangerschaften diagnostiziert wurden. Das Lebensalter der Mütter war ein wichtiger Risikofaktor, begründete aber die steigende Inzidenz nicht vollständig: Nur 14% der Malignome waren damit hinreichend erklärbar. Lee et al. formulieren verschiedene alternative Hypothesen. Die einfachste Erklärung könnte im Versorgungssystem liegen. Regelmäßige Betreuung und Untersuchungen während und nach Schwangerschaften erhöhten die Möglichkeit, einen Tumor zu entdecken. Somit läge ein „Screening-Effekt“ vor. Wahrscheinlicher ist aber eine akzelerierte Tumorentwicklung durch die vermehrte Ausschüttung von Hormonen und Wachstumsfaktoren. In der Schwangerschaft bestehe ein proangiogenetischer Status. Der Plazenta-Wachstumsfaktor PIGF aus der Familie der endothelialen Gefäßwachstumsfaktoren habe in vitro und in Tierexperimenten das Wachstum von Melanomzellen und die Metastasierung stimuliert. Auch die Beobachtung größerer Neugeborener ginge in diese Richtung. Es ist bekannt, dass Large-for-gestationalage-Babies ein erhöhtes Tumorrisiko haben. Dies wird neben den genannten Gefäßwachstumsfaktoren auf die erhöhten Spiegel maternaler Hormone wie von Östrogen und insulinartigem Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) zurückgeführt. Auch für die Mütter selbst könne eine karzinomfördernde Wirkung bestehen. 10,3 10,1 10 8 6,1 6 4 12,7 10,9 9,9 7,1 4,0 2,8 2 0 0–8 9–16 17–23 24–31 32–40 1–2 Schwangerschaftsdauer (Wochen) © Schattauer 2012 3–4 5–6 7–8 9–10 11–12 Postpartum (Monate) Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Internationale Literatur 270 Mammakarzinom MRT statt Mammographie? Die europäische GENE-RAD-RISK-Studie heizt die Diskussion um die Krebsgefahr durch Röntgenstrahlen erneut an. Mammographien in jungem Lebensalter erhöhten dosisabhängig die Karzinomgefahr bei Frauen mit genetischer Belastung. Die Autoren analysierten retrospektiv Daten von 1993 Teilnehmerinnen mit BRCA1- oder BRCA2-Mutation. Frauen mit BRCA1-/2-Mutationen waren Sonderfälle, weil die Reparaturkapazität der Zellen eingeschränkt ist. Dies gilt auch für die DNA-Doppelstrangbrüche durch ionisierende Strahlen. Die Frauen mit familiärer Belastung weisen also eine signifikant höhere Radiosensibilität auf. Dennoch führten bisherige Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Strahlenexposition und Karzinominzidenz zu inkonsistenten Ergebnissen. Bei GENE-RAD-RISK erhielten die Frauen einen Fragebogen zu früheren Röntgenunter- suchungen. Art, Häufigkeit und Lebensalter zum Untersuchungszeitpunkt wurden erfragt und eine kumulative Gesamtbelastung für die Brust errechnet. Diese betrug durchschnittlich 0,0140 Gy. Am häufigsten waren herkömmliche Röntgenaufnahmen (48%), gefolgt von Mammografien (33%). Das Durchschnittsalter bei der Erstmammografie betrug 29,5 Jahre. Jede Strahlenexposition bei unter 30-Jährigen erhöhte das Karzinomrisiko signifikant (HR 1,90; 95%-KI 1,20-3,00). Der Effekt war dosisabhängig. Bei einer kumulativen Gesamtdosis von 0,0174 Gy war das Risiko bereits um den Faktor 3,8 erhöht. Für die Altersgruppe der Revolutionäres FDA-Modell zur neoadjuvanten Therapie Mammakarzinom – „pathologische Response“ als primärer Endpunkt? Neue Präparate sollen das krankheitsfreie und das Gesamtüberleben von Tumorpatienten verlängern. Dazu sind langfristige Studien nötig. Bei einer neoadjuvanten Therapie früher Mammakarzinome gäbe es eine Alternative: die histopathologische Tumorfreiheit als Ersatzendpunkt. Die onkologische Task Force der US-Zulassungsbehörde FDA hat einen Zulassungsentwurf an die Industrie geschickt, um Meinungen über eine „pathologische Response“ als primären Endpunkt einzuholen. Darüber hinaus führt die FDA eine Metaanalyse mit Daten von mehr als 12 000 Frauen durch, die an Studien mit neoadjuvanten Therapien teilgenommen haben. Dabei sollen diejenigen herausgefiltert werden, bei denen das pathologische Ansprechen am wahrscheinlichsten den klinischen Vorteil vorhersagt. Dies wird durch eine Korrelation mit dem krankheitsfreien und Gesamtüberleben ermittelt. Bei den bisherigen Kriterien vergehen oft Jahre bis zur Zulassung. Ausnahmen waren Studien, die wegen eines überdeutlichen Vorteils durch das Medikament frühzeitig abgebrochen wurden. Dies ist mit einem höheren Risiko neuer Komplikationen und negativer Langzeiteffekte verbunden. Es ist eine Güterabwägung, die in den Auswahlkriterien berücksichtigt werden müsste. Bei der Zulassung nach dem neuen FDA-Konzept sollten neoadjuvante Therapien zunächst nicht bei Patientinnen mit guter Prognose laufen, sondern Hochrisikopatientinnen, etwa mit dreifach negativem Rezeptorstatus, vorbehalten bleiben. Ein Argument für die Beschleunigung des Zulassungsverfahrens war eine CochraneMetaanalyse mit randomisierten neoadjuvanten Therapiestudien (5500 Patientinnen). Frauen mit kompletter histopathologischer Re- 30- bis 39-Jährigen bestand kein Zusammenhang. Die Bedeutung spezieller Röntgenuntersuchungen wurde in einem zweiten Schritt geprüft. Mammografien bei unter 30-Jährigen waren tendenziell mit einer höheren Tumorwahrscheinlichkeit assoziiert (HR 1,43; 95%-KI 0,85-2,40; p = 0,040, nicht signifikant). Die Ergebnisse bestätigten sich, wenn besonderes belastete Familien ausgeschlossen wurden. Die Autoren folgern, dass besonders bei Frauen mit einer BRCA1- oder BRCA2-Mutation auf „frühe“ Mammografien verzichtet werden sollte. Die MRT sei für Betroffene unter 30 Jahren die bessere Alternative. Dr. med. Susanne Krome, Melle Literatur 1. Pijpe A. et al. Exposure to diagnostic radiation and risk of breast cancer among carriers of BRCA1/2 mutations: retrospective cohort study (GENE-RAD-RISK). BMJ 2012; 345: e5660. sponse hätten doppelt so lange gelebt wie Frauen mit Resttumoren. Studien mit dem neuen „Ersatzendpunkt histopathologisch komplettes Ansprechen“ müssen aber neben der Auswahl der Patientinnen weitere Punkte berücksichtigen. Eine adjuvante Chemotherapie sollte nach Möglichkeit nicht erfolgen oder in den Gruppen mit und ohne neoadjuvante Therapie gleich verteilt sein, ebenso die Befunde für den Hormonrezeptorstatus. Um die Aussagekraft der pathologischen Response als Erfolgskriterium für eine neue neoadjuvante Therapie zu bestätigen, sind große Patientenzahlen und eindeutige Ergebnisse notwendig. Argumente für ihren substanziellen Wert hat bereits eine klinische Studie mit Trastuzumab erbracht. Damit behandelte Frauen hatten ein histopathologisches Ansprechen von 39% (Kontrollen: 20%) und ein krankheitsfreies 3-Jahres-Überleben von 71% vs. 56%. Dr. med. Susanne Krome, Melle Literatur 1. Prowell TM et al. Pathological complete response and accelerated drug approval in early breast cancer. N Engl J Med 2012; 366. 2438–2441. Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. ESMO 2012 272 Optimale Therapiedauer mit Trastuzumab beim Mammakarzinom Es bleibt bei einem Jahr Behandlung Bei der Therapie des HER2-positiven Mammakarzinoms mit Trastuzumab in Kombination mit Chemotherapie blieb die Frage bestehen: Was ist die optimale Dauer einer adjuvanten Trastuzumab-Therapie? Diese Frage wurde nun durch zwei neue Studien beantwortet, die auf dem ESMO 2012 vorgestellt worden. Seit der FinHer-Studie tobte der Streit darüber, ob eine kürzere Trastuzumab-Gabe genauso gut das Überleben beeinflussen kann (1). In der Studie wurde der Antikörper nur 9 Wochen gegeben und erzielte auch einen sehr guten Effekt, der mit einer längeren Gabe vergleichbar war. Kürzer ist nicht besser Die PHARE-Studie (Protocol for Herceptin® as Adjuvant therapy with Reduced Exposure) wurde vom französischen National Cancer Institute initiiert. Behandelt wurden 3384 Patienten mit HER2-positivem Brustkrebs entweder über 12 Monaten mit Trastuzumab (n = 1690) oder nur 6 Monaten (n = 1690) (2). Alle Frauen hatten vorher 4 Zyklen adjuvante Chemotherapie erhalten. Nach einem medianen Follow-up von 47,2 Monaten betrug das krankheitsfreie Überleben (DFS) in der 12-Monats-Gruppe 87,8% vs. 84,9% unter 6 Monaten Trastuzumab-Therapie (HR 1,28; 95% KI 1,05−1,56). „Obwohl hier eine Nichtüberlegenheit zwischen den Gruppen belegt wurde, bleibt letztendlich ein Trend zum besseren Überleben in der 12-Monats-Gruppe“, sagte Prof. Xavier Pivot, Besançon/Frankreich. In der HERA-Studie (Herceptin® Adjuvant Trial), ließ sich nun der Effekt einer längeren Trastuzumab-Gabe gegenüber der einjährigen Therapie bei 5102 Frauen verfolgen (3). Nach OP, Strahlentherapie und Chemotherapie be- Skelettmetastasen bei aggressivem Brustkrebs Ist längeres Überleben möglich? Gute Ergebnisse mit knochenspezifischen Medikamenten in der Therapie von Patienten mit Skelettmetastasen ließen die Hoffnung aufkommen, dass sich auch das Auftreten solcher Metastasen verhindern lassen und damit das Gesamtüberleben verlängert werden könnte. In einer Studie mit Denosumab (Xgeva®) mit rund 4500 BrustkrebsPatientinnen soll geklärt werden, ob diese Hoffnung erfüllbar ist, erläuterte Prof. Rob Coleman, Sheffield/Großbritannien, auf dem ESMO-Kongress 2012. Wie beim Prostata-Karzinom beträgt auch beim Mammakarzinom die Inzidenz von Skelettmetastasen 65–75%. Die mediane Überlebenszeit nach dem Auftreten der ersten Metastase im Knochenbereich wird mit 20–24 Monaten angegeben, sodass die Metastasierung nicht nur die Tumorsymptomatik deutlich verstärkt, sondern auch die Überlebenszeit der betroffenen Patientinnen verringert. Bereits mit Bisphosphonaten gelang es, bei Patientinnen mit metastasiertem Mamma-Ca skelettale Komplikationen um fast 50% zu ver- ringern. Denosumab zeigte im direkten Vergleich mit Bisphosphonat Zoledronsäure nochmals eine Verlängerung der komplikationsfreien Zeit um 22%. Dabei war die Verträglichkeit von Denosumab besser. Könnte man mit einer medikamentösen Intervention auch die Ausbildung von Metastasen unterdrücken, wäre eine Verlängerung der Überlebenszeitmöglich. Die postulierte Wirkung knochenspezifischer Medikamente auf die Entstehung von Knochenmetastasen erscheint pathophysiologisch plausibel: Der Knochen ist ein vitales Tar- kamen die Frauen Trastuzumab über 1 Jahr oder 2 Jahre lang oder nur eine Beobachtung. Länger aber auch nicht Nach 8 Jahren Follow-Up erwiesen sich die Ergebnisse in den beiden Trastuzumab-Gruppen als gleichwertig (HR = 0,99). Prof. Richard Gelber, Boston/USA, stellte fest: „Nach dieser Zeit ließen sich keine Erhöhung der kardialen Probleme durch Trastuzumab feststellen, und das Todesrisiko ließ sich durch die Substanz um 24% gegenüber der alleinigen Beobachtung verringern.“ ESMO-Kongresspräsident Prof. Christoph Zielinski, Wien, Österreich, schlussfolgerte: „Trastuzumab über ein Jahr bleibt der Standard zur adjuvanten Behandlung von HER2-positiven Frauen mit Brustkrebs.“ Bettina Reich, Hamburg Literatur 1. Joensuu H et al. N Engl J Med 2006; 354: 809–820. 2. Pivot X et al ESMO 2012, LBA5. 3. Goldhirsch A et al. ESMO2012, LBA 6. get für die Metastasierung. Hier könnte die Hemmung der Knochenzell-Aktivität durch Denosumab dazu führen, dass sich Tumorzellen nicht mehr so leicht einnisten können. Die doppelblinde, placebokontrollierte Studie „Denosumabversus placebo in adjuvant treatment for women with early-stage beast cancer of high risk of disease recurrence (D-CARE)” schließt etwa 4500 Patientinnen mit Mammakarzinom im Stadium II/III ein. Die Patientinnen erhalten parallel zur Studienmedikation eine leitliniengerechte adjuvante/neoadjuvante Therapie. Die Studie wird 5 Jahre dauern. Primärer Endpunkt ist das metastasenfreie Überleben. Sekundäre Endpunkte sind das krankheitsfreie Überleben, das Gesamtüberleben und die Zeit bis zum Auftreten weiterer Komplikationen. Dr. Till U. Keil, München Quelle: Media Roundtable „Amgen in Oncology“ während des ESMO-Kongresses am 29. September 2012, Wien. Veranstalter: Amgen (Europe) GmbH, München. Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Forum Brustkrebs 273 Nanopartikel-basiertes Paclitaxel Ein neoadjuvantes Therapiekonzept mit nab-Paclitaxel im Vergleich zu konventionellem Paclitaxel prüft die Phase-III-Studie GeparSepto, deren Rekrutierung läuft. Frauen mit operablem und lokal fortgeschrittenem Brustkrebs erhalten neoadjuvant für zwölf Wochen eines der beiden Taxane, danach vier Zyklen Epirubicin/Cyclosphosphamid (EC) in dreiwöchigem Abstand. HER-2-positive Frauen erhalten parallel zur neoadjuvanten Therapie Trastuzumab und Pertuzumab und werden postoperativ mit Trastuzumab bis maximal ein Jahr weiterbehandelt. Primäres Zielkriterium ist die Rate pathologisch vollständigen Ansprechens (pCR) nach neoadjuvanter Therapie, berichtete Prof. Michael Untch, Helios-Klinikum Berlin-Buch. Die Studie sieht die wöchentliche Gabe von nabPaclitaxel 150 mg/m2 und konventionellem Paclitaxel 80 mg/m2 vor – vergleicht also die beiden Taxane in ihrer für dieses Setting als optimal angesehenen Dosis. Mit nab-Paclitaxel 150 mg/m2 wöchentlich wurde in einer Studie ein sehr schnelles Ansprechen erzielt, das bereits nach 2,15 Zyklen das Maximum erreichte. Verzicht auf Lösungsmittel bietet viele Vorteile An Albumin-Nanopartikel (nab) gebundenes Paclitaxel (Abraxane®) ist in der Therapie des metastasierten Mammakarzinoms effektiver als herkömmliches Paclitaxel und auch besser verträglich. Jetzt wird nab-Paclitaxel auch bei frühem Brustkrebs in adjuvanten und neoadjuvanten Therapieschemata geprüft. Die Zulassung von nab-Paclitaxel in der EU gilt für die Zweitlinientherapie des metastasierten Mammakarzinoms (MBC) bei Frauen, für die Anthrazykline nicht in Frage kommen. Mit der nab™-Technologie wird die selektive Aufnahme und Anreicherung von Paclitaxel im Tumorgewebe gesteigert. Durch den Verzicht auf Lösungsmittel bei der Rekonstitution sollen schwere Hypersensitivitätsreaktionen (HSR) sowie eine gesteigerte Myelosuppression vermieden werden. Darüber hinaus ist im Vergleich zur Gabe von konventionellem Paclitaxel keine Prämedikation gegen HSR nötig, auch die Infusionszeit mit 30 Minuten um ein vielfaches verkürzt. In der Phase-III-Zulassungsstudie beim mBC erreichte nab-Paclitaxel im Vergleich zu herkömmlichem Paclitaxel eine höhere Ansprechrate (33% vs. 19%, p = 0,001), die Patientinnen waren länger progressionsfrei (23,0 Wochen vs. 16,9 Wochen, p = 0,006). Studienteilnehmer mit vorbehandeltem mBC erzielten mit nab-Paclitaxel auch einen Überlebensvorteil (56,4 Wochen vs. 46,7 Wochen, p = 0,024), so Prof. Sibylle Loibl, GBG Forschungs GmbH, Neu-Isenburg, auf einem Pressegespräch. Trotz einer um 49% höheren Dosierung von nab-Paclitaxel waren die Sicherheitsprofile der beiden Regime vergleichbar, mit Ausnahme einer erhöhten Neutropenie-Grad4-Rate im konventionellen Arm und einer erhöhten Rate sensorischer Neuropathien Grad 3 im nab-Paclitaxel-Arm. Letztere waren aber rascher reversibel (nach median 22 Tagen vs. 79 Tagen) und waren durch eine Therapiepause und eine Dosisreduktion gut kontrollierbar. Moderne Chemotherapie-Konzepte sind aus der adjuvanten und neoadjuvanten Therapie bei Brustkrebs nicht wegzudenken, betonte Prof. Volker Möbus, Klinikum FrankfurtHöchst. Deshalb prüfen die Studiengruppe Mamma-AGO-B und die German Breast Group in der Phase-III-Studie GAIN-2 den Einsatz von nab-Paclitaxel in der adjuvanten Therapie von Patientinnen mit frühem Hochrisiko-Brustkrebs. Einsatz auch in der (Neo)adjuvanz? Die Patientinnen erhalten eine intensivierte dosisdichte Therapie mit EnPC (Epirubicin, nab-Paclitaxel, Cyclophosphamid) oder eine dosisdichte, adaptierte Therapie mit dtEC-dtD (Epirubicin/Cyclophosphamid, gefolgt von Docetaxel) (▶ Abb. 1). Primärer Endpunkt ist das Fernmetastasen-freie Überleben. Die Rationale für nab-Paclitaxel in dieser Studie ist laut Möbus, dass dieser Wirkstoff ein besseres Toxizitätsprofil und eine höhere Wirksamkeit im Vergleich zu lösungsmittelbasierten Taxanen hat. Sie eignet sich daher besonders bei einem dosisdichten Hochdosisregime bei primärem nodal-positivem Brustkrebs oder bei Brustkrebs mit hohem Progressionsrisiko, z. B. HER-2-positiver oder triple-negativer Tumor, unabhängig vom Nodalstatus. Dr. Beate Grübler, Hannover Literatur 1. Gradishar WJ et al. Phase III trial of nanoparticle albumin-bound paclitaxel compared with polyethylated castor oil-based paclitaxel in women with breast cancer. J Clin Oncol 2005; 23(31): 7794-7803. Quelle: Pressegespräch „Neue Wege in der Therapie des Mammakarzinoms“ am 25. September 2012, Berlin. Veranstalter: Celgene GmbH, München. Hinweis: Mit freundl. Unterstützung der Celgene GmbH, München Behandlungsschema E E E Epirubicin 150 mg/m2 q2w R Abb. 1 Behandlungsschema der GAIN-2-Studie: nab-Paclitaxel in der adjuvanten Therapie von Patientinnen mit frühem HochrisikoBrustkrebs nP nP nP C nab-Paclitaxel q2w (nP-Dosis wird in der Run-inPhase bestimmt) E E E E C C C C EC 90/600 mg/m2, q2w, tailored © Schattauer 2012 + 1 Woche Pause D C C Cyclophosphamid 2 g/m2 q2w D D D Docetaxel 75 mg/m2, q2w, tailored Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Gynäkologische Onkologie 274 Stark vorbehandeltes metastasiertes Mammakarzinom Eribulin – einzige Option mit eindeutigen Überlebensvorteilen Es gibt eine Vielzahl von Chemotherapeutika, mit denen beim metastasierten Mammakarzinom behandelt werden kann. Allerdings ist Eribulin die einzige Substanz, für die bei Frauen mit stark vorbehandeltem und fortgeschrittenem HER2-negativem Brustkrebs ein statistisch signifikanter und relevanter Überlebensvorteil belegt worden ist. „Wir schätzen an der Substanz außerdem das günstige Sicherheitsprofil und die gute Verträglichkeit“, betonte Prof. Hellmut Samonigg, Graz/Österreich, bei der DGHO-Jahrestagung in Stuttgart. „Sie stellt eine wertvolle Bereicherung unserer Behandlungsmöglichkeiten beim fortgeschrittenen Brustkrebs dar“. Dass es bislang an einer Standardtherapie des metastasierten Mammakarzinoms nach Taxan- und Anthrazyklin-Vorbehandlung mangelt, belegt laut Priv.-Doz. Dr. Joachim Bischoff, Magdeburg, unter anderem die Studie EMRACE (Eribulin monotherapie versus treatment of physicians choice in patients with metastatic breast cancer). In der Phase-IIIStudie wurden 762 Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom entweder mit Eribulin als Monotherapie behandelt oder in der Kontrollgruppe mit einer Therapie nach Wahl des Arztes. „In der Kontrollgruppe wurden neun ver- schiedene Therapieregime von den Prüfärzten eingesetzt. Das zeigt bereits, dass es kein klar definiertes Vorgehen für diese Situation gibt“, erklärte Bischoff in Stuttgart. In der Studie bewirkte Eribulin, das seit gut einem Jahr in Deutschland zugelassen ist, eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens von im Mittel 10,5 auf 13,2 Monate gegenüber der Kontrollgruppe (1). Die überzeugenden Daten haben nach Bischoff dazu geführt, dass das HalichondrinAnalogon rasch in die aktuellen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkolo- gie (AGO) aufgenommen wurde. Der Wirkstoff wird inzwischen auch in den aktuellen Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft empfohlen und ist das einzige Medikament zur Brustkrebsbehandlung, für das die Erstattungsverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband erfolgreich abgeschlossen wurden. Vorteile auch in früheren Therapielinien? Inzwischen liegen, so Samonigg, auch Subgruppenanalysen der EMBRACE-Studie vor, die auf ein möglicherweise noch größeres therapeutisches Potenzial des innovativen Mikrotubulihemmers hindeuten. So zeigte sich, dass Frauen, die vor der Behandlung mit dem Halichondrin drei und weniger Chemotherapien erhalten haben, besonders gut profitieren. „Das ist ein Hinweis darauf, dass der Wirkstoff in seiner therapeutischen Relevanz auch in früheren Therapielinien untersucht werden sollte“, sagte der Mediziner. Entsprechende Studien laufen bereits. So wird Eribulin derzeit im Rahmen einer PhaseII-Studie in Kombination mit Trastuzumab als First-Line-Therapie beim lokal fortgeschrittenen oder metastasierten HER2-positiven Brustkrebs geprüft und in einer weiteren Studie in Kombination mit Lapatinib. Anteil der lebenden Patientinnen Christine Vetter, Köln 1,0 1 Jahr-Überleben Eribulin (n = 508) 54,5% TPC (n = 254) 42,8% 0,8 0,6 0,4 TPC Medianes Gesamtüberleben von 10,5 Monaten 0,2 Eribulin Medianes Gesamtüberleben von 13,2 Monaten HR 0,81 (95% KI, 0,67–0,96) p = 0,014 2,7 Monate 0 0 6 12 18 24 Zeit (Monate) 30 36 Abb. 1 Verlängerung des Gesamtüberlebens bei Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom nach umfassender Vorbehandlung unter Eribulin; aktualisierte Analyse nach 589 (77%) Ereignissen (nach [1]). Literatur 1. Cortes O et al. Lancet 2011; 377: 914-923. Quelle: Satellitensymposium „1 Jahr Eribulin beim metastasierten Mammakarzinom: Klinische Erfahrungen und Ausblick“ bei der Jahrestagung 2012 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie (DGHO) am 19. Oktober 2012 in Stuttgart,Veranstalter: Esai Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. DGU Kongressnachlese 275 Blasenkarzinom Auf dem Weg zu einer individualisierten Therapie Die DGU-Leitlinie nennt die Zytologie (eventuell die FISH) als Option zur Klärung spezieller Fragestellungen, aber die Anwendung von Markern wird in keiner Situation empfohlen. „Daran wird sich auch so schnell nichts ändern“, so Hakenberg. Neue Entwicklungen in der Diagnostik, Prognoseabschätzung und verschiedene Aspekte der Therapie des Blasenkarzinoms standen auf dem Programm eines wissenschaftlichen Symposiums auf dem DGU-Kongress 2012 in Leipzig. Neue Prognosemodelle Die Diagnose eines Harnblasenkarzinoms wird anhand der Zytologie und Histologie des transurethralen Resektats (TUR) gestellt. Um die verdächtigen Läsionen aufzuspüren, dient seit vielen Jahren die Weißlichtzystoskopie als Standardmethode. Flache Läsionen lassen sich allerdings durch die photodynamische Diagnostik mit Fluoreszenzmarkierung (mit 5-alpha-Aminolävulinsäure oder Hexaminolävulinsäure) noch besser darstellen. Manche Tumoren werden damit früher entdeckt, aber es gibt auch mehr falsch positive Befunde, die dann zu unnötigen histologischen Untersuchungen und gelegentlich auch Maßnahmen führen, wie Prof. Oliver Hakenberg, Rostock, ausführte. In mehreren Studien mit routinemäßiger sekundärer TUR konnte nachgewiesen werden, dass die Häufigkeit von Residualtumoren und die Rezidivrate deutlich gesenkt werden können, wenn man Fluoreszenzzystoskopie einsetzt. Auch das narrow-band-imaging (NBI), das Tumorgewebe anhand der Übervaskularisierung sichtbar macht, weist eine bessere Sensitivität auf als die Weißlichtzystoskopie. Weitere Techniken wie spektroskopische Verfahren oder die konfokale Lasermikroskopie sind gegenwärtig noch weit gehend experimentell. weil diese viele Zellen abschilfern. Bei niedrigmalignen Tumoren ist die Sensitivität schlecht. Neben den Zellen selbst gelangen auch verschiedene spezifische tumorassoziierte Stoffe wie Telomerase und Survivin, aber auch viele unspezifische Marker in den Urin. Je größer das Wissen über die molekularen Grundlagen des Blasenkarzinoms wird, desto mehr Marker werden entdeckt. Der Nachweis solcher Marker soll die Treffsicherheit der Zytologie erhöhen. Tatsächlich hat sich die Sensitivität der Marker durchwegs als höher im Vergleich zur Zytologie erwiesen, doch die Spezifität der Urinzytologie, das heißt, die Sicherheit des Ausschlusses eines Blasentumors, bleibt unübertroffen. In den USA sind einige MarkerTests, beispielsweise BTA-stat, LMP22 und ImmunoCyt, zugelassen und werden in Nachsorgen und/oder Screening eingesetzt (▶ Tab. 1) (1). Der Anteil falsch positiver Befunde ist erheblich, sagte Hakenberg. „Wir wünschen uns einen einfachen Urinmarker als schnellen Point-of-care-Test ähnlich wie der Hämostix, den wir schon lange anwenden, um eine Hämaturie zu erkennen“. Insgesamt ist der Einsatz zellbasierter Verfahren über die Standardzytologie hinaus aufwändig und verteuert die Diagnostik erheblich. Eine radikale Zystektomie ist nicht nur generell bei einem muskelinvasiven Urothelkarzinom indiziert, sondern auch die bevorzugte Therapieoption bei nicht muskelinvasiven Karzinomen mit einem hohen Progressionsrisiko. Um die richtige Therapieentscheidung zu treffen, muss man sich deshalb ein möglichst genaues Bild über die Prognose des Patienten hinsichtlich Gesamtüberleben, karzinomspezifischem Überleben und Rezidivrisiko machen. Als gängiges Modell dient dazu die multivariate Analyse von Ergebnissen klinischer Studien oder Metaanalysen zum Einfluss von verschiedenen Risikofaktoren auf das Outcome. Seit einigen Jahren werden neue statistische Modelle wie Nomogramme oder artefizielle neuronale Netzwerke evaluiert. Sie sind im Prinzip dafür geeignet, noch exaktere Ergebnisse hinsichtlich der Prognose zu bringen und haben sich auch bereits im Vergleich zur konventionellen Risikoabschätzung in Teilbereichen als überlegen erwiesen. Bisher krankt jedoch die Anwendung dieser Modelle daran, dass nur retrospektive Daten in ihre Evaluation eingeflossen sind, erklärte Prof. Patrick Bastian, München. Der große Teil der Daten stammt aus Zeiten, in denen ganz andere Therapie- und Nachsorgekonzepte als heute üblich waren. Zellbasierte Verfahren Die Urinzytologie kann die Zystoskopie mit Gewebeentnahme nicht ersetzen, ist aber besser als ihr Ruf, meinte Hakenberg. In guten Labors lässt sich eine Konkordanz von Histologie und Zytologie in mehr als 90% der Fälle erreichen. Als Verfeinerung der Urinzytologie können maligne Zellen im Urin mit Antikörpern fluoreszenzmarkiert werden, beispielsweise FISH (▶ Abb. 1). Zellbasierte Verfahren ergeben vor allem bei High-grade-Tumoren Sinn, Urin Nachweis von Tumorzellen Abb. 1 Nachweis von Tumorzellen und tumorassoziierten Stoffen im Urin. Nachweis von Tumorassoziierten Stoffen Urinzytologie tumorspezifisch nicht spezifisch FISH Immunozyt® Survivin Telomerase Matrixproteine Zytokeratine © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. DGU Kongressnachlese 276 Tab. 1 Sensitivität und Spezifität von Urinmarkern beim Nachweis von Blasenkarzinomen (1) Sensitivität % Spezifität % Immunocyt n Studien 10 n Patienten 4199 84% (77–91) 75% (68–83) NMP22 41 13 885 68% (62–74) 79% (74–84) FISH 14 3321 76% (65–84) 85% (78–92) Urinzytologie 56 22 260 44% (38–51) 96% (94–98) Wer sollte (neo)adjuvante Chemotherapie erhalten? Die Hälfte der Patienten mit Blasenkarzinom entwickelt irgendwann nach der Zystektomie Fernmetastasen, verbunden mit einer sehr schlechten Prognose. Deshalb stellt sich zumindest bei Hochrisikopatienten die Frage, ob dieses Risiko durch eine systemische Therapie verringert werden kann. Eine neoadjuvante systemische Therapie bringt nach bisherigen Analysen einen Überlebensvorteil von etwa 5%, eine adjuvante Therapie von bis zu 9%, wie Prof. Kerstin Junker, Homburg, erklärte. Die Experten waren sich jedoch einig, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch weniger für eine neoadjuvante Therapie spricht und mehr dagegen, obwohl diese Option bereits Eingang in Leitlinien gefunden hat. Als positiven Aspekt führte Junker an, dass sich damit die Chance bietet, die Response auf ein Chemotherapieregime direkt am Primärtumor zu testen. Zystektomie wird verzögert Schwer wiegende Argumente dagegen sind, dass nur jeder zweite Primärtumor darauf anspricht und dass sich die radikale Zystektomie um 3 bis 4 Monate verzögert. Für die 50% Nonresponder kann dies eine Verschlechterung der Prognose mit sich bringen, die sie zusätzlich zur Toxizität der Chemotherapie hinnehmen müssen. Und auch bei den 50% Respondern steht ein relativ geringer Überlebensvorteil gegen die Toxizität der Therapie. Patienten, die für eine adjuvante Therapie in Betracht kommen, können zwar zeitnah zystektomiert werden, und es kann ein histo- pathologisches Staging erfolgen. Doch etwa 40% der Patienten sind nach dem Eingriff aus verschiedenen Gründen nicht mehr geeignet für eine Chemotherapie. Für die verbleibenden Patienten bringt die Chemotherapie wiederum bestenfalls einen geringen Überlebensgewinn bei hoher Toxizität. Die Indikation für eine neoadjuvante Chemotherapie sollte individualisiert gestellt werden. Einen älteren multimorbiden und symptomatischen Patienten sollte man sicher nicht mit neoadjuvanter Therapie quälen, sondern sofort zystektomieren. Bei jungen Patienten mit Hochrisikotumoren, die eine Chemotherapie gut vertragen, kann man durchaus eine neoadjuvante Therapie versuchen. Responseprädiktoren gesucht Aber richtig Sinn ergibt eine neoadjuvante Therapie erst dann, wenn man Patienten mit besonders hohem Risiko für Fernmetastasen anhand tumorbiologischer Kriterien selektieren und Responder und Nonresponder vorab differenzieren kann, betonte Junker. Die Forschung arbeitet beispielsweise daran, bestimmte Gensignaturen zu definieren und validieren. Viel versprechend sind auch microRNAAnalysen. MicroRNA sind kurze nicht für Proteine kodierende RNAs, die durch Bindung an RNA nach der Transkription die Umschreibung in das Protein modulieren. Sie können eine ganze Reihe von Genen regulieren und haben deshalb wesentlich mehr Einfluss als ein einzelnes Gen. MicroRNA spielen vor allem in der Entwicklung von Therapieresistenzen und in der Zellzyklusregulation eine Rolle. „Die Frage, ob eine adjuvante, neoadjuvante oder gar keine Chemotherapie besser ist, wird sich gar nicht mehr stellen, wenn molekulare Marker für Risiko und Response im klinischen Alltag zur Verfügung stehen“, meinte Junker. Karzinome im oberen Harntrakt Etwa 5-10% der Urothelkarzinome entwickeln sich im oberen Harntrakt. Von ihnen wachsen 60% schon zum Zeitpunkt der Diagnose invasiv, während dies bei allen Blasenkarzinomen nur bei 15% der Patienten der Fall ist. Weniger als die Hälfte der Patienten überlebt 5 Jahre. Therapie der Wahl bei invasiven Tumoren im oberen Harntrakt ist die radikale Nephrektomie (offen oder laparoskopisch). Ausgewählte Patienten mit kleinen, nicht-invasiven, papillären low-grade Tumoren kann man auch endoskopisch versorgen. Allerdings beträgt die Rezidivrate nach endoskopischen Operationen bis zu 40%. Vergleichsstudien zwischen radikaler Nephrektomie und endoskopischer Therapie fehlen bisher. Ein großes Problem ist die Diagnostik von Tumoren im oberen Harntrakt, weil sich mit den relativ kleinen Biopsiezangen oft nicht genügend Gewebe gewinnen lässt, um den Tumor zuverlässig zu beurteilen. Die Fluoreszenz-Ureterorenoskopie kann die diagnostische Treffsicherheit eventuell erhöhen und hat bereits erste viel versprechende Ergebnisse gezeigt. Doch die Anwendung der Methode in den ableitenden Harnwegen ist schwierig, weil sich der Urin nicht so ansammelt wie in der Harnblase, erklärte Dr. Mario Zacharias, Berlin. Dr. Angelika Bischoff, Planegg Literatur 1. Mowatt et al. Health Technol Ass 2010; 14(4). Quelle: Forumssitzung F18 „Blasenkarzinom“, 64. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie am 28. September 2012, Leipzig. Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. DGU Kongressnachlese 278 Zweitlinientherapie beim mCRPC Cabazitaxel patientengerecht einsetzen Durch die erweiterten Optionen bei metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) ergibt sich die Frage, wie die neuen Therapiesequenzen aussehen sollten. „Docetaxel ist Standard für die Erstlinientherapie, und dann sollten wir uns den Patienten genau anschauen, um das weitere Vorgehen anzupassen“, meinte Dr. Stefan Machtens, Bergisch Gladbach, auf dem Deutschen Urologenkongress 2012. Speziell bei aggressiver Tumorbiologie und schlechtem Ansprechen auf die vorangegangene Hormontherapie wird vorzugsweise die Weiterbehandlung mit Cabazitaxel (Jevatana®) empfohlen. Cabazitaxel ist für den Urologen Mittel der ersten Wahl, wenn ein hoher Gleason Score (8-10) sowie ein kurzes PSA-Ansprechen (<16 Monate) auf die primäre Androgenblockade vorliegt und der Progress nach Docetaxel sehr schnell verläuft. Denn Cabazitaxel ist auch noch effektiv, wenn der Patient bereits Docetaxel-refraktär ist. Im Praxisalltag gut handhabbar In der Zulassungsstudie TROPIC reduzierte Cabazitaxel das relative Sterberisiko der Patienten um 30% gegenüber der Behandlung mit Mitoxantron (HR 0,70; p<0,0001) (1). Ein me- dianes Überleben von fast 30 Monaten durch die Sequenz Docetaxel-Cabazitaxel ist ein Novum, so Machtens weiter. Es eröffnet neue Aussichten für die CRPC-Patienten (2). Die hohen Raten an febriler Neutropenie aus der TROPIC-Studie bestätigten sich im Praxisalltag nicht, ergänzte Dr. Joachim Kleeberg, Stuttgart: „Im Compassionate Use Programm (CUP) kam von Anfang an ein proaktives Nebenwirkungsmanagement mit entsprechendem G-CSF-Support zum Einsatz, so dass die Rate an Nebenwirkungen wesentlich reduziert werden konnte“ (3). Die Sorge, dass Patienten die Behandlung mit Cabazitaxel nicht ausreichend gut vertragen, ist bei entsprechender Aufklärung und regelmäßi- Studienregister der Urologen Erstes Fachregister in Deutschland mit WHO-Akkreditierung Seit 2010 betreibt die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) ein nationales Register, in dem urologische Studien aus Deutschland erfasst werden. Jetzt hat das DGUStudienregister durch eine direkte Anbindung an das offizielle deutsche Primärregister der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Deutsche Register Klinischer Studien (DRKS), eine deutliche Aufwertung erfahren. Über das neue DGU-Studienregister wurde auch auf dem DGU-Kongress 2012 diskutiert. Als erste medizinische Fachgesellschaft Deutschlands hat die DGU einen Kooperationsvertrag mit dem DRKS geschlossen. „Ziel des Registers ist, dass sich Ärzte, Betroffene und potenzielle Studienpartner rasch und übersichtlich über die Studienaktivitäten in der Uro- logie umfassend informieren können“, betonte Prof. Bernd Wullich, der Leiter des DGU-Studienregisters und DGU-Vorstand für Forschungsförderung. Das Register ist als wichtigste Anlaufstelle für die Suche nach in Deutschland geplanten, laufenden und abgeschlossenen kli- gem Monitoring unbegründet, so Kleeberg. Er betonte, dass die Patienten im umfangreichen Aufklärungsgespräch über die zu erwartenden Nebenwirkungen wie Neutropenie und Diarrhö gut informiert würden und sich dadurch die Therapie von Anfang an gut und sicher führen lasse. Weitere Erfahrungen zeigen auch, dass die Sequenz – erst Abirateron und dann Cabazitaxel – nicht immer eine geeignete Option ist. Hier kann sich der Allgemeinzustand der Patienten nach Tumorprogression durch Abirateron-Versagen deutlich verschlechtern, so dass eine Weiterbehandlung mit dem Chemotherapeutikum nicht mehr erfolgen kann. Im Sinne der Prognoseverbesserung sollte der Einsatz der Chemotherapie beim CRPC so früh wie möglich erfolgen, meinte Kleeberg. Bettina Reich, Hamburg Literatur 1. de Bono JS et al. Lancet 2010; 376: 1147-1154. 2. Sartor O et al. J Clin Oncol 2011; 29(Suppl): Abstract 4525. 3. Heidenreich A et al. Eur Urol 2012; 11(Suppl): e128. Quelle: Satellitensymposium „Das metastasierte Prostatakarzinom – neue Therapieoptionen und ihre Chancen für die Patienten“ im Rahmen der Jahrestagungen der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) am 27. September 2012, Leipzig. Veranstalter: Sanofi-Aventis Deutschland, Berlin. nischen Studien in der Urologie im Internet unter www.dgu-studien.de zu finden. Über seinen öffentlichen und kostenfreien Zugang bietet das DGU-Register verschiedene Modi für die Suche nach urologischen Studien. Durch den Kooperationsvertrag wurde die vom DRKS übernommene und in das DGU-Register integrierte Suchmaske um zusätzliche Optionen erweitert. So kann der Nutzer die Suche auf spezielle Erkrankungen eingrenzen oder auch nach einem bestimmten Status der Rekrutierung von Studienteilnehmern filtern. Dadurch wird das DGU-Register auch für Patienten besonders interessant, die von dort an alle Informationen und Kontaktdaten gelangen, die für eine Anmeldung zur Studienteilnahme notwendig sind. Durch die unmittelbare Verbindung mit dem Deutschen Register Klinischer Studien, das am Universitätsklinikum Freiburg angesie- Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. DGU Kongressnachlese 279 delt ist, erfüllen alle über das DGU-Register angemeldeten Studien die Vorgaben der WHO. Von der neuen Partnerschaft profitieren indes beide Seiten. „Wir werden durch die steigende Anzahl bei uns registrierter Studien als eben- bürtiges, deutsches Pendant zum US-Studienregister ‚ClinicalTrials.gov‘ bekannter“, so die zuständige DRKS-Projektmanagerin Dr. Susanne Jena, Freiburg. Alle Studien aus Primärregistern werden automatisch in das Aktuelle Therapiestrategien beim mCRPC Sequenz unter Einbeziehung von Abirateron steigert Überleben „Während wir bis vor kurzer Zeit, dem Patienten mit einem kastrationsresistentem Prostatakarzinom außer Docetaxel nichts anbieten konnten, steigt die Anzahl der weiteren Therapieoptionen kontinuierlich an, sodass jetzt eine Sequenztherapie erfolgen kann“, sagte Prof. Kurt Miller, Berlin, auf einer Pressekonferenz. Wie sich dies direkt in einem längeren Überleben für den Patienten auswirkt, zeigt sich am Beispiel von Abirateron (Zytiga®). Mit Docetaxel wurde ein Gesamtüberleben von 19,2 Monaten erzielt (1). Eine aktuelle Auswertung der Zulassungsstudie von Abirateron zeigt, dass sich durch den sequenziellen Einsatz von Docetaxel und danach als Zweitlinientherapie Abirateron/Prednisolon das Überleben der Patienten, gemessen ab der ersten Docetaxelgabe, auf im Median 32,6 Monate verlängert (2). Abirateron bei asymptomatischen Patienten Wie die Entwicklung weiter gehen könnte, zeigt eine kürzlich vorgestellte Interimsanalyse der COUAA-302-Studie (3). Bei asymptomatischen oder nur mit milden Symptomen belasteten Chemotherapie-naiven Patienten wurde Abirateron in Kombination mit Prednisolon gegeben und bewirkte dadurch einen signifikanten Vorteil im radiologisch bestätigten progressionsfreien Überleben (rPFS). Die mediane-rPFS im Kontrollarm lag bei 8,3 Monaten, aber wurde im Abirateron-Arm noch nicht erreicht, da die Progression im Vergleich zum Kontrollarm langsamer stattfand. Miller betonte, dass dieser Effekt auf das rPFS in allen Subgruppen gleichermaßen ausgeprägt war und demzufolge unabhängig vom Alter, der Metastasierung sowie des PSA-Wertes war. Ebenfalls gab es einen starken Trend zum verlängerten Gesamtüberleben. Hinsichtlich der sekundären Endpunkte ließen sich deutliche Verbesserungen durch den frühen Einsatz von Abirateron erzielen: So wurde die Zeit bis zur PSA-Progression, zum Beginn der Chemotherapie, zum Krebsschmerzbeginn so- Sorafenib beim mRCC – ein Update Mittlerweile bestehen 6 Jahre klinische Erfahrung zum Einsatz des Tyrosinkinasehemmers (TKI) Sorafenib (Nexavar®) beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom (mRCC). Auf dem Urologenkongress 2012 wurde eine Bilanz gezogen. Inzwischen kann die Sequenztherapie des mRCC auf Grund der zahlreichen verfügbaren Substanzen an die individuelle Situation des Patienten angepasst werden. Hier besitzt Sorafenib laut Dr. Huber Kübler von der Urologischen Klinik der TU München einen hohen Stellenwert in der Zweitlinientherapie nach Sunitinib, die für eine Zytokintherapie nicht geeignet sind. In der AXIS-Studie wurde mit Sorafenib mit 16,5 Monaten eine vergleichbare Effektivität bei der Verlänger des Gesamt- ICTRP-Metaregister der WHO übernommen und stehen damit global zur Verfügung. red. Quelle: 64. Deutscher Urologen-Kongress vom 26. bis 29. September 2012, Leipzig. wie zur Verschlechterung des Leistungsstatus herausgezögert. Dies sind nach Ansicht des Berliner Urologen Daten, die sich direkt positiv auf das Leben der Betroffenen auswirken. Somit gibt es eine starke Rationale vor der Chemotherapie die CRPC-Patienten mit Abirateron/Prednisolon zu behandeln, um ihnen nicht nur letztendlich ein längeres sondern auch ein besseres Überleben zu ermöglichen. „Wir stehen in der Praxis oft vor der Frage, ob sich das asymptomatische Stadium nicht verlängern lässt“, bestätigte Priv.-Doz. Dr. Henrik Suttmann, Hamburg. Mit dem frühen Einsatz von Abirateron scheint diese Möglichkeit gegeben. Es ist geplant, den Antrag auf Zulassungserweiterung für Abirateron aufgrund dieser Ergebnisse bei Männern mit mCRPC ohne Chemotherapie im zweiten Halbjahr 2012 zu stellen. Bettina Reich, Hamburg Literatur 1. Berthold DR et al. J Clin Oncol 2012; 26: 242-245. 2. Goodman OB et al. J Clin Oncol 2012; 30(Suppl): Abstract 4558. 3. Ryan C et al. J Clin Oncol 2012; 30(Suppl): Abstract LBA4518. Quelle: Pressekonferenz „Zytiga®: Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinom im Wandel“ im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) am 27. September 2012, Leipzig. Veranstalter: Janssen-Cilag, Neuss. überlebens wie mit Axitinib (15,2 Monate) erreicht. Erste Auswertungen aus der INTORSECTStudie zeigen darüber hinaus, dass Sorafenib dem mTOR-Inhibitor Temsirolimus im Hinblick auf das gesamtüberleben überlegen ist (16,6 vs. 12,3 Monate; p = 0,014). Dr. Alexander Kretzschmar Quelle: Satellitensymposium „Bayer in der Urologie“ im Rahmen des 64. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. am 27 September, Leipzig. Veranstalter: Bayer HealthCare, Leverkusen. © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Internationale Literatur 280 Blasenkarzinom Lokale Rezidivrate nach Chemoradiotherapie Nach einer radikalen Bestrahlung erleiden 50% der Patienten mit Blasenkarzinom einen lokalen Rückfall. Begleitende platinbasierte Chemotherapien senkten die Rezidivrate, waren aber wegen ihrer Nebenwirkungen problematisch. James et al. setzten Mitomycin C und 5-FU als Radiosensitizer ein und verglichen die Ergebnisse von Bestrahlung und Chemoradiotherapie. Harnblasentumoren sind Erkrankungen des höheren Lebensalters. Sind Zystektomien kontraindiziert oder unerwünscht, ist bei einer Radio- und Chemoradiotherapie neben der lokalen Kontrolle der Erhalt von Nieren- und Blasenfunktion entscheidend. 360 Patienten nahmen an Phase-3-Studie mit Mitomycin C und 5-Fluorouracil (5-FU) als Alternative zu platinhaltigen Protokollen teil. In allen Fällen lag ein Blasenkarzinom im Stadium T2-T4a N0 M0 vor. Insgesamt 173 Patienten erhielten eine Bestrahlung. Diese erfolgte entweder in 20 Fraktionen mit einer Gesamtdosis von 55 Gy über einen Zeitraum von 4 Wochen oder in 32 Einzelsitzungen (Gesamtdosis 64 Gy; 6,5 Wochen). Weitere 173 Patienten erhielten zusätz- lich an Tag 1 der Bestrahlung Mitomycin C (12 mg/m2 iv. als Bolusinjektion) und an Tag 1–5 sowie 16–20 5-FU (500 mg/m2 als Dauerinfusion). Eine vorangegangene, platinbasierte Chemotherapie war erlaubt. Kontrollen erfolgten im ersten Jahr vierteljährlich, später jährlich. Eine Zystoskopie mit Kontrollbiopsie im Tumorbett nach 6 Monaten war vorgeschrieben. Die durchschnittliche Beobachtungszeit betrug 69,9 Monate. Signifikant weniger invasive Rezidive Das lokoregionale krankheitsfreie Überleben wurde durch den Einsatz der Radiosensitizer 100 Chemotherapie Patienten (%) 75 Radiotherapie 50 25 HR 0,57 (95% KI 0,37–0,90) p = 0,01 0 0 24 12 36 48 Monate nach Randomisierung 60 72 Abb. 1 Lokoregionales krankheitsfreies Überleben unter einer Chemoradiotherapie mit Mitomycin C und 5-FU plus Radiotherapie oder Radiotherapie allein signifikant verlängert. Nach 2 Jahren waren 67% Patienten mit Chemoradiotherapie und 54% der Bestrahlungsgruppe rückfallfrei. Dies entsprach einer Risikoabsenkung von 12% (HR für die Chemoradiotherapie 0,68; 95% KI 0,48–0,96; p = 0,03). Insbesondere die prognostisch besonders bedeutsamen invasiven Rezidive waren seltener (11% vs. 19,1%) (▶ Abb. 1). Nicht muskelinvasive Rückfälle kamen bei 14,3% und 16,9% (Chemoradiotherapie/Radiotherapie) und ein Befall der Beckenlymphknoten bei 4,9% und 6,7% der Erkrankten vor. Eine neoadjuvante Zytostase beeinflusste die Ergebnisse nicht. Zystektomien waren nach Chemoradiotherapie mit Mitomycin C und 5-FU tendenziell seltener notwendig. Innerhalb von 2 Jahren wurden 11,4% und 16,8% operiert (p = 0,07). Die günstigeren Ergebnisse der kombinierten Behandlung spiegelten sich in einem tendenziell, aber nicht statistisch signifikant besserem 5-Jahres-Gesamtüberleben wider (48% vs. 35%; p = 0,16). Nebenwirkungen (Grad 3 oder 4) waren während der Therapiephase bei der kombinierten Behandlung häufiger (36% vs. 27,5%). Dabei handelte es sich überwiegend um gastrointestinale Beschwerden. Nach 1 Jahr und im weiteren Verlauf unterschieden sich die Nebenwirkungsraten nicht (LENT/SOMA- und RTOG-Kriterien) und betrugen 16,9% und 16,0% (p = 0,91). Sexuelle Funktionsstörungen waren ausgenommen. Das Harnblasenvolumen wurde nur bei einem Fünftel der Patienten im Verlauf kontrolliert. Nach 1 und 2 Jahren waren die Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen nicht signifikant. Dr. med. Susanne Krome, Melle Literatur 1. James ND. Radiotherapy with or without chemotherapy in muscle-invasive bladder cancer. N Engl J Med 2012; 366: 1477–1488. Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Internationale Literatur 281 Vakzinationstherapie Gegen Krebs impfen – ein neues Kapitel in der Tumorbehandlung Nach der Etablierung der monoklonalen Antikörper wird mit den Antitumorvakzinen ein neues Kapitel in der Onkologie aufgeschlagen. Sie unterscheiden sich wesentlich in ihren Substraten, Angriffspunkten, der Anwendung und den bisherigen Erfolgen. Prof. Jeffrey Schlom vom National Cancer Institute der National Institutes of Health (NIH) in Bethesda/USA gibt einen Überblick über die aktuelle Datenlage. Das Prostatakarzinom gilt als der Prototyp für die Impftherapie bösartiger Tumoren. Während Chemotherapien mit ihrer direkten zytotoxischen Wirkung bei einer großen Tumormasse die stärkste Wirkung haben, sind die Vakzinen bei geringer Tumorlast wegen der begrenzten Zahl aktivierter Wirtszellen effektiver. Dies trifft für viele Prostatakarzinome zu. Auch weil die Immunantwort Zeit braucht, sind langsam wachsende Tumorentitäten geeigneter, um einen relevanten Effekt auf das Überleben zu erzielen. Sipuleucel-T ist der einzige Impfstoff, der bisher in den USA zur Behandlung des fortgeschrittenen, hormonrefraktären Prostatakarzi- Abb. 1 Medianes Gesamtüberleben unter Sipleucel-T im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Abb. 2 Medianes Gesamtüberleben unter PROSTVAC im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Medianes Gesamtüberleben (% Patienten) Prostatakarzinom als Prototyp noms zugelassen wurde. Die Substanz besteht aus immunkompetenten Zellen des Patienten. Die peripheren mononukleären Zellen werden mittels Leukapherese gewonnen, mit dem Tumorantigen PAP „geprägt“ und mit GM-CSF inkubiert. Das bedeutet, dass jeder Impfstoff individuell hergestellt wird. Die Impfung erfolgt dreimal wöchentlich (14-tägig). Verschiedene Phase-III-Studien zeigten ein im Vergleich mit Placebo geringeres Mortalitätsrisiko (HR = 0,78; 95% KI 0,61–0,98; p = 0,03) und ein verlängertes Gesamtüberleben (25,8 vs 21,7 Monate; p = 0,032) (▶ Abb. 1). Die progressionsfreie Zeit wurde nicht beeinflusst. 100 80 60 Sipuleucel-T 40 Kontrolle 20 0 0 12 24 36 48 60 48 60 Monate Medianes Gesamtüberleben (% Patienten) Der wesentliche Unterschied zwischen der Impfbehandlung und den Standardmethoden liegt in der Wirkung: Es erfolgt keine direkte Therapie der Tumorzellen, Ziel ist vielmehr die Modulation der körpereigenen Immunantwort auf die Erkrankung. Die Impfungen erfolgen mit Peptiden, Proteinen, rekombinanten Viren, veränderten Tumorzellen und antigenpräsentierenden Zellen, die allein oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen gegen tumorspezifische Antigene gerichtet sind. Ebenso vielfältig wie die Substanzen sind deren Zielzellen. Dies können beispielsweise Onkoproteine (HER2/neu- oder ras-Antigene), onkofetale Antigene (CEA), Gewebezellen (PSA) oder Viren (HCV, HPV) sein. Zahlreiche klinische Studien untersuchen derzeit die Wirkung von Impfstoffen bei malignen Melanomen, dem Prostatakarzinom, Bronchialkarzinom, gastroenterologischen und hämatologischen Neoplasien. Vergleichbare Resultate ergaben sich aus einer Multicenterstudie zu PROSTVAC. Dieser Impfstoff besteht aus rekombinanten Vacciniaund Hühnerpockenviren, die PSA und immunstimulatorische Moleküle exprimieren (PSATRICOM). Auch für PROSTVAC ergab sich in einer Untersuchung mit 125 minimal symptomatischen Patienten mit fortgeschrittenen hormonrefraktären Prostatakarzinomen eine verlängerte Überlebenszeit (25,1 vs. 16,6 Monate; p = 0,006) (▶ Abb. 2), aber keine Progressionsverzögerung. Sowohl Sipuleucel-T als auch PROSTVAC sollen keine schweren Nebenwirkungen gehabt und die Lebensqualität der Patienten verbessert haben. Bei anderen Tumorentitäten waren die Behandlungsergebnisse inkonsistenter. Ein Peptid-Impfstoff zur Behandlung des malignen Melanoms war in einer Phase-III-Studie in Kombination mit Interleukin-2 wirksamer als die Monotherapie mit höheren Ansprechraten und einer verlängerten Überlebenszeit. Dies bestätigten unabhängige Phase-II-Studien nicht. Ebenfalls widersprüchliche Ergebnisse hätten Untersuchungen zur Antiidiotyp-Vakzine für Patienten mit follikulären Lymphomen. An der Studie mit einem positiven Ergebnis nahmen überwiegend Patienten mit einer geringen Tumorlast teil. 100 80 60 PROSTVAC 40 Kontrolle 20 0 0 12 © Schattauer 2012 24 36 Monate Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Internationale Literatur 282 Brauchen wir neue Remissionskriterien? Die Beobachtung verlängerter Überlebenszeiten bei gleichzeitig unverändertem progressionsfreiem Intervall führten zu der Überlegung, ob konventionelle Remissionskriterien zur Beurteilung eines Impferfolgs adäquat sind. Klassische Instrumente wie die RECIST-Kriterien könnten den Fortschritt durch die Impfstoffe geradezu „paralysieren“, da sie sich primär an der Verkleinerung des Primärtumors orientierten. Allgemeine Vereinbarungen seien dafür schwer zu treffen. Dies gilt auch für die Auswahl der Patienten, die von einer Vakzinierung profitieren könnten. Für den Therapieerfolg sind viele Kofaktoren bedeutsam wie beispielsweise die antigene Heterogenität innerhalb der Tumormasse, immunsuppressive Stoffe im Mikromilieu oder der interstitielle Druck. Es zeichnet sich aber bereits ab, dass in Analogie zur Polychemotherapie auch die Impfbehandlung maligner Erkrankungen in Zukunft möglicherweise als Kombinationstherapie erfolgen wird. Präklinische Studien hatten eine stärkere Immunantwort durch die zusätzliche Gabe von Immunstimulanzien, Immunsuppressoren oder verschiedener Impfstoffe gezeigt. Die klinische Evidenz wächst, dass Vakzine und konventionellen Behandlungsformen synergistische oder additive Effekte haben könnten. Derzeit wird die Impfung mit PROSTVAC in Kombination mit Docetaxel, Paclitaxel oder einem Radionuklid geprüft. Die EOCG (Eastern Cooperative Oncology Group) hat eine Studie für das Prostatakarzinom initiiert, die eine Docetaxel-Monotherapie mit Docetaxel/PROSTVAC vergleicht. In einer placebokontrollierten Phase-III-Studie wird PROSTVAC allein oder in Kombination mit GM-CSF bei Patienten mit asymptomatischem oder minimal symptomatischen kastrationsresistentem Prostatakarzinom untersucht. Primärer Studienendpunkt ist das Gesamtüberleben. Die Daten werden Ende 2014/2015 erwartet. Dr. med. Susanne Krome, Melle Literatur 1. Schlom J. Therapeutic cancer vaccines: Current status and moving forward. J Natl Cancer Inst 2012; 104: 1–15. UroOnkologie Tomotherapie Innovationsschub in der Strahlentherapie Mit dem TomoTherapy-System erreicht die Strahlentherapie ein Sicherheits- und Qualitätsniveau, das gegenüber den herkömmlichen Bestrahlungstechniken einen großen Fortschritt markiert. Mithilfe dieser Techniken können in vielen Fällen nebenwirkungsträchtige Pharmakotherapie in der Erstlinientherapie, aber auch bei der Rezidivbehandlung vermieden werden, unterstrich Prof. Eric Lartigau, Lille/Frankreich, auf dem ESTRO 31. Die Tomotherapie ist eine Entwicklung der Universität von Madison/USA und besteht aus einer Kombination aus Linearbeschleuniger und Computertomografie (CT). Mit dem neuen Gerät können wir auch sehr ungünstig liegende Tumore, die bisher nicht erreichbar waren, sehr präzise zerstören und gesundes Gewebe schonen, bestätigte Euan S. Thomson, CEO der Herstellerfirma Accuray, Sunnyvale/USA. Die Lage von Organen und der Tumore verändern sich ständig. „Der Mensch ist kein statisches System, das müssen wir besser als bisher berücksichtigen“, mahnte Lartigau. Beispielsweise verschiebt sich die Prostata je nach Blasenfüllung um bis zu zwei Zentime- tern und schrumpft während der Therapie. Bei der herkömmlichen Strahlentherapie des Prostatakarzinoms geraten auf diese Weise auch Teile des Darms in den Strahlengang, schmerzhafte Darmreizungen können die Folge sein, im schlimmsten Fall sogar irreversible chronische Entzündungen. jedem Beschuss ein Schichtbild mit aktueller Größe und Lage der Geschwulst. Die Strahlendosis kann dabei individuell an die Tumordichte angepasst werden. Mit dem Tomotherapiesystem lassen sich ebenfalls mehrere Tumorherde und Metastasen in einem Arbeitsgang bestrahlen. Je nach Tumor dauert die Bestrahlung zwischen fünf und 20 Minuten. IMRT und Tomotherapie werden als Regelleistungen der GKV erstattet. Mittlerweile wird die Versorgung mit der Tomotherapie in Deutschland kontinuierlich dichter. Neben den Vorzeige-Institutionen wie dem DKFZ Heidelberg und der Berliner Charité sind inzwischen zahlreiche weitere Universitätsklinken mit dem System ausgerüstet. Dr. Alexander Kretzschmar, München Quelle: Pressekonferenz und Symposium im Rahmen des Jahreskongresses der Europäischen Gesellschaft für Strahlentherapie und Onkologie (ESTRO 31) vom 10. bis 11. Mai 2012, Barcelona. Veranstalter: Accuray Inc., Sunnyvale/USA. Vor jeder Bestrahlung ein neues Schichtbild Die Tomotherapie berücksichtigt diese Veränderungen während der Bestrahlung an. Das TomoKnife erstellt mit dem integrierten CT vor Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. UroOnkologie 283 Hormonsensitives metastasiertes Prostata-Ca Vorteile bei kontinuierlicher Behandlung Patienten mit nicht-vorbehandeltem metastasiertem Prostatakarzinom und geringer Tumorausbreitung sollten sich nach aktuellen Studiendaten für eine kontinuierliche Androgenblockade entscheiden, auch wenn dies die Lebensqualität schmälern könnte. An der auf dem ASCO 2012 vorgestellten Phase-III-Studie haben 1500 Männer mit hormonsensitivem fortgeschrittenem Prostatakarzinom teilgenommen, die nach erfolgreicher Hormontherapie (7 Monate Goserelin + Bicalutamide) entweder intermittierend oder fortlaufend antihormonell weiterbehandelt wurden. Die Subgruppe der Patienten mit minimal disease profitierten signifikant von einem kontinuierlichen Androgenentzug mit einem medianen Gesamtüberleben (OS) von 7,1 Jahren im Vergleich zu 5,2 Jahren bei intermittierender Therapie. Die Autoren wiesen darauf hin, dass bei intermittierender Behandlung nur die Hälfte der Antiandrogene appliziert wird. Ein neuer Spieler beim Nierenzellkarzinom Effektive Zweitlinientherapie mit Axitinib Der Therapie-Algorithmus beim metastasierten Nierenzellkarzinom (mRCC) unterliegt derzeit wegen der Zulassung mehrerer molekular zielgerichteter Substanzen einem raschen Wandel. Seit September 2012 steht eine weitere Substanz zur Verfügung: Der VEGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Axitinib ist zur Zweitlinientherapie von mRCC-Patienten nach Versagen einer Zytokin- oder Sunitinib-Therapie indiziert. Axitinib (Inlyta®) ist ein oral verfügbares „small molecule“, das sich bereits präklinisch als sehr potenter Hemmstoff der VEGF-Rezeptoren 1, 2 und 3 erwies. Den bisher zugelassenen VEGFR-TKIs ist er hinsichtlich inhibitorische Wirkung um mehrere Zehnerpotenzen überlegen. „Das ist eine ganz andere Kategorie der VEGFR-Hemmung als mit den älteren Substanzen“, kommentierte Priv.-Doz. Dr. Viktor Grünwald, Hannover, auf der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie. Auch Phase-II-Daten weisen Axitinib als potente Substanz in der mRCC-Behandlung aus: Nach einer medianen Beobachtungszeit von 5,9 Jahren wurde ein Zeitraum bis zur Progression von 15,7 Monaten und ein Gesamt-Überleben von knapp 30 Monaten berechnet (1). Die 5-Jahres-Überlebensrate betrug 20,8%. In der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie AXIS zeigte Axitinib jetzt eine überlegene Wirksamkeit im Vergleich zum Zweitlinienstandard Sorafenib (2). Sie schloss 723 Patienten ein, die mit Zytokinen oder Sunitinib, vereinzelt auch mit Temsirolimus oder Bevacizumab/Interferon, vorbehandelt waren und zu Sorafenib oder Axitinib 5 mg /bid randomisiert wurden. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben, das durch Axitinib um zwei Monate verlängert werden konnte: Mit Sorafenib behandelte Patienten überlebten median 4,7 Monate ohne Progress, Patienten im Axitinib-Arm dagegen 6,7 Monate (HR 0,665; p<0,0001). Der Zweitgenerations-TKI erwies sich auch in den verschiedenen Subgruppen als eindeutig effektiver: So wurde das progressionsfreie Überleben bei den mit Zytokinen vorbehandelten Patienten durch Axitinib fast verdoppelt (12,1 vs. 6,5 Monate; HR 0,464; p<0,0001). Selbst nach Vortherapie mit dem TKI Sunitinib ergab sich ein signifikanter Benefit von 1,4 Monaten zu Gunsten von Axitinib (4,8 vs. 3,4 Monate; HR 0,741; p = 0,0107). Ein bemerkenswertes Ergebnis dieser Studie ist auch, dass bei Patienten mit ausgedehnter Fernmetastasierung kein Überlebensvorteil durch kontinuierliche Hormontherapie erzielt werden konnte (medianes OS 4,4 Jahre bei kontinuierlicher Gabe vs. 5,0 Jahre bei intermittierender Therapie), was nach Einschätzung der Studienautoren auf Unterschiede in der Tumorbiologie hinweist. Insgesamt kommen die Autoren dieser Studie zu dem Schluss, dass die IAD der kontinuierlichen Hormonblockade unterlegen ist und in der geprüften Indikation nicht angeboten werden sollte. Dr. Beate Grübler, Hannover Literatur 1. Hussain M et al. J Clin Oncol 2012; 30 (suppl; abstr 4). Auch die Responserate als sekundärer Endpunkt wurde verdoppelt: von nur 9,4% mit Sorafenib auf 19,4% mit Axitinib (p<0,001). Die Daten der AXIS-Studie machen klar, dass die Umstellung auf ein anderes Wirkprinzip nach Versagen eines TKI in der First-lineTherapie nicht zwingend ist: „Bei Einsatz eines zweiten TKI in der Folgetherapie erreicht man erneut ein relevantes Ansprechen und progressionsfreies Überleben“, kommentierte Prof. Jochen Casper, Oldenburg. Axitinib wird laut Grünwald insgesamt gut vertragen: Eventuelle Nebenwirkungen sind gut zu beherrschen. Im Vergleich zu Sorafenib waren Hypertonie und Stimmstörungen häufiger. Dagegen traten das für Patienten belastende Hand-Fuß-Syndrom sowie Anämie und Alopezie seltener auf. Die Zulassung von Axitinib als weiterem Spieler in der Zweitlinientherapie des mRCC verbessert zukünftig die Sequenztherapie bei diesem Tumor, resümierte Grünwald. Dr. Katharina Arnheim, Freiburg Literatur 1. Motzer R et al. ASCO 2011; Abstr. #4547. 2. Rini BI et al. Lancet 2011; 378: 1931-1939. Quelle: Pressekonferenz “Wirksam weiter therapieren: Axitinib neu in der Zweitlinie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mRCC)“ im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie, Stuttgart, 21. Oktober 2012; Veranstalter: Pfizer Oncology, Berlin. © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 285 Klinischer Standpunkt zur Kieferosteonekrose Osteonekrose des Kiefers durch osteoprotektive Medikamente I. J. Diel Schwerpunktpraxis für Gynäkologische Onkologie, Mannheim Schlüsselwörter Knochenmetastasen, Bisphosphonate, Denosumab, Osteoprotektion, Kieferosteonekrosen Zusammenfassung Osteoprotektive Medikamente (Bisphosphonate und RANKL-Antikörper) sind integrale Bestandteile der Therapie von Knochenmetastasen. Osteoprotektiva reduzieren die Zahl skelettaler Komplikationen, wie Hyperkalzämie, Frakturen und Knochenschmerzen, bzw. verzögern deren Auftreten. Das entscheidende Therapieziel ist die Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Patienten. Während Bisphosphonate seit ca. 25 Jahren eingesetzt werden, steht der RANKL-Antikörper in der Onkologie erst seit 2011 zur Verfügung. Beide Substanzklassen sind durch unterschiedliche Nebenwirkungen gekennzeichnet, teilen allerdings das Risiko für das Auftreten von Kieferosteonekrosen (ONJ). In drei großen Phase-III-Studien mit 5723 Patienten mit soliden Tumoren und Knochenmetastasen oder multiplem Myelom wurden zum ersten Mal prospektiv Daten zur Inzidenz von ONJ gewonnen. Die Patienten wurden entweder mit Zoledronsäure oder Denosumab über median 17 Monate behandelt. Obwohl die Häufigkeit von ONJ im Bisphosphonatkollektiv numerisch unter der der Denosumabgruppe lag (37 vs. 52) waren Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Ingo J. Diel Schwerpunktpraxis für Gynäkologische Onkologie Quadrat P 7, 16–18 68161 Mannheim E-Mail: [email protected] die Ergebnisse statistisch nicht signifikant unterschiedlich und lagen zwischen 1,3 und 1,8 %. Weitere Untersuchungen mit osteoprotektiven Medikamenten in der adjuvanten Situation legen nahe, dass die Inzidenz mit der „onkologischen Dosierung“ zu einer Steigerung von Kieferosteonekrosen um 1–1,5 % pro Behandlungsjahr führt. Die Jahresdosis zur Behandlung von Knochenmetastasen liegt um den Faktor 10–12 höher als in der Therapie der Osteoporose. Derzeit sind von vielen Fachgesellschaften Leitlinien und Empfehlungen zur Vermeidung und Therapie von Kieferosteonekrosen formuliert und publiziert worden. Ob die Berücksichtigung prophylaktischer Maßnahmen zu einer Reduktion der Erkrankungshäufigkeit führen wird, muss prospektiv in zukünftigen Studien untersucht werden. Osteonecrosis of the jaw in osteooncology Nachdruck aus: Osteologie 2012; 21: 193–200 fractures and bone pain, or delay their manifestation significantly. The major goal of this therapy is the improvement of the patients‘ quality of life. While bisphosphonates have been used for approximately 25 years, the RANKL-antibody denosumab has been labeled in oncology only since 2011. Both classes of substances are characterized by different side effects, but share the risk for the occurence of osteonecrosis of the jaw (ONJ). In the last two years, for the first time, data for the incidence of ONJ were prospectively generated in three large phase-III studies including 5,723 patients with solid tumors and bone metastases or multiple myeloma. The patients were treated with either zoledronic acid or denosumab for a median of 17 months. Though the frequency of ONJ in the bisphosphonate group was numerically lower compared with the denosumab group (37 vs. 52), the results were statistically not different and were between 1.3 % and 1.8 %, respectively. Further studies with osteoprotective drugs in adjuvant treatment in oncology suggest that using the „tumor-dose“ leads to an increase of 1–1.5 % per annum in the incidence of ONJ. The annual dose for the treatment of bone metastases is approximately 10–12 higher than in the therapy of the osteoporosis. At present, many scientific societies have generated and published guidelines and recommendations for the avoidance and therapy of ONJ. Whether prophylactic measures will lead to a reduction of the morbidity of ONJ, should be investigated prospectively in future studies. skelettale Läsionen nachgewiesen werden (▶Tab. 1). Wenn man davon ausgeht, dass die Zahl für die Mortalität durch Brustkrebs in Deutschland bei 18 000 Frauen pro Jahr liegt, dürfte die Prävalenz bei einer durchschnittlichen Überlebenszeit von drei Jahren nach Diagnose der Metastasierung bei circa 36 000 bis 40 000 Fällen liegen. Die gleichen Zahlen gelten für Männer mit Prostatakarzinom und Patienten, die von Keywords Bone metastases, bisphosphonates, Denosumab, osteonecrosis of the jaw, ONJ, osteoprotection Summary Osteoprotective drugs (bisphosphonates and RANKL-antibodies) are integral components of the treatment of metastatic bone disease. Osteoprotective medications reduce the number of skeletal complications, like hypercalcemia, Onkologische Welt 2012; 3: 285–292 Knochenmetastasen im Verlauf von Tumorerkrankungen sind häufig. Bei ca. 75 Prozent aller Patienten, die am Mamma- oder Prostatakarzinom versterben, können radiologisch oder autoptisch © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 286 I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie anderen soliden Tumoren betroffen sind. Grob geschätzt leben in Deutschland 120 000 Menschen mit Knochenmetastasen (in Ermangelung eines flächendeckenden Krebsregisters sind die Zahlen zur Prävalenz geschätzt und nach den Mortalitätsziffern des statistischen Bundesamtes hochgerechnet). Da die Therapien bei Patienten im metastasierten Stadium immer erfolgreicher geworden sind, muss man bei verlängerten Überlebenszeiten mit einer Steigerung der Prävalenz rechnen. Zur Pathogenese der Knochenmetastasierung Knochenmetastasen entstehen wie andere Metastasen auch, haben aber einige Besonderheiten, die bei anderen Absiedlungen nicht bekannt sind bzw. unterschiedlichen Abläufen folgen. Zunächst gibt der Primärtumor Zellen in nutritive Gefäße ab. Manche Karzinome tun dies in einem sehr frühen, klinisch inapparenten Stadium (z. B. Mammakarzinome). Der Ablauf der Tumorzellaussaat ist noch ungenügend erforscht. Man weiß aber, dass der Vorgang sehr ineffektiv ist, denn nur wenige der abgegebenen Zellen besitzen metastatische Tab. 1 Häufigkeit von Knochenmetastasen im fortgeschrittenen Tumorstadium und deren typische Komplikationen (skeletal related events = SREs) Table 1 Frequency of metastatic bone disease in advanced tumour stage and its typical complications (skeletal related events = SREs) Inzidenz von Knochenmetastasen Mammakarzinom 65–75 % Prostatakarzinom 65–75 % multiples Myelom 70–95 % Nierenzellkarzinom 30–50 % Bronchialkarzinom 30–40 %1 Typische Komplikationen Knochenschmerz ~50–90 % pathologische Frakturen 10–40 % spinale Kompressionssyndrome <5% Hyperkalzämie < 10 %2 1Coleman 2Diel RE. Cancer 1997; 80: 1588–1594; I. Semin Oncol 2001; 28: 75–80 Potenz. Die meisten gehen zugrunde, oder werden vom Immunsystem erfolgreich bekämpft (1, 2). Es ist bekannt, dass Tumorzellen, die im Knochenmark nachweisbar sind, in dieser fremden Umgebung über Jahre als sogenannte „dormant cells“ persistieren können, um eines Tages ihr zerstörerisches Werk zu vollbringen. Was die Tumorzellen virulent werden lässt, ist unbekannt. Manche Forscher vermuten, dass Tumorzellen auf einem niedrigen Proliferationsniveau verweilen und in ihrem Wachstum von T-Zellen eingedämmt werden, bis dieser immunologische Schutz aus unterschiedlichen Gründen zusammenbricht und unkontrolliertes Wachstum zulässt. Viele Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass es sich bei diesen Zellen um Tumorstammzellen handelt, die in „Nischen“ eingebettet der körpereigenen Abwehr entzogen sind. Die Zerstörung des Knochens durch Metastasen Sind die Schranken der Tumorsuppression durchbrochen, arbeiten Wirtsorganismus und Tumorzelle bei der Entstehung von Knochenmetastasen eng zusammen. Wie in einem „Circulus vitiosus“ unterstützen sich Tumorzellen und Knochen und stehen in einem ständigen „malignen“ Dialog miteinander (▶Abb. 1) (3, 4). Mit einfachen Worten beschrieben geschieht folgendes: In ihrer Proliferation nicht mehr eingeschränkte metastatische Zellen sezernieren osteoklastenaktivierende Substanzen (PTHrP, IL-1/6/8/11, TNF, M-CSF, Prostaglandine und viele andere). Diese Fähigkeit ist vermutlich genetisch determiniert. Die bekannteste parakrin sezernierte Substanz ist das parathormonähnliche Peptid (PTHrP). PTHrP bindet an den PTHRezeptor des Osteoblasten. Dieser wiederum gibt RANK-Ligand ab, der an den RANK (Receptor activator of nuclear factor kB) am Osteoklasten bindet und sowohl die Fusion der Precursorzellen und die Aktivität der knochenabbauenden Zellen steigert. Gleichzeitig ist der regulierende Einfluss von Osteoprotegerin (OPG) herabgesetzt. Aktivierte Osteoklasten resorbieren den Knochen (Tumorzellen selbst können das nicht) und schaffen Raum für das Tumorgewebe. Beim Abbau der Knochenmatrix werden zuvor eingelagerte Wachstumsfaktoren freigesetzt (z.B. TGFBeta, IGF, PDGF und viele andere), die einen proliferationsfördernden Einfluss auf die metastatischen Zellen haben. Auf diese Art und Weise schafft sich die Metastase den Raum, in den sie sekundär infiltrieren kann (1, 3, 4). Durch die Entschlüsselung dieses Mechanismus sind aber auch neue Wege der Therapie eröffnet worden, die der Zerstörung des Knochens entgegenwirken. Zur Gruppe der Medikamente, die die Lebenserwartung und Reifung der Osteoklasten oder deren Funktion einschränken, zählen nicht nur die Bisphosphonate, sondern in jüngster Zeit auch humane monoklonale Antikörper, die wie Osteoprotegerin RANKL blockieren, oder wie Kathepsin-K-Inhibitoren und Src-Kinase-Hemmer Teilfunktionen der Osteoklasten außer Kraft setzen können. Klinik der ossären Metastasierung Knochenmetastasen verweisen nicht nur, wie andere Metastasen auch, auf die Inkurabilität der Erkrankung, sie gehen auch mit typischen Komplikationen einher (▶Tab. 1). Im Vordergrund steht der Knochenschmerz, der oft zur Diagnose führt und im Verlauf der Erkrankung zum größten klinischen Problem werden kann. Fast alle Patientinnen (> 90 %) erleben zumindest eine behandlungsbedürftige Episode mit heftigen Knochenschmerzen. An zweiter Stelle der Komplikationen stehen pathologische Frakturen; Brüche die spontan oder nach Bagatelltraumen auftreten (10–20 %). Eine besondere Komplikation im Zusammenhang mit pathologischen Frakturen und Weichteilinfiltrationen stellt das spinale Kompressionssyndrom dar (< 5 %). Nach Frakturen der Wirbelkörper treten typischerweise Einklemmungen des Rückenmarks oder der Spinalnerven auf. Diese Komplikation ist als absoluter Notfall zu betrachten und erfordert die umgehende operative Dekompression und Stabilisierung, gefolgt von einer Strahlentherapie. Bei protrahierten Verläufen kann eine Radiotherapie alleine ausreichend sein. Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie Eine weitere Komplikation, die vor vielen Jahren noch sehr häufig auftrat, ist inzwischen, zumindest beim Mammakarzinom, zu einer Rarität geworden: die Hyperkalzämie. Eine metabolische Störung, die mit vielen Symptomen einhergehen kann (Elektrolytverschiebungen, zentralnervöse Komplikationen u. a.) und unbehandelt zum Tod führt. Der breite und frühe Einsatz der Bisphosphonate hat zu einer signifikanten Senkung der Inzidenz der Hyperkalzämie geführt. Eine letzte ossäre Komplikation stellt die Verdrängungsmyelopathie dar, bei der es zu einer Okkupation des Knochenmarks durch Tumorzellen kommt. Daraus resultieren häufig Anämie, Leukopenie und Thrombozytopenie mit den entsprechenden Folgen. Therapieziele bei ossären Metastasen Weitaus häufiger als bei viszeraler Metastasierung erfordert die Behandlung skelettaler Läsionen die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Neben Onkologen, Strahlentherapeuten und Nuklearmedizinern sind auch Chirurgen, Orthopäden und Schmerztherapeuten gefordert und eingebunden. Zwei Therapieoptionen werden unterschieden. Lokale Maßnahmen, wie Strahlentherapie und Operationen, sowie systemische Behandlungsformen, wie antihormonelle Medikation, Chemotherapie und die Anwendung von Bisphosphonaten, RANKL-Antikörpern und Radionukliden. Die im folgenden genannten Therapieziele können nur dann erreicht werden, wenn neben der systemischen tumortoxischen Therapie auch eine suffiziente knochenmetastasentypische Schmerztherapie oder zum richtigen Zeitpunkt die Kombination mit lokalen Behandlungen (Radiotherapie, OP) erfolgt. Das Ziel aller Therapiemaßnahmen bei Knochenmetastasen ist die Reduktion sogenannter skelettaler Komplikationen. In klinischen Studien zur Effektivität von Bisphosphonaten (BP) und RANKL-Antikörpern wird der Einsatz der Strahlentherapie und operativer Techniken ebenso als skelettale Komplikation (SRE) gewertet. Beide sind aber Surrogatparameter für Abb. 1 Der „Circulus vitiosus“ der Knochenzerstörung durch Tumorzellen und Osteoklasten; nach G. Mundy Fig. 1 The “vicious cycle“ of bone destruction through tumour cells and osteoclasts; based on G. Mundy Knochenschmerz und drohende bzw. eingetretene Frakturen. Die Vermeidung solcher Komplikationen führt nicht nur zu einer Verbesserung der Lebensqualität, sondern trägt auch zur Verlängerung der Überlebenszeit durch Vermeidung von Immobilität und Hospitalisierung bei. Bisphosphonate in der Onkologie Bisphosphonate werden unabhängig vom Applikationsweg am Kalziumapatit der mineralisierten Knochenmatrix angelagert (30–70 %) oder unmetabolisiert über Niere und Faeces ausgeschieden. In Regionen mit gesteigertem „Bone Turnover“ ist die Aufnahme besonders hoch (Prinzip der Skelettszintigrafie mit an Technetium gebundenen biologisch wenig aktiven Bisphosphonaten). Osteoklasten nehmen mit Mikrosequestern aus der Knochenmatrix Bisphosphonate auf. Diese wiederum induzieren im Osteoklasten die beschriebenen Funktionsstörungen und apoptotischen Vorgänge (5–7). Vereinfacht gesagt haben Bisphosphonate zwei Effekte: Sie schützen das verblie- bene Skelett vor weiterer Zerstörung (Osteoprotektion) und sie wirken schmerzlindernd und haben damit einen enormen Einfluss auf die Lebensqualität. In der Onkologie kommen derzeit vier Bisphosphonate zum Einsatz: Clodronat, Pamidronat, Ibandronat und Zoledronat. In dieser Reihenfolge wächst die Affinität zum Knochen und auch die biologische Wirksamkeit, ohne dass damit eine klinisch bessere Effektivität verbunden sein muss. Behandlung von Metastasen mit Clodronat Clodronat zählt zu den Bisphosphonaten der ersten Generation und kann intravenös (1500 mg/über 4 Stunden alle drei bis vier Wochen) oder oral (1600 mg/d oder 1040 mg/d) verabreicht werden. Die intravenöse Anwendung wird aber wegen der langen Infusionszeit und der großen Molekülmenge selten genutzt. Im Gegensatz zu allen anderen in der Onkologie gebräuchlichen Bisphosphonaten ist Clodronat kein Amino-Bisphosphonat und besitzt einen anderen Wirkmechanismus sowie ein an- © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 287 288 I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie Behandlung von Knochenmetastasen mit Ibandronat Abb. 2 Verbesserung der Lebensqualität durch intravenöses Ibandronat (6 mg/3–4w) vs. Placebo (gemessen mit dem EORTC QLQ 30); (14) Fig. 2 Improvement of quality of life through intravenous ibandronate (6 mg/3–4w) vs. placebo (measured with EORTC QLQ 30); (14) deres Nebenwirkungsprofil als ein AminoBP (7). Clodronat ist zugelassen zur Behandlung der Hyperkalzämie und von Osteolysen durch Metastasen solider Tumoren (z. B. Mamma-, Prostata- und Schilddrüsenkarzinomen) oder hämatologischer Neoplasien. Damit verfügt Clodronat, neben intravenösem Zoledronat, über eine generelle Zulassung zur Behandlung von Knochenmetastasen unterschiedlichen Ursprungs (8). Clodronat ist nicht zugelassen zur Behandlung einer Osteoporose. Orales Clodronat ist nebenwirkungsarm. Typisch sind gastrointestinale Störungen, insbesondere Durchfälle (in ca. 10–20 %). Kieferosteonekrosen, Nierenschäden und Akute-Phase-Reaktionen sind unbekannt bzw. extrem selten. Behandlung von Knochenmetastasen mit Pamidronat Seit vielen Jahren zählt das erste AminoBisphosphonat Pamidronat, zur Standardtherapie ossär metastasierter Karzinome. Da sich die orale Therapie als zu toxisch erwiesen hatte, wurde es in Deutschland, wie in den meisten Ländern nur in intravenöser Form genutzt (90 mg über zwei Stunden, alle drei bis vier Wochen). Pamidronat ist zugelassen zur Therapie der Hyperkalzämie und der Behandlung von Osteolysen, verursacht durch Mammakarzinome und durch multiple Myelome (9, 10). Pamidronat hat folgende klinisch relevante Nebenwirkungen: Akute-Phase-Reaktion, Nephrotoxizität (selten) und Osteonekrosen der Kieferknochen. Abb. 3 Reduktion der Knochenschmerzen durch intravenöses Ibandronat (6 mg/3–4w) vs. Placebo; (13) Fig. 3 Reduction of bone pain through intravenous ibandronate (6 mg/3–4w) vs. placebo; (13) Ibandronat ist ein hochpotentes AminoBisphosphonat der dritten Generation, das in intravenöser Form (6 mg alle drei bis vier Wochen) und oral (50 mg/d) eingesetzt werden kann. Typisch für die Substanz sind die gute Verträglichkeit und die geringe Häufigkeit unerwünschter Wirkungen. Ibandronat ist zur Behandlung der Hyperkalzämie und zur Reduktion skelettaler Komplikationen bei Patientinnen mit ossär metastasiertem Mammakarzinom zugelassen (11–13). Es existieren sehr gute Daten zur Schmerzreduktion und zur Verbesserung der Lebensqualität (▶Abb. 2 und ▶Abb. 3). Typische Nebenwirkungen für intravenöses Ibandronat sind Akute-PhaseReaktionen (< 20 %) und Kieferosteonekrosen. Bei oralem Ibandronat sind gastrointestinale Nebenwirkungen erwähnenswert (< 10 %) und selten Kieferosteonekrosen. Behandlung von Knochenmetastasen mit Zoledronat Zoledronat ist eines der potentesten Bisphosphonate in der Onkologie und wurde aus ethischen Gründen in den relevanten Zulassungsstudien nicht mehr gegen Placebo getestet, sondern gegen 90 mg Pamidronat. Nur eine kleine placebokontrollierte Studie aus Japan liegt vor, die den Unterschied deutlich hervorteten lässt (▶Abb. 4). Zoledronat ist ein Aminobisphosphonat, das in einer Dosierung von 4 mg alle vier Wochen infundiert wird (14). Zoledronat ist das Bisphosphonat mit dem breitesten Zulassungsspektrum und kann zur Reduktion von Skelettkomplikationen durch Knochenmetastasen jeglicher Tumorentität oder beim muliplen Myelom und bei der Hyperkalzämie eingesetzt werden (14–16). Typische Komplikationen bei der Anwendung von Zoledronat sind Akute-Phase-Reaktionen (in ca. 30 %), Kieferosteonekrosen und Nierenschäden (obligatorisch: Bestimmung der Kreatinin-Clearance vor Anwendung). Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie Empfehlungen zum Einsatz von Bisphosphonaten Behandlung von Knochenmetastasen mit Denosumab Bei akuten Komplikationen, wie starkem Knochenschmerz und Hyperkalzämie, zeigen intravenöse Bisphosphonate eine schnellere und bessere Effektivität als orale. Bei asymptomatischen und oligosymptomatischen Knochenmetastasen kann neben der Intervalltherapie auch eine orale Dauertherapie erfolgen. Auch wenn die Evidenz dafür nicht gegeben ist, sollte eine Bisphosphonattherapie sofort nach Diagnose einer Skelettmetastasierung begonnen und lebenslang fortgeführt werden. Eine Resistenzbildung gegen Bisphosphonate ist nicht bekannt. Zur Behandlung der Tumortherapie-induzierten (TTI) Osteoporose (insbesondere bei Androgen- und Östrogenentzug) können prinzipiell alle Bisphosphonate genutzt werden, (aber nur Etidronat, Alendronat, Risedronat, Ibandronat und Zoledronat haben die Zulassung zur Behandlung der Osteoporose), wobei die Dosierung bei den beiden letztgenannten erheblich geringer ist als in der Onkologie (z. B. Zoledronsäure 5 mg vs. 48 mg) (17). Denosumab zeigte in drei großen randomisierten Vergleichsstudien (n = 5723) eine signifikant verbesserte Effektivität in der Reduktion skelettaler Ereignisse im Vergleich zu Zoledronat bei Patienten mit ossär metastasiertem Mammakarzinom, Prostatakarzinom und mit soliden Tumoren/multiplem Myelom (▶Abb. 5). Die Wirksamkeit zeigt sich auch in der Reduk- RANKL-Antikörper (Denosumab) in der Onkologie Schon bald nach der Entdeckung des RANK/RANKL/OPG-Systems Mitte der 90er-Jahre wurden die ersten rekombinanten Proteine zur Hemmung des Signalweges entwickelt. Aber erst die Entwicklung von Denosumab, das sich als effektiver bei der Senkung der Knochenresorptionsmarker erwies, führte zu ersten systematischen Untersuchungen beim Menschen. Denosumab ist ein humaner, monoklonaler Antikörper, der die Signalübertragung zu RANK am Osteoklasten und zu den monozytären Vorläuferzellen unterbricht. Dadurch werden die Fusion von osteoklastären Precursorzellen und die Aktivität der ausgereiften mehrkernigen Riesenzellen gehemmt. Denosumab wirkt therapeutisch am Knochen wie Osteoprotegerin (OPG), dem physiologischen Gegenspieler von RANKL (18–20). tion des Knochenschmerzes und in einer Verbesserung der Lebensqualität. Denosumab wird in einer Dosis von 120 mg monatlich subkutan verabreicht. Die Zulassung der Substanz (Handelsname in der Onkologie XGEVA®) erfolgte nach einem positiven Votum der European Medicines Agency (EMA) im Juli 2011. Laut Zulassungstext kann der Antikörper zur Prävention skelettaler Komplikationen von Knochenmetastasen, die durch solide Tumoren verursacht sind, eingesetzt wer- Abb. 4 Reduktion skelettaler Komplikationen durch intravenöses Zoledronat (4 mg/4w) vs. Placebo; (13) Fig. 4 Reduction of skeletal complications through intravenous zoledronic acid (4 mg/4w) vs. placebo; (13) Abb. 5 Reduktion skelettaler Komplikationen durch Denosumab vs. Zoledronsäure bei allen Patienten mit soliden Tumoren und multiplem Myelom (n = 5723); Lipton et al. ESMO 2010 (P1249); (24) Fig. 5 Reduction of skeletal complications through denosumab vs. zoledronic acid in all patients with solid tumours and multiple myeloma (n = 5723); Lipton et al. ESMO 2010 (P1249); (24) © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 289 290 I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie den (21–24). Für die Behandlung des multiplen Myeloms erfolgte zunächst keine Zulassung. Die Behandlung mit Denosumab ging mit einer reduzierten Häufigkeit von Nebenwirkungen einher, wie sie für die Behandlung mit Zoledronsäure und anderen Bisphosphonaten typisch sind. Allerdings traten sowohl in der mit Zoledronat als auch der mit Denosumab behandelten Gruppe in vergleichbarer Häufigkeit Kieferosteonekrosen auf. Zur Wahrnehmung der Kieferosteonekrosen in Deutschland Die ersten Publikationen zum Zusammenhang zwischen der Anwendung von Bisphosphonaten und dem Auftreten von Kieferosteonekrosen stammen aus den Jahren 2003 und 2004 (25–28). Da aber Bisphosphonate bei Knochenmetastasen bereits zehn Jahre zuvor und früher zum Einsatz kamen, ist es verwunderlich, dass es so lange gebraucht hat, bis diese Erkenntnis evident wurde. Vermutlich haben die Onkologen nichts von den Leiden ihrer Patienten erfahren oder sie haben es im Zusammenhang mit den Auswirkungen von endokrinen oder Chemotherapien gesehen, die ebenfalls, zumeist durch die Xerostomie, zu Zahnverlust und -schäden führen können. Ähnlich mag es den Zahnärzten und Kieferchirurgen ergangen sein. Nachdem diese Komplikation auch zu einem beherrschenden Thema auf osteologischen Kongressen geworden war, erfolgte bereits am 2. August 2004 im Deutschen Ärzteblatt der erste Warnhinweis unter dem Titel: „Osteonekrosen des Kiefers unter Bisphosphonaten“. Der Artikel erschien auf Veranlassung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (29). Zunächst waren es die Kieferchirurgen und die Osteoonkologen, die sich diesem Thema widmeten und durch Vorträge und Publikationen zur Verbreitung des Wissens beitrugen (z. B. 30). In diese Zeit fiel auch die Etablierung des deutschen Kieferosteonekroseregisters an der Charité in Berlin. Durch diese Einrichtung, die allerdings von der regelmäßigen Meldung der entsprechenden Fälle abhängig war und ist, gelang es zum ersten Mal in Deutschland Zahlen zur Häufigkeit der Osteonekrosen und den assoziierten Ursachen und Komplikationen zu erfassen. Eine erste Publikation des Registers erfolgte im Deutschen Ärzteblatt vom 17. November 2006 unter dem Titel: „Kiefernekrosen nach hoch dosierter Bisphosphonattherapie“ (31). Als großes Problem stellte sich der Wissenstransfer von den Spezialisten zu Onkologen und Zahnärzten dar. Es wurden in Deutschland zahlreiche Fortbildungen für diesen Personenkreis angeboten, in denen darauf hingewiesen wurde, wie wichtig der wechselseitige Informationsfluss für das Wohlergehen der onkologischen Patienten ist und dass es sinnvoll ist einen „Informations-Laufzettel“ zu nutzen, wie er von wissenschaftlichen Fachgesellschaften und der Pharmaindustrie zur Verfügung gestellt wird. In der Zwischenzeit ist das Wissen Empfehlungen für die Prävention von Kieferosteonekrosen (ONJ)* Oxford LoE: 4; GR: C; AGO: + • Unter Bisphosphonat- bzw. Denosumabtherapie Vermeidung elektiver Zahnbehandlungen mit Manipulationen am Kieferknochen. Falls unvermeidbar wird der prophylaktische Einsatz von Antibiotika empfohlen (LoE 2b) • Zahnsanierung vor einer Bisphosphonat- bzw. Denosumabtherapie, falls möglich (LoE 2b) • Information der Patientinnen über ONJRisiko und Instruieren über Frühsymptome • Bei hohem ONJ-Risiko, Anwendung oraler Bisphosphonate Unter adjuvanter Bisphosphonattherapie ist das Risiko für Kieferosteonekrosen gering * Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie zur Vermeidung von Kieferosteonekrosen (Leitlinien 2012; www.ago-online.de) bei den Onkologen, die es gewohnt sind mit schweren Nebenwirkungen und Komplikationen zu rechnen und umzugehen, angekommen. Auch die Zahnärzte sind mittlerweile gut über die Gefahr von Kieferosteonekrosen bei Patienten mit Knochenmetastasen informiert. Allerdings sind nur wenige auf die Behandlung oder zumindest adäquate Führung gefährdeter Patienten eingerichtet. Nach einer zunehmenden Flut an Publikationen in den vergangenen Jahren ist das Wissen zur Prophylaxe und Therapie von Kieferosteonekrosen stetig angewachsen. (siehe: D. Felsenberg et al. Osteonekrose des Kiefers bei Osteoporosepatienten. Osteologie 2012; 21: 207-212). Viele Fachgesellschaften haben inzwischen Leitlinien zur Vermeidung und Therapie von Kieferosteonekrosen erarbeitet. Im ▶Kasten „Empfehlungen für die Prävention von Kieferosteonekrosen“ werden beispielsweise die Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie (www.ago-online.de) angeführt, der wissenschaftlichen Fachgesellschaft des Autors. Im April 2012 wurde nach langer Vorarbeit die interdisziplinäre S3-Leitlinie mit dem Titel „Bisphosphonat-assoziierte Kiefernekrose (BP-ONJ) und andere Medikamenten-assoziierte Kiefernekrosen“ unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer-, und Gesichtschirurgie verabschiedet und publiziert: (http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ ll/007–091.html). Als Gründe für die Erstellung werden folgende Punkte angegeben: Verbesserung und Kommunikation des Wissens zur Prävalenz und Indikation der osteoprotektiven Therapie, Prävalenz und Inzidenz der ONJ, klinische Relevanz, therapeutische Optionen und Empfehlungen, interdisziplinäre Kommunikation und gesundheitsökonomische Bedeutung. Zentrales Ziel der Leitlinie ist die Reduktion der Ereigniszahl an Kieferosteonekrosen durch Verbesserung der Vorsorge. Obwohl diese Leitlinie auch Widerspruch von verschiedener Seite erfährt, ist doch nach vielen Jahren der oft kontroversen Diskussion ein Konsens geschaffen, der für alle, die Patienten mit Knochenmetastasen betreuen, eine Handlungsanleitung und Informationsquelle darstellt. Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie Tab. 2 Nebenwirkungen von besonderem Interesse (Denosumab versus Zoledronsäure) (21–24) Table 2 Side effects of particular interest (denosumab versus zoledronic acid) (21–24) Inzidenz und Prävalenz von Kieferosteonekrosen in der Onkologie Patienten Inzidenz, n (%) Auf Fortbildungen zum Thema „Knochenmetastasen und deren Behandlung“ kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es in den Diskussionsrunden weitaus häufiger um die Komplikation „Kieferosteonekrosen“ geht und kaum noch um die Effektivität und Notwendigkeit einer osteoprotektiven Therapie. Manche Therapeuten sehen in der Gefahr einer ONJ sogar einen limitierenden Faktor im Behandlungskonzept. Selbstverständlich ist es sinnvoll, eine Fragestellung zur Intervallverlängerung oder Aussetzen der antiresorptiven Therapie in Studien zu untersuchen. Aber die Therapie mit Bisphosphonaten und RANKL-Antikörpern ist eine Erfolgsgeschichte. Die Lebensqualität und das Schmerzerleben der Patienten mit Knochenmetastasen haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert und hyperkalzämische Ereignisse, früher sehr häufig, gehören inzwischen zu den Raritäten im onkologischen Alltag. Das Hauptproblem der vergangenen Jahre war die Unsicherheit über den Verbreitungsgrad der Kieferosteonekrosen. Bis zum Jahr 2011 war man fast ausschließlich auf die Analysen aus retrospektiven Studien angewiesen (32). Diese Untersuchungen wurden durch zahlreiche Faktoren beeinflusst (Patientenzahl, Tumorentität, Medikation, Behandlungsschemata und -dauer, und viele mehr). Entsprechend inkohärent waren die Resultate und die daraus gewonnenen Erkenntnisse. Seit den Publikationen der drei PhaseIII-Studien, in denen die Wirksamkeit von Denosumab im Vergleich zu Zoledronsäure getestet wurde, ist das Bild etwas klarer. In der integrierten Analyse werden die Zahlen zu Kieferosteonekrosen nochmals zusammengefasst (24) (▶Tab. 2): In der Zoledronat-Gruppe waren es 37 Fälle (1,3 %), in der Denosumab-Gruppe 52 Fälle (1,8 %). Auch wenn die numerische Häufigkeit in der Antikörper-Gruppe höher war, war die Inzidenz für beide Applikationsformen nicht signifikant unterschiedlich (Cave: mediane Nachbeobachtungszeit nur 17 Monate). Die Inzidenz Infektionen Zoledronat (n = 2836) Denosumab (n = 2841) 1218 (42,9) 1233 (43,4) schwere Infektionen 309 (10,9) 329 (11,6) Akute-Phase-Reaktionen 572 (20,2) 246 (8,7) renale Nebenwirkungen 335 (11,8) 262 (9,2) kumulative Inzidenz der ONJ Hypokalzämie neue Neoplasien 37 (1,3) 52 (1,8) 141 (5,0) 273 (9,6) 18 (0,6) 28 (1,0) Tab. 3 Assoziierte orale Ereignisse bei ONJ und Lokalisationen der Kieferosteonekrosen (33) Table 3 Associated oral events with ONJ and localisation of osteonecrosis of the jaw (33) ZA (n = 37) n (%) Denosumab (n = 52) n (%) Alle (n = 89) n (%) Zahnextraktion 24 (65) 30 (58) 54 (61) Schmerzen im Kieferknochen 25 (68) 46 (88) 71 (80) lokale Infektionen 17 (46) 26 (50) 43 (48) Assoziierte orale Ereignisse Lokalisation der Kieferosteonekrose Mandibula 31 (84) 34 (65) 65 (73) Maxilla 5 (14) 15 (29) 20 (22) Beides 1 (3) 3 (6) 4 (4) lag vergleichsweise deutlich unter den Zahlen, die zuvor aus retrospektiven Analysen gewonnen werden konnten (33). Fast alle Patienten mit ONJ unter Bisphosphonaten hatten Zahn-, Zahnfleischerkrankungen oder entsprechende Eingriffe an Kiefer oder an den Zähnen. Bei über 60 Prozent der Patienten war eine Zahnextraktion vorausgegangen (▶Tab. 3). Ein wichtiger Risikofaktor war die Behandlung mit antiangiogenetischer Therapie (16 % vs. 8 %) und Kortikosteroiden (75 % vs. 63 %). Etwa die Hälfte der Patienten wurde konservativ behandelt. Bei 36 % der Patienten konnte mit einer mittleren Behandlungsdauer von acht Monaten eine Heilung erreicht werden. Im Protokoll der drei Zulassungsstudien wurde ausschließlich eine regelmäßige Inspektion der Mundhöhle durch den Onkologen gefordert. Inzwischen empfiehlt man allen Tumorpatienten mit geplanter Bisphosphonat- oder Denosumabtherapie wegen einer Knochenmetastasierung eine prophylaktische Untersuchung und Sanierung der Mundhöhle/Zähne (s.o.). Wenn diese Maßnahmen in Zukunft konsequent umgesetzt werden, könnte die Häufigkeit von Kieferosteonekrosen nochmals abgesenkt werden (siehe auch ▶Kasten „Empfehlungen für die Prävention von Kieferosteonekrosen“). Inzwischen liegen auch Daten aus Langzeituntersuchungen zu Denosumab (vs. Placebo) von Patienten mit nichtmetastasiertem Prostatakarzinom vor (34). In dieser Studie erlitten 33 von 716 Männern die mit Denosumab (120 mg s. c./4w) behandelt eine Kieferosteonekrose (5 %). Die Häufigkeit nahm von einem Prozent im ersten Jahr bis fünf Prozent im vierten Jahr zu. In einer Studie mit Patientinnen mit nichtmetastasiertem Mammakarzinom, die mit Zoledronat (vs. Placebo) behandelt wurden, war die Inzidenz deutlich geringer (35). Nach fast fünf Jahren Nachbeobach- © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 291 292 I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie tung lag die Häufigkeit bei ca. einem Prozent (17/1686). Allerdings erhielten die Patientinnen nach einer Startphase mit monatlichen Infusionen (6 x 4 mg), das Bisphosphonat nur alle drei bis sechs Monate verabreicht. Es scheint, dass die Inzidenz der ONJ in der Onkologie nicht epidemische Ausmaße erreicht, aber doch ein relevanter Faktor der Gesamtmorbidität darstellt. Vermutlich steigt das Risiko mit jedem Behandlungsjahr einer osteoprotektiven Therapie um ein bis zwei Prozent an. Die Neuerkrankungsrate sollte sich bei konsequenter Anwendung einer Prophylaxe nochmals senken lassen. Es ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass es auch eine osteoprotektive Behandlung mit einem extrem geringen Risiko für Kieferosteonekrosen gibt. Zumindest ist nach derzeitigem Wissensstand das Auftreten einer Kieferosteonekrose unter dem Nichtaminobisphosphonat Clodronat extrem selten. Bisher gibt es nur einen wissenschaftlich bearbeiteten Report einer ONJ unter Clodronat (36). In einer kürzlich publizierten Untersuchung zu Clodronat in der adjuvanten Behandlung von Frauen mit nichtmetastasiertem Mammakarzinom (n = 1662) wird von nur einem (vermuteten) Fall berichtet (37). 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. Interessenkonflikt Honorare von Amgen, Novartis, Roche, Teva, Medtronic, Riemser; Beratertätigkeit bei Amgen, Roche, Riemser Literatur 16. 17. 1. Mundy GR. Metastasis to bone: causes, consequences and therapeutic opportunities. Nature Rev 2002; 2: 584–593. 2. Chambers AF, Groom AC, MacDonald IC. Dissemination and growth of cancer cells in metastatic sites. Nature Rev 2002; 2: 563–572. 3. Roodman GD. Biology of osteoclast activation in cancer. J Clin Oncol 2001; 19: 3562–3571. 4. Roodman GD. Mechanisms of bone metastasis. N Engl J Med 2004; 350: 1655–1664. 5. Rogers MJ, Frith JC, Luckman SP et al. Molecular mechanism of action of bisphosphonates. 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Klinikum der J.W.Goethe-Universität, Frankfurt Schlüsselwörter Fatigue, krebsbedingte Fatigue, chronische Fatigue, Chronisches Fatigue Syndrom, Supportivtherapie, psychosoziale Belastung Zusammenfassung Fatigue ist ein bisher bei Tumorpatienten unterschätztes Phänomen. Es bringt hohes subjektives Leiden mit sich und kann den behandelnden Arzt an seine (Behandlungs-)Grenzen bringen, wenn er über die Symptomatik im Unklaren bleibt. Trotz aller Bemühungen gibt es bisher keine etablierte medikamentöse Prophylaxe oder Therapie, die eine genuine Fatigue behandeln würde. Eine Reihe von Untersuchungen sind mit Antidepressiva aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva oder der SerotoninWiederaufnahmehemmer durchgeführt worden, allerdings ohne Effekte. Auch der Einsatz von Psychostimulanzien wie Methylphenidat hat sich nicht bewährt. Eine Ausnahme aus dem nicht-medikamentösen Bereich bilden sportmedizinische Programme. Hier ließen sich positive Effekte ei- Korrespondenzadresse Dr. rer. med. Bianca Senf Diplom-Psychologin, Psychol. Psychotherapeutin Leitung Psychoonkologie am Universitärem Centrum für Tumorerkrankungen – UCT Klinikum der J.W. Goethe-Universität Frankfurt Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt am Main Tel: +49 (0) 69 / 6 30 18 37 78 Fax: +49 (0) 69 / 6 30 18 37 88 E-Mail: [email protected] „Schlafen Sie sich mal wieder richtig aus, dann wird das schon wieder“, habe der Arzt zu ihr gesagt. Es wurde „nicht wieder“ und Frau Kerstin Haus meldete sich zwei Jahre nach ihrer Brustkrebsbehandlung in der Psychotherapeutischen Praxis mit Schwerpunkt Psychoonkologie. nes auch während der Therapie durchgeführten, jedoch streng angepassten- regelmäßigen Bewegungstrainings zeigen. Auch gilt als erwiesen, dass eine an den subjektiven Informationsbedarf angepasste Aufklärung vor Therapiebeginn Fatigue positiv beeinflussen kann. So scheinen psychologische Faktoren (Verarbeitungsstile) insgesamt eine große Rolle zu spielen, auch wenn die Fatigue sich vor allem auf der körperlichen Ebene manifestiert. Schädlich für Patienten, dass zeigt die klinische Praxis eindrücklich, ist vor allem das Nicht-Wahrnehmen und/oder das Bagatellisieren der Beschwerden und das Aufbauen von Leistungsdruck. Hilfreich sind das Wahrnehmen, das Erkennen und das Benennen der Symptome mit dem Leidensdruck sowie das Entwickeln einer Behandlungsperspektive. Keywords Fatigue, cancer-related fatigue, chronic fatigue, chronic fatigue syndrome, supportive therapy, psychosocial distress Fatigue Onkologische Welt 2012; 3: 293–295 Die Ärztin habe gesagt, dass sie doch wahrscheinlich eine Depression entwickelt habe. Das glaube sie persönlich aber nicht. Sie neige nicht zu Depressionen. Frau Haus machte einen müden und „abgekämpften“ Eindruck. Sie sei jetzt kaum die wenigen Stufen herauf gekommen, ohne zwischendrin anhalten zu müssen. So ginge Summary Fatigue is a highly underrated phenomenon in cancer patients. It is associated with severe suffering, and medical practitioners will soon reach their limits in treating their patients, if they are left in the dark about the symptoms. Despite all efforts, there is still no established pharmacological prophylaxis or therapy to treat a genuine fatigue. A number of studies have been carried out, testing antidepressants such as tricyclic antidepressants or selective serotonin reuptake inhibitors, however without effect. Psychostimulants such as metylphenhydate have not shown to be effective in treating fatigue either. Non-pharmacological treatment options such as sports medicine programmes have proven to be an exception. Regular strictly adapted exercise during cancer therapy has shown to have positive effects on fatigue. Fatigue symptoms can also be positively influenced by psychoeducation – adapted to the patients’ subjective information needs – prior to treatment. Psychological factors (processing styles) seem to play an essential role as well, despite fatigue manifesting itself predominately in physical symptoms. Clinical practice clearly demonstrates that the failure to perceive and / or trivializing the patients’ complaints and an increased level of suffering are harmful to patients. Perceiving, recognizing, and naming fatigue symptoms, acknowledging the patients’ suffering, and developing treatment perspectives is helpful for patients. das nun schon seit Monaten. Sie gehe früh schlafen, der Schlaf sei auch einigermaßen gut, doch sie wache morgens erschöpft auf. Ihr Körper fühle sich zentnerschwer an. Ihren Haushalt bekäme sie nur mit Mühe und Not organisiert. Früher sei sie sportlich sehr aktiv gewesen, dreimal die Woche walken, einmal Fitnesstraining und am Wo- © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 294 B. Senf; J. Hübner: Fatigue chenende stand häufig Wandern auf dem Programm. So wie jetzt mache das Leben keinen Spaß mehr. Langsam verlöre sie ihren Lebensmut. Die weitere Exploration ergab, dass die Patientin nicht nur sehr unter ihrer Energielosigkeit und bleiernen Müdigkeit litt, sondern dass sie sich dabei ständig Sorgen machte, dass Ihr Befinden „den Anfang vom Ende“ einläute. Übersetzt: Sie hatte Angst, der Krebs sei zurückgekommen und sie müsse bald sterben. Kenntnisse über Fatigue sind wichtig 1. Fatigue ist ein Symptom, unter dem Patienten massiv leiden. 2. Die Lebensqualität wird durch Fatigue maßgeblich beeinträchtigt. Darüber hinaus ziehen die Symptome der Fatigue eine Reihe von psychischen und psychosozialen Folgeproblemen nach sich. Dies u.a. deshalb, weil Patienten Fatigue oft als Fortschreiten der Erkrankung fehlinterpretieren. Auch Therapieabbrüche sind häufig auf das Leiden unter Fatigue zurückzuführen. 3. Fatigue ist in vielen Fällen behandelbar. Es gibt mehrere Gründe, warum Fatigue von vielen Behandlern nicht wahrgenommen und/oder unterschätzt wird: 1. Patienten sprechen nicht über Fatigue da sie die Symptome als unvermeidbare Begleiterscheinung ihrer Erkrankung oder Therapie sehen und der Auffassung sind, dass man nichts dagegen unternehmen kann: „Warum soll ich dem Arzt das sagen, da kann er doch nichts machen, oder?“, so eine Patientin in der Psychoonkologischen Sprechstunde. 2. Viele Patienten denken, sie müssten sich nur mehr anstrengen, mehr Willenskraft aufbringen, dann ginge es besser: „Vielleicht stelle ich mich ja auch nur an und müsste mich einfach mehr aufraffen.“ äußerte die eingangs geschilderte Frau Kerstin Haus. 3. Auch auf ärztlicher und psychologischer Seite herrscht noch viel Unwissenheit über Fatigue. Symptome, Ursachen, die Auswirkungen auf die Patienten und Möglichkeiten der Behandlung sind nicht bekannt. 4. Behandler überhören oft die Klagen der Patienten über Fatigue. So geben beispielsweise 31% der Patienten an, dass sie mit ihrem Onkologen über ihre Müdigkeit sprechen, wohingegen nur 6% der Onkologen glauben, dass das Thema Müdigkeit vom Patienten überhaupt angesprochen wird (1). Emotionale Ebene Begriffliche Definition Ursachen Unter Fatigue versteht man, wie im Fallbeispiel geschildert, eine ausgeprägte Müdigkeit, die mit dem Gefühl einer großen Erschöpfung einhergeht und in keinem adäquaten Verhältnis zu vorausgegangenen Aktivitäten steht. Während bei einer normalen „Erschöpfung“ Ruhephasen und/ oder Schlaf zur Wiederherstellung der gewohnten Kraft führten, berichten Tumorpatienten, die unter dem Fatigue-Syndrom leiden, dass sie sich auch nach langen und ausreichenden Ruhe- und Schlafphasen nur für kurze Zeit kräftiger und energievoller fühlen (2). Fatigue tritt, in Abhängigkeit von Erhebungsinstrumenten und Erhebungszeitpunkt mit Prävalenzraten zwischen 58% und 90% auf (3). Nachdem eine ganze Reihe tumorbedingter Beschwerden, allen voran die Schmerzsymptomatik, in der Regel relativ gut behandelbar sind, wird sie häufig als die wesentlichste Einschränkung der Lebensqualität angeführt. Fatigue ist – wie die Krebserkrankung selbst – auf ein multifaktorielles Geschehen zurückzuführen. Pathologische, psychologische, soziale, physische und ernährungsbedingte Faktoren interagieren miteinander und tragen zu dem Fatigue-Syndrom bei (4). Symptome Die Symptome der Fatigue können sich auf der körperlichen, der geistigen und der emotionalen Ebene äußern und werden diagnostisch diesen drei Bereichen zugeordnet. Körperliche Ebene Reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit, Schwäche, erhöhter Ruhe-und Schlafbedarf, Müdigkeit. Reduziertes Energielevel/Erleben, fehlende Motivation, Dinge anzugehen, mangelnder Antrieb, Traurigkeit und Ängstlichkeit. Geistig-mentale Ebene Konzentrationsschwäche, Denkblockaden, Schlafprobleme. Körperlich • • • • • • • • • • Anämie (z. B. Hämoglobinmangel) Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes) Herzinsuffizienz Hormonelle Störungen (z. B. Schilddrüsenerkrankungen) Krankhafte Bildung von Substanzen, die Stoffwechsel oder Muskelfunktionen stören (z. B. Zytokine) Erhöhter Stoffwechselbedarf infolge Tumorwachstum und/oder Therapie Ernährungsbedingt (z. B. Mangel an Nährstoffen) Infektionen Schlaf-Apnoe Sedierende Medikamente (z. B. Schmerzmittel, Psychopharmaka) Psychologisch • • • • • Distress Angst Depression Chronischer Schmerz Schlafstörungen Modulierende Faktoren • • • Persönlichkeitsstruktur Vorerfahrung mit Krankheit Emotionale Grundhaltung Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. B. Senf; J. Hübner: Fatigue • • • • Verarbeitungsstil Soziale Bedingungen Religiöse/spirituelle Einbettung Allgemeine Befindlichkeit Screening und Diagnose Fatigue ist, wie der Schmerz oder psychisches Befinden, an das rein subjektive Erleben gekoppelt. Es gibt keine objektiven Messparameter und so ist der Behandler zunächst auf die Selbsteinschätzung des Patienten angewiesen. Folgendes Vorgehen hat sich im Routinealltag als für den Behandler praktikabel und den Patienten als hilfreich erwiesen: 1. Die Diagnose erfolgt auf den Ebenen: Wahrnehmen-Erkennen-Hin- und Zuhören-Erfassen. Frage: Wie geht es Ihnen? Wie müde fühlen Sie sich? Wie wirkt sich die Müdigkeit im Alltag aus? 2. Evtl. im Anschluss oder bei Unsicherheit etc.: Eindimensionale Messskala (von 0 = wenig müde bis 10 = sehr müde). Bei einem Score von 3-4 sollte eine weitere Klärung erfolgen, da das Fatigue-Syndrom konzeptionell große inhaltliche Überschneidungen aufweist mit der Lebensqualität der Patienten (negative Korrelation) sowie Angst und Depression (positive Korrelationen). 3. Weitere Klärung beispielsweise mit: Brief Fatigue Inventory (BFI): 10 Items, Zeitaufwand 5 Minuten, dem Multidimensional Fatigue Inventory (MFI-20): 20 Items oder dem Fatigue Assesment Questinnary (FAQ): 23 Items. 4. Im Anschluss sollten dem Patienten anhand der Explorationsergebnisse (qualitatives oder quantitatives Assessment) www.onkologische-welt.de die nächsten Schritte erläutert werden. So ist es ratsam, bei Fatigue-Symptomen, die vorwiegend auf der körperlichen Ebene angesiedelt sind, die verschiedenen Blutwerte zu kontrollieren. Bei vorwiegend psychischen Symptomen wie gedrückte Stimmung oder Ängstlichkeit sollte eine weitergehende psychopathologische Diagnostik bei einem Psychotherapeuten (am Besten mit Psychoonkologischer Qualifikation) initiiert werden. • • • • • Behandlung • Die wichtigste Behandlung mit dem Resultat einer direkten Entlastung des Patienten ergibt sich aus der Zusammenfassung und Rückmeldung der unter Punkt 1 gesammelten Informationen. Schon das Ernstnehmen der Beschwerden führt nachweislich zu emotionaler Entlastung des Patienten. Der nächste wichtige Schritt enthält die Aufklärung des Patienten über das FatigueSyndrom. So äußerte Frau Kerstin Hauser mit einem tiefen Seufzer: • „Sie glauben gar nicht, welcher Stein mir von der Seele fällt. Ich dachte, ich überlebe dieses Jahr nicht mehr oder ich bin total verrückt geworden. Jetzt hat das Kind wenigstens einen Namen“. Die weitere Behandlung sollte sich streng aus dem Resultat der weiterführenden Diagnostik ergeben. Darüber hinaus haben sich eine Reihe von Interventionen als hilfreich erwiesen: • • Information der Angehörigen über das Fatigue-Syndrom (Folge der Behandlung, kein Anzeichen für einen Progress, kein „sich anstellen“) (hoher Evidenzlevel) Erarbeiten individuell angepasster Lösungsstrategien (Supportive Psychotherapie/Verhaltenstherapeutische Interventionen (hoher Evidenzlevel) Selbsthilfegruppen (Evidenzlevel) Psychoedukation (hoher Evidenzlevel) Steigerung der körperlichen Aktivität unter strenger Beachtung von Kontraindikationen (hoher Evidenzlevel) Erholungstherapie und Ablenkung (mittlerer Evidenzlevel) Energie-erhaltende Maßnahmen (mittlerer Evidenzlevel) Schlafhygiene (mittlerer Evidenzlevel) Ernährungsberatung (mittlerer Evidenzlevel) Literatur 1. Vogelzang NJ, Breitbart W, Cella D, Curt GA, Groopman JE, Horning SJ, et al. Patient, caregiver, and oncologist perceptions of cancer-related fatigue: results of a tripart assessment survey. The Fatigue Coalition. 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All rights reserved. 295 Supportivtherapie 296 Supportivtherapie von Skelettmetastasen optimierbar Knochenspezifische Medikamente zu selten eingesetzt Vielen Patienten mit Skelettmetastasen werden knochenspezifische Medikamente wie Bisphosphonate oder Denosumab vorenthalten, obwohl damit die wichtigsten Komplikationen gelindert werden könnten. Darauf verwies Prof. Bertrand Tombal, Löwen/ Belgien, auf dem ESMO-Kongress 2012. Unter einer derartigen Therapie kommt es zu weniger Schmerzen, seltener zu pathologischen Frakturen oder spinalen Kompressionssyndromen. Die Zeit bis zum Auftreten weiterer Metastasen und die Überlebenszeit werden ebenfalls verlängert. Die Verwirklichung dieser Ziele ist das Anliegen der Patientencharta der Skeletal Care Academy (SKA), die von Prof. Thomas Brodowicz, Wien/Österreich, vorgestellt wurde. Sein Kollege Tombal bezieht sich mit seiner Klage auf die aktuelle Umfrage „Insights into the management of bone metastasis: a comprehensive European survey“ der Multinational Association of supportive Care in Cancer (MASCC). In der Ende Juni 2012 vorgestellten Umfrage waren die Hauptgründe für eine Nicht-Anwendung von knochenspezifischen Medikamenten bei 38% der Patienten die kurze Lebenserwartung, bei 37% Nierenprobleme und bei 34% eine als zu gering eingeschätzte Nutzen/Risiko-Ratio. Tombal bezeichnete den Verweis auf eine nur noch kurze Lebenserwartung der Patienten als besonders problematisch, da auf diese Weise die noch verbleibende Lebensspanne der Patienten durch Schmerzen und Invalidität zusätzlich belastet und außerdem wahrscheinlich auch noch verkürzt werde. Prof. Ingo J. Diel, Mannheim erläuterte die wichtigsten multimodal einzusetzenden Maßnahmen, die zu einer ausreichenden supportiven Versorgung von Patienten mit Knochenmetastasen gehören: NSAR, Opioide und Morphin zur Schmerzbehandlung, nuklearmedizinische und strahlentherapeutische Maßnah- Optimierte Prophylaxe der febrilen Neutropenie Die nächste G-CSF-Generation steht vor der Tür Die primäre Prophylaxe mit G-CSF ist leitliniengemäß indiziert, wenn das Risiko einer febrilen Neutropenie ≥20% liegt. Betroffene Patienten profitieren mit einer deutlichen Reduktion von Morbidität und Mortalität. Eine noch weiter verbesserte NeutropenieProphylaxe ist mit lang wirksamen G-CSF-Präparaten wie Lipegfilgrastim möglich. Eine febrile Neutropenie im Verlauf der Chemotherapie bedeutet für Tumorpatienten ein extrem hohes Risiko: Laut einer US-Statistik liegt die Mortalitätsrate im Mittel bei rund 10%, steigt jedoch bei Patienten mit zwei oder mehr schweren Begleiterkrankungen auf über 20% an (1). Eine besondere Herausforderung sind laut Prof. Hartmut Link, Kaiserslautern, Patienten mit septischem Schock, die oft nicht fiebern: „Afebrile Patienten mit Blutdruckabfall und schlechtem Allgemeinzustand können eine lebensbedrohliche Infektion haben“. Grundsätzlich sollten Patienten mit febriler Neutropenie unverzüglich antibiotisch behan- men, chirurgische Eingriffe sowie Gabe von knochenspezifischen Medikamenten. Hier hat sich über die Jahre die Gabe von Bisphosphonaten, insbesondere als Depotgabe von Zoledronsäure und Pamidronat gut bewährt. Randomisierte Studien hätten eine signifikante Verzögerung weiterer Skelettkomplikationen gezeigt. Allerdings sei die Nephrotoxizität dieser Substanzen oft eine Kontraindikation Bisphosphonate, wie die MASCC-Daten belegen. Als Alternative bietet sich laut Diel Denosumab (Xgeva®) an, das sich in Vergleichsstudien zu Zoledronsäure als überlegen und insgesamt besser verträglich erwies. Die Zeit bis zum Auftreten der ersten skelettalen Komplikation war unter der Therapie mit Denosumab im Vergleich zu Zoledronsäure um 3,6 Monate verlängert, was einer Risikoreduktion von 18% entspricht. Ebenfalls um 18% war die Zahl der insgesamt aufgetretenen Knochenkomplikationen verringert. Eingeschlossen in die Studie waren 1901 Patienten direkt nach der Diagnose ihrer ersten Knochenmetastase. Dr. Till U. Keil, München Quelle: Symposium „Achieving Excellence in the Management of Cancer-Related Bone Disease“ im Rahmen der Jahrestagung der European Society for Medical Oncology (ESMO) am 28. September 2012, Wien. Veranstalter: The Skeletal Care Academy, unterstützt von Amgen (Europe) GmbH, München. delt werden. Auch niereninsuffiziente Patienten sollten zumindest eine Antibiotikadosis erhalten. Da das Risiko für die Entwicklung einer febrilen Neutropenie im ersten Chemotherapiezyklus am höchsten ist, sollten gefährdete Patienten prophylaktisch von Beginn an G-CSF erhalten. Nationale und internationale Leitlinien empfehlen die primäre G-CSF-Prophylaxe bei Patienten mit einem FN-Risiko von 20% und höher. Bei moderatem Risiko (10-20%) ist die individuelle Gefährdung vor jedem Zyklus unter Berücksichtigung patienten- und tumorbezogener Risikofaktoren erneut zu prüfen. Wegen der möglichen Resistenzentwicklung warnte Link vor einer prophylaktischen Antibiotika-Gabe. Diese ist nur bei langfristig bestehender Neutropenie, z. B. bei Patienten mit Leukämie oder nach Hochdosis-Chemotherapie, sinnvoll. Ebenfalls nur „zweite Wahl“ Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Supportivtherapie 297 ist nach seinen Worten der Versuch, die Dosisintensität der Chemotherapie durch Zyklusverschiebung oder Dosisreduktion zu verringern, da sich dieses Vorgehen prognostisch ungünstig auswirken und das Gesamt-Überleben verkürzen kann. Die Entwicklung rekombinanter G-CSF-Präparate in den 1990er-Jahren zur Verkürzung der Neutropenie-Dauer und zur Verminderung des Neutrophilen-Abfalls ermöglicht mittlerweile eine protokollgerechtere Durchführung auch intensiver Chemotherapien. Als weiteren Fortschritt wertete Link neue lang wirksame Filgrastim-Präparate, die nicht renal eliminiert werden, sondern über Granulozyten abgebaut werden, und mit denen die Effektivität der Prophylaxe noch verbessert werden kann. Zulassung für Lipegfilgrastim beantragt Mit Lipegfilgrastim wurde mittlerweile ein innovatives lang wirksames Filgrastim entwickelt, bei dem der PEG-Schwanz mithilfe der neuen GlykoPEGylierungs-Technologie gezielt an Position 134 des Moleküls angekoppelt wurde. In der Zulassungsstudie war das innovative Präparat bei adjuvant mit Doxorubicin/Docetaxel behandelten Brustkrebspatientinnen mindestens so wirksam wie konventionell pegyliertes Filgrastim (2). Die Dauer der schweren Neutropenie in Zyklus 1 (primärer Endpunkt) war der mit dem Referenzpräparat vergleichbar, die Zeit bis zur Erholung der Neutrophilenzahl signifikant kürzer (5,8 vs. 7,4 Tage; p = 0,0022). Dem Durchbruchschmerz den Schrecken nehmen Noch keine ausreichende Sensibilität? Patienten mit Tumor-Durchbruchschmerzen (DBS) sind hier zu Lande offenbar weiterhin schmerztherapeutisch unterversorgt. Dafür sprechen die Daten einer Umfrage bei Arztpraxen, die Dr. Johannes Horlemann, Kevelaer, auf dem Deutschen Schmerzkongress 2012 vorstellte. Für die Versorgungsanalyse füllten rund 50% der Allgemeinmediziner, Praktischen Ärzte, Internisten, Urologen und Gynäkologen im Raum Ludwigshafen einen Fragebogen aus. Demnach betreuen die Praxen insgesamt 1750 Tumorschmerz-Patienten pro Quartal. Bei den meisten (n = 56) sind es zwischen 0 und 20 Patienten. Mit 70, 200, 200 und 400 Patienten versorgen vier onkologische Schwerpunktpraxen (SPP) die größten Gruppen. Jeweils bis zu 20% ihrer Patienten litten an DBS. Das sind weniger als in der Literatur angegeben (bis zu 80%): Offenbar wird die Situation bei vielen nicht wahrgenommen. Um die plötzlichen Attacken abzufangen, brauchen die Patienten jedenfalls ein rasch wirkendes Präparat. Hierfür gilt schnell anflutendes Fentanyl als Therapiestandard, so Horlemann. Die Fentanyl-Buccaltablette Effentora® etwa ist gegen DBS erwachsener Krebspatienten zugelassen, deren chronische Tumorschmerzen bereits mit Opioiden behandelt werden. Jedoch: Schnell wirksame Opioide wurden bei DBS kaum verordnet. So erhielt nicht einmal jeder Zehnte buccales Fentanyl. Überhaupt bekamen in drei der vier SPP nur 5% beziehungsweise bis zu 10% der DBS-Patienten kurz wirksame Opioide gegen die Schmerzattacken. Lediglich eine SPP (n = 70) versorgte alle ihre DBS-Patienten mit einer spezifischen Bedarfsmedikation. Mangelt es also noch am ausreichenden Bewusstsein für DBS? Nach Einschätzung von Dr. Reinhard Sittl, Erlangen, ist dies so. Dabei belasten die überfallartigen Schmerzen die Patienten stark. Ihre Lebensqualität leidet und zwischen den Attacken leben sie in Angst vor der nächsten. Umso wichtiger ist die schnelle Mittlerweile wurde die Zulassung für Lipegfilgrastim (vorgesehener Handelsname Lonquex®) bei der European Medicines Agency (EMA) beantragt. Dr. Katharina Arnheim, Freiburg Literatur 1. Kuderer NM et al. Cancer 2006; 106: 2258-2266. 2. Bondarenko IP et al. Support Care Cancer 2012; 20 (Suppl 1): Abstr. A445-0013-0101. Quelle: Satellitensymposium „Wirksamkeit in der Onkologie – Neue Wege gehen“ im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie am 19. Oktober 2012, Stuttgart. Veranstalter: Teva GmbH, Ulm. Wirkung des verwendeten Präparats. Sie wurde für die Fentanyl-Buccaltabletten gezeigt: Schon nach zehn Minuten war die Linderung signifikant besser vs. Placebo (1). Auch die Patienten sind mit dem Wirktempo offenbar zufrieden, wie Dr. Eberhard Lux, Lünen, berichtete. Dafür sprechen vorläufige deutsche Daten einer neuen, europäischen Multi-Center-Studie: Nachdem das Präparat in bis zu sieben Tagen auf eine wirksame Dosis auftitriert worden war, bestätigten 80,9 % der Probanden einen schnellen Wirkbeginn. 85,4% sagten, es wirke so rasch, dass sie ihren Schlaf schnell fortsetzen könnten. Ebenfalls wichtig, gerade bei Opioiden: 97,6% der Patienten erklärten, die Einnahmeanleitung zu verstehen. Das ist bekanntlich nicht bei allen Medikamenten der Fall. Helga Brettschneider, Frankfurt/Main Literatur 1. Slatkin NE et al. J Support Oncol 2007; 5 (7): 327-334. Quelle: Symposium „Best-practice vs. In-practice: Tumordurchbruchschmerzen – medizinischer Kenntnisstand und Versorgungsrealität“ im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses am 19. Oktober 2012, Mannheim. Veranstalter: Teva GmbH, Berlin. © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Internationale Literatur 298 Basalzellkarzinom Vismodegib ist auch in fortgeschrittenen Stadien wirksam Der Hedgehog-Signalweg hat für die Pathogenese von Basalzellkarzinomen entscheidende Bedeutung. Der Smoothened-Rezeptorantagonist Vismodegib war in ersten Untersuchungen wirksam. In einer Phase-2-Studie überprüften Sekulic et al. nun seine –Effektivität bei Patienten mit lokal fortgeschrittenen und metastasierten Basalzellkarzinomen. Basalzellkarzinome gehören zu den häufigsten Tumoren überhaupt. Sie wachsen lokal-destruierend, aber metastasieren sehr selten. Wegen des bevorzugten Auftretens an lichtexponierten Stellen, vornehmlich im Gesicht, ist eine Operation nicht immer oder häufig nicht radikal möglich. Andere Therapieoptionen hatten eine hohe Rezidivrate. Für die seltenen Patienten mit einem metastasierten Stadium standen bislang keine erfolgversprechenden Behandlungsoptionen zur Verfügung. Vismodegib wurde nach der Studie von Sekulic et al. von der amerikanischen FDA für die Behandlung des Basalzellkarzinoms zugelassen, weil mindestens jeder dritte Patient von der Behandlung profitierte. Insgesamt erhielten 96 Patienten 150 mg Vismodegib täglich oral. Sie waren durchschnittlich 62 Jahre alt. 33 Patienten hatten Metastasen, überwiegend in der Lunge oder in den Lymphknoten. Insgesamt 97% der Studienteilnehmer waren voroperiert, die Hälfte war bestrahlt worden und jeder dritte hatte bereits eine Chemotherapie erhalten. Vismodegib führte bei 30% zu einer Response (Nullhypothese 10%; p = 0,001). Dabei handelte es sich ausschließlich um partielle Tumorrückbildungen. Diese hielten durchschnittlich 7,6 Monate an. 63 Patienten hatten lokal fortgeschrittene Tumoren, von denen 38% inoperabel waren. Die anderen Befunde wurden wegen mehrerer Kombitherapie beim malignen Melanom Viele Experten gehen davon aus, dass beim malignen Melanom künftig mehr Kombinationen eingesetzt werden. Das könnte nicht nur die Effektivität steigern, sondern womöglich auch die Verträglichkeit bessern. Hinweise darauf liefert die Subgruppenanalyse einer Phase-I/II-Therapiestudie mit den oralen Target-Therapeutika Dabrafenib (BRAF-Inhibitor) und Trametinib (MEK-1/2-Inhibitor). Rezidive oder befürchteter Entstellungen nicht operiert. Hier waren 89% voroperiert, 27% bereits bestrahlt und 11% hatten eine Chemotherapie bekommen. Vismodegib führte bei dieser Population in 43% der Fälle zu einer Response (Nullhypothese 20%; p<0,001). 13 Patienten hatten eine komplette Remission (21%). Die progressionsfreie Zeit betrug 7,6 Monate. Nebenwirkungen waren häufig. Alle Patienten hatten mindestens ein Therapie-assoziiertes Symptom. Die Beschwerden waren in 57% der Fälle leicht (Grad 1 und 2). Stärkere Nebenwirkungen hatten 25% der Teilnehmer. Dies waren vor allem Muskelspasmen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust und Erschöpfung. 7 Patienten starben. Die Ursachen waren ein hypovolämischer Schock, ein Myokardinfarkt, ein ischämischer Schlaganfall, eine Meningitis und in 3 Fällen waren sie unbekannt. Ein Zusammenhang mit der Vismodegib-Therapie wurde nicht vermutet. Dr. med. Susanne Krome, Melle Literatur 1. Sekulic A et al. Efficiacy and safety of vismodegib in advanced basal-cell carcinoma. N Engl J Med 2012; 366: 2171–2179. tiv niedrige Rate an Hauttoxizitäten mit nur 2% spinozellulären Karzinomen (SCC) und 5% aktinischen Keratosen. Damit stellt sich diese Therapie offenbar etwas günstiger dar als die Behandlung mit Vemurafenib, dem bisher einzigen zugelassenen Medikament bei dieser Form von Hautkrebs. Dr. Beate Grübler, Hannover Literatur Die Auswertung umfasste 77 Patienten mit nicht-vorbehandeltem, BRAF-V600-mutiertem fortgeschrittenem Melanom. Sie waren unter der Zweifachkombination dosisabhängig für bis zu 10,8 Monate (median 7,4 Monate) progressionsfrei bei einer medianen Ansprechrate (CR + PR) von 57%. Auffallend war die im Vergleich zu den jeweiligen Monotherapien rela- 1. Weber J et al. J Clin Oncol 2012; 30 (suppl): abstr. 8510. Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. MelanomaMeeting 299 2nd European Post-Chicago Melanoma Meeting 2012 Metastasiertes malignes Melanom bald eine chronische Erkrankung? Das metastasierte maligne Melanom als chronische Erkrankung, die individuell therapiert wird: Das ist eines der Ziele der dermatologischen Forschung. Wie nahe sie dem schon gekommen ist, wo die Probleme liegen und wie sich die Prävention verbessern lässt, wurde auf dem 2nd European Post-Chicago Melanoma Meeting 2012 in München diskutiert. Die frühe Diagnose und Exzision ist nach wie vor die effektivste Strategie um die Mortalität bei malignem Melanom (MM) zu senken. Die Ganzkörperuntersuchung leistet dazu einen wertvollen Beitrag, betonte Prof. Josep Malvehy, Barcelona/Spanien, mit Verweis auf die Daten der deutschen SCREEN (Skin Cancer Research to provide Evidence for Effectiveness of Screening in Northern Germany)-Studie (1), die den Nutzen eines Screeningprogramms in Schleswig-Holstein von Juli 2003 bis 2004 an über 360 000 Patienten untersuchte. Mit einem deutlich Effekt auf die Sterblichkeit. So lagen die MM-bedingten Mortalitätsraten in den Jahren 2008/2009 um insgesamt 48% niedriger als in den Jahren 1998/1999 (Männer: 1,9/100 000 vs 1,0/100 000, Frauen: 1,4/100 000 vs. 0,7/100 000). Amerikanische Daten zeigen einen engen Zusammenhang zwischen der Melanom-bedingten Mortalität und der Dermatologendichte in einer Region. Gab es 0,001 bis 1 Dermatologen pro 100 000 Einwohner, lag die Mortalität um 35% niedriger als in Gegenden ohne Hautarzt-Versorgung. Bei einer Präsenz von 1,001 bis 2 Dermatologen reduzierte sich die Mortalität sogar um 56%. Noch mehr Dermatologen brachten keinen zusätzlichen Vorteil. Multiple Primärtumoren umfassend klassifizieren Maligne Melanome können und müssen nach der zu Grunde liegenden Genmutation differenziert werden. Diese Mutationen finden sich vor allem in Proteinen des RAS-RAF-Signaltransduktionswegs. Sie können zu einer Überaktivierung des Signalwegs und zu unkontrolliertem Zellwachstum führen. Häufigste Mutation mit einem Anteil von 40% ist Mutation der BRAF-Kinase, erläuterte Prof. Paolo Ascierto, Neapel/Italien. Bei 18% der malignen Melanome werden NRAS-Mutationen gefunden. Selten genetisch verändert sind GNA 11, GNAQ, CTNNB1 oder KIT. Bei immerhin einem Drittel aber ist die Mutation unbekannt. Und: „Es gibt keine Überlappung zwischen NRAS- und BRAF-Mutationen.“ Auf Lymphknotenstatus dünner Melanome achten! Im Vergleich von Mutationen in Primärtumoren und Metastasen konnte eine hohe Übereinstimmung des Primärtumors mit Lymphknoten- und Viszeralmetastasen von 93% bzw. 96% gesehen werden (2). Signifikant schlechter ist sie dagegen bei Hirnmetastasen mit 80% und Hautmetastasen mit 75%. Bei multiplen Primärtumoren liegt bei etwa einem Drittel ein diskrepanter BRAF-Status vor. Das hat direkte Konsequenzen für die Diagnostik: Bei Patienten mit multiplen Melanomen müssen alle Läsionen molekular klassifiziert werden, eventuell auch metastatische Veränderungen. Andernfalls liegt laut Ascierto das Risiko bei 10%, dass der Patient falsch klassifiziert wird. Eine Zukunftsperspektive sei die BRAFTestung aus dem Serum. Die chirurgische Therapie des Primärtumors ist weit gehend etabliert, wobei laut Prof. Vernon Sondac, Tampa/USA, noch immer nicht endgültig geklärt ist, welcher Randabstand bei der Exzision eines kutanen Melanoms optimal ist. Kontrovers diskutiert wird die Indikation für die Lymphknotenbiopsie bei dünnen Melanomen und die Bedeutung der kompletten Lymphknotendissektion. Sondac konnte zeigen, dass der Lymphknotenstatus bei dünnen Primärtumoren (<1,2 mm) lang- fristig durchaus relevant ist (3). So war die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei negativen und positiven Lymphknoten mit 96% bzw. 92,3% etwa vergleichbar. Die Zehn-Jahres-Überlebensraten divergierten allerdings erheblich mit 92,7% gegenüber 69%. Zielgerichtete-Therapien drängen in die Praxis In der medikamentösen Therapie nicht-resezierbarer oder metastasierender Melanome werden, wie in anderen Bereichen der Onkologie, zunehmend zielgerichtete Strategien verfolgt. So sind BRAF- und MEK-Inhibitoren bereits zugelassen, wie Vemurafenib, oder stehen kurz davor. Prof. Friedegund Meier, Tübingen, verwies unter anderem auf die Ergebnisse der BREAK-3-Studie, die den BRAF-Inhibitor Dabrafenib mit dem Zytostatkum Dacarbazin bei 250 Patienten mit bisher unbehandeltem metastasierten Melanom mit BRAF V600-Mutation verglich. Erreicht wurde ein medianes progressionsfreies Überleben von 6,7 Monaten unter Dabrafenib und 2,9 Monaten unter Dacarbazin. Untersuchungen der Kombination von Dabrafenib mit dem MEK-Inhibtor Trametinib in der adjuvanten Therapie beim metastasierten Melanom im Stadium IV sind angelaufen. Ein weiterer innovativer Ansatz ist auch die Blockade des PD-1-Signaltransduktionswegs. Bereits zugelassen für das metastasierte Melanom ist Ipilimumab. Es blockiert CTLA-4 (Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen-4), ein Protein, das die T-Zellaktivität herunterreguliert. Noch ist unklar, welche Therapiestrategie verfolgt werden soll. Derzeit wird untersucht, ob Ipilimumab in Kombination mit Vemurafenib oder sequenziell appliziert werden sollte, und in welcher Reihenfolge. Dr. Beate Fessler, München Literatur 1. Waldmann A et al. Br J Cancer 2012; 106(5): 970–974. 2. Comombino M et al. J Clin Oncol 2012; 30(20): 2522–2529. 3. Morton DL et al. Ann Surg Onc 2010; 17(Suppl 1): S22. Quelle: 2nd European Post-Chicago Melanoma Meeting 2012 vom 21. bis 22. Juni 2012, München. © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. MelanomaMeeting 300 Adjuvante Therapie beim fortgeschrittenen Melanom Immuntherapie mit Interferon-α als Option Für das fortgeschrittene Melanom in den Stadien IIB/C und IIIA-C wird eine adjuvante Behandlung mit Interferon-α empfohlen. Sie verbessert das krankheitsfreie Überleben und hat darüber hinaus einen tendenziell günstigen Effekt auf das Gesamtüberleben. Details wurden auf dem 2nd European Post-Chicago Melanoma Meeting in München diskutiert. Wird das Melanom im Stadium IA mit einer Dicke unter 1,0 mm entdeckt, ist die Prognose sehr gut mit einer Fünf-Jahres-Überlebensrate von 95%. Bereits in den Stadien II und III kommt es allerdings zu einer kontinuierlichen Verschlechterung mit Fünf-Jahres-Überlebensraten zwischen 65 und 45%. Bei einem Melanom im Stadium IIIC lebt nach 5 Jahren nur noch ein Viertel der Patienten, bei Stadium IV sind es lediglich 2–6% der Patienten, machte Dr. Peter Mohr, Buxtehude, die momentane Situation deutlich. Als adjuvante Therapie wird in der S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“ (Konsultationsfassung vom 29. Juni 2012) bei Melanomen im Stadium III eine postoperative Radiotherapie (50–60 Gy) nach Lymphadenektomie zur Verbesserung der Tumorkontrolle im Bereich der Lymphknotenstationen empfohlen, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien vorliegt (Empfehlungsgrad B, Evidenzlevel 1b): • ≥drei befallene Lymphknoten • Kapseldurchbruch oder • Lymphknotenmetastase >3 cm. Eine weitere Option für die Adjuvanz ist Interferon-α (z. B. IntronA®). Randomisierten kontrollierten Studien zufolge lässt sich damit das rezidivfreie Überleben im Mittel um 10% verbessern, das Gesamtüberleben um etwa 4%, fasste Mohr die Studienlage zusammen. „Beides ist klinisch relevant“. Er verwies dabei insbesondere auf eine Metaanalyse mit 14 randomisierten kontrollierten Studien, die 8122 Hochrisikopatienten mit (radikal reseziertes malignes Melanom im Stadium II/III) berücksichtigte, 4362 davon unter einer Interferon-α -Therapie (1). Die Immuntherapie verbesserte sowohl das krankheitsfreie Überleben (Risikoreduktion: 18%) als auch das Gesamtüberleben (Risikoreduktion 11%). Zwei weitere Studien (2, 3) zeigten einen ähnlichen günstigen Effekt auf das rezidivfreie Überleben, allerdings keinen oder nur einen geringen Effekt – nur 3% innerhalb von fünf Jahren – auf das Gesamtüberleben. Der moderate Nutzen einer adjuvanten Interferon-α-Therapie sollte den Melanom-Patienten nicht vorenthalten werden. Auch die S3-Leitlinie empfiehlt diese Behandlungsstrategie bei Patienten im Stadium IIB/C und Stadium IIIA-C (Empfehlungsgrad A, Evidenzlevel 1a). Im Stadium IIA könne eine adjuvante Behandlung mit Interferon-α ebenfalls in Erwägung gezogen werden (Empfehlungsgrad 0, Evidenzlevel 1b). Hochdosistherapie als erste Wahl Die Kombination von Interferon-α mit einem Zytostatikum bringt keinen Vorteil – im Gegenteil: Der Effekt von Interferon-α wird eher zunichte gemacht. Einen Beleg dafür lieferte eine Phase-III-Studie, die den Benefit einer adjuvanten Therapie mit Interferon-α allein oder in Kombination mit Dacarbazin bei 444 Patienten mit Melanom im Stadium III nach kompletter Lymphknotendissektion verglich (4). Behandelt wurde über zwei Jahre bzw. so lange bis erste Zeichen eines Rezidivs auftraten. Die 4-Jahres-Überlebensrate war unter der Interferon-α-Monotherapie besser als bei Patienten, die nur beobachtet wurden (59% vs. 42%). Mit der Kombination lag der Wert dagegen nicht höher als in der Kontrollgruppe. Die adjuvante Interferon-a-Therapie wird bei Melanom in einer Vielzahl verschiedener Regimes eingesetzt. Doch nicht alle sind er- folgreich, wie Prof. Sanjiv Agarwala, Bethlehem/USA, erläuterte. So verbessern Low-doseTherapien das Outcome bei Hochrisikopatienten mit nodalpositivem Melanom (Stadium IIb/III) nicht. Uneinheitliche Daten gibt es für die Behandlung mit mittleren Dosen. Hier könnte der Benefit von Krankheitsstadium und Lymphknotenstatus abhängen, so Agarwala. Das Regime der Wahl bei Melanomen im Stadium IIB/ III ist die Hochdosistherapie, deren günstigen Effekt auf das Überleben gezeigt werden konnte. Mit Blick auf die Daten empfahl er bei Melanomen im Stadium IIB und IIC standardmäßig eine Interferon-α-Hochdosistherapie über ein Jahr, im Stadium III über bis zu 5 Jahre. Eine intermittierende Hochdosistherapie zeigt zwar weniger Nebenwirkungen. Es ist laut Mohr aber noch nicht gesichert, ob sie ebenso effektiv ist wie die kontinuierliche Therapie. Auch bei ulzerierten Melanomen Zu den Kriterien, die für eine adjuvante Interferon-α-Therapie sprechen, gehört nach Ansicht von Mohammed Kashani-Sabet, San Francisco/USA, neben einer Tumordicke über 4 mm und Lymphknotenbefall auch die Ulzeration. Die Post-hoc-Analyse der Sunbelt-Studie (5) ergab, dass Interferon-α das krankheitsfreie Überleben bei ulzerierten Melanomen verbessert. Dabei konnte die Behandlung mit Interferon-α als ein signifikanter, unabhängiger Prädiktor für das rezidivfreie Überleben bei Patienten mit einem ulzerierten Melanom identifiziert werden. Dr. Beate Fessler Literatur 1. Mocellin S et al. J Natl Cancer Inst 2010; 102: 493–501. 2. Ives NJ et al. J Clin Oncol 2007; 25: 5426–5434. 3. Wheatley K et al. ASCO 2007; Abstract 8526. 4. Garbe et al. Ann Oncol 2008; 19(6): 1195–1201. 5. McMasters KM et al. Ann Surg 2010; 252(3):460–465. Quelle: Satellitensymposium “Current Views on Treatment of High Risk Patients: What has changes and what is the same”, im Rahmen des 2nd European Post-Chicago Melanoma Meeting 2012, München, 21. Juni 2012 (Veranstalter: MSD Sharp & Dohme GmbH, Haar). Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. DermatoOnkologie 301 Weißer Hautkrebs 5-ALA-Pflaster als Innovation in der photodynamischen Therapie Der weiße Hautkrebs gehört laut Prof. Rolf-Markus Szeimies, Recklinghausen, zu den am meisten unterschätzten Hauttumoren. In der Therapie konnte die photodynamische Therapie (PDT) ihre Vorteile bislang wegen des großen Aufwand und multipler Fehlerquellen nicht voll ausspielen. Mit dem 5-ALA-Pflaster Alacare® mit integriertem Lichtschutz und Polymer-Matrix ist jetzt eine leicht handhabbare Therapieoption ohne Vorbehandlung und mit definierter Wirkstofffreisetzung verfügbar. Der weiße Hautkrebs tritt deutlich häufiger auf als das maligne Melanom, auch seine Malignität ist deutlich höher als vielfach angenommen. Am häufigsten betroffen sind vor allem Männer über 50 Jahre, die beruflich, beispielsweise als Bauarbeiter, Bauern oder Schweißer, einer hohen natürlichen oder künstlichen UVExposition ausgesetzt sind. Aber auch Kindergärtnerinnen haben bereits ein 2,3-fach erhöhtes Expositionsrisiko gegenüber der Sonne als der klassische Bürobeschäftigte. Unter den verfügbaren Therapieoptionen ist der Einsatz physikalischer Verfahren (Kryotherapie, Küretteage, Chirurgie, Dermabrasion) bei den oft multiplen und/oder großflächigen Tumorherde nur eingeschränkt möglich. Auch das kosmetische Ergebnis entspricht oft nicht den Vorstellungen der Patienten. Einfache Durchführung, hohe Patientenakzeptanz In der Praxis werden herkömmliche PDT-Verfahren nur ungern eingesetzt, da sie aufwändig und mit zahlreichen Fehlerquellen behaftet sind, meinte Dr. Stephan Lischner, Kiel. Beispielsweise ist die als Wirkstoff eingesetzte 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) zwar hochreaktiv, aber wenig stabil und zerfällt sehr schnell. Mit dem neuen 5-ALA-Pflaster mit integriertem Lichtschutz und Polymer-Matrix mit dispergierten 5-ALA-Kristallen wird die PDT erheblich vereinfacht. Es ist jetzt keine Vorbehandlung mehr notwendig. Das Verfahren kann mehrfach wiederholt oder in mehreren Sitzungen sequenziell durchgeführt werden, beispielsweise bei größeren Hautarealen. Die Prognoseverbesserung beim malignen Melanom Personalisierte Therapie mit BRAFInhibitor verlängert Überleben Die bislang sehr ungünstige Prognose beim metastasierten Melanom hat sich durch die EU-Zulassung von Vemurafenib dramatisch verbessert: In der Studie BRIM 3 führte der BRAF-Inhibitor bei Patienten mit nicht resektablem oder metastasiertem Tumor und BRAF-V600-Mutation zu einer signifikanten Verbesserung des progressionsfreien und Gesamt-Überlebens. Im Vergleich zu Dacarbazin wurde das Sterberisiko um fast zwei Drittel gesenkt. Dank neuer molekulargenetischer Erkenntnis konnten in den vergangenen Jahren mehrere Subgruppen beim malignen Melanom charakterisiert werden. Derzeit wichtigste ist die Subentität von Tumoren mit der BRAF-V600-Mu- tation, da für diese jetzt erstmals eine personalisierte Therapie zugelassen wurde. Wie Prof. Axel Hauschild, Kiel, auf einer Pressekonferenz erläuterte, kann diese Mutation bei etwa jedem zweiten Melanompatien- Pflaster besitzen eine hautfarbene Trägerfolie und fallen kaum auf. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit des 5-ALA-Pflasters wurde in zwei randomisierten, kontrollierten Phase-III-Studien mit 449 Patienten untersucht. Hier war die vollständige klinische Abheilrate (CCCR) auf Läsionsbasis mit 89% der Kryotherapie (77%) und PlaceboPDT (29%) signifikant überlegen (p<0,001). Eine Metaanalyse der vorliegenden publizierten Daten bestätigt die gute Nutzen-Verträglichkeits-Relation (1). Während der Bestrahlung können Schmerzen oder Irritationen an den Behandlungsstellen auftreten. Die Symptome sind meist leicht bis mäßig ausgeprägt und erfordern bei 1% der Patienten eine frühzeitige Beendigung der Bestrahlung (2). Dr. Alexander Kretzschmar, München Literatur 1. Szeimies RM et al. Jahrestagung der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) vom 7. bis 11. Oktober 2009, Berlin, Poster 1024. 2. Alacare®-Fachinformation, Stand April 2012. Quelle: Fachpresseworkshop „Neuer innovativer Therapieansatz in der Dermatologie: Das erste PDT-Pflaster zur Behandlung der Aktinischen Keratose – einfach – effektiv – kosmetisch überzeugend“ am 23. Mai 2012, Frankfurt/Main. Veranstalter: Spirig Pharma GmbH, Augsburg. ten nachgewiesen werden. Sie bewirkt eine konstitutive Aktivierung des MAP-Kinase-Signalwegs, die sich in einer gesteigerten Zellproliferation äußert. Vemurafenib (Zelboraf®) ist das Resultat eines gezielten Entwicklungsprozesses, berichtete Dr. K. Peter Hirth, Berkeley, USA. Die Substanz inhibiert hoch selektiv die BRAF-Kinase und schaltet diesen wichtigen Mediator der zellulären Proliferation aus. Nach sehr positiven Ergebnissen der Phase-II-Studie BRIM-2 wurde die Phase-III-Studie BRIM-3 initiiert, in der 675 nicht vorbehandelte Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Melanom und einem positiven BRAF-V600-Mutationsstatus randomisiert einer Monotherapie mit Vemurafenib oder der Chemotherapie mit Dacarbazin zugeteilt wurden. © Schattauer 2012 Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. DermatoOnkologie 302 Ansprechrate fast verzehnfacht Die geplante Interimsanalyse bereits wenige Monate nach Studienstart ergab einen signifikanten Vorteil im Gesamtüberleben zu Gunsten von Vemurafenib: Die Überlebensrate nach 6 Monaten lag mit 84% um absolut 20% über der im Dacarbazin-Arm mit nur 64%. Der Unterschied zwischen beiden Armen entspricht einer signifikanten Reduktion des Mortalitätsrisikos um relativ 63% (Hazard Ratio 0,37; p<0,0001). Auch beim progressionsfreien Überleben als ko-primärem Endpunkt war der BRAF-Inhibitor signifikant überlegen: Mit Dacarbazin behandelte Patienten überlebten median nur 1,6 Monate ohne Progress, Patienten im Vemurafenib-Arm dagegen 5,3 Monate. Das Progressionsrisiko wurde somit durch den BRAF-Inhibitor ebenfalls signifikant um relativ 74% gegenüber dem Kontrollarm gesenkt (HR 0,26; p<0,0001). Damit war der Weg frei für ein aus ethischen Gründen unverzichtbares Protokoll-Amendment, um Patienten des Kontrollarms ein Crossover zu Vemurafenib zu ermöglichen. Die Ansprechrate wurde durch Vemurafenib fast verzehnfacht – von nur 5% im Kontrollarm auf 48% mit dem BRAF-Inhibitor. Hauschild wies darauf hin, dass Patienten rasch von dem BRAF-Inhibitor profitieren, da symptomatische Besserung und Tumorschrumpfung sehr schnell eintreten. Vemurafenib wird insgesamt recht gut vertragen; die Abbruchquote in der Studie lag bei nur 5%. Es treten hauptsächlich kutane Nebenwirkungen wie Keratoakanthome auf, die Hauschild als harmlos bezeichnete. Wichtig ist ein guter Lichtschutz im Therapieverlauf. Auf Basis der Daten von BRIM 3 wurde Vemurafenib im Februar 2012 von der European Medicines Agency (EMA) für Patienten mit metastasiertem malignem Melanom und nachgewiesener BRAF-V600-Mutation zugelassen. Damit steht erstmals bei diesem Tumor eine personalisierte „targeted therapy“ zur Verfügung, die Hauschild auf Grund der herausragenden Überlebensdaten als eine „definitive Innovation“ wertete. Dr. Katharina Arnheim, Freiburg Quelle: Zulassungs-Pressekonferenz „Zelboraf: Durchbruch in der Therapie des malignen Melanoms“ im Rahmen des 30. Deutschen Krebskongresses (DKK) am 23. Februar 2012, Berlin. Veranstalter: Roche Deutschland GmbH, Grenzach-Wyhlen. Onkologische Welt 6/2012 © Schattauer 2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. Forum Gastro-Onkologie 303 Effektive neue Option zur Second-line-Therapie und der objektiven Ansprechrate (19,8% vs. 11,1%). Eine wichtige Frage ist, wie mCRC-Patienten mit anti-angiogener Vortherapie weiterbehandelt werden sollen. Die VELOUR-Studie zeigt, dass progrediente Patienten von der Fortführung der anti-angiogenen Therapie profitieren, so Arnold. Etwa 30% der Teilnehmer waren chemotherapeutisch und mit dem Angiogenesehemmer Bevacizumab vorbehandelt. Auch sie profitierten Second-line von Aflibercept mit einer längeren medianen PFS und Gesamtüberlebenszeit (2). Aflibercept ist laut Arnold aufgrund des 3-fachen Wirkansatzes eine besonders interessante Substanz, um die anti-VEGF-Therapie second-line fortzuführen. „Wir wissen, dass mit Fortschreiten der Erkrankung immer mehr angiogene Faktoren eine Rolle spielen, um die Tumorangiogenese aufrecht zu erhalten.“ Vor diesem Hintergrund, so Arnold, ist Aflibercept künftig möglicherweise eine besonders effektive Substanz zur Second-line-Therapie. Aflibercept: Positives CHMP-Votum beim metastasierten CRC Mit Aflibercept befindet sich eine innovative anti-angiogen wirkende Substanz in der klinischen Prüfung für die Behandlung von Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom (mCRC). Der Ausschuss für Humanarzneimittel der europäischen Zulassungsbehörde (CHMP) hat eine positive Empfehlung für den Einsatz von Aflibercept nach Oxaliplatin-Behandlung bei diesen Patienten ausgesprochen. Hintergrund des positiven CHMP-Votums sind die Ergebnisse der Phase-III-Studie VELOUR, in der die zusätzliche Behandlung mit Aflibercept zur Second-line-Chemotherapie einen signifikanten Überlebensvorteil für die Patienten erreichte. Innovatives Fusionsprotein mit 3-fachen Angriffspunkt Ein wesentliches Therapieprinzip ist die AntiAngiogenese. Sie basiert darauf, das vom Tumor aufgebaute Gefäßversorgung auszuschalten und die Tumorprogression zu stoppen bzw. hinauszuzögern, erläuterte Prof. Dirk Arnold, Hamburg. Derzeit stehen verschiedene antiangiogene Therapieansätze zur Verfügung. Eine innovative Substanz ist laut Arnold das Fusionsprotein Aflibercept, das gezielt für eine besonders effektive anti-angiogene Wirkung entwickelt wurde. Ähnlich wie Bevacizumab bindet Aflibercept nicht direkt an den VEGF-Rezeptor, sondern an ihre Liganden. Anders als Bevacizumab hat Aflibercept aber einen breiteren Wirkungskreis. Die Substanz besitzt Bindungsstellen für die beiden VEGF-Rezeptoren 1 und 2 und fängt alle entsprechenden Liganden ab. Zusätzlich zum VEGF-A sind dies der VEGF-B und der Plazenta-Growth Faktor (PlGF). Alle drei Liganden, inkl. der beiden VEGF-Rezeptoren spielen eine wichtige Rolle bei der Tumorangiogenese und Tumorproliferation. Weiter bindet Aflibercept den VEGF-A vergleichsweise rasch und mit einer rund >1000-fach stärkeren Bindungsaffinität als Bevacizumab. Vorteile auch bei antiangiogener Vorbehandlung Der 3-fache Angriffspunkt von Aflibercept lässt eine effektive anti-angiogene Blockade erwarten, die auch Kompensationswege einschließt, wie die Phase-III-Studie VELOUR zeigt (1). Primärer Endpunkt war die mediane Gesamtüberlebenszeit. FOLFIRI (5-FU/FS, Irinotecan) plus Aflibercept verlängerten hier das mediane Gesamtüberleben von mit Oxaliplatin vorbehandelten mCRC-Patienten signifikant (HR 0,82, p= 0,0032), ohne das Nebenwirkungsprofil klinisch relevant zu verändern. Signifikante Vorteile für die zusätzliche Gabe von Aflibercept zeigten sich auch beim progressionsfreien Überleben (PFS; HR 0,76; p<0,0001) Abb. 1 Gesamtüberleben in der Second-lineTherapie beim metastasierten kolorektalen Karzinom mit Aflibercept (Phase-III-Studie VELOUR) Überlebenswahrscheinlichkeit Im Median überleben Patienten mit mCRC heute etwa zwei Jahre. Das ist eine Verdopplung im Vergleich zu vor zehn Jahren, so Prof. David Cunningham, Sutton/Großbritannien, auf dem ESMO-Kongress 2012. Wesentlichen Anteil an der Prognoseverbesserung haben neue Substanzen, die auf Grund des immer besseren Verständnisses der Tumorentstehung entwickelt wurden. Birgit-Kristin Pohlmann, Nordkirchen Literatur 1. Van Cutsem E et al. J Clin Oncol 2012; 30(28): 3499-3506. 2. Allegra CJ et al. J Clin Oncol 2012 30(suppl): Abstr 3505. Quelle: Satellitensymposium „Choosing an optimal fit; exploring treatments for the patient with mCRC“ anlässlich der ESMO-Jahrestagung am 28.September 2012, Wien. Veranstalter: Sanofi-Aventis Int., Paris. Hinweis: Dieser Beitrag entstand mit freundl. Unterstützung von Sanofi-Aventis Deutschland, Berlin. Medianes progressionsfreies Überleben Hazard Ratio (95% KI) p-Wert 1,0 0,8 Placebo/ FOLFIRI (n = 530) Aflibercept/ FOLFIRI (n = 531) 12,06 13,50 0,82 (0,713–0,937) 0,0032 0,6 0,4 Aflibercept/FOLFIRI 0,2 Placebo/FOLFIRI 0 0 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 39 © Schattauer 2012 Monate Onkologische Welt 6/2012 Downloaded from www.onkologische-welt.de on 2017-10-21 | IP: 88.99.70.242 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.