Komplettes Heft Onkologische Welt 6/2012

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E 45120
ISSN 1869-0874
Onkologische
Welt
6/2012
Hämato-Onkologie
Myelodysplastisches
Syndrom
Gynäkologische
Onkologie
Das vaginale Melanom
Uro-Onkologie
DGU-Kongressnachlese
Supportivtherapie
Kieferosteonekrose
Fatigue
Dermato-Onkologie
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Onkologische Welt 2012; 3: 249–304
Dezember
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3
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Melanom Meeting 2012
249
Zu diesem Heft
Zu diesem Heft
Des Pudels Kern
Im Editorial der vergangenen Ausgabe der
Onkologischen Welt habe ich über die
Do`s und Don`t`s bei der Werbung mit
Prominenten am Beispiel der Krebsvorsorge-Kampagne der Bayerischen Krebshilfe
geschrieben. Trotz allerlei Lästerei über die
Werbe(un)wirksamkeit mancher Promis
stehe ich dem Thema Krebsvorsorge
grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings
habe ich selbst noch nie an einer Vorsorgeuntersuchung teilgenommen und habe
beim gegenwärtigen Stand der Dinge auch
nicht vor, dies zu tun. Ich teile diese irrationale Haltung mit den meisten Bundesbürgern: Finde ich gut, aber nur bei anderen.
Es ist gut möglich, dass ich auch auf absehbare Zeit meine Meinung zum Wert
von Krebsvorsorge-Untersuchungen nicht
ändern werde. Das ist keine blanke Ignoranz, sondern geschieht auch auf der Basis
Evidenz-basierter Erkenntnisse.
Eine aktuelle, vorab publizierte Studie
der Cochrane Collaboration im renommierten British Medical Journal fand keine
ausreichende Evidenz, dass allgemeine
Vorsorgeuntersuchungen dazu beitragen,
die Morbidität und Mortalität kardiovaskulärer und onkologischer Erkrankungen zu
senken (Krogsbøll LT et al. BMJ 2012;
345:e7191e doi: 10.1136/bmj.e7191). Ausgewertet wurden 14 Studien mit insgesamt
182 880 Teilnehmern. Ein weiterer Befund
war die Tatsache, dass wichtige und für die
Teilnehmer negative Folgen oft entweder
gar nicht untersucht oder darüber nicht
berichtet wurde.
Ausgerechnet Cochrane!
Ausgerechnet Cochrane, die Hohepriester
der Evidenz-basierten Medizin, rütteln an
einem heiligen Gral der onkologischen
Fachgesellschaften und der Gesundheitspolitik! Aber die Diskussion über den Wert
beispielsweise der Brustkrebsvorsorge ist
nicht neu. Kritiker werden sich in ihren Argumenten bestätigt fühlen, dass bei dem
Thema Krebsvorsorge nichts ist, was nicht
sein darf.
Brustkrebs-Patientinnen, die nach Evidenz-basierten Leitlinien behandelt werden, haben einen besseren Outcome als
Frauen mit einer Therapie nach individueller Entscheidung des Arztes. Ähnliches
wurde für viele weitere onkologische Indikationen nachgewiesen. Warum soll ich
mich also an der Krebsvorsorge beteiligen,
obwohl es keine klare Evidenz dafür gibt?
Dr. Alexander Kretzschmar
Was macht gute Medizin
wirklich aus?
Aber vielleicht liegt des Pudels Kern ganz
woanders. Beispielsweise könnten Sie der
Ansicht sein, dass die Evidenz-basierte Medizin nicht unbedingt den Behandlungsalltag und die Lebenswelt der Patienten widerspiegelt. Damit bestätigen Sie die Erfahrung vieler Kollegen. Dies soll nicht den
Wert einer strukturierten, an rationale Entscheidungsparameter orientierten Behandlungsstrategie infrage stellen. Das Cochrane-Dilemma zeigt aber, dass gute Medizin
mehr ist als statistische Signifikanz. Und
vielleicht trägt diese Metaanalyse als höchster Grad der medizinischen Evidenzfindung (!) dazu bei, die Krebsvorsorge weiter
zu verbessern. Weiter wursteln als wäre
nichts geschehen, ist keine Lösung.
Wie auch immer Sie sich entscheiden
und Ihren Patienten die Teilnahme an
Krebsvorsorge-Untersuchungen empfehlen
oder nicht. Sie mögen Recht haben.
Dr. Alexander Kretzschmar, München
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Inhalt
Contents
251
Zu diesem Heft
249
A. Kretzschmar
Des Pudels Kern
Hämato-Onkologie
253
MDS Forum Hämato-Onkologie: Diagnostik, Risikostratifizierung und Pathophysiologie
255
Lenalidomid und Multiples Myelom, TKI und CML, DNA-Sequenzierung, NHL-Therapie
259
Forum Hämato-Onkologie: Bendamustin und Multiples Myelom
260
Meningeosis neoplastica, CML-Diagnostik, Myelodysplastische Syndrome, Morbus
Hodgkin und aggressive T-Zell-Lymphome, Multiples Myelom, Lymphom-Register, akute
myeloische Leukämie
Gynäkologische Onkologie
266
S. Poth; A. Eck; A. P. Labanaris; J. H. Witt; D. Porres; A. Heidenreich; V. Zugor
269
Steigende Inzidenz bei Schwangerschaftskarzinomen, MRT vs. Mammographie,
Mamma-Ca: „pathologische Response“ als primärer Endpunkt?
272
ESMO 2012: Trastuzumab bei Mamma-Ca, Skelettmetastasen
273
Forum Brustkrebs: Nanopartikel-basiertes Paclitaxel
274
Eribulin bei stark vorbehandeltem metastasiertem Mamma-Ca
Das vaginale Melanom – eine seltene Tumorentität
Uro-Onkologie
275
DGU-Kongress 2012: Blasenkarzinom, mCRC, DGU-Studienregister mit WHO-Akkreditierung, mRCC
280
Blasenkarzinom, Antitumorvakzin
282
Tomotherapie, Prostata-Ca, mRCC
Supportivtherapie
285
I. J. Diel
293
B. Senf und J. Hübner
296
Skelettmetastasen, febrile Neutropenie, Durchbruchschmerz
Osteonekrose des Kiefers durch osteoprotektive Medikamente
Fatige
Dermato-Onkologie
298
Vismodegib und Basalzellkarzinom, malignes Melanom und Kombinationstherapien
299
Melanoma-Meeting 2012: Melanom als chronische Erkrankung? Adjuvante Therapie
301
Weißer Hautkrebs, malignes Melanom
Gastro-Onkologie
303
Forum Gastro-Onkologie: Aflibercept beim mCRC
Titelbild
Amadeo Modigliani 1884-1920, Porträt von Pablo Picasso; ©www.visipix.com
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4. MDS Forum
Hämato-Onkologie
253
Myelodysplastisches Syndrom (MDS)
Neue Erkenntnisse zu Diagnostik
und Risikostratifizierung
Es zeichnet sich ab, dass molekulare Marker zukünftig Diagnose, Risikostratifizierung
und Therapieentscheidung beim MDS beeinflussen werden. Mit der revidierten Form
des Internationalen Prognostischen Scoring Systems (IPSS) lässt sich der MDS-Verlauf
präziser voraussagen als mit dem bisherigen Goldstandard.
Der IPSS in ursprünglicher Form hat nach Ansicht von erhebliche Schwächen, erklärte Prof.
Detlev Haase, Göttingen, auf dem 4. MDS Forum. So können Patienten mit seltenen zytogenetischen Anomalien nicht eingeordnet werden, die Bedeutung von Doppelanomalien
wird nicht berücksichtigt, und die Zytogenetik
ist im Vergleich zum Blastenanteil zu gering
gewichtet. In einer Studie erwies sich eine gemäß IPSS ungünstige Zytogenetik als prognostisch mindestens ebenso unvorteilhaft wie ein
erhöhter Blastenanteil (1).
Neuer zytogenetischer
Prognose-Score
Inzwischen wurde ein verbesserter zytogenetischer Prognosescore entwickelt, der alle zytogenetischen Kritikpunkte am IPSS berücksichtigt (2). Das neue zytogenetische Prognosesystem wurde in den revidierten IPSS (IPSS-r) aufgenommen, der eine deutlich höhere Aussagekraft als der IPSS hat und den MDS-Verlauf
präziser voraussagt.
Der IPSS-r basiert auf über 7000 Patienten,
an dem alle als relevant eingestuften Variablen getestet wurden (3). MDS-Patienten wurden in 5 Risikogruppen differenziert, die sich
bezüglich Überleben bzw. AML-Transformationsrisiko klar unterscheiden. Dabei wurden
laut die prognostisch bedeutsamen Schwellenwerte für Hämoglobin (≥10, 8 bis <10, <8
g/dl), Neutrophile (≥800/μl vs. <800/μl) und
Thrombozyten (≥100/nl, 50 bis <100/nl,
<50/nl) definiert, außerdem neue Blastenschwellen ermittelt, die laut Haase viel niedriger sind als bisher angenommen (≤2%, >2 bis
<5%, 5 bis 10%, >10%). Der Zytogenetik wurde von allen prädiktiven Variablen das höchste
statistische Gewicht eingeräumt.
Neue molekulare
MDS-Veränderungen
Moderne Verfahren wie hochauflösende SNP
(Single Nucleotide Polymorphism)-Microarrays
oder Next Generation Sequencing gestatten
einen tieferen Einblick in molekulare Veränderungen von DNA, Transkriptom oder Proteom
als die klassischen Methoden Zytogenetik und
Sanger-Sequenzierung, so Dr. Daniel Nowak,
Mannheim. Mit hochauflösenden SNP-ArrayTechniken werden wesentlich häufiger zytogenetische Veränderungen gefunden als mit der
routinemäßigen Karyotypisierung. Zudem
konnte damit gezeigt werden, dass Regionen
uniparentaler Disomie (Verdopplung eines elterlichen Allels bei Deletion des anderen Allels) ein häufiges Merkmal von Knochenmarkzellen bei MDS sind.
Wie Nowak weiter ausführte, ist der MDSForschung in den vergangenen Jahren mit Hilfe des Next Generation Sequencing ein Durchbruch gelungen. Es wurden zahlreiche mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostisch relevante
Mutationen entdeckt, die beispielsweise Transkription, Epigenetik oder Splicing beeinflussen. Eine wichtige Rolle in der MDS-Pathogenese spielt die aberrante DNA-Methylierung.
Mit genomweiten Methylierungsanalysen lassen sich Methylierungsprofile erstellen, die
MDS-Patienten von Gesunden, aber auch unterschiedlichen MDS-Subtypen differenzieren
können.
Besonders häufig sind bei MDS Gene mutiert, die an der epigenetischen Regulation beteiligt sind, wie beispielsweise TET2, das bei
rund 20% der MDS-Patienten nachweisbar ist,
ASXL1 (15%), EZH2 (6%) oder DNMT3A (6%)
(4, 5). Weiter wurden laut Dr. Felicitas Thol,
Hannover, viele Mutationen des Splice-Apparats identifiziert, wie SRSF2 (11,6%), U2AF1
(11,6%) oder SF3B1 (6,5%) (6).
Entdeckung neuer Mutationen bedeutet Durchbruch
Laut Thol haben Mutationsanalysen bereits
heute Relevanz für Diagnose und Prognoseabschätzung. So kann der Nachweis von SF3B1
auf eine MDS mit Ringsideroblasten hindeuten. Darüber hinaus ist SF3B1 mit einer günstigen Prognose assoziiert (7). TET verhält sich
dagegen prognostisch neutral. Von diesen beiden Ausnahmen abgesehen, sind die häufigen
Mutationen prognostisch ungünstig, sagte
Thol. Eine besonders schlechte Prognose hinsichtlich Überleben und AML-Transformation
verbindet sich mit ASXL-1-Mutationen (8).
Mittlerweile gibt es erste Hinweise auf den
prädiktiven Wert eines molekularen Markers:
MDS-Hochrisiko-Patienten mit TET2-Mutation
scheinen besonders gut auf hypomethylierende Therapien wie Azacitidin (Vidaza®) anzusprechen (9).
Günter Springer, Frankfurt/Main
Literatur
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
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Schanz J et al. J Clin Oncol 2011; 29: 1963-1970.
Schanz et al. J Clin Oncol 2012; 30: 820-829.
Greenberg PL et al. Blood 2012; 120: 2454-2465.
Bejar R et al. J Clin Oncol 2011; 29: 504-515.
Bejar R et al. N Engl J Med 2011; 364: 2496-2506.
Yoshida K et al. Nature 2011; 478: 64-69.
Malcovati L et al. Blood 2011; 118: 6239-6246.
Thol F et al. J Clin Oncol 2011; 29: 2499-2506.
Itzykson R et al. Leukemia 2011; 25: 1147-1152.
Quelle: 4. MDS FORUM „30 Jahre Myelodysplastische Syndrom: Neues Wissen schneller in die Anwendung bringen“ vom 28. bis 29. September 2012, Düsseldorf. Veranstalter: GMIHO Gesellschaft für Medizinische Innovation – Hämatologie und Onkologie mbH
und Deutsches MDS-Register, Berlin. Unterstützt von
Celgene Deutschland, München.
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4. MDS Forum
Hämato-Onkologie
254
Myelodysplastisches Syndrom (MDS)
Neue Erkenntnisse zur
Pathophysiologie
Der Ursprung der MDS liegt wahrscheinlich im Kompartiment der hämatopoetischen
Stammzellen (HSC) im Knochenmark. Neben DNA-Schäden sind weitere Faktoren, wie
beispielsweise Stroma oder Epigenetik, pathophysiologisch bedeutsam. Am Anfang
der Krankheitsentwicklung scheint eine Störung gesunder HSC bzw. hämatopoetischer Progenitorzellen zu stehen, erklärte Prof. Uwe Platzbecker, Dresden, im Rahmen
des 4. MDS-Forums. Im weiteren Verlauf soll die Akquisition zusätzlicher molekularer
Alterationen zum Fortschreiten der Erkrankung führen.
In den vergangenen Jahren wurden molekulare Aberrationen identifiziert, die zum Verständnis der Pathogenese des MDS (▶ Abb. 1)
beitragen können. So wurde gezeigt, dass sich
HSC-Gen-Expressionsmuster von Kontrollen
und MDS-Patienten bzw. bei MDS stadienabhängig erheblich unterscheiden (1, 2).
Diese Beobachtung steht nach Einschätzung von Platzbecker möglicherweise im Zusammenhang mit der aberranten DNA-Methylierung. Deren eine Zunahme beim Fortschreiten vom Niedrigrisiko- zum Hochrisiko-MDS/
AML wurde als ein Mechanismus gedeutet,
der zur Abschaltung von Tumorsuppressorgenen führt (3).
Nach Untersuchungen mit Whole-GenomeSequencing im Knochenmark ist MDS eine
ebenso klonale Krankheit wie die sekundäre
AML (4). Im Rahmen der Krankheitsevolution
entstehen multiple Mutationscluster, die in einem dynamischen Prozess zusätzliche Mutationen akquirieren, sodass Subklone mit zunehmender Zahl von Mutationen entstehen.
Letztlich bilde sich ein dominanter Klon, der
zur Progression führt.
Im Rahmen der MDS-Pathogenese können
das Knochenmarkstroma und im Speziellen
die MSC eine wichtige Rolle spielen. Dafür
gibt es nach Einschätzung von Dr. Thomas
Schröder, Düsseldorf, Hinweise.
Im Knochenmark wurde eine räumliche
und funktionelle Nähe zwischen HSC und MSC
(6) sowie eine enge Wechselbeziehung über
lösliche und membrangebundene Faktoren
nachgewiesen (7). Einer aktuellen Hypothese
zufolge sollen Differenzierung und Wachstum
von MSC nach einer ersten Schädigung beeinträchtigt sein, sodass sie nicht mehr befähigt
sind, die Hämatopoese zu unterstützen.
In eigenen Untersuchungen wies Schröders
Arbeitsgruppe nach, dass
• MSC von MDS-Patienten morphologisch
und funktionell verändert
• und die Interaktionen zwischen MSC und
HSC gestört sind.
Beispielsweise bildeten gesunde HSC, die auf
MSC von MDS-Patienten kultiviert wurden,
signifikant weniger Primärkolonien. Dieser Effekt zeigte sich auch bei Kultivierung von
MDS-HSC auf MDS-MSC, nicht aber bei CoKultivierung von MDS-HSC mit MSC gesunder
Kontrollen. Eine Erklärung für diese Effekte
könnte in der dysregulierten Expression von
Chemo- und Zytokinen bestehen, die die Düsseldorfer Gruppe bei MSC von MDS-Patienten
beobachteten. Allerdings gibt es auch Hinweise, dass es sich bei den MSC-Veränderungen
nur um sekundäre reaktive Alterationen infolge der klonalen Expansion der HSC bzw. hämatopoetischer Progenitorzellen handelt.
Günter Springer, Frankfurt/Main
Weitere Veränderungen:
Hypermethylierung
Tumorsuppressorgene
AML
Onkoproteine
Erste Veränderungen:
Zellzyklus
Transkription
Schädigung:
Chemikalien
Strahlung
(Alter)
gesunde Stammzelle
MDS-Spätstadium
MDS-Frühstadium
vermehrte Apoptose
beeinträchtigte
Differenzierung
dysplastische Hämatopoese
periphere Zytopenien
keine Blastenexpansion
Fortschreiten der Erkrankung
Abb. 1
Schematische Darstellung der MDS-Pathophysiologie.
verminderte Apoptose
beeinträchtigte Differenzierung
vermehrte Proliferation
dysplastische Hämatopoese
periphere Zytopenien
Blastenexpansion
Literatur
1.
2.
3.
4.
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Walter MJ et al. N Engl J Med 2012; 366:
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Tehranchi R et al. N Engl J Med 2012; 363:
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Chen C et al. Leukemia 2010; 24: 1875-1884.
Quelle: 4. MDS FORUM „30 Jahre Myelodysplastische Syndrom: Neues Wissen schneller in die Anwendung bringen“ vom 28. bis 29. September 2012, Düsseldorf. Veranstalter: GMIHO Gesellschaft für Medizinische Innovation – Hämatologie und Onkologie mbH
und Deutsches MDS-Register, Berlin. Unterstützt von
Celgene Deutschland, München.
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Internationale
Literatur
255
Multiples Myelom
Erhaltungstherapie mit Lenalidomid
nach Transplantation
Beim multiplen Myelom besteht die einzige Heilungsmöglichkeit in der Hochdosischemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation. Eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid verlängerte hier die progressionsfreie Zeit. Mc Carthy
et al. beobachteten die Patienten weiter und analysierten den Einfluss auf die Gesamtüberlebenszeit. Eine weitere Zielvariable der Untersuchung war die Häufigkeit
von Zweittumoren, die nach der Kombinationstherapie mit Melphalan und Lenalidomid vermehrt aufgetreten waren. Die doppelblinde, placebokontrollierte Phase-3-Studie bestätigte dies, trotzdem erreichten die Patienten unter der Lenalidomid-Erhaltungstherapie ein längeres Gesamtüberleben.
Studienteilnehmer waren 460 Patienten im Alter von 18 bis 70 Jahre n im Durie-Salmon-Stadium >1 mit kompletter, partieller oder marginaler Response nach der Transplantation. Die
Induktionstherapie hatte bei den meisten Patienten bereits Lenalidomid, Thalidomid, Bortezomib oder Kombinationen enthalten. Die
Erhaltungstherapie begann ab Tag 100 mit
Placebo (n = 229) oder Lenalidomid 5–15
mg/d.
Nach 18 Monaten wurde die Verblindung
aufgehoben, weil sich ein signifikanter Vorteil
mit Lenalidomid zeigte. Insgesamt 47 Patienten (20%) der Verumgruppe und 101 Patienten (44%) unter Placebo erlitten einen Progress oder starben (p<0,001). Dies entsprach
einer Risikoreduktion um 63% durch die Erhal-
tungstherapie. Die mediane progressionsfreie
Zeit betrug 39 und 21 Monate. Die günstigen
Ergebnisse bestätigten sich für die Folgezeit.
34 Monate nach Transplantation betrug die
Rezidivrate mit Lenalidomid 37% und mit Placebo 58%. Die rezidivfreien Zeit dauerte 46 vs.
27 Monate (p<0,001).
Tendenziell profitierten besonders Patienten, die bereits eine Induktion mit Lenalidomid
erhalten hatten. Ein positiver Effekt wurde für
die Patienten mit inkompletter Remission nach
der Stammzelltransplantation vermutet. Das
3-Jahres-Gesamtüberleben betrug 88% (Lenalidomid) und 80% (Placebo) (HR 0,62; 95% KI
0,40–0,95, p = 0,03). Eine Stratifizierung nach
dem b2-Mikroglobulin-Ausgangswert ergab
keinen Zusammenhang.
Myeloproliferative Erkrankungen
Janus-Kinase-Inhibitoren: Therapie
der Zukunft?
Tyrosinkinase-Hemmer haben die Therapie der Chronisch Myeloischen Leukämie revolutioniert. Klinische Studien zeigten auch bei anderen myeloproliferativen Erkrankungen hohe Remissionsraten. Sonbol et al. fassten die aktuelle Datenlage nun in einem
Review zusammen.
Bei Patienten mit BCR-ABL-1-negativen myeloproliferativen Erkrankungen wurden inzwischen verschiedene onkogene Tyrosinkinasen
nachgewiesen, darunter die Janus-Kinasen
(JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2). Zusammen mit
dem STAT-System (signal transducers and activators of transcription) bilden sie den JAKSTAT-Signalweg. Dieser führt zu einer Expression von Genen, die für die Proliferation,
Apoptose, Migration und Zelldifferenzierung,
Nebenwirkungen traten häufiger unter Lenalidomid auf. Dies waren vor allem Neutropenien und nicht-hämatologische Begleitprobleme des Schweregrades 3. Schwerere nicht hämatologische Komplikationen waren in den
Gruppen nicht unterschiedlich häufig. Zweittumoren waren mit Lenalidomid häufiger: 8 Patienten bekamen eine hämatologische Zweitneoplasie und 10 einen soliden Tumor (3,5%
und 4,3%). In der Placebogruppe waren dies 1
und 5 Patienten (0,4% und 2,2%). Neben der
größeren Häufigkeit war auch die Zeit bis zum
Auftreten eines Zweittumors unter Lenalidomid kürzer (15 vs. 21 Monate).
Einer verlängerten progressionsfreien und
Gesamtüberlebenszeit stand die höhere Rate
an Zweitneoplasien gegenüber. Mc Carthy et
al. verglichen die kumulativen Wahrscheinlichkeiten. 40% der Lenalidomidgruppe und 58%
der Placebopatienten hatten zum Analysezeitpunkt ein Rezidiv, einen Zeittumor oder waren
gestorben (p<0,001; HR 0,53; 95% KI
0,41–0,69). Dies entsprach einer Risikoreduktion von 47% und einem Ereignis-freien Überleben von 43 und 27 Monaten.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
Literatur
1. Mc Carthy P.L. et al. Lenalidomide after stem-cell
transplantation for multiple myeloma. N Engl J
Med 2012; 366: 1770–1781.
aber auch für die Produktion angiogenetischer
und inflammatorischer Proteine verantwortlich sind.
Ruxolitinib
Ruxolitinib ist ein selektiver JAK1- und
JAK2-Inhibitor und der erste von der FDA zugelassene Tyrosinkinaseinhibitor zur Behandlung der PMF. Zwei klinische Phase-III-Studien
(COMFORT-I und COMFORT-II) zeigten eine
signifikante Abnahme der Splenomegalie und
des Symptom-Scores. Als häufigste Nebenwirkungen wurden gastrointestinale Symptome
und eine Verschärfung von Anämie und
Thrombozytopenie beobachtet.
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Internationale
Literatur
256
Die Ergebnisse der Überlebensanalysen
waren inkonsistent. Patienten mit PV hatten in
einer klinischen Phase-II-Studie hohe Ansprechraten. In 59% der Fälle trat eine komplette Response mit Rückbildung der Splenomegalie und Normalisierung der Leukozytenund Thrombozytenzahlen auf.
In einer globalen Phase-III-Studie wird derzeit die Wirksamkeit von Ruxolitinib bei der PV
geprüft. Das Medikament war auch bei ET
wirksam. Die Behandlung von 39 Patienten
führte bei 49% während 15 Monaten zu einer
Normalisierung der Thrombozytenwerte.
Lestaurtinib
Lestaurtinib hemmt die Tropomyosinkinaserezeptor-Kinase A und wurde für die Behandlung des Prostatakarzinoms entwickelt. Wegen
seiner gleichzeitigen JAK2-Inhibition wurde es
auch bei myeloproliferativen Erkrankungen
getestet.
Lestaurtinib zeigte eine vergleichsweise
mäßige Effektivität bei Myelofibrose-Patienten. Bei ET und PV besserte es substanziell die
klinische Symptomatik, aber verringerte nicht
die Häufigkeit von thromboembolischen Komplikationen.
Pacritinib
CYT387
Viel versprechend waren bisherige Studienergebnisse für Pacritinib, einem hochselektiven JAK“- und JAK2V617F-Inhibitor. Bei Patienten mit PMF bildete sich eine Splenomegalie zurück (57%) und verringerte sich der
Symptom-Score (40-65%). Möglicherweise sei
der Inhibitor für PMF-Patienten mit beeinträchtiger Hämatopoiese besonders bedeutsam, denn relevante therapieinduzierte Neutropenien oder Thrombozytopenien traten
nicht auf. Gastrointestinale Nebenwirkungen
waren allerdings häufig.
CYT387 führte in einer Dosis-Findungs-Studie
zu einer signifikanten und anhaltenden Abnahme von Milzgröße, Symptomen und Anämie. 20% der Patienten hatten einen selbstlimitierenden First-dose-Effekt mit Schwindel,
Flush und Hypotension.
SAR302503
Erste klinische Studien mit dem JAK-Hemmer
SAR302503 (59 Patienten mit PV und ET) ergaben Ansprechraten um 50% bei Vorliegen
einer Splenomegalie, Throbozythämie oder
Leukozytose. Mehr als die Hälfte der Patienten
hatten weniger Nachtschweiß, Pruritus oder
Erschöpfungssymptome.
Welche JAK-Mutationen sind relevant?
Besonders relevant ist die JAK2V617F-Mutation. Sie wurde bei BCR-ABL1-negativen Patienten in unterschiedlicher Häufigkeit nachgewiesen. 65-97% mit einer Polyzythämia
vera (PV), 23-57% mit einer Essenziellen
Thrombozythämie (ET) und 34-57% mit einer
primären Myelofibrose (PMF) hatten die
Aberration.
Die exprimierenden Zellen weisen ein Zytokin-unabhängiges
Wachstumsverhalten
und/oder eine Zytokin-Hyperreagibilität auf.
Das Ausmaß der Allellast war bei der PV mit
einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine
myelofibrotische Transformation, ausgepräg-
tere Splenomegalie, stärkere Leukozytose und
thromboembolische Komplikationen assoziiert. Im Gegensatz dazu waren bei der PMF die
Überlebensdaten bei einer geringen Allellast
ungünstiger. Seltener ist die JAK2-Exon-Mutation bei PV. Verglichen mit JAK2V617F-positiven Patienten hatten die Betroffenen höhere
Hämoglobinspiegel, geringere Thrombozytenund Leukozytenwerte, aber vergleichbare
Komplikations- und Mortalitätsdaten. MPLMutationen kodieren den Thrombopoietin-Rezeptor. Sie wurden bei der PMF (5-9%) und der
ET (1-3%) gefunden, wirken profilerationssteigernd und stimulieren den JAK-STAT-Signal-
XLO19
Die Studien mit dem hochselektiven JAK2-Inhibitor XLO19 wurden abgebrochen, weil
schwere neurotoxische Nebenwirkungen mit
einer Häufigkeit über 70% aufgetreten waren.
Verschiedene weitere JAK-Inhibitoren werden
derzeit geprüft.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
Literatur
1. Sonbol MB et al. Comprehensive review of
JAK inhibitors in myeloproliferative neoplasms. Ther Adv Hematol 2012; DOI:
10.1177/2040620712461047 (Eprint ahead).
weg. MPL-Mutationen waren mit ausgeprägteren Anämien vergesellschaftet. LNK-Mutationen dysregulieren das JAK-STAT-System.
Defiziente Mäuse entwickelten eine Splenomegalie, Thrombozytose, extramedulläre Hämatopoiese und Zytokin-Hyperreagibilität.
Trotz ihrer pathogenetischen Relevanz erklären JAK-Mutationen nicht vollständig die
Entstehung myeloprolerativer Krankheiten.
Andere genetische Variationen seien ebenfalls bedeutsam und trügen zur „Gesamtlast“ bei. Dies werde insbesondere dadurch
deutlich, dass eine erfolgreiche Therapie mit
JAK-Inhibitoren in der Regel nicht mit der
Mutationslast korrelierte.
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Internationale
Literatur
257
Fortschritte bei der DNA-Sequenzierung
Nicht mehr nur aus rein
akademischem Interesse
Die Analyse der Nukleotid-Abfolge ist längst nicht mehr von rein akademischem Interesse. Moderne Methoden weisen immer mehr Korrelationen zu Krankheitsbildern
nach und sind für die Therapie und Prognose bedeutsam. Pathologen an der Universität Stanford/USA prognostizieren, dass die Fortentwicklung der Technik und der Verfall der Preise für die Sequenzierung eines Genoms die klinische Nutzung der gewonnenen Daten erheblich erleichtern.
Die Geschichte der DNA-Sequenzierung ist
lang. Jahrzehnte galt die enzymatische Kettenabbruch-Synthese nach Sanger als Goldstandard. Neuere Verfahren werden als Sequenzierung der nächsten Generation (NGS) bezeichnet und haben die Möglichkeiten durch Automatisierung, digitale Prozesse und parallele
Sequenzierung erheblich gesteigert. Inzwischen gelingt eine Sequenzierung des gesamten menschlichen Genoms innerhalb von Tagen.
Von besonderer Bedeutung ist dabei die
parallele Untersuchung von Millionen DNAFragmenten in einem Sequenzierungslauf. Die
typische Analyse eines Tumorgenoms beginnt
mit der Aufdeckung von Varianten. Deren
funktionelle und klinische Relevanz muss in einem weiteren Schritt bewertet werden. Dabei
gewinnt die Exom-Sequenzierung, also die
Differenzierung der Gesamtheit aller Exons,
zunehmend an Bedeutung. Die komplette Erbgutbestimmung erlaubt nämlich den Abgleich
mit dem neoplastischen Genom. Dafür eignen
sich insbesondere Haut- oder gesunde Blutzelllinien.
Die Kosten für die Genomanalytik sinken rapide
Eine wesentliche Hürde besteht dabei noch in
der Informationsfülle. Die exorbitanten Datenmengen übersteigen die Kapazitäten der Rechensysteme. Neben der Analyse der TumorDNA und des Gesamtgenoms ist auch eine gezielte Anwendung möglich. Das TargetedSequencing untersucht gezielt Hotspots der
Tumorgene oder deckt wiederkehrende Genfusionen auf.
Für die nächsten Jahre erwarten Merkel et
al. eine weitere Zunahme der Forschung, aber
auch der Anwendungen. Ein wichtiges Argument dafür sei die Kostenentwicklung
(▶ Abb. 1). Die Übersicht von 2001 bis 2012
100 Mio. $
10 Mio. $
Abb. 1
Die Kosten pro Genom sinken sehr viel
stärker als nach dem
Moore`schen Gesetz
über die Zunahme
der Leistung von
Großrechnern zu erwarten wäre.
Moore‘sches
Gesetz
1 Mio. $
zeigt eine erhebliche Preisabnahme. Der markante Einschnitt 2008 sei durch die Einführung
der NGS in die klinischen Labors erklärbar.
Deutlich wird der Preissturz im Vergleich zum
Mooreschen Gesetz, der erwarteten Beziehung von Produktionsleistung und Kosten.
Merker et al. nehmen an, dass eine Genom-Sequenzierung schon bald für $ 1000 zu haben
sein wird.
Hämatoonkologie profitiert
besonders
Besondere Erfahrungen liegen auf dem Gebiet
der hämatologischen Neoplasien vor. So sei
2008 das erste komplette Tumorgenom bei einem Patienten mit einer Akuten Myeloischen
Leukämie entschlüsselt worden. Die Studie habe 10 Gene mit nicht synonymen somatischen
Mutationen identifiziert. Insgesamt 8 waren
zuvor nicht bekannt und ihre klinische Relevanz ist bislang nicht geklärt. Eine Interpretation als das Tumorwachstum stimulierende
„Driver-Mutations“ oder als neutrale „Passenger-Mutations“ werden diskutiert. 2010 wurde eine weitere Aberration aufgedeckt. Das
DNA-Methyltransferase-Gen DNMT3A war bei
20% der untersuchten AML-Fälle mutiert. Die
Aberration war unabhängig vom Lebensalter
mit dem Gesamtüberleben assoziiert und soll
bei Patienten unter 60 Jahre in Kombination
mit einer Hochdosis-Induktionschemotherapie
mit einer günstigeren Prognose vergesellschaftet sein.
Die hochparallele Sequenzierung eignet
sich besonders für das Screening nach Immunglobulin- und T-Zell-Rezeptor-Rearrangements
und somit für die Charakterisierung klonaler
Lymphozytenpopulationen. Zahlreiche Mutationen wurden identifiziert. Patienten können
zahlreiche Aberrationen aufweisen, die aber
möglicherweise ähnliche pathophysiologische
Prozesse unterhielten.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
100000 $
Literatur
10000 $
1000 $
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
1. Merker JD et al. Next-generation sequencing in
hematologic malignancies: what will be the dividends? Ther Adv Hematol 2012; DOI:
10.1177/2040620712458948 (Eprint ahead)
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Internationale
Literatur
258
Non Hodgkin Lymphom
Paradigmenwechsel beim
follikulären Lymphom?
Die Behandlungsrichtlinien sind eindeutig: Das lokalisierte follikuläre Non Hodgkin
Lymphom wird strahlentherapeutisch behandelt. Die Wirklichkeit sieht anders aus.
Dr. Silvia Montoto vom Barts Cancer Institute, Queen Mary University of London/Großbritannien, kommentiert die Ergebnisse der LymphoCare-Studie, die genau dies festgestellt hat.
Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie
und Onkologie (DGHO) sieht für Patienten mit
einem Stadium I F-NHL Zweierlei vor: ein Staging mit Ganzkörper-CT und/oder -PET plus
Knochenmarkpunktion sowie eine InvolvedField-Bestrahlung (IF-R) mit mindestens 30 Gy.
Damit entsprechen die Leitlinien den internationalen Empfehlungen. LymphoCare ist eine amerikanische Langzeituntersuchung zu
Behandlung, Prognose und Verläufen von follikulären NHL. Von 2004-2007 wurden Daten
von 2728 Patienten erfasst.
Montoto diskutiert die Gründe für die Diskrepanz zwischen Empfehlungen und Realität
(2). Sie sieht die Ursache einerseits in der nahezu dogmatischen Vorstellung der Unheilbarkeit follikulärer Lymphome als Rechtfertigung
für ein Watchful-Waiting. In den Frühstadien
könne eine IF-Radiatio durchaus zur Heilung
führen. Somit sei ein abwartendes Verhalten
nicht gerechtfertigt.
Theorie trifft auf Praxis
Auch das zweite „klassische Axiom“ hält sie
für falsch. Dass sich die Prognose der follikulären Lymphome im Verlauf der Jahre nicht verbessert habe, ist durch verschiedene Studien
mit verlängerten Überlebensdaten belegt. Ein
Teil der Ärzte ist also offenbar zu fatalistisch,
der andere Teil möglicherweise geblendet von
der unbestrittenen Effektivität der Antikörpertherapie mit Rituximab und nimmt deshalb
von der kurativen Option einer IF-R Abstand.
Laut LymphoCare war die Flexibilität der
Hämatologen im Umgang mit den Staging-
Friedberg et al. berichteten nun, dass den Leitlinienempfehlungen häufig nicht nachgekommen wurde (1). So hätten von 471 Patienten
mit einem Stadium I nur 206 eine Knochenmarkanalyse und die Ganzkörper-CT/-PET erhalten. Auch das Therapiemanagement unterschied sich erheblich. Nur ein Viertel der Patienten wurde bestrahlt, bei einem Drittel erfolgte eine Rituximab-basierte Behandlung
und bei einem weiteren keine Therapie.
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Staging-Empfehlungen mit
besserem Outcome
Empfehlungen bemerkenswert. Weniger als
ein Viertel der Patienten erhielten die den Leitlinien entsprechenden Untersuchungen. Diese
hatten günstigere Verläufe als die nicht regelrecht voruntersuchten Patienten. Dies unterstreicht, so Montoto, die Relevanz eines korrekten und umfassenden Ausgangsbefunds für
das Gesamtergebnis. Die Einführung der FDGPET habe das Lymphom-Management erheblich revolutioniert.
Im Unterschied zu Friedberg votiert Montoto für diese Methode: Neben der Erfassung zusätzlicher Herde im Sinne eines Up-Stagings
sei die prognostische Bedeutung unbestritten.
Das Ansprechen auf die initiale Therapie in der
PET hatte bei fortgeschrittenen Lymphomen
einen hohen prädiktiven Wert. Schon deshalb
sei die initiale FDG-PET notwendig.
Auch Montoto stellt die Frage nach der
besten Behandlung früher follikulärer Lymphome neu und schlägt zwei Vergleichsstudien
vor: erstens IF-R vs. Watchful-Waiting im Stadium 0 und zweitens IF-R vs. Rituximab oder Radioimmunotherapie im Stadium I. Die Ergebnisse seien für die Diskussion eines Paradigmenwechsels in der Therapie früher follikulärer Non Hodgkin Lymphome essenziell.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
Literatur
1. Friedberg JW et al. Effectiveness of first-line management strategies for stage I follicular lymphoma: Analysis of the National LymphoCare Study. J
Clin Oncol 2012; 30: 3368-3375.
2. Montoto, S. Management of localized-stage follicular lymphoma: Changing the paradigm. J Clin
Oncol 2012; 30: 3328-3329.
Jede Ausgabe mit Volltext im Internet
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Forum HämatoOnkologie
259
Multiples Myelom
Bendamustin als effektiver Partner
für moderne Therapieregime
Bendamustin hat sich als Basismedikament zur Behandlung von niedrig malignen Lymphomen etabliert. Registerdaten aus dem hämato-onkologischen Alltag zeigen, dass
Bendamustin heute in der Praxis bei indolenten Lymphomen und der chronischen lymphatischen Leukämie als häufigstes Zytostatikum eingesetzt wird (1).
Auch beim Multiplen Myelom zeigt Bendamustin zunehmend sein hohes Potenzial. Kombinationen mit modernen Substanzen wie Proteasom-Inhibitoren und IMiDs werden zurzeit
untersucht. Aktuelle Daten wurden auf der
DGHO-Jahrestagung vorgestellt. Neue Ergebnisse werden zum ASH 2012 erwartet.
Kombination mit neuen
Substanzen
„Wir haben seit vielen Jahren gute Erfahrungen
mit Bendamustin beim MM“, meinte Dr. Wolfram Pönisch, Leipzig. Die Zulassung von Bendamustin in dieser Indikation beruht auf einer Phase-III-Studie bei 131 unvorbehandelten Patienten.
Im Vergleich von Melphalan/Prednison (MP) mit
Bendamustin/Prednison (BP) wurde mit BP ein
signifikant längeres progressionsfreies Überleben
(PFS) als unter MP erzielt (14 Monate vs. 10 Monate; p<0,03) (2). Das maximale Therapieansprechen wurde im BP-Arm auch schneller erreicht.
Die Rate kompletter Remissionen war unter BP
mit 32% signifikant höher als im Vergleichsarm
(13%; p<0,01). Die Verträglichkeit beider Regime
war vergleichbar (3). Damit könnte Bendamustin
eine Alternative zu Melphalan sein.
Tab. 1
Studienergebnisse mit
Bortezomib, Bendamustin und Kortikosteroid bei rezidiviertem und/oder refraktärem MM
Mit seiner guten Verträglichkeit und fehlenden Kreuzresistenz mit anderen alkylierenden Substanzen eignet sich Bendamustin für
Kombinationen mit den neuen Substanzen
Bortezomib, Lenalidomid oder Thalidomid. In
der Rezidivsituation und bei refraktären Patienten zeigten Bendamustin-haltige Kombinationen in mehreren Studien eine gute Effektivität. Bei Patienten mit normaler Knochenmarkfunktion ließen sich mit der Kombination
von Bendamustin, Prednisolon und Bortezomib (BPV) in einer retrospektiven Analyse eine
Gesamtansprechrate von 69% und ein PFS
von 11 Monaten erzielen (4). Dies entspricht
den Daten anderer Studien zu dieser Kombination (▶ Tab. 1).
Ebenso gibt es zur Kombination von Bendamustin mit Lenalidomid und Kortikosteroiden erste Daten aus teils noch laufenden
Phase-I- und Phase-II-Studien. Sogar bei stark
vorbehandelten Patienten (im Median 3 Vortherapien) erbrachte diese hochwirksame
Kombination noch Ansprechraten von 52%
und zeigte darüber hinaus, dass sie Resistenzen gegen Lenalidomid überwinden kann (5).
Eine weitere aktuelle Studie zeigt für diese
Kombination Ansprechraten von 76% und ein
PFS von zehn Monaten (6).
Autor
Abstract
Studie
Berenson
ASH 11, 1857
Phase I/II 40
50
9,0
Rodon
EHA 12, 835
Phase II
73
59
k.A.
Ludwig
EHA 12, 847
Phase II
71
59
13,0
Offidani
EHA 12, 858
Phase II
44
77
k.A.
Hrusovsky ASH 05, 5122
retrosp.
17
70
6,0+
Pönisch
retrosp.
45
76
11,0
DGHO 12, 489
n
Unproblematisch auch bei
Niereninsuffizienz
Viele MM-Patienten haben alters- und krankheitsbedingt eine verminderte Nierenfunktion.
Bendamustin kann auch bei niereninsuffizienten Patienten einschließlich dialysepflichtigen
Patienten eingesetzt werden. Dies belegt eine
retrospektive Analyse unvorbehandelter MMPatienten mit Leichtketten-induzierter CastNephropathie (7). Die Kombination aus Bendamustin, Prednisolon und Bortezomib zeigte
ein Gesamtansprechen von 83%. Das erste
Therapieansprechen wurde nach median 14
Tagen erreicht. Entsprechend schnell verbesserte sich auch die Nierenfunktion, so dass oft
eine terminale Niereninsuffizienz mit Dialysepflicht verhindert werden konnte. Nach 12
Monaten waren 57% der Patienten progressionsfrei, das Gesamtüberleben lag nach 18 Monaten bei 61%. „Bendamustin als Chemotherapie beim MM dient nicht nur als Basis des
Therapieerfolges, sondern sichert auch die Lebensqualität der Patienten“, so Pönisch.
Bettina Reich, Hamburg
Literatur
1. Abenhardt W et al. Tumorregister Lymphatische
Neoplasien (TLN) der niedergelassenen Hämato-/
Onkologen in Deutschland. München, 2011;
www.iomedico.org: unveröffentlichte Daten
2. Pönisch W et al. J Cancer Res Clin Oncol 2006;
132(4): 205-212.
3. Knop S et al. Haematologica 2005; 90(9):
1287-1288.
4. Pönisch W et al. Jahrestagung der DGHO 2012,
Abstract 227, Poster 489.
5. Lentzsch S et al. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2011; 118: Abstract 304.
6. Pönisch W et al. EHA 2012, Abstract 848.
7. Pönisch W et al. Blood (ASH) 2011, 118: Abstract
2938.
ORR (%) PFS (Monate)
ORR = Gesamtansprechrate; PFS = progressionsfreies Überleben;
k.A. = keine Angabe
Quelle: Satellitensymposium „Lebensqualität sichern
– Multiples Myelom erfolgreich therapieren“ am 21.
Oktober 2012 anlässlich der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie am 21. Oktober 2012, Stuttgart. Veranstalter: Mundipharma,
Limburg
Hinweis: Mit freundl. Unterstützung von Mundipharma, Limburg
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HämatoOnkologie
260
Meningeosis neoplastica
Spezifische Behandlung ist von der
Prognose abhängig
Durchschnittlich weniger als 10% aller onkologischen Patienten entwickeln eine Meningeosis neoplastica. Ob eine spezifische Therapie sinnvoll ist, hängt von der sehr unterschiedlichen Gesamtprognose ab.
Die Beteiligung der Hirnhäute ist eine seltene
Komplikation von verschiedenen Malignomen,
die durch ihre extrem variable klinische Symptomatik manchmal schwer zu diagnostizieren
ist. Sie kann isoliert auftreten oder im Rahmen
einer ZNS-Metastasierung. Am häufigsten
kommt die Meningeosis bei verschiedenen aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen, insbesondere beim okulären Lymphom oder BurkittLymphom, beim malignen Melanom und bei
primären Hirntumoren vor.
Radikuläre Schmerzen, sensible Ausfälle
und Lähmungen sind Zeichen eines spinalen
Befalls. Sind basale Anteile des Liquorraums
betroffen, können Hirnnervensymptome wie
Doppelbilder (N. oculomotorius, N. abducens)
oder Neuropathie (N. trigeminus) auftreten.
Ein Hemisphärenbefall äußert sich in Kopfschmerzen, kognitiven Defiziten, neuropsychiatrischen Auffälligkeiten oder Krampfanfällen.
Die Diagnose lässt sich mittels Kernspintomo-
graphie und/oder Liquorzytologie bzw. -Durchflusszytometrie stellen.
Systemische und
intrathekale Therapien
Während bei Leukämien und Lymphomen
Langzeitremissionen erzielt werden können,
hat die Meningeosis bei soliden Tumoren eine
schlechte Prognose, vor allem, wenn sie nicht
isoliert auftritt. Von der Einschätzung der
Prognose hängt ab, ob eine spezifische Behandlung eingeleitet wird, um Symptome zu
lindern oder auch das Überleben zu verlängern, wie Priv.-Doz. Dr. Martin Bommer, Ulm,
ausführte.
Für die systemische Therapie eignen sich
nur Substanzen, die die Blut-Hirn-Schranke
passieren können: Lipophile, unipolare und
kleine Moleküle (< 400 Da). Alkylantien, Anti-
Neue Anforderungen an die CML-Diagnostik
Bei TKI-Absetzversuch engmaschig
monitorieren
Bei der Diagnose einer chronischen myeloischen Leukämie (CML) bleibt die Zytogenetik Goldstandard. Dank der heute mit den potenten Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) erreichten tiefen Remissionen nimmt der Stellenwert der molekularen Diagnostik jedoch immer weiter zu. Sie ist unverzichtbar für das Therapie-Monitoring und bei Patienten mit langfristig anhaltender tiefer Remission, bei denen ein TKI-Absetzversuch
gemacht wird.
Die Einführung von Imatinib (Glivec®) hat das
Überleben von CML-Patienten dramatisch verbessert: „Die Lebenserwartung unterscheidet
sich nicht mehr wesentlich von der der Allge-
meinbevölkerung. Auch sehen wir immer häufiger nicht CML-bedingte Todesursachen bei
unseren Patienten“, berichtete Dr. Jolanta
Dengler, Heidelberg. Allerdings zeigt das
metaboliten, Lapatinib, Dasatinib und Temsirolimus gehören zu den Substanzen, die gut ins
ZNS penetrieren. Es sind jedoch auch bei gut
liquorgängigen Substanzen wie Cytarabin hohe Dosen erforderlich, um die Blut-Hirnschranke zu überwinden.
Mit einer intrathekalen Therapie lässt sich
Blut-Hirn-Schranke umgehen. Geeignet dafür
sind jedoch nur wenige Substanzen: Methotrexat, Cytarabin oder liposomales Cytarabin. Am
längsten hält die zytotoxische Konzentration
im Liquor bei liposomalem Cytarabin an, nämlich 14-21 Tage. Dies hat den Vorteil, dass weniger Punktionen notwendig sind.
In der Studie , die zur Zulassung von liposomalem Cytarabin (DepoCyte®) in den USA
führte, konnte die Zeit bis zur neurologischen
Progression sowohl im Vergleich zu Methotrexat als auch zu Standard-Cytarabin bei Patienten mit Meningeosis lymphomatosa verlängert werden (1).
Dr. med. Angelika Bischoff, Planegg
Literatur
1. Glantz M et al. A randomized trial of a slow-release formulation of cytarabine for the treatment
of lymphomatous meningitis. J Clin Oncol 1999;
17: 3110–3116.
Quelle: 20. Münchener Fachpresse-Workshop „Neues und Wissenswertes aus der Onkologie“am 26. Juli
2012, München. Unterstützt von Amgen GmbH, München, und Mundipharm GmbH, Limburg.,
8-Jahres-Update der IRIS-Studie, dass nur etwa die Hälfte der Patienten langfristig mit
Imatinib behandelt werden kann; viele benötigen eine Therapieumstellung. „Glücklicherweise stehen uns heute mit den TKIs der zweiten Generation neue Therapieoptionen zur
Verfügung“, so Dengler.
Inzwischen wurde Nilotinib (Tasigna®) auf
Basis der ENESTnd-Daten für die First-lineTherapie der CML zugelassen. In dieser Studie
führte der TKI (300 mg bzw. 400 mg 2x/d)
nach einem Jahr zu doppelt so hohen Raten einer majoren molekularen Remission (MMR)
wie Imatinib (44% bzw. 43% vs. 22%). Das
kürzlich vorgestellte 3-Jahres-Update zeigt,
dass die Effektivität des Zweitgenerations-TKI
langfristig nicht nachlässt, betonte Prof. Martin C. Müller, Mannheim: Eine tiefe Remission
nach MR4.5 (BCR-ABL-Reduktion <0,0032%)
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HämatoOnkologie
261
erreichten 31,9% bzw. 27,8% der mit Nilotinib, aber nur 15,2% der mit Imatinib behandelten Patienten.
Ein weiterer Vorteil von Nilotinib ist das
schnellere Ansprechen, das für Patienten prognostisch bedeutsam ist. Schon eine frühe
Landmark-Analyse der IRIS-Studie hatte klar
gemacht, dass Patienten, die nach einem Jahr
einen BCR-ABL-Wert <1% erreichten, länger
ereignisfrei überlebten als Patienten, die über
diesem Schwellenwert lagen.
Mittlerweile gibt es neue Daten, die zeigen, dass sich gerade das frühe Ansprechen
bereits nach sechs und drei Monaten in einer
besseren Prognose niederschlägt. So haben
Patienten, bei denen der BCR-ABL-Wert schon
nach drei Monaten maximal 10% beträgt, eine 5-Jahres-Überlebensrate von 95%, Patienten mit höheren Werten dagegen nur von
87%, berichtete Müller.
Die prognostische Bedeutung des frühen
Ansprechens wird auch durch eine aktuelle
Auswertung der ENESTnd-Studie bestätigt:
Diejenigen Patienten, die nach drei Monaten
weiterhin einen BCR-ABL-Wert >10% aufwiesen, überlebten signifikant kürzer als Patienten mit einem niedrigeren Wert. Ein solches
molekulargenetisch definiertes Therapieversagen war bei 30% der mit Imatinib, aber bei nur
9% der mit Nilotinib behandelten Patienten
festzustellen.
Immer mehr komplette
molekulare Remissionen
Diese Daten sind ausgesprochen erfreulich:
Man erwartet, prognostizierte Müller, dass immer mehr Patienten im Verlauf der Therapie
mit Zweitgenerations-TKIs eine komplette molekulare Remission erreichen. Daraus leitet
sich die Berechtigung für ein Absetzen der Behandlung ab. Erste positive Daten zu dieser rationale stammen aus der STIM-(STop IMatinib)Studie, in der Patienten, die seit über zwei
Jahren in kompletter molekularer Remission
(CMR) waren, den TKI absetzten.
Insgesamt 41% der Patienten blieben in
CMR, 59% erlitten einen Rückfall, der meist
bereits früh innerhalb der ersten sechs Monate
auftrat. Das Follow-up von mittlerweile median 34 Monaten zeigt, dass die Rückfallrate
später nicht weiter anstieg. Bei den rezidivierten Patienten war die erneute Imatinib-Gabe
wiederum erfolgreich, betonte Dengler. Inzwischen ist eine europaweite Absetzstudie angelaufen, welche diesen neuen Ansatz bei einer
größeren Patientenzahl und auch für andere
TKIs untermauern soll.
Myelodysplastische Syndrome (MDS)
Eisenüberladung schädigt das
Knochenmark zusätzlich
Die Knochenmarksinsuffizienz und Transfusionsabhängigkeit verschlechtern schon per
se die Prognose von MDS-Patienten. Dazu kommen ungünstige Effekte der Eisenüberladung, zu denen auch eine direkte Schädigung des Knochenmarks gehört. Durch Eisenchelation lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen. Retrospektive Daten sprechen dafür, dass damit auch ein Überlebensvorteil verbunden ist.
Das Serum-Ferritin ist nicht nur ein Marker für
die Transfusionshäufigkeit und damit indirekt
für die Schwere der Knochenmarkserkrankung, sondern zeigt eine dosisabhängige Korrelation mit der Langzeitprognose, wie Daten
des European Leukemia Net zeigen (1). Von
der Senkung des Serum-Ferritin durch Eisenchelatoren erhofft man sich deshalb einen
Überlebensvorteil, so Prof. Norbert Gattermann, Düsseldorf. Tatsächlich geht aus einer
retrospektiven Analyse des Düsseldorfer MDSRegisters hervor, dass Eisenchelation die Überlebensprognose der Patienten an die der nicht
transfusionspflichtigen Patienten angleichen
kann. Dies muss allerdings noch prospektiv
bestätigt werden (2).
Standardisierung der BCRABL-Diagnostik angestrebt
Wichtig in der Absetzsituation ist allerdings
ein engmaschiges molekulares Monitoring der
Patienten jeden Monat, betonte Müller. Damit
gewinnt auch die Standardisierung dieser Methodik immer mehr an Bedeutung, um Therapieergebnisse laborunabhängig vergleichen zu
können, Ärzte und Patienten nicht zu verwirren und suboptimale Therapieentscheidungen
zu vermeiden. „Nur mithilfe der standardisierten Diagnostik konnte der prädiktive Wert früher tiefer Remissionen für das Überleben gezeigt werden“, so Müller.
Derzeit findet in Europa im Rahmen des
EUTOS-Projekts eine Standardisierung der
BCR-ABL-Diagnostik statt, an der sich 64 Labors in 28 Ländern beteiligen. In den meisten
europäischen Ländern existiert bereits ein
standardisiertes Labor, informierte Müller. Er
wies darauf hin, dass Europa damit sehr viel
besser aufgestellt ist als die USA.
Dr. Katharina Arnheim, Freiburg
Quelle: Novartis Oncology Presse-Laborworkshop
„Auf dem Weg zur Heilung in der CML – Anforderungen an die molekulare Diagnostik“ am 2. August
2012, Mannheim.
Klinische Effekte der Eisenchelation sind eine Reduktion von Organschäden und infektiologischen Komplikationen, aber auch eine Verbesserung der Knochenmarksfunktion. Letzteres lässt sich am plausibelsten damit erklären,
dass die Eisenüberladung einen oxidativen
Stress für die Zellen der Hämatopoese bedeutet.
Mit Eisenchelatoren kann dieser vermindert und die Knochenmarksfunktion verbessert werden. Die retrospektive Auswertung der
341 MDS-Patienten der EPIC-Studie (Evaluation of Patients‘ Iron Chelation with Exjade) ergab, dass sich bei 22,6% der Patienten die
Erythropoese verbesserte, indem entweder der
Transfusionsbedarf abnahm, der HämoglobinWert anstieg oder beides (3). Bei 14% der Patienten stieg darüber hinaus die Thrombozyten- und bei 19,6% die Neutrophilenzahl. Dabei korrelierte die Response mit der Abnahme
des Serum-Ferritin.
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HämatoOnkologie
262
Erhöhtes SerumFerritin verschlechtert ASZT-Outcome
Ein erhöhter Ferritinspiegel gilt nicht nur beim
MDS allgemein als negativer Prognosefaktor,
sondern verschlechtert auch die Ergebnisse
der allogenen Stammzelltransplantation
(ASZT), wie Prof. Christian Junghanß, Rostock, ausführte. Man darf deshalb zum einen
die Patienten im Vorfeld einer Transplantation
nicht übertransfundieren, andererseits sollte
man frühzeitig mit einer Eisenchelation beginnen.
Deferasirox (Exjade®) senkt den Ferritinspiegel bei MDS-Patienten signifikant (4). Das
Therapieziel ist eine Konzentration <1000 ng/
ml. Empfohlen wird eine Dosis von 20 mg/kg
pro Tag, bei einem Bedarf von mehr als vier
Erythrozytenkonzentraten/Monat 30 mg/kg.
Im Verlauf kann die Dosis bei Bedarf auch auf
40 mg/kg erhöht bzw. 10 mg/kg verringert
werden. Wie Prof. Mathias Schmid, Zürich/
Schweiz, betonte, setzt er bei Patienten mit
ausgeprägter Zytopenie bevorzugt orales
Deferasirox ein und wegen des Risikos für Blutungen und Infektionen nur ungern Eisenchelatoren, die als subkutane Infusion verabreicht
werden.
Dr. Angelika Bischoff, Planegg
Morbus Hodgkin und aggressive T-Zell-Lymphome
Zielgerichtete Therapie mit
Antikörper-Wirkstoff-Konjugat
Zwar gilt das Hodgkin-Lymphom als gut behandelbare Erkrankung, eine schlechte
Prognose aber haben Patienten, bei denen es zum Rezidiv kommt. „Jeder zweite Patient mit rezidivierendem Hodgkin-Lymphom kann leider nicht gerettet werden“, so
Prof. Peter Borchmann, Köln. „Wir brauchen deshalb Therapiefortschritte“, erklärte
der Mediziner bei der Jahrestagung der DGHO in Stuttgart.
Als neue Option stellte er das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Brentuximab-Vedotin vor. Das
innovative Konjugat besteht aus dem monoklonalen Antikörper Brentuximab, der spezifisch gegen den CD30-Antiörper gerichtet ist
sowie das Zytostatikum Monomethyl-Auristan
(MMAE), das mit dem Antikörper über einen
Linker verbunden ist. Bei CD30 handelt sich
um einen Tumor-Nekrose-Faktor-Rezeptor, der
vermehrt auf den Reed-Sternberg-Zellen des
Hodgkin-Lymphoms sowie den Zellen einiger
Non-Hodgkin-Lymphome exprimiert ist. Dazu
gehört unter anderem das systemische anaplastisch-großzellige Lymphom.
Bei diesen Tumoren ist mit dem AntikörperWirkstoff-Konjugat eine zielgerichtete Therapie möglich. Denn Brentuximab bindet spezifisch an die CD30-tragende Zelle, wodurch das
Konjugat in die Zellen internalisiert wird. Der
Linker wird durch lysosomale Enzyme gespalten und das Zytostatikum MMAE wird freigesetzt.„Es wird regelrecht in die Zelle eingeschleust“, so Borchmann. Das Zytostatikum
zerstört den Spindelapparat, hemmt damit die
Zellteilung und treibt die Zelle in die Apoptose.
„Man erreicht so eine hohe Konzentration des
Zytostatikums in der Tumorzelle, ohne entsprechend hohe systemische Nebenwirkungen“,
berichtet der Kölner Hämatologe in Stuttgart.
„Außergewöhnliche
Ansprechraten“
Die Behandlung mit Brentuximab-Vedotin
führt nach seinen Angaben zu „außergewöhnlichen Ansprechraten“ bei Patienten mit rezidiviertem und refraktärem Hodgkin-Lymphom.
Literatur
1. De Swart L et al. Blood 2011; 118: Abstract 2775.
2. Neukirchen J. EHA 2012, Abstract 359.
3. Gattermann N et al. Haematologica 2012; 97(9):
1364-1371.
4. Gattermann N et al. Leuk Res 2010; 34:
1143-1150.
Quelle: Symposium „Kontroverse klinische Kasuistiken – Therapiemanagement bei Eisenüberladung und
GIST“ im Rahmen der Jahrestagung 2012 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie am 19. Oktober 2012, Stuttgart. Veranstalter Novartis GmbH,
Nürnberg.
So wurde in einer Phase-II-Studie bei 94% der
Patienten eine Reduktion der Tumormasse erzielt, 33% erreichten eine komplette Remission, die Gesamtansprechrate lag bei 75%.
„Das sind bisher unerreicht gute Ergebnisse“,
so Borchmann. „Der Tumor schmilzt zum Teil
wie Butter in der Sonne“. In den USA ist die
neue Therapieoption bereits zugelassen, in Europa wird die Zulassung laut Borchmann erwartet.
Auch beim sALCL stellt das AntikörperWirkstoff-Konjugat laut Dr. Georg Hopfinger,
Salzburg, eine Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten dar. In ersten Studien
führte das Konjugat zu einem „ermutigenden
Gesamtansprechen von 86%. Insgesamt 59%
der Patienten erreichten eine komplette Remission. Bemerkenswert ist laut Hopfinger das
progressionsfreie Überleben im Vergleich zur
Vortherapie. Denn es konnte durch Brentuximab-Vedotin von 5,9 Monaten unter der zuletzt verabreichten Behandlung auf 14,3 Monate verlängert werden.
Christine Vetter, Köln
Quelle: Satellitensymposium „Brentuximab Vedotin
– Eine neue zielgerichtete Therapieoption beim
Hodgkin-Lymphom und aggressiven T-Zell-Lymphomen“ im Rahmen der Jahrestagung 2012 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie (DGHO) am
20. Oktober 2012, Stuttgart. Veranstalter: Takeda
Pharma, Aachen.
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HämatoOnkologie
263
Neue Ansätze beim Multiplen Myelom
Outcomeverbesserung durch
Lenalidomid-Erhaltungstherapie
Autologe Stammzelltransplantation (ASZT) und Kombinationsregime mit Novels haben die Prognose beim Multiplen Myelom (MM) erheblich verbessert. Mit dazu beigetragen hat auch das beim MM neue Konzept der Erhaltungstherapie.
Die Einführung neuer Substanzen hat das Gesamt-Überleben von MM-Patienten in den vergangenen 30 Jahren erheblich verbessert, wobei jüngere Patienten (<60 Jahre) besonders
profitierten. Das weist laut Prof. Hermann
Einsele, Würzburg, darauf hin, dass auch die
ASZT entscheidend zu dieser positiven Entwicklung beigetragen hat. Strategien bei nicht
transplantablen Patienten zielten erfolgreich
darauf ab, die konventionelle Chemotherapie
mit Melphalan/Prednison (MP) durch Inkorporation neuer Substanzen wie Thalidomid, Bortezomib oder Lenalidomid (Revlimid®) zu optimieren.
Ergebnisse bei Patienten
>60 Jahre
Das zeigt beispielhaft die Studie MM-015, die
in drei Armen das konventionelle MP-Regime
mit der Dreierkombination MP/Lenalidomid
(MPR) bzw. dem MPR-Regime mit anschließender kontinuierlicher Lenalidomid-Therapie
(MPR-R) bis zum Progress verglich. Durch die
Lenalidomid-Induktionstherapie wurden sowohl Geschwindigkeit und Qualität des Ansprechens sowie die Gesamtresponserate verbessert. „Die Erhaltungstherapie mit Lenalidomid resultierte zudem in einer sehr deutlichen
Verbesserung des progressionsfreien Überlebens“, berichtete Einsele: Dieses betrug im
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MP-Arm nur median zwölf Monate, stieg mit
dem MPR-Regime auf 15 Monate und konnte
bei zusätzlicher Lenalidomid-Erhaltung noch
einmal auf 31 Monate verdoppelt werden.
Beim Gesamt-Überleben gibt es derzeit auf
Grund des noch nicht ausreichenden Followup lediglich einen positiven Trend: Die 4-Jahres-Überlebensrate beträgt im MP-Arm 58%,
mit dem MPR-Regime 61% und mit MPR-R
69%.
Einsele wies darauf hin, dass das Risiko für
Zweitkarzinome unter MPR-R leicht erhöht
war. Allerdings: Das Risiko für einen Progress
oder Tod war im Studienverlauf erheblich höher als das für ein invasives Zweitmalignom.
Der Hämatologe bezeichnete die Verträglichkeit auch der längerfristigen Lenalidomid-Gabe als gut: Nur 8% der Patienten brachen die
Erhaltungstherapie ab. Weitere Daten zur Erhaltungstherapie soll die Studie MM-020 liefern, in der Lenalidomid/Dexamethason bis
zum Progress mit Lenalidomid/Dexamethason
über 18 Zyklen und MP-Thalidomid über zwölf
Zyklen verglichen wird.
Therapieoptimierung bei
jüngeren Patienten
Auch bei jüngeren Patienten wurden die Therapiestrategien laut Einsele verfeinert, um die
Raten kompletter Remissionen nach ASZT wei-
ter zu steigern. Dabei werden die neuen Substanzen sowohl im Rahmen der Induktionstherapie als auch zur Konsolidierung und Erhaltung eingesetzt. Dass sich ein solches Konzept
auszahlt, zeigen zwei Phase-III-Studien mit der
Lenalidomid-Erhaltungstherapie: In der französischen Studie IFM2005-02 erhielten Patienten, bei denen sechs Monate nach ASZT zumindest eine Stabilisierung eingetreten war,
zwei Zyklen Lenalidomid zur Konsolidierung
und anschließend randomisiert bis zum Progress weiterhin das IMiD oder Placebo (1).
Die 4-Jahres-Rate für das progressionsfreie
Überleben wurde signifikant von 22% mit Placebo auf 43% verbessert. Bei einem Follow-Up
von median 45 Monaten gibt es bislang noch
keinen signifikanten Unterschied im GesamtÜberleben. Anders in der CALGB-Studie
100104, in der mit der Lenalidomid-Erhaltung
sowohl die Zeit bis zur Progression (46 vs. 27
Monate) als auch das Gesamt-Überleben im
Vergleich zu Placebo signifikant verbessert
wurden (2): Die 3-Jahres-Überlebensrate stieg
um absolut 8% von 80% im Kontrollarm auf
88%.
Dr. Katharina Arnheim, Freiburg
Literatur
1. Attal M et al. N Engl J Med 2012; 366:
1782-1791.
2. Mc Carthy PL et al. N Engl J Med 2012; 366:
1700-1781.
Quelle: Satellitensymposium „Neues und Bewährtes
beim Multiplen Myelom und MDS“ im Rahmen der
Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und
Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und
Onkologie am 20. Oktober 2012, Stuttgart. Veranstalter: Celgene GmbH, München.
Jede Ausgabe mit Volltext im Internet
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HämatoOnkologie
264
Multiples Myelom
Längeres Überleben dank
Proteasom-Inhibition
Knochenschmerzen, Müdigkeit, Leistungsminderung, die ersten Symptome sind eher
unspezifisch. Das erklärt, warum es im Mittel rund ein halbes Jahr dauert, bis die
Diagnose „Multiples Myelom“ gestellt wird. Die Prognose der Patienten hat sich aber
in den vergangenen Jahren deutlich gebessert: „Während die mittlere Lebenserwartung früher bei nur rund einem Jahr lag, ist sie inzwischen auf fünf Jahre gestiegen“,
berichtete Prof. Monika Engelhardt, Freiburg, auf der DGHO-Jahrestagung in Stuttgart. Dennoch überleben 25% der Patienten nur ein bis drei Jahre.
Nach der Diagnosestellung ist laut Dr. Hans
Salwender, Hamburg, zunächst zu klären, ob
eine Transplantation als Therapiemaßnahme in
Frage kommt. Ist das nicht der Fall, sei es auf
Grund des hohen Alters des Patienten und/
oder seiner Multimorbidität oder auch weil der
Patient den Eingriff ablehnt, kann die Gabe des
Proteasom-Inhibitors Bortezomib die Prognose
der Patienten bessern. In der VISTA-Studie wurde mit der Kombination Bortezomib/Melphalan/Prednison (VMP) ein signifikant besseres
Ansprechen und auch eine längere Remissionsdauer gegenüber der alleinigen Gabe von
Melphalan/Prednison (MP) registriert. So er-
Bortezomib s.c. mit geringerem Neuropathierisiko
Viele Patienten entwickeln unter der Behandlung mit Bortezomib eine periphere
Neuropathie oder eine therapieassoziierte Polyneuropathie. Die Wahrscheinlichkeit
für das Auftreten einer solchen Nebenwirkung kann durch die jüngst zugelassene
neue Darreichungsform des Wirkstoffs als subkutane Injektion nun jedoch erheblich
reduziert werden.
In einer Vergleichsstudie erhielten 222 Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem
multiplem Myelom jeweils 1 bis 8 Drei-Wochen-Zyklen Bortezomib (Velcade®) i.v. oder
s.c. Die Rate der peripheren Neuropathien
war mit 38% bei der subkutanen Gabe signifikant geringer als bei der intravenösen Applikation (53%). „Das ist ein relevanter
Schritt nach vorne“ beurteilte Prof. Hartmut
Goldschmidt, Heidelberg, die neue Option
auf einer Pressekonferenz. Einbußen der
Wirksamkeit gibt es bei der subkutanen Darreichung laut Goldschmidt nicht. Das Gesamtansprechen war in beiden Gruppen vergleichbar, ebenso wie die mediane Zeit bis
zum Ansprechen und die Ein-Jahresüberlebensrate. Die Therapieabbruchrate auf Grund
von Nebenwirkungen war unter Bortezomib
s.c. mit 31% vs. 43% deutlich niedriger als
bei der i.v.-Gabe, ebenso die Abbruchrate infolge schwerer Nebenwirkungen (22 vs.
27%).
Als vorteilhaft bei der neuen Therapieoption hob Dr. Hans Peter Lipp, Tübingen, hervor, dass Bortezomib s.c. unkompliziert handhabbar ist, die Injektion kann wahlweise und
wechselnd ins Abdomen oder in den Oberschenkel erfolgen. Die Wirkstoffdosis ist bei
beiden Applikationsformen gleich.
Christine Vetter, Köln
Literatur
1. Moreau P et al. Lancet Oncol 2011; 12 (5):
431-440.
Quelle: Pressekonferenz „Bessere Verträglichkeit
bei bewährter Wirksamkeit – Velcade®s.c. zur Therapie des multiplen Myeloms“ am 25. September
2012, Frankfurt/Main. Veranstalter: Janssen-Cilag,
Neuss.
reichten 30% der Patienten im experimentellen Studienarm eine komplette Remission,
aber nur 4% in der Kontrollgruppe (1).
Das Erreichen einer kompletten Remission
ist laut Salwender auch bei älteren Patienten
ein Signal für ein besseres Überleben. Das bestätigen die 5-Jahres-Daten der VISTA-Studie
(2) mit einer Überlebensrate von 46% unter
dem VMP-Regime und 34,4% unter MP. „Das
entspricht einer Reduktion des Sterberisikos
um 31% durch den Proteasom-Inhibitor“, betonte der Mediziner.
Welche Therapie beim
Rezidiv?
Kommt es zum Rezidiv, so gibt es nach seinen
Angaben keine vorgegebene Sequenztherapie.
Vielmehr stehen 25 Regime zur Auswahl, das
beste Vorgehen ist anhand der individuellen
Situation des Patienten zu entscheiden, wobei
durchaus auch wieder VMP als Option zu erwägen ist. Salwender: „Patienten der VISTAStudie, bei denen die Primärtherapie mit VMP
erfolgreich verlaufen ist, sprachen beim Rezidiv zu 47% auf die erneute Gabe an“.
Als Alternativen nannte er eine Thalidomidoder auch eine Lenolidomid-basierte Behandlung. Davon abgesehen sind verschiedene
neue Substanzen in Entwicklung und können
wahrscheinlich die künftigen Therapieoptionen beim multiplen Myelom noch erweitern.
Die Überlebensraten sind, so Priv.-Doz. Dr.
Stefan Knop, Würzburg, am besten, je effektiver die Erstlinientherapie ist: „Wirksame Rezidivtherapien können Nachteile bei der Erstlinienbehandlung nicht mehr ausgleichen“.
Christine Vetter, Köln
Literatur
1. San Miguel JF et al. N Engl J Med 2008; 359:
2487-2498.
2. San Miguel JF et al. ASH 2011, San Diego, Abstract #476.
Quelle: Satellitensymposium „Therapiesequenz multiples Myelom 2012: Quo vadis?“ bei der Jahrestagung 2012 der Deutschen, Österreichischen und
Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und
Onkologie (DGHO) am 21. Oktober 2012, Stuttgart,
Veranstalter: Janssen-Cilag, Neuss.
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HämatoOnkologie
265
Lymphom-Register
Auch CLL-Patienten häufig mit
Bendamustin behandelt
Seit drei Jahren gibt es das Tumorregister Lymphatische Neoplasien (TLN) mit Daten von bisher fast 3000 Patienten aus 110 deutschen
Praxen und Ambulanzen erfasst. Bei einem
Symposium in Jena wurden Einblicke in die
Registerdaten gewährt. Leider nahmen bei
keiner Tumorentität oder Therapielinie mehr
als 25% der Patienten an klinischen Studien
teil, obwohl dies oft wünschenswert wäre, wie
Dr. Wolfgang Abenhardt, München, betonte.
Neben den aktuellen Therapiestandards,
deren Wirkungen und Nebenwirkungen werden anamnestische Angaben und patientenbezogene Outcomes festgehalten, so Abenhardt. „Einzige Bedingung für den Einschluss
ist, dass die aktuelle First- oder Second-LineTherapie vor höchstens vier Wochen begann.“
Ende Februar 2012 waren Daten von 2382
Patienten auswertbar:
• 593 mit aggressiven Non-Hogdkin-Lymphomen (aNHL),
• 736 mit indolenten Non-Hodgkin-Lymphomen (iNHL),
•
•
568 mit Chronischer Lymphatischer Leukämie (CLL) und
485 mit Multiplem Myelom (MM).
„Die First-Line-Therapie der aNHL-Patienten
erfolgte zu 73% mit CHOP-R“, so Abenhardt.
Deutlich weniger häufig und eher bei älteren
Patienten, wurde Bendamustin/Rituximab (BR)
eingesetzt. In der Zweitlinie wurde in den vergangenen Jahre BR am häufigsten angewendet, gefolgt von CHOP-R (mit steigender Tendenz) und der Monotherapie mit Rituximab.
Zu den iNHL zählten neben Follikulären
Lymphomen (FL, 52%) vor allem MantelzellLymphome, Marginalzonen-Lymphome und
Immunozytome mit je 12-14%. Die iNHL-Patienten wurden in der Erstlinie meist mit BR
(59%) oder CHOP-R (19%) behandelt; in der
Zweitlinie war das Verhältnis noch weiter zu
Gunsten von BR verschoben.
Patienten mit CLL erhielten – entgegen der
Indikation – als Primärtherapie am häufigsten
(38%) BR (Tendenz steigend), zu 19% Fludara-
Decitabin zur Therapie der AML zugelassen
Therapeutische Lücke bei älteren
AML-Patienten geschlossen
Decitabin (Dacogen®) ist jetzt zur Therapie von Patienten ab 65 Jahren mit neu diagnostizierter de novo oder sekundärer akuter myeloischer Leukämie (AML) zugelassen,
für die eine Standard-Induktionstherapie nicht in Frage kommt. Durch das Votum der
European Medicines Agency (EMA) wird auch die therapeutische Lücke für AMLPatienten mit ≥30% Blastenanteil im Knochenmark geschlossen.
Die Zulassung beruht auf einer Studie, die Decitabin mit der Standardtherapie für ältere
AML-Patienten, niedrig-dosiertem Cytarabin
oder unterstützender Behandlung verglich (1).
Eingeschlossen waren 485 Patienten ≥65 Jahre mit neu diagnostizierter AML und Blastenanteil ≥20%. In 74,5% war der Blastenanteil
>30%, in 36,0% mit Hochrisiko-Zytogenetik.
Die Patienten erhielten alle 4 Wochen an 5
aufeinander folgenden Tagen Decitabin 20
mg/m2 i.v. (n = 242) oder alle 4 Wochen an 10
aufeinander folgenden Tagen niedrig-dosiertes
Cytarabin s.c. (20 mg/m2, n = 215) oder unterstützende Behandlung (n = 28).
Unter Decitabin erreichten 18% der Patienten eine komplette Remission (CR) oder eine
CR ohne vollständige Erholung der Thrombozytenzahl (CRp). Unter niedrig-dosiertem Cy-
bin/Cyclophosphamid/Rituximab (FCR), Bendamustin allein zu 9,5%. Änlich das Bild in der
Second-Line-Therapie: Etwa 21% der FL-Patienten waren im Stadium I/II und 20% der
CLL-Patienten im Binet-Stadium A – beides eigentlich keine Therapieindikationen. „Meist
gab es nachvollziehbare Gründe für die Behandlung – wie schwere B-Symptomatik, Splenomegalie, mediastinales Lymphom, inoperables mesenteriales Lymphom, große Tumormasse, hohe Lymphozytendynamik“, so Abenhardt. „Das erklärt nicht alle Fälle, aber dies ist
die Behandlungsrealität im alltäglichen Patientenkollektiv.“
Von den MM-Patienten waren ca. 70% in
Stadium III , ein Viertel hatte schon eine
Stammzelltransplantation hinter sich. MM-Patienten wurden in der Erstlinie meist Bortezomib/Melphalan/Prednisolon (VMP) oder mit
Bortezomib ± Prednisolon behandelt, in zweiter Linie mit Bortezomib ± Prednisolon, Lenalidomid/Prednisolon oder VMP. Jeweils etwa
40% der MM-Patienten bekamen unterstützend i.v. Zoledronat oder Pamidronat.
Simone Reisdorf, Erfurt
Quelle: Symposium „Hämatologie im Spiegel der
Zeit“ vom 07. bis 08. September 2012 in Jena. Veranstalter: Mundipharma GmbH, Limburg
tarabin bzw. unterstützender Behandlung waren es 8%. Das mediane progressionsfreie
Überleben (PFS) betrug im Decitabin-Arm 3,7
Monate und in der Vergleichsgruppe 2,1 Monate. Das mediane Gesamtüberleben (OS)
wurde unter Decitabin um 54% (7,7 vs. 5,0
Monate) vs. niedrig-dosiertem Cytarabin bzw.
unterstützender Therapie verbessert. Ein Überlebensvorteil zeigte sich auch bei Patienten
≥75 Jahre oder mit niedrigem Leistungsstatus
(ECOG PS 2) (p = 0,035 bzw. 0,025) (1).
Anzahl und Schweregrad der Nebenwirkungen unter Decitabin waren mit denen von
niedrig-dosiertem Cytarabin vergleichbar. Am
häufigsten traten Thrombozytopenien (40%),
Anämien (34%), Neutropenien (32%) und
Pneumonien (21%) auf.
Red.
Literatur
1. Kantarijan HM et al. J Clin Oncol 2012; 30(21):
2670-2677.
© Schattauer 2012
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266
Gynäkologische Onkologie
Das vaginale Melanom
Eine seltene Tumorentität
S. Poth1; A. Eck1; A. P. Labanaris1; J. H. Witt1; D. Porres2; A. Heidenreich2; V. Zugor1
1Klinik
für Urologie und Kinderurologie, Prostatazentrum Nordwest, St. Antonius-Hospital, Gronau; 2Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen
Schlüsselwörter
Keywords
Vaginales Melanom, Zystektomie, Ureterhautfistel
Malignant melanoma of the vagina, cyst excision, ureter skin fistula
Zusammenfassung
Summary
In der Fachliteratur sind derzeit keine prospektiven Studien über vaginale Melanome
publiziert worden. Es finden sich nur einzelne
Fallberichte. Alle diese Artikel beschreiben die
Seltenheit des Tumors, die hohe Aggressivität
und die schlechte Prognose. Diese seltene Tumorentität wird interdisziplinär behandelt
und wird in den meisten Fällen in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert. Die Therapie erfolgt multidisziplinär und beinhaltet die
chirurgische Resektion, Radiatio und eventuell eine Chemotherapie. Wir berichten über
eine 81-jährige Patientin mit einem primären
vaginalen Melanom, die durch uns und urologische Universitätsklinik Aachen operativ
versorgt wurde. Die Patientin zeigt auch ein
Jahr nach der Operation eine komplette klinische Tumorfreiheit.
In contemporary literature, no descriptions of
prospective studies are available regarding
primary malignant melanoma of the vagina.
Studies on this topic include only case reports. All these reports exhibit its rare nature
and aggressive behaviour as well as its poor
prognosis. This rare disease entity requires a
multidisciplinary approach and its diagnosis
is usually made in an advanced stage. The
therapeutic strategy includes its surgical resection, radiation and chemotherapy. Herein
we present a case of an 81 year old patient
with a primary malignant melanoma of the
vagina that was multidisciplinary treated
from the urology departments of Gronau and
Aachen. During one year follow-up, and after
surgical resection of the tumour, the patient
exhibited total remission.
Korrespondenzadresse
Priv.-Doz. Dr. med. V. Zugor
Ltd. Arzt Inkontinenz/Kinderurologie
Abteilung für Urologie und Kinderurologie
Prostatazentrum Nordwest
Uroonkologischer Schwerpunkt
St. Antonius-Hospital
Möllenweg 22
48599 Gronau
Tel.: 0 25 62 / 9 15 71 14
Fax: 0 25 62 / 9 15 21 05
E-Mail: [email protected]
Vaginal melanoma – a rare tumour entity
Onkologische Welt 2012; 3: 266–268
Einleitung
Primäre Vaginalkarzinome sind selten und
machen nur 1-2% der malignen Tumoren
des weiblichen Genitaltrakts aus. Mehr als
doppelt so häufig ist der sekundäre Befall
der Vagina durch Ausbreitung anderer Ma-
lignome des weiblichen Genitaltrakts oder
von Rektum- und Blasenkarzinomen.
Vaginalkarzinome sind zu 90% Plattenepithelkarzinome, die restlichen 10% verteilen sich auf Adenokarzinome, Melanome und Rhabdomyosarkome (Kindesalter,
Altersgipfel 2. bis 3. Lebensjahr, vom obe-
ren Anteil der Vaginalwand ausgehender,
traubenförmiger Tumor).
Das primäre Melanom der Vagina ist
mit weltweit weniger als 300 publizierten
Fällen ein äußerst seltenes Malignom und
wird meist erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Die daraus resultierende
schlechte Prognose sowie die verschiedenen Therapieansätze bei sehr geringen
Fallzahlen erfordern eine genaue Dokumentation und eine interdisziplinäre Behandlung.
Kasuistik
Es handelte sich um eine 81-jährige Patientin, die seit Monaten irritative Miktionsbeschwerden und eine Hämaturie sowie
Harnwegsinfekte hatte. In der weiteren
Vorgeschichte wurde bei der Patientin ein
Herzschrittmacher bei Bradyarrhythmia
absoluta bei Vorhofflimmern, eine COPD
und ein Z.n. Ablatio mamma links und anschließender Radio-Chemotherapie auf
Grund eines Mammakarzinoms (06/00),
Stadium pT4, N2, pR1, M0, G2 evaluiert.
Klinisch konnte die Patientin in psychisch
und physisch gutem Zustand objektiviert
werden.
Nach der stationären Aufnahme erfolgte
die erweiterte Diagnostik, zystoskopisch
konnte eine große Raumforderung im Bereich der Urethra und Blase diagnostiziert
werden. (▶ Abb. 1) Das rechte Ostium
konnte nicht dargestellt werden. Vaginaler
Ultraschall erbrachte eine große Raumforderung im Bereich der Vagina mit Infiltration der Harnblase und Urethra. Auch ein
vaginaler Ultraschall zeigte eine Raumforderung vaginal ausgehend bis in das Blasenlumen infiltrierend. In den darauffolgenden Tagen erfolgte die transurethrale
Resektion der Blasenraumforderung, diese
erbrachte histologisch und immunhisto-
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S. Poth et al.: Das vaginale Melanom – eine seltene Tumorentität
chemisch den Verdacht auf ein vaginales
Melanom mit Infiltration der Vaginalschleimhaut sowie Urethra und Blasenhals.
Eine weitere bildgebende Diagnostik wie
abdominelle Sonografie und Ausscheidungsurografie brachte unauffällige Verhältnisse bis auf eine infravesikale Raumforderung in der Größe von 4,7 bis 3,8 cm.
(▶ Abb. 2) Weiteres Staging bezüglich der
systemischen Ausbreitung erbrachte keinen Anhalt für Fernmetastasen. (▶ Abb. 3)
Bei diesen seltenen Tumorentitäten und
dem fortgeschrittenen Alter erfolgte die
Einweisung in das urologische Universitätsklinikum Aachen. Hier wurde eine offene radikale Zystektomie mit Urethrektomie, paraaortale und pelvine Lymphadenektomie und eine kutane Harnableitung
durch beidseitige Ureterokutaneostomie
durchgeführt. Histologisch konnte ein primäres malignes Melanom der vaginalen
Schleimhaut mit Infiltration des Urethras
und Blasenhalses objektiviert werden. Tumorfreie Adnexe und Lymphknoten.
Postoperativ entwickelte die Patientin
eine vaginale Dehiszenz, diese wurde in einer zweiten Sitzung in der Klinik in Gronau durch eine Omentum-majus-Plastik
erfolgreich saniert.
Die Patientin befindet sich in einer engmaschigen uroonkologischen Nachsorge
und zeigt auch 1 Jahr nach Diagnosesicherung eine komplette Rezidivfreiheit. Eine
weitere Therapie in Form einer Radiatio
oder Chemotherapie wurde von der Patientin nicht gewünscht.
Diskussion
Das primäre maligne Melanom der Vagina
ist eine seltene Erkrankung mit zurzeit weniger als 300 publizierten Fällen. Wie bei
allen seltenen Erkrankungen besteht die
Problematik im Fehlen von randomisierten
und prospektiven Studien. Diese Erkrankung wird meisten im fortgeschrittenen
Stadium erkannt, deswegen hat diese Erkrankung nicht nur auf Grund der Seltenheit eine schlechte Prognose.
Außer dem primären malignem Melanom der Vagina sind auch maligne Melanome als sekundäre Beteiligung des Vaginal- und Urogenitaltrakts ein häufiger Befund bei Autopsien. Diese sind aber selten
Fazit für die Praxis
Abb. 1
Blasentumorifiltration (Cystoskopie)
Abb. 2 Ausscheidungsurografie mit infravesikalen Raumforderung
im lokal-begrenzten Stadium klinisch auffällig.
Urinzytologie, Probexzision und Computertomografie oder Magnetresonanztomografie (MRT) wurden als Methoden zur
Diagnosestellung beim primären oder sekundären Melanom des Urogenitaltrakts
angewendet.
Im vorliegenden Fall bleibt letztendlich
offen, ob die Patientin ein metachrones
Das vaginale Melanom ist eine sehr seltene
Erkrankung mit schlechter Prognose, weil
zum Zeitpunkt der Diagnose meist eine disseminierte Erkrankung vorliegt. Die chirurgische Resektion gilt als Therapie der Wahl,
auch dieser Fallbericht zeigt, wie wichtig regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen sind,
da die Prognose beim Eintreten der klinischen Symptomatik bereits infaust sein
kann. Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit
multimodalen Konzepten könnte die Prognose dieser Tumorentität unter Umständen
verbessern. Es sind weitere retrospektive
und prospektive Studien erforderlich um
diese Tumorentität zu erforschen.
Malignom mit unterschiedlichen Tumorentitäten hat, wie zum Beispiel ein neurogenes malignes Melanom mit Infiltration
der Harnblase urethrovaginal, verursacht
durch eine Metastase des Mammakarzinoms oder durch ein fragliches Magenkarzinom (histologisch nicht gesichert). Rein
hypothetisch besteht auch die Möglichkeit
eines primären malignen Melanoms oder
einer so genannten paraneoplastischen Tumorerkrankung.
Die Behandlung von vaginalen Melanomen hängt von verschiedenen Faktoren ab,
einschließlich der Lokalisation des Tumors,
der Art des histologischen Tumors und des
allgemeinen Gesundheitszustands der Patientin. Die primären Behandlungsmethoden für vaginale Tumore umfassen chirurgische Exzision, Radiatio und/oder Chemotherapie.
Abb. 3
Computertomografie
mit pelvine Tumorlokalisation
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267
268
S. Poth et al.: Das vaginale Melanom – eine seltene Tumorentität
Unserer Fallbericht zeigt, dass rezidivierende und therapieresistente Harnwegsinfekte eine weitere Diagnostik, wie zum Beispiel vaginale Sonografie, Zystoskopie und
vaginale Einstellung rechtfertigen. Hinter
solchen Befunden können sich häufig Blasenkarzinome und selten Entitäten wie vaginale Tumore verstecken. Unsere Patientin
wurde jahrelang lediglich antibiotisch behandelt, ohne eine weitere Diagnostik zu
veranlassen. Auch ältere Patienten können
durch chirurgische Resektion und eine
multimodale Therapie behandelt werden.
Literatur
1. Lin LT, Liu CB, Chen SN, Chiang AJ, Liou WS, Yu
KJ. J. Primary malignant melanoma of the vagina
with repeated local recurrences and brain metastasis. Chin Med Assoc 2011; 74(8): 376-379.
2. Wang PH, Sheu BC. Is recurrent vaginal melanoma a lethal disease?J Chin Med Assoc 2011;
74(8): 333.
3. Frumovitz M, Etchepareborda M, Sun CC, Soliman PT, Eifel PJ, Levenback CF, Ramirez PT. Primary malignant melanoma of the vagina. Obstet
Gynecol 2010; 116(6): 1358-1365.
4. Yoshii T, Horiguchi A, Shirotake S, Tobe M, Tasaki
S, Hayakawa M, Sumitomo M, Asano T. Case of
primary amelanotic malignant melanoma of the
female urethra. Nihon Hinyokika Gakkai Zasshi
2010; 101(6): 734-737.
5. Piura B, Rabinovich A, Yanai-Inbar I. Primary malignant melanoma of the vagina: case report and
review of literature. Eur J Gynaecol Oncol 2002; 23
(3): 195-198.
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Internationale
Literatur
269
Schwangerschaftskarzinome
Steigende Inzidenz wirft Fragen auf
Tumoren in der Schwangerschaft sind eine Rarität, aber nach der australischen Studie
erkranken 19 von 10 000 Frauen mehr als der Durchschnitt, wenn sie schwanger sind.
Das steigende Lebensalter der Mütter erklärte dies nicht vollständig. Auch Schwangerschaftshormone könnten eine wichtige pathophysiologische Bedeutung haben.
Lebensalter erklärt nicht
alles
Von 1798 Tumordiagnosen wurden 499 während und 1299 in der postpartalen Periode erkannt. Unabhängig von der Entität stieg die
Wahrscheinlichkeit mit der Schwangerschaftsdauer. Der Häufigkeitsgipfel war im zweiten
Monat nach der Entbindung erreicht
(▶ Abb. 1). Insgesamt 30 Frauen hatten Mehrfachkarzinome. Maligne Melanome (n = 599)
und Mammakarzinome (n = 377) waren die
Haupttumorarten. Zusammen mit Schilddrüsenneoplasien, gynäkologischenTumoren und
Hämoblastosen machten sie 85,8% der bösartigen Neubildungen aus. Mit Ausnahme kolo-
rektaler Karzinome lag überwiegend ein lokalisiertes Stadium vor.
Der Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung zeigte, dass das Lebensalter der Mütter
die Inzidenzzunahme nicht ausreichend erklärte. Unter Berücksichtigung des Jahrgangs waren die Wahrscheinlichkeiten immer noch signifikant gesteigert (Faktor 2,2 für maligne Melanome, 1,54 für endokrine Malignome, 1,36
für hämatopoietische Neubildungen, 1,23 für
Mammakarzinome und 1,2 für gynäkologische
Tumoren).
In multivariater Analyse waren ein höheres
Lebensalter der Schwangeren, ein hoher Sozialstatus, Multiparität und frühere Karzinome
die Hauptrisikofaktoren. Schwangere >40 Jahre hatten das höchste Risiko. Mütter mit
schwangerschaftsassoziierten
Karzinomen
hatten öfter Kaiserschnitte und wurden häufiger stationär aufgenommen. Die Rate der besonders großen Kinder war im Vergleich zu
nicht tumorkranken Müttern erhöht. Dies galt
auch unter Berücksichtigung einer möglichen
diabetischen Stoffwechsellage.
Schwangere mit einem assoziierten Karzinom hatten neben der bösartigen Erkrankung
auch häufiger andere schwere Komplikationen. Dies zeigte eine Subanalyse für die Jahre
2001 bis 2008. Insbesondere Septikämien kamen häufiger vor. Thromboembolische Ereignisse waren nur bei Müttern öfter, deren Tu-
Dr. med. Susanne Krome, Melle
Literatur
1. Lee YY et al. Incidence and outcomes of pragnancy-associated cancer in Australia, 1994-2008: a
population-based linkage study. BJOG 2012; DOI:
10.1111/j.1471-0528.2012.03475.x
(Eprint
ahead).
16
14,5
14
Abb. 1
Das Risiko schwangerschaftsassoziierter
Tumore steigt, unabhängig von der Tumorentität, mit der
Schwangerschaftsdauer. Der Häufigkeitsgipfel lag im
zweiten Monat nach
der Entbindung.
11,6
12
Prozent
Karzinome treten in höherem Lebensalter bekanntermaßen häufiger auf. Gleichzeitig
nimmt in der westlichen Welt die Zahl der
schwangeren Frauen über 35 Jahre stetig zu.
Das führte zu der Frage, ob auch die Inzidenz
schwangerschaftsassoziierter Tumoren steigt.
Sie sind definiert als bösartige Neubildungen,
die während der Schwangerschaft oder spätestens 12 Monate nach der Entbindung diagnostiziert werden. Die Daten waren inkonsistent: Maligne Melanome sollen bei 1-1000
und Mammakarzinome bei 1-3000 auf 10 000
Schwangerschaften vorkommen.
Lee et al. gewannen ihre Informationen aus
den drei wichtigsten medizinischen Datenbanken: der Perinatal Data Collection, dem Central Cancer Registry und der Admitted Data
Collection. Von 1994 bis 2008 hatten
1 309 501 Frauen 781 907 Schwangerschaften.
Das Lebensalter der Schwangeren stieg kontinuierlich. Ihr Anteil >35 Jahre nahm im Untersuchungszeitraum von 13,2 auf 23,6% zu.
Gleichzeitig waren schwangerschaftsassoziierte Tumoren häufiger. 191,5 vs. 112,3 von
100 000 Müttern erkrankten (p<0,001). Die Inzidenzzunahme korrelierte signifikant mit dem
steigenden Lebensalter.
moren während der Schwangerschaften diagnostiziert wurden.
Das Lebensalter der Mütter war ein wichtiger Risikofaktor, begründete aber die steigende Inzidenz nicht vollständig: Nur 14% der
Malignome waren damit hinreichend erklärbar. Lee et al. formulieren verschiedene alternative Hypothesen. Die einfachste Erklärung
könnte im Versorgungssystem liegen. Regelmäßige Betreuung und Untersuchungen während und nach Schwangerschaften erhöhten
die Möglichkeit, einen Tumor zu entdecken.
Somit läge ein „Screening-Effekt“ vor. Wahrscheinlicher ist aber eine akzelerierte Tumorentwicklung durch die vermehrte Ausschüttung von Hormonen und Wachstumsfaktoren.
In der Schwangerschaft bestehe ein proangiogenetischer Status. Der Plazenta-Wachstumsfaktor PIGF aus der Familie der endothelialen
Gefäßwachstumsfaktoren habe in vitro und in
Tierexperimenten das Wachstum von Melanomzellen und die Metastasierung stimuliert.
Auch die Beobachtung größerer Neugeborener ginge in diese Richtung.
Es ist bekannt, dass Large-for-gestationalage-Babies ein erhöhtes Tumorrisiko haben.
Dies wird neben den genannten Gefäßwachstumsfaktoren auf die erhöhten Spiegel maternaler Hormone wie von Östrogen und insulinartigem Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) zurückgeführt. Auch für die Mütter selbst könne eine
karzinomfördernde Wirkung bestehen.
10,3
10,1
10
8
6,1
6
4
12,7
10,9
9,9
7,1
4,0
2,8
2
0
0–8 9–16 17–23 24–31 32–40 1–2
Schwangerschaftsdauer
(Wochen)
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3–4
5–6
7–8 9–10 11–12
Postpartum
(Monate)
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Internationale
Literatur
270
Mammakarzinom
MRT statt Mammographie?
Die europäische GENE-RAD-RISK-Studie heizt die Diskussion um die Krebsgefahr
durch Röntgenstrahlen erneut an. Mammographien in jungem Lebensalter erhöhten
dosisabhängig die Karzinomgefahr bei Frauen mit genetischer Belastung.
Die Autoren analysierten retrospektiv Daten
von 1993 Teilnehmerinnen mit BRCA1- oder
BRCA2-Mutation. Frauen mit BRCA1-/2-Mutationen waren Sonderfälle, weil die Reparaturkapazität der Zellen eingeschränkt ist. Dies gilt
auch für die DNA-Doppelstrangbrüche durch
ionisierende Strahlen. Die Frauen mit familiärer Belastung weisen also eine signifikant höhere Radiosensibilität auf. Dennoch führten
bisherige Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Strahlenexposition und Karzinominzidenz zu inkonsistenten Ergebnissen.
Bei GENE-RAD-RISK erhielten die Frauen
einen Fragebogen zu früheren Röntgenunter-
suchungen. Art, Häufigkeit und Lebensalter
zum Untersuchungszeitpunkt wurden erfragt
und eine kumulative Gesamtbelastung für die
Brust errechnet. Diese betrug durchschnittlich
0,0140 Gy. Am häufigsten waren herkömmliche Röntgenaufnahmen (48%), gefolgt von
Mammografien (33%). Das Durchschnittsalter
bei der Erstmammografie betrug 29,5 Jahre.
Jede Strahlenexposition bei unter 30-Jährigen erhöhte das Karzinomrisiko signifikant
(HR 1,90; 95%-KI 1,20-3,00). Der Effekt war
dosisabhängig. Bei einer kumulativen Gesamtdosis von 0,0174 Gy war das Risiko bereits um
den Faktor 3,8 erhöht. Für die Altersgruppe der
Revolutionäres FDA-Modell zur neoadjuvanten Therapie
Mammakarzinom – „pathologische
Response“ als primärer Endpunkt?
Neue Präparate sollen das krankheitsfreie und das Gesamtüberleben von Tumorpatienten verlängern. Dazu sind langfristige Studien nötig. Bei einer neoadjuvanten Therapie früher Mammakarzinome gäbe es eine Alternative: die histopathologische Tumorfreiheit als Ersatzendpunkt. Die onkologische Task Force der US-Zulassungsbehörde FDA hat einen Zulassungsentwurf an die Industrie geschickt, um Meinungen über
eine „pathologische Response“ als primären Endpunkt einzuholen.
Darüber hinaus führt die FDA eine Metaanalyse mit Daten von mehr als 12 000 Frauen
durch, die an Studien mit neoadjuvanten Therapien teilgenommen haben. Dabei sollen diejenigen herausgefiltert werden, bei denen das
pathologische Ansprechen am wahrscheinlichsten den klinischen Vorteil vorhersagt. Dies
wird durch eine Korrelation mit dem krankheitsfreien und Gesamtüberleben ermittelt.
Bei den bisherigen Kriterien vergehen oft
Jahre bis zur Zulassung. Ausnahmen waren
Studien, die wegen eines überdeutlichen Vorteils durch das Medikament frühzeitig abgebrochen wurden. Dies ist mit einem höheren
Risiko neuer Komplikationen und negativer
Langzeiteffekte verbunden. Es ist eine Güterabwägung, die in den Auswahlkriterien berücksichtigt werden müsste. Bei der Zulassung
nach dem neuen FDA-Konzept sollten neoadjuvante Therapien zunächst nicht bei Patientinnen mit guter Prognose laufen, sondern
Hochrisikopatientinnen, etwa mit dreifach negativem Rezeptorstatus, vorbehalten bleiben.
Ein Argument für die Beschleunigung des
Zulassungsverfahrens war eine CochraneMetaanalyse mit randomisierten neoadjuvanten Therapiestudien (5500 Patientinnen). Frauen mit kompletter histopathologischer Re-
30- bis 39-Jährigen bestand kein Zusammenhang. Die Bedeutung spezieller Röntgenuntersuchungen wurde in einem zweiten Schritt geprüft. Mammografien bei unter 30-Jährigen
waren tendenziell mit einer höheren Tumorwahrscheinlichkeit assoziiert (HR 1,43; 95%-KI
0,85-2,40; p = 0,040, nicht signifikant). Die Ergebnisse bestätigten sich, wenn besonderes
belastete Familien ausgeschlossen wurden.
Die Autoren folgern, dass besonders bei
Frauen mit einer BRCA1- oder BRCA2-Mutation auf „frühe“ Mammografien verzichtet werden sollte. Die MRT sei für Betroffene unter 30
Jahren die bessere Alternative.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
Literatur
1. Pijpe A. et al. Exposure to diagnostic radiation
and risk of breast cancer among carriers of
BRCA1/2 mutations: retrospective cohort study
(GENE-RAD-RISK). BMJ 2012; 345: e5660.
sponse hätten doppelt so lange gelebt wie
Frauen mit Resttumoren. Studien mit dem
neuen „Ersatzendpunkt histopathologisch
komplettes Ansprechen“ müssen aber neben
der Auswahl der Patientinnen weitere Punkte
berücksichtigen. Eine adjuvante Chemotherapie sollte nach Möglichkeit nicht erfolgen oder
in den Gruppen mit und ohne neoadjuvante
Therapie gleich verteilt sein, ebenso die Befunde für den Hormonrezeptorstatus. Um die Aussagekraft der pathologischen Response als Erfolgskriterium für eine neue neoadjuvante
Therapie zu bestätigen, sind große Patientenzahlen und eindeutige Ergebnisse notwendig.
Argumente für ihren substanziellen Wert hat
bereits eine klinische Studie mit Trastuzumab
erbracht. Damit behandelte Frauen hatten ein
histopathologisches Ansprechen von 39%
(Kontrollen: 20%) und ein krankheitsfreies
3-Jahres-Überleben von 71% vs. 56%.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
Literatur
1. Prowell TM et al. Pathological complete response
and accelerated drug approval in early breast
cancer. N Engl J Med 2012; 366. 2438–2441.
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ESMO
2012
272
Optimale Therapiedauer mit Trastuzumab
beim Mammakarzinom
Es bleibt bei einem Jahr Behandlung
Bei der Therapie des HER2-positiven Mammakarzinoms mit Trastuzumab in Kombination mit Chemotherapie blieb die Frage bestehen: Was ist die optimale Dauer einer adjuvanten Trastuzumab-Therapie? Diese Frage wurde nun durch zwei neue Studien beantwortet, die auf dem ESMO 2012 vorgestellt worden.
Seit der FinHer-Studie tobte der Streit darüber,
ob eine kürzere Trastuzumab-Gabe genauso
gut das Überleben beeinflussen kann (1). In
der Studie wurde der Antikörper nur 9 Wochen
gegeben und erzielte auch einen sehr guten
Effekt, der mit einer längeren Gabe vergleichbar war.
Kürzer ist nicht besser
Die PHARE-Studie (Protocol for Herceptin® as
Adjuvant therapy with Reduced Exposure)
wurde vom französischen National Cancer Institute initiiert. Behandelt wurden 3384 Patienten mit HER2-positivem Brustkrebs entweder über 12 Monaten mit Trastuzumab (n =
1690) oder nur 6 Monaten (n = 1690) (2). Alle
Frauen hatten vorher 4 Zyklen adjuvante Chemotherapie erhalten. Nach einem medianen
Follow-up von 47,2 Monaten betrug das
krankheitsfreie Überleben (DFS) in der 12-Monats-Gruppe 87,8% vs. 84,9% unter 6 Monaten Trastuzumab-Therapie (HR 1,28; 95% KI
1,05−1,56). „Obwohl hier eine Nichtüberlegenheit zwischen den Gruppen belegt wurde,
bleibt letztendlich ein Trend zum besseren
Überleben in der 12-Monats-Gruppe“, sagte
Prof. Xavier Pivot, Besançon/Frankreich.
In der HERA-Studie (Herceptin® Adjuvant
Trial), ließ sich nun der Effekt einer längeren
Trastuzumab-Gabe gegenüber der einjährigen
Therapie bei 5102 Frauen verfolgen (3). Nach
OP, Strahlentherapie und Chemotherapie be-
Skelettmetastasen bei aggressivem Brustkrebs
Ist längeres Überleben möglich?
Gute Ergebnisse mit knochenspezifischen Medikamenten in der Therapie von Patienten mit Skelettmetastasen ließen die Hoffnung aufkommen, dass sich auch das Auftreten solcher Metastasen verhindern lassen und damit das Gesamtüberleben verlängert
werden könnte. In einer Studie mit Denosumab (Xgeva®) mit rund 4500 BrustkrebsPatientinnen soll geklärt werden, ob diese Hoffnung erfüllbar ist, erläuterte Prof. Rob
Coleman, Sheffield/Großbritannien, auf dem ESMO-Kongress 2012.
Wie beim Prostata-Karzinom beträgt auch
beim Mammakarzinom die Inzidenz von Skelettmetastasen 65–75%. Die mediane Überlebenszeit nach dem Auftreten der ersten Metastase im Knochenbereich wird mit 20–24
Monaten angegeben, sodass die Metastasierung nicht nur die Tumorsymptomatik deutlich
verstärkt, sondern auch die Überlebenszeit der
betroffenen Patientinnen verringert.
Bereits mit Bisphosphonaten gelang es, bei
Patientinnen mit metastasiertem Mamma-Ca
skelettale Komplikationen um fast 50% zu ver-
ringern. Denosumab zeigte im direkten Vergleich mit Bisphosphonat Zoledronsäure nochmals eine Verlängerung der komplikationsfreien Zeit um 22%. Dabei war die Verträglichkeit
von Denosumab besser. Könnte man mit einer
medikamentösen Intervention auch die Ausbildung von Metastasen unterdrücken, wäre eine
Verlängerung der Überlebenszeitmöglich.
Die postulierte Wirkung knochenspezifischer Medikamente auf die Entstehung von
Knochenmetastasen erscheint pathophysiologisch plausibel: Der Knochen ist ein vitales Tar-
kamen die Frauen Trastuzumab über 1 Jahr
oder 2 Jahre lang oder nur eine Beobachtung.
Länger aber auch nicht
Nach 8 Jahren Follow-Up erwiesen sich die Ergebnisse in den beiden Trastuzumab-Gruppen
als gleichwertig (HR = 0,99). Prof. Richard
Gelber, Boston/USA, stellte fest: „Nach dieser
Zeit ließen sich keine Erhöhung der kardialen
Probleme durch Trastuzumab feststellen, und
das Todesrisiko ließ sich durch die Substanz
um 24% gegenüber der alleinigen Beobachtung verringern.“ ESMO-Kongresspräsident
Prof. Christoph Zielinski, Wien, Österreich,
schlussfolgerte: „Trastuzumab über ein Jahr
bleibt der Standard zur adjuvanten Behandlung von HER2-positiven Frauen mit Brustkrebs.“
Bettina Reich, Hamburg
Literatur
1. Joensuu H et al. N Engl J Med 2006; 354:
809–820.
2. Pivot X et al ESMO 2012, LBA5.
3. Goldhirsch A et al. ESMO2012, LBA 6.
get für die Metastasierung. Hier könnte die
Hemmung der Knochenzell-Aktivität durch
Denosumab dazu führen, dass sich Tumorzellen nicht mehr so leicht einnisten können. Die
doppelblinde, placebokontrollierte Studie „Denosumabversus placebo in adjuvant treatment
for women with early-stage beast cancer of
high risk of disease recurrence (D-CARE)”
schließt etwa 4500 Patientinnen mit Mammakarzinom im Stadium II/III ein.
Die Patientinnen erhalten parallel zur Studienmedikation eine leitliniengerechte adjuvante/neoadjuvante Therapie. Die Studie wird
5 Jahre dauern. Primärer Endpunkt ist das metastasenfreie Überleben. Sekundäre Endpunkte sind das krankheitsfreie Überleben, das Gesamtüberleben und die Zeit bis zum Auftreten
weiterer Komplikationen.
Dr. Till U. Keil, München
Quelle: Media Roundtable „Amgen in Oncology“
während des ESMO-Kongresses am 29. September
2012, Wien. Veranstalter: Amgen (Europe) GmbH,
München.
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Forum
Brustkrebs
273
Nanopartikel-basiertes Paclitaxel
Ein neoadjuvantes Therapiekonzept mit
nab-Paclitaxel im Vergleich zu konventionellem Paclitaxel prüft die Phase-III-Studie GeparSepto, deren Rekrutierung läuft. Frauen mit
operablem und lokal fortgeschrittenem Brustkrebs erhalten neoadjuvant für zwölf Wochen
eines der beiden Taxane, danach vier Zyklen
Epirubicin/Cyclosphosphamid (EC) in dreiwöchigem Abstand. HER-2-positive Frauen erhalten parallel zur neoadjuvanten Therapie Trastuzumab und Pertuzumab und werden postoperativ mit Trastuzumab bis maximal ein Jahr
weiterbehandelt.
Primäres Zielkriterium ist die Rate pathologisch vollständigen Ansprechens (pCR) nach
neoadjuvanter Therapie, berichtete Prof. Michael Untch, Helios-Klinikum Berlin-Buch. Die
Studie sieht die wöchentliche Gabe von nabPaclitaxel 150 mg/m2 und konventionellem Paclitaxel 80 mg/m2 vor – vergleicht also die beiden Taxane in ihrer für dieses Setting als optimal angesehenen Dosis. Mit nab-Paclitaxel
150 mg/m2 wöchentlich wurde in einer Studie
ein sehr schnelles Ansprechen erzielt, das bereits nach 2,15 Zyklen das Maximum erreichte.
Verzicht auf Lösungsmittel bietet
viele Vorteile
An Albumin-Nanopartikel (nab) gebundenes Paclitaxel (Abraxane®) ist in der Therapie
des metastasierten Mammakarzinoms effektiver als herkömmliches Paclitaxel und
auch besser verträglich. Jetzt wird nab-Paclitaxel auch bei frühem Brustkrebs in adjuvanten und neoadjuvanten Therapieschemata geprüft.
Die Zulassung von nab-Paclitaxel in der EU gilt
für die Zweitlinientherapie des metastasierten
Mammakarzinoms (MBC) bei Frauen, für die
Anthrazykline nicht in Frage kommen. Mit der
nab™-Technologie wird die selektive Aufnahme und Anreicherung von Paclitaxel im Tumorgewebe gesteigert. Durch den Verzicht auf Lösungsmittel bei der Rekonstitution sollen
schwere Hypersensitivitätsreaktionen (HSR)
sowie eine gesteigerte Myelosuppression vermieden werden. Darüber hinaus ist im Vergleich zur Gabe von konventionellem Paclitaxel keine Prämedikation gegen HSR nötig,
auch die Infusionszeit mit 30 Minuten um ein
vielfaches verkürzt.
In der Phase-III-Zulassungsstudie beim
mBC erreichte nab-Paclitaxel im Vergleich zu
herkömmlichem Paclitaxel eine höhere Ansprechrate (33% vs. 19%, p = 0,001), die Patientinnen waren länger progressionsfrei (23,0
Wochen vs. 16,9 Wochen, p = 0,006). Studienteilnehmer mit vorbehandeltem mBC erzielten
mit nab-Paclitaxel auch einen Überlebensvorteil (56,4 Wochen vs. 46,7 Wochen, p = 0,024),
so Prof. Sibylle Loibl, GBG Forschungs GmbH,
Neu-Isenburg, auf einem Pressegespräch.
Trotz einer um 49% höheren Dosierung
von nab-Paclitaxel waren die Sicherheitsprofile der beiden Regime vergleichbar, mit Ausnahme einer erhöhten Neutropenie-Grad4-Rate im konventionellen Arm und einer erhöhten Rate sensorischer Neuropathien Grad
3 im nab-Paclitaxel-Arm. Letztere waren aber
rascher reversibel (nach median 22 Tagen vs.
79 Tagen) und waren durch eine Therapiepause und eine Dosisreduktion gut kontrollierbar.
Moderne Chemotherapie-Konzepte sind
aus der adjuvanten und neoadjuvanten Therapie bei Brustkrebs nicht wegzudenken, betonte Prof. Volker Möbus, Klinikum FrankfurtHöchst. Deshalb prüfen die Studiengruppe
Mamma-AGO-B und die German Breast Group
in der Phase-III-Studie GAIN-2 den Einsatz von
nab-Paclitaxel in der adjuvanten Therapie von
Patientinnen mit frühem Hochrisiko-Brustkrebs.
Einsatz auch in der
(Neo)adjuvanz?
Die Patientinnen erhalten eine intensivierte
dosisdichte Therapie mit EnPC (Epirubicin,
nab-Paclitaxel, Cyclophosphamid) oder eine
dosisdichte, adaptierte Therapie mit dtEC-dtD
(Epirubicin/Cyclophosphamid, gefolgt von Docetaxel) (▶ Abb. 1). Primärer Endpunkt ist das
Fernmetastasen-freie Überleben.
Die Rationale für nab-Paclitaxel in dieser
Studie ist laut Möbus, dass dieser Wirkstoff ein
besseres Toxizitätsprofil und eine höhere Wirksamkeit im Vergleich zu lösungsmittelbasierten Taxanen hat. Sie eignet sich daher besonders bei einem dosisdichten Hochdosisregime
bei primärem nodal-positivem Brustkrebs oder
bei Brustkrebs mit hohem Progressionsrisiko,
z. B. HER-2-positiver oder triple-negativer Tumor, unabhängig vom Nodalstatus.
Dr. Beate Grübler, Hannover
Literatur
1. Gradishar WJ et al. Phase III trial of nanoparticle
albumin-bound paclitaxel compared with polyethylated castor oil-based paclitaxel in women
with breast cancer. J Clin Oncol 2005; 23(31):
7794-7803.
Quelle: Pressegespräch „Neue Wege in der Therapie
des Mammakarzinoms“ am 25. September 2012, Berlin. Veranstalter: Celgene GmbH, München.
Hinweis: Mit freundl. Unterstützung der Celgene
GmbH, München
Behandlungsschema
E
E
E
Epirubicin
150 mg/m2 q2w
R
Abb. 1
Behandlungsschema
der GAIN-2-Studie:
nab-Paclitaxel in der
adjuvanten Therapie
von Patientinnen mit
frühem HochrisikoBrustkrebs
nP
nP
nP
C
nab-Paclitaxel q2w
(nP-Dosis wird in der Run-inPhase bestimmt)
E
E
E
E
C
C
C
C
EC 90/600 mg/m2,
q2w, tailored
© Schattauer 2012
+ 1 Woche
Pause
D
C
C
Cyclophosphamid
2 g/m2 q2w
D
D
D
Docetaxel 75 mg/m2,
q2w, tailored
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Gynäkologische
Onkologie
274
Stark vorbehandeltes metastasiertes Mammakarzinom
Eribulin – einzige Option mit
eindeutigen Überlebensvorteilen
Es gibt eine Vielzahl von Chemotherapeutika, mit denen beim metastasierten Mammakarzinom behandelt werden kann. Allerdings ist Eribulin die einzige Substanz, für
die bei Frauen mit stark vorbehandeltem und fortgeschrittenem HER2-negativem
Brustkrebs ein statistisch signifikanter und relevanter Überlebensvorteil belegt worden ist. „Wir schätzen an der Substanz außerdem das günstige Sicherheitsprofil und
die gute Verträglichkeit“, betonte Prof. Hellmut Samonigg, Graz/Österreich, bei der
DGHO-Jahrestagung in Stuttgart. „Sie stellt eine wertvolle Bereicherung unserer Behandlungsmöglichkeiten beim fortgeschrittenen Brustkrebs dar“.
Dass es bislang an einer Standardtherapie
des metastasierten Mammakarzinoms nach
Taxan- und Anthrazyklin-Vorbehandlung mangelt, belegt laut Priv.-Doz. Dr. Joachim
Bischoff, Magdeburg, unter anderem die Studie EMRACE (Eribulin monotherapie versus
treatment of physicians choice in patients with
metastatic breast cancer). In der Phase-IIIStudie wurden 762 Frauen mit metastasiertem
Mammakarzinom entweder mit Eribulin als
Monotherapie behandelt oder in der Kontrollgruppe mit einer Therapie nach Wahl des Arztes. „In der Kontrollgruppe wurden neun ver-
schiedene Therapieregime von den Prüfärzten
eingesetzt. Das zeigt bereits, dass es kein klar
definiertes Vorgehen für diese Situation gibt“,
erklärte Bischoff in Stuttgart. In der Studie bewirkte Eribulin, das seit gut einem Jahr in
Deutschland zugelassen ist, eine signifikante
Verlängerung des Gesamtüberlebens von im
Mittel 10,5 auf 13,2 Monate gegenüber der
Kontrollgruppe (1).
Die überzeugenden Daten haben nach Bischoff dazu geführt, dass das HalichondrinAnalogon rasch in die aktuellen Leitlinien der
Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkolo-
gie (AGO) aufgenommen wurde. Der Wirkstoff
wird inzwischen auch in den aktuellen Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft empfohlen und ist das einzige Medikament zur Brustkrebsbehandlung, für das die Erstattungsverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband erfolgreich abgeschlossen wurden.
Vorteile auch in früheren
Therapielinien?
Inzwischen liegen, so Samonigg, auch Subgruppenanalysen der EMBRACE-Studie vor,
die auf ein möglicherweise noch größeres therapeutisches Potenzial des innovativen Mikrotubulihemmers hindeuten. So zeigte sich, dass
Frauen, die vor der Behandlung mit dem Halichondrin drei und weniger Chemotherapien
erhalten haben, besonders gut profitieren.
„Das ist ein Hinweis darauf, dass der Wirkstoff
in seiner therapeutischen Relevanz auch in
früheren Therapielinien untersucht werden
sollte“, sagte der Mediziner.
Entsprechende Studien laufen bereits. So
wird Eribulin derzeit im Rahmen einer PhaseII-Studie in Kombination mit Trastuzumab als
First-Line-Therapie beim lokal fortgeschrittenen oder metastasierten HER2-positiven
Brustkrebs geprüft und in einer weiteren Studie in Kombination mit Lapatinib.
Anteil der lebenden Patientinnen
Christine Vetter, Köln
1,0
1 Jahr-Überleben
Eribulin (n = 508) 54,5%
TPC (n = 254) 42,8%
0,8
0,6
0,4
TPC
Medianes
Gesamtüberleben
von 10,5 Monaten
0,2
Eribulin
Medianes Gesamtüberleben
von 13,2 Monaten
HR 0,81 (95% KI, 0,67–0,96)
p = 0,014
2,7 Monate
0
0
6
12
18
24
Zeit (Monate)
30
36
Abb. 1
Verlängerung des Gesamtüberlebens bei
Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom nach umfassender Vorbehandlung unter Eribulin;
aktualisierte Analyse
nach 589 (77%) Ereignissen (nach [1]).
Literatur
1. Cortes O et al. Lancet 2011; 377: 914-923.
Quelle: Satellitensymposium „1 Jahr Eribulin beim
metastasierten Mammakarzinom: Klinische Erfahrungen und Ausblick“ bei der Jahrestagung 2012 der
Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen
Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie
(DGHO) am 19. Oktober 2012 in Stuttgart,Veranstalter: Esai
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DGU Kongressnachlese
275
Blasenkarzinom
Auf dem Weg zu einer
individualisierten Therapie
Die DGU-Leitlinie nennt die Zytologie
(eventuell die FISH) als Option zur Klärung
spezieller Fragestellungen, aber die Anwendung von Markern wird in keiner Situation
empfohlen. „Daran wird sich auch so schnell
nichts ändern“, so Hakenberg.
Neue Entwicklungen in der Diagnostik, Prognoseabschätzung und verschiedene
Aspekte der Therapie des Blasenkarzinoms standen auf dem Programm eines wissenschaftlichen Symposiums auf dem DGU-Kongress 2012 in Leipzig.
Neue Prognosemodelle
Die Diagnose eines Harnblasenkarzinoms wird
anhand der Zytologie und Histologie des
transurethralen Resektats (TUR) gestellt. Um
die verdächtigen Läsionen aufzuspüren, dient
seit vielen Jahren die Weißlichtzystoskopie als
Standardmethode. Flache Läsionen lassen sich
allerdings durch die photodynamische Diagnostik mit Fluoreszenzmarkierung (mit 5-alpha-Aminolävulinsäure oder Hexaminolävulinsäure) noch besser darstellen. Manche Tumoren werden damit früher entdeckt, aber es
gibt auch mehr falsch positive Befunde, die
dann zu unnötigen histologischen Untersuchungen und gelegentlich auch Maßnahmen
führen, wie Prof. Oliver Hakenberg, Rostock,
ausführte.
In mehreren Studien mit routinemäßiger
sekundärer TUR konnte nachgewiesen werden, dass die Häufigkeit von Residualtumoren
und die Rezidivrate deutlich gesenkt werden
können, wenn man Fluoreszenzzystoskopie
einsetzt. Auch das narrow-band-imaging
(NBI), das Tumorgewebe anhand der Übervaskularisierung sichtbar macht, weist eine bessere Sensitivität auf als die Weißlichtzystoskopie. Weitere Techniken wie spektroskopische
Verfahren oder die konfokale Lasermikroskopie sind gegenwärtig noch weit gehend experimentell.
weil diese viele Zellen abschilfern. Bei niedrigmalignen Tumoren ist die Sensitivität schlecht.
Neben den Zellen selbst gelangen auch
verschiedene spezifische tumorassoziierte
Stoffe wie Telomerase und Survivin, aber auch
viele unspezifische Marker in den Urin. Je größer das Wissen über die molekularen Grundlagen des Blasenkarzinoms wird, desto mehr
Marker werden entdeckt. Der Nachweis solcher Marker soll die Treffsicherheit der Zytologie erhöhen.
Tatsächlich hat sich die Sensitivität der
Marker durchwegs als höher im Vergleich zur
Zytologie erwiesen, doch die Spezifität der
Urinzytologie, das heißt, die Sicherheit des
Ausschlusses eines Blasentumors, bleibt unübertroffen. In den USA sind einige MarkerTests, beispielsweise BTA-stat, LMP22 und ImmunoCyt, zugelassen und werden in Nachsorgen und/oder Screening eingesetzt (▶ Tab. 1)
(1). Der Anteil falsch positiver Befunde ist erheblich, sagte Hakenberg. „Wir wünschen uns
einen einfachen Urinmarker als schnellen
Point-of-care-Test ähnlich wie der Hämostix,
den wir schon lange anwenden, um eine Hämaturie zu erkennen“. Insgesamt ist der Einsatz zellbasierter Verfahren über die Standardzytologie hinaus aufwändig und verteuert die
Diagnostik erheblich.
Eine radikale Zystektomie ist nicht nur generell bei einem muskelinvasiven Urothelkarzinom indiziert, sondern auch die bevorzugte
Therapieoption bei nicht muskelinvasiven Karzinomen mit einem hohen Progressionsrisiko.
Um die richtige Therapieentscheidung zu treffen, muss man sich deshalb ein möglichst genaues Bild über die Prognose des Patienten
hinsichtlich Gesamtüberleben, karzinomspezifischem Überleben und Rezidivrisiko machen.
Als gängiges Modell dient dazu die multivariate Analyse von Ergebnissen klinischer
Studien oder Metaanalysen zum Einfluss von
verschiedenen Risikofaktoren auf das Outcome. Seit einigen Jahren werden neue statistische Modelle wie Nomogramme oder artefizielle neuronale Netzwerke evaluiert. Sie sind
im Prinzip dafür geeignet, noch exaktere Ergebnisse hinsichtlich der Prognose zu bringen
und haben sich auch bereits im Vergleich zur
konventionellen Risikoabschätzung in Teilbereichen als überlegen erwiesen.
Bisher krankt jedoch die Anwendung dieser
Modelle daran, dass nur retrospektive Daten
in ihre Evaluation eingeflossen sind, erklärte
Prof. Patrick Bastian, München. Der große
Teil der Daten stammt aus Zeiten, in denen
ganz andere Therapie- und Nachsorgekonzepte als heute üblich waren.
Zellbasierte Verfahren
Die Urinzytologie kann die Zystoskopie mit
Gewebeentnahme nicht ersetzen, ist aber besser als ihr Ruf, meinte Hakenberg. In guten Labors lässt sich eine Konkordanz von Histologie
und Zytologie in mehr als 90% der Fälle erreichen. Als Verfeinerung der Urinzytologie können maligne Zellen im Urin mit Antikörpern
fluoreszenzmarkiert werden, beispielsweise
FISH (▶ Abb. 1). Zellbasierte Verfahren ergeben vor allem bei High-grade-Tumoren Sinn,
Urin
Nachweis von
Tumorzellen
Abb. 1
Nachweis von Tumorzellen und tumorassoziierten Stoffen im
Urin.
Nachweis von Tumorassoziierten Stoffen
Urinzytologie
tumorspezifisch
nicht spezifisch
FISH Immunozyt®
Survivin
Telomerase
Matrixproteine
Zytokeratine
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DGU Kongressnachlese
276
Tab. 1
Sensitivität und Spezifität von Urinmarkern beim Nachweis von Blasenkarzinomen (1)
Sensitivität %
Spezifität %
Immunocyt
n Studien
10
n Patienten
4199
84% (77–91)
75% (68–83)
NMP22
41
13 885
68% (62–74)
79% (74–84)
FISH
14
3321
76% (65–84)
85% (78–92)
Urinzytologie
56
22 260
44% (38–51)
96% (94–98)
Wer sollte (neo)adjuvante
Chemotherapie erhalten?
Die Hälfte der Patienten mit Blasenkarzinom
entwickelt irgendwann nach der Zystektomie
Fernmetastasen, verbunden mit einer sehr
schlechten Prognose. Deshalb stellt sich zumindest bei Hochrisikopatienten die Frage, ob
dieses Risiko durch eine systemische Therapie
verringert werden kann. Eine neoadjuvante
systemische Therapie bringt nach bisherigen
Analysen einen Überlebensvorteil von etwa
5%, eine adjuvante Therapie von bis zu 9%,
wie Prof. Kerstin Junker, Homburg, erklärte.
Die Experten waren sich jedoch einig, dass
zum jetzigen Zeitpunkt noch weniger für eine
neoadjuvante Therapie spricht und mehr dagegen, obwohl diese Option bereits Eingang in
Leitlinien gefunden hat. Als positiven Aspekt
führte Junker an, dass sich damit die Chance
bietet, die Response auf ein Chemotherapieregime direkt am Primärtumor zu testen.
Zystektomie wird
verzögert
Schwer wiegende Argumente dagegen sind,
dass nur jeder zweite Primärtumor darauf anspricht und dass sich die radikale Zystektomie
um 3 bis 4 Monate verzögert. Für die 50%
Nonresponder kann dies eine Verschlechterung der Prognose mit sich bringen, die sie zusätzlich zur Toxizität der Chemotherapie hinnehmen müssen. Und auch bei den 50% Respondern steht ein relativ geringer Überlebensvorteil gegen die Toxizität der Therapie.
Patienten, die für eine adjuvante Therapie
in Betracht kommen, können zwar zeitnah
zystektomiert werden, und es kann ein histo-
pathologisches Staging erfolgen. Doch etwa
40% der Patienten sind nach dem Eingriff aus
verschiedenen Gründen nicht mehr geeignet
für eine Chemotherapie. Für die verbleibenden
Patienten bringt die Chemotherapie wiederum
bestenfalls einen geringen Überlebensgewinn
bei hoher Toxizität.
Die Indikation für eine neoadjuvante Chemotherapie sollte individualisiert gestellt werden. Einen älteren multimorbiden und symptomatischen Patienten sollte man sicher nicht
mit neoadjuvanter Therapie quälen, sondern
sofort zystektomieren. Bei jungen Patienten
mit Hochrisikotumoren, die eine Chemotherapie gut vertragen, kann man durchaus eine
neoadjuvante Therapie versuchen.
Responseprädiktoren
gesucht
Aber richtig Sinn ergibt eine neoadjuvante
Therapie erst dann, wenn man Patienten mit
besonders hohem Risiko für Fernmetastasen
anhand tumorbiologischer Kriterien selektieren und Responder und Nonresponder vorab
differenzieren kann, betonte Junker. Die Forschung arbeitet beispielsweise daran, bestimmte Gensignaturen zu definieren und validieren. Viel versprechend sind auch microRNAAnalysen.
MicroRNA sind kurze nicht für Proteine kodierende RNAs, die durch Bindung an RNA
nach der Transkription die Umschreibung in
das Protein modulieren. Sie können eine ganze
Reihe von Genen regulieren und haben deshalb wesentlich mehr Einfluss als ein einzelnes
Gen. MicroRNA spielen vor allem in der Entwicklung von Therapieresistenzen und in der
Zellzyklusregulation eine Rolle. „Die Frage, ob
eine adjuvante, neoadjuvante oder gar keine
Chemotherapie besser ist, wird sich gar nicht
mehr stellen, wenn molekulare Marker für Risiko und Response im klinischen Alltag zur Verfügung stehen“, meinte Junker.
Karzinome im oberen
Harntrakt
Etwa 5-10% der Urothelkarzinome entwickeln
sich im oberen Harntrakt. Von ihnen wachsen
60% schon zum Zeitpunkt der Diagnose invasiv, während dies bei allen Blasenkarzinomen
nur bei 15% der Patienten der Fall ist. Weniger
als die Hälfte der Patienten überlebt 5 Jahre.
Therapie der Wahl bei invasiven Tumoren im
oberen Harntrakt ist die radikale Nephrektomie (offen oder laparoskopisch). Ausgewählte
Patienten mit kleinen, nicht-invasiven, papillären low-grade Tumoren kann man auch endoskopisch versorgen. Allerdings beträgt die Rezidivrate nach endoskopischen Operationen
bis zu 40%. Vergleichsstudien zwischen radikaler Nephrektomie und endoskopischer Therapie fehlen bisher.
Ein großes Problem ist die Diagnostik von
Tumoren im oberen Harntrakt, weil sich mit
den relativ kleinen Biopsiezangen oft nicht genügend Gewebe gewinnen lässt, um den Tumor zuverlässig zu beurteilen. Die Fluoreszenz-Ureterorenoskopie kann die diagnostische Treffsicherheit eventuell erhöhen und hat
bereits erste viel versprechende Ergebnisse
gezeigt. Doch die Anwendung der Methode in
den ableitenden Harnwegen ist schwierig,
weil sich der Urin nicht so ansammelt wie in
der Harnblase, erklärte Dr. Mario Zacharias,
Berlin.
Dr. Angelika Bischoff, Planegg
Literatur
1. Mowatt et al. Health Technol Ass 2010; 14(4).
Quelle: Forumssitzung F18 „Blasenkarzinom“, 64.
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie am
28. September 2012, Leipzig.
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DGU Kongressnachlese
278
Zweitlinientherapie beim mCRPC
Cabazitaxel patientengerecht
einsetzen
Durch die erweiterten Optionen bei metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom (mCRPC) ergibt sich die Frage, wie die neuen Therapiesequenzen aussehen
sollten. „Docetaxel ist Standard für die Erstlinientherapie, und dann sollten wir uns
den Patienten genau anschauen, um das weitere Vorgehen anzupassen“, meinte Dr.
Stefan Machtens, Bergisch Gladbach, auf dem Deutschen Urologenkongress 2012.
Speziell bei aggressiver Tumorbiologie und schlechtem Ansprechen auf die vorangegangene Hormontherapie wird vorzugsweise die Weiterbehandlung mit Cabazitaxel
(Jevatana®) empfohlen.
Cabazitaxel ist für den Urologen Mittel der ersten Wahl, wenn ein hoher Gleason Score (8-10)
sowie ein kurzes PSA-Ansprechen (<16 Monate)
auf die primäre Androgenblockade vorliegt und
der Progress nach Docetaxel sehr schnell verläuft. Denn Cabazitaxel ist auch noch effektiv,
wenn der Patient bereits Docetaxel-refraktär ist.
Im Praxisalltag gut
handhabbar
In der Zulassungsstudie TROPIC reduzierte Cabazitaxel das relative Sterberisiko der Patienten um 30% gegenüber der Behandlung mit
Mitoxantron (HR 0,70; p<0,0001) (1). Ein me-
dianes Überleben von fast 30 Monaten durch
die Sequenz Docetaxel-Cabazitaxel ist ein Novum, so Machtens weiter. Es eröffnet neue
Aussichten für die CRPC-Patienten (2).
Die hohen Raten an febriler Neutropenie
aus der TROPIC-Studie bestätigten sich im Praxisalltag nicht, ergänzte Dr. Joachim Kleeberg, Stuttgart: „Im Compassionate Use Programm (CUP) kam von Anfang an ein proaktives Nebenwirkungsmanagement mit entsprechendem G-CSF-Support zum Einsatz, so dass
die Rate an Nebenwirkungen wesentlich reduziert werden konnte“ (3).
Die Sorge, dass Patienten die Behandlung mit
Cabazitaxel nicht ausreichend gut vertragen, ist
bei entsprechender Aufklärung und regelmäßi-
Studienregister der Urologen
Erstes Fachregister in Deutschland
mit WHO-Akkreditierung
Seit 2010 betreibt die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) ein nationales Register, in dem urologische Studien aus Deutschland erfasst werden. Jetzt hat das DGUStudienregister durch eine direkte Anbindung an das offizielle deutsche Primärregister der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Deutsche Register Klinischer Studien
(DRKS), eine deutliche Aufwertung erfahren. Über das neue DGU-Studienregister wurde auch auf dem DGU-Kongress 2012 diskutiert.
Als erste medizinische Fachgesellschaft
Deutschlands hat die DGU einen Kooperationsvertrag mit dem DRKS geschlossen. „Ziel des
Registers ist, dass sich Ärzte, Betroffene und
potenzielle Studienpartner rasch und übersichtlich über die Studienaktivitäten in der Uro-
logie umfassend informieren können“, betonte
Prof. Bernd Wullich, der Leiter des DGU-Studienregisters und DGU-Vorstand für Forschungsförderung. Das Register ist als wichtigste Anlaufstelle für die Suche nach in Deutschland
geplanten, laufenden und abgeschlossenen kli-
gem Monitoring unbegründet, so Kleeberg. Er
betonte, dass die Patienten im umfangreichen
Aufklärungsgespräch über die zu erwartenden
Nebenwirkungen wie Neutropenie und Diarrhö
gut informiert würden und sich dadurch die Therapie von Anfang an gut und sicher führen lasse.
Weitere Erfahrungen zeigen auch, dass die
Sequenz – erst Abirateron und dann Cabazitaxel – nicht immer eine geeignete Option ist.
Hier kann sich der Allgemeinzustand der Patienten nach Tumorprogression durch Abirateron-Versagen deutlich verschlechtern, so dass
eine Weiterbehandlung mit dem Chemotherapeutikum nicht mehr erfolgen kann. Im Sinne
der Prognoseverbesserung sollte der Einsatz
der Chemotherapie beim CRPC so früh wie
möglich erfolgen, meinte Kleeberg.
Bettina Reich, Hamburg
Literatur
1. de Bono JS et al. Lancet 2010; 376: 1147-1154.
2. Sartor O et al. J Clin Oncol 2011; 29(Suppl): Abstract 4525.
3. Heidenreich A et al. Eur Urol 2012; 11(Suppl):
e128.
Quelle: Satellitensymposium „Das metastasierte
Prostatakarzinom – neue Therapieoptionen und ihre
Chancen für die Patienten“ im Rahmen der Jahrestagungen der Deutschen Gesellschaft für Urologie
(DGU) am 27. September 2012, Leipzig. Veranstalter:
Sanofi-Aventis Deutschland, Berlin.
nischen Studien in der Urologie im Internet unter www.dgu-studien.de zu finden.
Über seinen öffentlichen und kostenfreien
Zugang bietet das DGU-Register verschiedene
Modi für die Suche nach urologischen Studien.
Durch den Kooperationsvertrag wurde die
vom DRKS übernommene und in das DGU-Register integrierte Suchmaske um zusätzliche
Optionen erweitert. So kann der Nutzer die Suche auf spezielle Erkrankungen eingrenzen
oder auch nach einem bestimmten Status der
Rekrutierung von Studienteilnehmern filtern.
Dadurch wird das DGU-Register auch für Patienten besonders interessant, die von dort an
alle Informationen und Kontaktdaten gelangen, die für eine Anmeldung zur Studienteilnahme notwendig sind.
Durch die unmittelbare Verbindung mit
dem Deutschen Register Klinischer Studien,
das am Universitätsklinikum Freiburg angesie-
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DGU Kongressnachlese
279
delt ist, erfüllen alle über das DGU-Register
angemeldeten Studien die Vorgaben der WHO.
Von der neuen Partnerschaft profitieren indes
beide Seiten. „Wir werden durch die steigende
Anzahl bei uns registrierter Studien als eben-
bürtiges, deutsches Pendant zum US-Studienregister ‚ClinicalTrials.gov‘ bekannter“, so die
zuständige
DRKS-Projektmanagerin
Dr.
Susanne Jena, Freiburg. Alle Studien aus Primärregistern werden automatisch in das
Aktuelle Therapiestrategien beim mCRPC
Sequenz unter Einbeziehung von
Abirateron steigert Überleben
„Während wir bis vor kurzer Zeit, dem Patienten mit einem kastrationsresistentem
Prostatakarzinom außer Docetaxel nichts anbieten konnten, steigt die Anzahl der weiteren Therapieoptionen kontinuierlich an, sodass jetzt eine Sequenztherapie erfolgen
kann“, sagte Prof. Kurt Miller, Berlin, auf einer Pressekonferenz. Wie sich dies direkt in
einem längeren Überleben für den Patienten auswirkt, zeigt sich am Beispiel von
Abirateron (Zytiga®).
Mit Docetaxel wurde ein Gesamtüberleben
von 19,2 Monaten erzielt (1). Eine aktuelle
Auswertung der Zulassungsstudie von Abirateron zeigt, dass sich durch den sequenziellen
Einsatz von Docetaxel und danach als Zweitlinientherapie Abirateron/Prednisolon das Überleben der Patienten, gemessen ab der ersten
Docetaxelgabe, auf im Median 32,6 Monate
verlängert (2).
Abirateron bei asymptomatischen Patienten
Wie die Entwicklung weiter gehen könnte,
zeigt eine kürzlich vorgestellte Interimsanalyse der COUAA-302-Studie (3). Bei asymptomatischen oder nur mit milden Symptomen belasteten Chemotherapie-naiven Patienten wurde
Abirateron in Kombination mit Prednisolon
gegeben und bewirkte dadurch einen signifikanten Vorteil im radiologisch bestätigten progressionsfreien Überleben (rPFS). Die mediane-rPFS im Kontrollarm lag bei 8,3 Monaten,
aber wurde im Abirateron-Arm noch nicht erreicht, da die Progression im Vergleich zum
Kontrollarm langsamer stattfand.
Miller betonte, dass dieser Effekt auf das
rPFS in allen Subgruppen gleichermaßen ausgeprägt war und demzufolge unabhängig vom
Alter, der Metastasierung sowie des PSA-Wertes war. Ebenfalls gab es einen starken Trend
zum verlängerten Gesamtüberleben. Hinsichtlich der sekundären Endpunkte ließen sich
deutliche Verbesserungen durch den frühen
Einsatz von Abirateron erzielen: So wurde die
Zeit bis zur PSA-Progression, zum Beginn der
Chemotherapie, zum Krebsschmerzbeginn so-
Sorafenib beim mRCC – ein Update
Mittlerweile bestehen 6 Jahre klinische Erfahrung zum Einsatz des Tyrosinkinasehemmers (TKI) Sorafenib (Nexavar®) beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom (mRCC). Auf
dem Urologenkongress 2012 wurde eine Bilanz gezogen.
Inzwischen kann die Sequenztherapie des
mRCC auf Grund der zahlreichen verfügbaren Substanzen an die individuelle Situation
des Patienten angepasst werden. Hier besitzt
Sorafenib laut Dr. Huber Kübler von der Urologischen Klinik der TU München einen hohen
Stellenwert in der Zweitlinientherapie nach
Sunitinib, die für eine Zytokintherapie nicht
geeignet sind. In der AXIS-Studie wurde mit
Sorafenib mit 16,5 Monaten eine vergleichbare Effektivität bei der Verlänger des Gesamt-
ICTRP-Metaregister der WHO übernommen
und stehen damit global zur Verfügung.
red.
Quelle: 64. Deutscher Urologen-Kongress vom 26. bis
29. September 2012, Leipzig.
wie zur Verschlechterung des Leistungsstatus
herausgezögert.
Dies sind nach Ansicht des Berliner Urologen Daten, die sich direkt positiv auf das Leben der Betroffenen auswirken. Somit gibt es
eine starke Rationale vor der Chemotherapie
die CRPC-Patienten mit Abirateron/Prednisolon zu behandeln, um ihnen nicht nur letztendlich ein längeres sondern auch ein besseres
Überleben zu ermöglichen. „Wir stehen in der
Praxis oft vor der Frage, ob sich das asymptomatische Stadium nicht verlängern lässt“, bestätigte Priv.-Doz. Dr. Henrik Suttmann, Hamburg. Mit dem frühen Einsatz von Abirateron
scheint diese Möglichkeit gegeben.
Es ist geplant, den Antrag auf Zulassungserweiterung für Abirateron aufgrund dieser Ergebnisse bei Männern mit mCRPC ohne Chemotherapie im zweiten Halbjahr 2012 zu stellen.
Bettina Reich, Hamburg
Literatur
1. Berthold DR et al. J Clin Oncol 2012; 26: 242-245.
2. Goodman OB et al. J Clin Oncol 2012; 30(Suppl):
Abstract 4558.
3. Ryan C et al. J Clin Oncol 2012; 30(Suppl): Abstract LBA4518.
Quelle: Pressekonferenz „Zytiga®: Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinom im Wandel“ im
Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft
für Urologie (DGU) am 27. September 2012, Leipzig.
Veranstalter: Janssen-Cilag, Neuss.
überlebens wie mit Axitinib (15,2 Monate) erreicht.
Erste Auswertungen aus der INTORSECTStudie zeigen darüber hinaus, dass Sorafenib
dem mTOR-Inhibitor Temsirolimus im Hinblick auf das gesamtüberleben überlegen ist
(16,6 vs. 12,3 Monate; p = 0,014).
Dr. Alexander Kretzschmar
Quelle: Satellitensymposium „Bayer in der Urologie“ im Rahmen des 64. Kongresses der Deutschen
Gesellschaft für Urologie e. V. am 27 September,
Leipzig. Veranstalter: Bayer HealthCare, Leverkusen.
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Internationale
Literatur
280
Blasenkarzinom
Lokale Rezidivrate nach Chemoradiotherapie
Nach einer radikalen Bestrahlung erleiden 50% der Patienten mit Blasenkarzinom einen lokalen Rückfall. Begleitende platinbasierte Chemotherapien senkten die Rezidivrate, waren aber wegen ihrer Nebenwirkungen problematisch. James et al. setzten Mitomycin C und 5-FU als Radiosensitizer ein und verglichen die Ergebnisse von Bestrahlung und Chemoradiotherapie.
Harnblasentumoren sind Erkrankungen des
höheren Lebensalters. Sind Zystektomien kontraindiziert oder unerwünscht, ist bei einer Radio- und Chemoradiotherapie neben der lokalen Kontrolle der Erhalt von Nieren- und Blasenfunktion entscheidend. 360 Patienten nahmen an Phase-3-Studie mit Mitomycin C und
5-Fluorouracil (5-FU) als Alternative zu platinhaltigen Protokollen teil. In allen Fällen lag ein
Blasenkarzinom im Stadium T2-T4a N0 M0
vor.
Insgesamt 173 Patienten erhielten eine Bestrahlung. Diese erfolgte entweder in 20 Fraktionen mit einer Gesamtdosis von 55 Gy über
einen Zeitraum von 4 Wochen oder in 32 Einzelsitzungen (Gesamtdosis 64 Gy; 6,5 Wochen). Weitere 173 Patienten erhielten zusätz-
lich an Tag 1 der Bestrahlung Mitomycin C (12
mg/m2 iv. als Bolusinjektion) und an Tag 1–5
sowie 16–20 5-FU (500 mg/m2 als Dauerinfusion). Eine vorangegangene, platinbasierte
Chemotherapie war erlaubt. Kontrollen erfolgten im ersten Jahr vierteljährlich, später jährlich. Eine Zystoskopie mit Kontrollbiopsie im
Tumorbett nach 6 Monaten war vorgeschrieben. Die durchschnittliche Beobachtungszeit
betrug 69,9 Monate.
Signifikant weniger
invasive Rezidive
Das lokoregionale krankheitsfreie Überleben
wurde durch den Einsatz der Radiosensitizer
100
Chemotherapie
Patienten (%)
75
Radiotherapie
50
25
HR 0,57 (95% KI 0,37–0,90)
p = 0,01
0
0
24
12
36
48
Monate nach Randomisierung
60
72
Abb. 1
Lokoregionales
krankheitsfreies
Überleben unter einer Chemoradiotherapie mit Mitomycin
C und 5-FU plus Radiotherapie oder Radiotherapie allein
signifikant verlängert. Nach 2 Jahren waren
67% Patienten mit Chemoradiotherapie und
54% der Bestrahlungsgruppe rückfallfrei. Dies
entsprach einer Risikoabsenkung von 12%
(HR für die Chemoradiotherapie 0,68; 95% KI
0,48–0,96; p = 0,03). Insbesondere die prognostisch besonders bedeutsamen invasiven
Rezidive waren seltener (11% vs. 19,1%)
(▶ Abb. 1). Nicht muskelinvasive Rückfälle kamen bei 14,3% und 16,9% (Chemoradiotherapie/Radiotherapie) und ein Befall der Beckenlymphknoten bei 4,9% und 6,7% der Erkrankten vor. Eine neoadjuvante Zytostase beeinflusste die Ergebnisse nicht.
Zystektomien waren nach Chemoradiotherapie mit Mitomycin C und 5-FU tendenziell
seltener notwendig. Innerhalb von 2 Jahren
wurden 11,4% und 16,8% operiert (p = 0,07).
Die günstigeren Ergebnisse der kombinierten
Behandlung spiegelten sich in einem tendenziell, aber nicht statistisch signifikant besserem 5-Jahres-Gesamtüberleben wider (48%
vs. 35%; p = 0,16).
Nebenwirkungen (Grad 3 oder 4) waren
während der Therapiephase bei der kombinierten Behandlung häufiger (36% vs. 27,5%). Dabei handelte es sich überwiegend um gastrointestinale Beschwerden. Nach 1 Jahr und
im weiteren Verlauf unterschieden sich die Nebenwirkungsraten nicht (LENT/SOMA- und
RTOG-Kriterien) und betrugen 16,9% und
16,0% (p = 0,91). Sexuelle Funktionsstörungen waren ausgenommen. Das Harnblasenvolumen wurde nur bei einem Fünftel der Patienten im Verlauf kontrolliert. Nach 1 und 2 Jahren waren die Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen nicht signifikant.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
Literatur
1. James ND. Radiotherapy with or without chemotherapy in muscle-invasive bladder cancer. N Engl
J Med 2012; 366: 1477–1488.
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Internationale
Literatur
281
Vakzinationstherapie
Gegen Krebs impfen – ein neues
Kapitel in der Tumorbehandlung
Nach der Etablierung der monoklonalen Antikörper wird mit den Antitumorvakzinen
ein neues Kapitel in der Onkologie aufgeschlagen. Sie unterscheiden sich wesentlich
in ihren Substraten, Angriffspunkten, der Anwendung und den bisherigen Erfolgen.
Prof. Jeffrey Schlom vom National Cancer Institute der National Institutes of Health
(NIH) in Bethesda/USA gibt einen Überblick über die aktuelle Datenlage.
Das Prostatakarzinom gilt als der Prototyp für
die Impftherapie bösartiger Tumoren. Während
Chemotherapien mit ihrer direkten zytotoxischen Wirkung bei einer großen Tumormasse
die stärkste Wirkung haben, sind die Vakzinen
bei geringer Tumorlast wegen der begrenzten
Zahl aktivierter Wirtszellen effektiver. Dies
trifft für viele Prostatakarzinome zu. Auch weil
die Immunantwort Zeit braucht, sind langsam
wachsende Tumorentitäten geeigneter, um einen relevanten Effekt auf das Überleben zu erzielen.
Sipuleucel-T ist der einzige Impfstoff, der
bisher in den USA zur Behandlung des fortgeschrittenen, hormonrefraktären Prostatakarzi-
Abb. 1
Medianes Gesamtüberleben unter Sipleucel-T im Vergleich zu einer Kontrollgruppe.
Abb. 2
Medianes Gesamtüberleben unter
PROSTVAC im Vergleich zu einer
Kontrollgruppe.
Medianes Gesamtüberleben (% Patienten)
Prostatakarzinom als
Prototyp
noms zugelassen wurde. Die Substanz besteht
aus immunkompetenten Zellen des Patienten.
Die peripheren mononukleären Zellen werden
mittels Leukapherese gewonnen, mit dem Tumorantigen PAP „geprägt“ und mit GM-CSF
inkubiert. Das bedeutet, dass jeder Impfstoff
individuell hergestellt wird.
Die Impfung erfolgt dreimal wöchentlich
(14-tägig). Verschiedene Phase-III-Studien
zeigten ein im Vergleich mit Placebo geringeres Mortalitätsrisiko (HR = 0,78; 95% KI
0,61–0,98; p = 0,03) und ein verlängertes Gesamtüberleben (25,8 vs 21,7 Monate; p =
0,032) (▶ Abb. 1). Die progressionsfreie Zeit
wurde nicht beeinflusst.
100
80
60
Sipuleucel-T
40
Kontrolle
20
0
0
12
24
36
48
60
48
60
Monate
Medianes Gesamtüberleben (% Patienten)
Der wesentliche Unterschied zwischen der
Impfbehandlung und den Standardmethoden
liegt in der Wirkung: Es erfolgt keine direkte
Therapie der Tumorzellen, Ziel ist vielmehr die
Modulation der körpereigenen Immunantwort
auf die Erkrankung. Die Impfungen erfolgen
mit Peptiden, Proteinen, rekombinanten Viren,
veränderten Tumorzellen und antigenpräsentierenden Zellen, die allein oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen gegen tumorspezifische Antigene gerichtet sind.
Ebenso vielfältig wie die Substanzen sind
deren Zielzellen. Dies können beispielsweise
Onkoproteine (HER2/neu- oder ras-Antigene),
onkofetale Antigene (CEA), Gewebezellen
(PSA) oder Viren (HCV, HPV) sein. Zahlreiche
klinische Studien untersuchen derzeit die Wirkung von Impfstoffen bei malignen Melanomen, dem Prostatakarzinom, Bronchialkarzinom, gastroenterologischen und hämatologischen Neoplasien.
Vergleichbare Resultate ergaben sich aus
einer Multicenterstudie zu PROSTVAC. Dieser
Impfstoff besteht aus rekombinanten Vacciniaund Hühnerpockenviren, die PSA und immunstimulatorische Moleküle exprimieren (PSATRICOM). Auch für PROSTVAC ergab sich in einer Untersuchung mit 125 minimal symptomatischen Patienten mit fortgeschrittenen
hormonrefraktären Prostatakarzinomen eine
verlängerte Überlebenszeit (25,1 vs. 16,6 Monate; p = 0,006) (▶ Abb. 2), aber keine Progressionsverzögerung. Sowohl Sipuleucel-T als
auch PROSTVAC sollen keine schweren Nebenwirkungen gehabt und die Lebensqualität
der Patienten verbessert haben.
Bei anderen Tumorentitäten waren die Behandlungsergebnisse inkonsistenter. Ein Peptid-Impfstoff zur Behandlung des malignen
Melanoms war in einer Phase-III-Studie in
Kombination mit Interleukin-2 wirksamer als
die Monotherapie mit höheren Ansprechraten
und einer verlängerten Überlebenszeit. Dies
bestätigten unabhängige Phase-II-Studien
nicht. Ebenfalls widersprüchliche Ergebnisse
hätten Untersuchungen zur Antiidiotyp-Vakzine für Patienten mit follikulären Lymphomen.
An der Studie mit einem positiven Ergebnis
nahmen überwiegend Patienten mit einer geringen Tumorlast teil.
100
80
60
PROSTVAC
40
Kontrolle
20
0
0
12
© Schattauer 2012
24
36
Monate
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Literatur
282
Brauchen wir neue
Remissionskriterien?
Die Beobachtung verlängerter Überlebenszeiten bei gleichzeitig unverändertem progressionsfreiem Intervall führten zu der Überlegung,
ob konventionelle Remissionskriterien zur Beurteilung eines Impferfolgs adäquat sind. Klassische Instrumente wie die RECIST-Kriterien
könnten den Fortschritt durch die Impfstoffe
geradezu „paralysieren“, da sie sich primär an
der Verkleinerung des Primärtumors orientierten. Allgemeine Vereinbarungen seien dafür
schwer zu treffen.
Dies gilt auch für die Auswahl der Patienten, die von einer Vakzinierung profitieren
könnten. Für den Therapieerfolg sind viele Kofaktoren bedeutsam wie beispielsweise die
antigene Heterogenität innerhalb der Tumormasse, immunsuppressive Stoffe im Mikromilieu oder der interstitielle Druck. Es zeichnet
sich aber bereits ab, dass in Analogie zur Polychemotherapie auch die Impfbehandlung maligner Erkrankungen in Zukunft möglicherweise als Kombinationstherapie erfolgen wird.
Präklinische Studien hatten eine stärkere Immunantwort durch die zusätzliche Gabe von
Immunstimulanzien, Immunsuppressoren oder
verschiedener Impfstoffe gezeigt. Die klinische
Evidenz wächst, dass Vakzine und konventionellen Behandlungsformen synergistische
oder additive Effekte haben könnten.
Derzeit wird die Impfung mit PROSTVAC in
Kombination mit Docetaxel, Paclitaxel oder einem Radionuklid geprüft. Die EOCG (Eastern
Cooperative Oncology Group) hat eine Studie
für das Prostatakarzinom initiiert, die eine Docetaxel-Monotherapie mit Docetaxel/PROSTVAC vergleicht. In einer placebokontrollierten Phase-III-Studie wird PROSTVAC allein
oder in Kombination mit GM-CSF bei Patienten mit asymptomatischem oder minimal
symptomatischen
kastrationsresistentem
Prostatakarzinom untersucht. Primärer Studienendpunkt ist das Gesamtüberleben. Die Daten werden Ende 2014/2015 erwartet.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
Literatur
1. Schlom J. Therapeutic cancer vaccines: Current
status and moving forward. J Natl Cancer Inst
2012; 104: 1–15.
UroOnkologie
Tomotherapie
Innovationsschub in der Strahlentherapie
Mit dem TomoTherapy-System erreicht die Strahlentherapie ein Sicherheits- und Qualitätsniveau, das gegenüber den herkömmlichen Bestrahlungstechniken einen großen
Fortschritt markiert. Mithilfe dieser Techniken können in vielen Fällen nebenwirkungsträchtige Pharmakotherapie in der Erstlinientherapie, aber auch bei der Rezidivbehandlung vermieden werden, unterstrich Prof. Eric Lartigau, Lille/Frankreich, auf dem
ESTRO 31.
Die Tomotherapie ist eine Entwicklung der
Universität von Madison/USA und besteht aus
einer Kombination aus Linearbeschleuniger
und Computertomografie (CT). Mit dem neuen
Gerät können wir auch sehr ungünstig liegende Tumore, die bisher nicht erreichbar waren,
sehr präzise zerstören und gesundes Gewebe
schonen, bestätigte Euan S. Thomson, CEO
der Herstellerfirma Accuray, Sunnyvale/USA.
Die Lage von Organen und der Tumore verändern sich ständig. „Der Mensch ist kein statisches System, das müssen wir besser als bisher berücksichtigen“, mahnte Lartigau. Beispielsweise verschiebt sich die Prostata je
nach Blasenfüllung um bis zu zwei Zentime-
tern und schrumpft während der Therapie. Bei
der herkömmlichen Strahlentherapie des Prostatakarzinoms geraten auf diese Weise auch
Teile des Darms in den Strahlengang, schmerzhafte Darmreizungen können die Folge sein,
im schlimmsten Fall sogar irreversible chronische Entzündungen.
jedem Beschuss ein Schichtbild mit aktueller
Größe und Lage der Geschwulst. Die Strahlendosis kann dabei individuell an die Tumordichte angepasst werden. Mit dem Tomotherapiesystem lassen sich ebenfalls mehrere Tumorherde und Metastasen in einem Arbeitsgang
bestrahlen. Je nach Tumor dauert die Bestrahlung zwischen fünf und 20 Minuten. IMRT und
Tomotherapie werden als Regelleistungen der
GKV erstattet.
Mittlerweile wird die Versorgung mit der
Tomotherapie in Deutschland kontinuierlich
dichter. Neben den Vorzeige-Institutionen wie
dem DKFZ Heidelberg und der Berliner Charité
sind inzwischen zahlreiche weitere Universitätsklinken mit dem System ausgerüstet.
Dr. Alexander Kretzschmar, München
Quelle: Pressekonferenz und Symposium im Rahmen
des Jahreskongresses der Europäischen Gesellschaft
für Strahlentherapie und Onkologie (ESTRO 31) vom
10. bis 11. Mai 2012, Barcelona. Veranstalter: Accuray
Inc., Sunnyvale/USA.
Vor jeder Bestrahlung ein
neues Schichtbild
Die Tomotherapie berücksichtigt diese Veränderungen während der Bestrahlung an. Das
TomoKnife erstellt mit dem integrierten CT vor
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UroOnkologie
283
Hormonsensitives metastasiertes Prostata-Ca
Vorteile bei kontinuierlicher
Behandlung
Patienten mit nicht-vorbehandeltem metastasiertem Prostatakarzinom und geringer
Tumorausbreitung sollten sich nach aktuellen Studiendaten für eine kontinuierliche
Androgenblockade entscheiden, auch wenn dies die Lebensqualität schmälern könnte.
An der auf dem ASCO 2012 vorgestellten Phase-III-Studie haben 1500 Männer mit hormonsensitivem fortgeschrittenem Prostatakarzinom teilgenommen, die nach erfolgreicher
Hormontherapie (7 Monate Goserelin + Bicalutamide) entweder intermittierend oder fortlaufend antihormonell weiterbehandelt wurden. Die Subgruppe der Patienten mit minimal
disease profitierten signifikant von einem kontinuierlichen Androgenentzug mit einem medianen Gesamtüberleben (OS) von 7,1 Jahren
im Vergleich zu 5,2 Jahren bei intermittierender Therapie. Die Autoren wiesen darauf hin,
dass bei intermittierender Behandlung nur die
Hälfte der Antiandrogene appliziert wird.
Ein neuer Spieler beim Nierenzellkarzinom
Effektive Zweitlinientherapie mit
Axitinib
Der Therapie-Algorithmus beim metastasierten Nierenzellkarzinom (mRCC) unterliegt
derzeit wegen der Zulassung mehrerer molekular zielgerichteter Substanzen einem
raschen Wandel. Seit September 2012 steht eine weitere Substanz zur Verfügung:
Der VEGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Axitinib ist zur Zweitlinientherapie von
mRCC-Patienten nach Versagen einer Zytokin- oder Sunitinib-Therapie indiziert.
Axitinib (Inlyta®) ist ein oral verfügbares
„small molecule“, das sich bereits präklinisch
als sehr potenter Hemmstoff der VEGF-Rezeptoren 1, 2 und 3 erwies. Den bisher zugelassenen VEGFR-TKIs ist er hinsichtlich inhibitorische Wirkung um mehrere Zehnerpotenzen
überlegen. „Das ist eine ganz andere Kategorie der VEGFR-Hemmung als mit den älteren
Substanzen“, kommentierte Priv.-Doz. Dr.
Viktor Grünwald, Hannover, auf der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und
Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie. Auch Phase-II-Daten weisen Axitinib als potente Substanz in der
mRCC-Behandlung aus: Nach einer medianen
Beobachtungszeit von 5,9 Jahren wurde ein
Zeitraum bis zur Progression von 15,7 Monaten und ein Gesamt-Überleben von knapp 30
Monaten berechnet (1). Die 5-Jahres-Überlebensrate betrug 20,8%.
In der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie AXIS zeigte Axitinib jetzt eine überlegene
Wirksamkeit im Vergleich zum Zweitlinienstandard Sorafenib (2). Sie schloss 723 Patienten
ein, die mit Zytokinen oder Sunitinib, vereinzelt
auch mit Temsirolimus oder Bevacizumab/Interferon, vorbehandelt waren und zu Sorafenib
oder Axitinib 5 mg /bid randomisiert wurden.
Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben, das durch Axitinib um zwei
Monate verlängert werden konnte: Mit Sorafenib behandelte Patienten überlebten median
4,7 Monate ohne Progress, Patienten im
Axitinib-Arm dagegen 6,7 Monate (HR 0,665;
p<0,0001). Der Zweitgenerations-TKI erwies
sich auch in den verschiedenen Subgruppen
als eindeutig effektiver: So wurde das progressionsfreie Überleben bei den mit Zytokinen
vorbehandelten Patienten durch Axitinib fast
verdoppelt (12,1 vs. 6,5 Monate; HR 0,464;
p<0,0001). Selbst nach Vortherapie mit dem
TKI Sunitinib ergab sich ein signifikanter Benefit von 1,4 Monaten zu Gunsten von Axitinib
(4,8 vs. 3,4 Monate; HR 0,741; p = 0,0107).
Ein bemerkenswertes Ergebnis dieser Studie ist auch, dass bei Patienten mit ausgedehnter Fernmetastasierung kein Überlebensvorteil durch kontinuierliche Hormontherapie
erzielt werden konnte (medianes OS 4,4 Jahre
bei kontinuierlicher Gabe vs. 5,0 Jahre bei intermittierender Therapie), was nach Einschätzung der Studienautoren auf Unterschiede in
der Tumorbiologie hinweist. Insgesamt kommen die Autoren dieser Studie zu dem Schluss,
dass die IAD der kontinuierlichen Hormonblockade unterlegen ist und in der geprüften Indikation nicht angeboten werden sollte.
Dr. Beate Grübler, Hannover
Literatur
1. Hussain M et al. J Clin Oncol 2012; 30 (suppl;
abstr 4).
Auch die Responserate als sekundärer Endpunkt wurde verdoppelt: von nur 9,4% mit Sorafenib auf 19,4% mit Axitinib (p<0,001).
Die Daten der AXIS-Studie machen klar,
dass die Umstellung auf ein anderes Wirkprinzip nach Versagen eines TKI in der First-lineTherapie nicht zwingend ist: „Bei Einsatz eines
zweiten TKI in der Folgetherapie erreicht man
erneut ein relevantes Ansprechen und progressionsfreies Überleben“, kommentierte Prof.
Jochen Casper, Oldenburg.
Axitinib wird laut Grünwald insgesamt gut
vertragen: Eventuelle Nebenwirkungen sind
gut zu beherrschen. Im Vergleich zu Sorafenib
waren Hypertonie und Stimmstörungen häufiger. Dagegen traten das für Patienten belastende Hand-Fuß-Syndrom sowie Anämie und
Alopezie seltener auf. Die Zulassung von
Axitinib als weiterem Spieler in der Zweitlinientherapie des mRCC verbessert zukünftig die
Sequenztherapie bei diesem Tumor, resümierte
Grünwald.
Dr. Katharina Arnheim, Freiburg
Literatur
1. Motzer R et al. ASCO 2011; Abstr. #4547.
2. Rini BI et al. Lancet 2011; 378: 1931-1939.
Quelle: Pressekonferenz “Wirksam weiter therapieren: Axitinib neu in der Zweitlinie des metastasierten
Nierenzellkarzinoms (mRCC)“ im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie, Stuttgart, 21. Oktober 2012; Veranstalter: Pfizer
Oncology, Berlin.
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285
Klinischer Standpunkt zur Kieferosteonekrose
Osteonekrose des Kiefers durch
osteoprotektive Medikamente
I. J. Diel
Schwerpunktpraxis für Gynäkologische Onkologie, Mannheim
Schlüsselwörter
Knochenmetastasen, Bisphosphonate, Denosumab, Osteoprotektion, Kieferosteonekrosen
Zusammenfassung
Osteoprotektive Medikamente (Bisphosphonate und RANKL-Antikörper) sind integrale
Bestandteile der Therapie von Knochenmetastasen. Osteoprotektiva reduzieren die Zahl
skelettaler Komplikationen, wie Hyperkalzämie, Frakturen und Knochenschmerzen, bzw.
verzögern deren Auftreten. Das entscheidende Therapieziel ist die Verbesserung der
Lebensqualität der betroffenen Patienten.
Während Bisphosphonate seit ca. 25 Jahren
eingesetzt werden, steht der RANKL-Antikörper in der Onkologie erst seit 2011 zur Verfügung. Beide Substanzklassen sind durch unterschiedliche Nebenwirkungen gekennzeichnet, teilen allerdings das Risiko für das
Auftreten von Kieferosteonekrosen (ONJ). In
drei großen Phase-III-Studien mit 5723 Patienten mit soliden Tumoren und Knochenmetastasen oder multiplem Myelom wurden
zum ersten Mal prospektiv Daten zur Inzidenz von ONJ gewonnen. Die Patienten wurden entweder mit Zoledronsäure oder Denosumab über median 17 Monate behandelt.
Obwohl die Häufigkeit von ONJ im
Bisphosphonatkollektiv numerisch unter der
der Denosumabgruppe lag (37 vs. 52) waren
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Ingo J. Diel
Schwerpunktpraxis für Gynäkologische Onkologie
Quadrat P 7, 16–18
68161 Mannheim
E-Mail: [email protected]
die Ergebnisse statistisch nicht signifikant unterschiedlich und lagen zwischen 1,3 und
1,8 %. Weitere Untersuchungen mit osteoprotektiven Medikamenten in der adjuvanten Situation legen nahe, dass die Inzidenz mit der
„onkologischen Dosierung“ zu einer Steigerung von Kieferosteonekrosen um 1–1,5 % pro
Behandlungsjahr führt. Die Jahresdosis zur Behandlung von Knochenmetastasen liegt um
den Faktor 10–12 höher als in der Therapie der
Osteoporose. Derzeit sind von vielen Fachgesellschaften Leitlinien und Empfehlungen zur
Vermeidung und Therapie von Kieferosteonekrosen formuliert und publiziert worden. Ob
die Berücksichtigung prophylaktischer Maßnahmen zu einer Reduktion der Erkrankungshäufigkeit führen wird, muss prospektiv in zukünftigen Studien untersucht werden.
Osteonecrosis of the jaw in osteooncology
Nachdruck aus: Osteologie 2012; 21: 193–200
fractures and bone pain, or delay their manifestation significantly. The major goal of this
therapy is the improvement of the patients‘
quality of life. While bisphosphonates have
been used for approximately 25 years, the
RANKL-antibody denosumab has been labeled in oncology only since 2011. Both
classes of substances are characterized by
different side effects, but share the risk for
the occurence of osteonecrosis of the jaw
(ONJ). In the last two years, for the first time,
data for the incidence of ONJ were prospectively generated in three large phase-III
studies including 5,723 patients with solid
tumors and bone metastases or multiple
myeloma. The patients were treated with
either zoledronic acid or denosumab for a
median of 17 months. Though the frequency
of ONJ in the bisphosphonate group was numerically lower compared with the denosumab group (37 vs. 52), the results were statistically not different and were between
1.3 % and 1.8 %, respectively. Further studies
with osteoprotective drugs in adjuvant treatment in oncology suggest that using the
„tumor-dose“ leads to an increase of
1–1.5 % per annum in the incidence of ONJ.
The annual dose for the treatment of bone
metastases is approximately 10–12 higher
than in the therapy of the osteoporosis. At
present, many scientific societies have generated and published guidelines and recommendations for the avoidance and therapy of
ONJ. Whether prophylactic measures will
lead to a reduction of the morbidity of ONJ,
should be investigated prospectively in future studies.
skelettale Läsionen nachgewiesen werden
(▶Tab. 1). Wenn man davon ausgeht, dass
die Zahl für die Mortalität durch Brustkrebs in Deutschland bei 18 000 Frauen pro
Jahr liegt, dürfte die Prävalenz bei einer
durchschnittlichen Überlebenszeit von drei
Jahren nach Diagnose der Metastasierung
bei circa 36 000 bis 40 000 Fällen liegen. Die
gleichen Zahlen gelten für Männer mit
Prostatakarzinom und Patienten, die von
Keywords
Bone metastases, bisphosphonates, Denosumab, osteonecrosis of the jaw, ONJ, osteoprotection
Summary
Osteoprotective drugs (bisphosphonates and
RANKL-antibodies) are integral components of
the treatment of metastatic bone disease. Osteoprotective medications reduce the number
of skeletal complications, like hypercalcemia,
Onkologische Welt 2012; 3: 285–292
Knochenmetastasen im Verlauf von Tumorerkrankungen sind häufig. Bei ca.
75 Prozent aller Patienten, die am Mamma- oder Prostatakarzinom versterben,
können radiologisch oder autoptisch
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286
I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie
anderen soliden Tumoren betroffen sind.
Grob geschätzt leben in Deutschland
120 000 Menschen mit Knochenmetastasen
(in Ermangelung eines flächendeckenden
Krebsregisters sind die Zahlen zur Prävalenz geschätzt und nach den Mortalitätsziffern des statistischen Bundesamtes hochgerechnet). Da die Therapien bei Patienten
im metastasierten Stadium immer erfolgreicher geworden sind, muss man bei verlängerten Überlebenszeiten mit einer Steigerung der Prävalenz rechnen.
Zur Pathogenese der
Knochenmetastasierung
Knochenmetastasen entstehen wie andere
Metastasen auch, haben aber einige Besonderheiten, die bei anderen Absiedlungen
nicht bekannt sind bzw. unterschiedlichen
Abläufen folgen. Zunächst gibt der Primärtumor Zellen in nutritive Gefäße ab. Manche Karzinome tun dies in einem sehr frühen, klinisch inapparenten Stadium (z. B.
Mammakarzinome). Der Ablauf der Tumorzellaussaat ist noch ungenügend
erforscht. Man weiß aber, dass der Vorgang
sehr ineffektiv ist, denn nur wenige der abgegebenen Zellen besitzen metastatische
Tab. 1 Häufigkeit von Knochenmetastasen im
fortgeschrittenen Tumorstadium und deren typische
Komplikationen
(skeletal
related
events = SREs)
Table 1 Frequency of metastatic bone disease
in advanced tumour stage and its typical complications (skeletal related events = SREs)
Inzidenz von Knochenmetastasen
Mammakarzinom
65–75 %
Prostatakarzinom
65–75 %
multiples Myelom
70–95 %
Nierenzellkarzinom
30–50 %
Bronchialkarzinom
30–40 %1
Typische Komplikationen
Knochenschmerz
~50–90 %
pathologische Frakturen
10–40 %
spinale Kompressionssyndrome
<5%
Hyperkalzämie
< 10 %2
1Coleman
2Diel
RE. Cancer 1997; 80: 1588–1594;
I. Semin Oncol 2001; 28: 75–80
Potenz. Die meisten gehen zugrunde, oder
werden vom Immunsystem erfolgreich bekämpft (1, 2).
Es ist bekannt, dass Tumorzellen, die im
Knochenmark nachweisbar sind, in dieser
fremden Umgebung über Jahre als sogenannte „dormant cells“ persistieren können, um eines Tages ihr zerstörerisches
Werk zu vollbringen. Was die Tumorzellen
virulent werden lässt, ist unbekannt. Manche Forscher vermuten, dass Tumorzellen
auf einem niedrigen Proliferationsniveau
verweilen und in ihrem Wachstum von
T-Zellen eingedämmt werden, bis dieser
immunologische Schutz aus unterschiedlichen Gründen zusammenbricht und unkontrolliertes Wachstum zulässt. Viele
Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass
es sich bei diesen Zellen um Tumorstammzellen handelt, die in „Nischen“ eingebettet
der körpereigenen Abwehr entzogen sind.
Die Zerstörung des
Knochens durch Metastasen
Sind die Schranken der Tumorsuppression
durchbrochen, arbeiten Wirtsorganismus
und Tumorzelle bei der Entstehung von
Knochenmetastasen eng zusammen. Wie
in einem „Circulus vitiosus“ unterstützen
sich Tumorzellen und Knochen und stehen
in einem ständigen „malignen“ Dialog miteinander (▶Abb. 1) (3, 4). Mit einfachen
Worten beschrieben geschieht folgendes:
In ihrer Proliferation nicht mehr eingeschränkte metastatische Zellen sezernieren
osteoklastenaktivierende
Substanzen
(PTHrP, IL-1/6/8/11, TNF, M-CSF, Prostaglandine und viele andere). Diese Fähigkeit
ist vermutlich genetisch determiniert. Die
bekannteste parakrin sezernierte Substanz
ist das parathormonähnliche Peptid
(PTHrP). PTHrP bindet an den PTHRezeptor des Osteoblasten. Dieser wiederum gibt RANK-Ligand ab, der an den
RANK (Receptor activator of nuclear
factor kB) am Osteoklasten bindet und sowohl die Fusion der Precursorzellen und
die Aktivität der knochenabbauenden Zellen steigert. Gleichzeitig ist der regulierende Einfluss von Osteoprotegerin (OPG) herabgesetzt. Aktivierte Osteoklasten resorbieren den Knochen (Tumorzellen selbst
können das nicht) und schaffen Raum für
das Tumorgewebe. Beim Abbau der Knochenmatrix werden zuvor eingelagerte
Wachstumsfaktoren freigesetzt (z.B. TGFBeta, IGF, PDGF und viele andere), die einen proliferationsfördernden Einfluss auf
die metastatischen Zellen haben. Auf diese
Art und Weise schafft sich die Metastase
den Raum, in den sie sekundär infiltrieren
kann (1, 3, 4).
Durch die Entschlüsselung dieses
Mechanismus sind aber auch neue Wege
der Therapie eröffnet worden, die der Zerstörung des Knochens entgegenwirken.
Zur Gruppe der Medikamente, die die
Lebenserwartung und Reifung der Osteoklasten oder deren Funktion einschränken,
zählen nicht nur die Bisphosphonate, sondern in jüngster Zeit auch humane monoklonale Antikörper, die wie Osteoprotegerin RANKL blockieren, oder wie Kathepsin-K-Inhibitoren und Src-Kinase-Hemmer Teilfunktionen der Osteoklasten außer
Kraft setzen können.
Klinik der ossären
Metastasierung
Knochenmetastasen verweisen nicht nur,
wie andere Metastasen auch, auf die Inkurabilität der Erkrankung, sie gehen auch
mit typischen Komplikationen einher
(▶Tab. 1). Im Vordergrund steht der Knochenschmerz, der oft zur Diagnose führt
und im Verlauf der Erkrankung zum größten klinischen Problem werden kann.
Fast alle Patientinnen (> 90 %) erleben
zumindest eine behandlungsbedürftige
Episode mit heftigen Knochenschmerzen.
An zweiter Stelle der Komplikationen
stehen pathologische Frakturen; Brüche die
spontan oder nach Bagatelltraumen auftreten (10–20 %). Eine besondere Komplikation im Zusammenhang mit pathologischen
Frakturen und Weichteilinfiltrationen stellt
das spinale Kompressionssyndrom dar
(< 5 %). Nach Frakturen der Wirbelkörper
treten typischerweise Einklemmungen des
Rückenmarks oder der Spinalnerven auf.
Diese Komplikation ist als absoluter Notfall
zu betrachten und erfordert die umgehende operative Dekompression und Stabilisierung, gefolgt von einer Strahlentherapie.
Bei protrahierten Verläufen kann eine Radiotherapie alleine ausreichend sein.
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I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie
Eine weitere Komplikation, die vor vielen Jahren noch sehr häufig auftrat, ist inzwischen, zumindest beim Mammakarzinom, zu einer Rarität geworden: die Hyperkalzämie. Eine metabolische Störung,
die mit vielen Symptomen einhergehen
kann (Elektrolytverschiebungen, zentralnervöse Komplikationen u. a.) und unbehandelt zum Tod führt. Der breite und frühe Einsatz der Bisphosphonate hat zu einer
signifikanten Senkung der Inzidenz der
Hyperkalzämie geführt.
Eine letzte ossäre Komplikation stellt
die Verdrängungsmyelopathie dar, bei der
es zu einer Okkupation des Knochenmarks
durch Tumorzellen kommt. Daraus resultieren häufig Anämie, Leukopenie und
Thrombozytopenie mit den entsprechenden Folgen.
Therapieziele bei ossären
Metastasen
Weitaus häufiger als bei viszeraler Metastasierung erfordert die Behandlung skelettaler Läsionen die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Neben Onkologen, Strahlentherapeuten und Nuklearmedizinern sind
auch Chirurgen, Orthopäden und
Schmerztherapeuten gefordert und eingebunden. Zwei Therapieoptionen werden
unterschieden. Lokale Maßnahmen, wie
Strahlentherapie und Operationen, sowie
systemische Behandlungsformen, wie antihormonelle Medikation, Chemotherapie
und die Anwendung von Bisphosphonaten,
RANKL-Antikörpern und Radionukliden.
Die im folgenden genannten Therapieziele
können nur dann erreicht werden, wenn
neben der systemischen tumortoxischen
Therapie auch eine suffiziente knochenmetastasentypische Schmerztherapie oder
zum richtigen Zeitpunkt die Kombination
mit lokalen Behandlungen (Radiotherapie,
OP) erfolgt.
Das Ziel aller Therapiemaßnahmen bei
Knochenmetastasen ist die Reduktion sogenannter skelettaler Komplikationen. In
klinischen Studien zur Effektivität von
Bisphosphonaten (BP) und RANKL-Antikörpern wird der Einsatz der Strahlentherapie und operativer Techniken ebenso als
skelettale Komplikation (SRE) gewertet.
Beide sind aber Surrogatparameter für
Abb. 1
Der „Circulus vitiosus“
der Knochenzerstörung durch Tumorzellen und Osteoklasten;
nach G. Mundy
Fig. 1
The “vicious cycle“ of
bone destruction
through tumour cells
and osteoclasts; based
on G. Mundy
Knochenschmerz und drohende bzw. eingetretene Frakturen. Die Vermeidung solcher Komplikationen führt nicht nur zu einer Verbesserung der Lebensqualität, sondern trägt auch zur Verlängerung der
Überlebenszeit durch Vermeidung von Immobilität und Hospitalisierung bei.
Bisphosphonate
in der Onkologie
Bisphosphonate werden unabhängig vom
Applikationsweg am Kalziumapatit der
mineralisierten Knochenmatrix angelagert
(30–70 %) oder unmetabolisiert über Niere
und Faeces ausgeschieden. In Regionen mit
gesteigertem „Bone Turnover“ ist die Aufnahme besonders hoch (Prinzip der Skelettszintigrafie mit an Technetium gebundenen
biologisch
wenig
aktiven
Bisphosphonaten). Osteoklasten nehmen
mit Mikrosequestern aus der Knochenmatrix Bisphosphonate auf. Diese wiederum
induzieren im Osteoklasten die beschriebenen Funktionsstörungen und apoptotischen Vorgänge (5–7).
Vereinfacht gesagt haben Bisphosphonate zwei Effekte: Sie schützen das verblie-
bene Skelett vor weiterer Zerstörung (Osteoprotektion) und sie wirken schmerzlindernd und haben damit einen enormen
Einfluss auf die Lebensqualität.
In der Onkologie kommen derzeit vier
Bisphosphonate zum Einsatz: Clodronat,
Pamidronat, Ibandronat und Zoledronat.
In dieser Reihenfolge wächst die Affinität
zum Knochen und auch die biologische
Wirksamkeit, ohne dass damit eine klinisch bessere Effektivität verbunden sein
muss.
Behandlung von Metastasen
mit Clodronat
Clodronat zählt zu den Bisphosphonaten
der ersten Generation und kann intravenös
(1500 mg/über 4 Stunden alle drei bis vier
Wochen) oder oral (1600 mg/d oder
1040 mg/d) verabreicht werden. Die intravenöse Anwendung wird aber wegen der
langen Infusionszeit und der großen Molekülmenge selten genutzt. Im Gegensatz zu
allen anderen in der Onkologie gebräuchlichen Bisphosphonaten ist Clodronat kein
Amino-Bisphosphonat und besitzt einen
anderen Wirkmechanismus sowie ein an-
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287
288
I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie
Behandlung von Knochenmetastasen mit Ibandronat
Abb. 2 Verbesserung der Lebensqualität durch intravenöses Ibandronat (6 mg/3–4w) vs. Placebo (gemessen mit dem EORTC QLQ 30); (14)
Fig. 2 Improvement of quality of life through intravenous ibandronate (6 mg/3–4w) vs. placebo
(measured with EORTC QLQ 30); (14)
deres Nebenwirkungsprofil als ein AminoBP (7).
Clodronat ist zugelassen zur Behandlung der Hyperkalzämie und von Osteolysen durch Metastasen solider Tumoren
(z. B. Mamma-, Prostata- und Schilddrüsenkarzinomen) oder hämatologischer
Neoplasien. Damit verfügt Clodronat, neben intravenösem Zoledronat, über eine
generelle Zulassung zur Behandlung von
Knochenmetastasen
unterschiedlichen
Ursprungs (8). Clodronat ist nicht zugelassen zur Behandlung einer Osteoporose.
Orales Clodronat ist nebenwirkungsarm. Typisch sind gastrointestinale Störungen, insbesondere Durchfälle (in ca.
10–20 %). Kieferosteonekrosen, Nierenschäden und Akute-Phase-Reaktionen sind
unbekannt bzw. extrem selten.
Behandlung von Knochenmetastasen mit Pamidronat
Seit vielen Jahren zählt das erste AminoBisphosphonat Pamidronat, zur Standardtherapie ossär metastasierter Karzinome.
Da sich die orale Therapie als zu toxisch
erwiesen hatte, wurde es in Deutschland,
wie in den meisten Ländern nur in intravenöser Form genutzt (90 mg über zwei
Stunden, alle drei bis vier Wochen). Pamidronat ist zugelassen zur Therapie der
Hyperkalzämie und der Behandlung von
Osteolysen, verursacht durch Mammakarzinome und durch multiple Myelome (9, 10).
Pamidronat hat folgende klinisch relevante Nebenwirkungen: Akute-Phase-Reaktion, Nephrotoxizität (selten) und
Osteonekrosen der Kieferknochen.
Abb. 3
Reduktion der Knochenschmerzen durch
intravenöses Ibandronat (6 mg/3–4w) vs.
Placebo; (13)
Fig. 3
Reduction of bone
pain through intravenous ibandronate
(6 mg/3–4w) vs. placebo; (13)
Ibandronat ist ein hochpotentes AminoBisphosphonat der dritten Generation, das
in intravenöser Form (6 mg alle drei bis
vier Wochen) und oral (50 mg/d) eingesetzt werden kann. Typisch für die Substanz sind die gute Verträglichkeit und die
geringe Häufigkeit unerwünschter Wirkungen.
Ibandronat ist zur Behandlung der
Hyperkalzämie und zur Reduktion skelettaler Komplikationen bei Patientinnen mit
ossär metastasiertem Mammakarzinom
zugelassen (11–13). Es existieren sehr gute
Daten zur Schmerzreduktion und zur Verbesserung der Lebensqualität (▶Abb. 2
und ▶Abb. 3).
Typische Nebenwirkungen für intravenöses Ibandronat sind Akute-PhaseReaktionen (< 20 %) und Kieferosteonekrosen. Bei oralem Ibandronat sind gastrointestinale Nebenwirkungen erwähnenswert (< 10 %) und selten Kieferosteonekrosen.
Behandlung von Knochenmetastasen mit Zoledronat
Zoledronat ist eines der potentesten
Bisphosphonate in der Onkologie und
wurde aus ethischen Gründen in den relevanten Zulassungsstudien nicht mehr gegen Placebo getestet, sondern gegen 90 mg
Pamidronat. Nur eine kleine placebokontrollierte Studie aus Japan liegt vor, die den
Unterschied deutlich hervorteten lässt
(▶Abb. 4). Zoledronat ist ein Aminobisphosphonat, das in einer Dosierung von
4 mg alle vier Wochen infundiert wird (14).
Zoledronat ist das Bisphosphonat mit
dem breitesten Zulassungsspektrum und
kann zur Reduktion von Skelettkomplikationen durch Knochenmetastasen jeglicher
Tumorentität oder beim muliplen Myelom
und bei der Hyperkalzämie eingesetzt werden (14–16).
Typische Komplikationen bei der Anwendung von Zoledronat sind Akute-Phase-Reaktionen (in ca. 30 %), Kieferosteonekrosen und Nierenschäden (obligatorisch: Bestimmung der Kreatinin-Clearance vor Anwendung).
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I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie
Empfehlungen zum Einsatz
von Bisphosphonaten
Behandlung von Knochenmetastasen mit Denosumab
Bei akuten Komplikationen, wie starkem
Knochenschmerz und Hyperkalzämie, zeigen intravenöse Bisphosphonate eine
schnellere und bessere Effektivität als orale.
Bei asymptomatischen und oligosymptomatischen Knochenmetastasen kann
neben der Intervalltherapie auch eine orale
Dauertherapie erfolgen.
Auch wenn die Evidenz dafür nicht gegeben ist, sollte eine Bisphosphonattherapie sofort nach Diagnose einer Skelettmetastasierung begonnen und lebenslang
fortgeführt werden. Eine Resistenzbildung
gegen Bisphosphonate ist nicht bekannt.
Zur Behandlung der Tumortherapie-induzierten (TTI) Osteoporose (insbesondere
bei Androgen- und Östrogenentzug) können prinzipiell alle Bisphosphonate genutzt
werden, (aber nur Etidronat, Alendronat,
Risedronat, Ibandronat und Zoledronat
haben die Zulassung zur Behandlung der
Osteoporose), wobei die Dosierung bei den
beiden letztgenannten erheblich geringer
ist als in der Onkologie (z. B. Zoledronsäure 5 mg vs. 48 mg) (17).
Denosumab zeigte in drei großen randomisierten Vergleichsstudien (n = 5723) eine
signifikant verbesserte Effektivität in der
Reduktion skelettaler Ereignisse im Vergleich zu Zoledronat bei Patienten mit
ossär metastasiertem Mammakarzinom,
Prostatakarzinom und mit soliden Tumoren/multiplem Myelom (▶Abb. 5). Die
Wirksamkeit zeigt sich auch in der Reduk-
RANKL-Antikörper (Denosumab) in der Onkologie
Schon bald nach der Entdeckung des
RANK/RANKL/OPG-Systems Mitte der
90er-Jahre wurden die ersten rekombinanten Proteine zur Hemmung des Signalweges entwickelt. Aber erst die Entwicklung von Denosumab, das sich als effektiver bei der Senkung der Knochenresorptionsmarker erwies, führte zu ersten systematischen Untersuchungen beim Menschen. Denosumab ist ein humaner, monoklonaler Antikörper, der die Signalübertragung zu RANK am Osteoklasten und zu
den monozytären Vorläuferzellen unterbricht. Dadurch werden die Fusion von osteoklastären Precursorzellen und die Aktivität der ausgereiften mehrkernigen Riesenzellen gehemmt. Denosumab wirkt therapeutisch am Knochen wie Osteoprotegerin (OPG), dem physiologischen Gegenspieler von RANKL (18–20).
tion des Knochenschmerzes und in einer
Verbesserung der Lebensqualität. Denosumab wird in einer Dosis von 120 mg monatlich subkutan verabreicht.
Die Zulassung der Substanz (Handelsname in der Onkologie XGEVA®) erfolgte
nach einem positiven Votum der European
Medicines Agency (EMA) im Juli 2011.
Laut Zulassungstext kann der Antikörper
zur Prävention skelettaler Komplikationen
von Knochenmetastasen, die durch solide
Tumoren verursacht sind, eingesetzt wer-
Abb. 4 Reduktion skelettaler Komplikationen durch intravenöses Zoledronat (4 mg/4w) vs. Placebo;
(13)
Fig. 4 Reduction of skeletal complications through intravenous zoledronic acid (4 mg/4w) vs. placebo;
(13)
Abb. 5 Reduktion skelettaler Komplikationen durch Denosumab vs. Zoledronsäure bei allen Patienten
mit soliden Tumoren und multiplem Myelom (n = 5723); Lipton et al. ESMO 2010 (P1249); (24)
Fig. 5 Reduction of skeletal complications through denosumab vs. zoledronic acid in all patients with
solid tumours and multiple myeloma (n = 5723); Lipton et al. ESMO 2010 (P1249); (24)
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289
290
I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie
den (21–24). Für die Behandlung des multiplen Myeloms erfolgte zunächst keine Zulassung.
Die Behandlung mit Denosumab ging
mit einer reduzierten Häufigkeit von
Nebenwirkungen einher, wie sie für die Behandlung mit Zoledronsäure und anderen
Bisphosphonaten typisch sind. Allerdings
traten sowohl in der mit Zoledronat als
auch der mit Denosumab behandelten
Gruppe in vergleichbarer Häufigkeit
Kieferosteonekrosen auf.
Zur Wahrnehmung
der Kieferosteonekrosen
in Deutschland
Die ersten Publikationen zum Zusammenhang zwischen der Anwendung von
Bisphosphonaten und dem Auftreten von
Kieferosteonekrosen stammen aus den Jahren 2003 und 2004 (25–28). Da aber
Bisphosphonate bei Knochenmetastasen
bereits zehn Jahre zuvor und früher zum
Einsatz kamen, ist es verwunderlich, dass
es so lange gebraucht hat, bis diese Erkenntnis evident wurde. Vermutlich haben
die Onkologen nichts von den Leiden ihrer
Patienten erfahren oder sie haben es im
Zusammenhang mit den Auswirkungen
von endokrinen oder Chemotherapien gesehen, die ebenfalls, zumeist durch die Xerostomie, zu Zahnverlust und -schäden
führen können. Ähnlich mag es den Zahnärzten und Kieferchirurgen ergangen sein.
Nachdem diese Komplikation auch zu
einem beherrschenden Thema auf osteologischen Kongressen geworden war, erfolgte
bereits am 2. August 2004 im Deutschen
Ärzteblatt der erste Warnhinweis unter
dem Titel: „Osteonekrosen des Kiefers
unter Bisphosphonaten“. Der Artikel erschien auf Veranlassung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
(29). Zunächst waren es die Kieferchirurgen und die Osteoonkologen, die sich diesem Thema widmeten und durch Vorträge
und Publikationen zur Verbreitung des
Wissens beitrugen (z. B. 30). In diese Zeit
fiel auch die Etablierung des deutschen
Kieferosteonekroseregisters an der Charité
in Berlin. Durch diese Einrichtung, die allerdings von der regelmäßigen Meldung
der entsprechenden Fälle abhängig war
und ist, gelang es zum ersten Mal in
Deutschland Zahlen zur Häufigkeit der
Osteonekrosen und den assoziierten Ursachen und Komplikationen zu erfassen. Eine erste Publikation des Registers erfolgte
im Deutschen Ärzteblatt vom 17. November 2006 unter dem Titel: „Kiefernekrosen
nach hoch dosierter Bisphosphonattherapie“ (31).
Als großes Problem stellte sich der Wissenstransfer von den Spezialisten zu Onkologen und Zahnärzten dar. Es wurden in
Deutschland zahlreiche Fortbildungen für
diesen Personenkreis angeboten, in denen
darauf hingewiesen wurde, wie wichtig der
wechselseitige Informationsfluss für das
Wohlergehen der onkologischen Patienten
ist und dass es sinnvoll ist einen „Informations-Laufzettel“ zu nutzen, wie er von wissenschaftlichen Fachgesellschaften und der
Pharmaindustrie zur Verfügung gestellt
wird. In der Zwischenzeit ist das Wissen
Empfehlungen für die
Prävention von
Kieferosteonekrosen
(ONJ)*
Oxford LoE: 4; GR: C; AGO: +
• Unter Bisphosphonat- bzw. Denosumabtherapie Vermeidung elektiver
Zahnbehandlungen mit Manipulationen
am Kieferknochen. Falls unvermeidbar
wird der prophylaktische Einsatz von
Antibiotika empfohlen (LoE 2b)
• Zahnsanierung vor einer Bisphosphonat- bzw. Denosumabtherapie, falls
möglich (LoE 2b)
• Information der Patientinnen über ONJRisiko und Instruieren über Frühsymptome
• Bei hohem ONJ-Risiko, Anwendung oraler Bisphosphonate
Unter adjuvanter Bisphosphonattherapie ist
das Risiko für Kieferosteonekrosen gering
* Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie zur Vermeidung von
Kieferosteonekrosen
(Leitlinien
2012;
www.ago-online.de)
bei den Onkologen, die es gewohnt sind
mit schweren Nebenwirkungen und Komplikationen zu rechnen und umzugehen,
angekommen. Auch die Zahnärzte sind
mittlerweile gut über die Gefahr von Kieferosteonekrosen bei Patienten mit Knochenmetastasen informiert. Allerdings sind
nur wenige auf die Behandlung oder zumindest adäquate Führung gefährdeter Patienten eingerichtet.
Nach einer zunehmenden Flut an Publikationen in den vergangenen Jahren ist das
Wissen zur Prophylaxe und Therapie von
Kieferosteonekrosen stetig angewachsen.
(siehe: D. Felsenberg et al. Osteonekrose
des Kiefers bei Osteoporosepatienten. Osteologie 2012; 21: 207-212). Viele Fachgesellschaften haben inzwischen Leitlinien
zur Vermeidung und Therapie von Kieferosteonekrosen erarbeitet. Im ▶Kasten
„Empfehlungen für die Prävention von
Kieferosteonekrosen“ werden beispielsweise die Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie
(www.ago-online.de) angeführt, der wissenschaftlichen Fachgesellschaft des Autors.
Im April 2012 wurde nach langer Vorarbeit die interdisziplinäre S3-Leitlinie mit
dem Titel „Bisphosphonat-assoziierte Kiefernekrose (BP-ONJ) und andere Medikamenten-assoziierte Kiefernekrosen“ unter
der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer-, und Gesichtschirurgie verabschiedet und publiziert:
(http://www.awmf.org/leitlinien/detail/
ll/007–091.html). Als Gründe für die Erstellung werden folgende Punkte angegeben: Verbesserung und Kommunikation
des Wissens zur Prävalenz und Indikation
der osteoprotektiven Therapie, Prävalenz
und Inzidenz der ONJ, klinische Relevanz,
therapeutische Optionen und Empfehlungen, interdisziplinäre Kommunikation und
gesundheitsökonomische Bedeutung. Zentrales Ziel der Leitlinie ist die Reduktion
der Ereigniszahl an Kieferosteonekrosen
durch Verbesserung der Vorsorge. Obwohl
diese Leitlinie auch Widerspruch von verschiedener Seite erfährt, ist doch nach
vielen Jahren der oft kontroversen Diskussion ein Konsens geschaffen, der für alle,
die Patienten mit Knochenmetastasen betreuen, eine Handlungsanleitung und Informationsquelle darstellt.
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I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie
Tab. 2 Nebenwirkungen von besonderem Interesse (Denosumab versus Zoledronsäure) (21–24)
Table 2 Side effects of particular interest (denosumab versus zoledronic acid) (21–24)
Inzidenz und Prävalenz
von Kieferosteonekrosen
in der Onkologie
Patienten Inzidenz, n (%)
Auf Fortbildungen zum Thema „Knochenmetastasen und deren Behandlung“ kann
man sich des Eindrucks nicht erwehren,
dass es in den Diskussionsrunden weitaus
häufiger um die Komplikation „Kieferosteonekrosen“ geht und kaum noch um
die Effektivität und Notwendigkeit einer
osteoprotektiven Therapie. Manche Therapeuten sehen in der Gefahr einer ONJ sogar einen limitierenden Faktor im Behandlungskonzept. Selbstverständlich ist es
sinnvoll, eine Fragestellung zur Intervallverlängerung oder Aussetzen der antiresorptiven Therapie in Studien zu untersuchen. Aber die Therapie mit
Bisphosphonaten und RANKL-Antikörpern ist eine Erfolgsgeschichte. Die Lebensqualität und das Schmerzerleben der
Patienten mit Knochenmetastasen haben
sich in den vergangenen Jahren deutlich
verbessert und hyperkalzämische Ereignisse, früher sehr häufig, gehören inzwischen
zu den Raritäten im onkologischen Alltag.
Das Hauptproblem der vergangenen
Jahre war die Unsicherheit über den Verbreitungsgrad der Kieferosteonekrosen. Bis
zum Jahr 2011 war man fast ausschließlich
auf die Analysen aus retrospektiven Studien angewiesen (32). Diese Untersuchungen
wurden durch zahlreiche Faktoren beeinflusst (Patientenzahl, Tumorentität, Medikation, Behandlungsschemata und -dauer,
und viele mehr). Entsprechend inkohärent
waren die Resultate und die daraus gewonnenen Erkenntnisse.
Seit den Publikationen der drei PhaseIII-Studien, in denen die Wirksamkeit von
Denosumab im Vergleich zu Zoledronsäure getestet wurde, ist das Bild etwas klarer.
In der integrierten Analyse werden die
Zahlen zu Kieferosteonekrosen nochmals
zusammengefasst (24) (▶Tab. 2): In der
Zoledronat-Gruppe waren es 37 Fälle
(1,3 %), in der Denosumab-Gruppe 52 Fälle (1,8 %). Auch wenn die numerische Häufigkeit in der Antikörper-Gruppe höher
war, war die Inzidenz für beide
Applikationsformen nicht signifikant unterschiedlich (Cave: mediane Nachbeobachtungszeit nur 17 Monate). Die Inzidenz
Infektionen
Zoledronat (n = 2836)
Denosumab (n = 2841)
1218 (42,9)
1233 (43,4)
schwere Infektionen
309 (10,9)
329 (11,6)
Akute-Phase-Reaktionen
572 (20,2)
246 (8,7)
renale Nebenwirkungen
335 (11,8)
262 (9,2)
kumulative Inzidenz der ONJ
Hypokalzämie
neue Neoplasien
37 (1,3)
52 (1,8)
141 (5,0)
273 (9,6)
18 (0,6)
28 (1,0)
Tab. 3 Assoziierte orale Ereignisse bei ONJ und Lokalisationen der Kieferosteonekrosen (33)
Table 3 Associated oral events with ONJ and localisation of osteonecrosis of the jaw (33)
ZA (n = 37)
n (%)
Denosumab (n = 52)
n (%)
Alle (n = 89)
n (%)
Zahnextraktion
24 (65)
30 (58)
54 (61)
Schmerzen im Kieferknochen
25 (68)
46 (88)
71 (80)
lokale Infektionen
17 (46)
26 (50)
43 (48)
Assoziierte orale Ereignisse
Lokalisation der Kieferosteonekrose
Mandibula
31 (84)
34 (65)
65 (73)
Maxilla
5 (14)
15 (29)
20 (22)
Beides
1 (3)
3 (6)
4 (4)
lag vergleichsweise deutlich unter den Zahlen, die zuvor aus retrospektiven Analysen
gewonnen werden konnten (33). Fast alle
Patienten mit ONJ unter Bisphosphonaten
hatten Zahn-, Zahnfleischerkrankungen
oder entsprechende Eingriffe an Kiefer
oder an den Zähnen. Bei über 60 Prozent
der Patienten war eine Zahnextraktion vorausgegangen (▶Tab. 3). Ein wichtiger
Risikofaktor war die Behandlung mit antiangiogenetischer Therapie (16 % vs. 8 %)
und Kortikosteroiden (75 % vs. 63 %). Etwa
die Hälfte der Patienten wurde konservativ
behandelt. Bei 36 % der Patienten konnte
mit einer mittleren Behandlungsdauer von
acht Monaten eine Heilung erreicht werden.
Im Protokoll der drei Zulassungsstudien
wurde ausschließlich eine regelmäßige Inspektion der Mundhöhle durch den Onkologen gefordert. Inzwischen empfiehlt man
allen Tumorpatienten mit geplanter
Bisphosphonat- oder Denosumabtherapie
wegen einer Knochenmetastasierung eine
prophylaktische Untersuchung und Sanierung der Mundhöhle/Zähne (s.o.). Wenn
diese Maßnahmen in Zukunft konsequent
umgesetzt werden, könnte die Häufigkeit
von Kieferosteonekrosen nochmals abgesenkt werden (siehe auch ▶Kasten „Empfehlungen für die Prävention von Kieferosteonekrosen“).
Inzwischen liegen auch Daten aus Langzeituntersuchungen zu Denosumab (vs.
Placebo) von Patienten mit nichtmetastasiertem Prostatakarzinom vor (34). In dieser Studie erlitten 33 von 716 Männern die
mit Denosumab (120 mg s. c./4w) behandelt eine Kieferosteonekrose (5 %). Die
Häufigkeit nahm von einem Prozent im
ersten Jahr bis fünf Prozent im vierten Jahr
zu. In einer Studie mit Patientinnen mit
nichtmetastasiertem Mammakarzinom, die
mit Zoledronat (vs. Placebo) behandelt
wurden, war die Inzidenz deutlich geringer
(35). Nach fast fünf Jahren Nachbeobach-
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I. J. Diel: Kieferosteonekrosen in der Osteoonkologie
tung lag die Häufigkeit bei ca. einem Prozent (17/1686). Allerdings erhielten die
Patientinnen nach einer Startphase mit
monatlichen Infusionen (6 x 4 mg), das
Bisphosphonat nur alle drei bis sechs Monate verabreicht.
Es scheint, dass die Inzidenz der ONJ in
der Onkologie nicht epidemische Ausmaße
erreicht, aber doch ein relevanter Faktor
der Gesamtmorbidität darstellt. Vermutlich
steigt das Risiko mit jedem Behandlungsjahr einer osteoprotektiven Therapie um
ein bis zwei Prozent an. Die Neuerkrankungsrate sollte sich bei konsequenter
Anwendung einer Prophylaxe nochmals
senken lassen.
Es ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass es auch eine osteoprotektive
Behandlung mit einem extrem geringen
Risiko für Kieferosteonekrosen gibt. Zumindest ist nach derzeitigem Wissensstand
das Auftreten einer Kieferosteonekrose unter dem Nichtaminobisphosphonat Clodronat extrem selten. Bisher gibt es nur einen wissenschaftlich bearbeiteten Report
einer ONJ unter Clodronat (36). In einer
kürzlich publizierten Untersuchung zu
Clodronat in der adjuvanten Behandlung
von Frauen mit nichtmetastasiertem Mammakarzinom (n = 1662) wird von nur
einem (vermuteten) Fall berichtet (37).
7.
8.
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11.
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13.
14.
15.
Interessenkonflikt
Honorare von Amgen, Novartis, Roche,
Teva, Medtronic, Riemser;
Beratertätigkeit bei Amgen, Roche,
Riemser
Literatur
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Supportivtherapie
Fatigue
B. Senf1 und J. Hübner2
1Psychoonkologie
am Universitärem Centrum für Tumorerkrankungen – UCT, Klinikum der J.W. Goethe-Universität
Frankfurt;
2Leiterin Arbeitsgruppe integrative Onkologie, Dr. Senckenbergisches chronomedizinisches Institut. Klinikum der
J.W.Goethe-Universität, Frankfurt
Schlüsselwörter
Fatigue, krebsbedingte Fatigue, chronische
Fatigue, Chronisches Fatigue Syndrom, Supportivtherapie, psychosoziale Belastung
Zusammenfassung
Fatigue ist ein bisher bei Tumorpatienten unterschätztes Phänomen. Es bringt hohes subjektives Leiden mit sich und kann den behandelnden Arzt an seine (Behandlungs-)Grenzen bringen, wenn er über die Symptomatik
im Unklaren bleibt.
Trotz aller Bemühungen gibt es bisher keine
etablierte medikamentöse Prophylaxe oder
Therapie, die eine genuine Fatigue behandeln
würde. Eine Reihe von Untersuchungen sind
mit Antidepressiva aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva oder der SerotoninWiederaufnahmehemmer durchgeführt worden, allerdings ohne Effekte. Auch der Einsatz
von Psychostimulanzien wie Methylphenidat
hat sich nicht bewährt.
Eine Ausnahme aus dem nicht-medikamentösen Bereich bilden sportmedizinische Programme. Hier ließen sich positive Effekte ei-
Korrespondenzadresse
Dr. rer. med. Bianca Senf
Diplom-Psychologin, Psychol. Psychotherapeutin
Leitung Psychoonkologie am Universitärem Centrum
für Tumorerkrankungen – UCT
Klinikum der J.W. Goethe-Universität Frankfurt
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt am Main
Tel: +49 (0) 69 / 6 30 18 37 78
Fax: +49 (0) 69 / 6 30 18 37 88
E-Mail: [email protected]
„Schlafen Sie sich mal wieder
richtig aus, dann wird das schon
wieder“,
habe der Arzt zu ihr gesagt. Es wurde
„nicht wieder“ und Frau Kerstin Haus meldete sich zwei Jahre nach ihrer Brustkrebsbehandlung in der Psychotherapeutischen
Praxis mit Schwerpunkt Psychoonkologie.
nes auch während der Therapie durchgeführten, jedoch streng angepassten- regelmäßigen
Bewegungstrainings zeigen. Auch gilt als erwiesen, dass eine an den subjektiven Informationsbedarf angepasste Aufklärung vor Therapiebeginn Fatigue positiv beeinflussen kann.
So scheinen psychologische Faktoren (Verarbeitungsstile) insgesamt eine große Rolle zu
spielen, auch wenn die Fatigue sich vor allem
auf der körperlichen Ebene manifestiert.
Schädlich für Patienten, dass zeigt die klinische Praxis eindrücklich, ist vor allem das
Nicht-Wahrnehmen und/oder das Bagatellisieren der Beschwerden und das Aufbauen von
Leistungsdruck. Hilfreich sind das Wahrnehmen, das Erkennen und das Benennen der
Symptome mit dem Leidensdruck sowie das
Entwickeln einer Behandlungsperspektive.
Keywords
Fatigue, cancer-related fatigue, chronic fatigue, chronic fatigue syndrome, supportive
therapy, psychosocial distress
Fatigue
Onkologische Welt 2012; 3: 293–295
Die Ärztin habe gesagt, dass sie doch
wahrscheinlich eine Depression entwickelt
habe. Das glaube sie persönlich aber nicht.
Sie neige nicht zu Depressionen. Frau Haus
machte einen müden und „abgekämpften“ Eindruck. Sie sei jetzt kaum die wenigen Stufen herauf gekommen, ohne zwischendrin anhalten zu müssen. So ginge
Summary
Fatigue is a highly underrated phenomenon
in cancer patients. It is associated with severe suffering, and medical practitioners will
soon reach their limits in treating their patients, if they are left in the dark about the
symptoms.
Despite all efforts, there is still no established
pharmacological prophylaxis or therapy to
treat a genuine fatigue. A number of studies
have been carried out, testing antidepressants such as tricyclic antidepressants or selective serotonin reuptake inhibitors, however without effect. Psychostimulants such as
metylphenhydate have not shown to be effective in treating fatigue either.
Non-pharmacological treatment options
such as sports medicine programmes have
proven to be an exception. Regular strictly
adapted exercise during cancer therapy has
shown to have positive effects on fatigue. Fatigue symptoms can also be positively influenced by psychoeducation – adapted to
the patients’ subjective information needs –
prior to treatment. Psychological factors
(processing styles) seem to play an essential
role as well, despite fatigue manifesting itself
predominately in physical symptoms. Clinical
practice clearly demonstrates that the failure
to perceive and / or trivializing the patients’
complaints and an increased level of suffering are harmful to patients. Perceiving, recognizing, and naming fatigue symptoms, acknowledging the patients’ suffering, and developing treatment perspectives is helpful for
patients.
das nun schon seit Monaten. Sie gehe früh
schlafen, der Schlaf sei auch einigermaßen
gut, doch sie wache morgens erschöpft
auf. Ihr Körper fühle sich zentnerschwer an.
Ihren Haushalt bekäme sie nur mit Mühe
und Not organisiert. Früher sei sie sportlich
sehr aktiv gewesen, dreimal die Woche
walken, einmal Fitnesstraining und am Wo-
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294
B. Senf; J. Hübner: Fatigue
chenende stand häufig Wandern auf dem
Programm. So wie jetzt mache das Leben
keinen Spaß mehr. Langsam verlöre sie ihren Lebensmut.
Die weitere Exploration ergab, dass die Patientin nicht nur sehr unter ihrer Energielosigkeit und bleiernen Müdigkeit litt, sondern dass sie sich dabei ständig Sorgen
machte, dass Ihr Befinden „den Anfang
vom Ende“ einläute. Übersetzt: Sie hatte
Angst, der Krebs sei zurückgekommen und
sie müsse bald sterben.
Kenntnisse über Fatigue
sind wichtig
1. Fatigue ist ein Symptom, unter dem Patienten massiv leiden.
2. Die Lebensqualität wird durch Fatigue
maßgeblich beeinträchtigt. Darüber hinaus ziehen die Symptome der Fatigue
eine Reihe von psychischen und psychosozialen Folgeproblemen nach sich.
Dies u.a. deshalb, weil Patienten Fatigue
oft als Fortschreiten der Erkrankung
fehlinterpretieren. Auch Therapieabbrüche sind häufig auf das Leiden unter
Fatigue zurückzuführen.
3. Fatigue ist in vielen Fällen behandelbar.
Es gibt mehrere Gründe, warum Fatigue
von vielen Behandlern nicht wahrgenommen und/oder unterschätzt wird:
1. Patienten sprechen nicht über Fatigue
da sie die Symptome als unvermeidbare
Begleiterscheinung ihrer Erkrankung
oder Therapie sehen und der Auffassung sind, dass man nichts dagegen unternehmen kann: „Warum soll ich dem
Arzt das sagen, da kann er doch nichts
machen, oder?“, so eine Patientin in der
Psychoonkologischen Sprechstunde.
2. Viele Patienten denken, sie müssten sich
nur mehr anstrengen, mehr Willenskraft aufbringen, dann ginge es besser:
„Vielleicht stelle ich mich ja auch nur an
und müsste mich einfach mehr aufraffen.“ äußerte die eingangs geschilderte
Frau Kerstin Haus.
3. Auch auf ärztlicher und psychologischer
Seite herrscht noch viel Unwissenheit
über Fatigue. Symptome, Ursachen, die
Auswirkungen auf die Patienten und
Möglichkeiten der Behandlung sind
nicht bekannt.
4. Behandler überhören oft die Klagen der
Patienten über Fatigue. So geben beispielsweise 31% der Patienten an, dass
sie mit ihrem Onkologen über ihre Müdigkeit sprechen, wohingegen nur 6%
der Onkologen glauben, dass das Thema Müdigkeit vom Patienten überhaupt
angesprochen wird (1).
Emotionale Ebene
Begriffliche Definition
Ursachen
Unter Fatigue versteht man, wie im Fallbeispiel geschildert, eine ausgeprägte Müdigkeit, die mit dem Gefühl einer großen Erschöpfung einhergeht und in keinem adäquaten Verhältnis zu vorausgegangenen
Aktivitäten steht. Während bei einer normalen „Erschöpfung“ Ruhephasen und/
oder Schlaf zur Wiederherstellung der gewohnten Kraft führten, berichten Tumorpatienten, die unter dem Fatigue-Syndrom
leiden, dass sie sich auch nach langen und
ausreichenden Ruhe- und Schlafphasen
nur für kurze Zeit kräftiger und energievoller fühlen (2).
Fatigue tritt, in Abhängigkeit von Erhebungsinstrumenten und Erhebungszeitpunkt mit Prävalenzraten zwischen 58%
und 90% auf (3). Nachdem eine ganze Reihe tumorbedingter Beschwerden, allen voran die Schmerzsymptomatik, in der Regel
relativ gut behandelbar sind, wird sie häufig als die wesentlichste Einschränkung der
Lebensqualität angeführt.
Fatigue ist – wie die Krebserkrankung
selbst – auf ein multifaktorielles Geschehen
zurückzuführen. Pathologische, psychologische, soziale, physische und ernährungsbedingte Faktoren interagieren miteinander und tragen zu dem Fatigue-Syndrom
bei (4).
Symptome
Die Symptome der Fatigue können sich auf
der körperlichen, der geistigen und der
emotionalen Ebene äußern und werden diagnostisch diesen drei Bereichen zugeordnet.
Körperliche Ebene
Reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit,
Schwäche, erhöhter Ruhe-und Schlafbedarf, Müdigkeit.
Reduziertes Energielevel/Erleben, fehlende
Motivation, Dinge anzugehen, mangelnder
Antrieb, Traurigkeit und Ängstlichkeit.
Geistig-mentale Ebene
Konzentrationsschwäche, Denkblockaden,
Schlafprobleme.
Körperlich
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Anämie (z. B. Hämoglobinmangel)
Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes)
Herzinsuffizienz
Hormonelle Störungen (z. B. Schilddrüsenerkrankungen)
Krankhafte Bildung von Substanzen, die
Stoffwechsel oder Muskelfunktionen
stören (z. B. Zytokine)
Erhöhter Stoffwechselbedarf infolge Tumorwachstum und/oder Therapie
Ernährungsbedingt (z. B. Mangel an
Nährstoffen)
Infektionen
Schlaf-Apnoe
Sedierende Medikamente (z. B.
Schmerzmittel, Psychopharmaka)
Psychologisch
•
•
•
•
•
Distress
Angst
Depression
Chronischer Schmerz
Schlafstörungen
Modulierende Faktoren
•
•
•
Persönlichkeitsstruktur
Vorerfahrung mit Krankheit
Emotionale Grundhaltung
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B. Senf; J. Hübner: Fatigue
•
•
•
•
Verarbeitungsstil
Soziale Bedingungen
Religiöse/spirituelle Einbettung
Allgemeine Befindlichkeit
Screening und Diagnose
Fatigue ist, wie der Schmerz oder psychisches Befinden, an das rein subjektive
Erleben gekoppelt. Es gibt keine objektiven
Messparameter und so ist der Behandler
zunächst auf die Selbsteinschätzung des
Patienten angewiesen. Folgendes Vorgehen
hat sich im Routinealltag als für den Behandler praktikabel und den Patienten als
hilfreich erwiesen:
1. Die Diagnose erfolgt auf den Ebenen:
Wahrnehmen-Erkennen-Hin- und Zuhören-Erfassen. Frage: Wie geht es Ihnen? Wie müde fühlen Sie sich? Wie
wirkt sich die Müdigkeit im Alltag aus?
2. Evtl. im Anschluss oder bei Unsicherheit etc.: Eindimensionale Messskala
(von 0 = wenig müde bis 10 = sehr müde). Bei einem Score von 3-4 sollte eine
weitere Klärung erfolgen, da das Fatigue-Syndrom konzeptionell große inhaltliche Überschneidungen aufweist
mit der Lebensqualität der Patienten
(negative Korrelation) sowie Angst und
Depression (positive Korrelationen).
3. Weitere Klärung beispielsweise mit:
Brief Fatigue Inventory (BFI): 10 Items,
Zeitaufwand 5 Minuten, dem Multidimensional Fatigue Inventory (MFI-20):
20 Items oder dem Fatigue Assesment
Questinnary (FAQ): 23 Items.
4. Im Anschluss sollten dem Patienten anhand der Explorationsergebnisse (qualitatives oder quantitatives Assessment)
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die nächsten Schritte erläutert werden.
So ist es ratsam, bei Fatigue-Symptomen, die vorwiegend auf der körperlichen Ebene angesiedelt sind, die verschiedenen Blutwerte zu kontrollieren.
Bei vorwiegend psychischen Symptomen wie gedrückte Stimmung oder
Ängstlichkeit sollte eine weitergehende
psychopathologische Diagnostik bei einem Psychotherapeuten (am Besten mit
Psychoonkologischer Qualifikation) initiiert werden.
•
•
•
•
•
Behandlung
•
Die wichtigste Behandlung mit dem Resultat einer direkten Entlastung des Patienten
ergibt sich aus der Zusammenfassung und
Rückmeldung der unter Punkt 1 gesammelten Informationen. Schon das Ernstnehmen der Beschwerden führt nachweislich zu emotionaler Entlastung des Patienten.
Der nächste wichtige Schritt enthält die
Aufklärung des Patienten über das FatigueSyndrom. So äußerte Frau Kerstin Hauser
mit einem tiefen Seufzer:
•
„Sie glauben gar nicht, welcher Stein mir
von der Seele fällt. Ich dachte, ich überlebe
dieses Jahr nicht mehr oder ich bin total
verrückt geworden. Jetzt hat das Kind wenigstens einen Namen“.
Die weitere Behandlung sollte sich streng
aus dem Resultat der weiterführenden Diagnostik ergeben. Darüber hinaus haben
sich eine Reihe von Interventionen als hilfreich erwiesen:
•
•
Information der Angehörigen über das
Fatigue-Syndrom (Folge der Behandlung, kein Anzeichen für einen Progress, kein „sich anstellen“) (hoher Evidenzlevel)
Erarbeiten individuell angepasster Lösungsstrategien (Supportive Psychotherapie/Verhaltenstherapeutische Interventionen (hoher Evidenzlevel)
Selbsthilfegruppen (Evidenzlevel)
Psychoedukation (hoher Evidenzlevel)
Steigerung der körperlichen Aktivität
unter strenger Beachtung von Kontraindikationen (hoher Evidenzlevel)
Erholungstherapie und Ablenkung
(mittlerer Evidenzlevel)
Energie-erhaltende Maßnahmen (mittlerer Evidenzlevel)
Schlafhygiene (mittlerer Evidenzlevel)
Ernährungsberatung (mittlerer Evidenzlevel)
Literatur
1. Vogelzang NJ, Breitbart W, Cella D, Curt GA,
Groopman JE, Horning SJ, et al. Patient, caregiver,
and oncologist perceptions of cancer-related fatigue: results of a tripart assessment survey. The
Fatigue Coalition. Semin Hematol 1997 Jul; 34 (3
Suppl. 2) : 4-12.
2. Cella D, Peterman A, Passik S, Jacobsen P Breitbart W. Progress toward guidelines for the management of fatigue. Oncology (Williston Park).
1998; 12 (11A) : 369-377.
3. Servaes P, Verhagen S, Bleijenberg G. Determinants of chronic fatigue in disease-free breast
cancer patients: a cross-sectional study. Ann Oncol
2002; 13 (4): 589-598.
4. Glaus A, Crow R, Hammond S. A qualitative study
to explore the concept of fatigue/tiredness in
cancer patients and in healthy individuals. Eur J
Cancer Care 1996; 5 (2 Suppl.): 8-23.
Jede Ausgabe mit Volltext im Internet
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295
Supportivtherapie
296
Supportivtherapie von Skelettmetastasen optimierbar
Knochenspezifische Medikamente
zu selten eingesetzt
Vielen Patienten mit Skelettmetastasen werden knochenspezifische Medikamente wie
Bisphosphonate oder Denosumab vorenthalten, obwohl damit die wichtigsten Komplikationen gelindert werden könnten. Darauf verwies Prof. Bertrand Tombal, Löwen/
Belgien, auf dem ESMO-Kongress 2012. Unter einer derartigen Therapie kommt es zu
weniger Schmerzen, seltener zu pathologischen Frakturen oder spinalen Kompressionssyndromen. Die Zeit bis zum Auftreten weiterer Metastasen und die Überlebenszeit werden ebenfalls verlängert.
Die Verwirklichung dieser Ziele ist das Anliegen der Patientencharta der Skeletal Care
Academy (SKA), die von Prof. Thomas
Brodowicz, Wien/Österreich, vorgestellt wurde. Sein Kollege Tombal bezieht sich mit seiner
Klage auf die aktuelle Umfrage „Insights into
the management of bone metastasis: a comprehensive European survey“ der Multinational Association of supportive Care in Cancer
(MASCC). In der Ende Juni 2012 vorgestellten
Umfrage waren die Hauptgründe für eine
Nicht-Anwendung von knochenspezifischen
Medikamenten bei 38% der Patienten die kurze Lebenserwartung, bei 37% Nierenprobleme
und bei 34% eine als zu gering eingeschätzte
Nutzen/Risiko-Ratio. Tombal bezeichnete den
Verweis auf eine nur noch kurze Lebenserwartung der Patienten als besonders problematisch, da auf diese Weise die noch verbleibende Lebensspanne der Patienten durch Schmerzen und Invalidität zusätzlich belastet und außerdem wahrscheinlich auch noch verkürzt
werde.
Prof. Ingo J. Diel, Mannheim erläuterte die
wichtigsten multimodal einzusetzenden Maßnahmen, die zu einer ausreichenden supportiven Versorgung von Patienten mit Knochenmetastasen gehören: NSAR, Opioide und Morphin zur Schmerzbehandlung, nuklearmedizinische und strahlentherapeutische Maßnah-
Optimierte Prophylaxe der febrilen Neutropenie
Die nächste G-CSF-Generation steht
vor der Tür
Die primäre Prophylaxe mit G-CSF ist leitliniengemäß indiziert, wenn das Risiko einer febrilen Neutropenie ≥20% liegt. Betroffene Patienten profitieren mit einer deutlichen
Reduktion von Morbidität und Mortalität. Eine noch weiter verbesserte NeutropenieProphylaxe ist mit lang wirksamen G-CSF-Präparaten wie Lipegfilgrastim möglich.
Eine febrile Neutropenie im Verlauf der Chemotherapie bedeutet für Tumorpatienten ein
extrem hohes Risiko: Laut einer US-Statistik
liegt die Mortalitätsrate im Mittel bei rund
10%, steigt jedoch bei Patienten mit zwei oder
mehr schweren Begleiterkrankungen auf über
20% an (1). Eine besondere Herausforderung
sind laut Prof. Hartmut Link, Kaiserslautern,
Patienten mit septischem Schock, die oft nicht
fiebern: „Afebrile Patienten mit Blutdruckabfall und schlechtem Allgemeinzustand können
eine lebensbedrohliche Infektion haben“.
Grundsätzlich sollten Patienten mit febriler
Neutropenie unverzüglich antibiotisch behan-
men, chirurgische Eingriffe sowie Gabe von
knochenspezifischen Medikamenten. Hier hat
sich über die Jahre die Gabe von Bisphosphonaten, insbesondere als Depotgabe von Zoledronsäure und Pamidronat gut bewährt.
Randomisierte Studien hätten eine signifikante Verzögerung weiterer Skelettkomplikationen gezeigt. Allerdings sei die Nephrotoxizität dieser Substanzen oft eine Kontraindikation Bisphosphonate, wie die MASCC-Daten belegen. Als Alternative bietet sich laut Diel Denosumab (Xgeva®) an, das sich in Vergleichsstudien zu Zoledronsäure als überlegen und
insgesamt besser verträglich erwies. Die Zeit
bis zum Auftreten der ersten skelettalen Komplikation war unter der Therapie mit Denosumab im Vergleich zu Zoledronsäure um 3,6
Monate verlängert, was einer Risikoreduktion
von 18% entspricht. Ebenfalls um 18% war
die Zahl der insgesamt aufgetretenen Knochenkomplikationen verringert. Eingeschlossen in die Studie waren 1901 Patienten direkt
nach der Diagnose ihrer ersten Knochenmetastase.
Dr. Till U. Keil, München
Quelle: Symposium „Achieving Excellence in the Management of Cancer-Related Bone Disease“ im Rahmen der Jahrestagung der European Society for Medical Oncology (ESMO) am 28. September 2012, Wien.
Veranstalter: The Skeletal Care Academy, unterstützt
von Amgen (Europe) GmbH, München.
delt werden. Auch niereninsuffiziente Patienten sollten zumindest eine Antibiotikadosis erhalten.
Da das Risiko für die Entwicklung einer febrilen Neutropenie im ersten Chemotherapiezyklus am höchsten ist, sollten gefährdete Patienten prophylaktisch von Beginn an G-CSF
erhalten. Nationale und internationale Leitlinien empfehlen die primäre G-CSF-Prophylaxe
bei Patienten mit einem FN-Risiko von 20%
und höher. Bei moderatem Risiko (10-20%) ist
die individuelle Gefährdung vor jedem Zyklus
unter Berücksichtigung patienten- und tumorbezogener Risikofaktoren erneut zu prüfen.
Wegen der möglichen Resistenzentwicklung warnte Link vor einer prophylaktischen
Antibiotika-Gabe. Diese ist nur bei langfristig
bestehender Neutropenie, z. B. bei Patienten
mit Leukämie oder nach Hochdosis-Chemotherapie, sinnvoll. Ebenfalls nur „zweite Wahl“
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Supportivtherapie
297
ist nach seinen Worten der Versuch, die Dosisintensität der Chemotherapie durch Zyklusverschiebung oder Dosisreduktion zu verringern,
da sich dieses Vorgehen prognostisch ungünstig auswirken und das Gesamt-Überleben verkürzen kann.
Die Entwicklung rekombinanter G-CSF-Präparate in den 1990er-Jahren zur Verkürzung
der Neutropenie-Dauer und zur Verminderung
des Neutrophilen-Abfalls ermöglicht mittlerweile eine protokollgerechtere Durchführung
auch intensiver Chemotherapien. Als weiteren
Fortschritt wertete Link neue lang wirksame
Filgrastim-Präparate, die nicht renal eliminiert
werden, sondern über Granulozyten abgebaut
werden, und mit denen die Effektivität der
Prophylaxe noch verbessert werden kann.
Zulassung für
Lipegfilgrastim beantragt
Mit Lipegfilgrastim wurde mittlerweile ein innovatives lang wirksames Filgrastim entwickelt,
bei dem der PEG-Schwanz mithilfe der neuen
GlykoPEGylierungs-Technologie gezielt an Position 134 des Moleküls angekoppelt wurde. In
der Zulassungsstudie war das innovative Präparat bei adjuvant mit Doxorubicin/Docetaxel behandelten Brustkrebspatientinnen mindestens
so wirksam wie konventionell pegyliertes Filgrastim (2). Die Dauer der schweren Neutropenie in Zyklus 1 (primärer Endpunkt) war der mit
dem Referenzpräparat vergleichbar, die Zeit bis
zur Erholung der Neutrophilenzahl signifikant
kürzer (5,8 vs. 7,4 Tage; p = 0,0022).
Dem Durchbruchschmerz den Schrecken nehmen
Noch keine ausreichende
Sensibilität?
Patienten mit Tumor-Durchbruchschmerzen (DBS) sind hier zu Lande offenbar weiterhin schmerztherapeutisch unterversorgt. Dafür sprechen die Daten einer Umfrage bei
Arztpraxen, die Dr. Johannes Horlemann, Kevelaer, auf dem Deutschen Schmerzkongress 2012 vorstellte.
Für die Versorgungsanalyse füllten rund 50%
der Allgemeinmediziner, Praktischen Ärzte, Internisten, Urologen und Gynäkologen im
Raum Ludwigshafen einen Fragebogen aus.
Demnach betreuen die Praxen insgesamt 1750
Tumorschmerz-Patienten pro Quartal. Bei den
meisten (n = 56) sind es zwischen 0 und 20
Patienten. Mit 70, 200, 200 und 400 Patienten
versorgen vier onkologische Schwerpunktpraxen (SPP) die größten Gruppen. Jeweils bis zu
20% ihrer Patienten litten an DBS. Das sind
weniger als in der Literatur angegeben (bis zu
80%): Offenbar wird die Situation bei vielen
nicht wahrgenommen.
Um die plötzlichen Attacken abzufangen,
brauchen die Patienten jedenfalls ein rasch
wirkendes Präparat. Hierfür gilt schnell anflutendes Fentanyl als Therapiestandard, so Horlemann.
Die
Fentanyl-Buccaltablette
Effentora® etwa ist gegen DBS erwachsener
Krebspatienten zugelassen, deren chronische
Tumorschmerzen bereits mit Opioiden behandelt werden. Jedoch: Schnell wirksame Opioide wurden bei DBS kaum verordnet. So erhielt
nicht einmal jeder Zehnte buccales Fentanyl.
Überhaupt bekamen in drei der vier SPP nur
5% beziehungsweise bis zu 10% der DBS-Patienten kurz wirksame Opioide gegen die
Schmerzattacken. Lediglich eine SPP (n = 70)
versorgte alle ihre DBS-Patienten mit einer
spezifischen Bedarfsmedikation.
Mangelt es also noch am ausreichenden
Bewusstsein für DBS? Nach Einschätzung von
Dr. Reinhard Sittl, Erlangen, ist dies so. Dabei
belasten die überfallartigen Schmerzen die Patienten stark. Ihre Lebensqualität leidet und
zwischen den Attacken leben sie in Angst vor
der nächsten. Umso wichtiger ist die schnelle
Mittlerweile wurde die Zulassung für Lipegfilgrastim (vorgesehener Handelsname
Lonquex®) bei der European Medicines Agency (EMA) beantragt.
Dr. Katharina Arnheim, Freiburg
Literatur
1. Kuderer NM et al. Cancer 2006; 106: 2258-2266.
2. Bondarenko IP et al. Support Care Cancer 2012;
20 (Suppl 1): Abstr. A445-0013-0101.
Quelle: Satellitensymposium „Wirksamkeit in der
Onkologie – Neue Wege gehen“ im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und
Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und
Onkologie am 19. Oktober 2012, Stuttgart. Veranstalter: Teva GmbH, Ulm.
Wirkung des verwendeten Präparats. Sie wurde für die Fentanyl-Buccaltabletten gezeigt:
Schon nach zehn Minuten war die Linderung
signifikant besser vs. Placebo (1).
Auch die Patienten sind mit dem Wirktempo offenbar zufrieden, wie Dr. Eberhard Lux,
Lünen, berichtete. Dafür sprechen vorläufige
deutsche Daten einer neuen, europäischen
Multi-Center-Studie: Nachdem das Präparat in
bis zu sieben Tagen auf eine wirksame Dosis
auftitriert worden war, bestätigten 80,9 % der
Probanden einen schnellen Wirkbeginn.
85,4% sagten, es wirke so rasch, dass sie ihren
Schlaf schnell fortsetzen könnten. Ebenfalls
wichtig, gerade bei Opioiden: 97,6% der Patienten erklärten, die Einnahmeanleitung zu
verstehen. Das ist bekanntlich nicht bei allen
Medikamenten der Fall.
Helga Brettschneider, Frankfurt/Main
Literatur
1. Slatkin NE et al. J Support Oncol 2007; 5 (7):
327-334.
Quelle: Symposium „Best-practice vs. In-practice: Tumordurchbruchschmerzen – medizinischer Kenntnisstand und Versorgungsrealität“ im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses am 19. Oktober 2012,
Mannheim. Veranstalter: Teva GmbH, Berlin.
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Internationale
Literatur
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Basalzellkarzinom
Vismodegib ist auch in fortgeschrittenen Stadien wirksam
Der Hedgehog-Signalweg hat für die Pathogenese von Basalzellkarzinomen entscheidende Bedeutung. Der Smoothened-Rezeptorantagonist Vismodegib war in ersten Untersuchungen wirksam. In einer Phase-2-Studie überprüften Sekulic et al. nun seine
–Effektivität bei Patienten mit lokal fortgeschrittenen und metastasierten Basalzellkarzinomen.
Basalzellkarzinome gehören zu den häufigsten
Tumoren überhaupt. Sie wachsen lokal-destruierend, aber metastasieren sehr selten. Wegen
des bevorzugten Auftretens an lichtexponierten Stellen, vornehmlich im Gesicht, ist eine
Operation nicht immer oder häufig nicht radikal möglich. Andere Therapieoptionen hatten
eine hohe Rezidivrate. Für die seltenen Patienten mit einem metastasierten Stadium standen bislang keine erfolgversprechenden Behandlungsoptionen zur Verfügung. Vismodegib wurde nach der Studie von Sekulic et al.
von der amerikanischen FDA für die Behandlung des Basalzellkarzinoms zugelassen, weil
mindestens jeder dritte Patient von der Behandlung profitierte.
Insgesamt erhielten 96 Patienten 150 mg
Vismodegib täglich oral. Sie waren durchschnittlich 62 Jahre alt. 33 Patienten hatten
Metastasen, überwiegend in der Lunge oder in
den Lymphknoten. Insgesamt 97% der Studienteilnehmer waren voroperiert, die Hälfte
war bestrahlt worden und jeder dritte hatte
bereits eine Chemotherapie erhalten. Vismodegib führte bei 30% zu einer Response (Nullhypothese 10%; p = 0,001). Dabei handelte es
sich ausschließlich um partielle Tumorrückbildungen. Diese hielten durchschnittlich 7,6
Monate an.
63 Patienten hatten lokal fortgeschrittene
Tumoren, von denen 38% inoperabel waren.
Die anderen Befunde wurden wegen mehrerer
Kombitherapie beim malignen
Melanom
Viele Experten gehen davon aus, dass beim malignen Melanom künftig mehr Kombinationen eingesetzt werden. Das könnte nicht nur die Effektivität steigern, sondern
womöglich auch die Verträglichkeit bessern. Hinweise darauf liefert die Subgruppenanalyse einer Phase-I/II-Therapiestudie mit den oralen Target-Therapeutika Dabrafenib (BRAF-Inhibitor) und Trametinib (MEK-1/2-Inhibitor).
Rezidive oder befürchteter Entstellungen nicht
operiert. Hier waren 89% voroperiert, 27% bereits bestrahlt und 11% hatten eine Chemotherapie bekommen. Vismodegib führte bei
dieser Population in 43% der Fälle zu einer Response (Nullhypothese 20%; p<0,001). 13 Patienten hatten eine komplette Remission
(21%). Die progressionsfreie Zeit betrug 7,6
Monate.
Nebenwirkungen waren häufig. Alle Patienten hatten mindestens ein Therapie-assoziiertes Symptom. Die Beschwerden waren in
57% der Fälle leicht (Grad 1 und 2). Stärkere
Nebenwirkungen hatten 25% der Teilnehmer.
Dies waren vor allem Muskelspasmen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust und Erschöpfung.
7 Patienten starben. Die Ursachen waren ein
hypovolämischer Schock, ein Myokardinfarkt,
ein ischämischer Schlaganfall, eine Meningitis
und in 3 Fällen waren sie unbekannt. Ein Zusammenhang mit der Vismodegib-Therapie
wurde nicht vermutet.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
Literatur
1. Sekulic A et al. Efficiacy and safety of vismodegib
in advanced basal-cell carcinoma. N Engl J Med
2012; 366: 2171–2179.
tiv niedrige Rate an Hauttoxizitäten mit nur
2% spinozellulären Karzinomen (SCC) und 5%
aktinischen Keratosen.
Damit stellt sich diese Therapie offenbar etwas günstiger dar als die Behandlung mit Vemurafenib, dem bisher einzigen zugelassenen
Medikament bei dieser Form von Hautkrebs.
Dr. Beate Grübler, Hannover
Literatur
Die Auswertung umfasste 77 Patienten mit
nicht-vorbehandeltem, BRAF-V600-mutiertem
fortgeschrittenem Melanom. Sie waren unter
der Zweifachkombination dosisabhängig für
bis zu 10,8 Monate (median 7,4 Monate) progressionsfrei bei einer medianen Ansprechrate
(CR + PR) von 57%. Auffallend war die im Vergleich zu den jeweiligen Monotherapien rela-
1. Weber J et al. J Clin Oncol 2012; 30 (suppl): abstr.
8510.
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MelanomaMeeting
299
2nd European Post-Chicago Melanoma Meeting 2012
Metastasiertes malignes Melanom
bald eine chronische Erkrankung?
Das metastasierte maligne Melanom als chronische Erkrankung, die individuell therapiert wird: Das ist eines der Ziele der dermatologischen Forschung. Wie nahe sie dem
schon gekommen ist, wo die Probleme liegen und wie sich die Prävention verbessern
lässt, wurde auf dem 2nd European Post-Chicago Melanoma Meeting 2012 in München
diskutiert.
Die frühe Diagnose und Exzision ist nach wie
vor die effektivste Strategie um die Mortalität
bei malignem Melanom (MM) zu senken. Die
Ganzkörperuntersuchung leistet dazu einen
wertvollen Beitrag, betonte Prof. Josep
Malvehy, Barcelona/Spanien, mit Verweis auf
die Daten der deutschen SCREEN (Skin Cancer
Research to provide Evidence for Effectiveness
of Screening in Northern Germany)-Studie (1),
die den Nutzen eines Screeningprogramms in
Schleswig-Holstein von Juli 2003 bis 2004 an
über 360 000 Patienten untersuchte.
Mit einem deutlich Effekt auf die Sterblichkeit. So lagen die MM-bedingten Mortalitätsraten in den Jahren 2008/2009 um insgesamt
48% niedriger als in den Jahren 1998/1999
(Männer: 1,9/100 000 vs 1,0/100 000, Frauen:
1,4/100 000 vs. 0,7/100 000).
Amerikanische Daten zeigen einen engen
Zusammenhang zwischen der Melanom-bedingten Mortalität und der Dermatologendichte in einer Region. Gab es 0,001 bis 1 Dermatologen pro 100 000 Einwohner, lag die Mortalität um 35% niedriger als in Gegenden ohne
Hautarzt-Versorgung. Bei einer Präsenz von
1,001 bis 2 Dermatologen reduzierte sich die
Mortalität sogar um 56%. Noch mehr Dermatologen brachten keinen zusätzlichen Vorteil.
Multiple Primärtumoren
umfassend klassifizieren
Maligne Melanome können und müssen nach
der zu Grunde liegenden Genmutation differenziert werden. Diese Mutationen finden sich
vor allem in Proteinen des RAS-RAF-Signaltransduktionswegs. Sie können zu einer Überaktivierung des Signalwegs und zu unkontrolliertem Zellwachstum führen. Häufigste Mutation mit einem Anteil von 40% ist Mutation
der BRAF-Kinase, erläuterte Prof. Paolo
Ascierto, Neapel/Italien. Bei 18% der malignen Melanome werden NRAS-Mutationen
gefunden. Selten genetisch verändert sind
GNA 11, GNAQ, CTNNB1 oder KIT. Bei immerhin einem Drittel aber ist die Mutation unbekannt. Und: „Es gibt keine Überlappung zwischen NRAS- und BRAF-Mutationen.“
Auf Lymphknotenstatus
dünner Melanome achten!
Im Vergleich von Mutationen in Primärtumoren und Metastasen konnte eine hohe Übereinstimmung des Primärtumors mit Lymphknoten- und Viszeralmetastasen von 93%
bzw. 96% gesehen werden (2). Signifikant
schlechter ist sie dagegen bei Hirnmetastasen
mit 80% und Hautmetastasen mit 75%. Bei
multiplen Primärtumoren liegt bei etwa einem
Drittel ein diskrepanter BRAF-Status vor. Das
hat direkte Konsequenzen für die Diagnostik:
Bei Patienten mit multiplen Melanomen müssen alle Läsionen molekular klassifiziert werden, eventuell auch metastatische Veränderungen. Andernfalls liegt laut Ascierto das Risiko bei 10%, dass der Patient falsch klassifiziert
wird. Eine Zukunftsperspektive sei die BRAFTestung aus dem Serum.
Die chirurgische Therapie des Primärtumors
ist weit gehend etabliert, wobei laut Prof.
Vernon Sondac, Tampa/USA, noch immer
nicht endgültig geklärt ist, welcher Randabstand bei der Exzision eines kutanen Melanoms optimal ist. Kontrovers diskutiert wird
die Indikation für die Lymphknotenbiopsie bei
dünnen Melanomen und die Bedeutung der
kompletten Lymphknotendissektion. Sondac
konnte zeigen, dass der Lymphknotenstatus
bei dünnen Primärtumoren (<1,2 mm) lang-
fristig durchaus relevant ist (3). So war die
Fünf-Jahres-Überlebensrate bei negativen und
positiven Lymphknoten mit 96% bzw. 92,3%
etwa vergleichbar. Die Zehn-Jahres-Überlebensraten divergierten allerdings erheblich
mit 92,7% gegenüber 69%.
Zielgerichtete-Therapien
drängen in die Praxis
In der medikamentösen Therapie nicht-resezierbarer oder metastasierender Melanome
werden, wie in anderen Bereichen der Onkologie, zunehmend zielgerichtete Strategien verfolgt. So sind BRAF- und MEK-Inhibitoren bereits zugelassen, wie Vemurafenib, oder stehen kurz davor. Prof. Friedegund Meier, Tübingen, verwies unter anderem auf die Ergebnisse der BREAK-3-Studie, die den BRAF-Inhibitor Dabrafenib mit dem Zytostatkum Dacarbazin bei 250 Patienten mit bisher unbehandeltem metastasierten Melanom mit BRAF
V600-Mutation verglich. Erreicht wurde ein
medianes progressionsfreies Überleben von
6,7 Monaten unter Dabrafenib und 2,9 Monaten unter Dacarbazin.
Untersuchungen der Kombination von Dabrafenib mit dem MEK-Inhibtor Trametinib in
der adjuvanten Therapie beim metastasierten
Melanom im Stadium IV sind angelaufen. Ein
weiterer innovativer Ansatz ist auch die Blockade des PD-1-Signaltransduktionswegs. Bereits zugelassen für das metastasierte Melanom ist Ipilimumab. Es blockiert CTLA-4 (Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen-4), ein Protein,
das die T-Zellaktivität herunterreguliert. Noch
ist unklar, welche Therapiestrategie verfolgt
werden soll. Derzeit wird untersucht, ob Ipilimumab in Kombination mit Vemurafenib oder
sequenziell appliziert werden sollte, und in
welcher Reihenfolge.
Dr. Beate Fessler, München
Literatur
1. Waldmann A et al. Br J Cancer 2012; 106(5):
970–974.
2. Comombino M et al. J Clin Oncol 2012; 30(20):
2522–2529.
3. Morton DL et al. Ann Surg Onc 2010; 17(Suppl 1):
S22.
Quelle: 2nd European Post-Chicago Melanoma Meeting 2012 vom 21. bis 22. Juni 2012, München.
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MelanomaMeeting
300
Adjuvante Therapie beim fortgeschrittenen Melanom
Immuntherapie mit Interferon-α
als Option
Für das fortgeschrittene Melanom in den Stadien IIB/C und IIIA-C wird eine adjuvante
Behandlung mit Interferon-α empfohlen. Sie verbessert das krankheitsfreie Überleben
und hat darüber hinaus einen tendenziell günstigen Effekt auf das Gesamtüberleben.
Details wurden auf dem 2nd European Post-Chicago Melanoma Meeting in München
diskutiert.
Wird das Melanom im Stadium IA mit einer Dicke unter 1,0 mm entdeckt, ist die Prognose
sehr gut mit einer Fünf-Jahres-Überlebensrate
von 95%. Bereits in den Stadien II und III
kommt es allerdings zu einer kontinuierlichen
Verschlechterung mit Fünf-Jahres-Überlebensraten zwischen 65 und 45%. Bei einem Melanom im Stadium IIIC lebt nach 5 Jahren nur
noch ein Viertel der Patienten, bei Stadium IV
sind es lediglich 2–6% der Patienten, machte
Dr. Peter Mohr, Buxtehude, die momentane
Situation deutlich.
Als adjuvante Therapie wird in der S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des
Melanoms“ (Konsultationsfassung vom 29.
Juni 2012) bei Melanomen im Stadium III eine
postoperative Radiotherapie (50–60 Gy) nach
Lymphadenektomie zur Verbesserung der Tumorkontrolle im Bereich der Lymphknotenstationen empfohlen, wenn mindestens eines der
folgenden Kriterien vorliegt (Empfehlungsgrad
B, Evidenzlevel 1b):
• ≥drei befallene Lymphknoten
• Kapseldurchbruch oder
• Lymphknotenmetastase >3 cm.
Eine weitere Option für die Adjuvanz ist Interferon-α (z. B. IntronA®). Randomisierten kontrollierten Studien zufolge lässt sich damit das
rezidivfreie Überleben im Mittel um 10% verbessern, das Gesamtüberleben um etwa 4%,
fasste Mohr die Studienlage zusammen. „Beides ist klinisch relevant“. Er verwies dabei insbesondere auf eine Metaanalyse mit 14 randomisierten kontrollierten Studien, die 8122
Hochrisikopatienten mit (radikal reseziertes
malignes Melanom im Stadium II/III) berücksichtigte, 4362 davon unter einer Interferon-α
-Therapie (1).
Die Immuntherapie verbesserte sowohl das
krankheitsfreie Überleben (Risikoreduktion:
18%) als auch das Gesamtüberleben (Risikoreduktion 11%). Zwei weitere Studien (2, 3)
zeigten einen ähnlichen günstigen Effekt auf
das rezidivfreie Überleben, allerdings keinen
oder nur einen geringen Effekt – nur 3% innerhalb von fünf Jahren – auf das Gesamtüberleben.
Der moderate Nutzen einer adjuvanten Interferon-α-Therapie sollte den Melanom-Patienten nicht vorenthalten werden. Auch die
S3-Leitlinie empfiehlt diese Behandlungsstrategie bei Patienten im Stadium IIB/C und Stadium IIIA-C (Empfehlungsgrad A, Evidenzlevel
1a). Im Stadium IIA könne eine adjuvante Behandlung mit Interferon-α ebenfalls in Erwägung gezogen werden (Empfehlungsgrad 0,
Evidenzlevel 1b).
Hochdosistherapie als
erste Wahl
Die Kombination von Interferon-α mit einem
Zytostatikum bringt keinen Vorteil – im Gegenteil: Der Effekt von Interferon-α wird eher
zunichte gemacht. Einen Beleg dafür lieferte
eine Phase-III-Studie, die den Benefit einer adjuvanten Therapie mit Interferon-α allein oder
in Kombination mit Dacarbazin bei 444 Patienten mit Melanom im Stadium III nach kompletter Lymphknotendissektion verglich (4). Behandelt wurde über zwei Jahre bzw. so lange
bis erste Zeichen eines Rezidivs auftraten. Die
4-Jahres-Überlebensrate war unter der Interferon-α-Monotherapie besser als bei Patienten,
die nur beobachtet wurden (59% vs. 42%).
Mit der Kombination lag der Wert dagegen
nicht höher als in der Kontrollgruppe.
Die adjuvante Interferon-a-Therapie wird
bei Melanom in einer Vielzahl verschiedener
Regimes eingesetzt. Doch nicht alle sind er-
folgreich, wie Prof. Sanjiv Agarwala, Bethlehem/USA, erläuterte. So verbessern Low-doseTherapien das Outcome bei Hochrisikopatienten mit nodalpositivem Melanom (Stadium
IIb/III) nicht.
Uneinheitliche Daten gibt es für die Behandlung mit mittleren Dosen. Hier könnte der
Benefit von Krankheitsstadium und Lymphknotenstatus abhängen, so Agarwala. Das Regime der Wahl bei Melanomen im Stadium IIB/
III ist die Hochdosistherapie, deren günstigen
Effekt auf das Überleben gezeigt werden
konnte.
Mit Blick auf die Daten empfahl er bei Melanomen im Stadium IIB und IIC standardmäßig eine Interferon-α-Hochdosistherapie über
ein Jahr, im Stadium III über bis zu 5 Jahre. Eine intermittierende Hochdosistherapie zeigt
zwar weniger Nebenwirkungen. Es ist laut
Mohr aber noch nicht gesichert, ob sie ebenso
effektiv ist wie die kontinuierliche Therapie.
Auch bei ulzerierten
Melanomen
Zu den Kriterien, die für eine adjuvante Interferon-α-Therapie sprechen, gehört nach Ansicht von Mohammed Kashani-Sabet, San
Francisco/USA, neben einer Tumordicke über 4
mm und Lymphknotenbefall auch die Ulzeration. Die Post-hoc-Analyse der Sunbelt-Studie
(5) ergab, dass Interferon-α das krankheitsfreie Überleben bei ulzerierten Melanomen
verbessert. Dabei konnte die Behandlung mit
Interferon-α als ein signifikanter, unabhängiger Prädiktor für das rezidivfreie Überleben
bei Patienten mit einem ulzerierten Melanom
identifiziert werden.
Dr. Beate Fessler
Literatur
1. Mocellin S et al. J Natl Cancer Inst 2010; 102:
493–501.
2. Ives NJ et al. J Clin Oncol 2007; 25: 5426–5434.
3. Wheatley K et al. ASCO 2007; Abstract 8526.
4. Garbe et al. Ann Oncol 2008; 19(6): 1195–1201.
5. McMasters KM et al. Ann Surg 2010;
252(3):460–465.
Quelle: Satellitensymposium “Current Views on
Treatment of High Risk Patients: What has changes
and what is the same”, im Rahmen des 2nd European
Post-Chicago Melanoma Meeting 2012, München,
21. Juni 2012 (Veranstalter: MSD Sharp & Dohme
GmbH, Haar).
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DermatoOnkologie
301
Weißer Hautkrebs
5-ALA-Pflaster als Innovation in der
photodynamischen Therapie
Der weiße Hautkrebs gehört laut Prof. Rolf-Markus Szeimies, Recklinghausen, zu den
am meisten unterschätzten Hauttumoren. In der Therapie konnte die photodynamische Therapie (PDT) ihre Vorteile bislang wegen des großen Aufwand und multipler
Fehlerquellen nicht voll ausspielen. Mit dem 5-ALA-Pflaster Alacare® mit integriertem
Lichtschutz und Polymer-Matrix ist jetzt eine leicht handhabbare Therapieoption ohne
Vorbehandlung und mit definierter Wirkstofffreisetzung verfügbar.
Der weiße Hautkrebs tritt deutlich häufiger auf
als das maligne Melanom, auch seine Malignität ist deutlich höher als vielfach angenommen. Am häufigsten betroffen sind vor allem
Männer über 50 Jahre, die beruflich, beispielsweise als Bauarbeiter, Bauern oder Schweißer,
einer hohen natürlichen oder künstlichen UVExposition ausgesetzt sind. Aber auch Kindergärtnerinnen haben bereits ein 2,3-fach erhöhtes Expositionsrisiko gegenüber der Sonne
als der klassische Bürobeschäftigte.
Unter den verfügbaren Therapieoptionen
ist der Einsatz physikalischer Verfahren (Kryotherapie, Küretteage, Chirurgie, Dermabrasion)
bei den oft multiplen und/oder großflächigen
Tumorherde nur eingeschränkt möglich. Auch
das kosmetische Ergebnis entspricht oft nicht
den Vorstellungen der Patienten.
Einfache Durchführung,
hohe Patientenakzeptanz
In der Praxis werden herkömmliche PDT-Verfahren nur ungern eingesetzt, da sie aufwändig und mit zahlreichen Fehlerquellen behaftet
sind, meinte Dr. Stephan Lischner, Kiel. Beispielsweise ist die als Wirkstoff eingesetzte
5-Aminolävulinsäure (5-ALA) zwar hochreaktiv, aber wenig stabil und zerfällt sehr schnell.
Mit dem neuen 5-ALA-Pflaster mit integriertem Lichtschutz und Polymer-Matrix mit dispergierten 5-ALA-Kristallen wird die PDT erheblich vereinfacht. Es ist jetzt keine Vorbehandlung mehr notwendig. Das Verfahren
kann mehrfach wiederholt oder in mehreren
Sitzungen sequenziell durchgeführt werden,
beispielsweise bei größeren Hautarealen. Die
Prognoseverbesserung beim malignen Melanom
Personalisierte Therapie mit BRAFInhibitor verlängert Überleben
Die bislang sehr ungünstige Prognose beim metastasierten Melanom hat sich durch
die EU-Zulassung von Vemurafenib dramatisch verbessert: In der Studie BRIM 3 führte
der BRAF-Inhibitor bei Patienten mit nicht resektablem oder metastasiertem Tumor
und BRAF-V600-Mutation zu einer signifikanten Verbesserung des progressionsfreien
und Gesamt-Überlebens. Im Vergleich zu Dacarbazin wurde das Sterberisiko um fast
zwei Drittel gesenkt.
Dank neuer molekulargenetischer Erkenntnis
konnten in den vergangenen Jahren mehrere
Subgruppen beim malignen Melanom charakterisiert werden. Derzeit wichtigste ist die Subentität von Tumoren mit der BRAF-V600-Mu-
tation, da für diese jetzt erstmals eine personalisierte Therapie zugelassen wurde.
Wie Prof. Axel Hauschild, Kiel, auf einer
Pressekonferenz erläuterte, kann diese Mutation bei etwa jedem zweiten Melanompatien-
Pflaster besitzen eine hautfarbene Trägerfolie
und fallen kaum auf.
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit des
5-ALA-Pflasters wurde in zwei randomisierten,
kontrollierten Phase-III-Studien mit 449 Patienten untersucht. Hier war die vollständige
klinische Abheilrate (CCCR) auf Läsionsbasis
mit 89% der Kryotherapie (77%) und PlaceboPDT (29%) signifikant überlegen (p<0,001).
Eine Metaanalyse der vorliegenden publizierten Daten bestätigt die gute Nutzen-Verträglichkeits-Relation (1).
Während der Bestrahlung können Schmerzen oder Irritationen an den Behandlungsstellen auftreten. Die Symptome sind meist leicht
bis mäßig ausgeprägt und erfordern bei 1%
der Patienten eine frühzeitige Beendigung der
Bestrahlung (2).
Dr. Alexander Kretzschmar, München
Literatur
1. Szeimies RM et al. Jahrestagung der European
Academy of Dermatology and Venereology
(EADV) vom 7. bis 11. Oktober 2009, Berlin,
Poster 1024.
2. Alacare®-Fachinformation, Stand April 2012.
Quelle: Fachpresseworkshop „Neuer innovativer Therapieansatz in der Dermatologie: Das erste PDT-Pflaster zur Behandlung der Aktinischen Keratose – einfach – effektiv – kosmetisch überzeugend“ am 23.
Mai 2012, Frankfurt/Main. Veranstalter: Spirig Pharma GmbH, Augsburg.
ten nachgewiesen werden. Sie bewirkt eine
konstitutive Aktivierung des MAP-Kinase-Signalwegs, die sich in einer gesteigerten Zellproliferation äußert.
Vemurafenib (Zelboraf®) ist das Resultat
eines gezielten Entwicklungsprozesses, berichtete Dr. K. Peter Hirth, Berkeley, USA. Die
Substanz inhibiert hoch selektiv die BRAF-Kinase und schaltet diesen wichtigen Mediator
der zellulären Proliferation aus.
Nach sehr positiven Ergebnissen der Phase-II-Studie BRIM-2 wurde die Phase-III-Studie
BRIM-3 initiiert, in der 675 nicht vorbehandelte Patienten mit lokal fortgeschrittenem
oder metastasiertem Melanom und einem positiven BRAF-V600-Mutationsstatus randomisiert einer Monotherapie mit Vemurafenib
oder der Chemotherapie mit Dacarbazin zugeteilt wurden.
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DermatoOnkologie
302
Ansprechrate fast
verzehnfacht
Die geplante Interimsanalyse bereits wenige
Monate nach Studienstart ergab einen signifikanten Vorteil im Gesamtüberleben zu Gunsten von Vemurafenib: Die Überlebensrate nach
6 Monaten lag mit 84% um absolut 20% über
der im Dacarbazin-Arm mit nur 64%. Der Unterschied zwischen beiden Armen entspricht
einer signifikanten Reduktion des Mortalitätsrisikos um relativ 63% (Hazard Ratio 0,37;
p<0,0001).
Auch beim progressionsfreien Überleben
als ko-primärem Endpunkt war der BRAF-Inhibitor signifikant überlegen: Mit Dacarbazin
behandelte Patienten überlebten median nur
1,6 Monate ohne Progress, Patienten im
Vemurafenib-Arm dagegen 5,3 Monate. Das
Progressionsrisiko wurde somit durch den
BRAF-Inhibitor ebenfalls signifikant um relativ
74% gegenüber dem Kontrollarm gesenkt (HR
0,26; p<0,0001). Damit war der Weg frei für
ein aus ethischen Gründen unverzichtbares
Protokoll-Amendment, um Patienten des Kontrollarms ein Crossover zu Vemurafenib zu ermöglichen.
Die Ansprechrate wurde durch Vemurafenib fast verzehnfacht – von nur 5% im Kontrollarm auf 48% mit dem BRAF-Inhibitor.
Hauschild wies darauf hin, dass Patienten
rasch von dem BRAF-Inhibitor profitieren, da
symptomatische Besserung und Tumorschrumpfung sehr schnell eintreten.
Vemurafenib wird insgesamt recht gut vertragen; die Abbruchquote in der Studie lag bei
nur 5%. Es treten hauptsächlich kutane Nebenwirkungen wie Keratoakanthome auf, die
Hauschild als harmlos bezeichnete. Wichtig ist
ein guter Lichtschutz im Therapieverlauf.
Auf Basis der Daten von BRIM 3 wurde Vemurafenib im Februar 2012 von der European
Medicines Agency (EMA) für Patienten mit metastasiertem malignem Melanom und nachgewiesener BRAF-V600-Mutation zugelassen.
Damit steht erstmals bei diesem Tumor eine
personalisierte „targeted therapy“ zur Verfügung, die Hauschild auf Grund der herausragenden Überlebensdaten als eine „definitive
Innovation“ wertete.
Dr. Katharina Arnheim, Freiburg
Quelle: Zulassungs-Pressekonferenz „Zelboraf:
Durchbruch in der Therapie des malignen Melanoms“
im Rahmen des 30. Deutschen Krebskongresses (DKK)
am 23. Februar 2012, Berlin. Veranstalter: Roche
Deutschland GmbH, Grenzach-Wyhlen.
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Forum
Gastro-Onkologie
303
Effektive neue Option zur Second-line-Therapie
und der objektiven Ansprechrate (19,8% vs.
11,1%).
Eine wichtige Frage ist, wie mCRC-Patienten mit anti-angiogener Vortherapie weiterbehandelt werden sollen. Die VELOUR-Studie
zeigt, dass progrediente Patienten von der
Fortführung der anti-angiogenen Therapie profitieren, so Arnold. Etwa 30% der Teilnehmer
waren chemotherapeutisch und mit dem Angiogenesehemmer Bevacizumab vorbehandelt. Auch sie profitierten Second-line von Aflibercept mit einer längeren medianen PFS und
Gesamtüberlebenszeit (2).
Aflibercept ist laut Arnold aufgrund des
3-fachen Wirkansatzes eine besonders interessante Substanz, um die anti-VEGF-Therapie
second-line fortzuführen. „Wir wissen, dass
mit Fortschreiten der Erkrankung immer mehr
angiogene Faktoren eine Rolle spielen, um die
Tumorangiogenese aufrecht zu erhalten.“ Vor
diesem Hintergrund, so Arnold, ist Aflibercept
künftig möglicherweise eine besonders effektive Substanz zur Second-line-Therapie.
Aflibercept: Positives CHMP-Votum
beim metastasierten CRC
Mit Aflibercept befindet sich eine innovative anti-angiogen wirkende Substanz in der
klinischen Prüfung für die Behandlung von Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom (mCRC). Der Ausschuss für Humanarzneimittel der europäischen Zulassungsbehörde (CHMP) hat eine positive Empfehlung für den Einsatz von Aflibercept
nach Oxaliplatin-Behandlung bei diesen Patienten ausgesprochen. Hintergrund des
positiven CHMP-Votums sind die Ergebnisse der Phase-III-Studie VELOUR, in der die
zusätzliche Behandlung mit Aflibercept zur Second-line-Chemotherapie einen signifikanten Überlebensvorteil für die Patienten erreichte.
Innovatives Fusionsprotein
mit 3-fachen Angriffspunkt
Ein wesentliches Therapieprinzip ist die AntiAngiogenese. Sie basiert darauf, das vom Tumor aufgebaute Gefäßversorgung auszuschalten und die Tumorprogression zu stoppen bzw.
hinauszuzögern, erläuterte Prof. Dirk Arnold,
Hamburg. Derzeit stehen verschiedene antiangiogene Therapieansätze zur Verfügung.
Eine innovative Substanz ist laut Arnold
das Fusionsprotein Aflibercept, das gezielt für
eine besonders effektive anti-angiogene Wirkung entwickelt wurde. Ähnlich wie Bevacizumab bindet Aflibercept nicht direkt an den
VEGF-Rezeptor, sondern an ihre Liganden. Anders als Bevacizumab hat Aflibercept aber einen breiteren Wirkungskreis. Die Substanz besitzt Bindungsstellen für die beiden VEGF-Rezeptoren 1 und 2 und fängt alle entsprechenden Liganden ab.
Zusätzlich zum VEGF-A sind dies der
VEGF-B und der Plazenta-Growth Faktor
(PlGF). Alle drei Liganden, inkl. der beiden
VEGF-Rezeptoren spielen eine wichtige Rolle
bei der Tumorangiogenese und Tumorproliferation. Weiter bindet Aflibercept den VEGF-A
vergleichsweise rasch und mit einer rund
>1000-fach stärkeren Bindungsaffinität als
Bevacizumab.
Vorteile auch bei antiangiogener Vorbehandlung
Der 3-fache Angriffspunkt von Aflibercept lässt
eine effektive anti-angiogene Blockade erwarten, die auch Kompensationswege einschließt,
wie die Phase-III-Studie VELOUR zeigt (1). Primärer Endpunkt war die mediane Gesamtüberlebenszeit. FOLFIRI (5-FU/FS, Irinotecan)
plus Aflibercept verlängerten hier das mediane
Gesamtüberleben von mit Oxaliplatin vorbehandelten mCRC-Patienten signifikant (HR
0,82, p= 0,0032), ohne das Nebenwirkungsprofil klinisch relevant zu verändern. Signifikante Vorteile für die zusätzliche Gabe von
Aflibercept zeigten sich auch beim progressionsfreien Überleben (PFS; HR 0,76; p<0,0001)
Abb. 1
Gesamtüberleben in
der Second-lineTherapie beim
metastasierten kolorektalen Karzinom
mit Aflibercept
(Phase-III-Studie
VELOUR)
Überlebenswahrscheinlichkeit
Im Median überleben Patienten mit mCRC
heute etwa zwei Jahre. Das ist eine Verdopplung im Vergleich zu vor zehn Jahren, so Prof.
David Cunningham, Sutton/Großbritannien,
auf dem ESMO-Kongress 2012. Wesentlichen
Anteil an der Prognoseverbesserung haben
neue Substanzen, die auf Grund des immer
besseren Verständnisses der Tumorentstehung
entwickelt wurden.
Birgit-Kristin Pohlmann, Nordkirchen
Literatur
1. Van Cutsem E et al. J Clin Oncol 2012; 30(28):
3499-3506.
2. Allegra CJ et al. J Clin Oncol 2012 30(suppl): Abstr
3505.
Quelle: Satellitensymposium „Choosing an optimal
fit; exploring treatments for the patient with mCRC“
anlässlich der ESMO-Jahrestagung am 28.September
2012, Wien. Veranstalter: Sanofi-Aventis Int., Paris.
Hinweis: Dieser Beitrag entstand mit freundl. Unterstützung von Sanofi-Aventis Deutschland, Berlin.
Medianes progressionsfreies Überleben
Hazard Ratio (95% KI)
p-Wert
1,0
0,8
Placebo/
FOLFIRI
(n = 530)
Aflibercept/
FOLFIRI
(n = 531)
12,06
13,50
0,82 (0,713–0,937)
0,0032
0,6
0,4
Aflibercept/FOLFIRI
0,2
Placebo/FOLFIRI
0
0
3
6
9
12 15 18 21 24 27 30 33 36 39
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