BWL „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ I Problem: Verlust der Selbstbeherrschung An diese segensreiche Wirkung von Geduld und Gelassenheit gilt es in unserer aufgeregten und daraus resultierend unbedachtem oder nicht zu Ende gedachtem Handeln Vorschub leistenden Zeit wieder zu erinnern! Beugt sie doch am sichersten dem Verlust der Selbstbeherrschung auf der Ver- Anlass selbst und der Inhalt vorgetragener Argumente. I Reklamation zur Kundenbindung nutzen Dieses Wissen gilt es für den Umgang mit Beschwerden und Reklamationen zu nutzen. Mit Geduld und Gelassenheit und der dann möglichen Um- und Weitsicht angegangen, lässt sich ihnen meist rasch der Stachel des Ärger- oder gar Bedrohlichen nehmen. Und mehr noch! Sie zur Kundenbindung zu nutzen und zu wertvollen betrieblichen Schwachstellenindikatoren machen. Mit Geduld und Gelassenheit lässt sich jede Reklamation entschärfen „Wenn ich bei einem augenblicklichen Ärger Geduld habe, kann ich mir Kummer für ein ganzes Leben ersparen“ wussten die in vielem so lebensweisen alten Chinesen. Das ruft die Abhandlung ‚Über den Zorn’ des römischen Dramatikers und Weisheitslehrers Lucius Annaeus Seneca in den Sinn. Darin erinnert er an etwas, was im eiligen Getriebe unserer Tage etwas in Vergessenheit geraten ist: „Die Aufgeregtheit des Gemüts trägt nichts zu einer konstruktiven Gestaltung des Alltags bei.“ In der Philosophie der griechisch-römischen Antike spielt diese innere Haltung als zuverlässiger Helfer bei der Bewältigung konfliktträchtiger Lebenssituationen in Form der hilaritas, der heiteren Gelassenheit, eine wichtige Rolle. Der auch heute noch im alltäglichen Sprachgebrauch gelegentlich verwendete Begriff der stoischen Gelassenheit, hier, in der antiken Philosphenschule der Stoiker, hat er seinen Ursprung. Und auf ihr Gedankengut ist vermutlich auch der verschiedenen Autoren zugeschriebene Wunsch zurückzuführen 44 haltensebene vor. Treffend drückt das der Mainzer Philosoph Professor Rudi Ott aus: „In der Aufgeregtheit verlieren wir meistens nicht nur den Blick für die tatsächlichen Zusammenhänge, sondern achten auch nicht mehr auf uns selbst. Dieses Spiel verstärkt sich und wird zur festen Haltung in dem Maße, wie das Denken der Aufregung nachgibt. Anhaltende und ständig wiederholte Aufgeregtheit lässt eine hohe Reizbarkeit der Gefühle entstehen: ich stehe unter Dauerstrom; Bitterkeit, Beleidigtsein, Verdrossenheit, mieses Dreinblicken, aggressive Regungen sieht man mir regelrecht an. Die Reizschwelle sinkt!“ I Stil der Auseinandersetzung Für Geschäftsleute und überhaupt im Umgang mit Kunden eine katastrophale Austrahlung. Zumal nachgewiesenermaßen der Stil der Auseinandersetzung deren Inhalt wesentlich beeinflusst. So belegt eine McKinsey-Studie aus dem Jahr 1999 beispielsweise, dass die äußeren Einflüsse auf den Gang der Dinge einen viel stärkeren Einfluss ausüben (ca. 80 Prozent) als der I Emotionales Problem Um das von Grund auf richtig zu tun, ist eines stets zu bedenken: Für Kunden sind Beschwerden und Reklamationen in erster Linie ein emotionales Problem. Deshalb liegt auch die entscheidende Weichenstellung im Umgang mit Beschwerden und Reklamationen darin, Betroffene mit ihrem aufgewühlten Innenleben nicht im Regen stehen zu lassen. Das bedeutet: Der wichtigste Kunstgriff zur Entschärfung von Reklamationen ist, dem Kunden das Gefühl zu geben, mit seinem Anliegen angenommen und nicht abgewimmelt zu werden. Denn, so der erfahrene Berliner Anwalt Professor Dr. Benno Heussen, „Streit wird vor allem durch verletzte Gefühle ausgelöst und aufrechterhalten“ Gelingt diese emotionale Einnahme des Kunden, verliert die Reklamation auf der Stelle an Problematik! Kunden nehmen den zeitlichen und psychischen Aufwand einer Beschwerde oder Reklamation nur auf sich, wenn sie sich subjektiv stark betroffen fühlen. Wird ihnen in dieser Situation nicht mit Empathie, mit Einfühlungsvermögen begegnet, sondern mit Gleichgültigkeit, Abwiegelung oder gar der Unterstellung, selbst das Problem aus UnDOZ 3-2008 BWL achtsamkeit verursacht oder absichtlich herbeigeführt zu haben, dann ist Ärger vorprogrammiert. Außerdem, so der Beschwerdeund Reklamationfachmann Professor Dr. Bernd Stauss, Inhaber des Lehrstuhls für Dienstleistungsmanagement an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, „führt dieses Verhalten nicht allein zu einer weiteren inneren Abwertung des gekauften Produkts oder der in Anspruch genommenen Dienst- oder Handwerkerleistung, sondern meist auch direkt zum Verlust des empörten Kunden.“ Es ist um ein Mehrfaches teurer, einen neuen Kunden zu gewinnen als einen alten im Fall einer Beschwerde oder Reklamation souverän zufriedenzustellen. Und damit neu und fester zu binden! Es gilt also stets zu bedenken: Beschwerden und Reklamationen haben immer zwei Seiten: die emotional-menschliche und die rational-kaufmännische. Der Schlüssel zur Problemlösung aber liegt auf der emotionalmenschlichen Seite. Hier erfolgt die entscheidende Weichenstellung für die Problemlösung in der Sache. I Aus gutem Grund für Kulanz oder Kompromiss entscheiden Das Wissen um diese Zusammenhänge bedeutet selbstverständlich nicht, auf sorgfältige Prüfung der Berechtigung der Beschwerde beziehungsweise Reklamation zu verzichten! Sehr wohl aber, sich im Zweifelsfall aus gutem Grund für Kulanz oder einen souveränen Kompromiss zu entscheiden. „Auch der Mundpropaganda, kurz der Weiterempfehlung zuliebe“, macht Stauss auf einen weiteren wichtigen Aspekt bei der Reklamationsbehandlung aufmerksam. Denn stärker noch als über ihre positiven Erfahrungen reden Kunden über ihre Enttäuschungen bei Beschwerden und Reklamationen. Und verbinden diese Schilderungen mit heftigen Warnungen vor einem Kontakt mit dem betreffenden Betrieb! I Möglicher Schaden Betriebswirtschaftlich heißt das: Werden diese Zusammenhänge nicht bedacht, entsteht dem Betrieb doppelter Schaden: Aus DOZ 3-2008 unmittelbaren und zukünftigen Umsatzund Gewinnverlusten der verlorenen Kunden. Und aus den verhinderten Geschäften mit den gewarnten potentiellen Kunden. Um nicht in diese Beschwerde- und Reklamationsfalle zu tappen, empfiehlt es sich, ein entsprechendes Beschwerde- und Reklamationsbewusstsein im gesamten im Betrieb zu formen. Und das von oben durch beispielhaftes Verhalten zu prägen, zu stützen und zu festigen. Auch indem die Bedeutung von Beschwerden und Reklamationen dadurch allen vor Augen geführt wird, dass Inhaber oder Geschäftsführung sich auch persönlich Zeit dafür nehmen, sich um Lektüre und Beantwortung von Beschwerdebriefen kümmern, in größeren Betrieben auch Beschwerdereports einfordern und deren Inhalte zum Gegenstand von Diskussionen machen. Und indem sie im Rahmen der internen Kommunikation die Bedeutung der vermeintlich lästigen Beschwerden und Reklamationen verdeutlichen und geduldig und gelassen demonstrieren wie nutzbringend mit ihnen umgegangen werden kann. I Fehler- und Ursachenanalyse Und – indem darauf verzichtet wird, bei einer Beschwerde oder Reklamation auf der Stelle nach einem Schuldigen zu suchen! So menschlich verständlich das ist, so wenig dient das aber dem betrieblichen Interesse. Dem nutzt einzig und allein eine sorgfältige Fehler-, das heißt Ursachenanalyse. Allein sie sorgt dafür, zukünftige vergleichbare Pannen zu vermeiden. Das heißt nicht, dass notorisch schusselige oder grob unbedacht handelnde Mitarbeiter immer ungeschoren davon kommen! Das heißt nur, stets im Auge zu behalten, dass nichts die immer unverzichtbarere Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter, ihr engagiertes ‚Mitziehen’, mehr blockiert als die realitätsferne Vorstellung, keine Fehler machen zu dürfen. Fehlerfreies Arbeiten ist, insbesondere in (sicherheits)sensiblen Bereichen, eine wichtige Zielvor- stellung, auf die auch unbedingt hingearbeitet werden muss, die aber mehr schadet als sie nutzt, wird sie generell absolut gesetzt! Aber: Fehler, klug genutzt, sind ein unterschätzter Treibstoff für den betrieblichen Entwicklungsmotor. Sie sind der Preis, den lebendige Betriebe für diese ihre innere Lebendigkeit und damit ihre Zukunftsfähigkeit zahlen müssen! I Betriebliche Wohlergehen Gelingt es, diesen Blick auf Fehler und den entsprechenden Umgang mit ihnen im Betrieb zur selbstverständlichen Verhaltensgrundlage zu machen, ist eine wichtige Weiche für das betriebliche Wohlergehen gestellt: Dass Beschwerden und Reklamationen nicht irgendwie untergemauschelt und vertuscht werden und mangels Ursachenforschung als unterschwellige Gefahrenquelle den Betrieb weiter gefährden, sondern dass sie sorgfältig analysiert und die Analysergebnisse im Sinne des so erfolgreichen Kaizen-Gedankens als Verbesserungsanstoß unmittelbar in das betriebliche Geschehen einfließen. I Fazit Beschwerden und Reklamationen sind ein selbstverständlicher Bestandteil des Betriebsgeschehens. Ihr Sprengstoff liegt nicht in ihrer Existenz also solcher, der liegt in ihrer falschen Behandlung. Klug genutzt, sorgen sie für drei wesentliche Dinge: überzeugter und fester an den Betrieb gebundene Kunden, positive Mundpropaganda, und ein selbstverständliches betriebliches Lernklima. Anschrift des Autors: Diplom-Betriebswirt Hartmut Volk, freier Wirtschaftspublizist, Am Silberborn 14, 38667 Bad Harzburg E-Mail: [email protected] Anzeige WIR PLANEN LÄDEN FORM UND FUNKTION BARBARA HEINKELMANN FON 09533-1495 RALF RUSSOW FON 06081-43218 DIPLOM-INGENIEURE FÜR INNENARCHITEKTUR (FH) www.formundfunktion.de 45