Kap. I : Grundlagen

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Chr.Nelius: Graphentheorie (WS 2017/18)
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Kap. I : Grundlagen
§1 : Graphen
(1.1) DEF: Ein Graph G = (E, K) besteht aus einer nichtleeren endlichen Menge E von
Ecken und einer endlichen Menge K von Kanten . Dabei sind jeder Kante aus K in eindeutiger
Weise zwei (nicht notwendig verschiedene) Ecken aus E zugeordnet.
(1.2) BEM: Um einen Graphen in der Ebene bildlich darzustellen, zeichnet man die Ecken als
Punkte und die Kanten als Verbindungskurven zwischen zwei verschiedenen Ecken bzw. als geschlossene Kurve durch eine Ecke.
(1.3) BEZEICHNUNGEN:
a) Ecke: auch Knoten (englisch: vertex)
Kante: englisch: edge
Ecken werden bei uns meistens mit kleinen lateinischen Buchstaben u, v, w, . . . bezeichnet oder
auch mit indizierten Buchstaben v1 , v2 , v3 , . . . , vn und Kanten meistens mit kleinen griechischen
Buchstaben α, β, γ, . . . (eine Tabelle mit dem griechischen Alphabet findest du auf einer Extraseite).
b) Sind einer Kante α (lies: alpha ; α: kleines griechisches a) eines Graphen G die beiden Ecken u
und v zugeordnet , so heißen u und v die Begrenzungsecken von α . Bildlich:
u
α
v
Man sagt: u ist inzident zu α (natürlich ist auch v inzident zu α) , und α ist inzident zu u (und
v) . α wird auch als Kante zwischen u und v bezeichnet . Eine Kante besitzt keine Richtung, und
sie muss auch nicht geradlinig gezeichnet sein.
c) Fallen bei einer Kante α die beiden
Begrenzungsecken zusammen, so nennt man
α eine Schlinge .
α
u
d) Zwei Kanten α und β zwischen denselben Begrenzungsecken u und v heißen parallel oder
Doppelkanten :
α
u
v
u
v
β
Gibt es zwischen zwei Ecken zwei oder mehr Kanten, so spricht man auch von Mehrfachkanten.
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e) Um gezielt anzugeben, dass die Eckenmenge E und die Kantenmenge K zu dem Graphen G
gehören, schreibt man dafür dann E(G) bzw. K(G) .
(1.4) BEISPIELE: a) Ein Graph lässt sich durch ein Bild oder durch die explizite Angabe seiner
Ecken und Kanten definieren.
b) Anschauliche Beispiele für Graphen sind Straßenkarten oder Streckennetze der Bahn. Dabei sind
gewisse Orte die Ecken und Straßen bzw. Gleisstrecken zwischen diesen Orten die Kanten.
c) Die Eckenmenge des Graphen G bestehe aus den Orten mit den Autokennzeichen BI, PB, DO,
H, HB, HH, KS . Eine Kante soll zwischen zwei Orten aus E(G) existieren, wenn es eine durchgehende ICE–Verbindung in beiden Richtungen zwischen ihnen gibt.
d) Die Eckenmenge des Graphen H bestehe aus den Personen O(ma), V(ater), M(utter), B(ruder),
S(ohn) und T(ochter). Eine Kante soll zwischen zwei verschiedenen Personen aus E(H) existieren,
wenn sie verwandt sind.
(1.5) BEM: a) Gibt man den Kanten eines Graphen eine Richtung, so erhält man einen sog. gerichteten Graphen . Ein anschauliches Beispiel dafür ist ein Straßennetz aus Einbahnstraßen. Eine
Kante α von einer Ecke u nach einer Ecke v wird dann durch einen Pfeil von u (Anfangsecke) nach
v (Endecke) dargestellt:
α
u
v
Beispiel: Die Teilbarkeitsrelation definiert einen gerichteten Graphen auf einer nichtleeren endlichen Menge ganzer Zahlen. Sei E := {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8} die Eckenmenge. Es soll einen Pfeil
von m ∈ E nach n ∈ E geben, wenn m ein Teiler von n ist.
b) Bei einem sog. unendlichen Graphen ist die Eckenmenge eine unendliche Menge, während die
Kantenmenge endlich oder unendlich sein kann . Solche Graphen werden wir aber in dieser Vorlesung
nicht behandeln.
(1.6) DEF: a) Ein Graph heißt schlicht , wenn er weder Schlingen noch Mehrfachkanten besitzt.
b) Eine Kante α eines schlichten Graphen, die die Begrenzungsecken u und v hat, wird auch mit
α = uv (= vu) bezeichnet.
(1.7) DEF: Ein Graph G heißt der Nullgraph , wenn er keine Kanten besitzt, d.h. wenn K(G) =
∅ (leere Menge) gilt. Ein Nullgraph mit n Ecken wird mit Nn bezeichnet. Dabei ist n eine natürliche
Zahl ≥ 1 , d.h. ein Element aus der Menge
der natürlichen Zahlen ≥ 1 , in Zeichen: n ∈ .
N
N
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Ein Bild von N5 :
(1.8) DEF: Ein schlichter Graph G heißt vollständig, wenn jede Ecke von G mit jeder anderen
Ecke von G durch (genau) eine Kante verbunden ist. Ein vollständiger Graph mit n Ecken wird mit
Kn bezeichnet (n ∈ ).
N
Ein Bild von K5 :
(1.9) SATZ: Für jedes n ∈
N gilt
| E(Kn ) | = n und
| K(Kn ) | =
n · (n − 1)
2
=
n
2
!
Hierbei bezeichnet |M | die Anzahl der Elemente einer beliebigen endlichen Menge M .
(1.10) DEF: G = (E, K) sei ein Graph.
a) Zwei Ecken u, v ∈ E heißen adjazent (benachbart) , wenn es eine Kante zwischen u und v
in K gibt.
b) Die Menge N (v) aller zu einer Ecke v ∈ E adjazenten Ecken aus E heißt die Nachbarschaft
von v . Wenn man gezielt den Graphen G mitangeben möchte, schreibt man dafür auch NG (v) .
c) Der Grad (degree) deg(v) einer Ecke v ∈ E ist die Anzahl der zu v inzidenten Kanten in
G , wobei Schlingen doppelt gezählt werden. Ggfs. schreibt man dafür auch degG (v) .
d) Eine Ecke v ∈ E heißt gerade , wenn deg(v) eine gerade Zahl ist, im anderen Falle heißt sie
ungerade .
e) Eine Ecke vom Grade 0 heißt eine isolierte Ecke .
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(1.11) SATZ (Euler, 1736): In einem Graphen G = (E, K) gilt
X
deg(v) = 2 · |K| .
v∈E
Der Satz besagt also, dass in jedem Graphen die Summe der Grade aller Ecken gleich der doppelten
Kantenzahl ist. Wenn man also die Eckenzahl und die Grade aller Ecken kennt, kann man daraus
die Anzahl der Kanten berechnen.
(1.12) SATZ: In jedem Graphen ist die Anzahl der ungeraden Ecken eine gerade Zahl.
(1.13) DEF: Sei G = (E, K) ein Graph.
a) δ(G) := min{ deg(v) | v ∈ E } heißt der Minimalgrad von G .
(δ(G) lies: klein–Delta von G ; δ: kleines griechisches d)
b) ∆(G) := max{ deg(v) | v ∈ E } heißt der Maximalgrad von G .
(∆(G) lies: groß–Delta von G ; ∆: großes griechisches D)
(1.14) BEM: Ist G ein Graph, so gilt für jede Ecke v ∈ E(G):
δ(G) ≤ degG (v) ≤ ∆(G)
(1.15) DEF: G sei ein Graph. Die Ecken v1 , v2 , . . . , vn von G seien so nummeriert, dass
deg(v1 ) ≤ deg(v2 ) ≤ . . . ≤ deg(vn ) gilt. Dann heißt
Γ(G) := (deg(v1 ), deg(v2 ), . . . , deg(vn ))
die Gradfolge von G . (Hinweis: Γ(G) lies: Gamma von G ; Γ: großes griechisches G)
(1.16) DEF: a) Ein Graph G heißt regulär , wenn alle seine Ecken denselben Grad haben.
b) Gilt deg(v) = r ∈
N
0
für alle v ∈ E(G) , so heißt G auch r–regulär.
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Chr. Nelius: Graphentheorie (WS 2017/18)
(1.17) BEM: Ist der Graph G r–regulär, so ist Γ(G) = (r, r, . . . , r) die Gradfolge von G , und
es gilt δ(G) = ∆(G) = r .
(1.18) BEISPIELE:
a) Der Nullgraph Nn ist für jedes n ∈
N
0–regulär.
b) Der vollständige Graph Kn ist (n − 1)–regulär.
(1.19) DEF: Der Graph
heißt der Petersen–Graph und wird mit P bezeichnet.
a) Der in (1.19) definierte Graph P ist nach dem dänischen Mathematiker
(1.20) BEM:
Julius Petersen (1839–1910) benannt und spielt eine wichtige Rolle in der Graphentheorie. .
b) P ist ein schlichter 3–regulärer Graph mit 10 Ecken und 15 Kanten.
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