Nidwalden - Historisches Lexikon der Schweiz

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11/05/2017 |
Nidwalden
Vielleicht schon ab 1291 oder 1309, sicher nach dem Auseinanderfallen Unterwaldens im 2. Viertel des 14. Jh.
Ort der Eidgenossenschaft, bis 1798 unter der Bezeichnung "Unterwalden nit dem Kernwald". An der
Tagsatzung geteilte Stimme mit Obwalden. 1798-1803 bildete N. mit Engelberg den Distrikt Stans ihelvet.
Kanton Waldstätten. Die Mediationsakte anerkannte die Teilung Unterwaldens in "ob dem Wald" und "nid dem
Wald". Die für den Halbkanton seit dem 19. Jh. gebräuchl. Bezeichnung N. wurde mit der Bundesverfassung
1999 offiziell, wobei diese trotz der geteilten Vertretung im Ständerat und der nur halb gewerteten
Standesstimme auf den Begriff Halbkanton verzichtet, während die geltende Kantonsverfassung den Ort noch
immer als "Unterwalden nid dem Wald" bezeichnet. Franz. Nidwald, ital. Nidvaldo, rom. Sutsilvania. Der Ort
erfuhr 1378 mit dem Anschluss von Hergiswil und 1435 der Alpen südlich von Engelberg eine dauernde sowie
von 1798 bzw. 1803 bis 1815 mit Engelberg eine vorübergehende Erweiterung. Amtssprache ist deutsch,
Hauptort und Sitz des Kantonsparlaments, der Regierung und der Gerichte ist Stans.
Fläche (2006)
Wald/bestockte Fläche
276,1 km²
90,8 km²
32,9%
104,7 km²
37,9%
Siedlungsfläche
13,4 km²
4,9%
Unproduktive Fläche
67,2 km²
24,3%
Landwirtschaftliche
Nutzfläche
Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur
1850
1880a
1900
1950
1970
2000
11 339
11 979
13 070
19 389
25 634
37 235
0,5%
0,4%
0,4%
0,4%
0,4%
0,5%
11 869
12 748
18 920
23 547
34 458
Italienisch
98
285
285
1 241
533
Französisch
23
23
115
138
229
Rätoromanisch
1
9
48
62
48
Andere
1
5
21
646
1 967
11 327
11 901
12 899
17 846
23 130
28 132
12
90
170
1 485
2 280
4 431
Andere
1
1
davon jüdischen Glaubens
1
Jahr
Einwohner
Anteil an Gesamtbevölkerung der
Schweiz
Sprache
Deutsch
Religion, Konfession
Katholischb
Protestantisch
Christkatholisch
28
33
17
30
191
4 655
17
9
13
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davon islamischen
Glaubens
38
812
davon ohne Zugehörigkeitc
92
2 162
18 832
23 278
33 625
Nationalität
Schweizer
11 307
Ausländer
32
Jahr
Beschäftigte im Kanton
11 712
12 470
267
600
557
2 356
3 610
1905
1939
1965
1995
2005
d
1 527
1. Sektor
4 032
3 985
1 440
2. Sektor
1 785
2 251
4 891
5 457
5 818
3. Sektor
1 745
1 702
1 836
3 836
9 826
11 713
Jahr
1965
1975
1985
1995
2005
Anteil am schweiz.
Volkseinkommen
0,4%
0,4%
0,5%
0,5%
0,7%
a
Einwohner, Nationalität: Wohnbevölkerung; Sprache, Religion: ortsanwesende Bevölkerung
b
1880 und 1900 einschliesslich der Christkatholiken; ab 1950 römisch-katholisch
c
zu keiner Konfession oder religiösen Gruppe gehörig
d
gemäss landwirtschaftl. Betriebszählung 1996
Quellen:HistStat; eidg. Volkszählungen; BFS
Autorin/Autor: Peter Steiner
1 - Von der Urzeit bis ins Frühmittelalter
1.1 - Neolithikum
2004 in Kehrsiten (Gem. Stansstad) vorgenommene Tauchuntersuchungen belegen eine intensive
Siedlungstätigkeit am Vierwaldstättersee zwischen 4000 und 3100 v.Chr. Erste Auswertungen lassen vier
Siedlungsphasen nachweisen, die der Cortaillodkultur (um 4000 v.Chr.), der Pfyner Kultur (um 3750 v.Chr.),
der Übergangszeit von Pfyner zu Horgener Kultur (um 3450 v.Chr.) und der Horgener Kultur (um 3150 v.Chr.)
entsprechen. Kehrsiten stellt momentan die einzige bekannte Seeufersiedlung im voralpinen Raum dar.
Steinbeilklingen, diverse Geräte aus Silex sowie Bergkristalle belegen eine weitere jungsteinzeitl. Siedlung bei
der sog. Loppburg am nordöstl. Ende des Loppers über der Seeenge zwischen Alpnacher- und
Vierwaldstättersee. Speiseabfälle, Keramik, eine bronzene Gewandnadel, Feuerstellen und Mauerfragmente
bezeugen, dass der Platz auch in der Spätbronzezeit (1400-1100 v.Chr.) über längere Zeit besiedelt war.
Saisonal genutzte Siedlungsplätze aus der Bronzezeit sind bei der Burgruine Rotzberg (Gem. Ennetmoos) und
auch am Renggpass (Gem. Hergiswil) nachgewiesen. Der Pass scheint schon im Neolithikum und in der
Bronzezeit begangen worden zu sein.
Autorin/Autor: Hansjakob Achermann
1.2 - Von den Kelten zu den Alemannen
Für die Eisenzeit und die röm. Epoche liegen nur wenige Fundkomplexe aus N. vor, zu denen das Grab eines
zehnjährigen Mädchens aus der Latènezeit in Stans, einige Streufunde sowie die galloröm. Brandgräber aus
Buochs und Oberdorf zählen. Dass auch in kelt. und röm. Zeit - wahrscheinlich kleinere - Siedlungen im
Talboden bestanden und vielleicht auch einzelne Alpen temporär genutzt wurden, macht v.a. das voralemann.
Namengut plausibel. Ortsnamen wie Stans (keltisch), Buochs oder Kehrsiten, Bachnamen wie Surenen,
Anbach oder Secklisbach, Alp-, Berg- und Flurnamen wie Niderbawen, Brattelen, Fräckmünd, Pilatus, Glesir,
Eltschen oder Rotzloch enthalten Wörter, welche die im 8. Jh. einwandernden Alemannen direkt von der
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romanisierten Vorbevölkerung übernommen haben. Eine Reihe weiterer Lokalnamen können als Lehnwörter
ebenfalls auf das romanisierte Bevölkerungssubstrat zurückgeführt werden. In den Gräbern, die bei der
Restaurierung der Stanser Pfarrkirche entdeckt worden sind, erlauben die unterschiedl. Grabfunde eine
vorsichtige Unterscheidung zwischen Galloromanen und Alemannen.
Das Vordringen der Alemannen und später das zunehmende Wachstum der Bevölkerung verlangten nach
weiterer Urbarisierung. Auch dazu liefert die Namenforschung in einer schriftlosen Zeit manche Belege. Ins 9.
Jh. datieren lassen sich wohl die drei Gemeindenamen Beckenried, Emmetten und Wolfenschiessen
(Wortzusammensetzungen mit alemann. Personennamen). Das häufige Vorkommen der Verbindungen mit ingen, -ikon, -wil oder mit Rüt-, Schwand- bzw. Stock- (Rodung) lassen den Landesausbau im unteren (Tal,
Bergfuss) und mittleren Lagen (Berg) grob nachvollziehen.
Die zum Zeitpunkt der Einwanderung wahrscheinlich schon christianisierten Alemannen brachten ihre eigenen
Rechts- und Herrschaftsformen nach N. mit, welches in das um die Wende vom 6. zum 7. Jh. gegründete
alemann. Bistum Konstanz eingegliedert wurde. Archäolog. Grabungen bezeugen für Stans ein erstes
Gotteshaus um 750, vielleicht eine Eigenkirche des alemann. Herzogs. Stans bildete bis ins 10. Jh. die einzige
Kirche; sie umfasste anfänglich das ganze heutige Kantonsgebiet einschliesslich des Engelberger Hochtals.
Autorin/Autor: Hansjakob Achermann
2 - Herrschaft, Politik und Verfassung vom Hochmittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
2.1 - Hochmittelalterliche Herrschaftsstrukturen
Im hochma. Landesausbau dehnten Adelsfamilien aus den Voralpen und dem Mittelland und v.a. Klöster ihren
Einfluss in Nid- und Obwalden aus. Spätere Besitztraditionen lassen vermuten, dass die grossen Geschlechter
Lenzburg, Sellenbüren-Regensberg, Brienz-Ringgenberg-Raron und Habsburg sowie die Klöster Muri und
Murbach-Luzern Güter und Rechte innehatten. Die Herrschaftsstrukturen waren jedoch schwach ausgeprägt,
die neuen Herrschaften blieben meist blosse Ansprüche und die lokalen Dienstadligen handelten
selbstständig. Bis Ende des 13. Jh. gelangten die meisten Adelsbesitzungen durch Schenkungen an Klöster,
und im 13. Jh. kam auch der Besitz Muris an das Kloster Engelberg. Als grössere Herrschaftsträger blieben
somit nur die Klöster Engelberg und Murbach-Luzern sowie die Habsburger.
Habsburg stützte seine Herrschaft auf Vogteirechte, während die Klöster Murbach-Luzern und Engelberg
grundherrl. Rechte auf einen grossen Dinghof in Stans bzw. einen Hof in Buochs geltend machten. Im 13. Jh.
sind Versuche zur Herrschaftsverdichtung zu beobachten: Engelberg baute ab 1260 seinen Besitz durch Kauf,
Tausch und Schenkungen zu einer geschlossenen Herrschaft aus. Kg. Rudolf I. von Habsburg wurde 1274
Kastvogt über Engelberg und erwarb 1291 die grundherrl. Rechte Murbach-Luzerns in Unterwalden.
Autorin/Autor: Emil Weber
2.2 - Kommunale Bewegung und Territorialbildung im Spätmittelalter
2.2.1 - Entwicklung der Ürten (Genossenschaften)
Neben wirtschaftl. Aufgaben (kollektive Organisation von Landwirtschaft und Allmendnutzung) waren kirchl.
Strukturen (Dorfkirchen, Zehntbezirke) wichtige Grundlage für die Verdichtung der Ürten zu
Handlungsverbänden. So sind genossenschaftl. Strukturen im 13. Jh. zuerst in den Pfarreien Stans und Buochs
fassbar, wo wohl auch gemeinsame Wuhrbauten am Aawasser eine Rolle spielten.
Institutionalisierung und polit. Bedeutung der Ürten nahmen mit der landwirtschaftl. Umstellung auf Viehzucht
ab dem 14. Jh. zu, wie versch. Nutzungs- und Grenzkonflikte zwischen den Ürten zeigen. Ab 1400 weisen
einzelne Quellen wie die Buochser Dorfsatzungen auf die zunehmende Abschliessung der Ürten hin. Als
Träger staatl. Verwaltung blieben Ürten auch im entstehenden Territorialstaat wichtig, das Land war
nachgeordnet. Dies änderte sich erst um 1500, doch blieben Ürten und Pfarreien bis ins 19. Jh. tragende
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Elemente der Landesorganisation.
Autorin/Autor: Emil Weber
2.2.2 - Nidwalden und die Bundesbriefe von 1291 und 1315
Die Rolle, die N. beim Abschluss der frühen eidg. Bündnisse von 1291 und 1315 spielte, ist unklar.
Insbesondere die staatl. Organisation sowie das Verhältnis zu Obwalden sind schwierig zu interpretieren. Die
Forschung setzt N. in der Regel mit der Conmunitas hominum Intramontanorum Vallis Inferioris gleich, die im
Bundesbrief von 1291 genannt wird. Gleichzeitig lautet die Siegelinschrift jedoch auf Universitatis Hominum
de Stannes; erst nachträglich wurde sie um den für Obwalden stehenden Zusatz et Vallis Superioris erweitert.
Das lässt lediglich auf gewisse (pfarrei-)genossenschaftl. Strukturen in N. schliessen; ungeklärt bleiben jedoch
das Verhältnis zwischen N. und Obwalden sowie die Frage, ob Obwalden sich erst nachträglich dem Bündnis
angeschlossen habe. Im Bündnis von 1315 wie in allen folgenden eidg. Bündnissen erscheinen Obwalden und
N. dann gemeinsam als "Landleute von Unterwalden", jedoch mit demselben Siegel wie 1291.
Die ältere Forschung unterschied aus staatspolit. Gründen - die Orte des Bundes von 1291 sollten als
gleichberechtigte Partner erscheinen - die frühen Bündnispartner nicht bezüglich ihrer staatl. Entwicklung,
sondern beschrieb sie alle als sich allmählich festigende, demokrat. Talgemeinden. Demgegenüber stellt
Peter Blickle (1990) N. als "Juniorpartner" von Uri und Schwyz dar, da sich in N. erst kurz nach der Wende zum
14. Jh. ein zunächst schwacher kommunal verfasster Talverband gebildet habe, der 1309 die Reichsfreiheit
erlangt und den Bund von 1315 mitunterzeichnet habe. Blickle weist zu Recht darauf hin, dass in N. wohl bis
ins 14. Jh. hinein keine kommunale Talorganisation bestanden hat. Jedoch erklärt seine Hypothese die
Bedeutung Unterwaldens nicht, das ab 1304 in Erscheinung trat und später wieder zerfiel. Roger Sablonier
(2008) bezieht das herrschaftl. Umfeld stärker ein und betont die bestimmende Rolle der Reichsvogtei
Waldstätte und des Reichsvogts Werner von Homberg im 1. Drittel des 14. Jh. Er sieht Uri, Schwyz und
Unterwalden als Orte der Reichsvogtei und im Bundesbrief von 1291 eine Nachherstellung von 1309, welche
vor der königl. Kanzlei die Friedensfähigkeit der Orte beweisen sollte, um die Bestätigung der Reichsfreiheit
zu erwirken.
Fest steht, dass die Quellenbasis nicht ausreicht, um die Rolle N.s in den frühen eidg. Bündnissen zu klären,
und dass sich in N. erst im Verlauf des 14. Jh. eine kommunal verfasste Talgemeinde entwickelte. Diese geriet
dann zunehmend mit den bestehenden Klosterherrschaften in Konflikt.
Autorin/Autor: Emil Weber
2.2.3 - Herausbildung des Territorialstaats im 14. und 15. Jahrhundert
Mit der Auflösung des Landes Unterwalden und der Reichsvogtei Waldstätte geriet Stans nach 1330 stärker in
den Bereich des Klosters Engelberg, das seit längerem eine geschlossene Grundherrschaft im Tal zu errichten
versuchte. Bis 1360 erwarb es in beträchtl. Umfang Güter in Stans, Buochs und Wolfenschiessen, die es als
Erblehen wieder ausgab; um 1350 sind mehr als 200 Lehen nachzuweisen, und Dienstleute des Klosters
erscheinen in führenden Positionen. Die Nidwaldner Drittteile (Stans, Buochs, Wolfenschiessen), die bis ins 19.
Jh. Verwaltungsbezirke blieben, dürften auf eine administrative Einteilung dieser Zeit zurückgehen.
Durch die landwirtschaftl. Umstellung gewannen die Grossbauern in den Ürten Stans und Buochs an Einfluss
und betrieben eine offensive Politik um landwirtschaftl. Ressourcen, die sich auch gegen das Kloster richtete.
1363 beschlossen der Ammann und die Kirchgenossen von Stans und von Buochs eine Satzung gegen die
Tote Hand, ein Verkaufsverbot von Grundstücken an Kirchen und Auswärtige. 1378 brach ein Nutzungskonflikt
mit Luzern um Holzrechte am Bürgenstock aus, der von einem Waldstätter Schiedsgericht geschlichtet wurde.
Die herrschaftl. Dienstleute gerieten zunehmend in Bedrängnis; 1382 wurden sie in einem Umsturz aus dem
Land verbannt.
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Bis um 1400 lösten die Ürten faktisch die grundherrl. Hofgenossenschaften als lokale Herrschaftssubstrate ab.
Gleichzeitig werden erste Anzeichen territorialstaatl. Strukturen fassbar, so 1389 das Neunergericht, 1398 ein
Rat und die Landsgemeinde und 1400 ein Elfergericht mit Vertretern aus den grösseren Ürten. Die Funktion
des Landammanns verdeutlicht den Wandel hin zu einem kommunal verfassten Ort: Er war am Ende des 14.
Jh. sowohl herrschaftl. Beamter wie auch Repräsentant der Talgemeinde.
Ab 1400 dehnte N. sein Herrschaftsgebiet weiter aus. Nach Konflikten um Alprechte wurden die Engelberger
Dorfleute 1411 ins Landrecht aufgenommen, nach einem eidg. Schiedsspruch 1413 aber wieder in die
Klosterherrschaft entlassen. 1435 konnte N. sein Territorium im Alpgebiet dennoch auf Kosten des Klosters
erweitern und die neuen Grenzen vertraglich fixieren. Auch der grossflächige Auskauf grundherrl. Rechte fällt
in diese Zeit: 1432 beschloss die Landsgemeinde die Ablösung der Erblehen, 1457 wurden die Ansprüche des
Klosters Luzern ausgekauft. Engelberger Rechte kamen schrittweise an N., endgültig kaufte sich das Land erst
1686 vom Fall los. Mit der Verleihung des Blutbanns durch Kg. Sigismund 1417 verdichtete sich die
Landeshoheit, und Versuche zu ihrer Durchsetzung werden mit dem Landrecht von 1456 sichtbar. Bereits
1408 sind in Dallenwil Steuerrödel vorhanden, und 1413 werden Landessteuern erwähnt. Dennoch blieben die
staatl. Strukturen insgesamt so schwach, dass N. zur Lösung von Konflikten (Koller-, Mötteli-, Zelger- und
Amstaldenhandel) regelmässig auf eidg. Schiedsgerichte angewiesen war.
Autorin/Autor: Emil Weber
2.3 - Staatsbildung, Regieren und Verwalten im Ancien Régime
Erst die stärkere Integration der Eidgenossenschaft um 1500, die durch das Stanser Verkommnis
vorangetrieben wurde, die Expansion ins Tessin, wo N. mit Uri und Schwyz die Vogteien Bellinzona, Blenio und
Riviera vom frühen 16. Jh. bis 1798 als gemeine Herrschaften verwaltete (Ennetbirgische Vogteien), und die
Soldpensionen liessen eine starke Häupterherrschaft entstehen. Die staatl. Strukturen verfestigten sich Ende
des 15. Jh. zu einer stabilen Organisation. Die erste Sammlung des Rechts von 1456, die vorwiegend
Bestimmungen zur Friedenssicherung enthalten hatte, wurde Schritt für Schritt zu einer umfassenden
Ordnung von Gesellschaft und Staat ausgebaut. Die durch Beschlüsse einer "G'meindt an der Aa"
legitimierten Neuerungen wurden in den Landbüchern von 1510, 1623 und - erstmals systematisch - 1782
zusammengefasst. Von 1562 an wurden die Beschlüsse der Landsgemeinden und des Landrats (Versammlung
der Vorgesetzten zusammen mit der Vertretung der Ürten) protokollarisch festgehalten, von 1580 an auch
jene des Wochenrats (Vorgesetzte und je ein Ratsherr aus jeder Ürte). Das Land dominierte dabei zunehmend
die Ürten, die als örtl. Organisationen aber weiterhin das Leben in den Dorfgemeinschaften bestimmten.
N. verstand sich in der frühen Neuzeit als "Popularstand" und "Demokratie". Tatsächlich war jeder Landmann
ab dem 14. Altersjahr an der Landsgemeinde am letzten Sonntag im April bzw. an der "Nachgemeinde"
stimmberechtigt. Letztere Versammlung wurde in der Regel zwei Wochen nach der Landsgemeinde zur
Verabschiedung von Gesetzen abgehalten; sie war im 16. Jh. eingeführt worden, weil die blossen
Wahlgeschäfte nach dem Erwerb der Tessiner Vogteien vermutlich immer mehr Zeit bedurften. Die
Entscheidungsfreiheit des Landmanns war faktisch durch die Vorstellungen einer kleinen Machtschicht stark
eingeschränkt, deren Mitglieder durch vielfältige Verwandschaftsbeziehungen miteinander verbunden waren.
Mitglieder der regierenden Fam. Zelger, Lussi, Trachsler, Leuw, Achermann und Keyser brachen
Versammlungen, auf denen ihnen die Unterstützung verweigert wurde oder eine Verweigerung in Aussicht
stand, mehrfach mit dem Hinweis auf ihre Vorrangstellung kurzerhand ab. Versuche aus ihren Reihen
(1638-45, 1713-14) zielten denn auch auf eine Abschaffung der gesetzgebenden Nachgemeinde oder eine
Einschränkung des Rechts der Landleute, unangemeldet Anträge zu stellen, ab. Mehrere "verbindl. Artikel"
waren zudem der polit. Disposition generell entzogen, wie überhaupt die polit. und die persönl. Freiheit
eingeschränkt war: Trotz kleinstem Verwaltungsapparat waren die Lebensbereiche rigoros geregelt, das
Landvolk war der Obrigkeit zu Gehorsam verpflichtet, Abweichler oder "Unruhige" wurden verfolgt und
bestraft. Das absolutist. Herrschaftsverständnis trat nach dem verlorenen Villmergerkrieg 1712 und dem
Dorfbrand von Stans 1713 offen zu Tage, als die Obrigkeit die Schuld an den katastrophalen Ereignissen den
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grossen Einflussmöglichkeiten des Volks zuwies und dieses vorübergehend - die neue Ordnung hielt sich ein
einziges Jahr - von der polit. Entscheidungsfindung ausschloss.
An der Spitze des Landes stand, jeweils für ein Jahr gewählt, der Landammann, Vorsteher gleichzeitig der
Landsgemeinde und der Nachgemeinde sowie Vorsitzender aller Räte und des Geschworenengerichts.
Gewählt wurde er regelmässig aus der Dreiergruppe der alt Landammänner; erst bei einer Vakanz infolge
Todes stieg der Statthalter (Stellvertreter) zum Amt auf. Ergänzt wurden die „Vorgesetzten Herren“ durch den
Säckelmeister, den Obervogt sowie die militärisch orientierten Funktionen des Bau- und Zeugherrn, des
Bannerherrn, der Landesfähnriche und des Landeshauptmanns "nid dem Wald" bzw. jenem "ob und nid dem
Wald". Der Führungskreis bildete den Kern aller Räte, angefangen vom Wochenrat über den Landrat bis hin
zur Versammlung von Rät' und Landleuten, einer Art offener Parlamentssitzung.
Im eidg. Bundessystem richtete sich N. zunächst nach der Stadt Luzern aus, orientierte sich aber nach deren
stärkeren Anlehnung an Zürich v.a. an Schwyz. Die "Zwangsbruderschaft" mit Obwalden belastete das
nachbarl. Verhältnis wiederholt; seine geringere Gewichtung im eidg. Bund - es stellte nur jedes dritte Jahr
den Tagsatzungsgesandten und besetzte nur jede dritte der Vogteistellen Unterwaldens in den gemeinen
Herrschaften - wurde von N. nur ungern ertragen. Die Reste der gemeinsamen Organisation mit Obwalden,
namentlich im Militärbereich (gemeinsames Oberkommando durch den Landeshauptmann im Fall
gesamteidg. Feldzüge), wurden im 18. Jh. formlos getilgt. Immer wieder strittig war auch das Verhältnis zum
Kloster Engelberg, das auch als ehem. Grundherr für die Versorgung des Hochtals auf den Transit durch N.
angewiesen blieb; auch die einvernehmlich ausgehandelten Verträge wie jener von 1686 erwiesen sich als
nicht tragfähig. Zwar wurde 1715 der Durchgangszoll aufgehoben; nach einem Streit über den Grenzverlauf
auf dem Jochpass verzichtete N. aber auf sein Recht, den Talvogt zu stellen, und schied so aus dem
Schirmverband über Engelberg aus.
Im Wettbewerb unter den führenden Mächten Europas um Schweizer Söldner setzte sich im 18. Jh. zunächst
Frankreich durch, doch wurden auch mit Savoyen (1703), Venedig (1716), Spanien (1733) und dem Fürstbf.
von Basel (1735) Werbe- und Soldverträge geschlossen. Um seine Werbeverträge abzusichern, zahlte
Frankreich durch einen ortsansässigen Vertrauensmann aus einem der führenden Geschlechter ein sog.
Gnadengeld. 1707-08 und 1738 scheiterten Versuche, die Verteilung der Pensionen gerechter zu gestalten.
1764 kühlte sich das Verhältnis zu Frankreich wegen der einseitigen Änderung des Dienstreglements ab; die
Obrigkeit N.s zog die Verteilung der franz. Pensionen zunächst an sich und verzichtete schliesslich überhaupt
auf die Annahme der Gelder. Nachdem Frankreich nach 1789 als Militärpartner ausgeschieden war, suchte N.
die Nähe Spaniens, mit dem es 1793 einen Vertrag über die Errichtung eines Nidwaldner Regiments schloss.
Für eigene Verteidigungszwecke konnte N. bis zu 1'035 Mann, die der Pflicht zur Selbstbewaffnung
unterstanden, zusammenrufen. Die Mannschaft umfasste zehn Rotten zu 100 Mann. Marschiert wurde in drei
"Auszügen": Das "erste Fähnchen" mit 300, das "Banner" mit 400 und das "letzte Fähnchen" mit wiederum
300 Soldaten. Mit Ausnahme der Fähnriche, die von der Landsgemeinde gewählt wurden, bestimmten die
Rotten ihre Offiziere durchwegs selbst. Während die Infrastruktur mit dem Bau eines Zeughauses 1667 und
eines Pulverturms 1670 verbessert wurde, blieben Ausbildung und Bewaffnung dürftig.
Autorin/Autor: Peter Steiner
3 - Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur vom Hochmittelalter bis ins 18. Jahrhundert
3.1 - Bevölkerung und Siedlung
Die demograf. Entwicklung vor 1750 kann mangels Quellen nur grob geschätzt werden. Für das HochMA sind
im Zusammenhang mit dem Landesausbau die Ausdehnung der Siedlungszone und ein
Bevölkerungswachstum anzunehmen: Namenkundl. Befunde und Kirchengründungen weisen auf eine
vermehrte Siedlungstätigkeit hin, Rodungen und zunehmende Konflikte um landwirtschaftl. Nutzungsrechte
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auf eine generelle Bevölkerungszunahme. Neue Siedlungen entstanden v.a. in der Bergzone, in der die
Mobilität der Bevölkerung generell hoch gewesen sein dürfte. Eine ältere Hypothese geht für das 13. Jh. von
ca. 15'600 Einwohnern in N. aus; diese Zahl liegt aber sicher zu hoch, neue Schätzungen sprechen von etwa
7'000 Einwohnern in ganz Unterwalden. Im Zug der spätma. Agrarkrise verlangsamte sich das
Bevölkerungswachstum. Die Bevölkerung nahm wegen Pestepidemien ab, Siedlungen und Wirtschaftsplätze
in der Bergzone (z.B. in Engelberg und Niederrickenbach) wurden wegen wirtschaftl. Umbrüche oder
Klimaverschlechterungen aufgegeben.
In der frühen Neuzeit schwankte die Bevölkerungszahl stark. Insgesamt war das Wachstum gering, die
Wirtschaftsweise liess keinen Bevölkerungsschub zu. Wiederholte Pestzüge brachten Bevölkerungsrückgänge,
die aber schnell wieder aufgeholt wurden, und in Krisenzeiten trug auch der Solddienst zu einer kurzzeitigen
Abnahme der Bevölkerung bei. Ab 1743 ist die Bevölkerungsentwicklung in Kommunikantenerhebungen
ersichtlich: Damals wurden in N. 7'814 Einwohner gezählt. Da es kaum Beschäftigung in der Heimindustrie
gab, nahm die Bevölkerungszahl erst ab 1770 infolge sinkender Kindersterblichkeit und höherer
Geburtenraten langsam zu; 1799 betrug sie 8'496 Einwohner.
Autorin/Autor: Emil Weber
3.2 - Wirtschaft
3.2.1 - Mittelalter
Im HochMA herrschten auf Subsistenz ausgerichtete landwirtschaftl. Nutzungsformen vor, die durch die
versch. Höhenlagen bedingt waren. In der Hochweidzone waren klösterl. und genossenschaftl. Alpwirtschaft
bedeutend. In der Bergzone existierten oft vom Tal unabhängige Formen der Weidewirtschaft, ergänzt durch
Ackerbau in temporären Einschlägen. In der Talzone war die grundherrl. Klosterwirtschaft wichtig. Die
Nutzungskreise waren wenig fixiert: In Siedlungsnähe dominierten Viehzucht, extensiver Getreideanbau und
Gartenwirtschaft, weiter entferntes Land wurde nur teilweise genutzt, der Wald als temporäres Weidegebiet
integriert. Eine Zelgenverfassung wie im Mittelland konnte wegen der Mischwirtschaft und dem geringen
herrschaftl. Druck kaum entstehen.
Wie in anderen Alpentälern wurde ab dem 14. Jh. die Grossviehhaltung intensiviert, die bis ins 16. Jh. die
anderen Nutzungsformen verdrängte. Galt früher die Ablösung der Grundherrschaft als Ursache für diese
Entwicklung, werden heute von den Städten ausgehende Impulse (Handel, Geldverkehr) in den Vordergrund
gestellt: Steigende Nachfrage nach Fleisch in den oberital. Städten begünstigte den Export von Grossvieh,
sinkende Preise den Import von Getreide aus dem süddt. Raum. Neben Zürich stieg v.a. die Bedeutung der
Stadt Luzern als Markt. Auch Stans wurde als lokaler Markt wichtiger (Marktfrieden 1456).
Ab 1400 setzte sich zuerst die kommerzialisierte grossbäuerl. Viehzucht durch. Die Grossbauern versuchten,
ihre Weidemöglichkeiten mit Allmendeinschlägen, vermehrtem Alpauftrieb sowie der Liquidation klösterl.
Rechte zu erweitern und förderten die Expansionspolitik der Talschaft. Der Wandel verstärkte die
genossenschaftl. Organisation der Landwirtschaft und verband Tal-, Berg- und Hochweidzone in einem
zusammenhängenden System, führte aber auch zu Konflikten zwischen Gross- und Kleinbauern um
Weideplätze. Grosse Verdienstmöglichkeiten eröffneten sich im Soldunternehmertum.
Im HochMA waren die Fischrechte im Aawasser und in Ufernähe des Vierwaldstättersees Teil der
Grundherrschaften der Klöster Engelberg und Murbach-Luzern; im 14. und 15. Jh. gingen sie dann in die
Hände der Ürten bzw. des Orts über. Laut einer Zeugenaussage von 1434 waren die Fischrechte in Seemitte
seit alters her frei, jedoch sind bereits im 14. Jh. Konflikte zwischen Nidwaldnern und der Stadt Luzern um den
Fischfang belegt. Aufgrund der Lage N.s ist eine Schifffahrt zumindest nach Luzern, dem regionalen
Marktplatz, anzunehmen; ihre Bedeutung bleibt jedoch wegen der schlechten Quellenlage im MA unklar. Erst
für die frühe Neuzeit lässt sich eine rege Transportschifffahrt entlang des Bürgenstocks belegen.
Autorin/Autor: Emil Weber
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3.2.2 - Frühe Neuzeit
Vieh- und Alpwirtschaft stellten auch in der frühen Neuzeit den tragenden Erwerbspfeiler dar, weshalb N. in
der Reiseliteratur des ausgehenden 18. Jh. auch als "klass. Hirtenland" bezeichnet wurde. Neben der auf Viehund Hartkäseexport ausgerichteten Landwirtschaft lassen sich in den grösseren Ortschaften Kleingewerbe
und Handwerk nachweisen, deren Betreiber sich ab dem 17. Jh. wenigstens im Flecken Stans in kirchl.
Bruderschaften zünftisch zu organisieren begannen. Ansätze einer Protoindustrialisierung sind ab 1598 im
Rotzloch (Gem. Stansstad) nachweisbar, wo sich neben einer Papiermühle bis 1626 eine Öltrotte, eine
Sägerei, eine Pulvermühle, eine Gerberei und eine Eisenschmelze ansiedelten. Papierherstellung sowie
Eisenverarbeitung sollten hier über 200 Jahre lang weiter betrieben werden. Eine Ziegelproduktion war in
Hergiswil beheimatet, die jedoch erst gegen Ende des 18. Jh. zu einer Blüte kam.
Die Landwirtschaft stellte zwar die wichtigste Erwerbsquelle dar, doch vermochte sie nicht allen Einwohnern
ein Auskommen zu verschaffen. Und da die Obrigkeit keine Anstalten traf, die frühen Industrien zu fördern,
blieben als Ausweg nur der temporäre Wegzug in Form von Fremden Diensten oder die dauernde
Auswanderung ins Elsass, nach Ostpreussen oder ab dem 18. Jh. auch nach Russland. Die Soldbündnisse
brachten dem Staatsschatz Einkünfte und sicherten den führenden Geschlechtern eine standesgemässe
Lebensführung. Der überwiegende Teil der Bevölkerung profitierte wenig von den Pensionsgeldern und lebte
in bescheidenen Verhältnissen.
Autorin/Autor: Hansjakob Achermann
3.3 - Gesellschaft
3.3.1 - Mittelalter
Die Führungsgruppe der hochma. Gesellschaft bildeten Dienstleute wie die Ritter von Buochs oder die Meier
von Stans. Sie waren den Grundherren gegenüber recht selbstständig. Vereinzelte archäolog. Funde weisen
auf Bemühungen dieser Gruppe um Teilnahme am höf. Leben und auf überregionale Kontakte hin. Die Bauern
bildeten keine einheitl. Gruppe; unterschiedl. Prestige ergab sich aus den versch. Wirtschaftsweisen in Tal-,
Berg- und Hochweidzone. Das soziale Leben der Bauern spielte sich in diversen Verbänden ab, die sich
gegenseitig überlagerten: Genossenschaften, Pfarreien und Fronhöfe. Die Integration in solche Verbände darf
jedoch nicht überschätzt werden, da Grundherrschaft und Flurverfassung insgesamt kaum ausgebildet waren.
Um 1300 erscheinen neue Dienstleutegeschlechter wie z.B. die von Retschrieden, von Winkelried, von
Ödisried, von Waltersberg oder von Tottikon. Letztere zwei gelangten im 14. Jh. gar zu regionalem Einfluss.
Ihre Stellung gründete wesentlich auf Verwandtschaften im Regionaladel, ihr Lebensstil unterschied sich aber
kaum von demjenigen reicher Bauern. Ab etwa 1350 beschleunigte die Intensivierung der Viehzucht, welche
die reichen Bauern forcierten, den sozialen Wandel. Während die Dienstadligen diese Entwicklung verpassten,
bauten Bauernfamilien wie die Zelger und Amstein ihre Stellung aus, bis 1382 der Umsturz erfolgte und die
von Waltersberg und von Tottikon verbannt wurden. Bis um 1500 verdichteten die Grossbauern ihre Stellung
zu einer Häupterherrschaft.
Die soziale Differenzierung nahm trotz ausgleichenden Tendenzen in den Genossenschaften mit der
landwirtschaftl. Umstellung zu. Nach 1382 kam es unter den Bauern zu sozialen Konflikten, die in wechselnder
Intensität während des ganzen 15. Jh. anhielten und mehrmals zu eidg. Schlichtungsversuchen führten.
Während einzelne Grossbauern bis nach Zürich als Kreditgeber auftraten, waren viele Kleinbauern durch
Einschränkungen der Allmendrechte und verstärkten grossbäuerl. Alpauftrieb in ihrer Existenz bedroht.
Autorin/Autor: Emil Weber
3.3.2 - Frühe Neuzeit
Bis ins 16. Jh. wurde die Besiedlung N.s immer dichter. Auffällig sind die Ausbreitung der Fam. von ihren
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Stammsitzen in Höhenlagen (Altzellen, Oberrickenbach, Wiesenberg) über das ganze Kantonsgebiet und der
Zuerwerb örtl. Ürterechte durch Mitglieder dieser Fam., eine Entwicklung, die noch im 17. Jh. andauerte. Ohne
das Ürterecht blieben selbst die Angehörigen von Landleutegeschlechtern auf genossenschaftl.-dörfl. Ebene
weitgehend ohne Mitwirkungsrechte.
Mit Obwalden bestand die Übung, dass Angehörige sog. alter Landleutegeschlechter das Landrecht sowohl ob
wie auch nid dem Kernwald besassen, wobei im 18. Jh. dann von N. 1563 und von Obwalden 1570 als
Stichjahre festgesetzt wurden, bis zu denen in Frage kommende Fam. ihr Landrecht erworben haben
mussten. Wiederholt wurden auch fremde Fam. ins Landrecht aufgenommen, bis sich die Talgemeinde in der
2. Hälfte des 17. Jh. rigoros gegen aussen abschloss. 1679 verfügte N. eine - bis 1728 immer wieder
verlängerte - Aufnahmesperre für Beisassen, 1684 ein bis 1725 geltendes Einbürgerungsverbot. Danach
erfolgten nur noch vereinzelte Aufnahmen ins Landrecht. Die abweisende Haltung, die ihre Ursache im
verstärkten Bevölkerungswachstum haben dürfte, zeigt sich auch in der Erschwerung der Eheschliessung mit
landesfremden Frauen, im Verbot des Verkaufs von Gütern an Fremde und mit dem Ausschluss der
Eingebürgerten und ihrer Nachkommen von den Ämtern bis in die vierte Generation. Jeweils nur auf ein Jahr
hin waren die Beisassen geduldet, die jährlich unter Angabe ihrer berufl. Tätigkeit die Nachgemeinde um die
Bestätigung ihres Aufenthaltrechts bitten mussten.
Autorin/Autor: Peter Steiner
3.4 - Kirche, Kultur und Bildung
N. gehörte bis 1815 zum Bistum Konstanz; es bildete ein eigenes Sextariat im ab 1168 belegten Dekanat
Luzern, für das sich später die Bezeichnung Vierwaldstätterkapitel einbürgerte. Dieses zählte seinerseits zum
Archidiakonat Aargau. 1724 erhielt N. einen eigenen bischöfl. Kommissar, nachdem das Gebiet vorher dem
Luzerner Kommissariat angeschlossen gewesen war.
Im 10. Jh. wird mit Buochs eine zweite Kirche neben Stans fassbar; diese kirchl. Einteilung hatte bis ins 15. Jh.
Bestand. Im 13. Jh. kamen die Patronatsrechte an beiden Kirchen an das Kloster Engelberg, bis um 1300
wurden sie inkorporiert. Erst im 15. Jh. setzten Stanser und Buochser Pfarrgenossen mit eidg. Unterstützung
das Recht auf freie Pfarrwahl durch. Bereits 1148 war das Engelberger Patronat dem neu gestifteten Kloster
zugesprochen worden.
Ab dem 14. Jh. führten Bevölkerungszunahme und Landesausbau zu Filialgründungen in allen Dörfern.
Emmetten kurte sich in einem langen Streit 1454-90 faktisch bzw. 1593 auch de jure, Beckenried 1638 von
der Pfarrei Buochs ab; Wolfenschiessen löste sich 1469 (Kirche seit 1277 belegt), Hergiswil 1621 von Stans.
Bis 1881 bestanden in N. sechs Pfarreien.
Wegen der Zugehörigkeit zur Diözese Konstanz war die oberrhein. Kunst zumindest im kirchl. Bereich in N.
stark vertreten; erst Anfang des 16. Jh. werden mit dem Erwerb der ennetbirg. Vogteien und der wachsenden
Bedeutung der Lombardei als Absatzmarkt auch südl. Einflüsse spürbar. Ausgeprägte Beispiele dieser
Italienität sind zwei heute noch erhaltene Stanser Patriziersitze, das Winkelriedhaus und die Rosenburg (oder
Höfli), die Melchior Lussi bzw. Johann Waser ab 1550 umfassend umgestalteten. Im Zeitalter des Barocks
waren neben Einheimischen v.a. Künstler aus dem ital. und dem süddt. Raum in N. tätig.
N. blieb mit der ganzen Innerschweiz der kath. Konfession treu. Die Reformen des Konzils von Trient
(1545-63) mussten aber anfänglich gegen den Volkswillen durchgesetzt werden; zum Durchbruch verhalf
ihnen der Kapuzinerorden, den Melchior Lussi, ein bedeutender Förderer der kath. Reform, 1582 nach Stans
geholt hatte. Mit ihrer Einfachheit und ihrer Lebensfreude prägten die Kapuziner den Nidwaldner
Katholizismus des Barocks. Sie pflegten eine abwechslungsreiche Volkskultur, in der sich kirchl., bäuerl. und
handwerkl. Formen überlagerten (Wallfahrten, Bittgänge, Adventsbrauchtum und Neujahrssingen, Schützenund Älplerkilbenen, Bruderschafts- und Zunftfeste). N. erlebte 1584-97, 1621-31 sowie 1650-67 Wellen der
Hexenverfolgung, bei denen 104 Personen einen gewaltsamen Tod fanden.
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Die "deutsche Schule" in Stans wird um 1450 erstmals erwähnt. 1585 wird für Buochs zum ersten Mal ein
Schulmeister genannt, 1621 ein solcher für Hergiswil. In den übrigen Nidwaldner Gem. tauchen "deutsche
Schulen" im 18. Jh. allmählich auf. Die Knaben der Oberschicht erhielten zuerst Privatunterricht bei
unverpfründeten Priestern, danach wurden sie für ein paar Jahre ins Jesuitenkollegium nach Luzern geschickt.
Die 1749 in Stans eröffnete Lateinschule führten die Kapuziner ab 1778 als Schule für das ganze Land. Zur
Erlangung der Universitätsreife waren Nidwaldner Schüler allerdings auf einen Abschluss an einer auswärtigen
Schule angewiesen.
Gegen Ende des 18. Jh. bildete sich in N. ein kleiner Freundeskreis einheim. Intellektueller aus der
Führungsschicht, die sich den Ideen der Aufklärung öffneten und zum Teil wie z.B. Jost Remigi Trachsler, Jakob
Josef Zelger, Franz Niklaus Zelger und Franz Joseph Businger auch Mitglieder der Helvet.-Militär. Gesellschaft
waren. Die Resonanz dieser Patriotenpartei, zu denen auch einige unverpfründete Priester zählten, blieb
gering, zumal sich einzelne ihrer Repräsentanten bei ihrem staatl. Handeln weiterhin an absolutist. Maximen
orientierten; sie genügte aber, um die Führungsschicht am Vorabend der Franz. Revolution zu verunsichern
und in zwei Lager zu spalten.
Autorin/Autor: Hansjakob Achermann
4 - Der Staat im 19. und 20. Jahrhundert
4.1 - Politische Geschichte und Verfassungsentwicklung
4.1.1 - Von der Helvetik zum Bundesstaat (1798-1848)
Die Helvet. Republik stiess ausserhalb der kleinen patriot. Gruppe aus weltanschaul.-religiösen Gründen auf
breite Ablehnung. Im April 1798 verwarf die Nidwaldner Landsgemeinde wie diejenigen der anderen
Innerschweizer Kantone mit Ausnahme Obwaldens die Helvet. Verfassung. Die Kantone mussten dann nach
einer missglückten Militäraktion Anfang Mai klein beigeben; die Nidwaldner Landsgemeinde nahm am 13. Mai
gezwungenermassen die neue Verfassung an. Nachdem N. als Distrikt Stans (nun mit Engelberg) Ende Mai
dem neu gebildeten Kt. Waldstätten angegliedert worden war - man wollte die Anzahl der Repräsentanten der
widerspenstigen Kantone in Aarau verkleinern -, radikalisierte sich der Widerstand der "Vaterländer" an der
Leistung des Bürgereids. Der Distriktstatthalter Ludwig Maria Keyser und andere Patrioten wurden am 18.
August in Haft gesetzt und eine konstitutionswidrig einberufene Landsgemeinde beschloss zwei Tage später,
sie vor Gericht zu stellen. Eine weitere Landsgemeinde lehnte nach dem Scheitern versch.
Vermittlungsersuche am 29. August das Ultimatum der helvet. Behörden ab und beschloss die Mobilmachung;
am 9.9.1798 stürzten sich, aufgestachelt durch Geistliche wie den Kapuzinerpater Paul Styger, die Nidwaldner
Truppen in eine aussichtslose Schlacht gegen die franz. Armee unter General Alexis Balthasar Henri Antoine
von Schauenburg, dem die helvet. Behörden den Auftrag zur Niederschlagung des Aufstandes erteilt hatten.
Rund 100 Nidwaldner und ebenso viele Franzosen fielen im Kampf, weitere gut 300 Männer, Frauen und
Kinder kamen bei den anschliessenden Massakern um. Die Dörfer Ennetmoos, Stansstad, Buochs und Stans
wurden stark verwüstet. Die "Nidwalder Schreckenstage" erzeugten ein kollektives Trauma, das lange
nachwirkte und im 19. Jh. auch bei der Ablehnung der versch. Verfassungsrevisionen auf Bundesebene eine
Rolle gespielt haben dürfte.
Die militär. Besatzung, Zwangsmassnahmen der helvet. Behörden, Verhaftungen und Deportationen
verschärften die Ressentiments in der Bevölkerung weiter. Nach dem Abzug der franz. Truppen aus der
Schweiz 1802 wurde in N. die Landsgemeinde wieder eingeführt. Die Mediationsakte von 1803, welche die
erste geschriebene Verfassung Unterwaldens enthielt, erkannte die Teilung in N. und Obwalden an und setzte
dem Zweidrittelsvorrang Obwaldens ein Ende. Sie beliess Engelberg bei N. und ermöglichte teilweise die
Rückkehr zur vorrevolutionären Ordnung; erhalten blieben vorderhand lediglich die polit. Gleichberechtigung
der Beisassen, d.h. der Landleute, die im Kanton, aber ausserhalb ihrer Stammürte wohnten, und die
Abschaffung der Untertanenverhältnisse.
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Nach dem Untergang des napoleon. Imperiums setzten die Konservativen 1814 die alte Ordnung wieder in
Kraft; die Beisassenrechte wurden wieder abgeschafft. N. verweigerte dem eidg. Bundesvertrag von 1815 die
Zustimmung und trat aus dem Bund mit dem Ziel, den alten Dreiländerbund von 1315 mit Uri und Schwyz
wiederzubeleben, aus. Der Bruch mit der Tagsatzung bewog Hergiswil und Engelberg, eigenständig den
Beitritt zum Bund zu erklären. Die schwache und zerstrittene Regierung vermochte die Lage nicht zu
beruhigen. Erst nach dem Einmarsch von Bundestruppen am 18.8.1815 lenkte N. ein, bezahlte seinen
Widerstand jedoch mit dem Verlust des eidgenössisch gesinnten Engelberg an Obwalden. Dem Gebot, im
eidg. Archiv die kant. Verfassung zu hinterlegen, kam N. 1816 mit einem knappen Auszug der wichtigsten
Bestimmungen aus dem 1806 letztmals revidierten Landbuch nach.
Die 1. Hälfte des 19. Jh. war vom Schock des Franzoseneinfalls und den Spannungen zwischen konservativen
und liberalen Kräften geprägt. Markante Streitpunkte waren die Frage der Bistumszugehörigkeit - 1819 kam
N. zu der Diözese Chur - und die Kontroverse über die Darstellung des Lebens Jesu in einem Schulbuch
("Namenbüchlein-Streit" 1835).
Ab den 1830er Jahren nahmen vermehrt auch liberale, eidgenössisch gesinnte Persönlichkeiten Einfluss auf
das öffentl. Leben. Sie fanden sich in der "Rotzloch-Gesellschaft" bzw. im Vaterländ. Verein zusammen. Die
Liberalen engagierten sich auch im sozialen Bereich; sie waren massgeblich an der 1827 erfolgten Gründung
der ersten Bank im Kanton, der Ersparniskasse N. (EKN), an der Förderung der Bildung sowie an der
Errichtung des 1865 fertiggestellten Kantonsspitals beteiligt.
Dem Bemühen der liberal regierten Kantone, die Eidgenossenschaft in einen Bundesstaat zu überführen,
stand die konservative Mehrheit in N. ablehnend gegenüber. Nach der Klosteraufhebung im Aargau 1841
schloss sich N. dem konservativen Sarnerbund und nach den radikalen Freischarenzügen 1845 dem
Sonderbund der kath.-konservativen Kantone an. Auch nach der Niederlage gegen die eidg. Truppen im
Sonderbundskrieg von 1847 verstummte die konservative Opposition gegen die Bundesrevision nicht. Sie
beschwor mit Hilfe einflussreicher Geistlicher erneut die Gefahren für die Religion und die Rechte der Kirche,
die sie insbesondere in der Presse- und in der Niederlassungsfreiheit ortete. 1848 verwarf die Landsgemeinde
die Bundesverfassung klar, doch fügte sich N. diesmal dem Mehrheitsentscheid der Kantone.
Autorin/Autor: Karin Schleifer-Stöckli
4.1.2 - Integration in den Bundesstaat und politisches Leben (1848-77)
Nach der Niederlage des Sonderbunds wurden einige bedeutende liberale Persönlichkeiten wie der
Papierfabrikant Kaspar Blättler in polit. Ämter gewählt. 1850 erliess N. die erste autonom erarbeitete
Kantonsverfassung, die alle niedergelassenen Schweizer Männer christl. Glaubens in den Genuss polit. Rechte
auf Kantons- wie auf Gemeindeebene kommen liess. Die Ürten wurden zu Gunsten der Bezirksgemeinden
(Einwohnergemeinden) politisch entmachtet. Weiter wurde die Pressefreiheit garantiert, die Amtsdauer der
Behördenmitglieder beschränkt und die Wahl der Vorsitzenden Herren, der Landräte, der
Bundesparlamentarier und wichtiger Beamter der Landsgemeinde übertragen. Der Landrat wurde
Wahlbehörde des Wochenrats und der Gerichte. Keine Chance hatte die vom liberalen Vaterländ. Verein
geforderte Gewaltentrennung, so dass weiterhin der regierende Landammann als oberster Richter fungierte
und der Landrat für Strafrechtsprozesse zuständig blieb. Ebenso vergeblich verlangte die liberale Seite die
Wahl der Landräte durch die Bezirksgemeinden statt durch die Landsgemeinde.
Zahlreiche neu erstellte Schulhäuser, die Durchführung des Eidg. Schützenfests in Stans 1861 sowie der Bau
des Winkelrieddenkmals 1865 stehen für einen geistigen Aufbruch und eine behutsame Öffnung gegenüber
dem Bundesstaat. Dennoch vermochte die kath.-konservative Führung die Bevölkerung in Einzelfragen immer
wieder gegen Modernisierung und Zentralisierung zu mobilisieren, unterstützt durch die z.Z. des Kulturkampfs
erstarkten kath. Vereine. Als Mitgründer des Schweizerischen Kath. Volksvereins prägte Landammann Hans
von Matt (1869-1932) das polit. Klima im Kanton und den polit. Katholizismus in der Schweiz mit.
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Der Revision der Bundesverfassung 1874, die N. mit 81% Neinstimmen ablehnte, folgte diejenige der
Kantonsverfassung 1877. Für die Wahl der Landräte waren nun die Bezirksgemeinden zuständig. An die Stelle
des Wochenrats trat der Regierungsrat, und die Gesetzgebung wechselte von der aufgehobenen Nach- zur
Landsgemeinde. Die Armen- und Schulgemeinden erschienen neu als autonome kommunale Körperschaften.
Die Gerichtsorganisation wurde modernisiert und neu das Obergericht als Appellationsinstanz geschaffen.
Autorin/Autor: Karin Schleifer-Stöckli
4.1.3 - Die politische Entwicklung 1877-1945
Um die Wende zum 20. Jh. wurden die kath.-konservative Partei (heute CVP) und die liberale Partei (heute
FDP) formell gegründet, die bis heute das polit. Leben dominieren. 1897 wurde eine liberal geprägte Revision
des Grundgesetzes verworfen. Die Revision der Kantonsverfassung von 1913 verstärkte die
Gewaltentrennung, indem die Regierungsräte nicht mehr dem Parlament angehörten und folglich der
Landammann auch nicht mehr dem Landrat vorsass.
In den 1930er Jahren führte die Idee der Eigenversorgung des Kantons mit elektr. Strom zu
Auseinandersetzungen quer durch die Parteien. An der Landsgemeinde von 1934 setzte eine Volksbewegung
den Bau eines Elektrizitätswerks auf der Bannalp - dieser diente auch als Beschäftigungsprogramm in der
Krisenzeit - gegen die Regierungs- und Landratsmehrheit durch. Im Anschluss daran wurde die Regierung neu
gewählt; lediglich zwei Bisherige der elfköpfigen Regierung blieben im Amt. 1936 stimmte das Volk einer von
der Bannalp-Bewegung initiierten Verfassungsänderung zu, die der Landsgemeinde mit der Wahl der Richter
und einiger hoher Staatsbeamten mehr Kompetenzen zuwies.
Der ab 1935 in Buochs errichtete Militärflugplatz und die 1939 gegr. privaten Pilatus Flugzeugwerke lösten
erstmals eine beträchtl. Zuwanderung und damit auch eine gesellschaftl. Durchmischung aus. Neu wurden
auch gewerkschaftl. Kräfte aktiv und die Parteienlandschaft erweiterte sich mit der Gründung einer Bauernund Arbeiterpartei 1942. Diese wurde 1947 in SP umbenannt; ihr Wirken in N. blieb jedoch marginal.
Autorin/Autor: Karin Schleifer-Stöckli
4.1.4 - Die Modernisierung seit dem 2. Weltkrieg
Nachdem N. dem aufkommenden Automobilverkehr im frühen 20. Jh. zunächst noch abweisend
(Strassenzölle, Sperrzeiten) begegnet war, lösten die von der Landsgemeinde 1954 beschlossenen Bahn- und
Strassenprojekte einen Entwicklungsschub aus. 1964 wurde nach der Fertigstellung des Loppertunnels die
Luzern-Stans-Engelberg-Bahn (seit 2005 Zentralbahn AG) in Betrieb genommen. Die A2 ab Ennethorw und die
Eröffnung der Tunnels durch Gotthard und Seelisberg (1980) brachten den Anschluss ans schweiz.
Autobahnnetz. Nationalstrassen und Eisenbahnen verhalfen N. damit erstmals zu einer günstigen
Verkehrslage.
Der schnelle gesellschaftl. Wandel der Nachkriegszeit verlangte nach adäquaten Gesetzesnormen; 1965 gab
sich das konservativ geprägte N. die modernste Kantonsverfassung der Schweiz. Die Freiheitsrechte des
Individuums wurden, jetzt neu als Grundrechte bezeichnet, gestärkt und systemat. Staatsziele fixiert.
Ausserdem wies das Grundgesetz - eine Neuheit im Staatsrecht der Kantone - dem Obergericht eine kant.
Verfassungsgerichtsbarkeit zu. Dieses entschied fortan über die Rechtmässigkeit von Gesetzen und
Verordnungen des Kantons, der Gem. und der Korporationen sowie über Konflikte, in welche staatl.
Institutionen involviert waren. Die Totalrevision der Verfassung bedingte bis Ende der 1970er Jahre die
praktisch vollständige Neufassung der gesetzl. Grundlagen. Gegen geringen Widerstand wurde 1972 das
Frauenstimmrecht auf kommunaler und kant. Ebene eingeführt. 1981 wurde das Proporzwahlrecht für den
Landrat beschlossen, was in der Folge auch neuen polit. Gruppierungen Partizipationschancen eröffnete.
Diese nahmen das links-grüne, 1982 gegr. Demokratische N (seit 2009 Grüne N.) und seit 1999 auch die SVP
wahr. Schon 1970 hatten die 1946 gegr. CSP und die kath.-konservative Partei zur CVP fusioniert.
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Wahlen in die Bundesversammlung 1919-2015 (ausgewählte Jahre)
1919 1928 1939 1959 1963 1971 1979 1983 1991 1995 1999 2003 2007 2011 2015
Ständerat
CVP
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
FDP
1
Parteilos
1
Nationalrat
CVP
1
1
1
1
1
1
1
1
1
FDP
1
1
1
1
SVP
1
1
Quellen:HistStat; BFS
Zusammensetzung des Regierungsrats 1946-2016 (ausgewählte Jahre)
1946 1949 1952 1958 1966 1974 1982 1990 1994 1998 2002 2006 2010 2016
CVP
8
5
6
5
6
6
5
5
6
4
3
3
2
2
FDP
3
5
4
3
3
3
4
4
3
2
3
3
3
3
1
1
1
1
1
1
2
2
7
7
CSP
Demokratisches
Nidwaldena
SVP
Total Sitze
a
11
11
11
9
9
9
9
9
9
7
7
7
seit 2009 Grüne Nidwalden
Quellen:BFS; Fabian Hodel
Landratswahlen 1946-2014 (ausgewählte Jahre)a
1946 1949 1952 1958 1966 1974 1982 1990 1994 1998 2002 2006 2010 2014
CVP
40
34
32
36
33
42
35
30
33
30
24
25
18
17
FDP
17
18
17
19
20
18
22
22
21
21
19
19
17
15
6
7
3
3
1
1
1
2
1
1
3
8
7
7
5
8
7
7
19
17
1
1
60
60
60
60
CSP
SP
1
Demokratisches
b
Nidwalden
1
8
6
SVP
Parteilos
Total Sitze
1
58
58
56
1
3
60
60
1
60
60
a
Bis 1978 Wahlen nach Majorz-, 1982 erstmals nach Proporzsystem.
b
seit 2009 Grüne Nidwalden
60
60
60
Quellen:HistStat; BFS; Fabian Hodel
In den 1980er und 90er Jahren konzentrierten sich die polit. Auseinandersetzungen auf das geplante Endlager
für radioaktive Abfälle im Wellenberg (Gem. Wolfenschiessen). Dieses Projekt scheiterte am mehrfachen Nein
des Volkes, zuletzt 2002. In diesem Zusammenhang beschloss 1994 eine ausserordentl. Landsgemeinde, dass
fortan Regierungsratswahlen und wichtige Sachgeschäfte an der Urne zu entscheiden seien. Die
Landsgemeinde verlor an Bedeutung und wurde schliesslich am 1.12.1996 in einer Volksabstimmung mit
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grosser Mehrheit abgeschafft. Das ehem. Einzelinitiativrecht wurde durch die Einführung des konstruktiven
Referendums kompensiert. Die anschliessende Regierungs- und Verwaltungsreform verminderte die Zahl der
Regierungsräte von neun auf sieben. Die ersten beiden Frauen wurden 2002 in die Regierung gewählt. 2010
stellte die SVP - nach mehr als 150 Jahren Dominanz der Kath.- Konservativen bzw. der CVP - erstmals die
stärkste Fraktion im Landrat und zog mit zwei Vertretern auch in den Regierungsrat ein..
Autorin/Autor: Karin Schleifer-Stöckli
4.2 - Verwaltung und Staatstätigkeit
4.2.1 - Die staatlichen Institutionen im Wandel
Die Ürten, die bis 1798 und dann wieder 1814-50 eine dominierende Rolle gespielt hatten, verloren mit der
Kantonsverfassung von 1850 ihre polit. Funktionen, blieben aber in ihrem Besitz an Allmenden und Wäldern
unangetastet. Einen ähnl. Bedeutungsverlust mussten auch die Kirchgemeinden hinnehmen. Diese büssten
im Laufe des 19. Jh. Einfluss und Kompetenzen im Bildungs- und Zivilstandswesen, bei der Wahl der
Friedensrichter und als Fürsorgebehörden ein. Die 1850 errichteten Bezirksgemeinden waren konfessionell
neutrale Einwohnergemeinden. Zusammen mit den 1877 geschaffenen, autonomen Armen- und
Schulgemeinden konstitutierten sie eine von der Kirche weitgehend unabhängige kommunale Ebene.
Eine gleichbleibend hohe Bedeutung behielt dagegen die Landsgemeinde, Instrument und Symbol der
Volkssouveränität. Auch wenn sich ihre Befugnisse wandelten, war sie bis zu ihrer Abschaffung 1996 die
zentrale polit. Institution.
Autorin/Autor: Karin Schleifer-Stöckli
4.2.2 - Kantonale Verwaltung und Staatstätigkeit
N. verfügte bis 1850 nur über wenige Beamte, nämlich über zwei Landschreiber, den Landweibel, den
Landläufer und wenige Zollbeamte. Sämtliche übrigen Verwaltungs-, Aufsichts- und Kontrolltätigkeiten
wurden von gewählten Behörden, Kommissionen oder ernannten Amtsträgern gegen meist bescheidene
Entschädigungen ausgeführt. Eine Vermögenssteuer (Landsteuer) wurde 1805 eingeführt, jedoch wie bereits
früher nur bei Bedarf erhoben. Zollabgaben machten rund einen Drittel der Staatseinnahmen aus. Das erste
Armengesetz führte 1811 Erbschafts- und Handänderungssteuern sowie weitere Abgaben zur Finanzierung
der Armenfürsorge ein. Staatl. Tätigkeitsbereiche waren Militär, Handels- und Zollangelegenheiten, Aufsicht
über die Vormundschaft, Armen- und Waisenpflege (Bau von Armen- und Waisenhäusern), Salzversorgung,
Gesundheits- und Niederlassungskontrolle sowie Bau und Unterhalt von Strassen und obrigkeitl. Gebäuden.
Seit der 2. Hälfte des 19. Jh. wurden in allen Gem. Schulhäuser gebaut und bedeutende Summen in
Strassenbau, Aufforstungen und Verbauungen investiert. Im 20. Jh. förderten Bundesbeiträge die
Investitionen, was den Aufbau einer professionellen Kantonsverwaltung beschleunigte. Zur Deckung der
steigenden Kosten wurde 1921 die Einkommenssteuer eingeführt. Von den 1930er Jahren an bis zum
Wirtschaftsaufschwung nach dem 2. Weltkrieg führte N. zahlreiche Meliorationsprojekte aus, die auch der
Arbeitsbeschaffung dienten. Der ab 1951 in die Staatskasse fliessende Anteil am Gewinn des
Elektrizitätswerks N. wurde vornehmlich für den Ausbau der Infrastruktur eingesetzt.
In der 2. Hälfte des 20. Jh. lösten zunächst erneut Schulhausbauten und ab ca. 1960 dann die Verbesserung
der Verkehrsanbindung, der Neubau des Kantonsspitals (1962) sowie Abwasserreinigungsanlagen
Investitionen in Millionenhöhe aus. Die zurückhaltende Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen
bewirkte ein grosses Wachstum des Steuersubstrats, weshalb sich die Verschuldung in Grenzen hielt. Obwohl
weiterhin in die Förderung der Landwirtschaft investiert wurde, verlor der Primärsektor mehr und mehr an
Bedeutung. Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen beanspruchten einen immer grösseren Anteil der
Staatsausgaben, die von rund 3 Mio. (ohne Investitionen) im Jahr 1950 auf 310 Mio. Franken im Jahr 2007
angewachsen waren. Der Schutz vor Naturgefahren (Hochwasser, Wildbäche) blieb ein wichtiger Bestandteil
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der Staatstätigkeit. Die zunehmende Professionalisierung in allen Bereichen öffentl. Tätigkeit und die
Entwicklung einer modernen Dienstleistungsgesellschaft führt zur Kantonalisierung versch. Aufgaben und zum
Aufbau einer entsprechenden Kantonsverwaltung, die 2007 ohne die Spitalangestellten 481 Vollzeitstellen
(1950 123 Mitarbeiter) in 30 Ämtern umfasste. In diversen Gebieten koordinieren N. und die anderen
Innerschweizer Kantone ihre polit. Massnahmen durch den Abschluss von Vereinbarungen und Konkordaten.
Autorin/Autor: Karin Schleifer-Stöckli
5 - Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur im 19. und 20. Jahrhundert
5.1 - Bevölkerung und Siedlung
Die krieger. Ereignisse von 1798 verzögerten das 1770 einsetzende Bevölkerungswachstum spürbar. Die
helvet. Volkszählung von 1799 ergab 8'496 Einwohner, 1835 wurden 10'480 und 1850 11'339 gezählt. Im
Hauptort Stans wohnten 1850 1'877 Einwohner. Das Wachstum war bis 1870 im gesamtschweiz. Vergleich
unterdurchschnittlich und auch danach bis 1930 gering. Ein grösseres Bevölkerungswachstum setzte erst mit
dem 2. Weltkrieg ein; es blieb dann bis 2007 konstant hoch (11,7% bis 15,5% pro Dekade). 2007 verzeichnete
N. 40'271 Einwohner.
Bis weit ins 20. Jh. prägte die Landwirtschaft das Erscheinungsbild des Kantons; die Siedlungen blieben klein,
weiter Raum trennte die Dörfer. In der 2. Hälfte des 20. Jh. verdichtete sich die Siedlung im Talboden und
nahm mancherorts Agglomerationscharakter an.
Bevölkerungsentwicklung 1850-2000
a
AltersAnteil
Anteil
struktur
Katholiken Protestanten (Anteil >59)
GesamtGeburten- Wanderungsa
a
a
zunahme überschuss
saldo
Jahr
Einwohner
Ausländeranteil
1850
11 339
0,3%
99,9%
0,1%
1850-1860
1,5‰
2,1‰
-0,6‰
1860
11 526
0,5%
99,6%
0,4%
8,9%
1860-1870
1,5‰
5,5‰
-4,0‰
1870
11 701
1,2%
99,4%
0,6%
8,5%
1870-1880
2,5‰
7,6‰
-5,1‰
1880
11 979
2,2%
99,2%
0,8%
9,3%
1880-1888
5,7‰
6,7‰
-1,0‰
1888
12 538
4,9%
99,1%
0,9%
9,1%
1888-1900
3,5‰
10,6‰
-7,1‰
1900
13 070
4,6%
98,7%
1,3%
9,6%
1900-1910
5,4‰
12,8‰
-7,4‰
1910
13 788
5,5%
98,3%
1,7%
9,7%
1910-1920
1,2‰
9,4‰
-8,2‰
1920
13 956
3,1%
98,0%
2,0%
9,3%
1920-1930
7,6‰
11,6‰
-4,0‰
1930
15 055
4,1%
96,8%
2,9%
9,9%
1930-1941
13,0‰
10,2‰
2,8‰
1941
17 348
2,4%
92,8%
6,7%
10,7%
1941-1950
12,4‰
17,6‰
-5,2‰
1950
19 389
2,9%
92,0%
7,7%
10,2%
1950-1960
13,6‰
14,6‰
-1,0‰
1960
22 188
7,5%
92,0%
7,6%
10,7%
1960-1970
14,5‰
13,8‰
0,7‰
1970
25 634
9,2%
90,3%
8,9%
12,6%
1970-1980
11,0‰
8,1‰
2,9‰
1980
28 617
6,2%
86,1%
11,4%
14,9%
1980-1990
14,4‰
8,6‰
5,8‰
1990
33 044
7,7%
82,0%
12,5%
16,0%
1990-2000
12,4‰
5,6‰
6,8‰
2000
37 235
9,7%
75,6%
11,9%
17,7%
Zeitraum
mittlere jährliche Zuwachsrate
Quellen:HistStat; eidg. Volkszählungen; BFS
Autorin/Autor: Fabian Hodel
5.2 - Wirtschaft
5.2.1 - 19. Jahrhundert
Die jahrhundertelange Konzentration auf die Landwirtschaft war auch durch die isolierte Verkehrslage
bedingt. N. lag zwar nahe der Gotthard- und der Brünigroute, aber eben nicht direkt an diesen, und da
insbesondere keine fahrbare Verbindung - es führte bis 1860 nicht einmal eine Brücke über die Seeenge
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zwischen Stansstad und dem Lopper - längs des linken Ufers des Vierwaldstättersees von Uri nach Luzern
bestand, partizipierte es nicht am Transitverkehr. Bis 1827 wies N. nur zwei Hauptstrassen auf, die von
Stansstad nach Engelberg bzw. von Kerns über Buochs nach Emmetten führten und sich in Stans kreuzten.
Anfang des 19. Jh. zeigten sich wirtschaftl. Krisen deshalb noch in Form von Subsistenzkrisen, letztmals
1816-17. Anders wirkte sich dagegen die Krise gegen Ende des Jahrhunderts aus: Fallende Agrarpreise bei
gleich bleibenden Zinsbelastungen trieben zahlreiche landwirtschaftl. Betriebe in den Konkurs, was auf polit.
Ebene eine Auseinandersetzung zwischen Gültenhändlern und den neuen Kreditinstituten zur Folge hatte. Der
Gültenstreit endete 1897 mit der Reduktion des Zinsfusses von 5 auf 4%.
Das Gewerbe N.s entwickelte sich nur langsam. Die schlechte Verkehrsanbindung und die bis 1863
bestehenden zunftähnl. Strukturen liessen nur einen kleinräumigen Binnenhandel zu; das seit dem 16. Jh.
entstandene gewerbl.-industrielle Zentrum im Rotzloch blieb lange eine Ausnahmeerscheinung. In der 1.
Hälfte des 19. Jh. nahmen in den Gem. Hergiswil, Beckenried und Buochs dank der etwas besseren
Verkehrslage am See - ab 1837 legten Dampfschiffe auch in Stansstad und Beckenried an - erste
Industrieunternehmen (Glashütte, Zement- und Kalkfabrikation, Schappe- und Florettspinnerei) den Betrieb
auf; im Umfeld der 1839 nach Buochs verlegten Florettspinnerei Johann Melchior Camenzind & Sohn wurden
100-200 Hauskämmlerinnen beschäftigt. Die erste Fabrikstatistik von 1888 wies für N. dennoch nur 261
Fabrikarbeiter aus. 1890 lief noch keine Dampfmaschine im Kanton, während die versch. installierten
Wasserkraftanlagen zusammen immerhin eine Leistung von 265 Pferdestärken erbrachten. Ab den 1880er
Jahren kam auch die elektr. Energie zur Anwendung. Die Zahl der Fabrikarbeiter verdoppelte sich bis 1914; im
Jahr 1900 wurden 17 Dampfmaschinen betrieben.
Anschluss an die moderne Welt gewann N. über den Tourismus, dessen Promotoren Kaspar Blättler aus dem
Rotzloch und der Kernser Hotelier Franz Josef Bucher waren. Sie initiierten ab ca. 1860 erste Hotelbauten
(Bürgenstock) und die notwendige techn. Infrastruktur (Eisenbahnen und Bergbahnen, Elektrizitätswerk
Aawasser). Blättler liess 1860 die Zugbrücke in der Seeenge zwischen Stansstad und dem Lopper erstellen,
durch die N. ans Strassennetz der übrigen Schweiz angeschlossen wurde, und führte eine kleine
Dampfschiffgesellschaft. Weitere Hotel- und Bahnbauten entstanden auf dem Pilatus, dem Klimsenhorn, der
Schöneck in Beckenried und dem Stanserhorn. Der Tourismus brachte ab 1890 in beinahe jedes Dorf
Arbeitsplätze, v.a. auch für Frauen. Bis zum Einbruch des Tourismusbooms vor dem 1. Weltkrieg dürfte die
Zahl der Hotelbetten auf knapp 400 angestiegen sein. Hergiswil erhielt 1889 eine Station der Brünigbahn.
Die Errichtung von Finanzinstituten bildete die Voraussetzung für den sich in der 2. Hälfte des 19. Jh.
allmählich abzeichnenden Aufschwung. Während die 1827 gegr. EKN primär sozialpolitisch motiviert war und
ihre Gewinne gemeinnützig verwendete (Sekundarschule, Spital), dachte der Staat mit der Gründung der
Spar- und Leihkasse (1879), der heutigen Kantonalbank (NKB), primär an die Wirtschaftsförderung. Die 1867
gegr. Arbeitersparkasse ging 1879 zu gleichen Teilen in der EKN und der NKB auf.
Autorin/Autor: Fabian Hodel
5.2.2 - 20. Jahrhundert
Im 20. Jh. wurde zunächst Hergiswil (in den 1920er Jahren Zuzug der Unternehmerfamilien Schindler und von
Speyr), in der Folge dann ganz N. zunehmend steuergünstig und es gelang, Gewerbe und
Industrieunternehmen anzusiedeln, später auch Pendler aus der Stadt Luzern. Attraktiv waren das tiefe
Lohnniveau und die fehlende gewerkschaftl. Organisation, hemmend einzig die schlechte Verkehrslage, die
indes ab 1960 behoben wurde. Die Landwirtschaft blieb lange Zeit stark und schrumpfte erst im letzten
Viertel des Jahrhunderts; ihr volkswirtschaftl. Gewicht schwand von 40% um 1900 auf gut 8% 2000. Der
Sekundärsektor litt zu Beginn des Jahrhunderts unter dem Niedergang der Heimindustrie, dann unter der
Kriegsdepression und der Weltwirtschaftskrise, erhielt mit dem ab 1935 bis in die Kriegsjahre schrittweise
gebauten Militärflugplatz Buochs, den Pilatus Flugzeugwerken (1939) und den Militär. Flugbetrieben des
Bundes aber Auftrieb. 2005 stellte der 2. Sektor gut 30 % der Arbeitsplätze im Kanton.
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Wirtschaftsmotor war Anfang des 21. Jh. der Dienstleistungssektor, der 2005 62% der Arbeitsplätze im Kanton
verzeichnete. N. warb im Ausland um international tätige Unternehmen und Einzelpersonen; dabei erwiesen
sich das steuerfreundl. Klima und die inzwischen gute Verkehrslage als Trümpfe. N. entwickelte sich zum
Steuerparadies und zum Nettozahler im nationalen Finanzausgleich. Die Kaufkraft im Kanton war damals
überdurchschnittlich hoch, die Bautätigkeit gross.
Erwerbsstruktura
Jahr
1. Sektor
1860
2. Sektor
3. Sektorb
Total
3 622
53,9%
1 850
27,5%
1 251
18,6%
6 723
1870
c
2 718
53,8%
1 705
33,7%
629
12,5%
5 052
1880
c
2 405
49,3%
1 739
35,7%
731
15,0%
4 875
1888
2 248
40,2%
1 851
33,1%
1 494
26,7%
5 593
1900
2 144
37,8%
2 226
39,2%
1 302
23,0%
5 672
1910
2 117
37,0%
1 977
34,5%
1 628
28,5%
5 722
1920
2 289
38,3%
1 927
32,3%
1 757
29,4%
5 973
1930
1 976
31,5%
2 247
35,9%
2 039
32,6%
6 262
1941
2 118
28,6%
2 671
36,1%
2 610
35,3%
7 399
1950
1 957
25,5%
2 964
38,7%
2 745
35,8%
7 666
1960
1 643
17,9%
4 292
46,7%
3 253
35,4%
9 188
1970
1 559
13,7%
5 262
46,4%
4 534
39,9%
11 355
1980
1 461
10,8%
5 371
39,6%
6 739
49,6%
13 571
1 239
7,2%
5 887
34,4%
9 984
58,4%
17 110
853
4,2%
5 567
27,0%
14 177
68,8%
20 597
1990
2000
d
a
bis 1960 ohne Teilzeitangestellte
b
Residualgrösse einschliesslich "unbekannt"
c
ortsanwesende Bevölkerung
d
Die Beschäftigtenzahlen der Volkszählung 2000 sind wegen der grossen Zahl "ohne Angabe" (2 619) nur
begrenzt mit den vorhergehenden Daten vergleichbar.
Quellen:HistStat; eidg. Volkszählungen
Autorin/Autor: Fabian Hodel
5.3 - Gesellschaft
Die Stellung der kath. Kirche war bis weit ins 20. Jh. dominant; 1950 waren immer noch 92% der
Kantonsbevölkerung katholisch. Die enge Verbindung der Kirche zur Politik blieb in N. über die Verfassung von
1848 hinaus erhalten. Das kath. Vereinswesen band die Bevölkerung ein und förderte die Volksfrömmigkeit.
Trotzdem setzte sich im 19. Jh. auch der polit. und wirtschaftl. Liberalismus in N. dauerhaft fest. Armut wurde
in N. lange Zeit durch die bäuerl. Familienstruktur abgefedert. Der Staat bekämpfte mit dem ersten
Armengesetz von 1811 nicht die Armut, sondern die Armen. Verbote (Bettlerei, Wirtshausbesuch, Heirat),
Absonderung in Armenhäusern und Stigmatisierung (Kleider) waren seine Mittel. Nur wenige Nidwaldner
wanderten im 19. Jh. wegen ihrer Armut nach Übersee aus.
Ab der Zwischenkriegszeit wandelte sich die kath.-konservativ verfasste Gesellschaft schrittweise zu einer
pluralistischen. Als Modernisierungskonflikt ist der Kampf um die Bannalp zu verstehen, der sich am
Gegensatz von Regierten und Regierenden auflud, quer durch die Parteien ging und in eine Demokratisierung
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des polit. Systems mündete. Die Industrialisierung und die Zuwanderung in der Kriegs- und Nachkriegszeit
brachten N. erstmals mit gewerkschaftl. und sozialdemokrat. Gedankengut in Berührung. Die kath.
Homogenität löste sich ab Mitte des 20. Jh. auf - 2000 waren immerhin noch 75,6% aller Einwohner katholisch
und nur 11,9% reformiert -, die bäuerl. Prägung wich. Die Dienstleistungsgesellschaft, deren Herausbildung
die moderne Verfassung von 1965 und die auf dieser basierende Gesetzgebung begünstigt hatten, fächerte
die Gesellschaft kulturell und politisch auf und glich sie allg. Entwicklungen an.
1850 lebten 32 Ausländer (0,3% der Gesamtbevölkerung) in N. Deren Zahl stieg bis 1880 auf 267 (2,2%) und
bis 1900 auf 600 (4,6%) an. Die Hälfte kam aus Italien, etwas weniger aus Deutschland und nur einzelne aus
Frankreich. Die Italiener arbeiteten v.a. im Strassen- und Eisenbahnbau. Nach dem 1. Weltkrieg pendelte sich
der Ausländeranteil zwischen 3 und 4% ein. Ein markanter Anstieg auf ca. 7,5% war erst wieder um 1960 als
Folge des Autobahnbaus feststellbar. 2007 betrug der Anteil der Ausländer an der Gesamtbevölkerung gut
11%.
Autorin/Autor: Fabian Hodel
5.4 - Kirche, Kultur, Bildung, Medien
Die Kultur des 19. Jh. war weitgehend von der Kirche, deren weitverzweigten Institutionen und Vereinen
geprägt. Die Teilnahme an Wallfahrten, Bittgängen und dem sonntägl. Gottesdienst gehörte ganz
selbstverständlich zur Nidwaldner Lebensweise. Der 1857 gegr. Piusverein war bemüht, die Katholiken im
liberalen Bundesstaat straff zu organisieren und die kath. Werte in der modernen Welt zu verteidigen.
Alpaufzug und Alpabfahrt waren neben Viehzeichnung die Grossereignisse im bäuerl. Jahresablauf. In Form
von folklorist. Grossanlässen (Älplerchilbi, Schwingfeste) oder als historisierende und religiöse Bräuche
(Wallfahrten, Betrufe, Blasiussegen) blieb die bäuerl. Kultur bis heute präsent. Einen festen Platz im jährl.
Volksbrauchtum behielten der Samichlausumzug mit Geigglen (Harlekinfigur) und die Fasnacht mit Umzügen.
Im kulturellen Zentrum Stans haben die 1972 eröffnete Kantonsbibliothek und die 1824 gegr.
Theatergesellschaft Stans, die seit 1886 mit Unterbrechung über ein eigenes Theatergebäude verfügt, ihren
Sitz. Im Winterhalbjahr finden im ganzen Kanton zahlreiche Theaterinszenierungen örtl. Vereine statt.
Institutionen wie das Kleintheater Chäslager in Stans (Trägerverein 1969 gegr.), die Ermitage in Beckenried
(1979) oder die Sust in Stansstad ergänzen das kulturelle Angebot. Das Nidwaldner Museum (1991)
veranstaltet in Stans im Salzmagazin, in der Rosenburg (Höfli) und im Winkelriedhaus Ausstellungen zur
Geschichte und Gegenwartskunst und vermittelt in der Stansstader Festung Fürigen Einblicke in das
Soldatenleben während des 2. Weltkriegs. Zahlreiche Musikvereine wie der 1898 gegr. Orchesterverein N.,
Blasmusiken und Chöre bereichern das kulturelle Leben.
Kulturelle Leistungen von überregionaler Bedeutung erbrachten der erste Radiopfarrer Josef Konrad Scheuber,
die Lyrikerin Isabelle Kaiser, der Volksschriftsteller Remigius Niederberger, der Maler Paul Stöckli sowie
versch. Mitglieder der Fam. von Matt als Verleger, Büchhändler und Künstler. Auf dem Gebiet der Malerei
zeichneten sich im 18. Jh. Johann Melchior Wyrsch und im 19. Jh. Melchior Paul von Deschwanden, auf dem
der Bildhauerei im frühen 20. Jh. Eduard Zimmermann aus. Überregionale Ausstrahlung geniessen zu Beginn
des 21. Jh. der Eisenplastiker Josef Maria Odermatt, der Grafiker und Fotograf Melk Imboden sowie der
Fotograf Arnold Odermatt.
Auch die Schulen waren vom kirchl. Bildungswillen geprägt. Getragen von Pfründen und Stiftungen waren es
meist Geistliche, die den Schulunterricht versahen. Nach 1798 sind für alle Gem. Elementarschulen belegt.
Eine Mädchenschule wurde von den Schwestern im Kloster St. Klara (Stans) geführt. Pestalozzis kurzes Wirken
in Stans 1798 fiel in N. auf wenig fruchtbaren Boden. Die erste kant. Schulverordnung von 1829 blieb ohne
Durchschlagskraft. Die allg. Schulpflicht sah erst das Gesetz von 1851 vor. Klagen über mangelhafte Qualität
der Schulen veranlassten Reformen sowie 1879 die Einführung der Ganzjahresschule. Als weiterführende
Schule mit engem Fächerkanon bestand die Lateinschule der Kapuziner in Stans, die - ab 1896 unter dem
neuen Namen Kollegium St. Fidelis - 1909 zur Maturitätsschule ausgebaut wurde und 1988 an den Kanton
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überging. Die von der Ersparniskasse initiierte Gründung der Sekundarschulen (Stans 1859, später in Buochs
und Beckenried) entsprang v.a. polit. Forderungen der Liberalen. Am Anfang des Berufsbildungswesens stand
die 1852 eingerichtete Zeichnungsschule für Handwerker in Stans, die zu Beginn des 20. Jh. mit der
Fortbildungsschule Stans verschmolzen wurde. Das Bundesgesetz über die berufl. Ausbildung von 1930 führte
in N. 1935 zur Vereinigung der gewerbl. Berufsschulen (Gründung 1935) und zur Organisation nach
Berufsgruppen. Zahlreiche Konkordate sicherten den Nidwaldner Schülern den Zugang zu ausserkant. und
tertiären Bildungsinstituten.
N.s erste Zeitung, das liberale "Nidwaldner Wochenblatt", erschien 1844 für einige Monate und wurde dann
auf Betreiben der Geistlichkeit verboten. Erst der Durchbruch der Pressefreiheit ermöglichte 1848-57 wieder
seine Veröffentlichung. Das konservative "Nidwaldner Volksblatt" und der liberale "Unterwaldner" erschienen
als Wochenblätter ab 1866 bzw. 1893. Der ebenfalls liberal geprägte "Nidwaldner Bote" (ab 1905) fusionierte
1909 mit dem "Unterwaldner". Alle Nidwaldner Zeitungen gingen während den grossen Fusionswellen der
1990er Jahre im Monopolblatt "Neue Nidwaldner Zeitung" auf (1996, heute ein Kopfblatt der "Neuen Luzerner
Zeitung"), deren Medienmonopol einzig durch das Regionaljournal des Schweizer Radios relativiert wird.
Andere Zeitungen wie der "Bannalper Bote" (1933-37), der sozialdemokrat. "Steinbock" (1974-86) und das
linksgrüne "Bockshorn" (1981-87) hatten dagegen nur während kurzer Zeit Bestand.
Autorin/Autor: Fabian Hodel
Quellen und Literatur
Archive
– KBNW
– StANW
– StAOW
– StiA Engelberg
– StiA Hof Luzern
– StiB Engelberg
Quellen
– QSG
– QW
– K. Deschwanden, «Die Rechtsqu. von N.», in ZSR 6, 1857, II/79-186
– A. Heusler, «Die Uerten- und Theilsamenrechte Unterwaldens», in ZSR 10, 1862, II/67-220
– Chronik des Johann Laurenz Bünti Landammann, 1661-1736, 1973
Literatur
Reihen
– Gfr. 1-, 1844– Nidwaldner Kal. 1-, 1860– BGN 1-, 1884Allgemeines
– A. Businger, Der Kt. Unterwalden, historisch, geographisch, statistisch geschildert, 1836
– K. Deschwanden, «Das Gemeindewesen des Kt. Unterwalden nid dem Wald», in Allg. Beschreibung
und Statistik der Schweiz 2, hg. von M. Wirth, 1873, 131-167
– Kdm Unterwalden, 21971
– D. Schwarz, A. Püntener, Nidwaldner Münz- und Geldgesch., 1980
– P. Felder, Die Kunstlandschaft Innerschweiz, 1995
– A. Hug, V. Weibel, Nidwaldner Orts- und Flurnamen, 2003
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– G. Niederberger, Sonderfall N. 1798-1815, Liz. Basel, 1998
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– K. Schleifer-Stöckli, "… wir Finsterlinge der Urkantone!": Der Einfluss des Tourismus auf die
Lebenswelt und Mentalität in N., Liz. Zürich, 1998
– W. Hochreiter, 125 Jahre Nidwaldner Kantonalbank, 2004
– A. Kölz, Neuere schweiz. Verfassungsgesch. 2, 2004, 269-275
Autorin/Autor: Peter Steiner
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