Esoterik - Historisches Lexikon der Schweiz

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03/10/2013 |
Esoterik
Der Begriff esoterisch (griech. esoterikos, dt. nach innen) bezog sich in der griech. Antike zunächst auf
Schriften und Lehren eines Philosophen, die Schülern mit der notwendigen Vorbildung vorbehalten waren, im
Unterschied zu den allgemein verständlichen, exoterischen Lehren. Noch in der Antike erweiterte sich der
Begriff, und E. wurde zur Bezeichnung für geheimes oder verborgenes (lat. occultus) Wissen. Solche
Geheimlehren finden sich u.a. in den antiken Mysterienkulten, in der Gnosis, der spätantiken hermet. Literatur
und in der jüd. Kabbala.
Die seit der Renaissance in westl. Kulturen entstehende E. steht in enger Wechselbeziehung zu den sog.
geheimen Wissenschaften Alchemie, Astrologie und Magie, ab dem 19. Jh. auch zur Theosophie. Der Franzose
Antoine Faivre hat sie als "Denkform" beschrieben, die durch das Denken in Vergleichen, die Vorstellung von
der Beseeltheit des Kosmos, die Betonung der Imagination sowie die Erfahrung der Verwandlung
gekennzeichnet sei. Faivres Verständnis von E. ist allerdings umstritten. Heute ist E. im alltägl.
Sprachgebrauch zum Sammelbegriff für Daseinsdeutungen und Praktiken geworden, die sich seit den 1970er
Jahren in den USA und in Europa verbreitet haben, und die meist in Opposition stehen zum
naturwissenschaftl. Weltbild, zum Christentum, zunehmend auch zur klass. Psychologie und Schulmedizin. In
synkretistischer Weise übernimmt die E. Ideen, die mit sog. überzeitlichem Wissen in Einklang gebracht
werden, um ein optimist. Lebensgefühl und Teilhabe an einem kosmischen Bewusstsein zu erlangen.
In der Schweiz ist die E. seit der 2. Hälfte des 19. Jh. in Theosophie und Anthroposophie (Goetheanum
Dornach) verbreitet. Zu den älteren Vorläufern zählen neuzeitl. Bewegungen wie der zunächst im
Protestantismus begründete Spiritualismus, die Rosenkreuzer, die Freimaurerei, ab dem 19. Jh. auch der
Spiritismus. Seit den 1980er Jahren erleben esoter. Denkformen mit der sog. New-Age-Bewegung einen
Aufschwung in bis dahin unbekanntem Ausmass. Es handelt sich dabei meist nicht um geschlossene Lehren,
sondern um ein vielfältiges Angebot unterschiedl. Wertvorstellungen und Techniken zur Lebenshilfe. Ein
verbindl. Bekenntnis und eine feste Mitgliedschaft gibt es in der Regel nicht. Die E. des beginnenden 21. Jh.
umfasst ein sehr weites Spektrum, das von Astrologie, Magie, Mantik, aussersinnl. Wahnehmung, Channeling
und Geistheilung über Formen von esoter. Psychologie, Meditation, indian. Religiosität und Schamanismus bis
hin zu kommerziellen Heilungs- und Wellness-Angeboten wie Reiki reicht. Vermittelt wird E. durch Bücher,
Magazine, Kurse, Kongresse (z.B. Psi-Tage in Basel, Astrologiekongress in Luzern) oder Therapien. Um die E.
entwickelte sich ein Markt mit Spezialgeschäften und -abteilungen (Buch- und Musikhandel; Verkauf von
Hilfsmitteln wie Edelsteinen, Tarot-Karten, Essenzen), Beratungsstellen und Messen (z.B. in Zürich, Genf, St.
Gallen).
Literatur
– A. Faivre, L'ésotérisme au XVIIIe siècle en France et en Allemagne, 1973
– O. Eggenberger et al., New-Age aus christl. Sicht, 31988
– J.-F. Mayer «Sekten und alternative Religiosität», in Hb. der schweiz. Volkskultur 3, hg. von P. Hugger, 1992,
1471-1486
– O. Eggenberger, Die Kirchen, Sondergruppen und religiösen Vereinigungen, 61994, 296-304
– J. Maier, Die Kabbalah, 1995
– H. Zinser, Der Markt der Religionen, 1997
– E. als neue Volksreligion, hg. von A. Keller, S. Müller, 1998
– E. Ghezzi, Faszination E., 1998
– M. Neugebauer-Wölk, «E. in der Frühen Neuzeit», in ZHF 27, 2000, 321-364
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– H. Stamm, Achtung E., 2000
– B. Grom, Hoffnungsträger E.?, 2002
Autorin/Autor: Franz Xaver Bischof
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