Predigt Rüsselsheim, 22. Februar 2009 Das Sendschreiben an die Gemeinde in Ephesus: Eine Gemeinde im Rückwärtsgang Offb. 2, 1 - 7 Liebe Gäste, liebe Gemeindeglieder, jeden Tag leeren wir neugierig unseren Briefkasten - hat mir jemand einen Brief geschrieben? Aber es ist nicht nur interessant, Briefe zu lesen, die an einen selbst gerichtet sind, sondern auch solche, die an andere adressiert sind. Das sollte man natürlich nur mit dem Einverständnis des Empfängers tun. Wir werden uns jetzt mit einem Brief beschäftigen, der schon viele Jahrhunderte alt ist und eine ganze Gemeinde anspricht, aber auch uns heute. Ich beginne eine Predigtserie über die sogenannten “Sendschreiben” der Offenbarung. Das erste war für die Gemeinde in Ephesus bestimmt: Offb. 2, 1 - 7 1 An den Leiter der Gemeinde in Ephesus schreibe: Dies sagt der, der die sieben Sterne in Seiner Rechten hält, der in der Mitte der sieben goldenen Leuchter umhergeht: 2 Ich kenne deine Taten und deine Mühe und deine Beharrlichkeit und weiß, daß du Böse nicht ertragen kannst und hast diejenigen auf die Probe gestellt, die sich Apostel nennen und es nicht sind, und hast sie als Lügner erwiesen, 3 und du hast Ausdauer und hast Manches ertragen um meines Namens willen und bist nicht müde geworden. 4 Aber ich habe gegen dich, daß du deine frühere Liebe verlassen hast. 5 Erinnere dich also, von wo du gefallen bist, und tue Buße und tue die früheren Taten. Andernfalls komme ich zu dir und werde deinen Leuchter von seinem Platz entfernen, wenn du nicht Buße tust. 6 Aber dies hast du, daß du die Taten der Nikolaiten haßt, die auch ich hasse. 7 Wer Ohren hat, der soll hören, was der Geist den Gemeinden sagt: Wer überwindet, dem werde ich zu essen geben vom Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist. Warum ich Ephesus eine “Gemeinde im Rückwärtsgang” nenne, werde ich später erläutern. Was wir an ihr sehen können, ist Folgendes: Geistlicher Rückschritt beginnt im Verborgenen. 1) Der Empfänger (V. 1a) 2) Der Absender (V. 1b) 3) Die Nachricht (V. 2 - 7) a) Lob (V. 2 - 3. 6) b) Tadel (V. 4) c) Drohung (V. 5) d) Verheißung (V. 7) 1) Der Empfänger (V. 1a) An den Leiter der Gemeinde in Ephesus schreibe: Im Grundtext steht ein Wort, das “Engel” oder “Bote” bedeutet. Es gibt verschiedene Auffassungen darüber, wer hier gemeint ist. Meines Erachtens ist es der, den wir heute Seite 1 Predigt Rüsselsheim, 22. Februar 2009 “Gemeindeleiter” nennen. Der Verantwortliche für die Synagoge wurde als “Engel bzw. Bote der Gemeinde” bezeichnet und war derjenige, der die Gottesdienste leitete.1 Das bedeutet meiner Meinung nach nicht, daß Er die Gemeinde alleine führte. Das übrige Neue Testament zeigt deutlich, daß die Gemeinden immer von mehreren Ältesten geleitet wurden. Wenn das hier nicht der Fall gewesen wäre, dann hätte der Herr Jesus das mit Sicherheit moniert. Nein, er war vermutlich wie bei uns der primus inter pares: der Erste unter Gleichen. Er wird im Brief angesprochen, weil er für die Gemeinde verantwortlich ist; gemeint sind aber auch alle Gemeindeglieder miteinander. 2) Der Absender (V. 1b) Dies sagt der, der die sieben Sterne in Seiner Rechten hält, der in der Mitte der sieben goldenen Leuchter umhergeht Das spielt an auf die Vision vom Herrn Jesus, die Johannes in Kap. 1 hatte und schilderte: Offb. 1, 12 - 16 12 Und ich wandte mich um, die Stimme zu sehen, die mit mir redete, und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter, 13 und inmitten der Leuchter einen, gleich einem Menschensohn, bekleidet mit einem bis zu den Füßen reichenden Gewand, und an der Brust umgürtet mit einem goldenen Gürtel, 14 sein Haupt aber und die Haare waren weiß wie weiße Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme, 15 und seine Füße gleich glänzendem Erz, als glühten sie im Ofen, und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser, 16 und er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne, und aus seinem Mund ging ein zweischneidiges, scharfes Schwert hervor, und sein Angesicht war, wie die Sonne leuchtet in ihrer Kraft. Dort ist auch die Rede von sieben Sternen und sieben Leuchtern. Die sieben Sterne werden meist als Symbole für die Leiter der sieben Gemeinden gesehen. Ihnen wird gesagt, daß der Herr Jesus sie festhält inmitten der Verfolgungen, der Probleme, der Irrlehren, der Schwachheiten und Fehler in ihren Gemeinden. Das gilt natürlich auch für die Verantwortlichen heute in allen Gemeinden der ganzen Welt. Ihr lieben Ältesten, Dienstgruppenleiter und sonstigen Verantwortungsträger in unserer Gemeinde: Das ist das Erste und Wichtigste, was der Herr Jesus Euch heute morgen sagen will: “Ich halte Euch fest mit meiner starken Hand und lasse Euch nicht fallen, und das trotz der Fehler, die Ihr macht, trotz Eurer Schwachheit und Eurer Unvollkommenheit.” der in der Mitte der sieben goldenen Leuchter umhergeht Sie stehen wahrscheinlich für die sieben Gemeinden sowie die universale Gemeinde Jesu. Er drückt damit Seine enge Beziehung zu Seiner Gemeinde aus. Die z.T. harte Kritik kommt aus Seinem liebevollen Vaterherzen. Er will uns damit nicht herunterputzen, fertigmachen, in den Senkel stellen, sondern Er will uns zurechthelfen, korrigieren und auf den richtigen Weg bringen. 3) Die Nachricht (V. 2 - 7) a) Lob (V. 2 - 3. 6) 1 Adam Clarke’s Commentary on the Bible, im PC-Programm “e-sword”, www.e-sword.net Seite 2 Predigt Rüsselsheim, 22. Februar 2009 Es galt damals als gute Sitte, Tadel mit Lob zu vermischen, damit es besser ankam. Das funktioniert aber nur, wenn beides als gleichermaßen wichtig herüberkommt. Ich habe dazu diesen Satz geprägt: Wenn das Lob, das du mir aussprechen willst, nur die Verpackung ist für deine Kritik, dann behalte dein Lob und gib mir nur die Kritik. 2 Ich kenne deine Taten und deine Mühe und deine Beharrlichkeit Diese Gemeinde war also sehr aktiv im Dienst für ihren Herrn und für die Menschen (also in Evangelisation und Diakonie). Die Dienste, die die Epheser angefangen hatten, waren keine Strohfeuer, sondern sie wurden konsequent, ausdauernd und treu durchgeführt. Das kann man auch über unsere Gemeinde sagen - zwar haben wir in den letzten Jahren einige Dienste einstellen müssen, aber wir haben das nicht getan, weil wir keine Lust mehr hatten, sondern aus Mitarbeitermangel: Unsere Gemeinde hat ein hohes Durchnittsalter, und mehrere Mitarbeiter haben die Gemeinde verlassen. Wir tun immer noch eine ganze Menge und würden gerne noch viel mehr tun, wenn wir die Kräfte dazu hätten. Ein Beispiel dafür ist das Frauenfrühstückstreffen: Genügend Gemeindeglieder wären bereit, sich dafür einzubringen, aber wir haben keine Leiterin, und deshalb können wir diesen Dienst noch nicht wieder aufnehmen. und weiß, daß du Böse nicht ertragen kannst und hast diejenigen auf die Probe gestellt, die sich Apostel nennen und es nicht sind, und hast sie als Lügner erwiesen Falsche Apostel hatte es schon zur Zeit des Paulus gegeben. Damals handelte es sich um Judaisten, die behaupteten, die Einhaltung des jüdischen Gesetzes sei heilsnotwendig. Worin die Irrlehren der falschen Apostel jetzt bestanden, wird leider nicht gesagt. Aber die Gemeindeverantwortlichen hatten ihre Lehren geprüft und sie als falsch erwiesen. Das ist auch heute noch eine wichtige Aufgaben der Ältesten: Irrlehren als solche zu entlarven und die Gemeinde vor solchen Einflüssen zu schützen. In unserer Zeit als Missionare in Haiti wurde ich einmal an einem späten Samstagabend gebeten, am Sonntagmorgen im Gottesdienst einzuspringen als Übersetzer für einen amerikanischen Gastredner. Ich hatte noch nie vom Englischen ins Kreolische übersetzt und hatte keine Ahnung, wer der Mann war, aber ich habe trotzdem eingewilligt. Er wurde mir erst kurz vor dem Gottesdienst vorgestellt. Während er sprach und ich für ihn dolmetschte, stellte sich heraus, daß es ein Heilungsevangelist war. Mir wurde ziemlich mulmig, denn ich hatte Angst, daß er die Lehre vertrat, daß alle Christen jederzeit von jeder Krankheit geheilt werden können, und daß ich dann diese Irrlehre auch noch würde übersetzen und somit verbreiten müssen. Nun, das hat er glücklicherweise nicht gesagt. Aber mir wurde dadurch bbewußt, wie unreif die Leiter der haitianischen Gemeinden zumindest in dem Punkt waren, daß sie jeden ausländischen Redner ungeprüft auf die Kanzel ließen. Die Widerstandskraft einer Gemeinde gegen Irrlehren ist ein Zeichen und Gradmesser ihrer geistlichen Reife. 3 und du hast Ausdauer und hast Manches ertragen um meines Namens willen und bist nicht müde geworden. Offenbar hatten sie Verfolgung um Jesu Namens willen erlitten und waren standhaft geblieben trotz des Leidensdrucks. Das ist ein wirklich großes Lob und zeugt noch viel mehr von einem hohen Maß geistlicher Reife. Das könnte unser Herr über unsere Gemeinde insgesamt nicht sagen, weil Er uns vor solchen Dingen bisher bewahrt hat. Wir überspringen jetzt zunächst V. 4 - 5. Seite 3 Predigt Rüsselsheim, 22. Februar 2009 6 Aber dies hast du, daß du die Taten der Nikolaiten haßt, die auch ich hasse. Erfahren wir jetzt doch noch etwas über die falschen Lehren der Pseudo-Apostel? Leider nicht wirklich. Es gibt verschiedene Ansichten darüber, wer die Nikolaiten waren, welche Irrlehren sie verbreiteten und welche unbiblischen Dinge sie praktizierten. Das Problem ist, sie beruhen allesamt auf Vermutungen, Spekulationen und einem Stochern im Dunkeln. Ich möchte mich daran nicht beteiligen, sondern statt dessen zum nächsten Punkt überleiten: b) Tadel (V. 4) Mengenmäßig enthält dieser Brief viel mehr Lob als Tadel. Im Grundtext besteht er aus 54 Wörtern der Anerkennung und nur 11 Wörtern der Kritik. Die sind dafür inhaltlich aber umso massiver: 4 Aber ich habe gegen dich, daß du deine frühere Liebe verlassen hast. Die meisten Übersetzer sprechen von der “ersten” Liebe. Das bezieht sich dann auf den Zustand kurz nach der Bekehrung, der oft geprägt ist von großer Freude, von totaler Begeisterung, von Euphorie, von Tatendrang und von tiefer Liebe zum Herrn Jesus. Das ist aber längst nicht bei jedem so - ich kann mich an dergleichen nicht erinnern außer an eine große Erleichterung über die Vergebung meiner Schuld. Außerdem wäre es völlig unrealistisch, zu erwarten, daß dieser Zustand bis zum Lebensende anhalten muß. Das wäre, als würde man es für normal halten, daß ein von Ehepaar auch nach der Goldenen Hochzeit noch stundenlang händchenhaltend auf dem Sofa sitzt, ständig herumknutscht und Schmetterlinge im Bauch hat. Es ist völlig in Ordnung, daß das mit der Zeit nachläßt. Aber das bedeutet keinesfalls, daß auch die Liebe weniger wird - ganz im Gegenteil. In einer guten Ehe wird aus dem lodernden Strohfeuer der Verliebtheit mit der Zeit die viel heißere und anhaltendere Glut der Liebe. So sollte es auch in unserer Beziehung zum Herrn Jesus sein. Statt “erste Liebe” kann man aber auch übersetzen “frühere Liebe”. Dann bedeutet es: “Du liebst mich nicht mehr so wie früher”. Das heißt, aus dem Strohfeuer wird keine heiße Glut, sondern nur ein flackerndes Flämmchen, das zu verlöschen droht. Das wäre wirklich schlimm. Ich bin überzeugt davon, daß diese Gefahr heute noch viel, viel größer ist als damals. Jesus sagt: Mt. 24, 12 … und weil die Gesetzlosigkeit überhandnimmt, wird die Liebe der meisten erkalten … Das ist ein trauriges Merkmal der Gemeinde der Endzeit. Dazu kommt noch der Zeitgeist: Der postmoderne Mensch ist so sehr mit sich selbst beschäftigt und auf sich selbst fixiert, daß er eigentlich unfähig ist, selbstlos zu lieben. Auch als Gläubige sind wir Kinder unserer Zeit und mehr vom Zeitgeist geprägt, als wir ahnen. “Du liebst mich nicht mehr so wie früher” Diese Frage sollte sich jeder von uns stellen: Bin ich dem Herrn Jesus schon einmal näher gewesen als heute? Ist meine Beziehung zu Ihm nicht mehr so eng, wie es einmal war? Habe ich mich innerlich ein Stück von Ihm entfernt? Seite 4 Predigt Rüsselsheim, 22. Februar 2009 Aber darum geht es hier eigentlich gar nicht - angesprochen sind nicht die einzelnen Gemeindeglieder in Ephesus, sondern die Gemeinde als Ganzes. Ihr macht der Herr Jesus diesen Vorwurf: “Du liebst mich nicht mehr so wie früher” - wobei eigentlich das “mich” weggelassen werden muß. Die wörtliche Übersetzung ist ja nicht: “Du hast deine frühere Liebe zu mir verlassen”, sondern: “Du hast deine frühere Liebe verlassen”. Es mangelt der Gemeinde nicht nur an Liebe zu ihrem Herrn, sondern auch an Liebe untereinander und zu den Menschen ohne Gott. Der erste Johannesbrief betont die Untrennbarkeit der beiden Dimensionen der Liebe: Die vertikale ist die Liebe zu Gott und die horizontale die Liebe zu den Menschen. 1. Joh. 4, 20 Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er gesehen hat, kann nicht Gott lieben, den er nicht gesehen hat. Von daher müssen wir uns jetzt auch als Gemeinde fragen: Einerseits: Sind wir dem Herrn Jesus schon einmal näher gewesen als heute? Ist unsere Beziehung zu Ihm nicht mehr so eng, wie sie es einmal war? Haben wir uns alle miteinander ein Stück von Ihm entfernt? Und andererseits: Hat vielleicht unsere Liebe zueinander nachgelassen? Sind wir untereinander lieblos geworden? Wie steht es mit unserer Liebe zu den Verlorenen, mit unserem evangelistischen Eifer und mit unserem Bedürfnis, unseren Mitmenschen das Evangelium zu sagen? Hat das zugenommen oder eher abgenommen? Wenn die Antwort auf diese Fragen “ja” sein muß, dann ist das ein Alarmsignal. Es besteht höchste Gefahr. Das bedeutet: Wir haben als Gemeinde den Rückwärtsgang eingelegt. Bei uns ist der Tod im Topf. Geistlicher Rückschritt beginnt im Verborgenen. Dann ist die Gemeinde immer noch sehr aktiv. Die Dienste werden weiterhin getan, die Veranstaltungen finden immer noch statt, und äußerlich ist nichts Besorgniserregendes zu sehen. Aber innerlich wächst das Krebsgeschwür der schrumpfenden Liebe zu Gott, untereinander und zu den Verlorenen. “Du hast deine frühere Liebe verlassen” “Du liebst nicht mehr wie früher” Trifft das auf die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Rüsselsheim zu? Ich finde es schwer, diese Frage zu beantworten, denn mir fehlen die Instrumente, um die Größe unserer Liebe objektiv und exakt zu messen. Aber ich sehe zwei offensichtliche Krankheitssymptome: Erstens haben wir einige Dienste einstellen müssen. Noch vor ein paar Jahren war es oft sehr schwierig, alle Veranstaltungen auf dem Monatsterminblatt unterzubringen. Heute gibt es dort leider viele weiße Flecken. Zweitens geht die Zahl der Gemeindeglieder seit vielen Jahren immer mehr zurück. Es waren einmal 190; heute sind wir keine 150 mehr. Für beides gibt es logische Erklärungen. Und außerdem dürfenZahlen nicht das wichtigste und das einzige Qualitätsmerkmal einer Gemeinde sein. Aber eine gesunde Gemeinde ist immer eine wachsende Gemeinde - und wenn eine Gemeinde schrumpft, dann stimmt etwas nicht. Seite 5 Predigt Rüsselsheim, 22. Februar 2009 Deshalb wiederhole etwas, was ich schon mehrfach gesagt habe: Ich bin sicher: Wenn wir jeder für sich Gott fragen, wo wir ein Hindernis für das Wachstum unserer Gemeinde sind, und Buße tun über das, was Gott uns dann zeigt, dann wird unsere Gemeinde wieder wachsen und unsere Liebe wieder zunehmen. c) Drohung (V. 5) Erinnere dich also, von wo du gefallen bist, und tue Buße und tue die früheren Taten. Andernfalls komme ich zu dir und werde deinen Leuchter von seinem Platz entfernen, wenn du nicht Buße tust. Die Gemeinde in Ephesus wußte also anscheinend genau, an welcher Stelle ihre Liebe nachgelassen hatte und sie geistlich den Rückwärtsgang eingelegt hatte. Dahin sollte sie jetzt zurückkehren. Andernfalls komme ich zu dir und werde deinen Leuchter von seinem Platz entfernen, wenn du nicht Buße tust. Manche Ausleger denken hier an den Niedergang der Stadt Ephesus vom kulturellen, wirtschaftlichen und religiösen Zentrum Kleinasiens zu einem unbedeutenden Dorf (was es heute noch ist). Aber erstens hatte diese Entwicklung zu diesem Zeitpunkt schon begonnen. Und zweitens geht es ja gar nicht um die Stadt Ephesus, sondern um die Gemeinde in Ephesus. Gemeint ist der geistl. Untergang einer Gemeinde, entweder in Form einer immer mehr zunehmenden geistlichen Verflachung: Es kommt zu mehr und mehr geistlichen Kompromissen, zu einer ständig zunehmenden Abkehr von den biblischen Maßstäben und einer immer flacheren Verkündigung, so daß man kein glaubwürdiges Zeugnis mehr ist und die Gemeindeglieder kaum anders als die Ungläubigen leben. Oder die Gemeinde hört auf, zu existieren: Sie stirbt aus, weil niemand mehr dazu kommt, oder sie zerbricht an inneren Konflikten. Wir sollten beileibe nicht meinen: So etwas kann uns nicht passieren - es ist in den letzten 99 Jahren ja auch nicht geschehen. VORSICHT! Kaum etwas ist so gefährlich für das geistliche Leben wie Selbstzufriedenheit, Selbstgefälligkeit und mangelnde Wachsamkeit. John Parschauer, der Mitbegründer und erste Leiter der Bibelschule Brake, hat uns mehrmals gesagt: Gott kann jederzeit Seinen Segen von uns wegnehmen. Diese Gefahr droht auch unserer Gemeinde, wenn die Größe unserer Liebe zum Herrn Jesus, untereinander und zu den Verlorenen unter eine gewisse Mindesthöhe sinkt. Das wäre für uns alle ein schmerzvoller Verlust, für den Teufel eine große Freude und für Gott eine schlimme Unehre. Aber unser Herr hat doch versprochen: Mt. 16, 18 Aber auch ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen. Ja, aber das schließt leider nicht aus, daß eine Gemeinde am Krebs der Lieblosigkeit, der Lauheit und der geistlichen Verflachung stirbt. 1. Kor. 10, 12 (Neue Evangelistische Übertragung) Wer daher meint, er stehe fest, der gebe acht, daß er nicht fällt! Seite 6 Predigt Rüsselsheim, 22. Februar 2009 Röm. 8, 12 - 13 12 So sind wir nun, Brüder, nicht Schuldner der alten Natur, um nach der alte Natur zu leben; 13 denn wenn ihr nach der alten Natur lebt, müßt ihr unausweichlich sterben. Gemeint ist hier meines Erachtens der physische Tod. Ich glaube, daß dieses Gesetz sich auch auf Gemeinden bezieht. Geistlicher Rückschritt beginnt im Verborgenen. d) Verheißung (V. 7) 7 Wer Ohren hat, der soll hören, was der Geist den Gemeinden sagt: Wer überwindet, dem werde ich zu essen geben vom Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist. Es ist schön, daß diese Nachricht des Herrn Jesus an Seine Gemeinde in Ephesus und auch an uns hier in Rüsselsheim nicht mit einer finsteren, aber notwendigen Drohung endet, sondern mit einer Verheißung: Wer überwindet, dem werde ich zu essen geben vom Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist. Die Bedingung ist: Wer überwindet oder: Wer siegt Dieses Bild stammt aus dem Militär (geistlicher Kampf!) oder aus dem Sport (Wettkampf). Wer oder was soll besiegt oder überwunden werden? Nun, das Nachlassen der Liebe zum Herrn Jesus, untereinander und zu den Verlorenen sowie die Lauheit und die geistliche Verflachung. Was ist der Siegeskranz, die Medaille, die es zu gewinnen gibt? … dem werde ich zu essen geben vom Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist. Das Paradies ist ein Bild des Himmels und die Frucht vom Baum des Lebens ein Symbol der Dinge, die wir dort werden genießen dürfen, aber auch des ewigen Lebens, das wir bekommen werden. Ist das nicht Werkgerechtigkeit? Bedeutet das nicht: Wir müssen uns den Himmel verdienen durch unsere Treue, unseren Gehorsam und unsere Liebe? Das kann absolut nicht sein, denn das ist durch kristallklare Aussagen an vielen anderen Stellen des Wortes Gottes ein für allemal kategorisch ausgeschlossen worden. Nein, das ewige Leben ist ein Gnadengeschenk Gottes: Röm. 6, 23 Denn der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn. Jeder Mensch hat aufgrund seiner Sünde einen Rechtsanspruch auf einen Platz in der Hölle. Den Himmel dagegen können wir uns nicht verdienen, sonden ihn uns nur von Gott aus Gnade schenken lassen. Seite 7 Predigt Rüsselsheim, 22. Februar 2009 Wie ist dann Offb. 2, 7 gemeint? Wer überwindet, dem werde ich zu essen geben vom Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist. Das Überwinden gehört zur Nachfolge nun einmal dazu; es ist ein Echtheitsmerkmal unseres Christseins. Das wird ebenfalls auch in anderen Bibelstellen gesagt: Röm. 8, 16 - 17 16 Der Geist selbst bezeugt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. 17 Wenn aber Kinder, so auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir wirklich mitleiden, damit wir auch mitverherrlicht werden. Ein amerikanisches Sprichwort sagt: Das Leben ist ein Berg, kein Strand. Das gilt erst recht für das Leben mit Jesus; aber dieser Kampf lohnt sich: Offb. 7, 13 - 17 13 Und einer von den Ältesten begann und sprach zu mir: Diese, die mit weißen Gewändern bekleidet sind - wer sind sie, und woher sind sie gekommen? 14 Und ich sprach zu ihm: Mein Herr, du weißt es. Und er sprach zu mir: Diese sind es, die aus der großen Bedrängnis kommen, und sie haben ihre Gewänder gewaschen und sie weiß gemacht im Blut des Lammes. 15 Darum sind sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel; und der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen wohnen. 16 Sie werden nicht mehr hungern, auch werden sie nicht mehr dürsten, noch wird die Sonne auf sie fallen noch irgendeine Glut; 17 denn das Lamm, das in der Mitte des Thrones ist, wird sie hüten und sie leiten zu Wasserquellen des Lebens, und Gott wird jede Träne von ihren Augen abwischen. Geistlicher Rückschritt beginnt im Verborgenen. Der Herr Jesus kennt auch unsere Gemeinde genau. Er weiß um unsere Dienste für Ihn, füreinander und für andere Menschen. Er weiß um den Einsatz unserer Mitarbeiter, der oft bis an den Rand der Kräfte geht. Und Er weiß darum, daß wir uns darum bemühen, daß Fremde sich unter uns wohlfühlen können. Er sieht aber auch unsere geistlichen Defizite. Er weiß, in wieweit unsere Liebe nachgelassen hat und über welche Dinge jeder Einzelne von uns Buße tun muß, damit es wieder vorwärts geht mit uns. Deshalb wiederhole ich noch einmal meine Bitte an uns (ich nehme mich da nicht aus!), Ihn zu bitten, diesbezüglich zu uns zu reden und die dunklen Ecken unseres Herzens auszuleuchten, damit es darin hell und sauber werden kann. AMEN Copyright © 2009 Detlev Fleischhammel alle Rechte vorbehalten Seite 8