Medikamentenübergebrauchs – Kopfschmerz (MÜKS)

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Quadrimed 2014
J. W. Koch
Dr med Joachim W. Koch
Facharzt für Neurologie
Leitung Neurorehabilitation
Privat-Klinik Im Park Bad Schinznach
5116 Schinznach-Bad
[email protected]
Rev Med Suisse 2014 ; 10 : 258-9
kein müks ohne
kopfschmerz
Die Prävalenz chronischer, täglich
auf­tretender Kopfschmerzen beträgt
3-5% weltweit. Die Chronifizierung entwi­
ckelt sich häufig gleichzeitig mit einem Me­
di­ka­men­tenübergebrauch. Mehr als 1% der
Bevölkerung ist von einem Kopfschmerz
mit Medikamentenübergebrauch (MÜKS)
betroffen. Bei Frauen soll dieser Kopf­
schmerz mindestens 3 mal so häufig wie
bei Männern auftreten. Im Einzelfall kann
es schwierig sein, einen MÜKS von anderen chronischen Kopfschmerzformen aus­
reichend abzugrenzen. Ein MÜKS wird aber
nicht ohne vorbestehende Kopfschmerzen
bzw. Disposition auftreten. In fast zwei Drittel der Patienten entwickelt sich der Kopf­
schmerz bei Medikamentenübergebrauch
auf dem Boden einer Migräne, bei mehr als
einem Viertel bestand ursprünglich ein Kopf­
schmerz vom Spannungstyp. Prinzipiell soll
ein MÜKS bei jeder Kopfschmerzform als
Komplikation auftreten können.
nicht das medikament
verursacht den kopfschmerz,
sondern der übergebrauch
Folgende Schmerzmittel und Migränemedikamente können einen MÜKS verursachen : Ergotamine, Triptane, Analgetika,
Opiate und Schmerzmittelmischpräparate
incl. Benzodiazepine und Barbiturate. Erst
durch die regelmässige, meist tägliche Einnahme über einen längeren Zeitraum ent­
wickelt sich ein MÜKS. Als kritische Einnahmefrequenz wird eine Medi­kamen­ten­
ein­nahme an 10 bzw. 15 Tagen/Monat über
die Dauer von mindestens 3 Monaten an­
gesehen.
Ein MÜKS kann diagnostiziert werden,
wenn der Kopfschmerz an mehr als 15
Tagen im Monat vorhanden ist und erstmals
auftrat oder sich verschlechterte in Folge
regelmässiger Einnahme der oben genannten Medikamente. Die Diagnose wird durch
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Medikamentenübergebrauchs
– Kopfschmerz (MÜKS)
das Abklingen dieser Kopfschmerzen inner­
halb von 2 Monaten nach Schmerzmittel­
entzug gestützt, bzw. kommt es wieder zum
Auftreten des ursprünglich vorhandenen
Kopf­schmerzes.
dauerhafter erfolg durch
geeignete nachsorge
eine medikamentöse
behandlung des müks ist
nicht ausreichend
Der Schmerzmittelentzug ist die einzige,
allgemein anerkannte Therapie des MÜKS.
In der Regel wird auch eine medikamen­
töse Prophylaxe eingeleitet, welche sich
gegen den vorbestehenden Kopfschmerz
richtet. Für Topiramat und Onabotulinumtoxin A zeigten Studienresultate, dass bei
Migränepatienten mit MÜKS unter dieser
Prophylaxe die Kopfschmerzfrequenz auch
ohne Entzug abnehmen kann.
Voraussetzung für einen erfolgreichen
Schmerzmittelentzug ist die Aufklärung des
Patienten über die Entstehung des Kopf­
schmerzes durch Medikamentenübergebrauch und die Einsicht in die Notwendigkeit der Therapie.
Der Schmerzmittelentzug kann in einfa­
chen Fällen ambulant durchgeführt werden, in komplexen Fällen ist der stationäre
Entzug erforderlich.
Häufig besteht ein MÜKS über viele Jahre
mit erheblichen psychosozialen Auswir­
kungen. Die Rückfallquote innerhalb von 5
Jahren wird mit 30% bis mehr als 50% angegeben. Prognostisch ungünstig werden
Spannungskopfschmerzen als primärer Kopf­
schmerz, die Einnahme von Kombination­
spräparaten insbesondere mit psychotro­pen
Substanzen und ein chronischer Kopf­
schmerz von langer Dauer beurteilt. Hin­
gegen scheint die Langzeitprognose bei
Migräne und Einnahme von Monopräparaten insbesondere Triptanen günstiger zu
sein. Es bedarf einer kontinuierlichen Weiterbetreuung der Patienten incl. Dokumentation der Medikamenteneinnahme durch
Arzt und Patient. Hierdurch kann verhindert
werden, dass ein erneuter, übermässiger
Gebrauch von Medikamenten entsteht.
die therapie des müks ist
multimodal
Der alleinige Schmerzmittelentzug ist sel­
ten ausreichend. Die Behandlung von Kopf­
schmerzen bei Medikamentenübergebrauch
ist eine Kombination aus medikamentösen
und nichtmedikamentösen Therapieverfahren.
Folgende Elemente sind für ein multidisziplinäres Therapieprogramm geeignet:
1) Medizinische und psychologische Edukation/Coaching
2) Medikamentöse Prophylaxe des primären Kopfschmerzes
3) Physikalische Therapien
–Physiotherapie, medizinische Massa­
gen
–Medizinische Trainingstherapie (Ausdauertraining)
4) Psychologische Therapie
–Entspannungstherapie (Jacobson, Bio­
feedback)
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–Stressmanagement
–Behandlung einer psychiatrischen Ko­
morbidität
– Kognitive Verhaltenstherapie
Wichtige Punkte für die Praxis
E MÜKS ist die Komplikation einer Kopf­
schmerzerkrankung infolge Medikamen­
tenübergebrauch
E Der Schmerzmittelentzug ist erst der
Beginn einer multimodalen Therapie,
welche spezifisch für den vorbestehenden Kopfschmerz sein sollte
E Ohne entsprechende Weiterbetreuung
bzw. Nachsorge bleibt der Erfolg unsicher
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