Klausur zu M.Che.1311 (3h) Schwingungsspektroskopie und zwischenmolekulare Dynamik 11. 7. 2017 Dipole Für neutrale Moleküle führt das Dipolmoment zur Wechselwirkung größter Reichweite. Entsprechend wichtig ist dieses vektorielle elektrostatische Multipolmoment. Hier soll es um einige Dinge gehen, die man mit Dipolen machen kann. 1. Dipolkurve von HF (20P) Die Dipolkurve von HF als Funktion des Bindungsabstands r lässt sich nach Harrison zerlegen in einen Ladungstrennungsteil qr (wobei q die positive Ladung auf dem Wasserstoff ist, die zusammen mit der entgegengesetzten Ladung −q auf dem Fluoratom ein Dipolmoment bildet) und einen Atomdipol µH am Wasserstoff (durch Verzerrung seiner Ladungsverteilung unter dem Einfluss des Bindungspartners) sowie einen Atomdipol µF am Fluor (durch Ausbildung der freien Elektronenpaare entgegengesetzt zum H-Atom bei kurzen Abständen). Alle drei Komponenten sind um den Gleichgewichtsabstand herum zwischen 1.4 und 2.0 a0 positiv, zeigen also mit dem positiven Ende zum Wasserstoff. Gemeinsam bilden sie das Gesamtdipolmoment des HF-Moleküls, das bei 1.4 a0 den Wert 0.60 ea0 hat und bei 2.0 a0 den Wert 0.77 ea0 . Sie dürfen näherungsweise einen linearen Verlauf für alle drei Komponenten in diesem Abstandsbereich annehmen. a. Umrechnung (5P) Rechnen Sie die zwei genannten Bindungsabstände und Gesamtdipole ins SI-Einheitensystem um. b. Ladungstrennungsteil (5P) Der Ladungstrennungsanteil steigt im betrachteten r-Intervall von 0.21 auf 0.40 ea0 an. Nimmt die Ladungstrennung in diesem Intervall zu oder ab? Setzt sich dieser Trend für große Abstände fort? c. Atomdipole am Wasserstoff und am Fluoratom (5P) Der Atomdipol am Wasserstoff µH steigt im betrachteten Intervall nur geringfügig von 0.23 ea0 auf 0.25 ea0 an. Was ergibt sich hieraus quantitativ und qualitativ für den Atomdipol am Fluor µF . d. Infrarotintensität (5P) Wäre die IR-Intensität des HF-Fundamentalübergangs größer oder kleiner, wenn es die Atomdipolbeiträge nicht gäbe, sondern die Dipoländerung nur auf den Ladungstrennungsteil zurückginge? 2. Dipolinduktion (35P+10ZP) Betrachten Sie eine lineare, parallele Anordnung von 2 HCl-Molekülen a und b im Abstand rab von 300 pm. Das Dipolmoment von HCl µ0 beträgt 3.6·10−30 Cm, das Polarisierbarkeitsvolumen (längs zur Symmetrieachse) α beträgt für HCl 2.8·10−30 m3 . α0 = 4πε 0 1 a. Induktion von b nach a (10P) ~ b eines Dipols µb am Ort a, dass dort durch das PolarisierbarkeitsvolZeigen Sie, z.B. über das elektrische Feld E 0 3 umen α ein zusätzliches Dipolmoment (2α0 /rab )µ0 (b) induziert wird und dass dieses dem ursprünglichen Dipol3 moment µ0 (a) gleichgerichtet ist, also zu einem Gesamtdipolmoment µ1 (a) = µ0 (a) + (2α0 /rab )µ0 (b) führt. Berechnen Sie dieses im konkreten Fall. b. Induktion von a nach b und so weiter... (15P) Berechnen Sie analog, was das neue Gesamtdipolmoment µ1 (a) des HCl-Moleküls a im HCl-Molekül b mit dem gleichen Polarisierbarkeitsvolumen für ein zusätzliches Dipolmoment auslöst, das sich zum Gesamtdipolmoment 3 µ2 (b) = µ0 (b)+(2α0 /rab )µ1 (a) addiert. Berechnen Sie nun, was das Gesamtdipolmoment µ2 (b) des HCl-Moleküls b im Molekül a mit dem gleichen Polarisierbarkeitsvolumen für ein zusätzliches Dipolmoment auslöst, das sich zum Gesamtdipolmoment µ3 (a) addiert. Führen Sie diese Iterationen fort, bis sich die Dipole auf den beiden HCl-Molekülen im Rahmen der Signifikanz nicht mehr ändern. Hinweis: Sie sollten dafür nicht mehr als ein paar Iterationen benötigen. c. Iterative Induktion (10ZP) Schätzen Sie nun ab, was diese Induktionskette an zusätzlichem Energiegewinn bringt, wenn man mit der (in der Vorlesung kennengelernten) Formel für die einfache Dipolinduktionsenergie vergleicht. Es gibt mehrere Möglichkeiten, dies zu tun. d. Näher ran (10P) Führen Sie dieselbe Rechnung wie in b) für rab =150 pm durch. Was stellen Sie qualitativ fest? 3. Symmetrie von Dipolpaaren (14P) Ordnen Sie zwei gleichartige Dipole so im Raum an, dass dabei Objekte verschiedener Punktgruppen entstehen. Skizzieren Sie die Anordnungen, geben Sie aber vor allem konkrete Diederwinkeltripel θ1 , θ2 , τ an, die diese Anordnungen realisieren. Für jedes korrekte Punktgruppenbeispiel gibt es 2 Punkte, für die fälschliche Angabe nicht realisierbarer Punktgruppen jeweils einen Abzug von 1 Punkt. 4. Symmetrie von Dipolanordnungen (6P) Ordnen Sie eine möglichst kleine Zahl von Dipolen so im Raum an, dass dabei Objekte der Punktgruppen C∞v , D2 und D5h entstehen. Skizzieren Sie Ihre Anordnungen. 5. Ferromagnetische Dipoltripel (15P+10ZP) Drei gleich große Kugeln mit zentral eingebetteten Punktdipolen (siehe auch die ausgeteilten Modelle, in denen das elektrische Dipolmoment durch ein permanentmagnetisches Dipolmoment simuliert wird) können verschiedene stabile elektrostatische Anordnungen eingehen. a. Bistabilität (5P) Überzeugen Sie sich experimentell davon, dass sowohl die lineare Anordnung als auch das gleichseitige Dreieck stabilen Anordnungen entsprechen. Prüfen Sie, ob dabei jede Kugel um eine bestimmte Achse frei rotiert werden kann und leiten Sie daraus die Ausrichtung der eingebetteten Dipole ab. Skizzieren Sie diese. b. Was gewinnt? (10P) Berechnen Sie in der paarweisen Dipolnäherung die gesamte Wechselwirkungsenergie für die lineare und die Dreiecksanordnung, wobei der winkelunabhängige Vorfaktor bei sich berührenden Kugeln der Einfachheit halber gerade (dimensionslos) 1 sei. Welche der Anordnungen ist stabiler? Um welchen Prozentsatz? 2 c. Was gewinnt bei 4 Kugeln (10ZP) Stellen Sie entsprechende Berechnungen für vier linear oder im Quadrat angeordnete Kugeln an. Welche Anordnung gewinnt hier? Um welchen Prozentsatz? 6. Was sind van-der-Waals-Kräfte (10P) Ein nett gemachtes YouTube Video von TheSimpleChemics (https://youtu.be/bXHor4n67Dg) für Schüler beschäftigt sich damit. Dort findet sich u.a. folgender Text: Vorkommen tun die so ziemlich zwischen allen Teilchen. Da es aber bei vielen Stoffen mit permanentem Dipol, also zum Beispiel Wasser, die Dipol-Dipol-Kräfte gibt, und die viel stärker sind, sind die van-der-Waals-Kräfte da voll unwichtig. Dasselbe gilt auch für Ionen, da sind ja sogar richtige Ladungen, nicht nur Ladungsverschiebungen am Werk. Die sind noch stärker. Bei den Anziehungskräften ist es halt wie in der Mukibude - nur der Stärkste wird angegafft. Deshalb werden die van-der-Waals-Kräfte erst wichtig, wenn wir keine permanenten Dipole oder Ladungen im Molekül haben. Dann sind die Anziehungskräfte nämlich die stärksten zwischen den Teilchen. So, dann suchen wir uns doch mal Teilchen, die keinen permanenten Dipol haben und bei denen die van-der-Waals-Kräfte wichtig sind. Da kommen einem sofort die Alkane in den Sinn. Die Bindung zwischen Kohlenstoff und Wasserstoff, also die C-H Bindung, bildet keine permanenten, also dauerhaften Dipole aus, weil die Elektronegativitäten von beiden Atomen etwa gleich sind. Also auf Deutsch: C und H ziehen gleich stark an den Elektronen, durch die sie verbunden sind. Dadurch befinden die sich im Normalfall in der Mitte von beiden. Super Sache - also kein dauerhafter Dipol hier, genau wie gewünscht. Die van-der-Waals-Kräfte entstehen jetzt aus kurzzeitig gebildeten Dipolen. Hä? Warum jetzt doch Dipole? Haben wir nicht extra gesagt das Ding hat keine Dipole? Und genau hier liegt der Knackpunkt. Die Teilchen dürfen keinen permanenten, also dauerhaften Dipol haben, damit sich da kurzzeitige Dipole bilden können. Die entstehen aus unsymmetrischer Ladungsverteilung. Jetzt denkt man sich wieder - was labert der für’n Mist? Aber wird gleich klar. Die Elektronen vom Bindungselektronenpaar schwirren jetzt in Bindungsorbitalen oder Kugelwolken durch die Gegend. Jetzt kann es aber sein, dass die Elektronen eher auf der einen Seite des Moleküls rumtuckern, die bewegen sich ja die ganze Zeit. Dadurch ist aber auf der Seite, wo sich mehr Elektronen aufhalten eine kurzzeitige negative Ladung. Auf der anderen Seite dann natürlich ne positive. Wenn auf der Seite der positiven Ladung jetzt ein anderes Molekül läge, dann denken sich die Elektronen - hey, positive Ladung, genau unser Ding, lass da hin. Und somit bildet sich auch im Nachbarmolekül ein kurzzeitiger Dipol aus. Die zwei Dipole ziehen sich jetzt an und genau das sind die van-der-Waals-Kräfte. Die Dipole bilden sich zwar schnell wieder zurück. Dafür werden aber auch immer wieder neue gebildet. Allgemein ist noch wichtig zu merken, die van-der-Waals-Kräfte sind vergleichsmäßig schwache Kräfte, die vor allem bei Molekülen ohne dauerhaften Dipol wichtig sind. Je größer, also eher länger, ein Molekül, desto stärker sind die Kräfte. Denn je mehr Wechselwirkungen können stattfinden. Und viele schwache Anziehungskräfte sind logischerweise insgesamt stärker als wenige. Genau das ist der Grund, warum längerkettige Alkane auch höhere Siedepunkte haben. Die Kräfte halten die einfach länger zusammen. Für die Kräfte auch noch wichtig ist, dass die Moleküle möglichst gut zusammenliegen können. Deshalb gilt, wenn die Teilchen etwa die gleiche Größe haben, je unverzweigter die Alkane sind, desto besser können die van-der-Waals-Kräfte wirken. a. Voll der Checker (5P) Natürlich kann man auch hier Stellen finden, die man wissenschaftlich korrekter formulieren könnte, wie bei jeder vereinfachten Darstellung. Aber das ist in diesem Fall gar nicht so einfach. Versuchen Sie es einmal. Formulieren Sie fehlerhafte Schlussfolgerungen, die Schüler aus dem Text ziehen könnten (mit Verweis auf den jeweiligen Satz). b. Überprüfung (5P) Den letzten Satz des Textes wollen wir einmal am Beispiel des Pentans überprüfen. Die Siedepunkte von nPentan, Isopentan (2-Methylbutan) und Neopentan (2,2-Dimethylpropan) liegen bei 36, 28 bzw. 10◦ C. Das scheint zur Aussage zu passen, weil beim Siedepunkt die van-der-Waals-Kräfte definitiv überwunden werden müssen. Aber bereits beim Schmelzen müssen sich die Moleküle voneinander lösen und hier gilt mit −130, −160 bzw. −17◦ C für Neopentan ein ganz anderer Trend. Haben Sie eine Erklärung dafür? 3 Nützliche Konstanten (u.a. beruhend auf der 2014 CODATA Empfehlung) c = 299792458 m s−1 h = 6.626070 · 10−34 J s NA = 6.022141 · 1023 mol−1 −1 R = 8.314460 J (K mol) e = 1.6021766 · 10−19 C 1 u = 1.6605390 · 10−27 kg ε0 = 8.8541878 · 10−12 C V−1 m−1 a0 = 0.5291772107 · 10−10 m 1 D = 3.335640952 · 10−30 C m 4