Die Transzendenz von Welt und Mensch, die Implikationen des

Werbung
1
Die Transzendenz von Welt und Mensch, die Implikationen des Gottesbegriffs und das
Verhältnis von Glaube und Vernunft
Matthias Haudel
1. Die Transzendenz von Welt und Kosmos
Sowohl der Wirklichkeit von WELT UND KOSMOS als auch der Universalhistorie und dem Menschen
haften eine Selbsttranszendenz an, die zwischen „woher“ und „wohin“ oszilliert, die aufgrund der
Kontingenz und Endlichkeit einer radikalen Fraglichkeit unterworfen ist, die im Staunen über das
Wunder des Seins Frag-Würdigkeit enthält und die die Ahnung eines letzten Grundes beinhaltet.
Damit verbunden ist die Frage nach einem letzten Sinn oder Ziel sowie das Phänomen der Gottesidee,
wobei alle genannten Dimensionen „die Form eines unthematischen Gewahrseins haben“, weil „der
Mensch von allem Anfang an in ein ihn übersteigendes ‚Geheimnis‘ hineingestellt ist, und zwar in der
Weise, daß sich ihm ‚die unverfügbare [...] Unendlichkeit der Wirklichkeit als Geheimnis dauernd
zuschickt‘“1.
Für
die
Gottesbeweise
in
ihrer
kosmologischen,
anthropologischen,
geschichtsphilosophischen oder ontologischen Ausrichtung gilt deshalb, daß sie nicht im Rückschluß
von den Aspekten, welche die Selbsttranszendenz begründen, Gott „beweisbar“ ableiten können - was
Kants Metaphysikkritik unterstreicht -, sondern sich lediglich einem „Grenzbegriff der Vernunft“
nähern: „Wir stoßen auf einen grundlosen Grund, an dem unser begründendes Denken zu Ende ist.
Gerade wo es um den letzten Grund geht, müssen wir unser begründendes Denken aufgeben und uns
auf das absolut Grundlose einlassen.“2
Eine durch die Selbsttranszendenz hervorgerufene Ahnung von Gott verlangt also die
hermeneutische Umkehr von selbstbehauptendem und spekulativem Denken zu empfangender
Anerkennung der Kreatürlichkeit des Seins. Unter dieser Voraussetzung ist laut alt- und
neutestamentlichem Zeugnis die Erkennbarkeit Gottes aus den Werken seiner vom Schöpfergeist
durchdrungenen Schöpfung gegeben (z.B. Psalm 8; 19; 29; 104; 148; Act 14,16 f.; 17,22 ff.; Röm 1,19
f.), weshalb es sich als unentschuldbar erweist, wenn der Mensch Gott die Ehre verweigert (Röm
1,20). Das bezeugt auch das menschliche Gewissen, insofern als das Gesetz Gottes dem Menschen ins
Herz geschrieben ist (Röm 2,14 f.). Der Mensch, dem sich auf diesen Wegen die Ahnung eröffnet, daß
Gott ist, aber noch nicht, wer Gott ist (Luther), neigt jedoch nach Röm 1,18 ff. statt zu einer sich
öffnenden Anerkennung Gottes zur Identifikation Gottes mit Geschöpflichem oder mit sich selbst.
Wegen der darauf beruhenden Ambivalenz „natürlicher“ Gotteserkenntnis müssen Natur und Gnade
sowie Vernunft und Glaube aufeinander bezogen bleiben, da sich die Gnade die Natur voraussetzt und
der Glaube die Vernunft in Dienst nimmt. „Deshalb ist die Natur kein eigenständiger, in sich
abgeschlossener und aus sich vollendbarer Wirklichkeitsbereich. Sie ist dynamisch über sich hinaus
auf eine Erfüllung ausgerichtet, die sie sich selbst nicht geben kann, die sie vielmehr allein durch die
Gnade erhält. Erst durch die Gnade erlangt die Natur ihre eigentliche Bestimmung. Wo sie sich
dagegen sündhaft gegen die Gnade versperrt, da gerät sie in Widerspruch mit sich selbst, da wird sie
zutiefst verkehrt.“3 Somit ist der Zusammenhang zwischen Schöpfungs- und Heilsordnung bzw.
zwischen allen drei Artikeln des Glaubensbekenntnisses gegeben. Entgegen der linear trennenden
Stufenordnung von natürlicher und übernatürlicher Gotteserkenntnis besteht eine trinitarischheilsgeschichtliche Dynamik von Schöpfung, Erlösung und Vollendung, in der sowohl das jeweils
spezifische Handeln von Vater, Sohn und Heiligem Geist in den drei heilsgeschichtlichen Phasen zum
Ausdruck kommt als auch das gemeinsame Handeln der trinitarischen Personen in jeder dieser Phasen,
so daß die Trinitätslehre im Kontext von Gesetz und Evangelium den hermeneutisch relevanten
Zusammenhang von Schöpfungs- und Heilsordnung aufzeigt.
In der dynamischen Zuordnung von schöpfungsmäßigen Erkenntnisvoraussetzungen und
revelatorischer Selbsterschließung kommt neben den natürlichen Anknüpfungspunkten und
Voraussetzungen der Selbsterschließung auch die Krisis (theologia crucis) mit ihrer Offenlegung der
1
W. Pannenberg: Theologie I, S. 128, wo er auf K. Rahner zurückgreift. Vgl. insgesamt W. Kasper: Gott, S. 133
ff., und C. Schütz: Tendenzen, S. 277 ff.
2
W. Kasper: Gott, S. 135. Zu den verschiedenen Formen der Gottesbeweise vgl. ebd., S. 131 ff. - Zu Kants
Metaphysikkritik s.o., S. 122 f.
3
W. Kasper: Gott, S. 101. Vgl. insgesamt ebd., S. 93 ff.; M. Welker: Geist, S. 17; E. Jüngel: Entsprechungen, S.
163 ff.; C. Bresch [u.a.] (Hg.): Gott, S. 53 u. 138 f., und W. Pannenberg: Theologie I, S. 121 ff., der im Blick auf
Röm 2,15 den Zusammenhang von Gewissen, Selbstbewußtsein, Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis erörtert.
2
sündhaften Verkehrung und Ambivalenz dieser Voraussetzungen zum Tragen. „Die Schöpfung muß
daher so interpretiert werden, daß sie von Anfang an auf die Verwirklichung der vollendeten
Gemeinschaft des trinitarischen Gottes mit seiner Schöpfung abzielt, die angesichts des Widerspruchs
der Sünde nur durch die von Gott gewirkte Versöhnung verwirklicht werden kann. Die Versöhnung
muß in dieser Weise als Ausdruck der Treue Gottes zu seiner Schöpfung und in dieser Weise als
erneute Einbeziehung des Gott widersprechenden Menschen in die ursprüngliche Zielsetzung der
Schöpfung verstanden werden. Die Vollendung der Welt darf darum nicht nach apokalyptischer
Manier als radikale Neuschöpfung verstanden werden, sondern muß als Vollendung der versöhnten
Schöpfung interpretiert werden, also als neuschöpferisches Handeln Gottes an der ursprünglichen
Schöpfung.“4 Geschöpfliche Natur und Vernunft bleiben trotz der Sünde Anknüpfungspunkte für die
Erschließung der Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott, weil sie darauf ausgerichtet sind: „Wenn es
faktisch keine natürliche Ordnung (im traditionellen Sinn) gibt und ‚Natur‘ (Schöpfung) immer schon
Anfang von trinitarischer Offenbarungs- und Heilsgeschichte ist, so gibt es auch keine natürliche
Vernunft im Sinne eines ‚neutralen‘ Vermögens als jener geistigen Fähigkeit, mit der der Mensch sich
die Wirklichkeit zu eigen macht, seinen eigenen Ort darin bestimmt und allenfalls noch eine
unbestimmte Offenheit auf Transzendenz erfährt. Vielmehr ist auch die Vernunft faktisch geprägt von
dem und ausgerichtet auf das von Gott in Freiheit eröffnete und geschenkte Ziel des Lebens mit dem
dreifaltigen Gott. Und da dieses Ziel sich dem Menschen in einem geschichtlichen
Offenbarungsprozeß darbietet, ist die Vernunft nicht indifferent gegenüber den sie an-gehenden
geschichtlichen Bestimmungen.“5
Zugleich sind der Vernunft die Spuren der Trinität (vestigia trinitatis) in der vom dreieinigen
Gott geprägten Schöpfungswirklichkeit zugänglich. Neben vielen Spuren analoger Einheit in Vielfalt
im Kosmos gilt das auch für intrapersonal-psychologische und interpersonal-soziale trinitarische
Analogien, die ihre Berechtigung zwar unter anderem in der Gottebenbildlichkeit des Menschen
(imago Dei, Gen 1,26 f.) haben, die aber die intra- und interpersonale Dreieinigkeit Gottes immer nur
annähernd widerspiegeln können, da allein in Gott die Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler
Dimension existiert. Deshalb darf es nicht zur unangemessenen Prinzipialisierung der Trinitätslehre
kommen, wie es in vielen zeitgenössischen trinitätstheologischen Ansätzen durch die undifferenzierte
Identifizierung göttlicher und weltlicher bzw. menschlicher Strukturen zu beobachten ist, wobei die
Identifizierung zumeist durch die Übertragung weltlicher, anthropologischer oder ekklesiologischer
Strukturen auf Gott erfolgt, was einer Funktionalisierung der Trinitätslehre gleichkommt.6 „Die Rede
von den vestigia trinitatis in aller geschaffenen Wirklichkeit ist also gewissermaßen eine
Gratwanderung: auf der einen Seite betont sie den Zusammenhang zwischen trinitarischem Gott (qua
trinitarischem) und Erfahrung, auf der anderen Seite betont sie durch die Abweisung eines durch
rationale Argumentation geschehenden, evidenten und zweifelsfreien Rückschlusses die ‚ontologische
Differenz‘: Die Weise, wie Gott in sich ist, übersteigt alle geschöpfliche Ausdenkbarkeit, und darum
kann (endliche) Erfahrung nur auf vestigia für das Unendliche stoßen. Aber dieses ‚Nur-vestigiumSein‘ der geschöpflichen Wirklichkeit ist nicht als Defizienz, sondern als positive modale Bestimmung
zu werten: Die Erfahrungswirklichkeit weist tatsächlich auf den trinitarischen Gott hin.“7 Denn das
„Geschaffene ist auf Grund seines Ursprungs und seiner Entfaltung vom dreieinen Gott durchwirkt
und deshalb dessen Abbild“8.
Die Analogie zwischen geschöpflicher und göttlicher Wirklichkeit bildet die Voraussetzung
dafür, die Offenbarung Gottes verstehen zu können und die Universalität der speziellen Offenbarung
wahrzunehmen, was durch die Interdependenz der drei Artikel des Glaubensbekenntnisses
gewährleistet wird. Weil die Inkarnation (2. Artikel) sowohl auf die mit der Schöpfungswirklichkeit
gegebenen Voraussetzungen (1. Artikel) als auch auf die eschatologische Vollendung durch den
Heiligen Geist (3. Artikel) verweist, ist der integrale Zusammenhang von Vernunft und Geist sowie
4
C. Schwöbel: Trinitätslehre, S. 143 (Hervorhebung v. Vf.). Vgl. insgesamt ebd. S. 142 ff.; E. Lessing: Art.
„Geist V“, S. 229 ff.; W. Kasper: Gott, S. 102; G. Noller: Eschatologie, S. 91 f.
5
G. Greshake: Gott, S. 39.
6
Vgl. dazu die kritische Untersuchung der trinitätstheologischen Ansätze in Kap. IV u. V. - Zum Problem der
Prinzipialisierung und Funktionalisierung der Trinitätstheologie vgl. auch C. Schwöbel: Trinitätslehre, S. 135 u.
153 f., und O. Bayer: Trinitätslehre, S. 76 ff. Zu verschiedenen Formen der vestigia trinitatis s.o., S. 82 f., und
vgl. z.B. G. Greshake: Gott, S. 38 ff.; J. Werbick: Trinitätslehre, S. 518 ff., und L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S.
143 ff., der geistmetaphysisch-ontologische vestigia trinitatis darlegt, diese aber auch im metaphysischen
Rückschlußverfahren auf Gott überträgt. - Zur Ambivalenz der in der Welt vorfindlichen vestigia trinitatis vgl.
G. Wenz: Unio, S. 342.
7
G. Greshake: Gott, S. 42.
8
Ebd., S. 41.
3
von Schöpfungs- und Heilswirklichkeit gegeben, zumal der Heilige Geist neben der Vollendung auch
die Erhaltung der Schöpfung und die Erlösung in Christus vollzieht.9 In diesem Kontext verbietet nicht
nur der erste Artikel mit seiner Bezugnahme auf den gesamten Kosmos eine oft zu beobachtende
anthropozentrische oder existentialistische Reduktion, sondern auch der dritte Artikel mit seiner den
ganzen Kosmos betreffenden Perspektive der eschatologischen Verherrlichung. Die neuzeitliche
anthropozentrische Grundorientierung, die sich etwa in rein sittlicher Religiosität neukantianischer
Prägung oder in existentialistischer Ausblendung der natürlich-kosmologischen Dimension äußert,
wird der ganzheitlichen Selbsttranszendenz des Menschen und seiner Einbindung in Welt und
Geschichte nicht gerecht. Deshalb „würde ein völlig akosmisches Gottesbild, Wirklichkeits- und
Selbstverständnis des Menschen [...] eine bedenkliche Ausfallerscheinung darstellen.“10 Ein solches
Defizit wird durch das trinitarische Bekenntnis verhindert, das Schöpfung und Erlösung umschließt
und sich „für den umfassenden Horizont des Wirklichen“11 öffnet. Weil man Gott die Wirklichkeit von
Welt und Kosmos nicht entziehen kann und der universale Wahrheitsanspruch der Offenbarung im
Erfahrungskontext der Menschen gewährleistet bleiben muß, um zu verhindern, „daß der Glaube auf
den Standpunkt eines ‚credo, quia absurdum‘ verwiesen wird“12, bedarf es der Wahrnehmung der
Dimension natürlich-metaphysischer Transzendenz13 und ihrer ganzheitlichen Orientierung, allerdings
nicht in Form einer prinzipialisierenden natürlichen Theologie, sondern als Grundlage der Ahnung von
Gott und als Anknüpfungspunkt seiner revelatorischen Selbsterschließung, auf welche die Ahnung
wiederum angewiesen bleibt.
2. Die Transzendenz des Menschen
Neben der Beachtung des kosmologischen Aspekts bleibt jedoch gerade im neuzeitlichen Kontext die
Auseinandersetzung mit den ANTHROPOLOGISCHEN VORAUSSETZUNGEN DER GOTTESERKENNTNIS
grundlegend. Als Ergänzung der diesbezüglich schon hervorgetretenen Aspekte sei darauf
hingewiesen, daß bereits im griechischen Begriff „Anthropos“ (Mensch) das über sich hinausweisende
Wesen des Menschen angedeutet ist, insofern als dieser Begriff etymologisch mit dem Wortstamm
¢naqre‹n (nach oben blicken) in Verbindung gebracht wurde.14 Der Mensch, der die Begrenztheit
seines Lebens ernst nimmt, spürt, daß er von Voraussetzungen lebt, die er nicht selbst geschaffen hat.
Dadurch erfährt sich der Mensch als Frage und als Geheimnis, es existiert eine Unruhe der
Unabschließbarkeit und somit das Gefühl, aus sich herausgerufen zu sein. Die sich in solcher „FragWürdigkeit des Geheimnisses“15 und im existentiellen Verwiesensein dokumentierende
Selbsttranszendenz des Menschen erwartet eine „Antwort auf die mit dem Menschen als Person
gegebene Frage nach dem Ganzen der Wirklichkeit“16 sowie nach dem universalen Sinn aller
Wirklichkeit. In diesem „Gefordertsein der menschlichen Existenz“17 existiert sowohl das mit
menschlicher Personalität und Liebeserfahrung gegebene Grundvertrauen als auch eine unauslotbare
Verborgenheit: „Insofern die Erfahrung des Geheimnisses ein unerreichbarer Horizont aller unserer
Erfahrung ist, begegnet es uns als das ganz Andere [...]. Insofern es uns in allen Dingen nahe ist,
erscheint es uns als bergender Grund“18. Durch die Erfahrung des Geheimnisses, das die Frage nach
dem universalen Sinn beinhaltet, wird das Denken über sich selbst hinausgewiesen, bis hin zum
9
Vgl. Gemeinschaft, S. 88; J.-Y. Lacoste: Theologie, S. 6; W. Kasper: Gott, S. 280; E. Lessing: Art. „Geist V“,
S. 229 ff.; E. Jüngel: Entsprechungen, S. 7 f., und G. Wenz: Unio, S. 341 f., der den trinitarisch begründeten
Zusammenhang von Schöpfung und Erlösung anhand der Confessio Augustana erörtert.
10
C. Schütz: Tendenzen, S. 281. Vgl. insgesamt I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 681 f. u. 687 f.; W. Kasper:
Gott, S. 46; E. Jüngel: Gott, S. 17 ff.; B. Klappert: Tendenzen, S. 194 f.
11
F. Schmid: Erwägungen, S. 68.
12
C. Schütz: Tendenzen, S. 275. Vgl. H. Petri: Problematik, S. 14 ff., und M. Kappes: „Natürliche Theologie“,
S. 297, 300 f., 307.
13
Vgl. H. Petri: Problematik, S. 14 ff. u. 23 f., und C. Schütz: Tendenzen, S. 270 ff.
14
Vgl. E. Jüngel: Entsprechungen, S. 208.
15
C. Schütz: Tendenzen, S. 283. Vgl. ebd., S. 285 u. 306; B. G. Langemeyer: Einheit, S. 313; E. Jüngel:
Entsprechungen, S. 190; ders.: Gott, S. 20 u. 541; W. Kasper: Gott, S. 25 ff., 114 ff., 328 ff.; I. Lønning: Art.
„Gott VIII“, S. 579 u. 699; H. G. Ulrich: Heiliger Geist, S. 69 f.
16
W. Kasper: Gott, S. 27. Vgl. E. Jüngel: Gott, S. 541: „Man kann vor der ehernen Tatsache der eigenen
Begrenztheit, die angesichts der Todesgrenze und ihres non plus ultra besonders peinlich ist, auch resignieren.
Man würde damit aber gegenüber dem Menschsein des Menschen, man würde vor sich selbst resignieren.“
17
I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 699.
18
W. Kasper: Gott, S. 115. Vgl. E. Jüngel: Entsprechungen, S. 201.
4
Grenzbegriff der Gottesidee: „Vor ihm muß unser Denken verstummen. Soll uns das Unendliche
zugänglich werden, dann muß es sich uns selbst erschließen.“19
Das Herausgerufensein bzw. das Angewiesensein auf Anrede ist in der personalen und
sprachlichen Konstitution des Menschen angelegt, wobei sich Personalität und sprachliche
Konstitution gegenseitig bedingen. Die mit selbstreflexiver Subjektivität verbundene Personalität des
Menschen verkörpert Selbstsein im Gegenüber- und Mitsein. Dementsprechend beinhaltet
menschliche Personalität sowohl die apophatische Reserve des personalen Geheimnisses, die jenseits
empirischer Ableitbarkeit steht, als auch die mit den Externrelationen einhergehende Dimension der
Gemeinschaft und des Angegangenseins von außen. Weil sich der Mensch als personales Geheimnis
nur selbst mitteilen kann und zugleich auf personale Gemeinschaft und damit auf Anrede angewiesen
ist, bedarf er ontologisch der sprachlichen Konstitution. Die Sprachlichkeit wiederum ermöglicht
durch den Zusammenhang von Erschließung, Verschlossenheit und Offenheit nicht nur die
Handhabung des Aspekts des personalen Geheimnisses, sondern auch die freie Ansprechbarkeit des
Menschen und die freie intersubjektive Gemeinschaft der Menschen untereinander.20 Darüber hinaus
geben Sprachlichkeit und Personalität die Selbsttranszendenz des Menschen zu erkennen. Hinsichtlich
der sprachlichen Transzendenz gelangt Walter Kasper nach einem komprimierten
sprachphilosophischen Durchgang zu folgendem begründeten Urteil: „Zusammenfassend läßt sich
sagen, daß die Sprache sowohl in syntaktisch-grammatischer wie in pragmatischer und in
semantischer Hinsicht eine transzendierende Bewegung einschließt. Sie kann nicht nur, sie will auch
immer schon mehr sagen, als was der Fall ist. Die Sprache lebt vom Vorgriff auf einen Gesamtsinn der
Wirklichkeit und bringt diesen in Metaphern und Gleichnissen zum Ausdruck. So ist die Sprache
zugleich Erinnerung an eine unabgegoltene Hoffnung der Menschheit und zugleich Antizipation dieser
Hoffnung. Noch bevor die Sprache zur expliziten religiösen Sprache wird, impliziert sie je schon eine
religiöse Dimension. Erst die religiöse Sprache bringt die Sprache zu sich selbst. Nicht das Wort Gott
ist ein sinnloses Wort, vielmehr ist dort, wo Gott totgeschwiegen wird, das Sprechen selbst
gefährdet.“21 Nach Gerhard Ebeling bündelt sich „die Tatsache, daß der Mensch in der Ganzheit seines
Lebens und damit im Hinblick auf die Wirklichkeit im ganzen in einer letztgültigen Weise sprachlich
angegangen ist“, im Wort „Gott“22. Wie die Sprachlichkeit des Menschen bewußte Beziehungen in
personaler Gemeinschaft ermöglicht bzw. voraussetzt und wie die im personalen Geheimnis gegebene
Sinnfrage auf ein personales Gegenüber verweist, das den Sinn hinter den vom Menschen nicht
beantwortbaren Fragen zu eröffnen vermag, so kann das menschliche Wesen „seine Erfüllung als
Person nur in der Gemeinschaft mit einem höheren persönlichen Wesen finden“23. Als „Anrede
Gottes“ weist „das Rufwort Gott [...] eindeutig auf ein Du hin, angesichts dessen sich der Mensch erst
als ein unverwechselbares Ich weiß“24. Mit dieser Charakteristik des Gottesbegriffs und der historisch
tatsächlich vorfindlichen Selbsterschließung Gottes im Wort tritt neben der Personalität des Menschen
auch die Personalität Gottes hervor: „Gotteserkenntnis als Wortgeschehen impliziert Erkenntnis
Gottes als Person.“25 Indem Gottes Wort die als Wortsituation bestehende Grundsituation des
Menschen trifft, zeigt es schon allein als Vollzug das menschliche Hingeordnetsein auf die freie
personale Gemeinschaft mit Gott, die das menschliche Personsein als „Reflex der Personhaftigkeit
Gottes“26 erweist.
Vor diesem Hintergrund geben die vestigia trinitatis zu erkennen, daß die Menschen als imago
Dei in sich selbst und untereinander auf das göttliche Leben der Liebe, welches die innertrinitarische
19
W. Kasper: Gott, S. 151. Vgl. W. Pannenberg: Theologie I, S. 121 ff.
Vgl. insgesamt D. Staniloae: Dogmatik I, S. 26 f., 93, 137 ff.; E. Jüngel: Gott, S. 208 u. 216 ff.; ders:
Entsprechungen, S. 190; G. Ebeling: Dogmatik I, S. 182 ff.; W. Kasper: Gott, S. 88 f., 122 ff., 328 ff.; L.
Scheffczyk: Traditionen, S. 72.
21
W. Kasper: Gott, S. 124. Vgl. ebd., S. 122: „Die religiöse Sprache ist also keine Sondersprache neben anderen
Sprachformen; sie expliziert vielmehr die Möglichkeitsbedingung aller anderen Sprache.“ Zum
sprachphilosophischen Durchgang Kaspers vgl. ebd., S. 116-131. Mit seiner Einschätzung des Verhältnisses von
allgemeiner und religiöser Sprachlichkeit entspricht Kasper den Ergebnissen G. Ebelings, für den das Wort als
Wort in letzter Hinsicht im Wort Gottes begegnet, das die Sprache zu ihrem Ziel bringt (vgl. G. Ebeling:
Dogmatik I, S. 182 ff. u. 257 ff.; ders.: Dogmatik II, S. 90 ff.; ders.: Dogmatik III, S. 249 ff.; ders.: Wort I, S.
319 ff.; ders.: Wort II, S. 99 ff. Vgl. dazu auch E. Jüngel: Gott, S. 203 ff., und M. Haudel: Bibel, S. 73.
22
G. Ebeling: Dogmatik I, S. 190.
23
D. Staniloae: Dogmatik I, S. 27. Vgl. C. Schütz: Tendenzen, S. 283 f.: „Dem [...] Zusammenhang von
Geschichte und Sinnfrage bzw. Sinnerfahrung wird kein apersonales Erklärungsmodell letztlich gerecht.“
24
I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 698 f.
25
G. Ebeling: Wort I, S. 370.
26
I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 699. Vgl. W. Kasper: Gott, S. 88, und L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S. 163 ff.
20
5
Koinonia darstellt, hingeordnet sind.27 Hinweise auf diese Zusammenhänge beinhalten neben der - die
Selbstliebe ermöglichenden - intrapersonalen psychologischen Analogie (Geist [mens]/Erkenntnis
[notitia]/Liebe [amor]) und der - die interpersonale Liebe kennzeichnenden - sozialen Analogie
(Vater/Mutter/Kind) auch vestigia trinitatis, wie sie in zeitgenössischen Konzeptionen einer Ontologie
bzw. Metaphysik der Person oder Liebe aufgedeckt werden. Solche Konzeptionen erkennen gegenüber
statischen Ansätzen - seien sie substanz- oder geistmetaphysisch - verschiedene intra- und
interpersonale trinitarische Analogien, die lebendige Personalität, Sprachlichkeit, Gemeinschaft und
Freiheit als Anknüpfungspunkte für die Koinonia zwischen trinitarischem Gott und den Menschen
transparent werden lassen. Auf der Grundlage, daß Seiendes (ens) und seine artlich bestimmte
Wesenheit als „Sache“ (res) eine Einheit bilden (unum), zeigen sie zum Beispiel den Ternar „ens, res,
unum“ und die „communicatio sui“, in der Sein und Wesen das konkrete Seiende durch ihre
Selbstmitteilung konstituieren. So kann Sein als „Vollzug“ von „Kommunion“ und „Sich-Geben“
verstanden werden, was mit der Darstellung personalen Lebens als Selbstmitteilung durch sprachliche
Selbstdarstellung und durch liebende Hingabe korreliert. Die sprachliche Verfaßtheit wird hier daran
ersichtlich, daß das Wort das Bild ist, das der menschliche Geist von sich und den Dingen hat, so daß
durch Sprachlichkeit geformte Personalität die Voraussetzung freier Kommunikation und
Gemeinschaft bildet und die dialogische Gemeinschaft der Liebe eröffnet (Metaphysik der Liebe).28
An diesen Zusammenhängen kommen Analogien zu den intra- und interpersonalen Dimensionen zum
Vorschein, in denen sich Vater, Logos und Heiliger Geist darstellen und lieben. Karl Rahner kann
deshalb von der trinitarisch geprägten Analogie zwischen dem Geheimnis Gottes und dem Geheimnis
menschlicher Existenz sprechen, weil letztere von ihrer Herkunft und Erkenntnis auf das Angebot der
Wahrheit durch den Logos angewiesen ist, während sie hinsichtlich ihrer Zukunft der Ermöglichung
der Annahme des Liebesangebots durch den Heiligen Geist bedarf.29
Im trinitarischen Geheimnis erweist sich dessen sprachliche Konstitution durch die Identität
des Wortes Gottes (Logos) mit Gott selbst. Diese einmalige Identität von Wort und Sein ermöglicht
den Menschen wahre Gotteserkenntnis und Heilsgewißheit, weil sich Gott in seinem Wort entspricht.
Wenn sich der sprachlich konstituierte Mensch glaubend auf die Anrede Gottes einläßt, handelt es sich
um „dasjenige Verhalten, in dem der Mensch gleichursprünglich sowohl Gott als auch sich selbst
entspricht“30, da er Gott als den von sich aus Redenden gelten läßt und sich das wahre Menschsein
zusprechen läßt. „Letztlich geht es um das einzige Wort, ‚das den Menschen menschlich macht, indem
es ihn zum Glaubenden macht‘“31. So ist wahre Gottes- und Menschenerkenntnis nur in der
Gemeinschaft mit Gott möglich, was in dieser Untersuchung als Koinonia-Erkenntnis herausgestellt
wurde.32 Denn Gott verschließt sich nicht bis zur Unkenntlichkeit, sondern er erschließt sich als
personales Geheimnis, und zwar auf der Grundlage kreatürlicher Anknüpfungspunkte, weil die
Schöpfung vom göttlichen Logos und vom Geist geprägt ist, so daß sich bereits „in Schöpfung und
vorchristlicher Geschichte immer auch schon antizipierende Formen der Trinitätsoffenbarung
ereignen“33. Die vestigia trinitatis zeigen, daß „Gott im Hinblick auf seine trinitarische
Selbsterschließung den Menschen als Adressaten und Partner“34 geschaffen hat. Gott, der die
innertrinitarische Beziehung der Liebe verkörpert, nimmt „die Menschen als seine von ihm selbst
geschaffenen Kommunikationspartner in diese Beziehung auf [...], so daß diese - von der grenzenlosen
Beziehungswilligkeit Gottes ergriffen und sich ihr öffnend - den Mitmenschen wie auch ihrem Gott
entsprechen und zu ihrem menschlichen Wesen kommen können“35.
Doch die vestigia trinitatis allein können nicht zu dieser Erkenntnis führen, da sie zwar einen
analogen Zusammenhang zwischen kreatürlichem und göttlichem Geheimnis widerspiegeln, aber
27
Vgl. J. Werbick: Bilder, S. 288 f.; L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S. 143 ff. u. 173 ff.
Anmerkungen zu Konzeptionen einer Metaphysik der Liebe, die z.B. H. U. von Balthasar entwickelt, finden
sich bei W. Löser: Trinitätstheologie, S. 36 ff. Eine trinitarische Ontologie und Metaphysik der Person liefert
z.B. L. Oeing-Hanhoff: Ontologie, S. 143 ff., wobei er sich u.a. auf K. Hemmerle bezieht. - Zur Problematik, daß
solche Konzeptionen nicht zu einer vorgeordneten metaphysischen Prinzipialisierung der Trinitätslehre werden
dürfen, sondern auf die heilsökonomische Selbsterschließung Gottes angewiesen bleiben, s.u., S. 331 ff.
29
S.o., S. 157 f.
30
E. Jüngel: Gott, S. 219. Zur Identifikation von Wort Gottes und Gott vgl. ders.: Entsprechungen, S. 238.
31
M. Haudel: Bibel, S. 73.
32
S.o., bes. S. 74 f. u. 175, und s.u., S. 324.
33
G. Greshake: Gott, S. 41.
34
B. J. Hilberath: Gott, S. 67.
35
J. Werbick: Trinitätslehre, S. 557 (im Original kursiv). Vgl. W. Kasper: Gott, S. 96 u. 104; L. Oeing-Hanhoff:
Ontologie, S. 164, 167, 173; P. Fransen: communio, S. 186 f.; W. Breuning: Trinitätslehre, S. 33; ders.:
Unähnlichkeit, S. 374 f.
28
6
zugleich die Differenz zwischen beiden Ebenen beinhalten, was ein prinzipialisierendes
Rückschlußverfahren verbietet und die bleibende Angewiesenheit auf die Selbsterschließung des
personalen Geheimnisses Gottes bedeutet. Eine Prinzipialisierung der Trinitätslehre würde nämlich
mit der undifferenzierten Identifizierung weltlicher und göttlicher Strukturen die Gefahr einer
funktionalisierenden Übertragung weltlicher Strukturen auf Gott heraufbeschwören.36 Die natürlichen
Anknüpfungspunkte, die sich aus der kosmologischen und anthropologischen Transzendenz ergeben,
eröffnen also lediglich die Dimension einer Ahnung von Gott, die verlangt, sich für die göttliche
Selbsterschließung zu öffnen, welche erst die vestigia trinitatis klar aufleuchten läßt. Werden
Selbsttranszendenz und Gottesbegriff ernst genommen, läßt sich erkennen, daß sich die Menschen Gott
empfangend zu öffnen haben, statt ihn spekulativ zu vereinnahmen oder zu negieren.
3. Die Implikationen des Gottesbegriffs
Neben den gezeigten Aspekten kosmologischer und anthropologischer Transzendenz wird das
Erfordernis einer solchen Hermeneutik am GOTTESBEGRIFF deutlich, wie es zum Teil schon anklang.
Die bereits hervorgetretenen Aspekte, die aufgrund menschlicher Personalität und Sprachlichkeit auf
die Personalität Gottes und die Charakteristik des Wortes „Gott“ als Rufwort bzw. Anrede hindeuten,
fordern ebenso wie andere Merkmale dazu auf, die Implikationen des Gottesbegriffs ernst zu nehmen.
Zwar enthält das Wort „Gott“ für sich genommen noch keine bestimmte Gottesvorstellung oder eine
eigenständige Verständlichkeit, aber das menschliche Reden von Gott weist einen gewissen
Resonanzboden auf, der das Moment des Letztgültigen und des Angegangenseins anklingen läßt. Zum
einen haftet dem im Gottesbegriff gegebenen Horizont der letztgültigen Wahrheit und Seinsgrundlage
die Dimension des Geheimnisses an, das sich aus den weltlichen Zusammenhängen nicht greifen läßt
und hinter dem sich deshalb eine unverfügbare Eigenwirklichkeit (Aseität) und somit eine
selbstursächliche Einzigartigkeit zu verbergen vermag. So scheint der Gottesbegriff ein grundloses
Sein zu enthalten, das aus sich selbst existiert und index sui et falsi ist. Der Gottesbegriff transportiert
also zum einen ein Geheimnis, das sich dem Menschen als entzogen erweist, das ihn aber zum anderen
als definitives „Woraufhin“ seines Lebens unbedingt angeht. Denn dieses Geheimnis verbindet sich
mit der Ahnung einer ersten, aus sich existierenden und alles Sein umfassenden Ursache, zumal „die
Rede von Gott nur dann sinnvoll ist, wenn sie ‚Gott‘ als ein auf das Ganze gehendes Wort zu
verstehen gibt, dessen besonderer Anspruch universale Geltung einschließt“: was „im sachgemäßen
Gebrauch des Wortes ‚Gott‘ zur Sprache kommt, geht jeden Menschen unbedingt an“37.
Doch aufgrund der menschlichen Versuchung, Gott zu vereinnahmen oder sich selbst zu
vergöttlichen, bedarf es der Einsicht, daß das Denken im Gottesgedanken über sich selbst
hinausgewiesen ist, daß es nicht über die Dimension des Geheimnisses verfügen kann, um selbst über
Gottes Sein zu entscheiden, sondern daß es sich dem Sein Gottes empfangend zu öffnen hat. „Letztlich
kann Gott nicht von einer äußeren Instanz her bewiesen werden. Er muß sich selbst erweisen. Man
kann den Gottesgedanken nur daran bewähren, daß man ihn an seinen eigenen Implikationen mißt.“38
Denn als Geheimnis, das sich nicht unter dem Aspekt ableitbarer ontologischer Notwendigkeit
erschließen läßt, sondern sich solchem Zugriff entzieht, verkörpert der Gottesbegriff in Verbindung
mit der menschlichen Selbsttranszendenz die Ahnung - und nicht die metaphysisch-theistische
Notwendigkeit oder die atheistische Nicht-Notwendigkeit - von einem göttlichen Horizont, der in
seiner Eigenwirklichkeit als grundloser Grund über Sein und Nicht-Sein entscheidet. Der diesem
Anschein nach aus sich selbst existierende Gott ist deshalb um seiner selbst willen ernst zu nehmen
und nur aus sich selbst erkennbar, er muß sich selbst verifizieren, wenn er erkannt werden soll.
Diese Phänomene finden sich auch im Wesen der Personalität, die ihr personales Geheimnis
bzw. ihre Eigenwirklichkeit frei entziehen oder erschließen kann, so daß sich die - mit dem Moment
der Freiheit verbundene - Personalität und ihre apophatische Dimension mit der entsprechenden
36
Vor einer Prinzipialisierung der Trinitätslehre warnen auch O. Bayer: Trinitätslehre, S. 78 f., und C. Schwöbel:
Trinitätslehre, S. 135 u. 154.
37
E. Jüngel: Entsprechungen, S. 195 u. 185. Vgl. I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 691: „Als Platzhalter eines
definitiven Woraufhins ist das Wort ‚Gott‘ für das Gesamtgefüge der sprachlichen Kommunikation von
eminenter Wichtigkeit.“ Vgl. zum Resonanzboden des Gottesbegriffs G. Ebeling: Dogmatik I, S. 182 ff. Vgl.
insgesamt W. Kasper: Gott, S. 133 u. 293; E. Jüngel: Gott, S. 30 ff.; ders.: Entsprechungen, S. 171; W. Breuning:
Art. „Gotteslehre II“, Sp. 923 f.; C. Schütz: Tendenzen, S. 274; P. Siller: Gotteslehre, S. 12 f.; W. Pannenberg:
Theologie I, S. 121 ff.
38
W. Kasper: Gott, S. 143. Vgl. E. Jüngel: Gott, S. 204 ff., und ders.: Entsprechungen, S. 173 ff. u. 231 ff.
7
Ermöglichung von Transzendenz als Kategorie für den Gottesbegriff aufdrängen. Das wird durch die
menschliche personale Struktur als Anknüpfungspunkt und Voraussetzung für den Zugang zu Gott
unterstrichen. „Person besagt wesentlich Kommunikation, d.h. freies Sich-Schenken, das sich in
Freiheit Schenken und Annehmen des anderen. Solche Kommunikation ist als wirklich nur denkbar,
wenn zu ihr das Moment der ‚Ek-sistenz‘, d.h. der freie Vollzug des Seins, hinzukommt.“39 Wie
„schon zur Anwesenheit eines Menschen dessen Entzogensein gehört“, ist „Gottes Anwesenheit [...]
überhaupt nur mit seiner Abwesenheit zugleich erfahrbar. Deshalb ist seine Anwesenheit auch nur als
Offenbarung erfahrbar.“40
Vor diesem Hintergrund kann Gott nur durch eine dem Menschen zugängliche
Selbsterschließung des göttlichen Geheimnisses erkannt werden. Er ist nur als sich offenbarender Gott
als Gott zu denken und nur so als Gott und göttliche Wirklichkeit ernst genommen: „[...] für Gott als
den, über den hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, kann es nicht nochmals einen größeren und
umfassenderen Horizont geben, von dem her und innerhalb dessen wir ihn begreifen können“41. Will
man Gott nicht depotenzieren oder vereinnahmen, muß man ihn als sich selbsterschließendes
Geheimnis wahrnehmen, wodurch man ihn als Gott gelten läßt, während man sich selbst auf diese
Weise unter Berücksichtigung der eigenen Selbsttranszendenz als empfangende menschliche
Kreatürlichkeit annimmt, da die „Anerkenntnis des alleinigen Gottseins Gottes [...] ein menschliches
Menschsein“ ermöglicht. „Das reine Denken überbietet sich am Ende notwendig, indem es etwas
denkt, das es wesensmäßig nicht mehr denken kann, weil das Unendliche jeden endlichen Begriff
sprengt. Gott kann deshalb nur durch Gott erkannt werden; er kann nur erkannt werden, wenn er sich
selbst zu erkennen gibt.“42
Indem sich der verborgene Gott der Versuchung menschlicher Vereinnahmung verweigert,
ermöglicht er die wahre Gotteserkenntnis durch den offenbaren Gott: „[...] nur indem der Mensch sich
dem offenbaren Gott zuwendet, verehrt er den verborgenen Gott“43. Der in Gottes Personalität
gegebene Zusammenhang von Anwesenheit und Abwesenheit Gottes beinhaltet, daß der „Begriff des
göttlichen Wesens“ die Dimension der „Offenbarung“ impliziert: „Das göttliche Wesen denken heißt:
es als ein Wesen zu denken, das sich geoffenbart hat und dem deshalb ein bestimmtes Ineinander von
Anwesenheit und Abwesenheit wesentlich ist.“44 Gott wird nur als sich selbsterschließendes
offenbares Geheimnis zugänglich, dessen Verborgenheit positiv die Eigenständigkeit von Personalität
charakterisiert und das so weder die Undefinierbarkeit Gottes für menschliche Erkenntnis bedeutet
noch eine rationale Ableitbarkeit seines Wesens. Deshalb ist Gott weder in einer resignativapophatischen noch in einer spekulativ-rationalen Hermeneutik zu begegnen, sondern in einer
empfangenden Hermeneutik der Offenheit. Denn der Gottesbegriff ermöglicht aufgrund seiner
Ambivalenz, die aus den menschlichen Vereinnahmungstendenzen resultiert, als Zeichen (signum) für
eine bezeichnete Sache (res significata) keine verläßlichen Aussagen, die der Mensch definitiv ableiten
könnte. Umgekehrt steht er aber auch nicht für reine Unkenntlichkeit und Beziehungslosigkeit,
sondern das Wort „Gott“ bringt im performativen Sprachgebrauch, in dem die Sprechhandlung
Wirklichkeit bewirkt, zunächst ein Sprachereignis (notae praesentis rei) zur Sprache: „Das Wort Gott
bringt die Wirklichkeit so zur Sprache, daß es zugleich an der Welt selbst ‚etwas‘ aufleuchten läßt,
39
C. Schütz: Tendenzen, S. 313. Vgl. zur Bedeutung des Wesens der Personalität L. Oeing-Hanhoff: Ontologie,
und D. Staniloae: Dogmatik I, S. 116: „Wenn Gott als Gott transzendent ist, dann ist er personale Wirklichkeit.“
Vgl. ebd., S. 117 ff., wo Staniloae die apophatische Dimension der Personalität Gottes erläutert. Vgl. insgesamt
E. Jüngel: Gott, S. 30 ff. u. 520 ff., der erörtert, daß Gott in seinem grundlosen Sein von keinem Seienden
abhängig ist und deshalb weder notwendig noch nicht-notwendig ist, sondern mehr als notwendig: Er ist der in
freier Liebe agierende und aus sich selbst kommende Schöpfer, der hinsichtlich der für den Menschen
ambivalent bleibenden Spannung zwischen Sein und Nicht-Sein zugunsten des Seins handelt. Vgl. ferner ders.:
Entsprechungen, S. 196: „Gott ist um seiner selbst willen interessant [...]. Was man Menschen zugesteht, sollte
man Gott auch nicht einmal in der Theorie vorenthalten.“
40
E. Jüngel: Gott, S. 137.
41
W. Kasper: Gott, S. 158. Vgl. insgesamt E. Jüngel: Gott, S. 203 u. 410 ff.
42
W. Kasper: Gott, S. 147 u. 136. Vgl. insgesamt ebd., S. 132, 165, 276. Vgl. ferner E. Jüngel: Entsprechungen,
S. 197 u. 229 ff. Zur Verbindung zwischen der im Atheismus gipfelnden Selbstvergöttlichung des Menschen und
dem Gottesbegriff s.o., S. 8.
43
E. Jüngel: Entsprechungen, S. 231 (im Original kursiv). Vgl. ebd., S. 224 ff. (bes. S. 241), wo sich Jüngel auf
Luthers Verhältnisbestimmung von verborgenem und offenbarem Gott bezieht: „Luther will mit der
Unterscheidung von verborgenem Gott und offenbarem Gott verhindern, daß über den offenbaren Gott geredet
wird wie über einen gleichwohl verborgenen Gott, daß also der offenbare Gott in seiner Offenbarung nicht ernst
genommen wird.“ (Ebd., S. 229)
44
Ders.: Gott, S. 137.
8
was mehr als Welt ist. [...] Damit ist die [...] Rede von Gott [...] immer ein wirksames Wort. In ihm
geht es nicht um das, was die Welt immer schon war, um ihr bleibendes Wesen, sondern um ihre
offene Zukunft. Das Wort Gott ist deshalb eine Einladung, die Welt als Gleichnis zu betrachten und
sich darauf einzulassen, d. h. umzudenken und umzukehren, zu glauben und zu hoffen. Die
semantische Bedeutung des Wortes Gott erschließt also zugleich dessen pragmatische Bedeutung.“ 45
Das Wort „Gott“ selbst redet den sprachlich konstituierten Menschen also bereits auf die
Gemeinschaft mit Gott an, es hat selbst schon Begegnungscharakter.46 Als „Antwort auf die
Fraglichkeit des Menschen und der Welt schlechthin“47 verlangt die Gottesrelation im Unterschied zu
den approximativen bzw. annähernden Aussagen der menschlichen Weltrelation Aussagen
assertorischer (Glaubens-)Gewißheit.48 So handelt es sich beim Gottesbegriff um „einen
Beziehungsbegriff, dessen Maß und Norm Gott selbst in dieser Beziehung“49 setzen muß, wenn solche
Gewißheit erlangt werden soll. Denn „Gott denken heißt: Gott allein als denjenigen denken, der de deo
etwas zu sagen hat. [...] Gott denken kann nicht heißen, daß die menschliche Vernunft ihm gleichsam
vorschreiben könnte, wie er sich ihr zu zeigen hat.“50
Die Wahrnehmung einer derartigen „Selbst-Setzung“ der Gottesrelation durch Gott bedarf
also ebenso wie die kosmologische und anthropologische Selbsttranszendenz einer empfangenden und
sich öffnenden Hermeneutik. Nur sie vermag die biblisch bezeugte HEILSGESCHICHTLICHE
SELBSTERSCHLIEßUNG51 DES DREIEINIGEN GOTTES zu erkennen, in der sich Vater, Sohn und Heiliger
Geist in Wort und Tat namentlich als der dreieinige Gott identifizieren, der in sich selbst das
vollkommene Leben der Liebe verkörpert, in welchem er die Menschen zur Teilhabe an seiner Liebe
schuf und in welchem er sich am Kreuz für die Menschen hingab, um sie aus ihrer lebensfeindlichen
Abwendung vom Schöpfer in seine Liebe zurückzurufen. Die alt- und neutestamentlichen Schriften
bezeugen, daß Gott sich selbst - in weltgeschichtlich einmaliger Weise - zu unterschiedlichsten Zeiten
verschiedensten Menschen derart in seiner Heilsgeschichte in Wort und Tat erschlossen hat. Gottes
heilsgeschichtliches Handeln und sein Wort belegen neben der Personalität und Aseität Gottes sowohl
seine Verborgenheit als auch seine Selbsterschließung. Die Bezeugung, daß niemand den in einem
unzugänglichen Licht wohnenden Gott je gesehen hat (Joh. 1,18 a; 6,46; I Tim 6,16; I Joh 4,12),
begründet nicht die grundsätzliche Unkenntlichkeit Gottes, sondern den Aspekt seines
transzendentalen und personalen Geheimnisses, das er als von sich aus Redender und Handelnder
selbst in der menschlichen Geschichte erschließt: „[...] der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters
Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt“ (Joh 1,18 b).52 Die trinitarische Heilsgeschichte vollzieht sich in
der Interdependenz von Wort- und Tatoffenbarung, die sich gegenseitig bestätigen, sich zu einer
großen Geschichtslinie verbinden und die personale Selbsterschließung Gottes ermöglichen: „Wort
und Tat sind schon im menschlichen Bereich die Formen, in denen Personen sich offenbaren und
mitteilen. Ohne solche offenbarenden Worte und Taten ist uns der andere Mensch verschlossen; in
ihnen erschließt er sich und gibt sich zu erkennen. So ist auch der geschichtliche Charakter der
Offenbarung die leibhaftig-zeichenhafte Seite einer unableitbaren personalen Freiheit, die uns ohne
diese Offenbarung verborgen ist. Die biblische Offenbarung ist also primär [...] personale
Selbstoffenbarung Gottes.“53 Im Kontext des biblischen Offenbarungsbegriffs verweist die Dimension
des Geheimnisses nicht wie in neuplatonisch oder aufklärerisch geprägten theologischen Traditionen
auf Über-Rationales oder auf die Unbegreiflichkeit Gottes, sondern auf den apophatischen Aspekt des
45
W. Kasper: Gott, S. 123. Vgl. E. Jüngel: Gott, S. 3-16.
Vgl. E. Jüngel: Gott, S. 12 f. u. 208, und ders.: Entsprechungen, S. 185 f.
47
W. Kasper: Gott, S. 15.
48
Vgl. I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 701 f.
49
F. Schmid: Erwägungen, S. 67.
50
E. Jüngel: Gott, S. 211. Vgl. P. Siller: Gotteslehre, S. 18: „Es gibt also keine Enthüllung Gottes vom
Menschen her, aber ein Sichselbstzeigen Gottes.“ - Auch nach M. Luther ist darauf zu hören, „was Gott selbs
sagt und leret“ (WA 37;45,7).
51
Zur Bevorzugung des Begriffs „Selbsterschließung“ gegenüber dem Begriff „Selbstmitteilung“ s.o., S. 170. Außerdem s.o., S. 8.
52
Vgl. insgesamt E. Jüngel: Gott, S. 9, 340 ff., 514 ff.; C. Schütz: Tendenzen, S. 274 u. 300 ff.; W. Kasper: Gott,
S. 155 ff. u. 291; W. Breuning: Unähnlichkeit, S. 379 f.; C. Schwöbel: Trinitätslehre, S. 136 ff.; G. Ebeling:
Dogmatik I, S. 180 f.; M. Haudel: Gotteslehre, S. 121 ff. - Zur gleichlautenden Auffassung Luthers s.o., S. 111.
53
W. Kasper: Gott, S. 156. Vgl. C. Schütz: Tendenzen, S. 301, und D. Staniloae: Dogmatik I, S. 138 f.: „Im
übrigen hat auch die menschliche Person [...] eine Art Reserve [...]. Das Person-Sein ist überhaupt und an und für
sich etwas Apophatisches.“ - Vgl. ferner H. U. von Balthasar: Gott, S. 8 ff., der herausstellt, daß Gott in der
Einheit der drei trinitarischen Formen der Selbsterschließung sein eigener Ausleger ist. Zur Interdependenz von
Offenbarungsaussagen und Offenbarungsgeschehen s.o., S. 46 f.
46
9
personalen Geheimnisses Gottes, der Gottes Selbstaussage impliziert. Insofern ist Gott weder
schweigend als unsagbar zu bejahen (Mystik) noch atheistisch als undenkbar zu negieren oder
theistisch im Rückschlußverfahren abzuleiten, sondern als personales Geheimnis in seinen
selbsterschließenden Worten und Taten ernst- und wahrzunehmen.
Vor diesem Hintergrund wird der Aspekt des Geheimnisses durch die Offenbarung nicht
aufgehoben. Denn das Geheimnis der Personaliät Gottes erschließt sich positiv als offenbares
Geheimnis, das zugleich das Geheimnis der Menschen und der Welt beinhaltet und somit neben der
Gotteserkenntnis auch zur wahren Erkenntnis des Menschen führt. Wie Gott als Geheimnis einerseits
das Gericht über die menschliche Hybris bedeutet, ihn vereinnahmen und bestimmen zu wollen oder
selbst zu sein wie er (Gen 3,5), so ist es dem Geheimnis andererseits wesentlich, sich - ohne in seiner
Personalität aufgelöst zu werden - vertraut zu machen und seine Relevanz zu erweisen, was wiederum
auf das Geheimnis der kosmologischen und anthropologischen Selbsttranszendenz zielt und den Sinn
dieses Geheimnisses eröffnet.54 Damit sind den menschlichen Spekulationen über Gott die Grenzen
gezeigt, während gleichzeitig die Notwendigkeit einer empfangenden - sich Gott öffnenden Hermeneutik hervortritt. Als apophatisch-personale Existenz kann Gott nur selbst in der
Gleichzeitigkeit von „Gegenüber und Nähe“ das Kriterium seiner Wahrheit und Wirklichkeit
erschließen. „Könnten wir nämlich Gottes Geheimnis mit unseren endlichen Erkenntniskräften
erfassen, würden wir Gottes Gottsein depotenzieren; indem wir ihn erkennen, würden wir ihn
verkennen; indem wir ihn begreifen wollten, würden wir uns an ihm vergreifen. Soll Gott in unserem
Erkennen Gott bleiben und nicht ein selbst zurechtgezimmerter, nach unseren Maßen entworfener
Götze werden, dann muß sich uns Gott nicht nur ‚objektiv‘ offenbaren, sondern uns auch ‚subjektiv‘
das Vermögen schenken, ihn zu erkennen; dann muß er uns den Heiligen Geist als den Geist des
Glaubens geben (II Kor 4,13)“55, der sich wiederum der menschlichen Vernunft und Erkenntnis
bedient (fides quaerens intellectum).
Der sich im Heiligen Geist und im Sohn Jesus Christus auch als himmlischer Vater
erschließende dreieinige Gott erweist sich so nicht nur als verkündigtes Objekt der Gotteserkenntnis,
sondern auch als bleibendes Subjekt dieser in der Heilsgeschichte sich vollziehenden Erkenntnis. Wie
Gott im Heiligen Geist den Menschen die im Wort bezeugte Geschichte ihres Heils existentiell
erfahrbar werden läßt, so steht in Christus die Tat des von Gottes Liebe erzählenden Wortes vor
Augen. Diese Interdependenz von christologischer und pneumatologischer Wort- und Tatoffenbarung
bezeugt die Wahrheit der Selbsterschließung Gottes in der Heilsgeschichte, von der das menschliche
Denken mitgenommen werden darf: „Gott und Glaube gehören darin und darum zusammen, daß der
Heilige Geist den Glauben an Jesus Christus als die Erfüllung des ersten Gebotes zur Sprache gebracht
hat und immer wieder zur Sprache bringt. Dem Ausschließlichkeitsanspruch des Gottes, der im ersten
Gebot redet, entsprechen in der Sprache des christlichen Glaubens das Anrufen und der Lobpreis
Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist“56. Denn in dieser Weise bzw. in diesem Namen hat sich
Gott als wahrer und dreieiniger Gott „als Gott der Geschichte, als Retter und Richter“57 bzw. als
Schöpfer, Erlöser und Vollender offenbart. Gott läßt sich also als pro nobis Handelnder beim Namen
nennen, wodurch seine Identität hervortritt und ein ausdrückliches Gottesverhältnis konstituiert wird.
Die identifizierenden Eigennamen des trinitarischen Gottes sind mit den identitätsbestimmenden
heilsgeschichtlichen Erzählungen über Schöpfung, Erlösung und Vollendung verbunden, in denen
Gottes Wesen transparent wird. „Die Verbindung dieser drei identitätsbeschreibenden Geschichten
Gottes durch die Eigennamen Gottes hält fest, daß alle drei Geschichten unüberholbare
Identitätsbeschreibungen Gottes zum Ausdruck bringen, deren Einheit in der Verbindung der Namen
des Gottes, von dem sie erzählen, zum Ausdruck kommt.“58 In diesem Kontext wird laut biblischem
Zeugnis das wahre Heil der Menschen an die trinitarisch strukturierte Gemeinschaft mit dem
dreieinigen Gott als dem wahren Gott gebunden, wodurch der Zusammenhang zwischen trinitarischer
Selbsterschließung, trinitarischem Bekenntnis und trinitarischer Glaubensantwort hergestellt ist und
54
Vgl. insgesamt P. Siller: Gotteslehre, S. 17 f.; W. Kasper: Gott, S. 159 ff., 328 ff., 367 ff.; E. Jüngel: Gott, S.
340 ff. u. 514 ff.; G. Ebeling: Dogmatik I, S. 254 ff.; D. Staniloae: Dogmatik I, S. 116 ff.; H. Aldenhoven:
Zusammenhang, S. 135 f.
55
W. Kasper: Gott, S. 276.
56
I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 694. Vgl. insgesamt E. Jüngel: Gott, S. 205 ff. u. 413 ff., und B. J. Hilberath:
Gott, S. 31.
57
W. Kasper: Gott, S. 69.
58
C. Schwöbel: Trinitätslehre, S. 137. Vgl. insgesamt ebd., S. 136 ff.; B. J. Hilberath: Gott, S. 39 u. 106, und E.
Jüngel: Entsprechungen, S. 177 u. 195.
10
die Trinität durchaus als Mitte der Schrift bezeichnet werden kann.59
Der Allgemeingültigkeitsanspruch des Gottesbegriffs erwächst also aus seiner konkreten
Selbsterschließung.60 Diese vermag den Menschen aufgrund des Wesens der christologischen und
pneumatologischen Selbsterschließung Gottes zu erreichen bzw. anzusprechen. Da sich Gott der Vater
- durch den Heiligen Geist - in seinem ewigen Sohn bzw. seinem ewigen Wort (Logos) in lebendiger
Selbstmitteilung als sein eigenes Bild aussagt (Joh 14,9), in welchem er sich selbst Ziel und
Gemeinschaft ist, besteht nicht nur die Identität des Wortes Gottes mit Gott (Joh 1,1) und somit die
sprachliche Konstitution Gottes, sondern auch die wesensmäßige Voraussetzung dafür, daß Gott sich
in seinem Sohn auch nach außen - den ebenfalls sprachlich konstituierten Menschen gegenüber liebend mitteilen kann. Denn der Sohn verkörpert als Gottes Wort in Person das Bild Gottes (Kol 1,15)
und das Abbild des göttlichen Wesens (Hebr 1,3). Durch die CHRISTOLOGISCHE SELBSTERSCHLIEßUNG
Gottes im Logos begegnet dem Menschen das Wort an sich und damit der Ursprung jeglicher
sprachlichen und personalen Konstitution. Zugleich sind durch den Logos, in ihm und auf ihn hin alle
Dinge geschaffen (Joh 1,3; Kol 1,16 f.). Nach seinem Bild wurde auch der Mensch erschaffen (imago
Dei), was erneut die sprachliche Konstitution des Menschen erklärt. Auch die Anknüpfungspunkte für
Gottes Offenbarung in Wort und Tat liegen in dieser Charakteristik der Schöpfung begründet, in der
sich die liebende Menschlichkeit Gottes verbirgt. Vor diesem Hintergrund wird die Inkarnation als
Proprium und Möglichkeit des Sohnes Gottes deutlich. In Jesus Christus als wahrem Gott und wahrem
Menschen, in dem das Wort Fleisch bzw. Gottes Sohn Mensch wurde (Joh 1,14), um sich für die
Menschen hinzugeben und ihnen die Gemeinschaft seiner Liebe neu zu eröffnen, vollzieht sich die
wahre Erkenntnis Gottes und der Menschen. Denn hier wird sowohl die ewig antwortende liebende
Hingabe des göttlichen Sohnes an den Vater offenbar ( - was den Sohn auch für den Kreuzestod
prädestiniert - ) als auch die vertrauensvolle Glaubensantwort der Menschen an den himmlischen
Vater. Das Geheimnis Gottes und der Menschen enthüllt sich als Gemeinschaft der Liebe, was durch
die trinitarische Einbindung Christi erst vollends offenbar wird. So bleibt festzuhalten, daß sich in
Jesus Christus die definitive Offenbarung Gottes und des Menschen ereignete, die Gott als Wort des
Angebots und des Lebens erkennen läßt, das dem Menschen in der Freiheit seiner Ansprechbarkeit die
Freiheit der lebensbejahenden Antwort schenkt, seiner sprachlichen und personalen Konstitution
entsprechend.61
Diese Zusammenhänge werden durch die PNEUMATOLOGISCHE SELBSTERSCHLIEßUNG Gottes
unterstrichen. Wie der Heilige Geist in der immanenten Trinität als geistige Existenz das „SeinKönnen eines Einen in oder bei einem Anderen“62 ermöglicht, so besteht auch in der ökonomischen
Trinität sein Proprium darin, die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch derart herzustellen. Im
Unterschied zur rein passiven Charakterisierung des Geistes in Teilen der westlichen FilioqueTradition verkörpert er nicht nur das Geschenk (donum) des Vaters und des Sohnes, sondern er
eröffnet selbst den innergöttlichen Raum freier liebender Begegnung. Als „Geist der Wahrheit“ (Joh
15,26; 16,13) stellt er die vollkommene Wahrheit der Existenz Gottes dar, indem er den Horizont der
subjektiven Objektivität von Vater und Sohn und ihrer persönlichen Unterscheidbarkeit bildet, so daß
Vater und Sohn nicht in einer egoistisch engen Liebe unterschiedslos ineinander verschmelzen,
sondern auf eine vollkommene und heilige Liebe ohne Ausschluß eines dritten ausgerichtet sind. Weil
sich im Geist eine solche heilige Liebe vollzieht, heißt er „Heiliger Geist“, und weil sich Liebe nur frei
als solche realisieren kann, ist das Wirken des Geistes mit Freiheit verbunden (II Kor 3,17). „Vater
und Sohn überschreiten sich selbst in der Freiheit des Geistes, der den Raum liebender Begegnung
eröffnet und in Liebe zur Einheit zusammenbindet. Dieser Vollzug des Lebens und der Wahrheit ist
als Freiheitsgeschehen der Selbstvollzug geistig-liebenden Personseins.“63 Durch die Ermöglichung
von „Aus-sich-Sein“ und „Beim-andern-Sein“ vollzieht sich im Heiligen Geist die innergöttliche
Liebe, weshalb der Heilige Geist die Charakteristika göttlichen Lebens (Joh 4,24: „Gott ist Geist“; I
Joh 4,8.16: „Gott ist Liebe“) in Person verkörpert. Seiner Charakteristik entsprechend, in der er das
59
Vgl. J. Werbick: Bilder, S. 307 f.; C. Schwöbel: Trinitätslehre, S. 138 ff., und W. Kasper: Gott, S. 69. Zur altund neutestamentlich bezeugten trinitarischen Identität Gottes und dem Gottesverhältnis der Glaubenden als
einer trinitarisch strukturierten Heilsgemeinschaft mit Gott s.o., S. 45 ff., und zur Trinitätslehre als Mitte der
Schrift s.o., S. 51.
60
Vgl. E. Jüngel: Entsprechungen, S. 186 u. 195.
61
Vgl. insgesamt G. Ebeling: Dogmatik I, S. 258 f.; J. Werbick: Trinitätslehre, S. 566 ff.; E. Jüngel: Gott, S. 208,
215 ff., 530; ders.: Entsprechungen, S. 185 f., 238 f., 264; W. Kasper: Gott, S. 157, 220 ff., 242 ff.; I. Lønning:
Art. „Gott VIII“, S. 692 u. 696 ff.; D. Staniloae: Dogmatik I, S. 46 ff. u. 74.
62
E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 218. Vgl. ebd., S. 219 ff.
63
B. J. Hilberath: Pneumatologie, S. 538. Vgl. insgesamt ebd., S. 531 ff. Zur aktiven innertrinitarischen Rolle
des Heiligen Geistes, die bes. D. Staniloae aufzeigt, s.o., S. 201 f.
11
innergöttliche Leben auf die freie Gemeinschaft der Liebe hin öffnet und vollendet, kommt dem
Heiligen Geist in der Heilsökonomie das Proprium zu, die Gemeinschaft freier personaler Liebe
zwischen Gott und Mensch zu eröffnen und zu vollenden. Die dem menschlichen Geist eingepflanzte
Hoffnung auf Vollendung wird durch die anthropologische Selbsttranszendenz unterstrichen, die im
Heiligen Geist zum Ziel gelangt.
Der Heilige Geist ist die Gabe göttlichen Lebens und göttlicher Liebe. Da er diese Gabe in
Person ist, erweist er sich zugleich als personaler Geber dieser Gabe. So wird der Heilige Geist den
Menschen einerseits als Gabe zuteil, wobei die Menschen die vom Geist verliehenen Charismen
erhalten, während er andererseits das personale Gegenüber der Menschen zu bleiben vermag und so
die Gleichzeitigkeit von „Gegenüber und Nähe“ Gottes garantiert. Damit realisiert der Heilige Geist
selbst noch einmal, was das trinitarische Wesen Gottes ohnehin schon ermöglicht, wenn etwa der
unsichtbare Vater als bleibendes Gegenüber den Menschen in der Inkarnation seines Sohnes ganz nahe
kommt. Indem der Heilige Geist die Selbstmitteilung des Vaters im Sohn vergegenwärtigt,
gewährleistet er, daß der Sohn auch im Leib Christi trotz aller Einheit des Leibes als bleibendes Haupt
- und Gegenüber - des Leibes zur Geltung kommt. Nur durch diese Struktur von „Gegenüber und
Nähe“ Gottes, die durch das Wesen der Trinität und des Heiligen Geistes gegeben ist, kann eine freie
personale Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch entstehen, die die Partizipation der Personalität
der Gottheit Gottes ebenso zuläßt wie die Partizipation der Personalität der Menschlichkeit des
Menschen. Auf diese Weise wird die pneumatologische Selbsterschließung Gottes sowohl dem Wesen
Gottes als auch dem Wesen des Menschen gerecht, was nicht zuletzt darin begründet liegt, daß der
Geist in der Schöpfung waltet (Schöpfergeist), die er in Vergegenwärtigung des Christusheils heiligt,
um sie zur eschatologischen Vollendung zu führen. Dabei ist der Heilige Geist als innertrinitarischer
Geist des Lebens, der Wahrheit, der Freiheit, der Gemeinschaft, der Heiligkeit und der Liebe dazu
prädestiniert, auch heilsökonomisch den Menschen neues Leben zu schenken, indem er sie in die
Wahrheit führt, sie heiligt und ihnen in Freiheit die Gemeinschaft der Liebe Gottes eröffnet.64
So verbirgt sich hinter dem personalen Geheimnis des verborgenen Gottes keine Beliebigkeit
oder Willkür, sondern Gott erschließt sich als freies und vollkommenes Leben der Liebe, das
unableitbar aus sich selbst kommt und sich deshalb nur selbst erschließen kann. Der DREIEINIGE GOTT,
der sich im Vater selbst Ursprung ist, der sich im geliebten und liebenden Sohn selbst Ziel ist und der
im Heiligen Geist solche Liebe - auf einen Dritten ausgeweitet - als vollkommene Liebe vollzieht,
existiert als INTRApersonale Wesenseinheit der INTERpersonalen Relation dreier Personen. In der
Interdependenz von Selbstlosigkeit und -bezogenheit ist er das vollkommene Leben der Liebe in sich
selbst - im Unterschied zum Menschen, der diese Gleichzeitigkeit von intra- und interpersonaler
Dimension nicht besitzt und die Liebe deshalb nur in Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen
hat. Hier bestätigt sich, daß es keine Prinzipialisierung der vestigia trinitatis geben kann, sondern daß
die Erkenntnis Gottes im Kontext der natürlichen Anknüpfungspunkte auf Gottes Selbsterschließung
angewiesen bleibt, da in der Welt die in Gott vorhandene Gleichzeitigkeit von intra- und
interpersonaler Dimension nicht vorkommt, sondern lediglich unterschiedliche Zuordnungen dieser
Dimensionen. So bleibt Gott ein paradoxales Geheimnis, das die einseitige Konzentration auf die
intra- oder interpersonale Dimension verbietet, da solche Einseitigkeiten der Vereinnahmung Gottes
dienen (Identifizierung mit intra- oder interpersonalen weltlichen Strukturen). „Da die Dreiheit der
göttlichen Personen in der Einheit des einen göttlichen Wesens für den menschlichen Verstand ein
unergründliches Geheimnis darstellt, kann der Ausgangspunkt für ein systematisches Verständnis“
von Gottes Liebe als trinitarischer Einheit in Vielfalt nur in der „Offenbarung des Vaters durch den
Sohn im Heiligen Geist“65 liegen. Wie Gott nur trinitarisch als freies Sein der Liebe verständlich und
denkbar wird, so läßt sich auch nur aus der trinitarischen Selbsterschließung erkennen, was Liebe ist.66
In seiner freien und liebenden Selbsterschließung gewährt Gott dem Menschen die freie Gemeinschaft
seiner Liebe, denn die „Logik der Liebe hat gerade in ihrer unableitbaren und unergründlichen Freiheit
ihre innere Stimmigkeit und Überzeugungskraft“67. Nur in solcher Freiheit ist auch der
64
Zu den genannten Spezifika des Heiligen Geistes s.o., z.B. S. 47 f. u. 201 f. Vgl. insgesamt auch B. J.
Hilberath: Pneumatologie, bes. S. 529 ff.; W. Kasper: Gott, S. 276 ff.; J. Werbick: Trinitätslehre, S. 567 ff.; E.
Lessing: Art. „Geist V“, S. 220 ff.
65
W. Kasper: Gott, S. 365. Insgesamt s.o., S. 171 u. 174 f.
66
Vgl. E. Jüngel: Gott, S. XV; W. Kasper: Gott, S. 364, und B. J. Hilberath: Gott, S. 23: „Was Liebe ist,
bestimmt Gott selbst, so daß wir nicht sagen können ‚die Liebe ist Gott‘, sondern sagen müssen ‚Gott ist die
Liebe‘“. Gott kann also weder als das Äußerste des menschlichen Begriffs von Liebe gelten, dem er dann
geopfert wird (Feuerbach), noch verbirgt sich hinter dem liebenden Gott ein willkürlicher Gott.
67
W. Kasper: Gott, S. 375. Vgl. E. Jüngel: Entsprechungen, S. 188 f. u. 227.
12
Gnadencharakter der göttlichen Selbsterschließung gegeben, die in freier Liebe pro nobis erfolgt.
Durch seine gnädige Liebe befreit Gott die sich selbst vergöttlichenden Menschen aus ihrer in sich
selbst verkrümmten Beziehungslosigkeit zur Gemeinschaft der Liebe mit ihrem Schöpfer und ihren
Mitgeschöpfen. Gott eröffnet den Menschen die Freiheit der entsprechenden Glaubensantwort, welche
wiederum eine hörende und empfangende Hermeneutik voraussetzt. Was die Menschen in solcher
Offenheit empfangen, ist nicht weniger als Gott selbst in seiner Hingabe für die Menschen.68
Deshalb kommt der THEOLOGIA CRUCIS für die Gottes- und Heilserkenntnis konstitutive
Bedeutung zu. Am Kreuz durchbricht Gott die Weisheit dieser Welt (I Kor 1,18 ff.), indem er der
selbstbehauptenden Hybris der Menschen, die sich auch in einer einseitigen theologia gloriae
widerspiegelt, mit liebender Selbsthingabe begegnet. Gott entlarvt am Kreuz die Sünde des Menschen,
selbst Gott sein zu wollen und so selbst die Bewältigung des Nichts bzw. des Todes anzustreben oder
danach zu trachten, Gott durch Überhöhung menschlicher Eigenschaften zu vereinnahmen bzw. durch
selbst gesetzte, spekulative Vernunftkategorien zu bestimmen. Unter den Bedingungen einer derart
von ihrem Schöpfer entfremdeten Welt offenbart Gott seine Herrlichkeit im Elend des Kreuzes unter
dem Gegenteil (sub contrario). Da Gott der Vater in seinem Sohn Mensch wird und für die Menschen
(pro nobis) in ihren selbstverschuldeten Tod geht, um ihnen im Heiligen Geist die ewige Gemeinschaft
des Lebens neu zu eröffnen, erschließt er sich selbst als lebendiges Leben hingebungsvoller Liebe bzw.
als menschlicher Gott, während er zugleich die Unmenschlichkeit (un)menschlicher
Selbstvergöttlichung mit ihren menschen- und lebensfeindlichen Konsequenzen als Schuld und Sünde
aufdeckt. In Jesus Christus als wahrem Gott und wahrem Menschen und seinem nur trinitarisch
verständlichen Kreuzestod vollzieht sich durch den Heiligen Geist wahre Gottes- und
Menschenerkenntnis. Der Mensch erfährt sich als Empfangender, als von Gott geliebter und
gerechtfertigter Sünder, der von seiner selbstbegründenden Sorge um sich selbst und deren
egoistischen Konsequenzen (Individuation) zu wahrer Menschlichkeit befreit wird, welche erneut
wahre Personalität in Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen ermöglicht.69 Gott erweist sich als
lebenschenkende dreieinige Liebe, weil Gott der Sohn am Kreuz pro nobis die Verlassenheit von Gott
dem Vater erleidet und Gott der Heilige Geist die hingebungsvolle Liebe zwischen Vater, Sohn und
Heiligem Geist auch während der Hingabe in den Tod nicht enden läßt, wodurch dem todgeweihten
Menschen das Leben neu geschenkt wird. Im Kreuz wird die nur trinitarisch mögliche Gleichzeitigkeit
von „Gegenüber und Nähe“ Gottes vollends offenbar, und zwar sowohl im Blick auf Gottes Sein
selbst als auch in bezug auf sein Verhältnis zum Menschen. Auf diese Weise vermag Gott unter den
Entfremdungen der Welt gegenwärtig zu werden, ohne die Welt mit dem grellen Licht seiner
vollkommenen Herrlichkeit zu blenden, was das Ende der Welt mit ihren vom Menschen geprägten
Dunkelheiten bedeuten würde, und ohne umgekehrt nur der ferne deus absconditus zu bleiben. In der
Gleichzeitigkeit von „Gegenüber und Nähe“ Gottes am Kreuz, die sich in der Gleichzeitigkeit von
verborgenem und offenbarem Gott vollzieht, wird Gott als liebendes Gegenüber des Menschen
erkennbar, das dem Menschen näher ist als er selbst, insofern als der Mensch erst in der Gemeinschaft
mit Gott zu wahrer Menschlichkeit findet. Allein in dieser christologisch und pneumatologisch
gewährten Gleichzeitigkeit von „Gegenüber und Nähe“ (verborgen und offenbar) vermag Gott den
Menschen vor dem eschatologischen Schauen von Angesicht zu Angesicht (I Kor 13,12) eine Zeit der
heilsgeschichtlichen Geduld zu eröffnen, in der sie im Spannungsverhältnis von „schon“ und „noch
nicht“ die Chance erhalten, in freier Glaubensantwort in Gottes Gemeinschaft der Liebe
zurückzukehren.
Voraussetzung der Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben und der entsprechenden
Heiligung in der Gemeinschaft mit Gott ist also die trinitarisch erschlossene Selbsthingabe Gottes.
„Der dreieinige Gott wirkt befreiend und vermenschlichend.“70 Der Mensch darf noch unter den
68
Insgesamt s.o., S. 69 (Alte Kirche), 110 ff. (Luther), 202 f. Vgl. ferner W. Breuning (Hg.): Trinität, S. 10 f.; E.
Jüngel: Gott, S. 422, und O. Bayer: Verständnis, S. 105 f.
69
Besonders I. D. Zizioulas hat betont, daß die sündige Individuation von Mensch und Sein aufgrund des
Glaubens durch eine Ontologie der Person und eine Hermeneutik der Gemeinschaft abgelöst wird, wobei er
jedoch wegen seines platonisch gefärbten geistigen Theosisverständnisses die natürlichen anthropologischen
Strukturen zu stark disqualifiziert, da er Personsein überhaupt erst nach der Inkarnation für möglich zu halten
scheint (s.o., S. 245 u. 256 f.) - Zu den bisherigen kreuzestheologischen Ausführungen insgesamt s.o., z.B. S. 110
(Luther). Vgl. ferner T. Mannermaa: Glauben, S. 132 ff. u. 142 ff.; E. Jüngel: Gott, S. 209, 299 ff., 470 ff.; I.
Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 692 ff. - Daß der Mensch durch die Sünde nicht zum Unmenschen wird, sondern
die Kategorie der Unmenschlichkeit auf die Werke zu beziehen ist, betont zu Recht E. Jüngel: Entsprechungen,
S. 191 f.
70
G. Greshake: Gott, S. 531. - Zum konstitutiven Zusammenhang von Trinitäts- und Rechtfertigungslehre s.o.,
bes. S. 114 f. (Luther). Vgl. dazu F. Schmid: Erwägungen, S. 65 ff.; J. Koopmans: Dogma, S. 115. - Insgesamt
13
Bedingungen der von Gott entfremdeten Welt erkennen, daß Gott und Mensch in der Liebe das gleiche
Geheimnis teilen, weil die trinitarische Selbsterschließung Gottes, die diesen als personales Geheimnis
der Liebe offenbart, auch das Geheimnis wahren Menschseins erschließt. Deshalb erweist sich die
trinitarische Selbsterschließung Gottes als das HEILSMYSTERIUM des Menschen, als das offenbare „Geheim-nis“, das keine Unkenntlichkeit oder Verschlossenheit Gottes besagt, sondern dem Menschen und der ganzen Schöpfung - das „Heim-kommen“71 ermöglicht, was sowohl im Kontext der
Anknüpfungspunkte (vestigia trinitatis)72 als auch in Überwindung der natürlichen Entfremdungen
(Krisis) erfolgt: „Die [trinitarische] Offenbarung ist also die Bestimmung des unbestimmt-offenen
Geheimnisses des Menschen, seiner Welt und Geschichte.“73 Deshalb ist die Erkenntnis des offenbaren
Geheimnisses kein defizienter Modus, sondern die ursprüngliche Erkenntnisweise, die erst alle
Erkenntnis erschließt und Gottesgewißheit schenkt: „Gottesgewißheit ereignet sich da, wo Gott als die
Heimat des Menschen identifizierbar wird.“74 In der biblisch bezeugten heilsökonomischen
Selbsterschließung Gottes, die als trinitarisches Sich-geben Gottes der Inhalt des Evangeliums ist,
erfährt der sich glaubend öffnende Mensch durch die Zusage der Liebe Gottes eine Gottesgewißheit,
welche Heilsgewißheit impliziert: „Gottes gewiß sein heißt der Liebe gewiß sein und sich die Liebe,
die Gott selber ist, gefallen lassen.“ Auf diese Weise „entdeckt der Glaube mitten in der Fremde das,
was allen in die Kindheit scheint und worin doch noch niemand war: Heimat.“75
4. Das Verhältnis von Glaube und Vernunft
Vor diesem Hintergrund ist die SOTERIOLOGISCHE und REVELATORISCHE Relevanz der
heilsgeschichtlichen Selbsterschließung Gottes unübersehbar, zumal sowohl authentische
Gotteserkenntnis als auch Heilsgewißheit darauf angewiesen bleiben, daß Gott in der christologischen
und pneumatologischen Selbsterschließung selbst zugegen und am Werk ist. Damit widerspricht die
aus der trinitarischen Selbsterschließung resultierende Gottes- und Menschenerkenntnis nicht nur der
Auffassung Wittgensteins, daß man über die als unerkennbar postulierte Trinität nur schweigen könne,
sondern auch der Annahme Kants, die Trinitätslehre enthalte keinerlei praktische Bedeutung. 76
Vielmehr erweist sich die zentrale hermeneutische Relevanz der trinitarischen Selbsterschließung
Gottes, da diese unmißverständlich zu erkennen gibt, daß sich wahre Gotteserkenntnis nur in der
Gemeinschaft mit dem - von sich aus -die Menschen ansprechenden Gott vollziehen kann. Das
geschieht als Teilhabe an Gottes Wahrheit, was in dieser Untersuchung in Anlehnung an
entsprechende altkirchliche Einsichten als Koinonia-Erkenntnis (koinoneo = teilnehmen) bezeichnet
wird77 und so dem Verständnis des Gottesbegriffs als einem Sprachereignis mit Begegnungs- und
Ereignischarakter (notae praesentis rei) Rechnung trägt. Nur aus dieser Einsicht, daß sich Gottes Sein
allein in der heilsgeschichtlich gewährten Gemeinschaft mit dem trinitarischen Gott erkennen läßt,
siehe bes. Kap. IV,1.2.1. Vgl. insgesamt E. Jüngel: Entsprechungen, S. 237, 239, 249 ff.; ders.: Gott, S. 470 ff. u.
518 ff.; C. Schütz: Tendenzen, S. 318; W. Kasper: Gott, S. 159 ff.
71
Vgl. G. Greshake: Gott, S. 21, der in Bezugnahme auf J. Splett erörtert, daß „Ge-heim-nis“ eine Sammlung
bedeutet, die Heim gibt. Vgl. ferner E. Jüngel: Gott, S. 341: „Ein wahres Geheimnis zieht uns an und ins
Vertrauen. Es macht mit sich selbst als einem Geheimnis vertraut.“ - Besonders E. Jüngel und K. Rahner stellten
angesichts der in der westlichen Tradition vernachlässigten Dimension des Geheimnisses die Trinität als das
Heilsmysterium heraus, welches als Geheimnis des göttlichen Seins und seiner Gnade das Geheimnis der Welt
und der Menschen beinhaltet (s.o., S. 157 f. u. 172 ff.). - Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß Gott in
dreifacher Hinsicht als Geheimnis wahrzunehmen ist: aufgrund seiner Aseität, seiner Personalität und seiner
Eröffnung einer Zeit der Geduld mit ihrem chronologischen Zusammenspiel von sichtbarem und verborgenem
Gott.
72
„Der Mensch ist - natürlich dann von seinem Schöpfer - so verfaßt, daß er erwartet, einem letzten Geheimnis
zu begegnen. Das ist das Letzte und Tiefste seiner Existenz. Die augustinische Unruhe zu Gott hin mag als
klassisches Beispiel dienen“ (W. Breuning: Unähnlichkeit, S. 374).
73
W. Kasper: Gott, S. 154. Vgl. ebd., S. 167: „Das Bekenntnis vom Offenbarungs- und Heilshandeln Gottes des
Vaters durch Jesus Christus im Heilgen Geist ist die Explikation dieses einen Geheimnisses unseres Heils.“
74
E. Jüngel: Entsprechungen, S. 257. - Zur zentralen hermeneutischen Funktion des offenbaren Geheimnisses
vgl. W. Kasper: Gott, S. 164.
75
E. Jüngel: Entsprechungen, S. 264 u. 261. Vgl. zur heilsgeschichtlichen Selbstgabe Gottes als Inhalt des
Evangeliums C. Schwöbel: Trinitätslehre, S. 140.
76
Zu Kant und Wittgenstein s.o., S. 1 f. u. 122 f.; zur revelatorischen und soteriologischen Relevanz der
trinitarischen Selbsterschließung s.o., S. 44 u. 68 f. (Alte Kirche), und z.B. S. 200.
77
Zur Einführung dieses Begriffs durch den Verfasser s.o., S. 75.
14
welche allein wahrer göttlicher und menschlicher Personalität entspricht und diese offenbart, erwächst
letztgültige Heilsgewißheit: „Heil ist intensive Gemeinschaft mit Gott [...]. Mit dem Kommen des
Heiligen Geistes und des Glaubens kommt der dreieinige Gott selbst zum Menschen, um in ihm
Wohnung zu nehmen.“78 Diese pneumatologisch vermittelte Glaubens- und Heilsgewißheit wird durch
die christologisch erschlossene Gewißheit bestätigt: „Als das endgültige ‚Ja‘ aller Verheißungen
Gottes (II Kor 1,20) teilt Jesus Christus den Glauben als unbedingtes Gottvertrauen mit“ 79, das auf der
heilsgeschichtlichen Kontinuität der trinitarischen Selbsterschließung beruht. Sie ermöglicht wegen
der Unveränderlichkeit des sich uns verheißenden Gottes (Mal 3,6) die Gewißheit der
Gotteserkenntnis. Selbstgewißheit sowie Gottes- und Heilsgewißheit kann der Mensch aufgrund seiner
ambivalenten Selbsttranszendenz nicht aus sich selbst erlangen, sondern nur durch den empfangenden
Glauben. Um die im Heiligen Geist ermöglichte Gewißheit über die in Christus offenbarte Wahrheit
der von Gott geschenkten Schöpfungs- und Heilswirklichkeit zu erlangen, öffnet sich der Glaube der
Liebe Gottes und nimmt sie an. Der Gottes Heilshandeln gegenüber passive Glaube erweist sich
demnach zugleich als aktive Glaubensantwort80, was sowohl synergistischen Tendenzen (z.B.
Werkgerechtigkeit) als auch deterministischen Tendenzen (z.B. doppelte Prädestination) widerspricht.
Aufgrund der hermeneutischen Kondition, daß die Erkenntnisbedingungen dem
Erkenntnisgegenstand zu entsprechen haben, bedarf also die im Wort vollzogene und sich im Heiligen
Geist vergegenwärtigende Selbsterschließung Gottes mit ihrer Heils-Anrede einer empfangenden
Hermeneutik, welche die Glaubensantwort als personale Selbstübereignung des Menschen an Gott
beinhaltet.81 Denn die menschliche Freiheit der Ansprechbarkeit ist ausgerichtet auf die Freiheit der
Antwort auf Gottes Heilszusage, in der die Menschen zu ihrer eigentlichen Entsprechung finden, da
Liebe, Gemeinschaft und Glaube die selbstzerstörerische Selbstbegründung des Menschen
ausschließen. Auf diese Weise wird das Wesen der auf Gottes Liebe angewiesenen menschlichen
Existenz ebenso ernst genommen wie das Wesen Gottes, den man nur durch die empfangende
Öffnung für seine Selbsterschließung Gott sein läßt.
In dem Koinonia-Verhältnis von „Gegenüber und Nähe“ zwischen Gott und Mensch lassen
sich nicht nur Formen metaphysisch-dualistischer Vereinnahmung Gottes (ferner Gott) abwehren, die
Gottes auf der Handlungs- und Seinsebene (Werkgerechtigkeit, göttlicher Funke im Menschen)
habhaft werden wollen, oder Formen emanatorisch-identifizierender Vereinnahmung, die göttliche
und weltliche Strukturen bis hin zum Aufgehen Gottes in der Welt identifizieren, sondern auch
atheistische Formen der Leugnung Gottes.82 Auch hier gilt: nur im empfangenden Glauben entspricht
der Mensch der Anrede Gottes und der darauf ausgerichteten menschlichen Selbsttranszendenz, was
verdeckte - Gott vereinnahmende - oder direkte Selbstvergöttlichung verhindert. So ist es verständlich,
daß sowohl der klerikalen Selbstvergöttlichung im Mittelalter als auch der aufklärerischen
Vernunftautonomie mit der Besinnung auf die heilsökonomisch offenbarte Trinität begegnet wurde.83
Den sich heilsgeschichtlich erschließenden Gott kann der sich öffnende Glaube dann als von sich aus
redenden Gott bzw. als Gott gelten lassen. Von daher verkörpert der empfangende Glaube die einzig
angemessene und ursprüngliche Weise der Annahme der im Wort begründeten Heilsgemeinschaft,
während die - solchem Glauben entsprechende - Vernunft dem Ergriffen-Sein von dieser Gemeinschaft
auf reflexe Weise nach-denkt (fides quaerens intellectum).
Die vernünftige Vernunft erkennt nämlich, daß sie aufgrund der kosmologischen und
anthropologischen Selbsttranszendenz und der Verborgenheit Gottes, der nur in seiner
Selbsterschließung offenbar wird, Gott nicht selbst konstruieren kann, sondern sich seiner
78
E. Jüngel: Entsprechungen, S. 258 f. Zum Begegnungs- und Gemeinschaftscharakter der Gotteserkenntnis vgl.
auch W. Breuning: Trinitätslehre, S. 24; H. Petri: Problematik, S. 41; D. Staniloae: Dogmatik I, S. 40, 104, 212,
und U. Kuhnke: Koinonia, S. 17, 100 f., 130, 180 ff., der auf den Zusammenhang zwischen der Koinonia mit
Gott und der Koinonia mit den Mitmenschen hinweist und so implizit die Verbindung zwischen Gottes- und
Menschenerkenntnis bestätigt. - Zum personalen und gemeinschaftlichen Begegnungscharakter des
Gottesbegriffs und seiner hermeneutischen Relevanz s.o., S. 317 f.
79
I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 693.
80
Vgl. C. Schwöbel: Being, S. 146 f. Vgl. insgesamt E. Jüngel: Entsprechungen, S. 236, der sich dort auf Luther
bezieht. Vgl. ferner ebd., S. 255 ff., und ders.: Gott, S. 466 f. u. 219, wo Jüngel zeigt, daß der Glaube als die vom
redenden Gott ermöglichte und eröffnete existentielle Relation des sich auf den anredenden Gott einlassenden
Menschen die „Verschränkung von Aktivität und Passivität des Erkennens im Gottesgedanken“ beinhaltet (ebd.,
S. 218). - Zum Problem von Synergismus und Determinismus s.o., S. 202 f.
81
S.o., S. 110 f. Vgl. W. Kasper: Gott, S. 157, und E. Jüngel: Gott, S. 208, 227, 414.
82
S.o., S. 49 u. 310, und siehe Kap. III,3.1.
83
Siehe Kap. III,2 u. 3. Vgl. insgesamt C. Schwöbel: Being, S. 146 f.; E. Jüngel: Gott, S. 219 f. u. 464 ff.; ders.:
Entsprechungen, S. 191 u. 316 f.; T. Mannermaa: Glauben, S. 145 f.
15
Selbsterschließung zu öffnen hat. So stellt sich die Aufgabe, „eine trinitarische Theo-logik zu
entwickeln, die sich ihre Begriffe und Denkstrukturen von der heilsgeschichtlichen Offenbarung selbst
vorgeben läßt.“84 Dabei darf jedoch trotz der damit verbundenen Infragestellung der
Selbstverständlichkeiten „natürlicher“ Vernunft (Krisis) nicht vergessen werden, daß GLAUBE UND
VERNUNFT aufgrund des trinitarisch gegebenen Zusammenhangs von Schöpfungs- und
Erlösungsordnung auch an die natürlichen Voraussetzungen anknüpfen.
Im heilsgeschichtlich-trinitarischen Zusammenhang von Schöpfung, Erlösung und Vollendung
partizipiert die Vernunft sowohl am protologischen Lebensodem der Schöpfung als auch an der
eschatologischen Geist-Gabe Christi, die an die natürlichen Voraussetzungen anknüpft, indem die
Gnade sich die Natur voraussetzt und diese kritisch auf ihre Verkehrungen hin befragt, wodurch die
Natur auf ihre eigentliche Wahrheit angesprochen wird. Der auf die trinitarische Selbsterschließung
gerichtete Glaube, der die Rechenschaft gegenüber allen Menschen impliziert (I Petr. 3,15), ist also
auf die Universalität und Vernünftigkeit des in ihm enthaltenen Sinnziels ausgerichtet, was weder die
fideistische Trennung (Dualismus) von Glaube und Vernunft erlaubt noch deren rationalistische
Identifizierung. Das vom trinitarischen Gott Geschaffene findet seine „volle Verwirklichung erst dann,
wenn es in das Licht des Urbilds, welches Maß und Ziel seines Seins und Wirkens ist, gestellt wird.
Deshalb ist es die vom Glauben an den dreieinigen Gott geleitete Vernunft, welche die tiefsten
Potentialitäten alles Wirklichen zu entdecken und zu aktuieren vermag.“85 Im Kontext der als Krisis
und Integral der Wirklichkeit fungierenden trinitarischen Selbsterschließung erweist sich nicht nur der
von seinem Gegenstand bestimmte Glaube als trinitarisch geprägt, sondern auch die Vernunft, die
aufgrund ihrer Schöpfungsvoraussetzungen letztlich trinitarisch ausgerichtet ist, was bei der
Erörterung der anthropologischen Voraussetzungen bereits deutlich wurde. Die vernünftige Vernunft
erkennt die Vernünftigkeit des Glaubens, der in seinem Wesen der trinitarisch erschlossenen
Gleichzeitigkeit von „Gegenüber und Nähe“ bzw. von Verborgenheit und Sichtbarkeit Gottes
entspricht, insofern als er nur in empfangender Öffnung Gottes- und Heilsgewißheit zu erlangen
vermag und auf diese Weise eine neue Erfahrung mit den alten Erfahrungen ermöglicht.86
So erweist sich weder ein rein fideistischer noch ein rein rationaler Glaube als vernünftig,
sondern allein ein empfangender Glaube, der sich vor dem Hintergrund der kosmologischen,
anthropologischen und theologischen Ahnung von Gott (Anknüpfungspunkte) der Selbsterschließung
Gottes öffnet. Dadurch wird eine Polarisierung in zwei Erkenntnisbereiche (natürlich - übernatürlich)
mit Hilfe des biblischen Spannungsverhältnisses von Verborgenheit und Selbsterschließung Gottes
überwunden, weil dieses Verhältnis in der Spannung von Krisis und Integral an die
Schöpfungswirklichkeit anknüpft. Denn die Offenbarungswirklichkeit wäre ohne eine vorläufige
Ahnung von der göttlichen Dimension kaum verständlich zur Sprache zu bringen, während umgekehrt
eine natürlich-apriorische Gotteserkenntnis die Offenbarung lediglich unter feststehende Kategorien
subsumieren würde.87
aus: Die Selbsterschließung des dreieinigen Gottes. Grundlage eines ökumenischen Offenbarungs-,
Gottes- und Kirchenverständnisses (= Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie
110), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, dort S. 464-485.
84
B. J. Hilberath: Gott, S. 77. Vgl. J. Werbick: Trinitätslehre, S. 517: „Die Trinitätstheologie [...] hat sich von
Gott und von seiner Geschichte mit den Menschen zu denken geben lassen [...]. Gott legt sich in der
Heilsökonomie [...] als der allem Nach-Denken gegenüber Ursprünglichere [...] aus.“ Vgl. insgesamt E. Jüngel:
Gott, S. 205 ff. u. 410 f.; ders.: Entsprechungen, S. 171 ff. u. 242 ff.; P. Siller: Gotteslehre, S. 18 f.
85
G. Greshake: Gott, S. 41. Vgl. insgesamt W. Kasper: Gott, S. 95 ff., 105 ff., 329 f.; E. Jüngel: Gott, S. 209,
465 ff.; ders.: Entsprechungen, S. 165, 171 ff., 242 ff., und E. Lessing: Art. „Geist V“, S. 229 ff.
86
Neben dem Glauben entsprechen die Liebe und die Hoffnung (I Kor 13,13) der Koinonia mit dem
trinitarischen Gott (s.o., S. 172). - Vgl. insgesamt E. Jüngel: Entsprechungen, S. 171 ff. u. 242 ff.; W. Kasper:
Gott, S. 98 ff.; G. Greshake: Gott, S. 39 ff.; C. Schwöbel: Trinitätslehre, S. 152, und G. Ebeling: Dogmatik I, S.
190 f. - „Die Grundsituation des Gebets, aus der alle ernsthafte Theologie kommt und in die alle ernsthafte
Theologie wieder einmündet“ (I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 699 - Hervorhebung v. Vf.), entspricht in ihrer
kenotischen Hermeneutik der kenotischen Liebe Gottes. Vgl. S. Harkianakis: Charakter, S. 351 ff., und C.
Schütz: Tendenzen, S. 288.
87
Vgl. zum Verhältnis von vorläufiger und apriorischer Gotteserkenntnis und zur biblischen Spannung von
Verborgenheit und Offenbarung I. Lønning: Art. „Gott VIII“, S. 675, 677, 696.
Herunterladen