ANALYSIS 1 Kapitel 3: Funktionen MAB.01012UB MAT.101UB Vorlesung im WS 2017/18 Günter LETTL Institut für Mathematik und wissenschaftliches Rechnen Karl-Franzens-Universität Graz 3.1 Grundbegrie Denition (1) A a) und B seien Mengen. Eine Abbildung (oder Funktion) f : A → B ) ist eine Vorschrift, die y ∈ B zuordnet. Dann heiÿen: y das Bild von f A nach B (Schreibweise: x ∈ A genau ein Element von jedem x unter f (oder: der Wert y = f (x) bzw. x 7→ y ; von f an der Stelle Schreibweise: A der Denitionsbereich von B der Wertevorrat (oder Zielbereich) von Graph(f der Graph von f. f, f und ) = {(x, y ) ∈ A × B | y = f (x)} x ), Denition (1) (Fortsetzung) b) Es sei Ist B⊂R f:A→B [bzw. eine Abbildung. B ⊂ C], so heiÿt f eine reellwertige [bzw. komplexwertige] Funktion. Sind A, B ⊂ R [bzw. A, B ⊂ C], so heiÿt f eine reelle [bzw. komplexe] Funktion (in einer Variablen). g : A → B eine weitere Abbildung von A nach B , so heiÿen f und g gleich (f = g ), wenn für alle x ∈ A gilt: f (x) = g (x). Ist Denition (2) Es sei a) f:A→B eine Abbildung. A0 ⊂ A heiÿt f (A0 ) = {f (x) | x ∈ A0 } 0 das Bild von A unter f ; insbesondere heiÿt f (A) das Bild (oder die Wertemenge) Für eine Teilmenge von f. 0 Für eine Teilmenge B −1 das Urbild von b) Ist ⊂ B heiÿt f (B 0 ) = {x ∈ A | f (x) ∈ B 0 } B 0 unter f . g: B → C eine weitere Abbildung, so heiÿt die Abbildung g ◦f:A→C x 7→ g (f (x)) die Komposition (oder Hintereinanderausführung) von (Sprechweise: ,,g nach f ). g und f Lemma (1) Ist f:A→B eine Abbildung, so gilt: a) A0 ⊂ A =⇒ A0 ⊂ f −1 (f (A0 )) b) B 0 ⊂ B =⇒ f (f −1 (B 0 )) = B 0 ∩ f (A) ⊂ B 0 Denition (3) Eine Abbildung f:A→B I injektiv, falls für alle heiÿt x1 , x2 ∈ A gilt: f (x1 ) = f (x2 ) ⇒ x1 = x2 x1 6= x2 ⇒ f (x1 ) 6= f (x2 )]. [bzw. äquivalent dazu: I surjektiv, falls f (A) = B gilt y ∈ B existiert [d. h.: zu jedem (mindestens) ein f (x) = y ]. I bijektiv, falls f injektiv und surjektiv ist. x ∈A mit Lemma (1) Ist f:A→B eine Abbildung, so gilt: a) A0 ⊂ A =⇒ A0 ⊂ f −1 (f (A0 )) b) B 0 ⊂ B =⇒ f (f −1 (B 0 )) = B 0 ∩ f (A) ⊂ B 0 Denition (3) Eine Abbildung f:A→B I injektiv, falls für alle heiÿt x1 , x2 ∈ A gilt: f (x1 ) = f (x2 ) ⇒ x1 = x2 x1 6= x2 ⇒ f (x1 ) 6= f (x2 )]. [bzw. äquivalent dazu: I surjektiv, falls f (A) = B gilt y ∈ B existiert [d. h.: zu jedem (mindestens) ein f (x) = y ]. I bijektiv, falls f injektiv und surjektiv ist. x ∈A mit Lemma (2) Es sei f:A→B eine injektive Abbildung. Dann existiert die Umkehrabbildung Graph(f −1 f −1 : f (A) → A, ) = {(y , x) | y ∈ f (A) und ihr Graph ist und x ∈A mit f (x) = y } ⊂ f (A)×A. f −1 ist die eindeutig bestimmte Abbildung von f (A) f −1 ◦ f = idA und f ◦ f −1 = idf (A) erfüllt. nach Denition (4) a) Es seien f , g : A → B ⊂ C (reell- oder) komplexwertige Funktionen. Dann deniert man die Summe von f das Produkt von und f g: und ( f + g: A → C g: x 7→ f (x) + g (x) ( f · g: A → C x 7→ f (x) · g (x) , , A, die Lemma (2) Es sei f:A→B eine injektive Abbildung. Dann existiert die Umkehrabbildung Graph(f −1 f −1 : f (A) → A, ) = {(y , x) | y ∈ f (A) und ihr Graph ist und x ∈A mit f (x) = y } ⊂ f (A)×A. f −1 ist die eindeutig bestimmte Abbildung von f (A) f −1 ◦ f = idA und f ◦ f −1 = idf (A) erfüllt. nach Denition (4) a) Es seien f , g : A → B ⊂ C (reell- oder) komplexwertige Funktionen. Dann deniert man die Summe von f das Produkt von und f g: und ( f + g: A → C g: x 7→ f (x) + g (x) ( f · g: A → C x 7→ f (x) · g (x) , , A, die Denition (4) (Fortsetzung) den Quotienten von f durch f g : A0 → C g: f (x) x 7→ g (x) mit A0 = {x ∈ A | g (x) 6= 0} , die zu f konjugiert komplexe Funktion: den Realteil von f: ( f:A→C x 7→ f (x) ( <(f ): A → R und den Imaginärteil von f: x 7→ <(f (x)) ( =(f ): A → R x 7→ =(f (x)) . , Denition (4) (Fortsetzung) b) Eine reelle Funktion f:A→B (d.h.: A, B ⊂ R) [streng ] monoton wachsend , wenn für alle gilt: heiÿt x1 , x2 ∈ A mit x1 < x2 f (x1 ) ≤ f (x2 ) [bzw. f (x1 ) < f (x2 )] , [streng ] monoton fallend , wenn für alle x1 , x2 ∈ A mit x1 < x2 gilt: f (x1 ) ≥ f (x2 ) [bzw. f (x1 ) > f (x2 )]. Lemma (3) Es seien Ist f f A, B ⊂ R und f:A→B eine reelle Funktion. streng monoton wachsend [bzw. streng monoton fallend], so ist injektiv und besitzt daher eine Umkehrfunktion f −1 f −1 : f (A) → A. ist dann ebenfalls streng monoton wachsend [bzw. streng monoton fallend]. Denition (4) (Fortsetzung) b) Eine reelle Funktion f:A→B (d.h.: A, B ⊂ R) [streng ] monoton wachsend , wenn für alle gilt: heiÿt x1 , x2 ∈ A mit x1 < x2 f (x1 ) ≤ f (x2 ) [bzw. f (x1 ) < f (x2 )] , [streng ] monoton fallend , wenn für alle x1 , x2 ∈ A mit x1 < x2 gilt: f (x1 ) ≥ f (x2 ) [bzw. f (x1 ) > f (x2 )]. Lemma (3) Es seien Ist f f A, B ⊂ R und f:A→B eine reelle Funktion. streng monoton wachsend [bzw. streng monoton fallend], so ist injektiv und besitzt daher eine Umkehrfunktion f −1 f −1 : f (A) → A. ist dann ebenfalls streng monoton wachsend [bzw. streng monoton fallend]. 3.2 Abzählbarkeit von Mengen Denition (5) A und B seien Mengen. a) A und B Abbildung b) heiÿen gleichmächtig, wenn es eine bijektive f:A→B gibt. A heiÿt A und N gleichmächtig sind, d. h.: es gibt eine Abbildung f : N → A (eine ,,Abzählung von A). Die Menge abzählbar, wenn bijektive höchstens abzählbar, wenn überabzählbar, wenn A A endlich oder abzählbar ist. unendlich und nicht abzählbar ist. Satz (1) a) Z und Q sind abzählbare Mengen. b) Die Menge R ist überabzählbar. 3.2 Abzählbarkeit von Mengen Denition (5) A und B seien Mengen. a) A und B Abbildung b) heiÿen gleichmächtig, wenn es eine bijektive f:A→B gibt. A heiÿt A und N gleichmächtig sind, d. h.: es gibt eine Abbildung f : N → A (eine ,,Abzählung von A). Die Menge abzählbar, wenn bijektive höchstens abzählbar, wenn überabzählbar, wenn A A endlich oder abzählbar ist. unendlich und nicht abzählbar ist. Satz (1) a) Z und Q sind abzählbare Mengen. b) Die Menge R ist überabzählbar. 3.3 Polynomfunktionen Für den gesamten Abschnitt sei K ∈ {R, C}. Denition (6) ( Eine Abbildung f: K → K heiÿt falls K = R, komplexe, falls K = C, reelle, Polynomfunktion (auch: Polynom), wenn es ein n ∈ N0 ) und a0 , a1 , . . . , an ∈ K gibt, sodass für alle x ∈ K gilt: n X f (x) = ai x i = a0 + a1 x + a2 x 2 + . . . + an x n . i=0 Ist an 6= 0, so heiÿt f Polynomfunktion vom Grad der führende (oder: höchste) Koezient von Ist α∈K mit f (α) = 0, so heiÿt α n und f. eine Nullstelle von f. an heiÿt Satz (2) f : K → K eine α ∈ K . Dann gilt: Es sei a) Polynomfunktion vom Grad Es existiert eine Polynomfunktion sodass für alle x ∈K g: K → K n∈N und vom Grad n − 1, gilt: f (x) = (x − α) g (x) + f (α) . b) f (α) = 0 ⇐⇒ Es existiert eine Polynomfunktion g : K → K vom Grad n − 1, sodass für alle x ∈K gilt: f (x) = (x − α) g (x) [ Sprechweise: ,,x −α teilt f (x) ]. Satz (3) Es sei Dann f : K → K eine Polynomfunktion vom Grad n ∈ N0 . besitzt f in K höchstens n Nullstellen. Korollar (1) f , g: K → K n X f (x) = ai x i Es seien Polynomfunktionen mit und g (x) = i=0 Sind n X bi x i für ein n ∈ N0 . i=0 x1 , x2 , . . . , xn+1 ∈ K ≤ k ≤ n + 1: paarweise verschieden und gilt für alle mit 1 f (xk ) = g (xk ) , so folgt ai = bi für alle i mit 0 ≤i ≤n (und somit f = g ). k Satz (3) Es sei Dann f : K → K eine Polynomfunktion vom Grad n ∈ N0 . besitzt f in K höchstens n Nullstellen. Korollar (1) f , g: K → K n X f (x) = ai x i Es seien Polynomfunktionen mit und g (x) = i=0 Sind n X bi x i für ein n ∈ N0 . i=0 x1 , x2 , . . . , xn+1 ∈ K ≤ k ≤ n + 1: paarweise verschieden und gilt für alle mit 1 f (xk ) = g (xk ) , so folgt ai = bi für alle i mit 0 ≤i ≤n (und somit f = g ). k Korollar (2) Ist 0 6= f : K → K eine Polynomfunktion, so ist ihr Grad n ∈ N0 eindeutig bestimmt, und es existieren eindeutig bestimmte a0 , a1 , . . . , an ∈ K mit an 6= 0, sodass f (x) = a0 + a1 x + . . . + an x n . für alle x ∈K gilt: Korollar (3) (Interpolation nach Lagrange) n ∈ N0 ; x0 , x1 . . . , xn ∈ K y0 , y1 , . . . , yn ∈ K . Es sei seien paarweise verschieden, und Dann gibt es genau eine Polynomfunktion ≤ n, sodass für alle i mit 0 f (xi ) = yi ≤i ≤n f:K →K vom Grade gilt: [,,Interpolationseigenschaft ]. Korollar (2) Ist 0 6= f : K → K eine Polynomfunktion, so ist ihr Grad n ∈ N0 eindeutig bestimmt, und es existieren eindeutig bestimmte a0 , a1 , . . . , an ∈ K mit an 6= 0, sodass f (x) = a0 + a1 x + . . . + an x n . für alle x ∈K gilt: Korollar (3) (Interpolation nach Lagrange) n ∈ N0 ; x0 , x1 . . . , xn ∈ K y0 , y1 , . . . , yn ∈ K . Es sei seien paarweise verschieden, und Dann gibt es genau eine Polynomfunktion ≤ n, sodass für alle i mit 0 f (xi ) = yi ≤i ≤n f:K →K vom Grade gilt: [,,Interpolationseigenschaft ]. Der allgemeine Binomialkoezient: Für n ∈ N0 und z ∈ C deniert man 1 falls n = 0 z . := z(z − 1) . . . (z − n + 1) n falls n ≥ 1 n! z ist eine komplexe Polynomfunktion vom Grad n n Variablen z ) mit Nullstellen 0, 1, 2, . . . , n − 1. (in der Satz (4) (Additionstheorem für allgemeine Binomialkoezienten) Für w, z ∈ C und n ∈ N0 gilt: w +z n n P w z = . i n−i i=0 Satz (5) 6= f: K → K eine Polynomfunktion und α ∈ K , so existieren e ∈ N0 und genau eine Polynomfunktion g : K → K , sodass für alle x ∈ K gilt: Ist 0 genau ein f (x) = (x − α)e g (x) Denition: Ist e > 0, so heiÿt α und eine g (α) 6= 0 . e -fache Nullstelle von f. Satz (6) (Zerlegungssatz für komplexe Polynome) Ist f:C→C eine (komplexe) Polynomfunktion vom Grad 6 a ∈ C, r ∈ N0 , = verschiedene α1 , . . . , αr ∈ C und e1 , . . . , er ∈ N mit e1 + · · · + er = n, sodass für alle x ∈ C gilt: r Y f (x) = a · (x − αi )ei . so existieren eindeutig bestimmte 0 i=1 n ∈ N0 , paarweise Satz (5) 6= f: K → K eine Polynomfunktion und α ∈ K , so existieren e ∈ N0 und genau eine Polynomfunktion g : K → K , sodass für alle x ∈ K gilt: Ist 0 genau ein f (x) = (x − α)e g (x) Denition: Ist e > 0, so heiÿt α und eine g (α) 6= 0 . e -fache Nullstelle von f. Satz (6) (Zerlegungssatz für komplexe Polynome) Ist f:C→C eine (komplexe) Polynomfunktion vom Grad 6 a ∈ C, r ∈ N0 , = verschiedene α1 , . . . , αr ∈ C und e1 , . . . , er ∈ N mit e1 + · · · + er = n, sodass für alle x ∈ C gilt: r Y f (x) = a · (x − αi )ei . so existieren eindeutig bestimmte 0 i=1 n ∈ N0 , paarweise 3.4 Rationale Funktionen Für den gesamten Abschnitt sei K ∈ {R, C}. Denition (7) f , g : K → K seien Polynomfunktionen E = {α ∈ K | g (α) = 0}. Dann heiÿt h= mit g 6= 0 und f : K \E →K g f (x) x 7→ g (x) eine rationale Funktion auf K. α ∈ E eine e -fache Nullstelle von g und f (α) 6= 0, so eine e -fache Polstelle (oder: Pol der Ordnung e ) von h. Ist heiÿt α Satz (7) (Partialbruchzerlegung in K ∈ {R, C}) Es sei h= f : K \ E → K eine rationale Funktion, wobei g r t Y Y g (x) = (x − αi )mi · (x 2 + bi x + ci )ki i=1 i=1 mit paarweise verschiedenen Polynomfunktionen (x − α1 ), . . . (x 2 + bt x + ct ), wobei die quadratischen Polynomfunktionen keine Nullstellen in K besitzen, r , t ∈ N0 , mi , ki ∈ N und αi , bi , ci ∈ K . Dann besitzt h h(x) = p(x) + eine eindeutige Darstellung der Form r X mi X i=1 j=1 aij + (x − αi )j mit einer Polynomfunktion p(x) und t X ki X i=1 j=1 uij x + vij (x 2 + bi x + ci )j aij , uij , vij ∈ K . Denition: Diese Darstellung von h in Satz 7 heiÿt die (reelle/komplexe ) Partialbruchzerlegung von h. Die rationale Funktion mi X j=1 heiÿt der Hauptteil von und p(x) h aij (x − αi )j an der Stelle heiÿt der Polynomanteil von αi , h.