Der Bildschirmarbeitsplatz- Erfahrungen aus betriebsärztlicher Sicht 22. Juli 2010 Dr. med. Klaus Volk Regierung von Oberbayern Gewerbeaufsichtsamt Themen : • Körperliche Belastungen (Auge, Bewegungsapparat ) • Sonstiges: Stehpult, höhenverstellbarer Schreibtisch • Psychische Belastungen • Sehtest, Bildschirmbrille Körperliche Belastungen • Auge: asthenopische Beschwerden wie: das trockene Auge, Augenermüdung, Augenschmerzen u.a. • Nacken, Schultern • Kopfschmerzen • Wirbelsäule insbes. HWS, LWS • Gelenke, Sehnen (RSI, CTD) • Muskulatur Ursachen-Auge • Falscher Sehwinkel (Richtig: Sehachse 35 Grad nach unten), daher verstärkte Austrocknung der Hornhaut (Lidschlagfrequenz !) • Blendung durch falsche Positionierung (z.B. BS vor dem Fenster ) bei unverhältnismäßigen Leuchtdichteunterschieden • Fehlende bzw. unzureichende Sehkorrektur • Falsche Zeichengröße, falsche Farbverwendung • Fehlende Kurzpausen Empfohlene Leuchtdichten : • Im zentralen Gesichtsfeld soll das Verhältnis von 1 : 3 nicht und • Im weiteren Gesichtsfeld das Verhältnis von 1: 10 nicht überschritten werden. Chromatische Aberration • Blaues (kurzwelliges ) Licht hat seinen Brennpunkt vor der Netzhaut, • Rotes (langwelliges) Licht hinter der Netzhaut, • Damit hat das Auge die Schwierigkeit gleichzeitig auf 2 verschiedene Entfernungen zu fokussieren (Unschärfe !) Beleuchtung • (DIN EN 12464-1,zonierte Beleuchtung: Arbeitsbereich/Umgebungsbereich), mind. 500 Lux bei Schreib- und Lesearbeiten • Höherer Lichtbedarf des älteren Menschen • Verschiedene Beleuchtungskonzepte (raum-, arbeitsbereichs-, teilflächenbezogene B.) • Gleichmäßigkeit, keine Blendung od. Reflexe • Wenn nicht ausreichend natürliches Licht z.B.: • Neue Lichtkonzepte: dynamisches Licht Problem: Rückenschmerzen • Mit 24% die am häufigsten genannte Kategorie für Schmerzen (Europäischer Schmerz Survey) • MSE bilden mit 26,3% den höchsten Anteil an AU-Tagen (BKK-Geschäftsbericht 2009) • Trotz Veränderung der arbeitsbedingten Beanspruchung bestimmt das psychosomatische Organsystem „Rücken“ unverändert das Geschehen Ursachen Bewegungsapparat • Falsche Sitzposition (mit hohem Bandscheibeninnendruck, fehlender Kippung des Beckens nach vorn) • Statische Fehlbelastungen • Mangelnder Wechsel: Sitzen, Stehen, Gehen • Falsche Anordnung der Elemente • Anthropometrische Faktoren MSE = multifaktorielles Geschehen • Bei etwa 80 % aller Rückenschmerz­ patienten lassen sich die Beschwerden nicht auf eine eindeutige organische Ursache zurückführen • Beispiel: Verspannung der Rücken­ muskulatur durch verdichtetes Arbeiten unter Zeitdruck, hoher Verantwortung etc. Eugen Roth Damit es nicht kommt zum Knaxe, erfand der Arzt die Prophylaxe. Doch lieber beugt der Mensch, der Tor, sich vor der Krankheit, als ihr vor! Beispiele für Abhilfe, Teil 1 • Wechsel Sitzen-Stehen-Gehen im Verhältnis 50 % Sitzen, 25 % Stehen, 25 % Bewegung durch Steh-Sitz-Tische, Haltungswechsel ! • Auswirkung: Wechsel aktiviert Muskulatur, HerzKreislaufsystem, “schnelleres“ Arbeiten mit Zeitgewinn, Arbeit im Stehen fördert Blutzufuhr zum Gehirn, steigert Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, gegen vorzeitiges Ermüden • „Einweisung in den BSAP, Unterweisung zum richtigen Gebrauch der Büroelemente Beispiele für Abhilfe, Teil 2 • Mischarbeit mit Arbeitserweiterung, Arbeitsanreicherung, evtl. Gruppenarbeit • Hinführen zu regelmäßiger körperlicher Aktivität, strukturierte Bewegungs­ /Ausgleichsübungen • Ausreichend Bewegungsraum • Beleuchtung: Verwendung von Allgemeinund individuell einstellbarer Einzelplatzbeleuchtung Besondere ergonomische Lösungen: • Stehpult (geringerer Bandscheiben­ innendruck, Aktivierung der Muskulatur, Durchblutungsförderung)(ca.100-135 cm) • Höhenverstellbarer Schreibtisch (wie oben) (ca. 68-118 cm) • Problem: bei welchem Arbeitnehmer ist das sinnvoll? (Betriebsarzt !) Bildschirmarbeitsverordnung § 3 Beurteilung der Arbeitsbedingungen • Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes hat der Arbeitgeber bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen. Zunahme der psychischen Erkrankungen • Bild aus einer Krankenkassenstatistik zu AU-Tagen in den letzten Jahren Psychische Belastungen 1 • • • • • • • • • Psychomental: geistige Über-/ /Unterforderung Zeitdruck Widersprüchliche Aufgabenziele Unsinnige Arbeitsinhalte Informationsmangel/-überflutung Häufige Arbeitsunterbrechungen Ungenügende Softwareergonomie Lärm, ungünstige klimatische Verhältnisse • 2 Bilder zur Zunahme an psychmentalen Belastungsfaktoren , wie Zeitdruck,hohe Verantwortung ,mangelnde Informationen etc. Psychische Belastungen 2 • Psychosozial: durch Mitarbeiter/Vorgesetzter : • Mangelnde Anerkennung, Feedback vom Vorgesetzten • Keine Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen • Defizitäres Führungsverhalten • Mobbing, Burnout-Syndrom, ungelöste Konflikte mit Kollegen • Schlechtes Betriebsklima Lösungsansätze psychische Belastungen Teil 1 • Thematisierung durch: • Gefährdungsbeurteilung (Arbeitsschutz verlangt das routinemäßige Screening von psychischen Belastungen !) • Mitarbeiterbefragung (GABEGS) • betriebliches Eingliederungs­ management Lösungsansätze psychische Belastungen Teil 2 • Beispiele von Stressbewältigungstechniken : • autogenes Training, progressive Muskelrelaxation • Gruppenorientierte Bewältigungsstrategien wie Teambildung, versch. Copingmodelle • Ausdauersport (schnellerer Abbau !) Sehtest nach ArbMedVV/G 37 • Anamnese • Sehschärfe in der Ferne/Nähe (Visus 0,8) • Räumliches Sehen • Stellung der Augachsen • Farbsinnprüfung • Gesichtsfeld • Weitere Abklärung der Fehlsichtigkeit : (Augenarzt !) Bildschirmbrille • • • • • • Akkommodationsbreite < 2dpt,Alter > 45 Jahre Wenn aktuelle Alltagsbrille nicht ausreichend Umfasst nur Entfernungen am BSAP Siebtest nach G 37 vorausgehend Beratung zu den verschiedenen Brillenlösungen Klärung der Kostenübernahme (Vorgehensweise) mit ausführlicher Beratung vor Gang zum Optiker ! • Bild zur Abnahme der Akkomodationsbreite im Alter sowie dem Anstieg der minimalen Sehweite im Alter (Wikipedia) Brillentypen • Monofokalbrille • Bifokalbrille • Trifokalbrille • Universal- Gleitsichtbrille • Gleitsichtbrille für den Nahbereich (Bildschirmgleitsichtbrille) Sehhilfen am BSAP • Schematische Bilder zu den verschiedenen Brillenglastypen aus einer Infoschrift der VBG „Sehhilfen am Bildschirmarbeitsplatz „ Weiterführende Literatur • Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV) • BGI 742 Sicherheitslehrbrief: Arbeiten an Bildschirmgeräten • BGI 650 Bildschirm- und Büroarbeitsplätze • BGI 5001 Büroarbeit- sicher, gesund und erfolgreich (Praxishilfen für die Gestaltung) • BGI 856 Beleuchtung im Büro • BGI 786 Sehhilfen am Bildschirmarbeitsplatz • BGI 785 Berufsgenossenschaftl. Grundsatz für arbeitsmed. Vorsorgeuntersuchung (G 37) • ArbMedVV (Anhang Teil 4 (2))