HiP 2013 Impfungen – was geschieht, wenn wir damit aufhören PD Dr. med. Christoph Fux Infektiologie & Spitalhygiene Kantonsspital Aarau Influenza Das Grippe-Problem – Impfungen funktionieren nicht Grippe ≄ Influenza Influenza-Impfstoff: CH: 400-1‘000 Todesfälle/Jahr A H1N1 & H3N2; B Altersgruppe Reduktion von Grippe gem. Labor gem. Klinik >65 37-64 23 16-65 70 24 <16 65 31 Nicol KL J Infect Dis 2006 Hospitalisation Mortalität resp. Symptom 27 47 Influenza Antigenic drift: saisonale Flu Antigenic shift: Epi-/Pandemie Schweine-Grippe: Schweine- & aviäre & humane Influenza Influenza Neuraminidase Inhibitoren (Influenza A, B) Zanamivir (Relenza®) Oseltamivir (Tamiflu®) N aktiv Behandlung: Beginn innert 2(-7)d N inaktiviert Influenza Impfcompliance im Spital Welche Strategie verfolgen Sie? 1) jährliche Kampagne 2) Kundennahe Impfung (Abteilung, Kantine) 3) Belohnung (Button – «ICH bringe Sie nicht um») 4) Post-expositionell Mundschutz 5) anderes 6) nichts Epidemien – Kochbuch Epidemie? Populationsdichte Kontagiösität Personenzirkulation hoch hoch hoch Ro = Anzahl Sekundärfälle pro Fall Herdenimmunität = indirekter Schutz durch Immune Bei genügend hohem Anteil Immuner ist Erregerzirkulation unterbrochen! Herdenimmunität Infektion notwendige Durchimpfungsrate Diphtherie 80-85% Polio 80-85% Pertussis 92-95% Masern 92-95% Mumps 90-92% Röteln 85-87% Masern in der Schweiz 3‘577 Fälle 93% nicht geimpft 5% nur 1 Dosis 260 Hospitalisationen 147 Pneumonien 8 Encephalitiden 1 Todesfall WHO Daten Masern in der Schweiz *Rudolf-Steiner <30% 1 Impfung: * 36 (>100) Fälle Schulausschluss Deutsch-CH ≥1 Dosis (2y) Inzidenz 61/100,000 84.7 % Lateinische CH 13/100,000 92.3 % Masern Impfstatus in Europa WHO Masern in der Schweiz Procedere nach Exposition: • Aktiv-Impfung innert 72h (Schutz/Attenuation) • Passiv-Impfung innert 6 Tagen für Hochrisiko Kinder <6 Monaten, Schwangere, Immunkompromittierte • Hausaufenthalt Erkrankte bis und mit 4. Tag nach Exanthembeginn Exponierte 18 Tage falls nicht innert 72 geimpft Historisches USA Infektion vor Vakzine Erkrankt (n) Diphtherie nach Vakzine Tod (n) % Reduktion Tod (n) 21‘053 3065 100 0 580 511 93 4 16316 3145 100 0 Invasive HiB >20‘000 ca 1‘000 ca. 99.8 <5 Pertussis 200‘752 7518 92 27 Masern 530‘217 552 99.9 0 Mumps 162‘344 50 96 0 Röteln 47‘745 24 99.9 0 Varizellen >4 Mio 138 85 19 Hepatitis A 117‘333 298 87 18 Hepatitis B 66‘232 267 80 47 Tetanus Polio Roush SW JAMA 2007 Historisches CH Krankheit Morbidität/Mortalität pro Jahr ohne Impfprogramm in CH Diphtherie 4‘000 Fälle Poliomyelitis 800 Fälle Invasive H. influenzae Typ b Infektionen 180 Fälle Tetanus 50 Fälle Kongenitale Röteln Pertussis 30-50 Fälle 140 Todesfälle Zimmermann HP et al. Rev Med Suisse Romande 1998 Argumente gegen das Impfen (1) Fragliche Wirksamkeit Epidemiologie - Hygienemassnahmen, Ernährung? - Therapie & Isolation? Fälle/105 †/105 Diphtherie Fälle † Hämophilus influenzae B 250 0-15 J 200 >15 Fälle (n) Total 150 100 50 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 0 Jahr „wichtig, besonders gut auf Anzeichen einer Hirnhaut- oder Kehlkopfentzündung zu achten, um sie möglichst frühzeitig zu erkennen und therapieren zu können“ Impfratgeber SKS, 2006 Argumente gegen das Impfen (2) Ersatz durch andere Keime - nicht-Impfstämme: S. pneumoniae Hick LA, J Infect Dis 2007 Argumente gegen das Impfen (2) Hick LA, J Infect Dis 2007 Argumente gegen das Impfen (3) Überlastung des Immunsystems „26 Impfdosen gegen 8 Krankheiten innert 24 Lebensmonaten“ 6 7217 1960 7 3014 1990 9 2005 49 Impfungen Antigene Argumente gegen das Impfen (4) Impfen ist gefährlich: Polio Todesfälle/105 Fälle † IPV Fälle † OPV Zimmermann HP et al. Rev Med Suisse Romande 1998 Argumente gegen das Impfen (4) CH 1982: letzte Wildvirus Poliomyelitis Risiko für Impfpoliomyelitis - 1:400`000-750`000 Erstdosen - 1: 5`000`000 Folgedosen nur noch Impfung mit IPV (inaktiviert) CH 1989: Genf 2007: letzte Impfpoliomyelitis Wildvirus-Typ 1 (Tschad) in Kläranlage Zimmermann HP et al. Rev Med Suisse Romande 1998 Attenuiert lebend Inaktiviert Argumente gegen das Impfen (4) 0.1% der Infizierten haben Lähmungen Argumente gegen das Impfen (4) Impfen ist gefährlich: Rotavirus Intusseption Argumente gegen das Impfen (4) Impfen ist gefährlich nasale Grippeimpfung Nasal flu: Facialisparese Mutsch M, NEJM 2004 Argumente gegen das Impfen (4) Impfen ist gefährlich – nicht bestätigte Assoziation: Guillain-Barré MS Autismus (Lancet 1998: Rückzug 10/13 Autoren) SIDS Diabetes mellitus Neoplasien (Ovarialkarzinom) Argumente gegen das Impfen (5) Impfstoffe sind schlecht verträglich Allgemein - Lokalreaktionen 5-95%, nach 0-1 und 6-48 Std; v.a Tetanus - Impfkrankheit (Fieber, Krankheitsgefühl) 5-30%: 5.-12. Tag: Impfverstärker? - Fieberkrämpfe: 1/1‘000 bei 6-8monatigen - langes Schreien 0.5-6/10‘000 va DTP0 Argumente gegen das Impfen (5) Spezifisch - hypoton-hyporesponsive Episoden nach Pertussis - Impfmasern / Impfvarizellen - Thrombopenie nach Masernimpfung - Arthritiden nach Röteln-Impfung - abszedierende Lymphadenitis nach BCG Wann darf man impfen? Banale Infektion, T<38.5°C JA Antimikrobielle Therapie JA Unspezifische Allergie JA Lokalreaktion oder T<40.5°C auf frühere Impfung JA Anaphylaxie auf Impfung (meist Neomycin, Gelatine, Hühnereiweiss, Thiomersal) NEIN Schwangerschaft Keine Lebendimpfstoffe Immunsuppression Keine Lebendimpfstoffe Argumente gegen das Impfen (6) Es geht nur ums Geld) Gardasil® sFr. 700.- pro Impfzyklus grosse nationale Differenzen Wirtschaftlichkeit? ≤50‘000 US$ pro „quality-adjusted life year“ Argumente gegen das Impfen (6) >70% der sexuell aktiven Bevölkerung HPV+ Genitalwarzen Cervix-Karzinom Limitierter Schutz durch Kondome CH pro Jahr 5‘000 Frauen mit Krebsvorstufe (6/100) 320 Frauen mit Gebärmutterhalskrebs (1/100) 90 Frauen sterben an Gebärmutterhalskrebs Argumente gegen das Impfen (6) Serotypen 16 & 18 25% low grade Dysplasie Serotyp 50% high grade Dysplasie Serotyp 70% invasives Cervix-Karzinom Cervarix® HPV 16, 18 Gardasil® HPV 16, 18, 6, 11 >> PAP weiterhin notwendig Wirksamkeit - prophylaktisch - >99% Serokonversion - Titer >100x Infektion - 100% klinische Effizienz Serotypen 16 & 18 & 6 & 11 90% der Genitalwarzen Impfstoffe Polysaccharid-Impfstoffe Polysaccharid-Impfstoff: Immunantwort T-Zell unabhängig • wenig IgG • kein Memory • Alter <2 Jahre:Immunogenizität • kein Effekt auf Kolonisation • Antikörper steigen nicht linear mit Dosen, Gewöhnung Mackay IR, NEJM 2001 Impfstoffe konjugierter Impfstoff: Immunantwort T-Zell abhängig - Memory Mackay IR, NEJM 2001 Tollwut Inkubation 20-60 Tage (bis 20 Jahre) Wanderung 1-40cm/Tag Indien, Nepal 30-50‘000 † Thailand 75 † 3 Mio PEP 100‘000 PEP Tollwut Risiko für gefährliche Bissverletzungen bei Reisenden Tollwut Pre-exposure Impfung aktiv: Tage 0, 7, 21; 1 Jahr Post-exposure Impfung geimpft: aktiv-Impfung Tage 0, 3; Titer Tag 14 ungeimpft: passiv: 20IE/kg KG aktiv: Tage 0, 3, 7, 14; Titer Tag 21 Pertussis Erwachsener mit Husten >6 Tage? 13–32% serologische Evidenz für Pertussis 40-50% zusätzliche Symptome: Halsschmerzen Schwitzen Dauer des Hustens: 21-90 Tage Hewlett EL, NEJM 2005 Pertussis - Boostrix Impfschutz Ca 10 Jahre ohne Impfung (CH pro Jahr): 140 Tote Mortalität <6 Mo 0.5% Hewlett EL, NEJM 2005 Pertussis Therapie zur Umgebungsprophylaxe bis 4 Wochen nach Hustenbeginn (bis 6-8 Wochen bei Kindern, Schwangeren 3. Trimenon, Medizinalpersonen) Umgebungsprophylaxe bei Kontakt mit Indexfall (mit <3 Wochen Hustendauer) und innerhalb der letzten 3 Wochen (evtl. letzte 6-8 Wochen) Clarithromycin oder Azithromycin oder Cotrimoxazol (bei Makrolidunverträglichkeit) Für 7 Tage Pertussis neu ab Dez 2011 Einmalig impfen 25-29 jährige regelmässig Kontakt zu Säuglingen 3. Trimenon SS generell: nach 2 Jahren Risiko: nach 1 Monat Boostrix® Boostrix Polio® Ganz neu: Meningokokken B!!!! Meningitis