Tiefe Hirnstimulation bei der Parkinson’schen Krankheit Steckbrief WAS IST TIEFENHIRNSTIMULATION? Tiefe Hirnstimulation (Deep Brain Stimulation, DBS) ist eine Therapie, bei der von einem implantierten Gerät schwache elektrische Impulse abgegeben werden, um das Gehirn zu stimulieren. Ein DBS-System ähnelt in Aussehen und Funktion stark einem Herzschrittmacher, außer dass es keine Impulse zum Herzen sendet, sondern eine elektrische Stimulation an einen genau bestimmten Bereich im Gehirn abgibt. Bis heute haben sich mehr als 40.000 Menschen weltweit einem DBS-Eingriff bei der Parkinson’schen Krankheit unterzogen.1 DBS hat sich als wirksam bei der Behandlung von Parkinson und wesentlichen Tremorsymptomen (Zittern) erwiesen. Außerdem hat sich herausgestellt, dass DBS nützlich bei der Behandlung der Symptome von Dystonie und der obsessiv-kompulsiven Störung ist. Die US-Gesundheitsbehörde (FDA) hat für diese Indikationen einer Ausnahmeregelung für die Verwendung bei Menschen zugestimmt. DBS wird zurzeit auch auf einen Einsatz bei der Behandlung von Depressionen und einer Vielzahl von anderen neurologischen und psychiatrischen Störungen hin untersucht. WAS IST DIE GESCHICHTE VON DBS? Fälle von elektrischer Stimulation des menschlichen Gehirns wurden bereits vor über 2,3 einem Jahrhundert berichtet. Der Einsatz von DBS zur Behandlung der Parkinson’schen Krankheit kam in den späten 1980er Jahren auf, als der Forscher AlimLouis Benabid und seine Kollegen zeigten, dass die chronische Stimulation eines bestimmten Bereichs des Thalamus Tremorsymptome wirksam lindern konnte.2,3 In den nächsten Jahren untersuchten Forscher andere realisierbare Stimulationsziele zur Behandlung der Parkinson’schen Krankheit und wesentlicher Tremorsymptome. Zu den derzeitigen Stimulationszielen gehören diejenigen, die zuvor durch ein als Läsionierung bekanntes Verfahren als chirurgische Ziele festgelegt worden waren. Läsionierung ist eine Technik, bei der bestimmtes anormales Hirngewebe selektiv entfernt wird. Da DBS jedoch reversibel und anpassbar ist, hat sich gezeigt, dass dieses Verfahren gegenüber der Läsionierung deutliche Vorteile hat. WAS IST EIN DBS-SYSTEM? Ein DBS-System umfasst die folgenden Komponenten: ▪ Neurostimulator Ein chirurgisch implantiertes, batteriebetriebenes Gerät, das schwache elektrische Impulse erzeugt. ▪ Ein oder mehrere Elektroden und Verlängerungen Dünne Drähte, die die schwachen elektrischen Impulse vom Neurostimulator an den Zielbereich im Gehirn abgeben. ▪ Programmiergerät Ein Gerät, mit dem der Arzt die Art der elektrischen Stimulation die an das Gehirn abgegeben wird, fein-einstellen kann. ▪ Patienten-Controller Eine Fernbedienung, mit der die Patienten die Batterie in ihrem Neurostimulator prüfen und das Gerät ein- und ausschalten können. St. Jude Medical GmbH Helfmann-Park 1 65760 Eschborn www.sjm.de Ansprechpartner Astrid Tinnemans Tel.: 06196-7711203 [email protected] Die Elektroden werden im Gehirn implantiert und mit Verlängerungen verbunden, die unter die Haut geführt und mit dem Neurostimulator verbunden werden. Der Neurostimulator wird in der Regel nahe dem Schlüsselbein implantiert. Je nach den Bedürfnissen des Patienten kann ein Chirurg ein oder zwei Neurostimulatoren implantieren. St. Jude Medical GmbH Helfmann-Park 1 65760 Eschborn www.sjm.de Ansprechpartner WAS IST DIE PARKINSON’SCHE KRANKHEIT? Die Parkinson’sche Krankheit ist eine chronische, fortschreitende, neurodegenerative Bewegungsstörung, von der laut der European Parkinson’s Disease Association 4 ca. 6,3 Millionen Menschen weltweit betroffen sind. In Deutschland sind rund 300.000 Menschen erkrankt und geschätzte 100.000 haben erste Symptome und sind krank ohne es zu wissen5. Die neurologische Gemeinschaft stuft die Parkinson’sche Krankheit als eine Bewegungsstörung ein, da ihre Hauptsymptome die Muskeln und die Bewegung des Körpers betreffen. Die Krankheit wird als chronisch angesehen, weil ihre Symptome im Laufe der Zeit andauern, und als fortschreitend, weil sich diese Symptome stets verschlechtern. Die Parkinson’sche Krankheit tritt auf, wenn Nervenzellen, Neuronen genannt, in dem als Substantia nigra bekannten Bereich des Gehirns absterben oder beeinträchtigt werden. Die Neurone der Substantia nigra produzieren die Chemikalie Dopamin. Dopamin hat verschiedene Funktionen im Nervensystem, unter anderem, die Regulierung der Körperbewegung zu unterstützen. Nachdem etwa 60 Prozent dieser nigralen Neurone abgestorben sind, ist die Dopamin-Konzentration anormal niedrig, und erkennbare Symptome der Parkinson’schen Krankheit beginnen sich zu entwickeln.5 Die vier typischen Parkinson-Symptome sind Ruhetremor, Rigidität (Steifigkeit), Bradykinesie (verlangsamte Bewegung) und Haltungsinstabilität. Neben diesen Bewegungssymptomen kann die Parkinson’sche Krankheit auch dazu führen, dass die Patienten Symptome verspüren, die nicht mit der Bewegung zusammenhängen, z. B. Verlust des Geruchssinns, Ängstlichkeit und Depression. Sobald die Symptome der Parkinson’schen Krankheit das Leben eines Patienten zu beeinträchtigen beginnen, verschreibt ein Arzt in der Regel Medikamente, um die Schwere der Symptome zu lindern. Obwohl mehrere Arten von Medikamenten verfügbar sind, wird Levodopa derzeit von vielen als der „goldene Standard“ bei der Behandlung der Parkinson’schen Krankheit angesehen. Levodopa füllt niedrige DopaminKonzentrationen im Gehirn eines Parkinson-Patienten wieder auf und ist äußerst wirksam bei der Linderung vieler der primären Bewegungssymptome der Parkinson’schen Krankheit. Mit der Zeit wird Levodopa jedoch häufig weniger wirksam in der Beherrschung der Symptome und beginnt Nebenwirkungen zu verursachen, z. B. plötzliche unkontrollierte Bewegungen, die als Dyskinesien bezeichnet werden. WARUM DBS BEI DER PARKINSON’SCHEN KRANKHEIT? DBS kann Parkinson-Symptome wie Tremor, Rigidität, Bradykinesie und Gangstörungen wirksam lindern. Die Stimulation erfolgt in der Regel in einem von drei Zielbereichen: ▪ ▪ ▪ Subthalamischer Nucleus (STN) Globus pallidus interna (GPi) Thalamus Insgesamt hat sich herausgestellt, dass DBS 50 bis 60 Prozent der Parkinson-Symptome lindert.6 Der genaue Prozentsatz, zu dem DBS die Symptome unterdrückt, schwankt jedoch je nach Patient und dem stimulierten Bereich. Durch DBS können viele Patienten eine stärkere Kontrolle über ihren Körper wiedererlangen, die ihnen ein normaleres und aktiveres Leben ermöglicht, und die Zahl der Medikamente verringern, die sie zur Behandlung der Krankheit einnehmen. Auch wenn DBS die typischen Symptome der Parkinson’schen Krankheit und der aus der Levodopa-Therapie resultierenden Dyskinesien stark lindern kann, müssen die Patienten trotzdem regelmäßig ihren Arzt aufsuchen, um die medizinische Betreuung aufrechtzuerhalten und die übrigen Parkinson-Symptome behandeln zu lassen. Astrid Tinnemans Tel.: 06196-7711203 [email protected] WELCHE VORTEILE BIETET DBS? DBS bietet deutliche Vorteile gegenüber anderen chirurgischen Behandlungen. Erstens ist DBS anpassbar.8 Einer der eindeutigen Vorteile von DBS liegt darin, dass die Stimulationsprogrammierung von einem Kliniker auf die speziellen Bedürfnisse jedes Patienten zugeschnitten werden kann. Zweitens ist DBS reversibel, falls der Patient 8 wünscht oder es notwendig ist, dass das System wieder entfernt wird. Drittens zerstört DBS im Gegensatz zur Läsionierung kein Hirngewebe und erhält somit potentiell die Fähigkeit eines Patienten, von zukünftigen Therapien zu profitieren, die noch zu entwickeln sind.9 Eine jüngere Studie, die im Journal of the American Medical Association veröffentlicht wurde, kam zu dem Schluss, dass DBS bei der Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Parkinson’scher Krankheit wirksamer war als die beste medikamentöse Therapie. Laut der Studie war DBS innerhalb eines sechsmonatigen Nachkontrollzeitraums wirksamer bei der Verbesserung der Bewegungsfunktion, der 10 Dauer des „On“-Zustands ohne Dyskinesien und der Lebensqualität des Patienten. WELCHE NACHTEILE HAT DBS? Die Implantation des DBS-Systems bringt dieselben potentiellen Risiken für chirurgische Komplikationen mit sich wie ähnliche neurochirurgische Eingriffe. Zu den möglichen chirurgischen Komplikationen gehören Blutungen, Schlaganfall, Kopfschmerzen, Verwirrung und Infektionen. Es hat sich nicht gezeigt, dass DBS die übrigen Dopamin-Zellen in einem ParkinsonGehirn schützt oder das Fortschreiten der Parkinson’schen Krankheit verlangsamt. Außerdem verbessert DBS nicht die nichtmotorischen Parkinson-Symptome wie Depression und Ängstlichkeit. QUELLEN FÜR STATISTIKEN UND INFORMATIONEN: www.parkinson-vereinigung.de www.kompetenznetz-parkinson.de www.parkinsonfonds.de/ QUELLEN 1. Kluger, J. Rewiring the brain. Time. 10.09.2007, 170(11):46-47. 2. Baltuch, G. H., Stern, M. B. Deep Brain Stimulation for Parkinson's Disease. New York, NY: Informa Healthcare, 2007. 3. Siddiqui, M. S., Okun, M. S. Deep brain stimulation—what has been learned and where it is going. U.S. Neurology Review 2005. Juli 2005:1-5. 4. European Parkinson’s Disease Association. Parkinson-Bewusstseinskampagne „Parkinson’s Is Visible—Make It Livable“. Seite „Still Life With Parkinson’s“ (Kurzdarstellung). Zu finden unter: www.parkinsonsdecisionaid.eu.com/awarenessCampaign/2008/executiveSummary. asp. Zugriff am 23.10.2008. 5. Früherkennungskampagne der Deutschen Parkinson Vereinigung e.V.: „Hinsehen, Handeln, Helfen“, http://www.parkinson-vereinigung.de/?pg=presse. Zugriff am 20.08.2010. 6. Song, S. How deep-brain stimulation works. Time [online]. Zu finden unter: http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,1214939,00.html. Zugriff am 25.03.2008. 7. Kern, D. S., Kumar, R. Subthalamic nucleus deep brain stimulation. In: Pahwa, R., Lyons, K. E., Koller, W. C. (Hrsg.). Therapy of Parkinson’s Disease. 3. Aufl., New York, NY: Marcel Dekker, 2004:321-342. 8. Leung, G. K., Hung, K. N., Fan, Y. W. Surgical Treatment for Parkinson's Disease. HK Pract. 1999, 21(3):106-115. 9. Weaver, F. M., Follett, K., Stern, M., et al. Bilateral deep brain stimulation vs. best medical therapy for patients with advanced Parkinson disease: a randomized controlled trial. JAMA. 2009, 301(1):63-73. St. Jude Medical GmbH Helfmann-Park 1 65760 Eschborn www.sjm.de Ansprechpartner Astrid Tinnemans Tel.: 06196-7711203 [email protected]