AG zum Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht Franziska Armbruster (Prof. Dr. Seewald) Universität Passau SS 2006 Einheit III – Kommunalrecht Zulassungsanspruch zu öffentlichen Einrichtungen – PartG – Rechtsweg – Rechtsform öffentlicher Einrichtungen 1. Teil: Sachverhalt Streit um die Nibelungenhalle Der politische Aschermittwoch ist in der niederbayerischen kreisfreien Stadt Passau ein alljährliches Ereignis. Gewöhnlich treten hier prominente Vertreter der CSU in der Dreiländerhalle als Nachfolgerin der Nibelungenhalle (NiHa) auf, um andere Politiker „zu derblecken“ und um das politische Zeitgeschehen zu kommentieren. In der Vergangenheit wurde die Dreiländerhalle auch anderen politischen Parteien aus dem gesamten Bundesgebiet zur Verfügung gestellt. Die aus Hamburg stammende „Scholl-Partei“ (SP) möchte ihre Aktivitäten in weitere Bundesländer ausdehnen. In Niederbayern glaubt sie mit ihren politischen Forderungen auf fruchtbaren Boden zu stoßen. Veranstaltungen vom Format eines politischen Aschermittwochs hält sie für ihr Vorhaben als besonders geeignet. Die SP stellt daher am 1. Oktober 2005 vertreten durch ihren ersten Vorsitzenden Ronald Scholl den Antrag bei der Stadtverwaltung Passau, ihr für Aschermittwoch 2006 von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr die städtische Nibelungenhalle mietweise zu überlassen. Der Stadtverwaltung gegenüber weist Scholl u.a. auf das kostenlose und für die Stadt Passau werbewirksame Auftreten seiner erfolgreichen Partei hin. Die CSU-Parteiführung hatte es bis zum 1. Oktober 2005 versäumt, einen Überlassungsantrag für den Aschermittwoch 2006 zu stellen. Erst als am 5. Oktober bekannt wird, daß sich die SP um die Dreiländerhalle bewirbt, wird der CSU-Generalsekretär auf das Versäumnis aufmerksam. Noch am selben Abend stellt er bei der Stadt Passau per Telefax den Antrag, „der CSU wie in den letzten Jahrzehnten die Halle am Aschermittwoch 2006 zu überlassen“. Zur Begründung des Antrags führt er u.a. aus, daß seine Partei seit dem 2. Weltkrieg jährlich die Halle am Aschermittwoch nutze und zudem in Niederbayern tief verwurzelt sei. Auch habe sie in Passau einen mitgliederstarken Ortsverband. Der Scholl-Partei stehe schon deshalb kein Anspruch auf die Dreiländerhalle zu, weil sie nicht ortsansässig sei. Schließlich müsse nach dem Prinzip der abgestuften Chancengleichheit der traditionsreichen CSU der Vorzug vor einer neu gegründeten und zudem norddeutschen Partei gewährt werden. Der jüngste Wahlerfolg der CSU spreche ohnehin für sich. Auch die Stadtverwaltung Passau hat Bedenken gegen eine Überlassung der Halle an die SP. Sie würde eine Vermietung an die CSU bevorzugen, um Ärger aus dem Weg zu gehen. Einer Vermietung an die SP stehe entgegen, daß die Dreiländerhalle bis zum Aschermittwoch gar nicht von der Dekoration des alljährlich am Vorabend stattfindenden Uni-Faschingsballs befreit werden könne. Auch habe ihr das Bayerische Innenministerium mitgeteilt, daß zahlreiche Studentenverbände und sogar autonome Gruppen nach Passau reisen wollten, wenn die SP in der Dreiländerhalle eine Veranstaltung durchführen sollte. Es bestehe somit die Gefahr gewalttätiger Gegendemonstrationen, denen die Stadt nichts entgegenhalten könne, insbesondere weil die Polizeikräfte wegen anderer Veranstaltungen gebunden seien. Zudem habe die SP derzeit so großen Zulauf, daß man befürchte, die Dreiländerhalle werde überfüllt werden. Da die Stadt Passau auch eine Beschädigung der Halle befürchtet, hat sie die SP um eine Sicherheitsleistung in Höhe von 5 Mio. € gebeten. Dies wurde von der SP jedenfalls der Höhe nach abgelehnt. Schließlich führt die Stadt Passau aus, daß Rechtsbrüche und Straftaten durch die Anhänger der SP nicht auszuschließen seien. Bearbeitervermerk: 1. Hat die SP einen Anspruch auf Zulassung in die Nibelungenhalle am Aschermittwoch 2006? 2. Wie ist Frage 1 zu beurteilen, wenn statt der SP die als verfassungsfeindlich eingestufte, jedoch nicht verbotene NPD um Zulassung ersucht hätte und diese Partei seit Jahren in den Verfassungsschutzberichten des Bundes und des Freistaats Bayern auftaucht? 3. Vor welchem Gericht könnte die SP einen möglichen Zulassungsanspruch durchsetzen? 4. Wie ist die Rechtslage, wenn die Dreiländerhalle nicht von der Stadt Passau selbst betrieben wird, sondern von der Starlight-GmbH, an der die Stadt Passau zu 75% beteiligt ist? © Markus Sikora/Franziska Armbruster 2006 Seite 1 AG zum Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht Franziska Armbruster (Prof. Dr. Seewald) Universität Passau SS 2006 2. Teil: Lösungshinweise Frage 1: Anspruch der SP auf Zulassung A. Anspruch aus Art. 21 I, IV GO Der Zulassungsanspruch der SP könnte sich aus Art. 21 I, IV GO ergeben. I. Zwar ist die SP keine juristische Person1, sondern eine körperschaftlich verfasste Personenverbindung. Auch als Personenvereinigung fällt sie jedoch unter Art. 21 IV GO und kann sich daher wie natürliche Personen auf die Rechte aus Art. 21 I GO berufen. II. Es fragt sich jedoch, ob sich die SP, die bisher ausschließlich in Hamburg politisch aktiv ist und in Passau keinen Ortsverband hat, überhaupt auf Art. 21 I GO berufen kann. Art. 21 I GO räumt Gemeindeangehörigen und ihnen gleichgestellten Personenvereinigungen ein Recht zur Nutzung der öffentlichen gemeindlichen Einrichtungen ein. Jedoch steht der widmungsabhängige Zulassungsanspruch prinzipiell nur Gemeindeangehörigen, bezogen auf Parteien also im Gemeindegebiet ansässigen Ortsverbänden, zu und beschränkt sich grundsätzlich auf Veranstaltungen mit örtlichem Einzugsbereich. III. Aus Art. 21 I, IV GO besteht für die SP daher kein Zulassungsanspruch. B. Anspruch aus Art. 21 V GO Die Benutzung der Dreiländerhalle steht nicht jedermann ohne besonderes Zulassungsverfahren offen. Daher kann die SP auch nicht aus Art. 21 V GO einen Benutzungsanspruch herleiten, weil die Halle insoweit keine Sache im Gemeingebrauch ist. C. Anspruch aus Art. 21 I, IV GO iVm § 5 I 1 ParteiG, Art. 3 I GG (Art. 118 I BV) (Selbstbindung der Verwaltung) I. Anspruchsvoraussetzungen § 5 I 1 ParteiG begründet keinen eigenständigen bundesrechtlichen Zulassungsanspruch, der Art. 21 I GO verdrängt. Er modifiziert und ergänzt die landesrechtliche Regelung vielmehr. Aus ihm kann sich für Versammlungen mit überörtlichem Charakter oder von gemeindefremden Parteien ein Anspruch aus ständiger Vergabepraxis in Verbindung mit Art. 21 I GG, Art. 3 I GG (Selbstbindung der Verwaltung) ergeben, wenn dessen Voraussetzungen und eine entsprechende Vergabepraxis vorliegen. Gemäß § 5 I 1 ParteiG ist ein Träger öffentlicher Gewalt verpflichtet, alle Parteien gleich zu behandeln, wenn Parteien Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. 1 Vgl. etwa auch § 2 I ParteiG: „Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten.“ © Markus Sikora/Franziska Armbruster 2006 Seite 2 AG zum Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht Franziska Armbruster (Prof. Dr. Seewald) Universität Passau SS 2006 1. Träger öffentlicher Gewalt Die Stadt Passau ist als kommunale Gebietskörperschaft (Art. 1 GO) Trägerin öffentlicher Gewalt. 2. (öffentliche) Einrichtung Eine öffentliche Einrichtung ist jeder Sachbestand, - der von der Gebietskörperschaft - durch Widmungsakt - der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht wird und - im öffentliche Interesse (Gemeinwohl) unterhalten wird. Für die Einordnung einer Einrichtung als öffentliche ist es unerheblich, ob die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich erfolgt. Der Gemeinde kommt insoweit ein Wahlrecht zu, so daß der Beurteilung der Dreiländerhalle als öffentliche Einordnung nicht die Gebrauchsüberlassung mittels privatrechtlicher Mietverträge entgegensteht. Die Dreiländerhalle wird von der Stadt Passau zudem der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht. Da sie auch im öffentlichen Interesse unterhalten wird, handelt es sich bei ihr insgesamt um eine öffentliche Einrichtung. 3. Widmungszweck: Vergabe an politische Parteien Ein Zulassungsanspruch besteht jedoch nur insoweit, als dieser im Rahmen des Widmungszwecks für die Dreiländerhalle liegt. a) Vorliegen einer Widmung Eine Widmung ist eine Erklärung der Gemeinde (=Hoheitsakt), dass und in welchem Umfang eine bestimmte Einrichtung in Erfüllung gemeindlicher Aufgaben der öffentlichen Benutzung zugänglich gemacht wird. Sie kann in verschiedenen Rechtsformen ergehen und auch konkludent durch eine entsprechende Vergabepraxis erfolgen. b) Inhalt der Widmung für die Dreiländerhalle Es wäre rechtlich nicht zu bestanden, eine Widmung in der Weise zu beschränken, dass Wahlkampfveranstaltungen bzw. Parteitage überhaupt nicht oder nur zu Wahlkampfzeiten stattfinden dürfen. Die Stadt Passau hat jedoch in der Vergangenheit die Dreiländerhalle anderen politischen Parteien, insbesondere der CSU, auch am Aschermittwoch zur Verfügung gestellt. Diese Vergabepraxis beinhaltet einen konkludenten Widmungsakt mit dem Inhalt, die Dreiländerhalle politischen Parteien im Allgemeinen und am Aschermittwoch im Besonderen zur Verfügung zu stellen. c) Zwischenergebnis Da der Widmungszweck der Dreiländerhalle auch die Raumvergabe für politische Veranstaltungen beinhaltet, ist die Stadt Passau verpflichtet, alle Parteien gem. § 5 I 1 ParteiG, Art. 21 I GG, Art. 3 I GG gleich zu behandeln. Damit sind jedenfalls Parteien mit Sitz im Gemeindegebiet, also solche die einen Ortsverband haben, anspruchsberechtigt. © Markus Sikora/Franziska Armbruster 2006 Seite 3 AG zum Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht Franziska Armbruster (Prof. Dr. Seewald) II. Universität Passau SS 2006 4. Keine Beschränkung auf örtliche Parteien durch bisherige Vergabepraxis In der Vergangenheit hat die Stadt Passau mit ihrer Vergabepraxis auch Parteien Zutritt zur Dreiländerhalle gewährt, die keinen Ortsverband in Passau haben. Sie hat daher nicht im Rahmen der Widmung den Benutzerkreis für die Dreiländerhalle auf Gemeindeangehörige bzw. Personenvereinigungen mit örtlichem Einzugsbereich bzw. mit Sitz im Gemeindegebiet beschränkt. Im Hinblick auf Art. 21 I GG, Art. 3 I GG, § 5 I 1 ParteiG ist die Stadt Passau daher an ihre Vergabepraxis gebunden mit der Folge, daß auch überregionale Parteien anspruchsberechtigt sind 2. 5. Ergebnis Dem Grunde nach ist die Stadt Passau somit aus Art. 21 I, IV GO iVm § 5 I 1 ParteiG iVm Art. 21 I GG, 3 I GG und ihrer bisherigen Vergabepraxis verpflichtet, der SP am Aschermittwoch 2006 die Dreilänaderhalle antragsgemäß zu überlassen. Grenzen des Zulassungsanspruchs / Ausschlussgründe 1. Tatsächliche Hindernisse Ein dem Grunde nach zu bejahender Zulassungsanspruch bei öffentlichen Einrichtungen einer Gemeinde kann an den tatsächlichen Gegebenheiten scheitern. Die Stadt Passau trägt vor, die Halle nicht schnell genug von der Faschingsdekoration des alljährlich am Vorabend stattfindenden Uni-Faschingsballs befreien zu können. Dieses Vorbringen wird jedoch nicht substantiiert und zudem von der Stadt Passau selbst nicht für zwingend erachtet, weil es in der Vergangenheit offenbar kein Problem war, der CSU, die die Dreiländerhalle ebenfalls am Aschermittwoch unmittelbar nach dem UniFaschingsball bisher anmietete, zur Verfügung zustellen. Insoweit stehen tatsächliche Hindernisse dem Zulassungsanspruch nicht entgegen. 2. Begrenzte Kapazität Bestehen Kapazitätsprobleme und können daher nicht alle Bewerber zugelassen werden, muss die Kommune eine Auswahl zwischen ihnen treffen. Für den Aschermittwoch 2006 bewerben sich sowohl die CSU als auch die SP. Die Auswahl ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Zugleich verwandelt sich der Zulassungsanspruch eines Bewerbers in einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessenentscheidung um. a) Bekannt und bewährt Ein Vorrang kommt der CSU nicht schon deshalb zu, weil sie in den letzten Jahrzehnten in Passau stets am Aschermittwoch die Dreiländerhalle angemietet hatte und insoweit der Stadt Passau bekannt ist und sich bewährt hat. Ein Rückgriff auf dieses Kriterium erscheint bei Stadthallen gleichsam nicht tauglich3, insbesondere muss auch Neubewerbern eine Chance eingeräumt werden. b) § 5 I 2 ParteiG – Prinzip der abgestuften Chancengleichheit 2 BayVGH BayVBl. 1987, 403; im Ergebnis ebenso BayVGH BayVBl. 1966, 207. Dieses Kriterium wird häufig für Volksfeste herangezogen. Es soll jedoch nur zulässig sein, wenn zugleich eine feste Quote an Plätzen an Neubewerber vergeben wird. In letzter Zeit ist das Kriterium jedoch insgesamt in die Kritik geraten, vgl. BayVGH BayVBl. 1997, 694f. 3 © Markus Sikora/Franziska Armbruster 2006 Seite 4 AG zum Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht Franziska Armbruster (Prof. Dr. Seewald) Universität Passau SS 2006 Beschränkte Kapazitäten kommunaler Einrichtungen können im Rahmen des § 5 I 2 ParteiG einen besonders wichtigen Grund für eine abgestufte Behandlung politischer Parteien bilden. Eine abgestufte Behandlung setzt jedoch voraus, daß ein tatsächliches Verteilungsproblem besteht. Die Dreiländerhalle steht nicht vorwiegend Parteien zur Verfügung, vielmehr ist sie auch anderen, vorwiegend kulturellen Zwecken gewidmet. Sollten mehrere Parteien im Jahr die Halle nutzen wollen und übersteigt deshalb diese Nachfrage den Gesamtrahmen an Nutzbarkeit, der Parteien reserviert ist, wird man auf § 5 I 2 ParteiG abstellen müssen. Im Verteilungskonflikt lediglich zweier Parteien, die sich für einen bestimmten Termin gleichzeitig bewerben, kann und muss derjenigen Partei der Vorzug eingeräumt werden, welche sich früher beworben hat (Prioritätsprinzip). Auch wenn die abzuweisende Partei mitgliederstärker ist, ist ihr ein Ausweichen auf einen anderen Termin zumutbar, sofern sie überhaupt die Chance erhält, die Halle zu nutzen. 3. Zu erwartende Überfüllung Auf eine zu erwartende Überfüllung lässt sich die Versagung einer gemeindlichen Halle nicht stützen. Ein sachgerechter und verstärkter Ordnungsdienst, der auflagenmäßig verlangt werden kann, wird hier zumeist Abhilfe bieten. 4. Gefahr eines Rechtsbruchs Es besteht kein Zulassungsanspruch, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß es im Rahmen der Benutzung zu Rechtsbrüchen in Form von Straftaten oder Ordnungswidrigen kommen wird4. Zwar äußert die Stadt Passau die Befürchtung, daß es zu solchen Rechtsbrüchen komme könne, jedoch bestehen keine tatsächlichen Anhaltspunkte, die diese Befürchtung stützen könnten. Solche ergeben sich weder aus dem Programm für die Veranstaltung der SP, noch aus sonstigen bisherigen Äußerungen und Veröffentlichungen der Partei. 5. Gefahr von Gegendemonstrationen Die Besorgnis, es werde anlässlich der Veranstaltung zu gewalttätigen Gegendemonstrationen kommen, berechtigt die Stadt Passau nicht dazu, der SP die Halle vorzuenthalten. Es ist Aufgabe der Sicherheitsbehörden, namentlich der Polizei, durch geeignete Maßnahmen den Schutz der Halle und der Versammlung zu gewährleisten. Nur wenn nach vorliegenden Tatsachen die zuständigen Behörden außerstande wären, im konkreten Fall die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten (etwa weil in unmittelbarer Nähe eine Großveranstaltung wie zB der Weltwirtschaftsgipfel stattfindet), kann die Benutzung versagt werden. Pauschale Hinweise, daß die Polizeikräfte wegen anderer Veranstaltungen gebunden sind, genügen nicht. Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn der Veranstalter Gegenaktionen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, bewusst auslösen will oder wenn er absichtliche Zusammenstöße mit Gegendemonstranten sucht. Hier wäre der Veranstalter sicherheitsrechtlich sog. „Zweckveranlasser“, so dass ihm wie 4 BayVGH BayVBl. 1987, 403. © Markus Sikora/Franziska Armbruster 2006 Seite 5 AG zum Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht Franziska Armbruster (Prof. Dr. Seewald) Universität Passau SS 2006 einem unmittelbaren Störer die öffentliche Einrichtung versagt werden könnte. Dafür bestehen jedoch bei der SP keine Anhaltspunkte. 6. Gefahr von Ausschreitungen im Stadtgebiet Militante Gegendemonstranten, die von der Polizei vom Veranstaltungsort ferngehalten werden, neigen oftmals dazu, ihren Zorn an öffentlichen oder privaten Einrichtungen und Gebäuden im Stadtgebiet auszulassen. Aber auch insoweit obliegt die Sicherung anderweitiger Einrichtungen dem Staat. Die Stadt darf, solange die Sicherheitsbehörden bereit und im Stande sind, ihre Aufgabe zu erfüllen, den Schutzinteressen ihrer Einwohner nicht ohne weiteres Vorrang vor dem Benutzungsanspruch einer Partei einräumen. Die damit verbundenen Risiken liegen grundsätzlich im Bereich dessen, was in einer auf Demokratie und Meinungsfreiheit aufgebauten Rechtsordnung als Begleiterscheinung öffentlicher politischer Auseinandersetzungen in Kauf genommen werden muss5. Auch insoweit kann der Zulassungsanspruch der Partei daher nicht begrenzt werden. 7. Weigerung der SP Sicherheit iHv 5 Mio. € zu leisten Soweit eine Gemeinde nach den vorstehenden Darlegungen gefahr- oder schadensgeneigte Veranstaltungen hinnehmen muss, ist sie befugt, die Nutzung ihrer Einrichtungen an die Bedingung zu knüpfen, daß ihre Sicherheit geleistet wird. Die Stadt Passau hat daher das Recht, sich in angemessener Weise – unabhängig vom Verschulden des Veranstalters – gegen Risiken abzusichern, die nicht in ihren Verantwortungsbereich fallen. Die Sicherheit darf jedoch nicht in einer Höhe verlangt werden, die zu den zu erwartenden Schäden in keinem Verhältnis steht und letztlich dazu führt, daß der Partei auf diesem Wege die Benutzung der Halle unmöglich gemacht wird. Sicherheit in Höhe von DM 10 Mio. zu fordern ist angesichts der zu erwartenden allenfalls geringen Schäden überzogen. Die Höhe der Sicherheit ist daher anzupassen. Da die SP grundsätzlich zur Sicherheitsleistung bereit ist, kann ihr auch dieser Gesichtspunkt nicht entgegengehalten werden. III. Ergebnis Aus Art. 21 I, IV GO iVm Art. 3 I, 21 I GG iVm § 5 I 1 ParteiG und der Vergabepraxis der Stadt Passau kann die SP die Überlassung der Dreiländerhalle am Aschermittwoch 2006 verlangen. Zu Frage 2: Zulassungsanspruch der NPD Aus den Grundsätzen der Parteienfreiheit und der Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 I 2 GG, Art. 3 I GG, § 5 I ParteiG) folgt, dass Gemeinden, die ihre Hallen auch politischen Parteien zur Verfügung stellen, sich im Rahmen der Widmung und der allgemeinen Vorschriften den Parteien gegenüber strikt neutral zu verhalten haben. Auch bei Parteien, die nach Gemeindeansicht verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, jedoch noch nicht verboten sind, dürfen keine anderen Maßstäbe angelegt werden und zwar selbst dann nicht, wenn sie in den Verfassungsschutzberichten des Bundes oder der Länder auftauchen. Das Monopol, über die Verfassungswidrigkeit einer Partei zu befinden, kommt allein dem BVerfG zu. Insoweit ergeben sich grundsätzlich keine anderen Erwägungen hinsichtlich der NPD. Allenfalls bei Einzelfragen (z.B. Gefahr zu befürchtender Straftaten, etc.) kann es zu einer abweichenden Beurteilung kommen. 5 OVG Lüneburg NJW 1985, 2346. © Markus Sikora/Franziska Armbruster 2006 Seite 6 AG zum Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht Franziska Armbruster (Prof. Dr. Seewald) Universität Passau SS 2006 Zu Frage 3: Zuständiges Gericht Die Stadt Passau hat die Benutzung der Dreiländerhalle privatrechtlich ausgestaltet durch den Abschluss von Mietverträgen. Das Benutzungsverhältnis ist daher ein zivilrechtliches Schuldverhältnis, auf das die Vorschriften des BGB Anwendung finden. Denkbar ist gleichwohl eine Klage der SP vor dem Verwaltungsgericht Regensburg. I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 I 1 VwGO Gem. § 40 I 1 VwGO müsste der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Es liegt eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vor, für die auch keine anderweitige Rechtswegzuweisung besteht. Allein der Umstand, daß eine Partei beteiligt ist, führt nämlich noch nicht zur doppelten Verfassungsunmittelbarkeit, weil insoweit der Sache nach nicht um Verfassungsrecht gestritten wird. Es fragt sich jedoch, ob die Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Natur ist, weil die Stadt Passau die DreiHa durch den Abschluss zivilrechtlicher Mietverträge den Benutzern überlässt, so dass insoweit eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit vorliegen könnte, zu deren Entscheidung die ordentlichen Gerichte berufen wären (§ 13 GVG). Die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, richtet sich nach dem Klagegegenstand. Die SP begehrt Zulassung zur DreiHa am Aschermittwoch 2006. Der Zulassungsanspruch ergibt sich aus Art. 21 I GO iVm Art. 3 I GG, 118 I BV, § 5 I 1 ParteiG. Zwar genügt nicht die bloße Behauptung des Klägers, die begehrte Zulassung beziehe sich auf eine öffentlichen Einrichtung, im vorliegenden Fall wurde jedoch bereits festgestellt, daß es sich bei Dreiländerhalle auch tatsächlich um eine solche Einrichtung handelt. Geht es um die Zulassung zur Dreiländerhalle, steht letztlich das „Ob“ der Benutzung in Frage. Nach der sog. Zweistufentheorie ist der Rechtsstreit deshalb auch dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn die Überlassung der Halle (das „Wie“ der Benutzung“) privatrechtlich ausgestaltet ist. Vorliegend ergibt sich jedoch die öffentlich-rechtlich Natur des Zulassungsanspruchs auch schon daraus, daß die SP ihr Begehren auf § 5 I 1 ParteiG stützt. Dieser Anspruch ist stets öffentlich-rechtlich. Der Verwaltungsrechtsweg ist daher eröffnet. II. Sachliche Zuständigkeit des VG Gem. § 45 VwGO entscheidet das VG über alle Streitigkeiten im ersten Rechtszug. III. Örtliche Zuständigkeit des VG Regensburg Die örtliche Zuständigkeit des VG Regensburg ergibt sich aus § 52 Nr. 1 VwGO iVm Art. 1 II Nr. 2 BayAGVwGO. Passau liegt im Regierungsbezirk Niederbayern. Zu Frage 4: Zulassungsanspruch bei privater GmbH Um am Aschermittwoch 2006 zur Dreiländerhalle zugelassen zu werden, müsste die SP erreichen, daß die Starlight-GmbH verpflichtet wird, mit der SP einen privatrechtlichen Mietvertrag abzuschließen. I. Zuständiges Gericht © Markus Sikora/Franziska Armbruster 2006 Seite 7 AG zum Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht Franziska Armbruster (Prof. Dr. Seewald) Universität Passau SS 2006 Auch bei Zwischenschaltung eines privaten Verwaltungshelfers wie der StarlightGmbH sind Streitigkeiten zwischen dem Antragssteller und der Gemeinde über den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen („Ob“ der Benutzung) öffentlichrechtliche Streitigkeiten. Es fragt sich jedoch, um es sich noch um eine öffentliche Einrichtung handelt, wenn die Dreiländerhalle durch eine selbständige juristische Person des Privatrechts (§ 13 I GmbHG) betrieben wird. Zusätzlich zu den unter Frage 1 genannte Voraussetzungen liegt eine öffentliche Einrichtung in diesem Fall dann vor, wenn die Gemeinde tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die sich aus der Widmung ergebende Zweckbindung nötigenfalls gegenüber der Betreibergesellschaft durchzusetzen. Die Starlight-GmbH verwirklicht im Auftrag der Stadt Passau unmittelbar kommunale Aufgaben. Da die Stadt Passau Mehrheitsgesellschafterin der Starlight-GmbH ist, kann sie zudem rechtlich und tatsächlich die Vergabe der Dreiländerhalle beeinflussen. Es handelt sich bei der Dreiländerhalle somit um eine kommunale Einrichtung, obwohl sie von einer GmbH betrieben wird. Das VG Regensburg ist daher Zulassungsanspruch zuständig. II. weiterhin zur Entscheidung über den Inhalt des Anspruchs Der Zulassungsanspruch wandelt sich bei Zwischenschaltung einer privatrechtlichen GmbH in einen Zulassungsverschaffungsanspruch um. Die Stadt Passau ist deshalb verpflichtet, der SP durch Einwirkung auf die Starlight-GmbH den Zugang zur Dreiländerhalle zu verschaffen. © Markus Sikora/Franziska Armbruster 2006 Seite 8 AG zum Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht Franziska Armbruster (Prof. Dr. Seewald) Universität Passau SS 2006 3. Teil: Übersichten und Schemata Übersicht III / 1 Rechts- und Organisationsformen öffentlicher Einrichtungen Der Gemeinde kommt grundsätzlich ein Wahlrecht zu, ob sie eine öffentliche Einrichtung in Formen des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts betreiben will. In welcher Rechtsform eine Einrichtung mit öffentlich-rechtlicher Zweckbestimmung (Widmung) betrieben wird, ist nicht wesentlich für die Frage, ob es sich um eine „öffentliche Einrichtung“ handelt. Zu beachten ist jedoch, daß die Verwaltung auch dann an die Grundsätze des öffentlichen Rechts gebunden ist (insb. Art. 3 I GG), wenn formal das Privatrecht als Organisationsoder Benutzungsform gewählt wurde. Folgende Varianten sind nach der sog. Zweistufentheorie zu unterscheiden: I. öffentlich-rechtliche Organisationsform z.B. durch Eigenbetrieb oder kommunales Unternehmen Zulassungsverhältnis „Ob“ der Benutzung Benutzungsverhältnis „Wie“ der Benutzung II. stets öffentlich-rechtlich è Klage vor dem VG auf Zulassung „Wahlfreiheit“ 1) in der Regel öffentlich-rechtlich (meist durch Satzung) è Klage zum VG 2) kann auch privatrechtlich sein (meist durch AGB und Mietvertrag) è Klage zum AG bzw. LG hinsichtlich der Benutzungsmodalitäten Privatrechtliche Organisationsform z.B. GmbH, Verein, AG oder „Konzessionslösung“; in letzterem Fall hat die Gemeinde in einem rechtlich völlig eigenständigen Betrieb Mitspracherechte über einen Pacht- oder Mietvertrag. Wichtig: Zunächst ist zu prüfen, ob es sich überhaupt um eine öffentliche Einrichtung handelt, die lediglich der Form nach privat ist (sonst siehe III). Voraussetzung ist daher neben den allgemeinen Voraussetzungen für eine öffentliche Einrichtung (vgl. die Übersichten in Einheit II), daß die Gemeinde in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf die private Einrichtung Einfluß ausüben kann. Dies wurde zum Beispiel in folgenden Fällen bejaht: o o o o Die Gemeinde ist Mehrheitsgesellschafterin. Der Aufsichtsrat besteht nur aus Mitglieder des Gemeinderats. Der erste Bürgermeister ist Vorstand einer AG. Es besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag einer GmbH mit einer anderen GmbH, deren Alleingesellschafterin die Gemeinde ist. Zulassungsverhältnis „Ob“ der Benutzung Benutzungsverhältnis „Wie“ der Benutzung © Markus Sikora/Franziska Armbruster 2006 bleibt öffentlich-rechtlich è Klage vor dem VG auf Zulassung Ausgestaltung muß privatrechtlich erfolgen è Klage stets zum AG bzw. LG Seite 9 AG zum Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht Franziska Armbruster (Prof. Dr. Seewald) Universität Passau SS 2006 Bei privatrechtlicher Organisationsform wandelt sich der Zulassungsanspruch in einen Zulassungsverschaffungsanspruch, d.h. die Gemeinde wird vom VG verpflichtet, ihren Einfluss in der privaten Organisationsform geltend zu machen. III. Vollprivatisierung In diesem Fall zieht sich die Gemeinde zugunsten eines Privaten völlig aus der Aufgabenerfüllung zurück. Es fehlt somit schon am Merkmal einer öffentlichen Einrichtung. Ein Kontrahierungszwang (Zulassungsanspruch) kann nur unter den engen Voraussetzungen bestehen, wie sie sich aus dem BGB ergeben, insb. aus § 826 BGB. Literatur: Becker, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern Rn. S.160167 Lissack: Bayerisches Kommunalrecht, 2. Aufl., S. S. 47-59 Seewald, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 94-119; S. 132-185 Seewald, Kommunalrechtsskript, S. 30-45 März, Überlassung von Räumen durch Körperschaften des öffentlichen Rechts an Parteien oder politische Gruppierungen, Rechtsprechungsübersicht, BayVBl. 1992, 97 ff. Brand, Zur Gleichbehandlung von Parteien bei der Überlassung kommunaler Einrichtungen auf der vertraglichen Ausgestaltungsstufe, BayVBl. 2001, 104 ff. © Markus Sikora/Franziska Armbruster 2006 Seite 10