1. Theoretischer Hintergrund ........................................................

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Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
1. Theoretischer Hintergrund ..................................................................................................... 2
1.1 Bewegungstypen.............................................................................................................. 2
1.1.1 Intrazelluläre Bewegungen ....................................................................................... 2
1.1.2 Freie Ortsbewegungen ............................................................................................. 3
1.1.3 Taxien........................................................................................................................ 3
1.1.4
Bewegung vielzelliger Pflanzen ......................................................................... 5
1.2 Bewegungsmechanismen................................................................................................ 8
1.2.1 Turgorbewegungen................................................................................................... 9
1.2.2 Wachstumsbewegungen........................................................................................... 9
1.2.3 Schleuderbewegungen ........................................................................................... 10
1.2.4 Kohäsionsbewegungen........................................................................................... 10
1.2.5 Hygroskopische Bewegungen ................................................................................ 10
1.3 Blattbewegungen bei Mimosa pudica............................................................................ 11
1.4 Rankenbewegungen ...................................................................................................... 12
1.5 Reizphysiologische Grundlagen .................................................................................... 14
1.5.1 Ruhe- und Aktionspotential..................................................................................... 14
1.5.2 Erregungsweiterleitung ........................................................................................... 15
1.5.3 Unterschiede zwischen tierischer und pflanzlicher Reizphysiologie...................... 15
1.6 Aufgabenstellung des Versuchs .................................................................................... 16
2. Material und Methoden ........................................................................................................ 17
2.1 Versuch F1 - Spross- und Rankenbewegungen ......................................................... 17
2.2 Versuch F2 - Reizbewegungen bei Mimosa pudica.................................................... 18
3. Ergebnisse............................................................................................................................ 19
3.1 Versuch F1 - Spross- und Rankenbewegungen ......................................................... 19
3.2 Versuch F2 - Reizbewegungen bei Mimosa pudica.................................................... 19
4. Diskussion ............................................................................................................................ 21
4.1 Versuch F1 - Spross- und Rankenbewegungen ......................................................... 21
4.2 Versuch F2 - Reizbewegungen bei Mimosa pudica.................................................... 22
5. Zusammenfassung............................................................................................................... 23
6. Weiterführende Fragen ........................................................................................................ 24
1
Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
1. Theoretischer Hintergrund
Bewegungen sind, obwohl diese Meinung oft vertreten wird, kein Charakteristikum des
tierischen Organismus. Bewegungserscheinungen treten auch bei Pflanzen auf, sie sind
sogar oft komplizierter und vielfältiger als bei Tieren.
Im Gegensatz zu Tieren, bei denen Bewegungs- und Entwicklungserscheinungen getrennt
voneinander betrachtet werden können, ist dies bei Pflanzen nicht möglich. Viele pflanzliche
Bewegungen sind auf Wachstumsprozessen begründet.
Ein Bewegungsvorgang ist definiert als aktive sichtbare Orts- oder Lagerveränderung eines
pflanzlichen Organs oder eines ganzen Organismus in einem relativ kurzen Zeitraum.
1.1 Bewegungstypen
Es lassen sich bei Pflanzen zahlreiche Typen von Bewegungen unterscheiden: intrazelluläre
Bewegungen, freie Ortsbewegungen, Taxien und die Bewegungen vielzelliger Pflanzen
(Tropismen und Nastien).
1.1.1 Intrazelluläre Bewegungen
Unter intrazellulären Bewegungen versteht man Bewegungsvorgänge innerhalb von
Eucyten, z.B. Bewegungen des Zellkerns, durch das Cytoskelett hervorgerufene
Cytoplasmaströmungen und Chloroplastenbewegungen.
Bei den Kernbewegungen orientieren sich die Kerne nach Annahme einer amöboiden
Gestalt während des Wachstums in die wachsenden Spitzen und bei einer Verletzung in
Richtung der verletzten Gewebe.
Die Chloroplastenbewegungen sind lichtabhängige, amöboide Bewegungen der
Chloroplasten.
Abb.1: Chloroplastenstellung im Moosblättchen (links: Starklicht, rechts: Schwachlicht)
[aus: Sitte et al., Strasburger Lehrbuch der Botanik, 34. Auflage, 1997, Spektrum-Verlag]
2
Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
So ordnen sich die Chloroplasten bei schwacher Belichtung in einer Ebene an, die senkrecht
zum Lichteinfall steht, um das einfallende Licht am wirkungsvollsten zu nutzen
(Schwachlichtbewegung).
Bei starker Belichtung wandern die Chloroplasten an die parallel zum Lichteinfall liegenden
Zellwände und vermeiden so eine dauerhafte Schädigung durch zu starken Lichteinfall
(Starklichtbewegung).
1.1.2 Freie Ortsbewegungen
Unter freien Ortsbewegungen versteht man Bewegungen, bei denen der gesamte pflanzliche
Organismus „wandert“. Pflanzen, die freie Ortsbewegungen ausführen, müssen mobil, also
nicht ortsgebunden sein. Diesen Bewegungstyp findet man ausschließlich bei „niederen“
Pflanzen wie Blaualgen und eukaryotischen Einzellern, ebenso bei Fortpflanzungseinheiten
(Zoosporen und Gameten) und bei den intrazellulären Bewegungen der Zellorganellen.
Die Hauptfunktion dieser Ortveränderungen besteht darin, dass ungünstige Lebens- und
Umgebungsbedingungen aktiv zurückgelassen werden können. Die Organismen sind also
fähig, neue und für sie günstigere Standorte aufzusuchen.
1.1.3 Taxien
Unter Taxien versteht man durch einen Reiz ausgelöste Ortsveränderungen tierischer und
pflanzlicher Einzeller, Zoosporen (Keimzellen vieler Pilze), Gameten (männliche Gameten
von Moosen, Farnen und einigen Gymnospermen) und Bakterien.
Die taktische Bewegung erfolgt meist amöboid, gleitend oder mit Hilfe von Flagellen. Pround Eukaryoten unterscheiden sich sowohl in der Struktur der Geißel als auch in der
Geißelbewegung. Die Bewegung kommt allerdings bei beiden durch ein Zusammenziehen
der kontraktilen Proteine zustande.
Man unterscheidet je nach Art des Reizes unterschiedliche Taxien:
Unter Phototaxis versteht man die durch Lichteinwirkung ausgelöste Ortsveränderung vieler
autotropher Algen und einiger heterotropher Einzeller. Bei der positiven Phototaxis erfolgt
eine Bewegung zum Licht hin, während es sich bei negativer Phototaxis (zu starke
Lichtintensität) um eine Bewegung vom Licht weg handelt. Ein Beispiel für die freie
Ortsbewegung, bei der die Bewegung durch Licht ausgelöst wird, ist der Einzeller Euglena
sp.
3
Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
Unter Chemotaxien versteht man die durch chemische Reize, also bestimmte
Konzentrationen eines Stoffes, ausgelösten Ortsveränderungen. Man findet sie bei
zahlreichen auto- und heterotrophen Organismen.
Die Hautfunktion der Chemotaxis besteht im Auffinden geeigneter Nährstoffkonzentrationen.
Außerdem reagieren viele Fortpflanzungszellen (z.B. Spermatozoide der Moose, Farne und
einiger Gymnospermen) chemotaktisch. So können sie durch Orientierung in einem
stofflichen Gradienten zum Ort höherer Konzentration (positive Chemotaxis) auf direktem
Weg zur weiblichen Fortpflanzungszelle gelangen.
Es kann allerdings auch eine Orientierung zum Ort niedrigerer Konzentration stattfinden,
somit können schädliche Stoffe umgangen werden (negative Chemotaxis).
Mit Hilfe der Chemotaxis können einige Organismen auch ungünstige Lebensbedingungen
überdauern: so geschieht dies beispielsweise bei Dictyostelium sp. durch Aggregation der
Einzelzellen und durch Bildung eines Fruchtkörpers.
Bei der Chemotaxis erfolgt die Bewegung zur Reizquelle meist auf direktem Weg; das
bedeutet, der Organismus macht auf dem Weg zur Reizquelle keine Umwege, sondern er
nimmt den kürzesten Weg. Man spricht in diesem Fall von einer topischen Bewegung, sie
kommt bei allen einzelligen Eukaryoten vor.
Bei den Prokaryoten hingegen findet man keine topischen Bewegungen, sie sind nicht in der
Lage, den kürzesten Weg zur Reiz- bzw. Nährstoffquelle zu finden. Man spricht hier von
phobischen Bewegungen, da die Organismen zwischen den Bewegungen in die „richtige“
Richtung immer wieder Bewegungen in die „falsche“ Richtung ausführen.
Abb.2:
Chemotaktische Bewegungen von Einzellern
(a) Positive Chemotaxis eines Schachtelhalm- Spermatozoids (positiv phobisch)
(b) Negative Chemotaxis eines Flagellaten (negativ phobisch)
(c) Positiv chemophobische Reaktion (gradientenaufwärts)
(d) Negativ chemophobische Reaktion (gradientenabwärts)
[aus: Nultsch, Allgemeine Botanik, 10. Auflage 1996, Thieme Verlag]
Bewegungen in die „falsche“ Richtung führen zu einer Bewegungsumkehr oder zu
Taumelbewegungen. Die Prokaryoten bewegen sich also im Zickzack-Kurs: am besten ist
dieses Verhalten beim Bakterium E. coli erkennbar, das in Medien ohne deutliche
4
Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
Konzentrationsunterschiede autonom zwischen Schwimm- und Taumelverhalten wechselt.
Abbildung 2 zeigt eine schematische Darstellung der Orientierung von Einzellern in
chemischen Gradienten.
1.1.4 Bewegung vielzelliger Pflanzen
Vielzellige, festgewachsene Pflanzen können in der Regel ihren Standort nicht aktiv
verlassen und neue Lebensräume aufsuchen. Aber trotzdem sind diese Pflanzen dazu
befähigt, auf viele Reize mit einer Bewegung ihrer Organe zu reagieren (induzierte
Bewegungen). Zum Teil kommt es sogar ohne Reizeinwirkung zu verschiedenen
Bewegungen der Pflanze (autonome Bewegungen).
1.1.4.1 Autonome Bewegungen
Autonome Bewegungen sind endogener Natur und erfolgen spontan. Beispiele hierfür sind
die tagesperiodischen Bewegungen von Pflanzen und die „Suchbewegungen“ von SprossSpitzen.
Bei den autonomen Bewegungen handelt es sich meist um einer bestimmten Rhythmik
unterliegende Turgor- oder Wachstumsbewegungen. Autonome Turgorbewegungen
entstehen durch zeitlich versetzte Turgoränderungen an antagonistischen Stellen eines
Gelenks.
Man spricht von circadianer Rhythmik, wenn der zeitliche Abstand zwischen den
Bewegungen in etwa 24 Stunden beträgt. Ein Beispiel für eine Pflanze mit circadianer
Rhythmik ist die Feuerbohne Phaseolus coccineus: die Blattstiele und Blattspreiten sind
während des Tages angehoben, nachts hingegen werden sie abgesenkt. In Abbildung 3
kann man beide Blattstellungen sowie den Verlauf der circadianen Rhythmik erkennen.
Abb.3:
Blattbewegungen der Feuerbohne Phaseolus coccineus
(A) Tagstellung
(B) Nachtstellung
(C) schematisierter Verlauf der Bewegungen
(links: normale Bewegungen im 12:12- Stunden Licht-/ Dunkel- Wechsel, rechts: Bewegungen im schwachen
Dauerlicht unter Verringerung der Amplitude)
[aus: Nultsch, Allgemeine Botanik, 10. Auflage 1996, Thieme Verlag]
5
Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
Wie aus Abbildung 3 ersichtlich wird, wird die circadiane Rhythmik, also die
tagesperiodischen Schwankungen, durch die physiologische, innere Uhr gesteuert: der
Rhythmus wird auch bei schwachem Dauerlicht beibehalten, d.h., die Bewegung wird
endogen gesteuert. Die Rhythmik nimmt jedoch nach einiger Zeit etwas ab, was bedeutet,
dass für die Pflanze auch der exogene Einfluss des Licht-/ Dunkel- Wechsels von Bedeutung
ist.
Die innere Uhr ist fähig, bestimmte Zeitabläufe zu messen und die endogene Periodenlänge
mit der Tageslänge abzustimmen. Da die Ausschüttung bestimmter Hormone einer
circadianen Kontrolle unterliegt, sind manche Bewegungen nur zu bestimmten Zeitpunkten
möglich. Ein Großteil der circadianen Kontrolle findet auch auf genetischer Ebene statt, wo
die Transkription gewisser Gene von der endogenen Steuerung abhängig ist.
Ein weiterer Typ der autonomen Bewegung ist die Circumnutation. Unter Circumnutationen
versteht man kreisende Orientierungen von Sprossspitzen und anderen Organen, die in der
Regel eine Suchfunktion haben.
Diese Art der Orientierung findet man meist bei Windepflanzen, die sich „suchend“ bewegen,
um eine Stütze zu finden, die ihnen Halt gibt.
Die kreisenden Bewegungen der Circumnutationen entstehen, weil in der Wachstumszone
nicht an allen Stellen ein gleichmäßiges Wachstum stattfindet. Die Stelle mit der höchsten
Wachstumsintensität wandert kontinuierlich um die Ranke herum, es kommt also zu
kreisenden Bewegungen.
Man unterscheidet links und rechts windende Pflanzen: während sich die Linkswinder von
oben betrachtet gegen den Uhrzeigersinn winden, biegen sich die Rechtswinder im
Uhrzeigersinn (siehe auch Absatz 1.4).
1.1.4.2 Induzierte Bewegungen
Induzierte Bewegungen kommen häufiger vor als autonome, sie sind Reaktionen auf einen
äußeren Reiz. Die induzierten Bewegungen werden aufgegliedert in Tropismen und Nastien.
(a) Tropismen
Tropismen findet man im Gegensatz zur freien Ortsbewegung nur bei festgewachsenen,
ortsabhängigen Pflanzen. Aus diesem Grund handelt es sich nicht um Bewegungen der
gesamten Pflanze, sondern nur um die Orientierungen einzelner Pflanzenorgane. Die
Bewegungen stehen in Relation zur Richtung des Reizes, d.h., die Reizrichtung ist für die
Bewegung des Organs verantwortlich.
6
Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
In der Regel handelt es sich bei den Tropismen um Krümmungsbewegungen, bei denen sich
die einzelnen Krümmungen durch unterschiedlich starkes Wachstum (meist
Streckungswachstum) der einander gegenüberliegenden Organseiten entwickeln.
Bei positiven Tropismen erfolgt die Bewegung zur Reizquelle hin, bei negativen von der
Reizquelle weg.
Je nach Art des auslösenden Reizes können Photo-, Geo-, Chemo- und Haptotropismus
unterschieden werden:
Beim Phototropismus ist Licht die Reizquelle, die die Bewegungsrichtung beeinflusst. Es
handelt sich dabei meist um Wachstumsbewegungen. Sprossachsen und die Fruchtkörper
von Pilzen zeigen meist positiven Phototropismus, sie wenden sich dem Licht zu. Im
Gegensatz dazu kommt bei Wurzeln meist negativer Phototropismus vor. Zur optimalen
Lichtausnutzung stellen sich die Blätter meist senkrecht zur Lichtrichtung.
Beim Geo- oder Gravitropismus werden die Bewegungen durch den Einfluss der
Schwerkraft ausgelöst. Während das Wachstum der Hauptwurzeln positiv gravitrop ist (in
Richtung der Schwerkraft auf den Erdmittelpunkt zu), findet man bei Sprossachsen und den
Fruchtkörpern von Pilzen negativ gravitropes Wachstum (der wirkenden Schwerkraft
entgegengesetzt).
Von Chemotropismus spricht man, wenn die Bewegungen durch chemische Reize, also
bestimmte Stoffkonzentrationen, ausgelöst werden. Diese Art des Tropismus findet man
häufig im Zusammenhang mit sexuellen Vorgängen, z.B. beim Wachstum des
Pollenschlauchs zur Mikropyle (dort ist der von der Eizelle abgegebene Stoff stärker
konzentriert) und bei aufeinander zuwachsenden Pilzhyphen unterschiedlichen
„Geschlechts“.
Hapto- oder Thigmotropismus liegt vor, wenn das Krümmungswachstum einer Pflanze
durch den mechanischen Reiz einer direkten Berührung ausgelöst wird. Haptotropismen sind
meist Wachstumsbewegungen; ein Beispiel hierfür sind die Krümmungsbewegungen bei
Bryonia sp. (Berührungsreiz auf der Rankenunterseite ‡ Zellstreckung auf der
Rankenoberseite ‡ Wachstum um die Stütze herum).
(b) Nastien
Unter Nastien versteht man ebenfalls durch Reize hervorgerufene Bewegungen von
Pflanzenteilen. Die Richtung der auslösenden Reize spielt aber für den Ablauf der
Bewegungen keine Rolle, die Bewegungsrichtung ist vielmehr durch den anatomischen Bau
des reagierenden Organs vorgegeben.
Je nach Art des Reizes unterscheidet man beispielsweise Photo-, Thermo-, Chemo-, Haptound Seismonastie.
7
Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
-
Photonastie: durch Lichtreize hervorgerufene Nastie; so reagieren z.B. die Blüten
vieler Pflanzen auf verschiedene Lichtintensitäten mit photonastischen
Orientierungen (Tag- und Nachtblüher); auch die Seerose weist photonastische
Bewegungsabläufe auf (sie reagiert auf unterschiedliche Lichtintensitäten mit dem
Öffnen bzw. Schließen ihrer Blütenblätter).
-
Thermonastie: Temperaturveränderung als auslösender Reiz für die Bewegung;
einige Blüten und Blütenstände sind zu temperaturabhängiger Bewegung befähigt:
so können sie sich bei Erhöhung der Temperatur öffnen und bei Absinken der
Temperatur wieder schließen (z.B. Bellis perennis); beim Öffnen bzw. Schließen der
Blüten handelt es sich um Wachstumsbewegungen (verstärktes Wachstum der
Blüteninnen- bzw. Blütenaußenseite).
-
Chemonastie: durch chemische Reize hervorgerufene Nastie (Beispiel Sonnentau:
nach dem Fang eines Tieres kommt es v.a. durch lösliche N-Verbindungen, die vom
gefangenen Tier ausgehen, zur chemischen Reizung, die eine Einkrümmung der
Randtentakel bewirkt).
-
Hapto- oder Thigmonastie: Ursache für die Bewegung ist hier der mechanische
Reiz einer Berührung. Berührt man beispielsweise eine Ranke an einer bestimmten
Stelle, so erfolgt eine Einkrümmungsbewegung.
-
Seismonastie: durch Erschütterungen ausgelöste Nastien, die die schnellsten
Bewegungsabläufe im Pflanzenreich darstellen; sie kommen unter Anderem bei
Mimosa pudica vor, die auf eine Erschütterung mit einer Bewegung ihrer
Blattgelenke reagiert, was zum Heben oder Senken der Blätter führt.
Nastien sind meist Turgorbewegungen, zum Teil sind aber auch Wachstumsbewegungen
beteiligt (z.B. Wachstumsbewegung der Blütenblätter bei der Photo- und Thermonastie).
1.2 Bewegungsmechanismen
Bei den tierischen Organismen sind Bewegungen aktive, energieverbrauchende
Lebensvorgänge. Dies ist auch bei einem Teil der pflanzlichen Bewegungen der Fall.
Andere pflanzliche Bewegungen, wie die Turgor- und Schleuderbewegungen, gründen auf
osmotischen Vorgängen und Gewebespannungen (plasmatische Aktivitäten).
Es kommen auch Bewegungsvorgänge vor, die auf rein physikalischen Prozessen beruhen
und bei denen die Struktur der pflanzlichen Zellwand eine Rolle spielt, so z.B. Quellungsund Kohäsionsmechanismen. In diesem Fall können auch noch Bewegungen stattfinden,
wenn der plasmatische Inhalt der Zelle bereits abgestorben ist.
8
Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
1.2.1 Turgorbewegungen
Eine Veränderung des Turgors bewirkt Turgor- oder Variationsbewegungen. Diese
Turgoränderungen sind vom osmotischen Potential abhängig. In Abhängigkeit von der
Osmolarität kommt es zu einer Aufnahme bzw. Abgabe von Wasser und somit zu einer Zubzw. Abnahme des Turgors.
In gegenüberliegenden Flanken treten meist antagonistische Turgorveränderungen auf, so
dass es durch Verlängerung der einen und durch Verkürzung der anderen Seite zu einer
Bewegung bzw. Krümmung des Organs kommt.
Wie in Absatz 1.1.4.2 bereits erwähnt, findet man Turgoränderungen meist im
Zusammenhang mit Nastien. Als Beispiele hierfür können Spaltöffnungsbewegungen,
Krümmungsbewegungen von Staubblättern und Narben einiger Blüten sowie die
Blattbewegung bei Mimosa pudica (siehe Absatz 1.3) genannt werden.
Die Grundlage für den Mechanismus der Turgorregulation stellt ein aktiver Protonentransport
aus der Zelle dar, der durch eine ATPase ermöglicht wird. Durch die Protonenabgabe wird
die Innenseite des Plasmalemmas negativ; dies führt zu einem Einstrom von K+-Ionen.
Der Protonenausstrom würde eine Alkalisierung des Cytoplasmas bewirken; dies wird
allerdings durch die Überführung von PEP in Oxalacetat, das anschließend zu Malat
reduziert wird, verhindert.
Die Aufnahme von Malat und K+ in die Zellsaftvakuole fördert die Wasseraufnahme und
somit den Turgoranstieg. Gleichermaßen kann eine Turgorabnahme durch einen K+Ausstrom und einen gleichzeitigen Wasserausstrom erreicht werden.
Die Bewegung entsteht also durch die Druckdifferenzen an gegenüberliegenden Geweben;
dies soll am Beispiel von Mimosa pudica in Absatz 1.3 näher erläutert werden.
1.2.2 Wachstumsbewegungen
Im Gegensatz zu Turgorbewegungen führen Wachstumsbewegungen zu längerfristigen
Veränderungen der Organe. Diese Veränderungen basieren auf einem unterschiedlichen
Wachstum zweier gegenüberliegender Flanken eines Organs ( = Nutationsbewegungen). Für
diese unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten ist die Ungleichverteilung von
Wachstumshormonen wie Gibberelin und Auxin verantwortlich.
Als Beispiel hierfür kann eine sich krümmende Ranke genannt werden: an der
Rankenaußenseite findet eine Wachstumsbeschleunigung statt, während es an der
Innenseite zu einer Verminderung des Wachstums kommt.
9
Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
1.2.3 Schleuderbewegungen
Ursachen für Schleuderbewegungen sind entweder der plötzliche Ausgleich von
Gewebespannungen
(z.B. bei den Früchten von Impatiens) oder der Anstieg der
Turgorspannung. Die Turgorspannung steigt so lange an, bis bestimmte Bereiche der
Zellwände bzw. Gewebe dem zunehmenden Druck nicht mehr standhalten können; dies
bewirkt einen explosionsartigen Druckausgleich (z.B. beim Ausschleudern der Ascosporen
aus den Asci bei den Ascomycetes).
1.2.4 Kohäsionsbewegungen
Kohäsionsbewegungen kommen in lebenden Pflanzenzellen mit großen Vakuolen oder in
Pflanzengewebe mit toten, wassergefüllten Zellen vor.
Das bekannteste Beispiel für Kohäsionsbewegungen ist der Öffnungsmechanismus von
Farnsporangien: die Anuluszellen, deren Zellwände sind mit Ausnahme der Außenwände
verdickt sind, sind nach Absterben des Cytoplasmas zunächst ganz mit Wasser gefüllt. Das
Wasser verdunstet durch die dünnen Außenwände; diese werden durch die Kohäsionskräfte
des Wassers nach innen gezogen, wodurch eine Gewebespannung entsteht, die ein
Aufreißen des Sporangiums am Stomium bewirkt. Dabei wird der Anulus gestreckt, bis die
Kohäsion des Wassers zusammenbricht und sich die Außenwände vom Wasser abheben
und in der Zelle ein Gasraum entsteht. Bei Zurückklappen des gestreckten Anulus in die
Ausgangslage werden die anhaftenden Sporen ausgeschleudert.
1.2.5 Hygroskopische Bewegungen
Die hygroskopische Bewegung setzt sich aus Quellungs- und Entquellungsbewegungen
zusammen.
In der lebenden Zelle liegen die Zellwände meist im gequollenen Zustand vor, stirbt der
plasmatische Inhalt jedoch ab, so trocknen die Zellwände aus. Sie können aber, wenn sie
erneut Wasser aufnehmen, wieder in den gequollenen Zustand übergehen. Aus diesem
Grund sind die Quellungs- und Entquellungsprozesse reversibel und beliebig oft
wiederholbar.
Die genauen Bewegungsabläufe sollen am Beispiel eines Peristomzahns (Abb.4) genauer
erläutert werden: während die Mikrofibrillen der äußeren Schicht (a) quer zur Längsachse
des Peristomzahns verlaufen, liegen die der inneren Schicht (i) senkrecht zur Längsachse.
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Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
Abb.4:
Hygroskopische Bewegung eines Peristomzahns [aus: Sitte et al., Strasburger Lehrbuch der Botanik, 34. Auflage,
1997, Spektrum-Verlag]
Beim Austrocknen nimmt die innere Lamelle nur in ihrer Dicke, nicht aber in ihrer Länge ab.
Die äußere Lamelle hingegen nimmt in ihrer Länge ab, was zu einer Krümmung des
Peristomzahns führt.
1.3 Blattbewegungen bei Mimosa pudica
Die Blattbewegungen bei der Mimose stellen Nastien dar, die durch seismische, thigmische,
chemische, thermische oder traumatische Reize hervorgerufen werden.
Die Mimose weist an der Basis des primären Blattstiels, der sekundären Blattfiedern und der
Fiederblättchen Gelenke auf, die entsprechend ihrer Lage als Primär- (p), Sekundär- (s)
und Tertiärgelenk bezeichnet werden.
Wie man in Abbildung 5 erkennen kann, sind in diesen Gelenken Leitbündel in einem
zentralen Strang (l) miteinander verbunden, damit die Bewegung nicht behindert wird. Das
den zentralen Leitbündelstrang (l), das Kollenchym (ko) und die Bastscheide (ba)
umgebende Gewebe wird als Bewegungsgewebe bezeichnet; es enthält große,
dünnwandige Parenchymzellen, die motorischen Zellen. Diese Zellen sind für die
Turgoränderungen, die schließlich zu einer Turgorbewegung führen, von großer Wichtigkeit.
Bei Reizung einer Mimose oder in der Nachtstellung klappen die Fiederblättchen paarweise
nach oben zusammen, die sekundären Pflanzenstiele nähern sich einander durch Absenken
an und der Primärstiel klappt nach unten.
11
Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
Abb.5:
(A) Sprossteil von Mimosa pudica
links: zwei Blätter im ungereizten Zustand
rechts: Blatt nach erfolgter seismonastischer Reaktion im Zustand des Kollaps
(B) schematischer Bau eines Primärgelenkes
[aus: Nultsch, Allgemeine Botanik, 10. Auflage 1996, Thieme Verlag]
Die Ursache für das Absenken der Primärblattstiele und der sekundären Pflanzenstiele ist
eine Turgorabnahme in den motorischen Zellen auf der Gelenkunterseite. Durch die
Abnahme des Turgors nimmt auch die Gewebespannung auf der Gelenkunterseite ab; so
kann sich das Gewebe auf der Gelenkoberseite ausdehnen, wodurch die Blattstiele nach
unten gedrückt werden.
In den Tertiärgelenken kommt es zu einer Abnahme des Turgors in den Zellen an der
Gelenkoberseite: dadurch werden die Fiederblättchen nach oben angehoben.
Wenn keine weitere Reizung der Pflanze erfolgt, gehen die Blätter innerhalb von 10 bis 20
Minuten wieder in die Ausgangslage zurück.
1.4 Rankenbewegungen
Als Ranken bezeichnet man die Organe windender und kletternder Pflanzen, deren
Hauptfunktion aus dem Festhalten an anderen Pflanzen oder sonstigen Stützen besteht.
Zu Beginn ihres Wachstums führen die Ranken Circumnutationen, also kreisende
Suchbewegungen, aus.
Bei thigmischer Reizung der Ranke erfolgt eine Krümmungsbewegung (haptotropische
Wachstumsreaktion), es kann sich dabei sowohl um eine Thigmonastie (anatomischer Bau
der Pflanze ist entscheidend) als auch um einen Thigmotropismus (Reizrichtung ist
entscheidend) handeln.
12
Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
Die haptotropische Wachstumsreaktion kann nur durch Reibung, nicht aber durch Druck
ausgelöst werden, da die Pflanze nur auf zeitliche und örtliche Druckdifferenzen, nicht aber
auf Druck an sich reagiert.
Der thigmische Reiz wird meist mit Hilfe der sog. Fühltüpfel aufgenommen. Es handelt sich
dabei um Zellwandaussparungen, über die das Cytoplasma direkten Kontakt mit der
Umgebung aufnehmen kann.
Abb.6:
(A) Rankenbewegungen bei Bryonia dioica (Circumnutation, haptotropische Wachstumsreaktion, autonome
Alterseinrollung)
(B) Struktur eines Fühltüpfels
[aus: Sitte et al., Strasburger Lehrbuch der Botanik, 34. Auflage, 1997, Spektrum-Verlag]
Der Krümmungsmechanismus bei der Ranke setzt sich aus einer Turgor- und einer
Wachstumskomponente zusammen. Bei Berührung der Ranke auf der Unterseite nimmt an
dieser konkav werdenden Stelle der Turgor ab, an der Oberseite der Ranke hingegen nimmt
er zu. Auf Grund des geringer werdenden Gegendrucks können sich die Zellen der konvexen
Seite ausdehnen. Außerdem kommt es zu einer Erhöhung der Auxinkonzentration, die die
Dehnbarkeit der Wand zusätzlich verstärkt und die dazu beiträgt, dass die Zellen an der
Oberseite schneller wachsen; durch diese Mechanismen entsteht die typische
Krümmungsbewegung.
Nach dem Umwickeln der Stütze erfolgt auch an den anderen Rankenteilen ein verstärktes
Wachstum der Zellen an der Oberseite. Dadurch kommt es zu einer spiraligen Aufrollung der
Ranke, es bildet sich eine elastische Feder, deren Funktion es ist, die Pflanze näher an die
Stütze zu ziehen.
Man findet sowohl links- als auch rechtsgängige Windungen, damit sich bei Einrollen keine
Torsionsspannungen ausbilden.
Im Alter erfolgt eine weitere Reaktion: wenn die Ranke keinen Halt durch eine Stütze findet,
kommt es zur autonomen Alterseinrollung.
13
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Bewegungsphysiologie
1.5 Reizphysiologische Grundlagen
1.5.1 Ruhe- und Aktionspotential
Ebenso wie die tierische, so besitzt auch die ungereizte pflanzliche Zelle ein negatives
Ruhepotential, das zwischen –90 und –200 mV liegt. Ursache dieses im Vergleich zur
Tierzelle sehr hohen Potentials ist der Überschuss an Cl- (im Vergleich zu K+) in der Zelle.
Sowohl Cl- als auch K+ gelangen durch aktiven Transport über Ionenpumpen ins Cytoplasma,
auf Grund des Konzentrationsgradienten diffundieren sie allerdings wieder nach außen.
Dabei ist der K+ -Ausstrom größer als der Cl- -Ausstrom.
Wird bei einer elektrischen Reizung der Pflanzenzelle deren Reizschwelle überschritten, so
erfolgt nach einer kurzen Latenzzeit eine sprunghafte Veränderung der Ionenpermeabilität
des Plasmalemmas. Zu Beginn kommt es zu einem starken Anstieg der Permeabilität für Cl-,
was einen ebenso starken Cl- -Ausstrom bewirkt. Durch diesen Ausstrom wird die Membran
depolarisiert, was bedeutet, dass die Innenseite des Plasmalemmas weniger negativ oder
sogar positiv wird. Die Maximalwerte des pflanzlichen Aktionspotentials liegen meist weit
unter denen der tierischen.
Abb.7:
Verlauf eines pflanzlichen Aktionspotentials und Änderung der Permeabilitäten für Cl- und K+
[aus: Sitte et al., Strasburger Lehrbuch der Botanik, 34. Auflage, 1997, Spektrum-Verlag]
Im Anschluss an den Cl- -Ausstrom erfolgt, zeitlich verzögert, ein Ausstrom von K+. Durch
diesen Ausstrom wird die Zelle repolarisiert, d.h., der negative Wert des Ruhepotentials wird
wieder hergestellt. Der ursprüngliche Zustand wird mit Hilfe von Ionenpumpen erreicht.
14
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Bewegungsphysiologie
1.5.2 Erregungsweiterleitung
Die Erregungsfortleitung kann auf elektrischem und chemischem Weg stattfinden.
Bei der elektrischen Erregungsleitung findet eine wellenförmige Ausbreitung der Erregung
über die ganze Zelle statt, diese Erregung springt im Anschluss auf benachbarte Zellen über.
Sowohl Phloem als auch Protoxylem dienen als Leitungsbahnen für die Erregung.
Bei der chemischen Erregungsleitung erfolgt die Weiterleitung der Erregung mit Hilfe von
Erregungssubstanzen. Es kommt dabei durch die gereizte Zelle zur Ausschüttung der
Erregungssubstanzen, die auch als Turgorine bezeichnet werden, da sie dazu befähigt sind,
den Turgor zu beeinflussen; diese werden im Anschluss über das Phloem und das
Parenchym zu den Bewegungsgeweben transportiert, wo sie die Turgorveränderungen
bestimmter motorischer Zellen bewirken.
Die elektrische Erregungsfortleitung ist in der Regel schneller als die chemische. Bei Mimosa
pudica beträgt sie ca. 2,5 cm/s, bei der Venusfliegenfalle sogar ca. 20 cm/s. Allerdings
können nur bei der chemischen Fortleitung Gelenke und tote Gewebe passiert werden. Aus
diesem Grund wirken beide Arten der Fortleitung zusammen, was bedeutet, dass an
Hindernissen, die mit Hilfe der elektrischen Erregungsleitung nicht überwunden werden
können, die chemische Erregungsleitung in Kraft tritt.
1.5.3 Unterschiede zwischen tierischer und pflanzlicher Reizphysiologie
Pflanzliche und tierische Aktionspotentiale besitzen zwar denselben Reaktionsmechanismus,
es gibt aber trotzdem zahlreiche Unterschiede zwischen Tieren und Pflanzen, was Erregung
und Erregungsfortleitung betrifft.
-
Maximalgeschwindigkeiten:
Die Maximalkgeschwindigkeiten, die bei der Erregungsfortleitung in Pflanzen erreicht
werden, stellen in tierischen Geweben gerade die Untergrenze dar. In den tierischen
Nervenzellen werden Aktionspotentiale entlang eines Axons in einer Richtung und
auf elektrischem Weg weitergeleitet. Mit Hilfe von Neurotransmittern (chemische
Übertragung) oder Ionenströmen an gap junctions (elektrische Übertragung) werden
sie von einer Nervenzelle auf die nächste übertragen.
Durch die saltatorische Erregungsleitung an myelinisierten Axonen werden in
tierischen Geweben Geschwindigkeiten von bis zu 120 m/s erreicht, während sich bei
Pflanzen nur Leitungsgeschwindigkeiten von max. 20 cm/s ergeben, da sie kein Axon
besitzen und die AP- Ausbreitung wellenförmig über die gesamte Zelle erfolgt.
15
Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
-
Unterschiede auf der Ebene des Aktionspotentials:
Pflanzliche Aktionspotentiale dauern in etwa 1000mal länger als tierische. Aus
diesem Grund ist auch der Umfang des Pflanzenaktionspotentials größer als der des
tierischen, da das Ruhepotential der Pflanzen deutlich negativer als das der Tiere ist.
Ein weiterer Unterschied zwischen pflanzlichen und tierischen Aktionspotentialen liegt
in der Art ihrer Entstehung. Bei tierischen Zellen bewirkt die Depolarisation einer
bestimmten Membranstelle einen erhöhten Na+-Einstrom, der schließlich zur
Umpolung führt, bei pflanzlichen Zellen hingegen kommt es bei einer Depolarisation
des Plasmalemmas zu einem verstärkten Cl- -Ausstrom, der zur Positivierung oder
Umpolung führt.
1.6 Aufgabenstellung des Versuchs
Im ersten Versuchsteil geht es um Spross- und Rankenbewegungen: es werden die
Circumnutationen einer Bohnenpflanze ohne und mit Bestrahlung beobachtet. Außerdem
werden die Rankenbewegungen von Cyclanthera explodens und Passiflora sp. untersucht,
um herauszufinden, ob es sich dabei um Tropismen oder Nastien handelt.
Im zweiten Versuchsteil wird ausschließlich auf die nastischen Bewegungen von Mimosa
pudica eingegangen: man beobachtet zunächst die Reaktionen auf unterschiedliche Reize,
um im Anschluss daran die physiologischen Parameter Reizleitungsgeschwindigkeit
(zwischen den Gelenken), Refraktärzeit (im Primärgelenk) und die Reizschwelle (zur
Auslösung einer Reaktion im Primärgelenk) zu ermitteln.
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Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
2. Material und Methoden
2.1 Versuch F1 - Spross- und Rankenbewegungen
1. Versuchsteil: Sprossbewegungen der Bohnenpflanze
Im ersten Versuchsteil untersucht man die Sprossbewegungen zweier Bohnenpflanzen, die
sich in einem Raum ohne Fenster befinden. Eine der beiden Pflanzen steht direkt unter einer
Lampe, das heißt, sie ist einem diffusen Lichteinfall ausgesetzt. Die zweite Pflanze befindet
sich etwas abseits von der ersten, sie wird somit nur von der Seite von dem Licht
angestrahlt.
Abb.8:
Versuchsanordnung zur Bestimmung der Bewegungsweise der Sprossachse einer Bohnenpflanze
[aus: Skript Grundpraktikum Pflanzenphysiologie und Molekulare Botanik, SS 2003]
Die Bohnenpflanzen werden unter waagrechten Glasplatten aufgestellt, die an zwei
Stativstangen befestigt sind. Um die Bewegungen der Sprossspitze untersuchen zu können,
dürfen sich Glasplatte und Sprossende nicht berühren. In einem Zeitraum von 75 Minuten
wird alle 10 Minuten die Position der Sprossspitze auf der Glasplatte markiert. Um zu
verhindern, dass das Sprossende schräg angepeilt wird und so Markierungsfehler zu
vermeiden, wird die Sprossspitze mit Hilfe einer kleinen Glasröhre von oben anvisiert.
2. Versuchsteil: Einfache Versuche zu Rankenbewegungen
In diesem Versuchsteil beobachtet man die Krümmungsreaktionen der Ranken von
Passiflora
sp. und Cyclanthera
explodens. Die Pflanzen werden dabei durch
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Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
Entlangstreichen mit einem rauhen Holzstab bzw. einem Glasstab von der Basis bis zur
Spitze an verschiedenen Stellen gereizt.
Es soll untersucht werden, wie und wie schnell die Ranken reagieren, ob sie auch mit dem
glatten Glasstab reizbar sind und ob sie sowohl an der Ober- als auch an der Unterseite
reizbar sind.
2.2 Versuch F2 - Reizbewegungen bei Mimosa pudica
1. Versuchsteil: Qualitative Reizantwort
In diesem Versuchsteil werden an Hand mehrerer Mimosen deren Reaktionen auf
unterschiedliche Reize getestet. Die Reaktionen der Pflanzen auf verschiedene Reize sollen
beobachtet und beschrieben werden. Es wird mit folgenden Reizen gearbeitet:
-
Schüttelreiz
-
Berührungsreiz
-
Wundreiz (Abschneiden eines Fiederblättchens)
-
Hitzereiz (kurzes Anbrennen eines vorderen Fiederblättchens)
-
Chemischer Reiz (Pflanze wird zusammen mit einem Schälchen Diethylether unter
eine Glasglocke gestellt; nach zwei Stunden wird untersucht, ob Ether narkotisierend
wirkt und die Pflanze auf Berührung reagiert)
2. Versuchsteil: Bestimmung der Reizleitungsgeschwindigkeit
Durch Abschneiden eines Fiederblättchens am Ende einer der mittleren sekundären
Blattstiele wird ein Reiz ausgelöst. Dabei wird einerseits der Zeitraum des Reaktionsbeginns
bis zur Reaktion des Sekundärgelenks und andererseits der Zeitraum von der Reaktion des
Sekundärgelenks bis zur Reaktion des Primärgelenks mit einer Stoppuhr gemessen. Zur
Berechnung der Reizleitungsgeschwindigkeit in beiden Abschnitten misst man nach erfolgter
Reaktion mit einem Lineal jeweils die Strecken vom Reizort zum Sekundärgelenk und vom
Sekundär- zum Primärgelenk ab.
3. Versuchsteil: Bestimmung der Refraktärzeit bei Schüttel- und Hitzereiz
Vor Beginn dieses Versuches wird bei zwei Mimosenpflanzen jeweils der Stand eines
Sekundärgelenks an einem sich im Topf der Pflanzen befindlichen Holzstab markiert. Im
Anschluss daran werden beide Pflanzen gereizt: eine durch Schütteln, die andere durch
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Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
Hitze (Ansengen eines Fiederblättchens). Nach der Reizung wird die Zeit (in Minuten)
gemessen, bis sich das Primärgelenk wieder vollständig aufgerichtet, also seine vollständige
Turgeszenz wiedererlangt hat.
3. Ergebnisse
3.1 Versuch F1 - Spross- und Rankenbewegungen
1. Versuchsteil: Sprossbewegungen der Bohnenpflanze
Die Sprossspitze der Bohne, die direkt unter dem Licht stand, hat sich während der Stunde,
in der sie beobachtet wurde, um ca. 2,5 cm geradeaus bewegt.
Die Sprossspitze der Bohne, die im Schatten stand, bewegte sich nur zum Anfang 5mm
senkrecht zum Lichteinfall, dann nicht mehr.
2. Versuchsteil: Einfache Versuche zu Rankenbewegungen
Reizen mit einem Holzstab:
Beide Pflanzen krümmten nach dem Reizen der Ranken an der Unterseite die gereizte
Ranke ein, wobei die Cyclanthera schneller reagierte als die Passiflora. Auf die Reizung der
Rankenoberseite reagierten beide Pflanzen nicht.
Reizen mit einem Glasstab:
Bei diesem Versuch reagierte die Cyclanthera nur mit einer kaum wahrnehmbaren
Rankenkrümmung auf eine Reizung ihrer Ranken an der Unterseite, die Passiflora reagierte
auf den Reiz überhaupt nicht.
3.2 Versuch F2 - Reizbewegungen bei Mimosa pudica
1. Versuchsteil: Qualitative Reizantwort
Bei der durch Hitze gereizten Mimose klappten erst die Fiederblättchen paarweise von der
gereizten Stelle an nach oben, dies geschah entlang der Fieder bis zum Sekundärgelenk.
Als die Blättchen am Sekundärgelenk zusammengeklappt waren, klappten die Blättchen der
benachbarten Fieder paarweise zusammen, diesmal entgegengesetzt bis zur Fiederspitze.
Dann reagierten die Blättchen der dritten und der vierten Fieder, zeitlich etwas versetzt,
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Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
genauso. Als alle Fiederblättchen zusammengefaltet waren, klappte das Sekundärgelenk
nach unten und kurz darauf auch das Primärgelenk. Der Reiz setzte sich dann (über die
Stengel) über die gesamte Pflanze fort, bis alle Blätter abgeknickt und zusammengefaltet
waren.
Die durch Schütteln (Seismischer Reiz) gereizte Pflanze reagierte wenig, hier klappte nur
das Primärgelenk etwas nach unten und die Fiederblättchen schlossen sich sehr langsam.
Die durch Berührung mit einem Holzstab gereizten Pflanzen reagierten sehr unterschiedlich.
Besonders gut reagierten die Pflanzen auf eine Berührung zwischen den Fiederblättchen
(Zusammenklappen der Fiederblättchen, paarweise von der Fiederspitze bis zum Grund)
und auf Streichen über den Blattstiel (Abknicken des Primärgelenks); beim Reizen der
Sekundärgelenke konnte kaum eine Rektion festgestellt werden.
Wurde am Ende der Fieder die Spitze eines Blättchens abgeschnitten, reagierte die Pflanze
wie die mit Hitze gereizte Pflanze, nur viel langsamer.
Die in der mit Diethylether gesättigten Luft stehende Pflanze reagierte auch auf heftigen
Schüttelreiz gar nicht mehr.
Insgesamt reagierten die Pflanzen alle sehr unterschiedlich, die einen waren sehr sensibel
und reagierten schon auf leichte Berührungen, andere reagierten auch auf heftige Reize
kaum.
2. Versuchsteil: Bestimmung der Reizleitungsgeschwindigkeit
Die Ergebnisse des Versuchs wurden in die folgende Tabelle eingetragen:
Tab.1: Geschwindigkeiten der Reizweiterleitung
Blatt Nr.
1
2
3
Tertiär- zu Sekundärgelenk
Sekundär- zu Primärgelenk
Geschwindigkeit
Geschwindigkeit
Zeit [s] Strecke [m]
Zeit [s] Strecke [m]
[m/s]
[m/s]
20
0,08
0,004
26
6
0,23
30
0,07
0,0023
46
5
0,11
34
0,07
0,00206
40
6
0,15
Man kann erkennen, dass die Reizweiterleitung zwischen den Fiederblättchen wesentlich
langsamer ist als vom Sekundär- zum Primärgelenk.
3. Versuchsteil: Bestimmung der Refraktärzeit bei Schüttel- und Hitzereiz
Die Mimose, die geschüttelt wurde, brauchte ca. 35min., um ihre Blätter wieder in die
Ausgangsposition zu bringen. Die mit Hitze gereizte Mimose brauchte dafür ein wenig
kürzer, ca. 25min.
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Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
4. Diskussion
4.1 Versuch F1 - Spross- und Rankenbewegungen
1. Versuchsteil: Sprossbewegungen der Bohnenpflanze
Leider hat dieser Versuch bei uns nicht so funktioniert, wie wir es erwartet hätten.
Normalerweise führen jungen Bohnen, wenn sie direkt von oben mit Licht bestrahlt werden,
innerhalb ca. 1 Stunde eine etwa kreisrunde Suchbewegung (∅ ca.5cm) aus. Findet der
Spross keine Stütze, windet er sich so lange weiter, bis er einen Halt gefunden hat.
Auch die im Schatten stehende Bohne hätte eine ovale Suchbewegung durchführen sollen
(mit der langen Seite des Ovals in Richtung Lichteinfall). Möglicherweise waren beide
Pflanzen schon zu alt und haben keine ausgeprägte Bewegung mehr durchgeführt. Vielleicht
hätten wir die Pflanzen auch noch über einen längeren Zeitpunkt beobachten sollen, da unter
Umständen die Zeit vor dem Versuch nicht ausreichte, damit sich die Pflanzen an die neuen
Licht- und Umgebungsverhältnisse im Versuchsraum anpassen konnten.
2. Versuchsteil: Einfache Versuche zu Rankenbewegungen
Da die Cyclanthera wesentlich mehr Fühltüpfel auf ihren Rankenspitzen hat als die
Passiflora, kann sie Reize schneller und effektiver wahrnehmen. Da beide Pflanzen ihre
Ranken nach unten krümmen, handelt es sich um Thigmonastien; die Ranken sind
morphologisch nur befähigt sich in eine Richtung - nach unten – zu krümmen.
Theoretisch hätte die Cyclanthera auf die Berührung mit dem Glasstab genauso stark
reagieren müssen wie auf die Berührung mit dem Holzstab, denn da die Cyclanthera- Ranke
rauh ist, haftet sie an dem Glasstab, ihre Fühltüpfel können den Druckunterschied
wahrnehmen und die Pflanze reagieren. Die Cyclanthera empfindet durch ihre rauhe
Rankenoberfläche jede Berührung als Reiz.
Die Ranken der Passiflora hingegen sind ganz glatt, sie bleiben an dem Glasstab nicht
haften und können die Berührung nicht „erkennen“.
Dass die Passiflora so extrem langsam reagiert hat, könnte auch an einem Wassermangel
liegen, denn wenn der Turgor zu niedrig ist, kann es auch kaum Turgorbewegungen wie die
Nastien geben.
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Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
4.2 Versuch F2 - Reizbewegungen bei Mimosa pudica
1. Versuchsteil: Qualitative Reizantwort
Das Erhitzen oder Abschneiden der Fiederspitze nimmt die Mimose als Wundreiz wahr, der
über die vielen Fiedergelenke chemisch bis zu den Sekundärgelenken weitergeleitet wird.
Hier wird der Reiz auf die andern Fiedern eines Blattes übertragen, die sich daraufhin
zusammenklappen, die Sekundärgelenke ziehen die einzelnen Fiedern enger aneinander
und das Primärgelenk klappt das ganze Blatt nach unten. Der Reiz wird über die gesamte
Pflanze weitergeleitet, bis schließlich alle Blätter zusammengefaltet und abgeknickt sind, die
Pflanze hat dann die kleinstmögliche Oberfläche.
Warum gerade auf den Hitzereiz eine schnellere Reaktion gezeigt wird als auf die anderen
Reize, ist uns nicht bekannt. Eigentlich hat die Pflanze keinen für uns erkennbaren Grund,
sich vor Feuer schneller zurückzuziehen als vor anderen Reizen, da die Chance, dass die
Pflanze einen Brand übersteht, nur weil sie eine kleinere Oberfläche hat, nicht sehr groß
erscheint.
Das die durch Schütteln gereizte Pflanze sehr langsam reagiert hat, könnte auch an einer
Gewöhnung der Pflanze an einen seismischen Reiz liegen. So kann man zum Beispiel auch
beobachten, dass sich Mimosen an einen ständigen Luftstrom adaptieren und nicht mehr mit
einem Zusammenklappen reagieren. Vielleicht hatte sich auch die Mimose, die wir
geschüttelt haben, an eine ständige Bewegung gewöhnt und reagierte deshalb nicht mehr so
intensiv, wie wir es erwartet hätten.
Das sich die Pflanzen an den Tertiärgelenken so gut reizen ließen, liegt vermutlich daran,
dass hier die meisten Fühltüpfel befinden und die Pflanze hier die besten Möglichkeiten hat,
Druckunterschiede als Reiz wahrzunehmen.
Die mit Diethylether behandelte Pflanze konnte nicht mehr auf die Reize reagieren, da sich
der Diethylether in die Zellmembranen einlagert und dort die Ionenkanäle blockiert. Diese
Bindung ist allerdings reversibel, da der Ether nicht mit den Substanzen der Zellmembran
reagiert und langsam wieder aus der Zelle verdampft. Ist aller Ether verdampft, sind die
Ionenkanäle wieder nutzbar und die Pflanze wieder für Reize sensibel.
Die unterschiedlichen Reaktionen verschiedener Pflanzen auf gleiche Reize lassen sich mit
der Individualität der Pflanzen erklären. Jede Pflanze reagiert nach ihren physiologischen
Besonderheiten anders, vielleicht hatte die eine andere Pflanze mehr Wasser, die andere
dafür mehr Licht; hierbei spielen sehr viele Faktoren eine Rolle, die hier nicht alle
berücksichtigt werden können.
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Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
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2. Versuchsteil: Bestimmung der Reizleitungsgeschwindigkeit
Auch hier sieht man wieder individuelle Unterschiede zwischen den Pflanzen, man kann
jedoch erkennen, dass die Reizweiterleitung zwischen Sekundär- und Primärgelenk
wesentlich schneller ist als zwischen Tertiär- und Sekundärgelenk. Dies liegt daran, dass die
Weiterleitung zwischen den Fiederblättchen über sehr viele Gelenke läuft, und in den
Gelenken wird der Reiz chemisch übertragen. Die chemische Reizweiterleitung ist viel
langsamer als die elektrische Reizweiterleitung, die zwischen dem Sekundär- und dem
Primärgelenk stattfindet, weshalb das Primärgelenk schon sehr bald nach einem Reiz im
Sekundärgelenk abknickt.
Auf jeden Fall sieht man auch, dass die Reizleitung in Pflanzen auf jeden Fall langsamer ist
als bei Tieren, bei denen sie 1-25m/s erreichen kann.
3. Versuchsteil: Bestimmung der Refraktärzeit bei Schüttel- und Hitzereiz
Die Refraktärzeiten der Pflanzen liegen mit 25min bzw. 35min voll in dem von uns erwarteten
Bereich. Da es sich bei den Reaktionen um nastische Bewegungen handelt, bei denen die
Art des Reizes und die Reizrichtung keine Rolle spielen, war zu erwarten, dass beide
Pflanzen ähnlich lange brauchen, bis ihre Gelenke wieder die volle Turgeszenz erreicht
haben.
5. Zusammenfassung
In den Versuchen haben wir die Reaktion von Cyclanthera-, Passiflora- und MimosaPflanzen auf bestimmte Reize untersucht. So konnten wir erkennen, dass es sich bei den
Ranken-Krümmungsbewegungen der beiden erstgenannten Pflanzen um Thigmonastien
handelt. Auch konnten wir sehr gut die Reizweiterleitung in den Mimosen verfolgen, ihre
Reizweiterleitungs-Geschwindigkeit messen und die Refraktärzeit bestimmen. Mit den
Versuchen konnten wir viele Dinge, die wir mit der Theorie gelernt hatten, an den Pflanzen
beobachten und nachvollziehen und hierbei auch die individuellen Unterschiede zwischen
den Pflanzen gut beobachten.
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Bewegungsphysiologie
6. Weiterführende Fragen
‡ siehe dazu auch 1.Theoretische Einführung
(1) Nennen Sie einige weitere Beispiele für die aufgeführten Bewegungstypen.
‡ siehe Absatz 1.1.3 (Taxien), 1.1.4.2 (a) (Tropismen) und 1.1.4.2 (b) (Nastien)
(2) Erklären Sie folgende Begriffe:
Ruhepotential: Unter dem Ruhepotential einer Zelle versteht man das Potential, das in
ihrem Ruhezustand aufgrund verschiedener Ionenkonzentrationen im extra- und
intrazellulären
Raum
entsteht.
Die
Ionen
strömen
entsprechend
ihrem
Konzentrationsgradienten entweder in den Zellinnenraum oder in das umgebende Milieu;
dabei wird die Membran polarisiert. Bei diesem Vorgang ist auch die Permeabilität der
Membran für die jeweiligen Ionen von Bedeutung. Der Ionenstrom erfolgt solange, bis
sich zwischen dem entstandenen Potential, das einen weiteren Ionenstrom verhindert
und dem Bestreben der Ionen, die unterschiedlichen Konzentrationen auszugleichen, ein
Gleichgewicht eingestellt hat.
Aktionspotential: Man spricht von einem Aktionspotential, wenn es auf Grund einer
Depolarisation der Membran durch sich ändernde Permeabilitäten der Ionenkanäle zu
einer kurzzeitigen Positivierung oder sogar Umpolung der Membraninnenseite kommt;
die Aktionspotentiale werden an benachbarte Zellen auf elektrischem oder chemischem
Weg weitergegeben und dienen der Informationsleitung. Nach jedem Aktionspotential
stellt sich mit Hilfe der Ionenpumpen wieder das Ruhepotential ein.
Refraktärzeit: Hierbei unterscheidet man die absolute und die relative Refraktärzeit.
Unter absoluter Refraktärzeit versteht man den Zeitraum im Anschluss an die
Repolarisationsphase, in dem Membran nicht mehr erregbar ist. Im Anschluss an die
absolute erfolgt die relative Refraktärzeit, die den Zeitraum meint, in dem die Membran
nur durch einen stärkeren Reiz und eine damit verbundene Aktivierung von mehr
spannungsgesteuerten Ionenkanälen wieder erregbar ist. Ursache für die Refraktärzeiten
sind die vier Zustände der spannungsgesteuerten Ionenkanäle (offen-aktivierbar, offeninaktiv, geschlossen-inaktiv und geschlossen-aktivierbar). In der absoluten Refraktärzeit
befinden sich die Kanäle im geschlossen-inaktiven Zustand, sie sind nicht empfindlich für
weitere Spannungsänderungen. In der relativen Refraktärzeit hingegen befinden sich
manche Kanäle bereits wieder im geschlossen-aktivierbaren Zustand, so dass eine
stärkere Reizung stattfinden muss, damit ein (meist) schwächeres Aktionspotential
ausgelöst werden kann.
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Pflanzenphysiologisches Grundpraktikum
Bewegungsphysiologie
Refraktärstadium: Man spricht vom Refraktärstadium, wenn man den Zustand meint, in
dem sich die Membran während der Refraktärzeit befindet.
Reizschwelle: Unter der Reizschwelle versteht man eine zellabhängige Spannung, bei
deren Überschreitung ein Aktionspotential entsteht. Im Ruhezustand ist die Reizschwelle
konstant, während der relativen Refraktärzeit liegt sie deutlich höher als im Ruhezustand.
(3) Erklären Sie die Unterschiede im Aktionspotential bei Tieren und Pflanzen
‡
siehe Absatz 1.5.3 (Unterschiede zwischen tierischer und pflanzlicher
Reizphysiologie)
Literaturverzeichnis
-
Campbell: Biologie, 2. korrigierter Nachdruck 2000, Spektrum Verlag
-
Nultsch: Allgemeine Botanik, 10. Auflage, 1996, Thieme Verlag
-
Schopfer / Brennicke: Pflanzenphysiologie, 5. Auflage, 1999, Springer-Verlag
-
Mohr / Schopfer: Lehrbuch der Pflanzenphysiologie, 3. Auflage, 1978, Springer-Verlag
-
Scherf: Wörterbuch Biologie, 1.Auflage, 1997, dtv
-
Sitte / Ziegler / Ehrendorfer / Bresinsky, Strasburger Lehrbuch der Botanik, 34.
Auflage, 1997, Spektrum-Verlag
-
Skript zum Grundpraktikum Pflanzenphysiologie und molekulare Botanik, SS 2003
-
Alte Protokolle
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