Sina Lohmann • Klimaschwankungen und deren Einfluss auf das Solarenergieangebot FVS • Workshop 2006 Klimaschwankungen und deren Einfluss auf das Solarenergieangebot Einleitung S. Lohmann Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR [email protected] Abbildung 1 Wechselwirkung der einfallenden Solarstrahlung mit der Atmosphäre 84 Das Klima der Erde ist kein starres System, sondern vielmehr das Ergebnis eines Zusammenspiels vielfältiger Einflüsse, die zu Variationen der Temperatur, des Niederschlags oder der Sonnenscheindauer führen. So wechselten sich in der Erdgeschichte Warmperioden mit Eiszeiten ab, hervorgerufen durch Veränderungen von Umlaufbahn und Rotationsachse der Erde oder der Bewegung der tektonischen Platten der Erdkruste. Der Zeitraum solcher Schwankungen reicht von mehreren tausend bis mehreren Millionen Jahren. Sehr viel schnellere Veränderungen des Klimas wurden seit Beginn der Industrialisierung vor rund 100 Jahren gemessen. Markantestes Beispiel ist der Anstieg der mittleren Temperatur, der so genannte Treibhauseffekt. Er wird durch die Freisetzung bestimmter Gase wie Kohlendioxid oder Methan hervorgerufen, die dazu führen, dass weniger Energie von der Erde abgestrahlt wird, als ihr von der Sonne zugeführt wird. Beide Phänomene, Eiszeiten und Treibhauseffekt, wirken sich auch auf das Solarstrahlungsangebot aus. Eiszeiten sind jedoch für die Solarenergieproduktion heute nicht von Interesse. Der Treibhauseffekt könnte hingegen schon Auswirkungen auf die Höhe des Anteils der Solarstrahlung haben, der die Erdoberfläche erreicht. Allerdings sind diese bisher nicht eindeutig nachgewiesen. Klimamodelle belegen eindrucksvoll, wohin ein unverändert anhaltender Anstieg der Treibhausgaskonzentration führen kann. Diese Berechnungen sind jedoch Szenarien, die von bestimmten Annahmen beispielsweise über den weiteren Ausstoß der Treibhausgase ausgehen. Sie dürfen nicht als Vorhersagen darüber verstanden werden, wie sich das Klima tatsächlich entwickeln wird. Des Weiteren stand das Solarstrahlungsangebot bisher noch nicht im Mittelpunkt des Modellierungsinteresses. Bei der Betrachtung der zurückliegenden Klimaentwicklung stimmen die aus den Modellläufen erhaltenen Werte der Solarstrahlung meist nicht mit Messungen überein. Grund hierfür ist der Mangel an Daten vor allem über die Aerosolkonzentration, die wechselnde Datengrundlagen über Jahrzehnte hinweg, sowie Schwächen in den Strahlungseigenschaften von Wolken in den Modellen selbst. So werden zwar die Mittelwerte der Solarstrahlung oft zufrieden stellend wiedergegeben, die zeitliche Entwicklung jedoch nicht. Dieser Beitrag beschäftigt sich daher nicht mit der Auswertung der Szenarien von Klimamodellen. Vielmehr soll untersucht werden, wie groß die Auswirkungen von Veränderungen der Bewölkung oder des Aerosolgehaltes in der Vergangenheit auf das Solarstrahlungsangebot waren. Sie können als exemplarische Untersuchungen dafür dienen, welche Zu- oder Abnahmen des Solarenergieangebotes zu erwarten sind, sollten in Zukunft entsprechende Veränderungen in der Atmosphäre auftreten, unabhängig vom Mechanismus, durch die sie ausgelöst werden. Sina Lohmann • Klimaschwankungen und deren Einfluss auf das Solarenergieangebot FVS • Workshop 2006 Abbildung 2 a) Photovoltaikanlage ROMA Solar, Plochingen (Quelle: Walter Grotkasten) b) Parabolspiegel eines solarthermischen Kraftwerks (Quelle: SKAL-ET) Hintergrund Die von der Sonne einfallende Strahlung ist auf ihrem Weg durch die Atmosphäre, abhängig von ihrer Wellenlänge, unterschiedlichen Wechselwirkungen unterworfen (Abb. 1). Wird sie absorbiert, bedeutet dies eine Verringerung der einfallenden Energie, da das betroffene Photon zur elektronischen Anregung eines Moleküls führt und nicht mehr abgegeben wird. Eine Streuung hingegen beinhaltet lediglich einen Richtungswechsel der einfallenden Strahlung, die Energie bleibt aber erhalten. Drei Komponenten der Atmosphäre spielen bei der Untersuchung des Solarenergieangebotes eine entscheidende Rolle: die Moleküle der Luft, Schwebeteilchen in der Atmosphäre, das so genannte Aerosol und Wolken. Luftmoleküle streuen das einfallende Sonnenlicht und sorgen so für die Blaufärbung des Himmels. Sie absorbieren außerdem Strahlung charakteristischer Wellenlängen und tragen beispielsweise zum Schutz der Erdoberfläche vor ultravioletter Strahlung bei. Aerosolpartikel haben sehr unterschiedliche Eigenschaften. Abhängig von ihrer Zusammensetzung aus Staub, Ruß, Meersalz, Schwefelsäure oder sonstigen Schwebstoffen absorbieren oder streuen sie Strahlung in unterschiedlichem Maß. Wolken dagegen absorbieren im kurzwelligen Spektralbereich, der für die Nutzung in Form von Solarenergie entscheidend ist, nur sehr wenig. Sie streuen praktisch die gesamte einfallende Solarstrahlung. Ein Teil der an der Oberkante der Atmosphäre auftreffenden Strahlung passiert die Atmosphäre trotz der vielfältigen Wechselwirkungsmöglichkeiten ohne Interaktion mit dieser und trifft aus Richtung der Sonnenscheibe auf die Erdoberfläche. Dieser Anteil wird als Direktstrahlung bezeichnet, oder, bei senkrechtem Auftreffen auf die betrachtete Fläche, als Direktnormalstrahlung. Gestreute Strahlung hingegen trifft diffus aus allen Richtungen auf die Erdoberfläche und wird daher als Diffusstrahlung bezeichnet. Die Summe aus Direkt- und Diffusstrahlung ergibt die Globalstrahlung. Fest installierte Photovoltaikanlagen nutzen Globalstrahlung zu Stromerzeugung (Abb. 2a). Mehr und mehr Photovoltaik-Systeme werden entlang einer oder mehrerer Achsen der Sonne nachgeführt, um einen maximalen Ertrag zu erzielen. Sie produzieren somit Strom aus der Diffusstrahlung und der Direktnormalstrahlung. Solarthermische Anlagen konzentrieren dagegen die einfallende Direktnormalstrahlung auf einen Absorber (Abb. 2b). Sie benötigen daher direkte Sonneneinstrahlung und sind nur in Regionen mit hoher Sonnenscheindauer wirtschaftlich zu betreiben. Doch obwohl 0,5 GW installierte Leistung gegenüber 4 GW installierter Photovoltaikanlagen nur ein Neuntel der gesamten installierten Solarenergienutzung entspricht, stellen solarthermische Kraftwerke aufgrund der höheren Effektivität etwa ein Viertel des weltweiten produzierten Solarstromes bereit (Daten der International Energy Agency für 2005). Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich daher schwerpunktmäßig mit der Direktnormalstrahlung. Einflüsse auf das Solarenergieangebot Bei der Abschätzung des Solarenergieangebotes über längere Zeiträume taucht häufig die Frage nach der Variabilität der Sonne selbst auf. Sie ist keine Klimaschwankung im eigentlichen Sinne, da sie den Betrag der Energie betrifft, der die 85 Sina Lohmann • Klimaschwankungen und deren Einfluss auf das Solarenergieangebot FVS • Workshop 2006 Erde von der Sonne erreicht, unabhängig vom Zustand der Atmosphäre. Dieser wiederum steht im Zusammenhang mit dem Sonnenfleckenzyklus, einer periodischen Variabilität des Magnetfeldes der Sonne, die in einem etwa 11-jährigen Rhythmus zu verstärkter Aktivität der Sonne und dem gehäuften Auftreten der Sonnenflecken führt. Die Auswirkungen auf den Betrag der Energie, der die Erde von der Sonne erreicht, sind jedoch minimal und liegen lediglich im Promillebereich. Der Sonnenfleckenzyklus ist daher für die weiteren Betrachtungen vernachlässigbar. El Niño-Phänomens vorgenommen werden. El Niño bezeichnet das Auftreten überdurchschnittlich hoher Meerestemperaturen vor der Pazifikküste Südamerikas. Es ist Teil einer gekoppelten Ozean- und Atmosphärenströmung, in deren Verlauf mit etwa 7-jährigem Zyklus verstärkt warmes Oberflächenwasser von Westen nach Osten über den Pazifik fließt und so die höheren Wassertemperaturen vor der Küste Südamerikas verursacht. Dort treten in der Folge verstärkte Regenfälle auf, die zu Erdrutschen oder Überflutungen führen können. Doch auch wenn diese Naturkatastrophen die meiste Beachtung in den Medien erfahren, sind die Auswirkungen von El Niño nicht auf Südamerika beschränkt. Sie umfassen vielmehr den gesamten pazifischen Raum und darüber hinaus den Indischen Ozean mit angrenzenden Landmassen. Die verursachten Wetteranomalien reichen von sintflutartigen Regenfällen in Nordamerika und China bis zu Dürren in Brasilien, Neu-Guinea und Südafrika (Abb. 3). Für die Solarenergienutzung relevante Klimaschwankungen haben natürliche oder anthropogene Ursachen, die sich direkt oder indirekt auf das Verhältnis an wechselwirkenden Anteilen der Atmosphäre auswirken. Die Freisetzung von Treibhausgasen beispielsweise hat nur geringen Einfluss auf Absorption und Streuung der Gesamtatmosphäre. Die Zunahme ihrer Konzentration führt jedoch zu einem Anstieg der Durchschnittstemperatur und damit zu mehr Verdunstung und Wolkenbildung. Die Veränderung der Bewölkungssituation hängt dabei stark von lokalen Gegebenheiten ab. Entsprechend des vermehrten Zustroms von warmem Oberflächenwasser in den Ost-Pazifik tritt auch der umgekehrte Fall auf und durch das Zusammenspiel von Luft- und Meeresströmungen ergeben sich ungewöhnlich niedrige Meerestemperaturen vor Südamerika. Diese Strömungslagen werden als La Niña bezeichnet. Ihre Auswirkungen sind annähernd komplementär zu den in Abb. 3 gezeigten Effekten von El Niño. Bisher existieren noch keine globalen Datensätze, anhand derer die Untersuchung der Auswirkungen des Treibhauseffektes auf die Bewölkung über mehrere Jahrzehnte möglich ist. Die Untersuchung von über- oder unterdurchschnittlichen Bedeckungsgraden kann aber anhand einer genaueren Betrachtung des Abbildung 3 Schematische Darstellung der Wetteranomalien, die durch von El Niño verursacht werden (Quelle: http:// iri.columbia.edu/ climate/ENSO) 70N 60N 50N WARM 40N WARM WARM 30N DRY WET & COOL 20N 10N WET DRY 0 WET & WARM 10S DRY & WARM 20S WET & WARM WARM DRY 30S 40S WARM 50S 60S 86 0 60E 120E 180 120W 60W Sina Lohmann • Klimaschwankungen und deren Einfluss auf das Solarenergieangebot FVS • Workshop 2006 80 % 80 70 60 50 40 40 30 20 Abbildung 4 Abweichungen der Direktnormalstrahlung vom 21-JahresMittel aus DLR-ISISDaten für die Monate Dezember/Januar/ Februar während eines El Niño 10 0 0 -10 -20 -30 -40 -40 -50 -60 -70 -80 60 120 180 Zur Untersuchung des Einflusses von El Niño bzw. La Niña auf das Solarenergieangebot wurden Zeitreihen des DLR-ISIS-Datensatzes ausgewertet (ISIS steht für „Irradiance at the Surface derived from ISCCP cloud data“; ISCCP bedeutet „International Satellite Cloud Climatology Project“, ein Projekt der NASA, in dem global seit mittlerweile über 20 Jahren Satellitendaten gesammelt und ausgewertet werden). Er umfasst 3-stündige Werte der Direktnormalund Globalstrahlung für die gesamte Erde über einen Zeitraum von 21 Jahren (1984-2004), die anhand von Strahlungstransportrechnungen aus den Wolkendaten des ISCCP abgeleitet wurden. Mehrere El Niño-Perioden liegen innerhalb des von DLR-ISIS erfassten Intervalls. Dies ermöglicht es, das Solarstrahlungsangebot während eines El Niño Jahres mit dem eines durchschnittlichen Jahres zu vergleichen. Als Datenbasis wurden die Mittelwerte der Monate Dezember, Januar und Februar verwendet, da der Einfluss von El Niño in dieser Zeit am stärksten ausgeprägt ist. Die Differenz zwischen der Direktnormalstrahlung dieser Monate während eines El NiñoJahres im Vergleich zum durchschnittlichen -120 -80 -80 Wert über 21 Jahre zeigt Strukturen, die die beobachteten Wetteranomalien während eines El Niño widerspiegeln (Abb. 4). Gebiete, für die während eines El Niño verminderter Niederschlag verzeichnet wird, erhalten ein erhöhtes Angebot an Solarstrahlung. Gebiete mit überdurchschnittlich viel Niederschlag und dementsprechend mehr Bewölkung verzeichnen eine unterdurchschnittliche Einstrahlung. Der Schwerpunkt der Anomalie liegt wie erwartet über dem Pazifik. Aber auch in entfernteren Regionen von Nordamerika bis Südafrika werden deutliche Abweichungen der Direktnormalstrahlung vom Mittelwert registriert. In Mexiko beispielsweise erreichen während einer El Niño-Lage in den Monaten Dezember/ Januar/Februar im Mittel 17 % weniger Direktnormalstrahlung die Erde als in einem durchschnittlichen Jahr (Globalstrahlung -2 %). Während einer La Niña-Situation zeigten sich in der Vergangenheit dagegen Strahlungswerte von 9 % über dem Durchschnitt (Globalstrahlung +3 %). In Südafrika sind die Auswirkungen der vorherrschenden Strömungslage dagegen genau entgegen gesetzt. Dort erreichen während einer El Niño-Lage 12 % mehr 87 Sina Lohmann • Klimaschwankungen und deren Einfluss auf das Solarenergieangebot FVS • Workshop 2006 3 Standardized Departure Abbildung 5 Zeitreihe des multivariaten ENSO-Index (El-Niño-SüdlicheOszillation-Index), der ein Maß für das Auftreten von El Niño bzw. La Niña ist. Positive Werte bedeuten eine El Niño-, negative Werte eine La Niña-Situation. Je höher die Amplitude des Ausschlags ist, desto stärker ist die jeweilige Strömungslage ausgeprägt (Quelle: NOAA-CIRES Climate Diagnostics Center). Multivariate Enso Index 2 1 0 -1 -2 NOAA–CIRES Climate Diagnostics Center (CDC), University of Colorado at Boulder 1950 1955 1960 1965 1970 1975 Direktnormalstrahlung die Erdoberfläche als im Durchschnitt. Liegt eine La Niña-Strömungslage vor, ergeben sich aus den DLR-ISIS-Daten 13 % weniger Direktnormalstrahlung als in einem durchschnittlichen Jahr (Globalstrahlung: El Niño: +4 %, La Niña -8 %). Die beschriebenen Anomalien des Solarstrahlungsangebotes werden durch Veränderungen der Bewölkungssituation hervorgerufen. Vor allem in der Direktnormalstrahlung existiert eine starke Kopplung zwischen Bewölkung und der Höhe des Energiebetrages, der die Erde von der Sonne erreicht. Über längere Zeiträume ist zu erwarten, dass sich über- und unterdurchschnittliche Einstrahlungswerte während El Niño bzw. La Niña kompensieren. Seit den 70er Jahren wird jedoch eine Tendenz zu häufigeren und stärker ausgeprägten El Niño-Strömungssituationen beobachtet (Abb. 5). Sollte diese anhalten, so ist in den betroffenen Regionen mit einer dauerhaften Veränderung des mittleren Solarenergieangebotes zu rechnen. 88 Eine weitere Beeinflussung des Klimas tritt etwa alle 20 bis 30 Jahre in Form von hochreichenden Vulkanausbrüchen auf. Die letzten Ereignisse dieser Größenordnung waren der Ausbruch des El Chichon (Mexiko) im Jahre 1982 und der Ausbruch des Pinatubo (Philippinen) 1991. Diese gewaltigen Eruptionen schleuderten Material bis in über 20 km Höhe. In der Troposphäre, unterhalb einer Grenze von etwa 7– 15 km, wird das vulkanische Aerosol durch Niederschlag meist sehr schnell wieder ausgewaschen oder sinkt aufgrund der Schwerkraft zu Boden. In der darüber liegenden Stratosphäre jedoch bilden sich weder Wolken noch Niederschlag, 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 so dass dieser Reinigungsmechanismus der Atmosphäre entfällt. Aerosol aus einem Vulkanausbruch, das die Stratosphäre erreicht, hat daher eine sehr lange Lebensdauer von 2 – 4 Jahren, bevor es aufgrund der Gravitation langsam wieder in tiefere Atmosphärenschichten sinkt. Während dieser Zeit verteilt es sich rund um den gesamten Globus und beeinflusst das Solarenergieangebot auf globalem Maßstab (Abb. 6). Der Ausbruch des Pinatubo fällt in den vom DLR-ISIS-Datensatz abgedeckten Zeitraum. Analysen der Daten belegen einen Rückgang der Direktnormalstrahlung um bis zu 25 % im globalen Mittel (Abb. 7), lokal erreichen die Abnahmen der Direktnormalstrahlung auch deutlich höhere Werte. Erst zwei Jahre nach dem Ausbruch des Vulkans kehrte die Direktnormalstrahlung auf das Niveau von vor dem Ausbruch zurück. Die Globalstrahlung ist durch den Ausbruch des Pinatubo sehr viel weniger beeinträchtigt worden, da das vulkanische Aerosol, das hauptsächlich aus Schwefelsäuretröpfchen besteht, die einfallende Solarstrahlung vor allem streut. Es bewirkte damit eine Verlagerung der Energie aus der direkten in die diffuse Komponente. Da die Globalstrahlung die Summe aus beiden Strahlungsanteilen ist, wurde die Abnahme der Direktstrahlung durch die Zunahme der Diffusstrahlung größtenteils kompensiert. Daher zeigte die Globalstrahlung nach dem Ausbruch des Pinatubo über zwei Jahre hinweg anhaltend geringe Werte, ihr Betrag sank jedoch nicht unterhalb des Niveaus der mittleren Variabilität von Jahr zu Jahr. Sina Lohmann • Klimaschwankungen und deren Einfluss auf das Solarenergieangebot FVS • Workshop 2006 Vulkanausbrüche stellen ein Extremereignis dar, das im Laufe der Zeit nur relativ selten auftritt. Sie sind jedoch wie El Niño ein Hinweis darauf, dass die Erde stets als Gesamtsystem betrachtet werden muss. So schützt geographische Entfernung zu einem Vulkan nicht unbedingt vor einer Beeinflussung des Solarenergieangebotes nach einer Eruption. Gleichzeitig zeigt die dargestellte Betrachtung, dass sich das Solarenergieangebot innerhalb weniger Monate stark ändern kann. Für den Fall eines Vulkanausbruchs ist eine solche Verminderung der Einstrahlung praktisch nicht vorhersagbar. Erst als sich Berichte über Abnahmen in der Globalstrahlung häuften, wurde das „global dimming“ als Tatsache akzeptiert. Die Bezeichnung „global“ bezieht sich dabei auf die Global-Strahlung und nicht auf die räumliche Ausdehnung des Effekts, eine Tatsache, die häufig nicht beachtet wird. Als Ursache gilt heute die zunehmende Verschmutzung der Luft durch Aerosol im Zuge der Industrialisierung. Die freigesetzten Aerosolpartikel dienten gleichzeitig als Kondensationskeime für Wolkentröpfchen und führten damit zu häufigerer und langlebigerer Bewölkung. Beide Effekte zusammen bewirkten die beobachtete Abnahme der Globalstrahlung. Es steht zu vermuten, dass die Direktnormalstrahlung noch wesentlich stärker betroffen war, allerdings liegen getrennte Untersuchungen aufgrund des Mangels an geeigneten Messungen nicht vor. haltung aus den 80er Jahren sowie den Niedergang der osteuropäischen Wirtschaft im Zuge des politischen Umbruchs zurückgeführt. Beides führte zu einem Rückgang der Aerosolkonzentration. Neueste Studien weisen darauf hin, dass Aerosolkonzentration und Treibhauseffekt indirekt zusammen hängen. Die vermehrte Verdunstung und Wolkenbildung bei erhöhten Temperaturen führt auch zu mehr Niederschlag und damit verstärkter Auswaschung von Aerosol aus der Atmosphäre. Die verdunkelnde Wirkung des Aerosols nimmt dadurch entsprechend ab. Gleichzeitig wurde der Treibhauseffekt vermutlich durch die verminderte Einstrahlung in der Zeit des „global dimming“ gebremst. Ist dies der Fall, so könnte der Treibhauseffekt viel stärker sein als bisher angenommen. Heutige Klimamodelle berücksichtigen den Effekt des „global dimming“ nicht, sondern versuchen, den Anstieg der Temperatur anhand der Konzentration von Pinatubo 10 5 0 -5 -10 -15 -20 Seit den 90er Jahren wird eine langsame Erholung der Globalstrahlung beobachtet. Diese wird auf das Greifen von Gesetzen zur Luftrein- -25 -30 1985 1990 1995 Abbildung 6 Aerosol aus dem Ausbruch des Pinatubo 1991 vom Space Shuttle aus beobachtet (Quelle: NASA) Abbildung 7 Abweichung des globalen Mittelwertes der Direktnormalstrahlung aus DLR-ISIS nach dem Ausbruch des Pinatubo im Juni 1991 als Abweichung vom 21-Jahres-Mittelwert 15 Anomalie DNI % Meist treten Aerosolpartikel in geringeren Konzentrationen auf und auch Veränderungen derselben finden in sehr viel niedrigeren Raten statt. Ein prominentes Beispiel soll hier kurz vorgestellt werden. Ende der 90er Jahre wurde der Begriff „global dimming“ (von engl. „to dim“ = verdunkeln) geprägt. Er bezeichnet eine Abnahme der Globalstrahlung, die zwischen 1960 und 1990 an zahlreichen Messstationen beobachtet wurde. Über den Zeitraum von 30 Jahren wurden Rückgänge von durchschnittlich 2 % pro Dekade ermittelt, die jedoch zunächst auf Fehler in den Daten oder Instrumentendrift zurückgeführt wurden. 2000 89 FVS • Workshop 2006 Sina Lohmann • Klimaschwankungen und deren Einfluss auf das Solarenergieangebot Treibhausgasen zu erklären. Sie gehen damit möglicherweise von der trügerischen Annahme aus, dass das Klima relativ robust gegenüber dem Treibhauseffekt ist. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie schwierig es ist, einzelne Effekte isoliert vom Gesamtsystem zu untersuchen. Durch Rückkopplungen und Wechselwirkungen können sich die Auswirkungen verschiedener Ursachen kompensieren. Dies erschwert eine realitätsnahe Modellierung des zukünftigen Klimas erheblich. Abschätzung der Auswirkung auf die Direktnormalstrahlung anhand typischer Werte für die Dicke von Wolken in derselben Höhe reicht von Abnahmen weit unter einem Prozent bis zu Rückgängen von mehreren Prozent. Über die Ausbreitung von Schleierwolken, die sich aus den linienförmigen Kondensstreifen gebildet haben, liegen derzeit noch keine abschließenden Untersuchungen vor. Als gesichert gilt jedoch, dass der Flugverkehr sowohl in der Frequenz als auch in der räumlichen Ausdehnung zunehmen wird. Ein wachsender Einfluss der Kondensstreifen auf die zur Verfügung stehende Energie von der Sonne ist damit sehr wahrscheinlich. Die kontinuierliche Beobachtung der Erde und Messung der Solarstrahlung ist daher von entscheidender Bedeutung. Zusammenfassung Abbildung 8 Kondensstreifen in unterschiedlichen Stadien der Verbreiterung (Foto: Louis Nguyen) 90 Ähnliche Effekte wie beim „global dimming“ spielen auch im letzten Beispiel dieses Beitrages eine Rolle. Hinter Flugzeugen in großer Höhe bilden sich häufig Kondensstreifen, die als weiße Wolkenbänder am Himmel beobachtet werden können. Die zugrunde liegenden Vorgänge beinhalten wiederum die Wirkung von Aerosol im Abgasstrahl der Triebwerke als Kondensationskeime für Wolken. Je nach den herrschenden Bedingungen in der Umgebung der Kondensstreifen bleiben diese bestehen oder lösen sich in kurzer Zeit wieder auf. Im ersten Fall verbreitern sie sich meist und werden schließlich so diffus, dass sie von natürlich entstandenen Schleierwolken nicht mehr zu unterscheiden sind (Abb. 8). Untersuchungen haben ergeben, dass allein die linienförmigen Kondensstreifen über Europa etwa 1 % der Himmelsfläche bedecken. Eine Die aufgeführten Beispiele verdeutlichen, welchen Einfluss Veränderungen in der Atmosphäre auf das Solarenergieangebot haben. Natürliche Klimaschwankungen, beispielsweise durch El Niño, treten periodisch auf und modulieren lediglich das mittlere Strahlungsangebot. Anthropogen verursachte Klimaveränderungen äußern sich dagegen meist als langfristige Trends. Die Effekte können so schleichend sein, dass erst die Analyse mehrerer Jahrzehnte an Daten die Veränderungen offenbart. Dabei sind sowohl natürliche als auch anthropogen verursachte Variabilitäten des Solarenergieangebotes meist großräumige Effekte. Lokale Messungen zeigen nur einen kleinen Ausschnitt des Geschehens und erst die Betrachtung von räumlich ausgedehnten Datengrundlagen wie Satellitenbeobachtungen eröffnet die Möglichkeit, das System als ganzes zu erfassen. Rückkopplungen zwischen einzelnen Effekten können dabei das Erkennen und Verstehen der Gesamtentwicklung des Klimas erheblich erschweren und machen somit auch die Rekonstruktion der Vergangenheit ebenso wie die Vorhersage zukünftiger Entwicklungen deutlich anspruchsvoller. Unbestritten ist jedoch, dass der Einfluss des Menschen im Klima und damit dem zur Verfügung stehenden Solarenergieangebot bereits Spuren hinterlassen hat. Sina Lohmann • Klimaschwankungen und deren Einfluss auf das Solarenergieangebot Welche Effekte überwiegen werden und in welche Richtung sich das Solarenergieangebot langfristig entwickeln wird, kann jedoch nur die Zukunft zeigen. [8] FVS • Workshop 2006 Wild, M., H. Gilgen, A. Roesch, A. Ohmura, C. Long, E. Dutton, B. Forgan, A. Kallis, V. Russak und A. Tsvetkov (2005): From Dimming to Brightening: Decadal changes in solar radiation at Earth’s surface. Science, 308, 847-850. Literatur [1] Gilgen, H., M. Wild und A. Ohmura (1998): Means and trends of shortwave irradiance at the surface estimated from Global Energy Balance Archive Data. J. Climate, 11, 2043-2061. [2] Lohmann, S., L. Riihimaki, F. Vignola und R. Meyer (2007): Trends in direct normal irradiance in Oregon: Comparison of surface-based measurements and ISCCP derived irradiance. Geophys. Res. Lett., L02705, doi: 10.1029/2006GL023722. [3] Lohmann, S., C. Schillings, B. Mayer und R. Meyer (2006): Long-term variability of solar direct and global radiation derived from ISCCP data and comparison with reanalysis data. Solar Energy, 80, 13901401. [4] Mannstein, H. und U. Schumann (2005): Aircraft induced contrail cirrus over Europe. Meteorol. Zeitschrift, 14, No. 4, 549-554. [5] Mayer, B. und A. Kylling (2005). The libRadtran software package for radiative transfer calculations: Description and examples of use. Atmos.Chem.Phys. Discuss., 5, 1855-1877. [6] Meyer, R. , H. Mannstein, R. Meerkötter, U. Schumann und P. Wendling (2002): Regional radiative forcing by line-shaped contrails derived from satellite data. J. Geophys. Res., 107, D10, doi: 10.1029/2001JD000426. [7] Rossow, W.B. und R. Schiffer (1999): Advances in understanding clouds from ISCCP. Bull. Am. Met. Soc., 80, 22612287. 91