Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

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zugehörigkeit beschämt, entwürdigt oder
diskriminiert werden.
Wirtschaftliche Folgen
n BERUFSLEBEN
Sexuelle Belästigung
am Arbeitsplatz
Grabschen, Sprüche kloppen, Druck ausüben – regelmäßige Belästigung von Kollegen am Arbeitsplatz kann ein
Kündigungsgrund sein. | Janna Lena Degener
E
in blöder Kommentar zur Figur
der Kollegin, ein anzüglicher Klaps
auf den Hintern beim Betriebsausflug oder auch ein Porno-Kalender
auf der Büro-Toilette ... Was für manche
nur einen Spaß zur Auflockerung des
Arbeitsalltags darstellt, nutzt der andere
gezielt, um seine Macht zur Schau zu
stellen oder Kollegen zu verärgern. Und
was von der einen als willkommenes
Kompliment wahrgenommen wird, empfindet der andere als Angriff, Drohgebärde, Diskriminierung oder Demütigung.
Als sexuelle Belästigung wird laut Gesetz
„jedes sexuell bestimmte Verhalten“ bezeichnet, „das von den Betroffenen nicht
erwünscht und von ihnen als beleidigend
und abwertend empfunden wird“.
IV
Sexuelle Belästigung taucht in allen
Berufen und Branchen der Privatwirtschaft sowie im öffentlichen Dienst auf.
In Deutschland jahrzehntelang als ein
Kavaliersdelikt behandelt, wird sie in vielen Betrieben auch heute noch tabuisiert
oder als eine Privatangelegenheit der
Betroffenen abgetan. So berichten etwa
Betroffene vielfach von negativen Reaktionen, wenn sie sich an den Arbeitgeber
oder die Arbeitgeberin wenden, weshalb
sie die sexuelle Belästigung oft aus Angst
vor Verleumdung oder Arbeitsplatzverlust verharmlosen oder verschweigen
(BmfSFJ). Dabei leiden nicht nur die
Betroffenen selbst, sondern auch das
Unternehmen, wenn Mitarbeiter am
Arbeitsplatz aufgrund ihrer Geschlechts-
Bei den Opfern selbst führen regelmäßige Belästigungen nicht selten zu Schamgefühlen, Angstzuständen, Schlafstörungen, Alpträumen, Essstörungen bis hin
zur Arbeitsunfähigkeit (siehe Quellen/
Links: ArbeitsRatgeber). Aber nicht nur
sie, sondern auch Zeugen oder Mitwissende werden durch solche Erlebnisse
demotiviert oder verunsichert, so dass sie
unter Umständen schlechter arbeiten
und nicht nur krankheitsbedingt häufiger
fehlen. So kann sexuelle Belästigung am
Arbeitsplatz das Betriebsklima vergiften,
was unter Umständen die Produktivität
des Unternehmens senkt, dem Ruf des
Arbeitgebers schadet und wirtschaftliche
Schäden verursacht. Außerdem kommt
es im Zusammenhang mit sexueller Belästigung oft zu Kündigungen und Entlassungen, was durch den damit verbundenen Personalwechsel für den Arbeitgeber
mit Kosten und Know-how-Verlust verbunden ist (EU-Gesetzgebung/Unia).
Opfer und Täter
Sexuelle Belästigung richtet sich meist
gegen Frauen. Laut einer Umfrage des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend haben 22 Prozent aller befragten Frauen Situationen
sexueller Belästigung in Arbeit, Schule
oder Ausbildung seit dem 16. Lebensjahr
mindestens ein Mal erlebt – überwiegend durch Männer. Frauen sind demnach „überdurchschnittlich häufig von
sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen, wenn sie keine berufliche Qualifikation oder Ausbildung aufweisen, sich
noch in der Probezeit befinden oder erst
kurze Zeit im Betrieb sind“. Tatsächlich sei
in den meisten Fällen ein großes Machtgefälle zwischen Tätern und Opfern zu
beobachten, besonders oft würden Abhängigkeitsverhältnisse
ausgenutzt
(BmfSFJ). Aber nicht nur von ihren Vorge-
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setzen, sondern auch von gleichrangigen
Kollegen werden Frauen sexuell belästigt
(EU-Gesetzgebung).
Obwohl dies in der deutschen Wissenschaft und Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird, sind aber auch Männer
von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz
betroffen: „Das Thema sexueller Belästigungen von Männern durch Frauen ist
weitestgehend unbekannt. Dabei gibt es
diese Fälle, und ein betroffener Mann hat
es unter Umständen schwerer als eine
Frau, sich dagegen zur Wehr zu setzen,
weil er sich im Moment des Öffentlichmachens noch häufiger einer skeptischen
Umwelt gegenüber sieht“, berichtet der
Rechtswissenschaftler Gunter Pirntke.
Für den einen eine spaßige Abwechlung im
Arbeitsalltag...
Quelle: Janna Lena Degener
In der Schweiz, wo sexuelle Belästigung
die zweithäufigste Diskriminierungsform
nach der Lohnungleichheit darstellt, erleben zehn Prozent aller Männer im Laufe
ihres Erwerbsleben Situationen, in denen
sie sich sexuell belästigt fühlen, und sogar 48,6 Prozent der Männer berichten
von „erlebten Verhaltensweisen in ihrem
Erwerbsleben“, die „potentiell sexuell
belästigend sein könnten“, von ihnen
persönlich aber nicht als störend empfunden wurden (Unia). Neben geschiedenen oder getrennt lebenden Frauen,
beruflichen Neueinsteigerinnen, Frauen
in ungesicherten Arbeitsverhältnissen,
behinderten Frauen und ethnischen Minderheiten angehörenden Frauen gelten
laut der EU-Gesetzgebung zur Verhütung
der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz
Homosexuelle und junge Männer als „besonders schutzbedürftig“.
Was das Gesetz sagt
Seit Inkrafttreten des „Gesetzes zum
Schutze der Beschäftigen vor sexueller
Belästigung am Arbeitsplatz“ (Beschäftigten-Schutzgesetz) im Jahr 1994 ist der
Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in Deutschland gesetzlich festgeschrieben. Unter den Begriff der sexuellen Belästigung fallen neben sexuellen
Handlungen und Verhaltensweisen, die
nach den strafgesetzlichen Vorschriften
unter Strafe gestellt sind, auch „sexuelle
Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie das Zeigen und sichtbare Anbringen von pornografischen Darstellungen, die von den Betroffenen erkennbar
abgelehnt werden“. Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber, gegen Belästigungen
im Betrieb präventiv und zum Schutz der
Betroffenen vorzugehen. Außerdem
räumt es den Betroffenen das Recht auf
eine Beschwerde ein, die vom Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzten geprüft
werden muss (Beschäftigtenschutzge-
... für den anderen ein unangemessenes
Übertreten der persönlichen Distanz.
Quelle: Janna Lena Degener
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setz). Zur Umsetzung europäischer Vorgaben wurde das Beschäftigtenschutzgesetz 2006 durch das umfassendere Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz
(AGG) abgelöst. Darin wird sexuelle Belästigung als „ein unerwünschtes, sexuell
bestimmtes Verhalten“ definiert, das „die
Würde des Opfers verletzt“. Nicht nur das
Aufdrängen sexueller Handlungen oder
das Androhen beruflicher Nachteile bei
sexueller Verweigerung, sondern auch
Hinterherpfeifen oder Anstarren können
demnach ein Grund für eine fristlose
Kündigung sein – unter der Voraussetzung, dass diese von den betroffenen
Kollegen erkennbar abgelehnt werden
(Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz).
Der Gang vor Gericht wird allerdings in
den meisten Fällen erst der letzte Schritt
sein, um sich gegen sexuelle Belästigung
zur Wehr zu setzen.
Was Betroffene tun können
• „Hab dich nicht so“ – Opfern sexueller
Belästigung wird nicht selten das Gefühl vermittelt, selbst für das Geschehene verantwortlich zu sein oder übersensibel zu reagieren. Der erste Schritt
ist deshalb, die eigenen Empfindungen
zuzulassen und deutlich zu formulieren.
• Haben Sie Angst vor der Konfrontation?
Dann suchen Sie das Gespräch mit vertrauten Personen oder Kollegen. Wenn
auch andere betroffen sind, können
Sie sie zudem mit ins Boot holen. Stehen Sie mit ihrem Problem alleine da,
können Sie auch bei einer öffentlichen
Beratungsstelle Hilfe suchen.
• Wehren Sie sich frühzeitig! Wer sich
in der Situation zu einer energischen
und deutlichen Zurückweisung nicht in
der Lage fühlt, kann dies dem anderen
auch im Nachhinein mündlich oder
schriftlich mitteilen.
• Führt die Konfrontation nicht zum
Erfolg, sollten Sie eine Beschwerde
androhen. Halten Sie die Belästigung
und die Reaktionen möglichst sachlich
und detailliert fest, notieren Sie Datum,
V
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Uhrzeit, Ort und mögliche Zeugen des
Vorfalls. Bewahren Sie auch mögliche
Beweisstücke wie Briefe, SMS oder
Emails auf.
• Eine erste Beschwerde sollten Sie an
eine betriebliche Anlaufstelle richten:
An den Personal- oder Betriebsrat, den
Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragen, den nächsthöheren Chef oder
die Geschäftsleitung. Auch wenn die
Belästigung von höchster Stelle erfolgt,
sollte pro forma eine schriftliche Beschwerde eingereicht werden.
• Wenn auf die Beschwerde keine Reaktion erfolgt, sollten Sie sich an einen
Rechtsanwalt wenden und das weitere
Vorgehen klären. Möglicherweise können sie die Arbeit partiell oder vollständig verweigern, fristlos kündigen oder
eine Klage einreichen.
n INTERVIEW
arbeitsmarkt: Wie sind Sie selbst
dazu gekommen, sich mit dem Thema „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu beschäftigen?
Bettina Kurz: Ich habe von 1987 bis 1997
als Gleichstellungsbeauftragte in der Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes
(VPOD) in der Schweiz gearbeitet. Zu
Beginn meiner Tätigkeit dort gab es eine
internationale Frauenkonferenz der Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes
in New York. Dort stand das Thema „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“ auf
der Tagesordnung. Zwei Kolleginnen haben das Thema zurück in die Schweiz
gebracht, und im VPOD wurde es schnell
zu einem wichtigen Inhalt. Auch in der
Öffentlichkeit hat es für sehr viel Wirbel
gesorgt. Es war zum Beispiel das bisher
erste und letzte Mal, dass die Gewerkschaftsfrauen unter der Überschrift „Wer
Frau Schätzli sagt, wird verklagt“ auf der
Titelseite der Schweizer Boulevard-Zeitung „Blick“ auftauchten. Weil es noch
wenig Erfahrungen mit dem Problem
gab, haben wir sehr viel Grundlagenarbeit
dazu geleistet. Als sich die ersten betrof-
VI
BEISPIELE AUS DER RECHTSPRECHUNG
• Einmalige Belästigung durch sexuelle
Witze gegen den Willen der/des Betroffenen rechtfertigen eine Ermahnung.
•´ Piksen, Streicheln, Hinterherpfeifen
bei Kolleginnen oder Kollegen; sich in
den Weg stellen mit sexuellen Anspielungen; zum wiederholten Mal
den Arm um die Schultern einer/
eines Auszubildenden legen und sie/
ihn streicheln bedingen eine Abmahnung.
• Einstellungsgespräche in einer Sauna;
wiederholtes
Umarmen
einer
Kollegin/eines Kollegen gegen ihren/
seinen Willen führen zur ordentlichen
Kündigung.
• Wiederholtes Erzählen sexueller Witze
und pornographischer Geschichten
bei Kolleginnen oder Kollegen gegen
fenen Frauen bei uns meldeten, haben
wir Beratungsmöglichkeiten organisiert
und Vorgaben für Betriebe im Umgang
mit sexueller Belästigung entwickelt. Das
hat auch dazu geführt, dass der Aspekt
im Schweizer Gleichgestellungsgesetz
INTERVIEWPARTNERIN
Bettina Kurz, Organisationsberaterin
SAAP/BSO und unter anderem Expertin
für das Thema „Sexuelle Belästigung
am Arbeitsplatz und Mobbing“
deren Willen, um sie zu provozieren
und sich selbst zu befriedigen; obszönes Ausfragen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach sexuellen Aktivitäten in der vergangenen
Nacht verbunden mit Berührungen an
Geschlechtsteilen und obszönen Bemerkungen und Angeboten; exhibitionistische Handlungen sind stets ein
außerordentlicher Kündigungsgrund.
Quelle: Gunter Pirntke – freiberuflicher Dozent für Rechts- und
Wirtschaftswissenschaften und Autor
der Bücher „Mobbing und sexuelle
Belästigung: Die Fürsorgepflicht des
Arbeitgebers und die Rechte der Betroffenen“ und „Das neue Gleichbehandlungsgesetz – ein Unternehmensrisiko?“
aufgenommen wurde. Heute beschäftige
ich mich als Organisationsberaterin bei
der Beratungsgruppe integress partners
unter anderem auch weiter mit dem Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz:
Ich biete zum Beispiel Schulungen für
Vorgesetzte, Führungspersonen und Vertrauenspersonen in Betrieben an, berate
Betriebe in der Prävention, helfe bei der
Untersuchung von Vorfällen und unterstütze Teams bei der Aufarbeitung.
Eine gesellschaftliche Diskussion
über sexuelle Belästigung kam also
erst in den 80er Jahren auf?
Nein, das war schon viel früher ein Thema. Als wir uns in der Gewerkschaft in
den 80er Jahren mit dem Thema beschäftigt haben, haben wir auch Dokumente aus den 20er Jahren gefunden.
Schon damals haben Frauen in Flugblättern auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Seit den dreißiger Jahren ist das
Thema dann aber wie viele andere Themen für viele Jahre untergegangen – bis
es dann in den 80er Jahren im Zuge der
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feministischen Gleichstellungsdiskussion
wieder aufkam.
In der öffentlichen Diskussion in
Deutschland scheint das Thema
„Mobbing“ derzeit viel präsenter zu
QUELLEN UND LINKS
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz http://www.gesetze-iminternet.de/bundesrecht/agg/
gesamt.pdf
ArbeitsRatgeber:
www.arbeitsratgeber.com/sexuelle-belaestigung_0176.html
Arbeitsrecht Online:
www.ra-kassing.de/arbeit/belaest/
sexarbg.htm
Beschäftigenschutzgesetz
www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gesetze.html
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BmfFSFJ):
www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung
Eidgenössisches Büro für die
Gleichstellung von Frau und Mann
der Schweiz:
www.sexuellebelaestigung.ch
EU-Gesetzgebung zur Verhütung
der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz:
http://europa.eu/legislation_summaries
Schweizer Beratungsgruppe integress partners: www.integress.ch
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – der Stand der Dinge in der
Schweiz www.unia.ch/Sexuelle-Belaestigung
Staatssekretariat
für
Wirtschaft
SECO, Eidgenössisches Büro für die
Gleichstellung von Frau und Mann
EBG: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – Informationen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber:
www.seco.admin.ch/dokumentation/
publikation/
Literatur
Veronique Ducret: „Sexuelle Belästigung – was tun?“. 2003.
sein als „sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“. Wie lassen sich die Begriffe voneinander abgrenzen?
In meiner Arbeit erlebe ich, dass es oft
leichter ist, in Betrieben über sexuelle
Belästigung zu sprechen, wenn man
auch Mobbing thematisiert. Auch bei
Mobbing handelt es sich um ein sehr
ernsthaftes Problem. Je stärker die Konkurrenz wird, je mehr der Druck am Arbeitsplatz steigt – und das passiert in
den letzten Jahren massiv – desto größer
ist auch die Gefahr für Mobbing. Wie bei
der sexuellen Belästigung geht es auch
beim Mobbing darum, Macht oder vermeintliche Macht auszuüben und zu behaupten. Sowohl Mobbing als auch sexuelle Belästigung werden zum Beispiel
eingesetzt, um Frauen auch im mittleren
Kader (als direkte Konkurrentinnen) zu
schwächen. Beim Mobbing geht es um
Konflikte, die nicht rechtzeitig aufgelöst
werden oder angegangen werden und
deshalb eskalieren. Wir sprechen dann
von Mobbing, wenn über einen längeren
Zeitraum hinweg Handlungen stattfinden, die eine Person demütigen oder
ausschließen. Wenn in diesem Zusammenhang sexuelle oder sexistische Verhaltensweisen auftreten, kann von sexueller Belästigung als einer Form des
Mobbings gesprochen werden. Andererseits können aber auch einmalige Vorfälle sexueller Belästigung auftreten, bei
denen man nicht von Mobbing spricht.
Bei beiden Problemen geht es auch um
Arbeits- und Betriebskulturen: Wie gehen wir miteinander um? Wie respektieren wir einander? Welche Rolle spielen
Nähe und Distanz? Wie gehen Frauen
und Männer miteinander um, und wie
wird Gleichstellung im Betrieb umgesetzt?
Welchen Rat haben Sie für Betroffene?
Sexuelle Belästigung führt oft zu einer
sehr starken Verunsicherung, sie trifft
gerade Frauen häufig sehr tief. Umso
mehr, wenn sie von Vorgesetzten belästigt werden, von denen sie auch abhängig sind. Das ist für viele sehr schwer. Sie
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haben dann auch einfach Angst um ihren
Arbeitsplatz. Eine weitere Schwierigkeit
für Betroffene ist oft, dass sie zunächst
die Schuld bei sich selber suchen. Viele
ziehen sich zum Beispiel ein bisschen
anders an, um dann zu merken, dass das
gar nichts ändert. Solche Passivstrategien wirken eigentlich nie. Studien zeigen
ganz deutlich: Wenn es einer betroffenen Person gelingt, sich klar und möglichst sofort abzugrenzen und „Nein!“,
„Stopp!“ oder „Das nicht!“ zu sagen oder
sich mit klaren Gesten abzugrenzen,
dann hat sie auch die besten Chancen,
nicht weiter belästigt zu werden. Ich rate
Betroffenen, über das Erlebte zu reden
– mit einer zuständigen Person, mit einer
Vertrauensperson im Betrieb, beim Betriebsrat, einer Beratungsstelle oder bei
den nächsthöheren Vorgesetzten. Aber
das fällt vielen schwer, denn es geht um
ein intimes Thema und oft auch um tiefgehende Verletzungen.
Das Interview führte Janna Lena Degener
ZUR AUTORIN
Janna Lena Degener arbeitet als
freie Journalistin in Köln. Themen
rund um Bildung, Berufsorientierung, Studium, Wissenschaft und
Karriere gehören zu ihren thematischen Schwerpunktinteressen.
VII
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