Behandlung von Infekten ohne Konzept U.-J. Gerlach, C. Grimme, R. Schoop, M. Borree Abteilung Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Leitender Arzt: Dr. U.-J. Gerlach BG-Unfallkrankenhaus Hamburg Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. C. Jürgens Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept - Knochen- und/oder Gelenkinfektionen - periprothetische Infektionen - HWT-Infektionen (von Erysipel bis nekrotisierende Fasziitis) - Infiziertes diabetisches Fußsyndrom - Kombination der Infektionen Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Pathogenese - Anzahl und Virulenz der Erreger - Lokale Keimkontamination - Lokale und systemische Immunabwehr Staphylococcus epidermidis Foto: Janice Carr/ CDC/ Segrid McAllister Septische Knochen- und Gelenkchirurgie - Implantate Therapie von Infekten ohne Konzept Unsere Gegner: - MRSA - MRSE - VRE - ESBL - VISA - Pseudomonas - Actinetobacter - Mycobacterium Proteus, E. coli, ß-hämolysierende Streptokokken Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Exogene Risikofaktoren: - Falsche OP-Indikation OP-Dauer OP-Technik OP-Zeitpunkt Implantat Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Endogene Risikofaktoren: - Alter > 65 Jahre - Adipositas - Nikotin / Alkoholabusus, - chronische Herz/Kreislauferkrankungen - Diabetes mellitus - Durchblutungsstörungen - Immunschwäche, immunsuppressive Therapie - Erkrankung aus dem rheumatoiden Formenkreis - konsumierende Erkrankung, Begleitinfektion - Strahlenschäden Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Pat. J.S, männlich, 43 Jahre Keine Begleiterkrankungen Oktober 2009: geschlossene OS-Schaftfraktur li. Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Pat. J.S, männlich, 43 Jahre Keine Begleiterkrankungen Oktober 2009: geschlossene OSSchaftfraktur li., Osteosynthese mit retrogradem Marknagel Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Pat. J.S, männlich, 43 Jahre Keine Begleiterkrankungen Oktober 2009: geschlossene OS-Schaftfraktur li., Osteosynthese mit retrogradem Marknagel November 2009: KG-Empyem li., arthroskopisches Debridement Keime: Staph. aureus, Enterococcus faecalis (multiresistent), E. coli Persistierende Schwellung und Schmerzen KG-Region, keine weitere Therapie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Juli 2010: Femur-Osteitis mit infiziert einliegendem Marknagel → ME Marknagel, Restabilisierung mit LCDC-Platte Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Juli 2010: Femur-Osteitis mit infiziert einliegendem Marknagel → ME Marknagel, Restabilisierung mit LC-DC-Platte Persistierende Infektion, Oktober 2010 Anlage einer Fistel Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie November 2010: bei „fehlender Konsolidierung“ Entfernung LC-DC-Platte, Umstieg auf LISS-Platte, Verkürzungsosteotomie Femur, Einbringen RobinsonDrainage zur „Fistelpräformierung“. • Septische Knochen- und Gelenkchirurgie ...................................... ........................ Stationär 6 BG Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus Harnburg vom 21.12.2010 bis 10.01.2011 Diagnosen Mechanische Komplikation durch eine interne Osteos (T84. 1 ) Entfernung einer Metallplatte oder einer anderen mneren Fixationsvorrichtung (Z4 7 .0) Therapie 23.12.2010: Verkürzungsosteotomie, Femurschaft Wechsel von LCDCP-Piatte auf LISS-Piatte L (5-781.3G) Anamnese Die Vorgeschichte dürfen wir freundlicherweise als bekannt vorraussetzen. Aktuell stellte sich mit Schmerzen im linken Bein , zunehmender distaler Schwellung des Oberschenkels und Fehlstellung in unserer NFA vor. Die im Oktober angelefite Fistel fördert produktiv. Entzündungswerte im Blut leicht erhö t. Befund bei Aufnahme Bein links: Schwellung, Fistel serös fördernd, leichte Varusfehlstellung, pDMS intakt, CRP 45,5, Leuko 10, 12, Im Röntgen zeig e sich die fehlende Konsolidierung des Knochens unter Osteosynthese mtttels LCDCP Platte, so dass de Indikation zur erneuten operativen Versorgung gestellt wurde. Verlauf I Therapie Re-Osteosynthese mittels 13 L- LISS bei Lockerung der LCDCP Osteosynthese und Entfernung der LCDCP Platte. Verkürzungsosteotomie bei fehlender Frakturheilung, sowie ausgiebige Entfernung von nekrotischem Knochen. Erneut Robinson Drainage zur FistelpräformierunH belassen.Der intraoperative sowie stat. postoperative Ver auf gestalteten sich komplikationslos. ln der Wunde wurde ein Staph. aureus nachgewiesen, der mit nach Antibiogram mit Cefachlor behandelt wird. Der Patient konnte zunehmend mobilisiert und physiotherapeutisch beüb werden. Bei Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept S.F, weiblich, 22 Jahre Motoradunfall mit 3. gradig offener US-Fraktur, HWT-Defekt (15x20cm), Peroneus-Schaden Auswärtige Behandlung mit Debridement, Fixateur externe. Nach 10 Tagen Umstieg auf Marknagel. Behandlung HWT-Defekt mit VAC. Nach 4 Wochen Verlegung auf Veranlassung der BG. Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Bei Aufnahme: langstreckige Tibiaosteitis und infizierter HWT-Defekt - Segmentresektion Tibia (8 cm), Stabilisierung im AO-Fixateur. - temporäre Deckung HWT-Defekt mit Epigard, dann frei transplantierter Parascapularlappen - Knochendefektaufbau durch Segmenttransport Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Unser Konzept bei akuter Knocheninfektion: - Debridement, Entnahme eines Abradates, Einlage eines lokalen Antibiotikumträgers, systemische Antibiose - Bei Stabilität: 1x Versuch des Erhaltes des Osteosynthesematerials - bei Marknagelosteosynthesen: kein Erhaltungsversuch !! Nach ME Markraumaufbohrung, Stabilisierung im Fixateur externe Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Unser Konzept bei chronischen Knocheninfektionen: - Erheben des Ausmaßes der Infektion - Entscheidung über den Erhalt der Extremität - mehrstufiges Konzept: 1.operativer Schritt: Infektionsberuhigung 2.operativer Schritt: Weichteil-Defektverschluss 3.operativer Schritt: Knochendefektaufbau parallel: umfassendes Reha-programm mit Physiotherapie, Hydro-, Ergo-, Sport- und Gehschultherapie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept 1. operativer Schritt: - Materialentfernung - Radikale Sequestrektomie - Einlage lokaler Antibiotikumträger (Septopal®) - Stabilisierung durch Fixateur externe - Kurzzeitige systemische Antibiose Essentiell in der Behandlung der Osteitis: Radikale Sequestrektomie ! Ohne Radikalität keine dauerhafte Infektberuhigung ! Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie: - Radikal - Radikal - Radikal Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Keine Angst vor dem entstehenden Defekt !! Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept 2. Operativer Schritt: Therapie von Hautweichteildefekten - so stabil als möglich - so früh als möglich - bei größeren Defekten über Knochen Zusammenarbeit mit plastischen Chirurgen - Ggf. Verschluß durch Spalthaut. offenen Segmenttransport, Weichteildistraktion Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Von Januar 2007 bis Juni 2010 78 Patienten mit Osteits und ausgedehntem HWT-Defekt Tibia/Fuß: 75 Fälle, Femur: 3 Fälle 87 % männl., Alter: 52,4 (21 – 85 ) 13 % weiblich, Alter: 53,6 (19 – 80 ) In 14 Fällen (17%) Lappenverlust, Therapie: 2. freier Lappen, erfolgreich in 8 Fällen In 2 Fällen HWT-Verschluß durch Dermatodistraktion In 4 Fällen (5%) Amputation In 74 Fällen erfolgreiche Wiederherstellung einer belastbaren Extremität Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept 3. Operativer Schritt: Knochendefekt-Aufbau bei Infektberuhigung - Zirkuläre Defekte bis 3,0 cm: Spongiosaplastik - Zirkuläre Defekte über 3,0 cm: Segmenttransport Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Pat. F.H., männl., 40 Jahre, Polytrauma, u.a. offene Fußwurzel –und Mittelfußfrakturen mit HWT-Defekt Übernahme mit Fußwurzelosteitis und infiziertem HWT-Defekt Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Pat. M.S., männl., 20 Jahre Polytrauma mit SHT III.°, SternumFraktur, Hämatothorax bds., stumpfes Bauchtrauma, BWK 12 Fraktur, III° offene US-Fraktur re., Kompartmentsyndrom re. US Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Nach 2 Tagen Revision mit Jet-Lavage, nach weiteren 2 Tagen Umstieg auf interne Osteosynthese Frühinfekt, tägliche Revisionen, Entlassung mit liegender Saug-SpülDrainage bei liegendem Osteosynthesematerial Entwicklung einer langstreckig sequestrierenden Osteitis Deswegen: Segmentresektion über 18,0 cm, Anlage Ilizarow-Fixateur, Segmenttransport Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Die Realität bei Gelenkinfektionen: KG-Empyem: Dauer der Behandlung vor Aufnahme in das BUKH: Ø 156 Tage (10-1560) Anzahl der Voroperationen: 3,5 (0-9) SG-Empyem: Dauer der Behandlung vor Aufnahme in das BUKH: Ø 123 Tage Anzahl Voroperationen: 5,5 (1- >20) Gelenkinfektionen mit multiresistenen Erregern: Dauer der Behandlung vor Aufnahme in das BUKH: Ø 187 Tage Anzahl Vor-Operationen: 5,0 (1 – 12) Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Unser Konzept bei Gelenkinfektionen: - Eine Diagnose ist zu erzwingen - Akute Gelenkinfektion = unfallchirurgischer Notfall - bei chronischem u./od. voroperierten Empyem offenes Vorgehen erforderlich - radikale Synovialektomie Einlage lokaler Antibiotikumträger, kurzzeitige systemische Antibiose - sofortiger Beginn mit intensiver Übungsbehandlung Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Unser Konzept bei Protheseninfektionen: Unterschied in der Behandlung einer akuten und chronischen Infektion - Akute Infektion (innerhalb der ersten 4 Wochen): Erhaltungsversuch - Chronische Infektion (nach 4 Wochen): Radikales Vorgehen, zweizeitiger Wechsel Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Wichtig: - Daran denken - Wahrhaben wollen - Nicht bagatellisieren Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Unser Konzept: - individuelles Therapiekonzept - individuelle Entscheidung - ausführliche Aufklärung des Patienten - realistische Therapieoptionen und Behandlungszeiten benennen Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Wichtig: - Die chirurgische Therapie ist entscheidend - Lokale und systemische Antibiose unterstützt die chirurgische Therapie - Antibiotika (systemisch, lokal) sind kein Ersatz für nicht korrekte Chirurgie - die Therapie erfolgt mehrzeitig - die Behandlung ist multidisziplinär durchzuführen - Knocheninfektionsbehandlung gehört in Spezialabteilungen ! Septische Knochen- und Gelenkchirurgie Therapie von Infekten ohne Konzept Indikation zur Amputation: - „Life for limb“ - Situation - nicht beherrschbare Infektion - nicht sinnvoll zu deckender HWT-Defekt - Hyperästhesie - chronisches schweres Schmerzsyndrom - Gefäßschaden/AVK - Compliance des Patienten - Patientenwunsch Septische Knochen- und Gelenkchirurgie